Franz Sicklinger, Metten Das Land der Abtei Seine Geschichte und die Geschichte eines seiner Dörfer Franz Sicklinger Das Land der Abtei Seine Geschichte und die Geschichte eines seiner Dörfer

Metten, im Jahr 2018

3. ergänzte Auflage, Dezember 2020 Inhaltsverzeichnis

I Vorbemerkung ...... 6

II Geschichte bis zur Gründung des Königreichs Bayern ...... 7 1. Das : Entstehung, Territorium und politische Struktur ...... 7 2. Besiedlung und landwirtschaftliche Strukturen ...... 11 3. Gesellschaftspolitische Strukturen ...... 19 a) Das Feudalsystem ...... 19 b) Zehent und Fron ...... 19 c) Rebellion der Bauern ...... 21 4. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen im Land der Abtei – Plünderung und Schwar- zer Tod ...... 22 a) Der „Schwarze Tod“ ...... 23 b) Nach dem Kriege ...... 24 III Das Abteiland wird königlich-bayerisch ...... 26 1. Wie ein Schauberger Raufbold zum Mit-Erbauer der Thierham-Kapelle wurde ...... 27 2. „Die Revolution von oben“: Wie der bayerische König die Grundfeste für das moderne Bayern schuf ...... 32 a) Der König beendet das Lehenswesen und die Fron der Bauern – aber nur gegen Abfin- dung ...... 33 b) Vom Holzhaus zum Steinhaus ...... 35 3. In der Dorfmitte zwischen zwei mächtigen Linden: Ein Zeichen des christlichen Glaubens ...... 38 IV Entwicklung im 20. Jahrhundert ...... 40 1. Das Dorf brennt ab ...... 40 2. Der Granit ...... 43 3. Ein Bauernhof – ein Bauerndorf? ...... 45 V Quellen ...... 47 1. Bücher ...... 47 2. Karten und Bilder ...... 48 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Blick von Schauberg ...... 5

Abbildung 2: An Österreich abgetretenes Gebiet des Hochstifts ...... 9

Abbildung 3: Haidensäge / Schauberger Säge ...... 13

Abbildung 4: Flurkarte Schauberg ...... 15

Abbildung 5: Ochsenweide des Dorfes Oberneureuth ...... 16

Abbildung 6: Pestsäule in Oberneureuth ...... 23

Abbildung 7: Pestsäule Oberneureuth Südseite ...... 23

Abbildung 8: Pestsäule , ...... 24

Abbildung 9: Thierham-Kapelle innen ...... 28

Abbildung 10: Thierham-Kapelle heute ...... 29

Abbildung 11: Originalfassade der Thierham-Kapelle im Museumsdorf Bayerischer Wald ... 30

Abbildung 12: Silberarbeiter ...... 31

Abbildung 13: Ortstafel Schauberg ...... 32

Abbildung 14: Stoarl-Haus in Oberfrauenwald ...... 36

Abbildung 15: Bartl-Haus in Schauberg ...... 36

Abbildung 16: Hoin-Anwesen in Schauberg ...... 37

Abbildung 17: Dorfkreuz Schauberg ...... 39

Abbildung 18: Schauberger Feuerwehrhorn ...... 41

Abbildung 19: Schauberger Feuerspritze ...... 42

Abbildung 20: Türgericht Hoinhaus ...... 42

Abbildung 21: Steinhauer im Kandlbinder-Bruch ...... 43

Abbildung 22: Steinbruch Schauberg, 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts ...... 44 Abbildung 1: Blick von Schauberg

5 I Vorbemerkung

Das Schicksal des Einzelnen und der Ge- Dunkel zu holen, ist Ziel der nachstehenden meinschaften, in denen er lebt, wird seit je- Ausführungen. her in vielfältiger Weise von der „hohen Po- Die zweite Epoche, die mit dem Entstehen litik“ bestimmt. Im Vordergrund soll im des Königreichs Bayern beginnt, ist uns ver- nachstehenden Bericht über die Geschichte trauter. Und doch ist uns heute kaum mehr des Landes der Abtei und der dort angesie- bewusst, wie sehr in der Gründungsphase delten Dörfer deshalb weniger eine Be- des Königreichs Grundlagen gelegt und schreibung möglichst vieler Facetten des Strukturen geschaffen wurden, die bis in die dörflichen Lebens in früheren Zeiten stehen heutige Zeit hineinwirken. Es war dies die als vielmehr die der politischen Gescheh- Zeit, in der das bis dahin mittelalterlich ge- nisse und Entwicklungen. Von diesen ausge- prägte Land der Abtei eine tiefgreifende hend soll aufgezeigt werden, wie durch sie Umgestaltung erfuhr. Diese politische und das Dorf im „Land der Abtei“ geprägt und gesellschaftliche Zeitenwende im 19. Jahr- das Leben der dort wohnenden Menschen hundert soll deshalb der zweite Schwerpunkt bestimmt wurde. Der Bericht stellt die Ge- sein. schichte des Abteilandes nicht umfassend dar, sondern beschränkt sich auf die ge- In der vorindustriellen Zeit war die Bevölke- schichtlichen Aspekte, die das Leben und rung weit überwiegend bäuerlich, im frühen das Schicksal seiner Bewohner in besonde- Mittelalter zu über 90 Prozent. In einer Ge- rer Weise beeinflusst haben. schichte des Abteilandes muss deshalb auch die Entwicklung der Bauerndörfer einen an- Die erste Epoche der Geschichte des Landes gemessenen Platz einnehmen. Es würde aber der Abtei, die von ihren Anfängen an bis zur den Rahmen dieses Berichtes sprengen, die Gründung des Königreichs Bayern reicht, Geschichte möglichst vieler Dörfer im Ein- war mittelalterlich geprägt. Diese Zeit zelnen zu beschreiben. Diese Dörfer haben kommt uns heute oft fremd vor, als dunkles aber wegen der gleichen Obrigkeit, die die Zeitalter. Das ist neben dem zeitlichen Ab- politischen Verhältnisse im Land der Abtei stand wohl der Grund, dass sie im Bewusst- geprägt hat, eine ähnliche Geschichte. Des- sein der breiten Bevölkerung heute kaum halb kann die Geschichte eines Dorfes stell- mehr präsent ist. Diese Zeit für den regiona- vertretend für die der anderen stehen. Dieses len und dörflichen Raum etwas aus dem Dorf soll mein Heimatort Schauberg sein.

6 II Geschichte bis zur Gründung des Königreichs Bayern

1. Das Abteiland: Entstehung, Territorium und politische Struktur

Der Name Schauberg erklärt sich – nomen 814) zu königlichem Eigentum erklärt hatte. est omen – aus der Lage des Dorfes. 750 Kaiser Heinrich II., einer seiner Nachfolger, Meter hochgelegen gewährt sie einen herrli- schenkte es im Jahre 1010 dem vom bayeri- chen Blick in das Staffelbachtal, das im Sü- schen Herzog Tassilo gegründeten Kloster den von Ruhmannsberg und Staffelberg und Niedernburg in Passau. (Auch wenn die im Norden von Geiersberg und Oberfrauen- Schenkungsurkunde vom 19. April 1010 wald begrenzt wird. Den Beginn des Tales nach Ludwig Veit eine Fälschung sein soll, markiert der Kirchturm der kleinen Filialkir- ist doch der erhebliche Grundbesitz des che Krinning und das Ende der Kirchturm Klosters Niedernburg in dieser Region be- der Hauzenberger Pfarrkirche. Bei Föhnwet- legt). Im Jahre 1161 schenkte dann Kaiser ter kann man von der Anhöhe über dem Dorf Friedrich Barbarossa das Kloster Niedern- aus sogar die Alpenkette bewundern. burg samt seinem Besitz im Nordwald sei- nem Neffen Konrad, dem Bischof von Pas- Schauberg war bis in die neuere Zeit ein rei- sau. Das Gebiet erhielt in Erinnerung an den nes Bauerndorf, bestehend aus acht Höfen früheren Besitzer, das Benediktinerinnen- im Ort und zwei weiteren in der näheren kloster (Abtei) Niedernburg den Namen Umgebung. Es gehörte früher zur Gemeinde „Land der Abtei“. Oberneureuth und ist seit der Gebietsreform Teil der Gemeinde . Der Passauer Bischof war geistlicher Ober- hirte seiner Diözese, die bis in den Westen Obwohl die Geschichte des Dorfes Schau- Ungarns reichte. Er wollte aber auch weltli- berg etwa fünfhundert Jahre zurückreicht, ist cher Herrscher werden. Dazu benötigte er dessen Gründung im Vergleich zu anderen ein weltliches Territorium. Deshalb löste er Orten des Unteren Bayerischen Waldes rela- im Jahre 1262 ein Gebiet, bestehend aus der tiv spät erfolgt; lediglich das benachbarte Stadt Passau, dem Land der Abtei sowie, Gebiet um Breitenberg („Neue Welt“) wurde zeitlich variierend, einigen weiteren Gebie- später besiedelt. Die Gründung ist eng mit ten aus der Schirmherrschaft (Schirmvogtei) der Siedlungsgeschichte des sogenannten des Herzogtums Bayern. Dieses Territorium „Landes der Abtei“ verbunden – so wurde erhielt die Bezeichnung „Hochstift Passau“. das Gebiet zwischen der Ilz und der späteren Es fand innerhalb des deutschen Kaiserrei- (lange instabilen) österreichischen Grenze ches (des Heiligen Römischen Reiches bezeichnet. Dieses Waldgebiet war ur- Deutscher Nation) Anerkennung als ein ei- sprünglich Teil des sog. Nordwaldes, den der genständiger Staat, auf einer Ebene mit den Frankenkönig Karl der Große (von 747 bis anderen deutschen Fürsten- und Herzogtü-

7 mern sowie den reichsunmittelbaren Städten. Hainrich Zener verkauft an Jorig Watz- Ermöglicht wurde dies durch einen Erlass mannsdorfer Leuprechting (...) Wald bei von Kaiser Friedrich II. aus dem Jahre 1220, Newreut zwischen dem Forstwald und auf dessen Grundlage es den meisten deut- dem Dorfwald, anstoßend an den Schaur- schen Bischöfen gelang, einen Teil ihres perger Wald (…) Grundbesitzes in ein weltliches Herrschafts- Diesen Besitz der Watzmannsdorfer ver- gebiet umzuwandeln. Der Passauer Bischof leibte sich der Bischof von Passau als nun- hatte nunmehr eine Doppelfunktion als mehriger Grundherr der Besitzungen des Oberhirte seiner Diözese und als Fürst über Klosters Niedernburg ein, indem er deren Ei- ein weltliches Territorium. Da sich jedoch gentum in ein Lehen umwandelte. Die ehe- die Stadt Passau ein eingeschränktes Selbst- mals freien adeligen Grundherren wurden zu verwaltungsrecht erkämpft hatte, bildete das Lehensträgern. Im Jahre 1553 wurden meh- Land der Abtei das Kernland des Hochstifts. rere Güter der Watzmannsdorfer vom Bi- Als nunmehriger Landesherr konnte der schof weiter verliehen. In der Urkunde ist Fürstbischof nun die Lebensumstände der auch „Schaurperg“ erwähnt. Bewohner dieses Gebietes umfassend auch im weltlichen Bereich regeln. 17. Mai 1553 (...) Gotthard Herrn von Scherfftenperg verliehene Güter von Bi- Zunehmend gewannen die Bischöfe die schof Wolfgang von Passau: (...) Schaur- Oberhoheit über adelige Herrschaften, die in perg (3 Güter) (…) dieser Region Grundbesitz besaßen, so auch über den Besitz des Adelsgeschlechts der Auch in den Lehensbriefen der Watzmanns- Watzmannsdorfer. dorfer und im Lehensbuch von Bischof Christoph wird Schauberg mit „2 Lehen, 1/2 Die Watzmannsdorfer waren ein reich begü- Leh.“ geführt. tertes Adelsgeschlecht aus dem Raum zwi- schen Donau und Inn, die im 11. Jahrhundert 1575 ging schließlich auch der Herrschafts- über die Donau in den Nordwald kamen, um sitz Leoprechting an Bischof Urban über. die Kolonisation zu unterstützen. Ausgangs- Die Herrschaft der Watzmannsdorfer als punkt für ihre Tätigkeit war dabei Watz- freie Grundherren in dieser Gegend war da- mannsdorf – das heutige . Späterer mit endgültig beendet. Verwaltungssitz wurde Ende des 14. Jahr- Dieser Ausweitung des fürstbischöflichen hunderts Leoprechting (bei ). Die Besitzes stand andererseits eine Grenzver- Adelsgeschlechter, die als freie Grundherren schiebung zu dessen Lasten gegenüber, Kolonisation betrieben, waren darauf durch die die Gegend östlich von Schauberg bedacht, ihr Gebiet möglichst zu vergrößern. für 260 Jahre österreichisches Hoheitsgebiet Das bezeugt eine Urkunde vom 25. August wurde. Diese hatte folgenden geschichtli- 1469, in der erstmals ein „Schaurperger chen Hintergrund: Wald“ erwähnt ist: Um 1240 hatte der Passauer Bischof unweit der Mündung der Ranna in die Donau die

8 Burg Rannariedl errichten lassen, um an die- ser Stelle die Donau zu kontrollieren und Steuern erheben zu können. Um der Burg eine beständige Einnahmequelle zu ver- schaffen, stattete er sie mit einem Landge- biet im „Oberen Vorstwald“ aus, einem men- schenleeren Urwaldgebiet, das bis nahe Waldkirchen reichte. Er übergab die Burg zusammen mit den Ländereien an den Besit- zer der benachbarten Burg Falkenstein als Lehen. Dieser betrieb sodann die Kolonisa- tion. Einen Schwerpunkt bildete dabei das Gebiet um Heindlschlag und Jandelsbrunn.

Als Folge des Landshuter Erbfolgekrieges musste der Passauer Fürstbischof im Jahre 1506 die Burg Rannariedl mit den Lände- reien um Heindlschlag, Jandelsbrunn und Wildenranna an das Erzherzogtum Öster- reich abtreten. Der österreichische Erzher- zog aus dem Adelsgeschlecht der Habsbur- Abbildung 2: An Österreich abgetretenes ger wollte nicht nur Grundeigentümer, son- Gebiet des Hochstifts Passau dern auch Landesherr sein. Die Anerken- Zwischen 1506 und 1765 verlief die Landes- nung erreichte er, indem er sich auf eine ge- grenze zwischen Schauberg (Hochstift Pas- fälschte, auf das Jahr 1156 datierte Urkunde sau) und Sonnen (Österreich) sowie zwi- von Kaiser Friedrich Barbarossa berief. schen Wildenranna (Österreich) und Weg- Das Gebiet um Heindlschlag und Jandels- scheid (Hochstift Passau). Karte: Friedl Haertel brunn wurde nun zusammen mit dem Gebiet um Wildenranna österreichisches Staatsge- biet und blieb dies 260 Jahre lang. Im Nor- war damit von allen Seiten von den wurde auch die Ortschaft Sonnen öster- österreichischem Gebiet umschlossen. Und reichisch, während der Nachbarort Schau- dies führte zu ständigen Reibereien zwi- berg beim Hochstift Passau verblieb. schen den Orten Wegscheid und Wilden- Im Süden schob sich der österreichische Be- ranna. Österreich ließ nämlich in Wilden- sitz um Wildenranna wie ein Sperrriegel vor ranna und einigen weiteren Orten Mautstel- das Wegscheider Gebiet, das im Besitz des len einrichten. Bis dahin durften Waren ohne Passauer Bischofs geblieben war. Mautabgaben durch das Gebiet von Falken- stein, bzw. Rannariedl gebracht werden. Nun aber wurde zum großen Ärger der Säumer

9 vom Mauteinnehmer (Mautner) in Wilden- Statthalter in Linz brachte keine Ab- ranna von allen Waren, die von und nach hilfe. Passau durch den Amtsbereich Wildenranna • Als im Jahre 1592 der Mautner von befördert wurden, Maut erhoben. Bereits im Wildenranna durch Wegscheid fuhr, Jahre 1530 beschwerten sich die Bürger von verhafteten ihn die Wegscheider aus Wegscheid, dass sie in Wildenranna für das Ärger über die Maut, mussten ihn über Passau gelieferte Salz, das mindestens aber bald wieder freilassen. schon fünfmal „vermautet“ worden sei, eine weitere Maut entrichten mussten. Die Be- • Der österreichische Mautner (und schwerde kam sogar auf dem Reichstag zu Pfleger) verlangte, dass die Einwoh- Augsburg im Jahre 1530 zur Sprache, wo in ner von Wildenranna Kirchen im ös- erster Linie die anstehenden Religionsfragen terreichischen Mühlviertel, sieben und die Türkengefahr behandelt wurden. Kilometer von Oberkappel entfernt, Man erreichte eine teilweise Aussetzung für besuchen mussten. „Ranninger“, die zehn Jahre. (Haiböck). trotzdem in das nähere Wegscheid zur Kirche kamen, wurden aber „we- Nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist erhob der gen der Maut“ von den Wegschei- Mautner von Wildenranna wieder die Salz- dern wiederum wie Ausländer behan- maut. Die Bürger von Wegscheid und Unter- delt. griesbach griffen nun zur Selbsthilfe: Sie bauten im Jahre 1540 bei Raschmühle auf • Im Jahre 1617 erhöhte der Mautner eigene Faust eine Holzbrücke über die von Wildenranna die Mautsätze, ins- Ranna, um damit die Maut von Wildenranna besondere für das Salz aus Passau. zu umgehen. Doch der Mautner von Wilden- Daraufhin wurde der Wegscheider ranna ließ sie wieder niederreißen. Zwischen Pfleger von der Fürstbischöflichen den beiden Orten kam es in der Folgezeit zu Hofkammer beauftragt, den Mautner weiteren Zwischenfällen (Haiböck und Stut- zu verhaften, sobald er in Wegscheid zer): angetroffen werde. Dies geschah tat- sächlich noch im gleichen Jahr. Der • Ein Bäcker aus Wegscheid, mit sei- Pfleger hielt den Mautner solange in nem mit Wein beladenen Pferdefuhr- Haft, bis der sich verpflichtete, künf- werk von kommend, tig eigenmächtige Mauterhöhungen weigerte sich, in Wildenranna die zu unterlassen. Außerdem bekam er Maut zu entrichten, weil sein Wein noch eine Geldstrafe. bereits in Engelhartszell vermautet worden sei. Darauf konfiszierte der Was sich als ein langanhaltender lokaler Mautner nicht nur die zehn Eimer Konflikt als Folge der Rivalität zwischen Wein, sondern auch den Wagen und zwei Orten darstellte, hatte seinen eigentli- das Pferd. Eine Beschwerde beim chen Grund in der übergeordneten österrei- chischen Interessenpolitik. Österreich besaß

10 für den Handel nach Böhmen Die sieben künischen Dörfer zwischen Linz und Freistadt die wichtigste Route des Goldenen Mit der Besiedlung des Gebietes um Heindlschlag und Jandelsbrunn durch die Falkensteiner entstanden die Steigs (Linzer Steig). Mit der sieben Dörfer Heindlschlag, Rosenberg, Aßberg, Vor- Mauterhebung in Wildenranna der- und Hinterwollaberg, Grund, Jandelsbrunn und konnte der konkurrierende pas- Hintereben. Die Siedler kamen hauptsächlich aus der sauische Handelsweg nach Böh- Gegend Viechtenstein (gegenüber /Jochen- men empfindlich gestört wer- stein gelegen). Als die sieben Dörfer 1506 zu Öster- reich kamen, nannte man sie „die sieben künischen den. Die österreichische Strate- Dörfer“. In der Folgezeit wurde in der Bevölkerung gie hatte letztlich Erfolg: zwischen „bistumisch“ und „künisch“ (entstanden aus der Anrede für die Habsburger als „Seine königliche Als Reaktion auf die Mauterhö- Würden“) unterschieden. hungen und die wiederholte Noch in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhun- Konfiszierung von Waren und derts wurden die Bewohner dieser Dörfer von der hie- anderer zu Beschwerden Anlass sigen Bevölkerung hin und wieder abschätzig die gebender Vorfälle an der Maut- „Sieben-Poiner-Schlegl“ genannt. stelle Wildenranna nutzten die Säumer von Passau aus ver- mehrt andere Wege, so den Gol- getretene Gebiet zurückkaufen. Österreich denen Steig von Passau über Waldkirchen und Passau einigten sich auf einen neuen nach Prachatiz. Im 18. Jahrhundert beschleu- Grenzverlauf, der in diesem Gebiet bis heute nigte sich der Niedergang des Säumerwesens die deutsch-österreichische Staatsgrenze bil- auf der Handelsstraße von Passau über Wil- det. Das Gebiet des Hochstifts bildete nun denranna und Wegscheid nach Budweis. ein geschlossenes Territorium. Im selben Schließlich wurde im Jahre 1759 das Maut- Jahr verfügte die Passauer Hofkammer, dass haus in Wildenranna verkauft. das Gebiet des Hochstifts nicht mehr „Land Im Jahre 1765 konnte der Passauer Bischof der Abtei“, sondern künftig nur noch „Fürs- Graf von Firmian das 1506 an Österreich ab- tentum Passau“ genannt werden dürfe.

2. Besiedlung und landwirtschaftliche Strukturen

Die Besiedlung Bayerns, die weit in die vor- den Germanenstämmen und römischen Sol- christliche Zeit zurückreicht, überschritt daten und deren Anhang, die nach dem Zu- lange nicht die Grenze, die die Donau zum sammenbruch des römischen Reiches zu- nördlichen Urwaldgebiet bildete. Südlich der rückgeblieben waren, gebildet. Wie weit die Donau siedelten die Bajuwaren, die heutigen Bajuwaren vereinzelt von der Donau her in Baiern. Ihr Stamm hatte sich nach der Völ- den damaligen Nordwald vorgedrungen sind, kerwanderung im sechsten Jahrhundert aus ist ungewiss. der keltischen Urbevölkerung, eindringen-

11 Eine flächenmäßige und systematische Be- Ortes weist Prof. Haversath auf die nur be- siedlung des Waldgebietes zwischen Donau grenzte Aussagefähigkeit von Ortsnamen und der Grenze zu Böhmen betrieben erst hin.) das Kloster Niedernburg in Passau (739 ge- Für das Jahr 1787 sind laut Urbar (Besitz- gründet) und ihm nachfolgend das Hochstift rechtsverzeichnis) des Bistums Passau fol- Passau, des Weiteren das Kloster Niederal- gende Anwesen in Schauberg aufgeführt teich (731 gegründet) und das Kloster Met- (Ludwig Veit): ten (766 gegründet) sowie die Grafen von Bogen mit den von ihnen in den Jahren 1100 Weidinger, Haiden, Riepl, Kinateder, Ki- und 1146 gegründeten Klöstern Oberalteich nateder, Mörtlfranz, Bartl, Jogengut, und Windberg. Innerhalb weniger Jahrhun- Sperl. derte entstand eine Siedlungsstruktur, die bis Die Namen Hoidn bzw. Hoin (aus Haiden, ins 19. Jahrhundert hinein weitgehend un- heute Sicklinger), Mörtl, bzw. Mertl (heute verändert erhalten geblieben ist. An die Meier), Riepl und Bartl (für das gleiche An- Siedlungstätigkeit des Benediktinerinnen- wesen wie Riepl, heute Knödlseder) haben klosters (Abtei) Niedernburg erinnert noch sich als Hausnamen bis heute erhalten. Den der Name Oberfrauenwald für den von Namen Kinateder führt eine Schauberger Schauberg nordwestlich gelegenen Berg. Bauernfamilie heute noch; eine Bauernfami- Die ältesten Orte in dem neuen Siedlungsge- lie mit dem Namen Weidinger gab es bis vor biet sind die Orte mit der Endung „-ing“. etwa vierzig Jahren im Dorf. Diese Endung, die aus der althochdeutsch- Wie aus der historischen Flurkarte (Abbil- germanischen Sprache kommt, bedeutet „zur dung 3) hervorgeht, gehörten zu Schauberg Sippe gehörig“. Der Name eines Ortes bil- zwei Sägmühlen. Eine „Haidensäge“ ist an dete sich, indem die Endung „-ing“ einem der Stelle verzeichnet, an der sich heute der Rufnamen angefügt wurde. Ein gebräuchli- Ort Haidensäg („Haidnsag“) befindet. Einige cher Rufname war bei den Bajuwaren bei- hundert Meter bachabwärts ist eine „Schau- spielsweise „Sicco“. So bedeutete also berger Säge“ verzeichnet. (Auf einer ande- „Sickling“ Ort der Sippe des Sicco. Diese ren Karte sind beide als Sägmühlen bezeich- Orte entstanden meist um die Jahrtausend- net). Nach der Überlieferung gehörte die wende. Die Orte mit den Endungen -dorf, - Sägmühle beim Ort Haidensäg zum Anwe- berg und -reuth wurden in späteren Jahrhun- sen Haiden in Schauberg (heutiges Hoin-An- derten gegründet. So ist es nicht verwunder- wesen). Es ist anzunehmen, dass die andere lich, dass sich für den Ort Schauberg für die Säge den übrigen Schauberger Bauern ge- ersten Jahrhunderte des neuen Jahrtausends hörte. Das Haiden-Anwesen soll das erste keine urkundlichen Nachweise finden las- und ursprünglich größte Anwesen in Schau- sen. (Zum Problem der Gründungszeit eines berg gewesen sein.

12 Abbildung 3: Haidensäge / Schauberger Säge

Die Ansiedlung der einzelnen bäuerlichen herrn geregelt. Wie andere Dörfer auch Anwesen und die Zuteilung des landwirt- wurde Schauberg als sogenanntes Gewann- schaftlich nutzbaren Grundes wurde in den dorf (Flurform der Dreifelderwirtschaft) an- Siedlungsgebieten des Hochstifts Passau gelegt. planmäßig durch den bischöflichen Landes-

13 Die Felder und Wiesen waren in langge- den erholen, indem dieser Bereich ein Jahr zogene schmale Flurgrundstücke unterteilt. brach lag. Beim zweiten Gewann wurde im (Eine Vermessung erfolgte aber erst nach der gleichen Zeitraum mit Sommergetreide be- Gründung des Königreiches Bayern, vgl. un- gonnen, es folgte ein Jahr Brache, im dritten ten). Die Hofäcker verliefen parallel hinter Jahr folgte Wintergetreide. Im dritten Ge- jedem Hof in der gleichen Breite wie die wann begann der Dreijahreszeitraum mit der Hofstelle. Typisch für die Felder war, dass Brache, ein Jahr später wurde Wintergetreide ihre Länge mindestens das Zehnfache der und im nächsten Sommergetreide angebaut. Breite betrug (siehe Abbildung 4). So waren, Dieses Rotationssystem stellte sicher, dass in wenn der Länge nach geackert wurde, weni- jedem Jahr ein Drittel der Ackerfläche eines ger Wenden für Pfluggespanne erforderlich. Bauern Wintergetreide, ein Drittel Som- Auch die Art der Bewirtschaftung war vom mergetreide trug und ein Drittel brach lag Landesherren durch Dreifelderwirtschaft (nach Prof. Haversath). und Flurzwang vorgegeben. Auf der Brache konnte der Aufwuchs aus In der Wirtschaftsweise der Dreifelderwirt- Ausfallgetreide und Unkraut gemeinschaft- schaft wurde das gesamte Ackerland in drei lich vom Dorfvieh abgeweidet werden. Bereiche (Gewanne) aufgeteilt. Die Dorf- Die Idee der Gewannbewirtschaftung be- bauern, deren sämtliche Ackerfluren sich in stand darin, mit einer schonenden Bodenbe- den drei Gewannen befanden, hatten deren wirtschaftung einen langfristig optimalen Er- Bewirtschaftung gegenseitig abzustimmen. trag zu erwirtschaften. Zudem vermied man Jedes Jahr hatten sie Vereinbarungen zu tref- Schäden, indem die Fläche eines Gewanns fen, in denen die Fruchtfolge für den Anbau über Besitzgrenzen hinweg gemeinsam zur auf den Äckern und die Zeit des Pflügens, gleichen Zeit bewirtschaftet wurde. So Säens und Erntens festgelegt wurde. Diese mussten bei der Ernte keine Nachbarfelder, Vereinbarung war für alle Bauern des Dorfes auf denen noch Frucht stand, betreten oder verbindlich (Flurzwang). mit den Wagen überfahren werden. Beim Anbau wurde jährlich zwischen den Die Vereinbarungen zum Flurzwang können drei Bereichen die Frucht gewechselt, wobei als eine Frühform gemeindlicher Selbstver- ein Bereich jedes dritte Jahr brach lag. waltung gesehen werden. Wenn in einem Gewann in einem Jahr Win- Am Wald gestand der Lehensherr den Bau- tergetreide, das sehr ertragreich ist, aber den ern bestimmte Nutzungsrechte zur Versor- Boden stark auslaugt, angebaut wurde, gung mit Bau- und Brennholz, Streu, Ei- folgte im zweiten Jahr Sommergetreide, das cheln und Bucheckern für die Schweinemast einen geringeren Ertrag hat, aber den Boden zu. schont. Im dritten Jahr konnte sich der Bo-

14 Abbildung 4: Flurkarte Schauberg

Die planmäßige Orts- und Flurgestaltung er- 14. Jahrhundert zurück die damit verbun- fuhr im Laufe der Zeit Veränderungen. Die dene Siedlungsverdichtung verfolgen (Prof. ursprünglichen Kernfluren wurden durch Haversath). Die bäuerliche Gesellschaft er- spätere Rodungen erweitert. Diese Gebiete fuhr dadurch einen Wandel, weil die klein- sind oft durch Flurnamen erkennbar. Zu die- und kleinstbäuerliche Gruppe der Bevölke- sen Zurodungen dürften in Schauberg einige rung immer wichtiger wurde. hochgelegene Äcker mit den Bezeichnungen Ihre Sozialstruktur im Vergleich zur bäuer- „Hochreutacker“ und „Hochreutl“, die in- lich-ländlichen veränderten auch Orte, die zwischen wieder mit Wald bewachsen sind, eine besondere Funktion hatten. Dazu gehör- gehören. ten Kirchorte, Verwaltungsorte oder auch Zu Veränderungen trugen auch Grundstücks- Orte mit zentralen gewerblichen Funktionen teilungen bei, wenn für nachgeborene Kin- sowie auch Orte mit lokalen Bodenschätzen der eigene Hofstellen geschaffen wurden. wie beispielsweise Graphit. Aus den Grundstücksplänen lässt sich bis ins

15 Abbildung 5: Ochsenweide des Dorfes Oberneureuth

Neben Äckern und Wiesen, die in Flurgrund- Die Ochsen, die auf den Allmendeflächen stücke unterteilt waren, gab es in den meis- gemeinsam geweidet wurden, gehörten nicht ten Dörfern, so auch in Schauberg, große un- der Dorfgemeinschaft, sondern waren Eigen- geteilte Weideflächen. Es handelte sich meist tum der einzelnen Bauern. um Waldwiesen, die als Ochsenweiden ge- Auf der historischen Karte ist das Gebiet nutzt wurden. Sie standen als Allmende (Ge- östlich der Schauberger Querwiesen in Rich- meinschaftsbesitz des Dorfes) dem ganzen tung Rannaberg als „Weide“ ausgewiesen Dorf zur Nutzung zur Verfügung. Auf der (siehe Abbildung 4). Auch umgangssprach- historischen Flurkarte sind sie mit dem Kar- lich hat sich die Bezeichnung „Weide“, bzw. teneintrag „Ochsenweid“, „Weide“ oder „in „in der Weide“ bis heute selbst für Flächen der Weide“ bezeichnet. Obwohl diese Wei- erhalten, die jetzt bewaldet sind. Heute noch deflächen Gemeinschaftsbesitz des Dorfes bezeichnen die Schauberger Dorfbewohner waren, haben sich die Nutzungsrechte daran die Waldgrundstücke zwischen Schauberg im Laufe der Zeit oft unterschiedlich entwi- und Rannaberg, die in der alten Flurkarte als ckelt. Wegen der Bevölkerungszunahme „Weide“ bezeichnet sind, als „die Woid“ nahm die Zahl der Bauernhöfe stetig zu. Die (z.B. die Paushansl-Woid) oder „in der „Neubauern“ mussten sich im Vergleich zu Woid“, im Gegensatz zum Wald auf dem den „Altbauern“ meist mit niedrigeren Nut- Schauberg, den man „Holz“ (z.B. Riu-Holz) zungsanteilen zufrieden geben – wenn sie nennt. Dass „die Woid“ hier nicht Wald überhaupt welche erhielten. meint, ergibt sich schon daraus, dass es um- gangssprachlich nicht der Woid, sondern die

16 Woid (wie die Weide) und nicht „im Woid“, zung die Namen „Ochsenweide“, „Weide“ sondern „in der Woid“ heißt. oder „in der Weide“ verwendet. So ist auf diesen Karten heute noch festzustellen, wo Der Ausweis großer Gebiete als Ochsen- sich die Ochsenweiden früher befanden. weide ist auch bei Nachbarorten zu sehen. So ist das Gebiet nördlich der Straße von Haselberg nach Oberneureuth Richtung Herrnholz als „Ochsenweide“ und das Ge- Die Auflösung der biet beiderseits der Straße von Haselberg Allmende Richtung Passau als „In der Weide“ (beide Nach historischen Quellen war die Auf- Abbildung 5) bezeichnet. Hier hat sich die teilung der Allmende, die es in fast je- frühere Nutzung auch im Ortsnamen Ober- dem Dorf gab, bayernweit im Jahre neureutherweide erhalten. 1808/09 weitgehend abgeschlossen. Die Vermessung der Fluren dagegen Der Gemeinschaftsbesitz der Ochsenweide dauerte von 1808 bis 1853. Die in die- war nicht in einzelne Flurgrundstücke unter- sem Bericht verwendeten Flurkarten wurden erst nach 1830 erstellt, weil dar- teilt. Auf obiger Flurkarte, auf der ein Gebiet auf schon das im Jahre 1830 erbaute mit „Ochsenweid“ überschrieben ist, ist die- Schulhaus Sonnen eingezeichnet ist. ser Bereich jedoch parzelliert. Das ist wie Ob die Aufteilung der Ochsenweiden im folgt zu erklären: Gebiet um Schauberg/Oberneureuth erst im Zuge der Vermessung oder In den Jahrhunderten vor 1800, in denen die schon um 1808 erfolgte, war nicht ein- Ochsenweiden bestanden, gab es keine ge- deutig zu ermitteln. nauen Flurkarten, in denen der Gemein- Die Aufteilung auf die einzelnen Bauern- schaftsbesitz als ein ungeteiltes Flurgrund- höfe löste in den Dörfern viel Streit zwi- stück ausgewiesen hätte werden können. Die schen größeren und kleineren Bauern ersten genauen Flurkarten wurden erst ab und dem Teil der Dorfbewohner, die bis- her gar keine Nutzungsrechte an den dem Jahr 1808 erstellt. Ab dem gleichen Jahr Weiden hatten, aus. wurden aber auch die bisherigen Ochsenwei- den aufgelöst und auf die einzelnen Bauern aufgeteilt (vgl. das Kapitel über das König- reich Bayern). Es war bei der Landvermes- Die auf den Ochsenweiden gezüchteten sung üblich, bestimmte Flurbereiche unter Ochsen wurden, soweit sie nicht als Zugtiere gemeinsamen Namen wie „Hofäcker“, gebraucht wurden, verkauft. „Querwiesen“ oder „Hochtrümer“ zusam- Im Heimatbuch der Stadt ist menzufassen und zu kennzeichnen (Ab- hierzu zu lesen: bildung 4). So haben die Geometer die Par- zellen, die bei der Verteilung aus den frühe- „In unserer Region bildete der Verkauf ren Ochsenweiden gebildet wurden, auch fetter Ochsen die Haupteinnahmequelle mit einem gemeinsamen Namen überschrie- der Bauern früherer Jahrhunderte. Die ben und dabei gemäß der bisherigen Nut- Mastochsen aus der Hauzenberger Ge-

17 gend hatten einen sehr guten Ruf und so wurden auf den kargen Böden Roggen fanden sich auf den Märkten neben den („Korn“), Hafer, Hirse, Buchweizen, ab einheimischen und den Passauer Metz- 1770 auch Kartoffeln. Für den eigenen gern auch viele auswärtige, ja sogar aus- Wollbedarf wurden Schafe gehalten. ländische Metzger und Händler ein. Nach Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hatte einem Bericht aus dem 16. Jahrhundert der Flachsanbau große Bedeutung. Das im kamen die Händler aus Landshut, Augs- Jahre 1894 erschienene „Geographisch-his- burg, Nürnberg, Regensburg und sogar torischen Handbuch von Bayern“ wies für aus Italien. das Bezirksamt Wegscheid eine Flachsan- baufläche von 214 Hektar aus (Stutzer). Aus dem Flachs wurde Leinen für den eigenen Die Triebwege Kleiderbedarf gewebt. Darüber hinaus bil- dete er eine der wenigen Möglichkeiten zum Dass die Ochsen aus der Hauzenber- ger Gegend in weit entfernte Orte ver- Gelderwerb. Leinwand und Garn konnten di- kauft wurden, ist wahrscheinlich. Denn rekt auf Garnmärkten abgesetzt werden, so Jahrhunderte lang wurden über noch in Hauzenberg und Waldkirchen, wo jährlich viel längere Strecken Ochsenherden mit zwölf Garnmärkte stattfanden. Oder die We- bis zu 500 Stück aus den Steppen Ost- ber schlossen sich Genossenschaften an. europas in zentrale Handelsstädte wie Regensburg, München und Augsburg Eine dieser Genossenschaften bestand im getrieben. Einer dieser mehr als 1000 Bereich Sonnen-Breitenberg-Wegscheid. Kilometer langen Triebwege führte aus Diese versorgten die einzelnen Weber mit dem österreichischen Ulrichsberg und Garnen und Aufträgen und besorgten den Klaffer kommend über Ungarsteig durch den nördlichen Teil des Hochstifts und Absatz der Fertigwaren. Einzelne soge- dann weiter westwärts. Allein in der Zeit nannte „Verleger“ beschäftigten Heimweber. vom 14. Juli bis 8. November 1588 wur- So arbeiteten für den Verleger Max Mühl- den auf dieser Strecke 5158 Ochsen berger im Weiler Stüblhäuser im Jahre durchgetrieben und von Viehhändlern 1934/35 noch 60 Heimweber. Im Friedhof aus Regensburg, Straubing, Plattling und Augsburg „vermautet“. Dies zeigt Sonnen befindet sich ein Granitgrabstein, das große Ausmaß der Viehtriebe. Der dessen Inschrift einen „Leinenfabrikanten Name des nordwestlich von Breitenberg Ludwig Mühlberger“ mit dem Geburtsjahr gelegenen Weilers „Ungarsteig“ ist noch 1847 aufweist. Im Hoin-Anwesen in Schau- ein Hinweis auf diese alte Ochsen- berg wurde noch bis Ende der 1940er Jahre straße. (Walter Wilhelm. Außerdem aus- führliche Beschreibung auf der im Winter in der Stube der Webstuhl aufge- Internetseite der Gemeinde Breiten- stellt und Leinen gewebt. berg). Die große Bedeutung des Weberhandwerks über viele Jahrhunderte hinweg ist für die Region im Webereimuseum Breitenberg vor- Die Bauern betrieben – wie auch bis heute züglich dargestellt. noch – Milch- und Viehwirtschaft. Angebaut

18 3. Gesellschaftspolitische Strukturen

a) Das Feudalsystem

Das Leben der Menschen im Mittelalter war Nutzungsrecht hatten die Bauern Abgaben vom Feudalismus geprägt. Im Feudalismus (Zehent) und Frondienste zu leisten. wurde die Herrschaft vom Adel, der Grund Grundherrschaft bedeutete nicht nur Herr- und Boden besaß, ausgeübt. Deshalb wurde schaft über das Land, sondern auch über die sie Grundherrschaft genannt. darauf wohnenden Leute. In allen Lebensbe- Grundpfeiler dieser Ordnung war das Le- reichen bestimmte der Lehensherr das Leben henswesen. Eigentümer von Grund und Bo- seiner Untertanen. So konnte er heiratswilli- den und damit auch der Bauernhöfe war der gen Paaren eine Eheschließung untersagen, Landesherr. Dieser verlieh das Land nur; beispielsweise dann, wenn sie keine ausrei- und zwar zunächst meist an Vasallen, unter- chende wirtschaftliche Existenzgrundlage gebene Adelige, die es aber nicht selbst be- hatten. wirtschafteten, sondern an abhängige Bauern Die Bauern waren auch an das Land, auf zur Bewirtschaftung weiter verliehen. Der dem sie lebten, gebunden. Unter Androhung einzelne Bauer erwarb also kein Eigentum von drakonischen Strafmaßnahmen war es an seinem Hof und an dem Land, das er be- ihnen verboten, das Land gegen den Willen wirtschaftete. Er durfte das Land nur nutzen. des Grundherren zu verlassen. Weil die Bau- Das Lehen konnte ihm jederzeit wieder ent- ern dem Lehensherrn in allem hörig sein zogen werden. Als Gegenleistung für das mussten, wurden sie auch als „Hörige“ be- zeichnet.

b) Zehent und Fron

Die Bauern waren ihrem Lehensherren zur schaftssitz transportiert. Erst wenn der „Zeh- Entrichtung des Zehents verpflichtet, der im entzähler“ festgestellt hatte, dass der Zehent zehnten Teil der Erzeugnisse (Getreide, Eier, voll bezahlt war, durfte die eigene Ernte ein- Kartoffeln, Flachs etc.) bestand. Diese wur- gebracht werden. Die Folge waren wegen den vom Meier, einem Verwalter des Grund- des Zeitverlusts oft Ernteschäden. Nur all- herrn meist in einem Zehentstadel gesam- mählich setzte sich eine Umwandlung in melt, bewertet und von dort aus zum Herr- Geld durch.

19 Von Meiern und reisen, so reisen mia da zura, so reisen, so Wasservögeln reisen mia daher“. (Pfingstsingern) Zum Schluss bekommt der Moier von der Der Meier war ein Verwalter des Grund- Bäuerin Eier in seinen Korb gelegt. herrn, der meist selbst einen Bauernhof be- Die Entstehung dieses Reims könnte auf trieb. Er überwachte für den Grundherrn die die damalige Funktion des Meiers als Ze- Arbeit der hörigen Bauern und war verant- hent-Einsammler zurückzuführen sein. wortlich für das Einsammeln und Abliefern des Zehents. Es wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass der Brauch des Wasservögelsingens In den Dörfern im Land der Abtei und in be- heidnischen Ursprungs sei. Der Autor nachbarten Gebieten wird an Pfingsten der Schmoeckel bringt mit diesem Brauch einen Brauch des Wasservogelsingens (Pfingst- Kult der Indogermanen in Verbindung. Da- singens) geübt, der sich urkundlich bis in nach soll von diesen zu der Zeit des heuti- das Jahr 1600 zurück nachweisen lässt gen Pfingstfestes auf Wiesen, für die sich (Prof. Miller) und auch heute noch gepflegt die Flurbezeichnungen „Pfingstwiesen“ oder wird. Dabei ziehen die Burschen bei Ein- „Pfingstflecke“ erhalten haben, ein Früh- bruch der Dunkelheit Spottverse singend sommerfest gefeiert worden sein. Dabei von Haus zu Haus. Sie haben wetterfeste seien „Vogelmenschen“ in einem „Kostüm“ Kleidung an, weil sie von den Fenstern und aus Birkenzweigen und Stroh, das sie wie Balkonen aus mit Wasser begossen wer- große Enten mit langen platten Schnäbeln den. Von den Wasservögeln wird u.a. fol- aussehen ließ, in den Kreis der Zuschauer gender Vers gesungen: gesprungen und hätten mit ihren Gesten „Mia ham an Moier (Meier), der tuat a so angedeutet, dass die Bäche und Teiche um d`Oier (Eier), warum schlaft`s ned, so auch im Sommer genügend Wasser führen würden, um den Wasservögeln das Schwimmen zu erlauben.

Die Bauern hatten darüber hinaus für den stein einfinden. Auch hatten sie den Mist im Lehensherrn Frondienste, das heißt Dienst Schloss auszufahren. In einer Anweisung um an dessen Hof oder der Burg zu leisten. So 1530 im sogenannten Robotbüchlein für das mussten sich Bauern aus Heindlschlag zur Amt Heindlschlag hieß es, „es sollen Schin- Ausbesserung der Burgmauern, der Brun- deln und alles, was man zum Dachdecken nen, Brücken und Wege an zwölf Tagen im brauche, miteinander hergeführt werden.“ Jahr am Herrschaftssitz Rannariedl/Falken- (Friedl Haertel)

20 Frondienste Spanndienste. Handdienste bestanden bei- spielsweise darin, die landwirtschaftlichen Im Robotbüchlein wurde detailgenau aufge- Kulturen des Grundherrn anzulegen, zu listet, welche Arbeiten die Bauern am Herr- pflegen und zu ernten. Spanndienste waren schaftssitz zu verrichten und welches Arbeiten, die mit Zugtieren ausgeführt wur- Material sie dafür mitzubringen hatten. „Ro- den. bot-“ leitet sich vom slawischen Wort „ro- bota“ = „Arbeit“ ab. Die Arbeit für den Lehensherrn hatte Vor- rang, auch wenn die eigene Ernte dann Frondienste waren eine Leistung des Bau- nicht mehr rechtzeitig eingebracht werden ern für den Grundherrn („Fro“ = Herr). Sie konnte. Manche Bauern schafften sich des- umfassten eine sehr breite Palette der ver- halb über den eigenen Bedarf hinaus Zug- schiedensten Tätigkeiten für eine festge- tiere an, um notwendige Arbeiten wie die legte Zahl von Tagen pro Jahr. Daneben Einbringung der Ernte auch in der Zeit erle- gab es Arbeiten, deren Umfang sich nach digen zu können, in der ein Fuhrgespann dem Arbeitsanfall richtete. Normalerweise am Herrschaftssitz im Einsatz war. leisteten die Bauern sogenannte Hand- und

c) Rebellion der Bauern

Als Folge der Türkenkriege waren dem Kai- Es kam zu Prozessen beim Reichskam- ser auf dem Reichstag zu Regensburg 1576 mergericht, die aber zu deren Ungunsten große Geldsummen, die sogenannte „Tür- ausgingen. Als sie sich trotzdem weigerten, kenhilfe“ bewilligt worden. Der Geldbetrag ließ der Fürstbischof einige der vermögen- war von den deutschen Einzelstaaten, also den Bauern inhaftieren. auch dem Hochstift Passau aufzubringen. Darauf sammelten sich mehrere hundert Letztendlich hatten aber die Untertanen die Bauern mit Spießen und Gartgabeln bewehrt Last zu tragen. So musste jeder Untertan den in Kringell und zogen vor das Schloss Leo- 15. Teil seines Vermögens als Abgabe ent- prechting. Dort forderten sie die Freilassung richten. Dabei mussten die Bauern dem Le- der Gefangenen. Der Pfleger entließ sie tat- hensherrn schon Frondienste und Zehent sächlich aus dem Gewahrsam. leisten, obwohl der karge Boden oft kaum eine Familie ernähren konnte und es nach Doch die bischöfliche Regierung verhängte witterungsbedingten Missernten immer wie- zur Abschreckung eine drakonische Strafe: der zu Hungersnöten kam. Sie ließ zwei Rädelsführer, die Bauern Rieß und Kalteisen als Hochverräter enthaupten Mit dem Streit um diese Abgabe begann im und ihr Vermögen einziehen (Friedl Haer- Jahre 1581 die sogenannte Bauernrebellion tel). Die Verbitterung wuchs dadurch noch im bischöflichen Gebiet, als sich die Bauern mehr. Letzten Endes konnten die Bauern die weigerten, die Steuer zu bezahlen. Steuer nicht abwenden.

21 Die Bauernkriege ständig niedergeschlagen, die Anführer wurden hingerichtet, die überlebenden Auf- Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhun- ständischen durch Reichsacht für rechtlos derts war es in Oberschwaben zu großen und vogelfrei erklärt. Insgesamt starben Bauernaufständen gekommen, die in den Zehntausende Menschen in den inzwischen Jahren 1524/25 in einen Bauernkrieg führ- auf andere Regionen ausgeweiteten Bau- ten. Die Zunahme der Lasten und Missern- ernkriegen. In den folgenden 300 Jahren ten hatte die Lage der Bauern bis ins begehrten die Bauern kaum noch auf. Dazu Unerträgliche verschlimmert. Sie forderten trug in der Folgezeit auch die Möglichkeit von den Adeligen bessere Lebensbedingun- des Untertanenprozesses bei, der Bauern gen. Als sie nichts erreichten und die Fron- und Bürgern den Rechtsweg zum Reichs- ten sich verhärteten, war eine gewaltsame gericht eröffnete, wenn sie sich über obrig- Auseinandersetzung unausweichlich. Die keitliche Willkürakte beschweren wollten. Bauern plünderten Klöster und töteten Ade- So haben auch die im Land der Abtei rebel- lige. Daraufhin ging das Heer des Schwäbi- lierenden Bauern von der Möglichkeit Ge- schen Bundes gegen die Bauernaufstände brauch gemacht, vor dem Reichsgericht zu vor. Die Bauern organisierten sich ihrerseits prozessieren. Aber ein Erfolg blieb ihnen in Bauern-“Haufen“. Nach anfänglichen Er- versagt. folgen wurden die Bauernaufstände voll-

4. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen im Land der Abtei – Plünderung und Schwarzer Tod

Im beginnenden 17. Jahrhundert warf der In den folgenden Kriegsjahren wurde die Dreißigjährige Krieg (von 1618 bis 1648) Not so groß, dass der Dompropst von Passau zwischen dem Kaiser und der Katholischen berichtete: „Das Land der Abtei ist derma- Liga auf der einen Seite und der Protestanti- ßen ausgemergelt, alles verheert und ver- schen Liga auf der anderen Seite seine zehrt, dass nicht für einen Tag mehr Unter- Schatten voraus. Schon 1610 begannen die halt aufgetrieben werden kann“. Das Vorbereitungen zum Krieg, als 8000 Mann Schlachtvieh war geschlachtet, Melkkühe zu Fuß und 4000 Reiter im Hochstift Passau und Jungvieh waren konfisziert. Selbst die einquartiert wurden. Für den Unterhalt die- wenigen mageren Ochsen, die zur äußersten ses Heeres, zu dem auch noch ein Tross aus Not und zum Feldbau noch übrig geblieben Knechten, Frauen und Kindern gehörte, waren, hatten die Reiter vom Pflug wegge- reichten die normalen Einkünfte des kleinen nommen und verzehrt (Friedl Haertel). Bis Hochstifts nicht aus. Deshalb wurde für je- zum Jahr 1648 dauerten die Kriegswirren, den Gulden Vermögen drei Kreuzer Steuer als sie mit dem Westfälischem Frieden ein gefordert. Wer sich weigerte, musste das Ende fanden. Und dann sollte ein weiteres Doppelte zahlen. Aber auch das reichte für Unheil über die Menschen im Land der Ab- die Truppe nicht. Deshalb verschaffte sie tei kommen: sich die Mittel mit Raub und Plünderungen.

22 a) Der „Schwarze Tod“

Immer wieder wurden im Mittelalter die Menschen von Pestepidemien heimgesucht. Im 14. Jahrhundert forderte die Pest europa- weit 20 bis 25 Millionen Todesopfer, ein Drittel der damaligen Bevölkerung. In den Folgejahren flammte sie in einzelnen Regio- nen wiederholt auf. Im Jahre 1610 brach sie im Land der Abtei aus. Sie verschwand aber wieder, ohne sich stark ausgebreitet zu ha- ben. Während des Dreißigjährigen Krieges kam sie in den Jahren 1634/35 erneut zum Ausbruch, erfasste aber nicht alle Gebiete des Landes der Abtei. Doch in der Zeit von 1648 bis 1651 wütete eine neue Epidemie mit katastrophalen Folgen. Von Österreich ausgehend überzog die Beulenpest das ge- samte Abteiland beinahe flächendeckend. Nur wenige Dörfer blieben verschont. Der Abbildung 6: Pestsäule in Oberneureuth Bischof von Passau ließ als Vorsichtsmaß- (Jahreszahl auf dem Sockel nicht eindeutig nahme seine Grenzen zu den künischen Dör- lesbar) fern schließen. Es durfte auch keine Leiche zur Beerdigung in das übrige Bistum ge- bracht werden. Doch die Seuche ließ sich nicht aufhalten. Der „Schwarze Tod“ raffte in einzelnen Dörfern die Hälfte der Bewoh- ner hinweg. Bauernhöfe standen leer, weil niemand überlebt hatte. Die vielen Toten konnte man nicht mehr in die Friedhöfe bringen, sondern beerdigte sie in Massengrä- bern in der Nähe der Dörfer. Die vielen Pest- säulen, die man über diesen Massengräbern errichtete, zeugen noch heute davon. In den Orten Oberneureuth, Penzenstadel, Fürset- zing, Saßbach, Lämmersdorf und Salzweg Abbildung 7: Pestsäule Oberneureuth Süd- sowie in den „künischen“ Dörfern Wollaberg seite und Jandelsbrunn sind diese Denkmäler bis heute erhalten.

23 Abbildung 8: Pestsäule Salzweg, 1681 errichtet

b) Nach dem Kriege

Das deutsche Reich war zum Ende des Drei- sen. Die Folge war die bis dahin schlimmste ßigjährigen Krieges ein zerstörtes Land. Die Inflation. Bevölkerung war um vierzig Prozent gesun- Um die Kriegsschäden zu beseitigen, hatten ken. Das Geld (Thaler, Gulden, Heller und die Bauern mit Abgaben und Frondiensten Groschen) hatte dramatisch an Wert verlo- die Hauptlast zu tragen. Wie in fast allen Re- ren. Um ihre Söldnerheere zu finanzieren, gionen des deutschen Reiches war nach dem hatten die Fürsten nämlich vor dem Krieg Dreißigjährigen Krieg auch im Hochstift die Münzen, deren Wert vom Edelmetallan- Passau der Umfang der Frondienste erhöht teil abhing, zu einem großen Teil einschmel- worden. Historiker haben ermittelt, dass es zen lassen, um sie neu mit einem höheren ein Jahrhundert gedauert hat, bis die Kriegs- Anteil des billigeren Kupfers prägen zu las-

24 folgen des Dreißigjährigen Krieges voll be- der Schauberger Friedl Kinateder, auf- wältigt waren. Die Bauern im Land der Ab- machte, um beim Fürstbischof Erleichterun- tei waren drei Jahrzehnte nach Kriegsende gen zu erwirken (Andrea Kinateder) Doch es noch so belastet, dass sich im Jahre 1680 war vergeblich. eine Abordnung von ihnen, darunter auch

25 III Das Abteiland wird königlich-bayerisch

In Frankreich hatte es 1789 eine Revolution und Kurfürst Maximilian IV. Joseph am 1. gegeben, die die Herrschaft des Königs be- Januar 1806 in München als Maximilian I. endete. Die Ausrufung der Republik und die Joseph zum ersten König Bayerns erhoben. Machtübernahme durch den General Napo- Zudem durfte er das Territorium des König- leon Bonaparte setzten eine Umgestaltung reichs Bayern um Franken und Schwaben er- ganz Europas in Gang. Nach dem Muster weitern. des Römischen Reiches wollte Napoleon ein Bereits im Jahre 1803 waren unter dem Ein- Imperium errichten. Zu diesem Zweck über- fluss des napoleonischen Protektorats die zog er fast ganz Europa mit Krieg. Im Jahr Klöster und sonstigen geistlichen Territorien 1800 kamen französische Truppen ins Land enteignet und aufgelöst („säkularisiert“) und schlugen bei Hohenlinden nahe Mün- worden, so auch das Hochstift Passau. Die- chen ein österreichisch-bayerisches Heer. ses Gebiet wurde nach einigen Wirren um Napoleon beseitigte die vielen deutschen die Besitzverteilung im Jahre 1806 Bayern Kleinstaaten und formte sie zu neuen staatli- zugeschlagen. chen Einheiten, die er in einer Größe zu- schnitt, dass sie machtpolitisch von ihm ab- Bayern wurde ein souveräner Staat. Die 541 hängig blieben. (Diese Einheiten entspra- Jahre dauernde Zugehörigkeit des Landes chen teilweise den heutigen Bundesländern.) der Abtei zum Kleinstaat Hochstift Passau Kaiser Franz I. legte daraufhin die deutsche (Fürstentum Passau) ging damit zu Ende. Es Kaiserkrone nieder, das Heilige Römische wurde nun königlich-bayerisch. Reich Deutscher Nation war endgültig erlo- Doch Bayern hatte Napoleon einen Preis zu schen. bezahlen. Es verpflichtete sich, dem Kaiser Bayern trennte sich vom Bündnispartner Ös- der Franzosen Heeresfolge zu leisten. Bay- terreich und schloss mit Frankreich einen ern musste ihm auf eigene Kosten 35.000 Freundschaftsvertrag. Mann für seinen Russlandfeldzug zur Verfü- gung stellen. Bayerns Herrscher erhielt dafür eine Beloh- nung: Bayern wurde durch den französi- Und dies sollte das Leben von drei Männern schen Kaiser zum Königreich aufgewertet aus Schauberg, Thierham und Haselberg ver- ändern.

26 1. Wie ein Schauberger Raufbold zum Mit-Erbauer der Thierham- Kapelle wurde

Die Kapelle „Mutter von dem guten Rath“ chen der Muttergottes gelobt. Während im Weiler Thierham hat zum Dorf Schau- von den Erstgenannten über den weiten berg einen besonderen Bezug. Fluchtweg nichts bekannt ist, wissen wir vom Thierham Hans (Knödlseder Hans) Zum einen hatte diese schon früher – wie und von Therese Schmidt (Beschneider aus der hohen Zahl an leider verloren ge- Resi) über den Leidensweg vom Franzn- gangenen Votivtafeln zu schließen ist – über Hansirgl Genaueres. den Ort Thierham hinaus als regionale Wall- fahrtskapelle Bedeutung. Bis heute noch „Rette sich wer kann“ galt für jeden ein- wallfahren jedes Jahr am Tag „Mariä Him- zelnen. Der Franzn-Hansirgl vertraute melfahrt“ zahlreiche Gläubige aus der Um- auf seine Kernnatur und seine starken gebung zur Thierham-Kapelle. Und zum an- Fäuste, hatte er vormals doch den stärks- deren stammte einer ihrer Erbauer, der ten Mann aus Hauzenberg zu Boden ge- Franzn-Hansirgl (Georg Kinateder) aus dem schlagen und einen Polizisten mit seinen „Franzn-Haus“ (heute Lang) in Schauberg. Fäusten übel zugerichtet, was ihm zwei Der Trachtenverein D`Freudenseer, der im Jahre Festungshaft in Straubing ein- Jahre 1978 eine Sanierung der Kapelle brachte. Mit der Verpflichtung, am Russ- durchführen ließ, beschrieb die Geschichte landfeldzug teilzunehmen, wurde ihm ein ihrer Entstehung wie folgt: halbes Jahr Haft erlassen. Der Franzn- Hansirgl schlug sich alleine durch, im- „Im Jahre 1812 mussten 35.799 bayeri- mer auf der Suche nach Essbarem auf sche Soldaten aus Bündnisverpflichtun- den Feldern, nach Kartoffeln im Schwei- gen mit Napoleon nach Russland ziehen. netrog und den Früchten des Waldes, und Unter diesen Soldaten waren auch drei immer darauf bedacht, nicht erwischt zu Söhne des Bayerischen Waldes, der Mat- werden. Wiederholt konnte er dank seiner thiasen Thomerl aus Thierham, der Da- kräftigen Fäuste und durch List den Rus- mei Hiasl aus Haselberg und der Franzn- sen entkommen. In solchen Situationen Hansirgl aus Schauberg. Beim fluchtarti- vertraute er auf die Hilfe der Mutter Got- gen Rückzug im russischen Winter er- tes. reichten nur 2297 Männer des bayrischen Kontingents ihre Heimat wieder. Die drei In seiner Heimat wurde er bereits zu den Obengenannten waren unter den Überle- Toten gezählt. Als er endlich nach Hause benden. An Entbehrungen, Hunger und kam, erkannte ihn zunächst niemand auch Kälte gewohnt und von großem mehr. Zudem hatte sein jüngerer Bruder Gottvertrauen getragen, haben sie fast bereits geheiratet und den elterlichen Hof übermenschliche Strapazen, Kälte und übernommen, der ihm zugestanden hätte. Hunger überstanden. In ihrer schier hoff- Darüber so enttäuscht, zog er schon am nungslosen Lage haben sie ein Verspre- nächsten Tag weiter und baute sich in

27 Stüblhäuser ein Holzhaus. Der Haus- nenausstattung erklären könnte. Alle drei name „Franznhansirgl“ ist bis heute er- sollen extrige Kuntn gewesen sein, leut- halten. scheu, würde man heute sagen.

Vom gemeinsamen Schicksal und auch 1828 wurde die Thierham-Kapelle vom Glück betroffen, begannen die drei Ruß- damaligen Hauzenberger Pfarrer einge- landheimkehrer, eingedenk ihrer Verspre- weiht.“ chen, mit dem Bau der einzigartigen Ka- Auf der Vorderfront der Kapelle wurde von pelle. In einem fensterlosen Keller im den Erbauern ein Spruch angebracht, der er- Hause des Ludwig Berger in Thierham ahnen lässt, wie sehr die Russland-Heimkeh- haben diese drei bei Kerzenlicht oder rer von ihren Erlebnissen im Krieg und auf Kienspan die kunstvolle Innenausstattung der Flucht gezeichnet waren. angefertigt und nachts die Teile in die Kapelle eingebaut. Der Matthiasen Tho- Er lautet: merl soll angeblich ein Silberschmied ge- Wir haben Kreuz und Leiden, das schreib wesen sein, was die teils kunstvolle In- ich mit der Kreiden, und wer nicht Kreuz und Leiden hat, wischet dieses Schreiben ab.

Abbildung 9: Thierham-Kapelle innen

28 Die Kapelle mit ihrer in der Gegend nicht sisch-orthodoxe Kirchlein, die die Kapellen- üblichen Bemalung der Giebelseite, den erbauer anscheinend in Russland kennen ge- Schrifttafeln, dem bemalten Schnitzwerk im lernt hatten – siehe Abbildungen 9, 10 und Innenbereich und der Reihe von Heiligenfi- 11. guren über dem Altartisch erinnern an rus-

Abbildung 10: Thierham-Kapelle heute

29 150 Jahren nach ihrer Erbauung zeigten schloss, die Kapelle unter Verwendung der Teile der Außenwand und der Holzständer originalen Inneneinrichtung um einige Meter einen so großen Verfall, dass man sich ent- auf einen Steinsockel zu versetzen.

Abbildung 11: Originalfassade der Thierham-Kapelle im Museumsdorf Bayeri- scher Wald

30 Die Giebelwand wurde neu gefertigt und auf einen Misthaufen und konnte so entkom- nach dem Muster des Originals bemalt. Die men. alte Giebelfront wurde an einer Kapelle im Der im Bericht erwähnte Silberschmied Museumsdorf Bayerischer Wald angebracht Matthiasen Thomerl dürfte auch in Schau- (Abbildung 11), deren Bildtafeln im Inneren berg gelebt haben. Jedenfalls findet sich auf aus einer benachbarten Kapelle aus dem 18. der historischen Flurkarte (Abbildung 12) Jahrhundert stammen. auf der Berghöhe über dem Dorf der Eintrag Der Bericht des Freudenseer Trachtenvereins „Silberarbeiter“. Möglicherweise wurde er kann noch ergänzt werden: zwar in Thierham geboren, arbeitete aber später auf dem Schauberg. Dass er nur einfa- Die schon vor Jahrzehnten verstorbene che Bedarfsgegenstände wie Knöpfe und Franznhansirgl-Resl auf dem Anwesen, das Pfeifendeckel gefertigt haben soll, darf be- ihr Vorfahre Hansirgl in Großrathberg (nicht zweifelt werden. Stüblhäuser) gebaut hatte, konnte der Erbin des Anwesens Maria Bauer noch viele Vor- In der Region war damals die Silberschmie- kommnisse von der Flucht berichten. Die dekunst beheimatet. So lebte im 18. und 19. Schilderung eines Erlebnisses ist Maria Jahrhundert in Breitenberg die Silberschmie- Bauer in allen Einzelheiten in Erinnerung defamilie Höpfl, die hochwertige Monstran- geblieben: Der Hansirgl wollte von Hunger zen, Ewiglichtampeln u.a. geschaffen hat. getrieben von einem russischen Bauernhof Allein die Tatsache, dass die Landvermesser ein Huhn stehlen, wurde aber vom Bauern den Ort des Silberarbeiters in die Flurkarte überrascht und von diesem mit der Mistga- aufgenommen haben, spricht dafür, dass er bel in der Hand verfolgt. Er floh in die als Silberschmied nicht unbedeutend gewe- Scheune, stieg auf den Heustock, hob einige sen sein konnte. Er hat sicher die Innenaus- Dachziegel aus, sprang vom Scheunendach stattung der Kapelle mit vielen Details aus- gestattet.

Abbildung 12: Silberarbeiter

31 2. „Die Revolution von oben“: Wie der bayerische König die Grundfeste für das moderne Bayern schuf

Bayern hatte von Napoleon zu den alten der Besteuerung ein. Die Verfassung sah das Stammlanden Ober- und Niederbayern und Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, Oberpfalz die Gebiete Frankens und Schwa- das Recht auf den gesetzlichen Richter und bens erhalten. Diese Gebiete unterschied- die Auswanderungsfreiheit vor. Der König lichster Größe, Struktur und Tradition wollte gewährte in der Verfassung auch eine einge- der bayerische König in einem Gesamtstaat schränkte Pressefreiheit, die allerdings von mit einheitlicher Verwaltung vereinen. Mit seinem Nachfolger Ludwig I. wieder stark Hilfe seines engsten Beraters Montgelas eingeschränkt wurde. führte er eine gewaltige Reform durch: Er schuf eine effiziente Staatsverwaltung mit Der König gewährte im Jahre 1818 Bayern Beamtenwesen und installierte eine Zentral- die erste Verfassung und ermöglichte Wah- regierung mit streng nach Ressorts getrenn- len zum Landtag, wenn auch die Volksver- ten Fachministerien, Mittelbehörden (die treter nicht so weit gehende Rechte wie heutigen Bezirksregierungen), Kreisen (zu- heute erhielten. nächst als Landgericht bezeichnet, später Bezirksämter) und Gemeinden. Schauberg Zu öffentlichen Ämtern bekamen alle kam 1820 zur neugeschaffenen Gemeinde Schichten der Bevölkerung Zugang. Er hob Oberneureuth und zum Bezirksamt Weg- die Steuerfreiheit der privilegierten Stände scheid. auf und führte den Grundsatz der Gleichheit

Abbildung 13: Ortstafel Schauberg

32 An diesen staatlichen und verwaltungsmäßi- rung des Zunftzwangs schuf der König einen gen Strukturen nahm erst die Gebietsreform einheitlichen Wirtschaftsraum. des Jahres 1972 Korrekturen vor, indem sie Er ließ zwischen 1808 und 1853 eine syste- auf deren Basis größere Einheiten schuf. Die matische Vermessung sämtlicher Grundstü- Gemeinde Oberneureuth wurde im Zuge die- cke in Bayern durchführen und ein amtliches ser Gebietsreform aufgelöst und Schauberg Kataster (Grundbuchamt) einrichten. Teil der Gemeinde Sonnen. Desweiteren führte er eine allgemeine Das Reformwerk des Königs nach Montge- Schulpflicht ein und ließ planmäßig Volks- las Plänen erfasste weitere Bereiche: schulen errichten. Die Schulen in Sonnen Mit der Vereinheitlichung von Maßen, Ge- und Krinning entstanden 1830 und 1832. wichten und der Währung sowie der Ab- Die Lehrer mussten fortan eine Ausbildung schaffung der Binnenzölle und der Locke- an staatlichen Einrichtungen absolvieren.

Die „Stoa-Kathl“ und die zu Weiler ritt und die Kinder ein paar grund- Winkelschule Oberneureuth legende Fertigkeiten im Lesen und Schrei- ben zu lehren suchte. Einer Katharina In der Zeit vor der Errichtung der Volks- Sicklinger wurde 1830 vom Landgericht schulen waren die Kinder in Bauernstuben Wegscheid der Winkelschulunterricht ver- (sogenannte Winkelschulen) von nicht aus- boten. Dass die Stoa-Kathl und die ge- gebildeten Personen unterrichtet worden. nannte Katharina Sicklinger ein und So hatten sie in Oberneureuth und Umge- dieselbe Person waren, gilt als sicher. Be- bung von einer „Stoa-Kathl“ Unterricht er- zeichnend erscheint heute, dass die Frau halten. Über sie schreibt Volker Stutzer im als Hexe verschrieen war. Sie scheint eine Heimatbuch Sonnen: starke Persönlichkeit mit erstaunlichen Fä- „Von ihr erzählt man sich, dass sie auf ei- higkeiten gewesen zu sein.“ nem Esel von Dorf zu Dorf und von Weiler

a) Der König beendet das Lehenswesen und die Fron der Bauern – aber nur gegen Abfindung

Mit der Auflösung des Hochstifts Passau leisten. Deshalb bot er den Bauern lediglich hatten die Bauern des Landes der Abtei auch an, die Lehen gegen eine Geldzahlung abzu- ihren bisherigen Lehensherrn verloren. Da- lösen. Davon machten die Bauern zuneh- mit trat der bayerische König an dessen mend Gebrauch. Um die Ablösesumme zu Stelle. Mit einer Beendigung des Lehenswe- begleichen, mussten die meisten von ihnen sens hätte der König auch auf hohe Einnah- Kredite aufnehmen. Dies verzögerte den men verzichtet. Aber das wollte er sich nicht Übergang der Lehen in das Eigentum der

33 Bauern. So waren im Jahre 1827 erst 30% in denen sie früher dessen Zustimmung be- der Bauern in Niederbayern frei, die Hälfte nötigten, nun selbst entscheiden. von ihnen war mit Schulden belastet. Es Während in der Zeit der Grundherrschaft die dauerte noch zwei Jahrzehnte, bis alle Bau- Bauernhöfe überwiegend in Dörfern ange- ern Eigentümer ihres Hofes wurden. Endgül- siedelt worden waren, errichteten die Bauern tig wurde die Grundherrschaft der bisherigen nun nach der Aufteilung der großen Dorf- Lehensherren im Jahre 1848 beendet. weiden auf diesen weitere Bauernhöfe. So An Stelle der Frondienste trat ebenfalls eine entstanden in dieser Zeit auf der Schauber- Geldzahlung. ger Weide ein Bauernhof und auf der Ober- neureuther Ochsenweide mehrere verstreut Ab dem Jahre 1808 war es den bisherigen liegende Höfe. Untertanen auch erlaubt, ohne Zustimmung des Grundherrn ihren Wohnort zu verlassen. Die Bauern konnten die neue Freiheit nut- zen, um nach eigenen Vorstellungen ihre Die bisherige Wirtschaftsform der Dreifel- Felder zu bestellen und ihre Hofstellen bau- derwirtschaft war nun nicht mehr verpflich- lich zu verändern. Einige der Schauberger tend. Die Regierung des Königs warb aber Bauern vergrößerten ihre landwirtschaftli- dafür, sie freiwillig durch eine Fruchtfolge- chen Flächen. Einen Bauernhof wiederum Wirtschaft zu ersetzen. Die gemeinsamen führte die neu gewonnene Eigenverantwor- Ochsenweideflächen (Allmende) wurden ab tung der Hofbesitzer in den Ruin. So ist dem Jahre 1808 aufgeteilt. überliefert, dass drei Frauen der Familie Das unter König Max I. Joseph von Montge- Haiden, die die Besitzer des Hoin-Anwesens las konzipierte Reformwerk bedeutete für waren, den Besitz regelrecht verschleuder- die vom Mittelalter überkommenen Struktu- ten. Sie verkauften Flächen unterhalb des ren in Landwirtschaft und Gesellschaft einen Dorfes in einer Größe, dass sich dort ein epochalen Umbruch. Es hat die Grundlage kleiner Bauernhof (Hausname „Zuntern“) für die weitere Entwicklung Bayerns gelegt. ansiedeln konnte. Dieser erhielt auch den Die Strukturen, die sich in dieser Zeit das unteren Teil des Hofackers, der sich an die Königreich Bayern gegeben hat, wirken zu Haiden-Hofstelle anschließend den südli- einem nicht unwesentlichen Teil bis heute chen Berghang hinunter erstreckte. Der fort. Der König gilt mit seinem Ersten Mi- obere Teil des Hofackers kam zu dem nörd- nister Montgelas als Schöpfer des modernen lich der Dorfstraße gelegenen Anwesen mit bayerischen Staates. dem Hausnamen Michl. Das Haiden-Anwe- sen, das ursprünglich das größte war und zu Auch für die Bauern in Schauberg hatte sich dem eine eigene Sägmühle gehörte, wurde durch die Reformpolitik des bayerischen so zu einem der kleineren. Schließlich ver- Königs die Lage grundlegend geändert. Aus kauften die Besitzerinnen das ganze Anwe- Hörigen waren freie Bauern geworden. sen. Nachkommen der Familie Haiden sind Nicht mehr der Gnade ihres Lehensherrn un- nicht mehr in Schauberg wohnhaft. Ihr terworfen, konnten sie in Angelegenheiten,

34 Name hat sich nur als Hausname (Hoin, Viele wanderten nach Amerika aus. Die Aus- Hoidn, entstanden aus Haiden) erhalten. wanderungswelle hielt bis weit ins 20. Jahr- hundert hinein an und erreichte in der Zeit Die „Revolution von oben“ befreite die Bau- der Weltwirtschaftskrise zwischen 1925 und ern auch vom Zwang der Ortsgebundenheit. 1934 einen Höhepunkt, als beispielsweise Viele Bauernsöhne und Bauerntöchter, die aus Thalberg 29, aus Möslberg 34, aus Kas- bisher meist nur als Knechte, Mägde oder berg 24, aus Wegscheid 53, aus Meßner- Tagelöhner arbeiten konnten, strömten nun schlag 21, aus Sonnen 6, aus Oberneureuth 3 in die großen Städte, wo die beginnende In- und aus Breitenberg 2 Personen auswander- dustrialisierung Arbeitsplätze schuf. Welches ten. Es waren fast 200 Personen aus diesem Ausmaß die Abwanderung in die Städte an- Gebiet. Dabei sind damit nur die gezählt, die nahm, zeigt das Beispiel München. Im Jahre mit der gleichen Schifffahrtslinie fuhren. 1840 lebten 95.000 Menschen in München. Andere Linien brachten weitere Auswande- Sieben Jahrzehnte später hatte die Stadt rer in die neue Welt (Prof. Miller). 600.000 Einwohner.

b) Vom Holzhaus zum Steinhaus

Ab dem Ende der Grundherrschaft verän- Holzhaus dieser Bauart hat sich bis heute in derte sich in Schauberg ebenso wie in ande- Oberfrauenwald (Abbildung 14) erhalten. ren Dörfern die Bauform der Bauernhäuser. Das unter Denkmalschutz stehende Bartl- In Schauberg war und ist noch immer nach- Haus in Schauberg (Abbildung 15) neben zuvollziehen, wie sich das Waldlerhaus im den beiden Dorflinden weist ein teilweise Laufe der Zeit geändert hat. Das ursprüngli- gemauertes und verputztes Erdgeschoss mit che, 1950 abgerissene Austragshaus des hölzernem Kniestock auf. Die Stube ist ein Hoin-Anwesens war noch ein aus dem 18. reiner Holz-Blockbau. Ein ähnlicher Bautyp Jahrhundert stammender Holzbau auf einem war das Hoin-Haus vor dem Dorfbrand, nur gemauerten Sockel. Auf diesem waren ent- mit dem Unterschied, dass das ganze Erdge- rindete und behauene Stämme aufeinander schoss aus großen behauenen Steinen gebaut gesetzt und mit Holznägeln verbunden. Ein war.

35 Abbildung 14: Stoarl-Haus in Oberfrauenwald

Abbildung 15: Bartl-Haus in Schauberg

36 Vorherrschend im Ortsbild von Schauberg ist (siehe Abbildung 16 mit dem Hoin-Haus und aber nicht der Bautyp dieser beiden Waldler- links davon das Mertl-Haus). Diese Haus- häuser, sondern die gänzlich aus Bruchststei- form dominiert auch in anderen Dörfern des nen gemauerten, oft auch verputzten, meist Abteilandes das Ortsbild. zweigeschossigen bäuerlichen Wohnhäuser

Abbildung 16: Hoin-Anwesen in Schauberg links halb verdeckt das Mertl-Haus

Das Hoin-Anwesen Obergeschoss wurde 1921 mit Bruchstei- nen wieder hergestellt. Das Hoin-Anwesen wurde mit Ausnahme der Scheune zur Gänze mit Granitsteinen Das Austragshaus mit dem Nebengebäude gebaut (Bild aus den 1950er Jahren). wurde 1952 anstelle des Holzblockhauses ebenfalls mit Bruchsteinen errichtet. In der Für das Erdgeschoss des Wohnhauses Vorderfront des Stallgebäudes waren auch wurden im Jahre 1800 große behauene geklaubte Feldsteine vermauert. Granitquader verwendet. Das beim Brand des Dorfes im Jahre 1920 zerstörte Der große Steingrand im Hof trägt die Jah- reszahl 1833.

37 Es fällt auf, dass die meisten dieser Stein- ten Stichen zu sehen, dass selbst Steilhänge häuser zwischen 1840 und 1890 errichtet entwaldet waren. Es gab deshalb bereits früh wurden, wie man von den Türgerichten able- Verordnungen, die den verschwenderischen sen kann, in die neben den Initialen des Verbrauch von Bauholz einzudämmen ver- Hausbesitzers meist auch die Jahreszahl der suchten, indem seine Verwendung als Bau- Errichtung eingemeißelt ist. Es ist unge- stoff möglichst auf die Dachkonstruktion wöhnlich, dass sich ein bestimmter Haustyp und auf Nebengebäude beschränkt wurde. innerhalb von einigen Jahrzehnten so stark Des Weiteren wollte die Regierung der er- durchgesetzt hat, zumal der Baustoff Holz höhten Brandgefahr der Holzhäuser begeg- reichlich zur Verfügung stand und dazu noch nen. Schon im Jahre 1791 erließ sie eine leichter als Stein zu verarbeiten war. Es liegt „Allgemeine Feuerordnung“, die vorschrieb, nahe, dass es für den schnellen Wandel vom dass das Erdgeschoss von Häusern als Mas- Holz- zum reinen Steinhaus einen äußeren sivbau aus Stein zu bauen war. Nach 1800 Anstoß gegeben haben muss. Und das war wurden weitere Erlasse veröffentlicht, die tatsächlich der Fall: die Versicherung von auch nur teilweise mit 1848 war die Grundherrschaft endgültig ab- Holz gebauten Häusern oder Bauten mit geschafft worden. Sofern die Bauern die Ab- Schindeldächern aus Holz verteuerte. Insbe- lösesumme nicht schon vor 1848 bezahlt sondere im Jahre 1875 trat eine erhebliche hatten, gingen spätestens dann die bäuerli- Verschärfung der Feuerversicherung ein. chen Lehen in das Eigentum der Bauern So hatten Regelungen, die eigentlich dem über. Nun hatten sie in baulicher Hinsicht Brandschutz und der Eindämmung des gro- eigene Gestaltungsmöglichkeiten. ßen Holzverbrauches dienten, eine Verände- Aber darüber hinaus begünstigten und be- rung der Bauernhäuser und damit auch der schleunigten auch behördliche Regelungen Ortsbilder in Schauberg und in anderen Or- den Bau von reinen Steinhäusern. ten zur Folge. Dass in anderen Teilen Bay- erns, wie z.B. im Rottal, noch wesentlich Abgesehen von den Randgebieten wie dem mehr Holzhäuser als im Bayerischen Wald Bayerischen Wald hatte der große Verbrauch erhalten geblieben sind, hängt wohl damit von Holz als Brennstoff und Baumaterial zusammen, dass nicht überall Steine als Bayern in der damaligen Zeit zu einem fast Baumaterial zur Verfügung standen. waldfreien Land gemacht. So ist auch auf al-

3. In der Dorfmitte zwischen zwei mächtigen Linden: Ein Zeichen des christlichen Glaubens

Die Ausübung des Glaubens nahm über alle schen auch nach außen mit der Errichtung Jahrhunderte hinweg einen festen Platz im von Kapellen und Wegkreuzen, von denen es Dorfleben ein. Diesen bezeugten die Men- besonders viele im Land der Abtei gibt. Ne-

38 ben der Schauberger Dorfkapelle, die im zum Spott tragen musste; die Knüppel, die Jahre 1898 ursprünglich im neugotischen Jesus an der Geiselsäule zu spüren bekam; Stil errichtet wurde, beherbergt Schauberg die Kette, mit der er gefesselt war; den Ham- noch ein besonderes Kleinod: mer, mit dem die Nägel in seine Hände und die Füße getrieben wurden; den Schwamm- stab, mit dem man Jesus Essig reichte; die Lanze, die ihm ins Herz gestoßen wurde; die Uhr, die die Todesstunde des Herrn anzeigt und andere Gegenstände mehr.

Drei kleine Engel sammeln in Kelchen das aus den Wunden fließende Blut. Neben dem Kreuz stehen die Statuen von Maria und Jo- hannes.

Joseph Weidinger (von 1797 bis 1880) Der Bildschnitzer Joseph Weidinger wurde in Hirschenberg bei Breitenberg geboren und lebte später in der Ge- meinde Möslberg. Das Verbreitungsge- biet der Arma-Christi-Kreuze reicht von Ringelai über Waldkirchen und Sonnen Abbildung 17: Dorfkreuz Schau- nach Wegscheid und Untergriesbach bis berg ins angrenzende Mühlviertel. Künstlerisch kann man die Arma Christi Kreuze vor allem wegen der Form- Ein sogenanntes Arma-Christi-Kreuz (Waf- schönheit des Christuskörpers als fen-Christi-Kreuz), gefertigt von dem niveauvolle Volkskunst einordnen. Mit ihrer reichhaltigen Ausgestaltung dürften Schnitzer Joseph Weidinger. sie einmalig auch im Vergleich zu Passi- Dieses Kreuz erzählt die gesamte Passions- onskreuzen in anderen Regionen sein. geschichte. Es zeigt neben dem Körper des Eine fundierte Beschreibung des Le- Gekreuzigten die Gegenstände, die in seiner bens und der Werke von Joseph Wei- dinger findet sich unter der Rubrik Leidensgeschichte eine Rolle spielten: „Geschichte“ auf der Internetseite der Den Hahn, der nach dem Verrat des Petrus Gemeinde Breitenberg. dreimal krähte; die Dornenkrone, die Jesus

39 IV Entwicklung im 20. Jahrhundert

Das Hochstift Passau (Fürstentum Passau) zum Deutschen Reich im Jahre 1871 auf, ein hatte rechtlich im Jahre 1803 mit der Säkula- souveräner Staat zu sein, die Monarchie risation, der Enteignung der geistlichen Ter- wurde 1918 abgeschafft. Zwei Weltkriege ritorien, aufgehört zu bestehen. Seine mittel- brachten Land und Leuten unendliches Leid. alterlichen Strukturen wurden damit aber Millionen Menschen mussten aus ihrer Hei- nicht über Nacht beseitigt. Der Prozess der mat fliehen. Viele davon fanden auch in den Umwandlung in eine moderne Staats- und Dörfern des ehemaligen Landes der Abtei Gesellschaftsordnung vollzog sich erst nach eine erste Unterkunft. Diese Ereignisse und und nach im Königreich Bayern. Deshalb deren Auswirkungen auf das Gebiet zwi- war es gerechtfertigt, in die „Geschichte des schen Ilz und österreichischer Grenze zu be- Landes der Abtei“ auch die ersten Jahr- schreiben, würde aber den historischen Zeit- zehnte, in denen das Land der Abtei schon abschnitt, in dem die „Geschichte des Lan- Teil des Königreichs Bayern war, einzube- des der Abtei“ angesiedelt ist, überschreiten. ziehen. Trotzdem sollen zur Abrundung aus der Zeit des 20. Jahrhunderts nachstehend noch ein Die politischen Entwicklungen der nachfol- dörfliches Ereignis und zwei für das Dorf genden Zeit hatten zum Teil noch gravier- bedeutende Themenbereiche angesprochen endere Folgen als die in den vorhergehenden werden. Jahrhunderten. Bayern hörte mit dem Beitritt

1. Das Dorf brennt ab

Am 26. Oktober 1920 zerstörte ein Feuer „Vor 75 Jahren, am 26.Oktober 1920, fast das ganze Dorf Schauberg. Über die Ur- brach um 10.15 Uhr Vormittag im oberen sache gibt es zwei Versionen: Es hieß, das Teil der Ortschaft Schauberg beim Bau- Feuer sei beim Dreschen im Hoin-Anwesen ern Franz Xaver Sicklinger Feuer aus. von zündelnden Kindern entfacht worden. In Der Brand, vermutlich vom Backofen der Presse wurde dagegen berichtet, es sei ausgehend, breitete sich durch starken vermutlich von einem Backofen ausgegan- Ostwind innerhalb zehn Minuten über gen. das ganze Dorf aus und legte bis 3 Uhr Nachmittag die Anwesen Xaver Sicklin- Nachstehend die Presseberichte, zusam- ger (Hoidn), Max Meier (Mertl), Johann mengestellt in einem Beitrag zur Geschichte Bartl (Rippl), Franz Weidinger (Paus- der ehemaligen Gemeinde Oberneureuth hansl) und Ludwig Kinateder (Riedl) in (Gemeindebrief Sonnen 1995) aus Berichten Schutt und Asche. Die eingebrachte in der Donauzeitung und im Grenzboten: Ernte, 7 Stück Großvieh und der gesamte

40 Hausrat der betroffenen Familien fielen Am 5. November 1920 rief der Ge- dem Feuer zum Opfer. Der Sachschaden meinderat und Hilfsausschuss von Ober- wurde auf 1 Million Reichsmark ge- neureuth zur Linderung der entstanden schätzt. Mit 13 Feuerwehren aus der nä- Not zu einer öffentlichen Spende zu heren und weiteren Umgebung war auch Gunsten der Brandleider auf“. Oberamtsrat Littig vom Bezirksamt Weg- Teilweise erfolgte der Wiederaufbau noch scheid am Brandplatz erschienen. Die ge- vor Wintereinbruch, teils mussten aber die samten Löscharbeiten standen unter der Betroffenen von anderen Familien aufge- Leitung des Oberneureuther Hauptmanns nommen werden oder den Winter in der Ka- und Bürgermeisters Anetzberger. pelle verbringen.

Als die Feuerwehr noch per einem Pferdegespann zur Brandstätte ge- Horn gerufen wurde zogen wurde. In Schauberg gab es, wie in anderen Dör- Im Brandfall gab der Hornist den Feuer- fern auch, ein Spritzenhaus mit einer per wehrmännern des Dorfes und der Nachbar- Hand zu betätigenden Feuerspritze, die von orte mit lautem Tuten das Signal zum Einsatz.

Abbildung 18: Schauberger Feuerwehrhorn

41 Abbildung 19: Schauberger Feuerspritze (nun im Feuerwehrhaus Krinning)

Das Hoin-Haus in Schauberg hatte vor dem Beim Brand des Dorfes sind die aus Holz Brand ein gemauertes Erdgeschoss und ei- gebauten Teile verbrannt. Das Türgericht do- nen Aufbau aus Holz mit einem Schrot. kumentiert das Jahr des Wiederaufbaus:

Abbildung 20: Türgericht Hoinhaus

42 2. Der Granit

Granit fand schon lange vor dessen kommer- sächlichen Neben- oder Haupterwerb der ziellem Abbau in Steinbrüchen in der Ge- Waldler. gend um Schauberg auf den bäuerlichen Der Aufschwung wurde ausgelöst, als sich Hofstellen Verwendung. Soweit Granitsteine Georg Kusser im Jahre 1907 in Hauzenberg für den Bau von Häusern und Wirtschaftsge- niederließ und Steinbrüche eröffnete, darun- bäuden verwendet wurden, grub man in ter in Schauberg und in Herrnholz, drei Kilo- Wäldern, Wiesen und Äckern Findlinge aus meter von Schauberg entfernt. Die Firma und spaltete sie zu Mauersteinen (Bruchstei- Kusser besaß in den Jahren nach dem zwei- nen). Auch Steingrande, die heute noch in ten Weltkrieg in der Gegend um Hauzenberg allen Gehöften in Schauberg vorhanden sind 16 Brüche und beschäftigte 900 Personen und immer noch mit eigenem Dorfwasser (Prof. Miller). gespeist werden, fertigte man aus Findlin- gen. Weitere Unternehmer wagten hier die Eröff- nung von Steinbrüchen. Josef Kandlbinder Im 20. Jahrhundert erfuhr die Arbeit in den aus Niederneureuth eröffnete in Herrnholz Steinbrüchen einen großen Aufschwung und einen Steinbruch. Die Familie Götzer baute verdrängte das Weberhandwerk als haupt- Granit in Haselberg in einem Steinbruch ab, der auch heute noch betrieben wird.

Abbildung 21: Steinhauer im Kandlbinder-Bruch

43 Seine Blütezeit erlebte der Granitabbau in sie in Blechbüchsen mit oder ließen es sich den 1950er Jahren. Man erinnert sich noch von ihren Kindern nachbringen. In der klei- heute, wie in diesen Jahren die Steinhauer nen Steinbruchkantine wurde es dann zur aus Schauberg und aus Thierham mit Fahrrä- Mittagszeit aufgewärmt. Wenn sie am Spät- dern zum Kusser- oder Kandlbinder-Bruch nachmittag nach Hause kamen, war nicht ins Herrnholz oder zum Götzer-Bruch nach Feierabend, sondern Arbeit in der Landwirt- Haselberg fuhren. Ihr Mittagessen nahmen schaft angesagt.

Abbildung 22: Steinbruch Schauberg, 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

Zum Ende des 20. Jahrhunderts begann eine ten. Selbst Bayerwald-Städte zogen es aus Entwicklung, die zu einer existentiellen Be- Kostengründen wiederholt vor, bei öffentli- drohung für die heimische Granitindustrie chen Bauprojekten Granitsteine aus China werden sollte. Aufgrund der zunehmenden zu ordern. Diese Entwicklung läutete einen weltweiten Konkurrenz wurde Granit aus gewaltigen Strukturwandel ein. Die Mehr- dem Ausland zu Preisen angeboten, bei de- zahl der Steinbrüche wurde inzwischen auf- nen die hiesigen Unternehmen bei Aus- gegeben. Die verbleibenden Unternehmen schreibungen kaum mehr eine Chance hat- versuchten ihr Überleben zu sichern, indem

44 sie ihre Produktpalette reduzierten und sich schen stellte sie den Steinbruchbetrieb aus auf weniger lohnintensive Bereiche be- Rentabilitätsgründen ein. schränkten. Als Arbeitgeber spielt die Granitindustrie im Ein weiteres Problem war der ausbleibende Vergleich zu den 1950er Jahren nur noch Nachwuchs an Steinhauern. Deshalb be- eine untergeordnete Rolle. schäftigte beispielsweise die Firma Kandl- Eine umfassende Darstellung des Lebens mit binder nun in größerem Umfang tschechi- und vom Granit bietet in beeindruckender sche Arbeiter. Daneben baute sie das Trans- Weise das Granitmuseum Hauzenberg. portgeschäft zum Hauptbetrieb aus. Inzwi-

3. Ein Bauernhof – ein Bauerndorf?

Die Arbeit auf den Bauernhöfen, wie sie von Landschaftsbild im Laufe der Jahre immer alters her ausgeübt wurde, hat sich in den mehr vom Maisanbau geprägt, der inzwi- bäuerlichen Betrieben Schaubergs bis nach schen auch Flächen erobert hat, die von al- dem zweiten Weltkrieg nur unwesentlich ters her Wiesen waren. Viele Landwirte verändert. Die Felder ließen immer noch die kämpfen bis heute ums Überleben, da wegen Einteilung aus der Zeit der Dreifelderwirt- des starken internationalen Wettbewerbs die schaft erkennen. Dann aber setzte eine Ent- Preise nicht mehr die Kosten decken. Wegen wicklung ein, die das Dorf umso rasanter dieser misslichen Lage, aber auch weil sich veränderte. Sie begann mit der Motorisie- unter diesen Umständen oft auch keine Hof- rung der Landwirtschaft in den 1950er Jah- erben mehr fanden, gaben immer mehr Bau- ren. Für die nun eingesetzten Maschinen wa- ern die Landwirtschaft auf. Es begann ein ren die kleinteiligen Felder nicht mehr prak- allgemeines Höfesterben. Von den ursprüng- tikabel. Die Flurbereinigung (von 1971 bis lich zehn Bauernhöfen in Schauberg betreibt 1983) schuf größere maschinengerechte inzwischen nur noch ein Bauer die Land- Äcker und Wiesen. Außerdem wurde das wirtschaft.

Wie wird die Entwicklung wohl weitergehen?

Es gibt Dörfer in anderen Regionen, in de- Der massive Strukturwandel wird aber das nen dem Sterben der Höfe ein Sterben der Ortsbild nicht unverändert lassen. Dörfer folgte, weil die Dörfer für junge Fa- Zur Zeit zeichnen noch die hohen Scheunen milien nicht mehr attraktiv genug waren. die Silhouette des Dorfes Schauberg. Soweit Dies ist in Schauberg wie auch in anderen diese künftig keine Funktion mehr haben, Orten in der Umgebung wohl keine Gefahr, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie da hier wie dort immer wieder neue Wohn- abgerissen oder umgebaut werden. Ob in der häuser errichtet werden.

45 Folge auch das sonstige Bauerbe, die bäuer- Orte, die von den Leuten als attraktiv emp- lichen Wohnhäuser als steinerne Zeugen der funden werden, haben neben anderen Krite- Vergangenheit des Dorfes und der Familien- rien vor allem einen eigenen, unverwechsel- geschichten verschwinden werden? Werden baren Charakter. Und dieser speist sich zum Bauerndörfer wie Schauberg dann gesichts- großen Teil aus seiner Baugeschichte. Ein los sein, austauschbar wie die Wohnsiedlun- Ort vermittelt nur dann etwas Eigenes, wenn gen an den Rändern der größeren Orte? er seine Geschichte nicht leugnet, das Voran- gegangene, das Gewachsene nicht unnötig Es gibt Studien, die untersucht haben, was abreißt, sondern Neues und Altes nebenein- die Attraktivität von Orten ausmacht: ander bestehen lässt und beides im Idealfall harmonisch miteinander verbindet.

46 V Quellen

1. Bücher

• Friedl Haertel (aus Heindlschlag • Trachtenverein D`Freudenseeer: Der stammend): „Die sieben künischen Bau der Thierham-Kapelle Dörfer im Landkreis Wolfstein“ • Gemeinde Breitenberg, Internetseite: (1963). „Die Arma-Christi-Kreuze des • Ludwig Veit: (aus Kramersdorf bei Schnitzers Joseph Weidinger“ Hauzenberg stammend), Historiker • Walter Wilhelm (Johann Haiböck): und Archivdirektor im Germanischen „Die österreichische Maut in Wilden- Nationalmuseum in Nürnberg: „ Pas- ranna“ sau. Das Hochstift“ in Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, • Volker Stutzer: „Heimat Sonnen. Ein Reihe I, Heft 35 Lese- und Bilderbuch“

• Andrea Kinateder (aus Schauberg • Volker Stutzer: „Wegscheid – Ein stammend): Facharbeit zum Thema Heimatbuch“ „Entwicklungsgeschichte meines • Prof. Richard Miller: „Der Landkreis Heimatortes Schauberg“ (1985). Wegscheid“, Heimatbuch (1957) • Haus der Bayerischen Geschichte: • Stadt Hauzenberg: Heimatbuch: „Das Politische Geschichte Bayerns. Bay- Land der Abtei“. ern im Zeitalter des Fürstlichen Ab- solutismus (17./18. Jahrhundert) • Dr. Maurer: Die Ortsnamen des Hochstifts Passau • Bayerisches Landesamt für Denk- malpflege: Das Waldlerhaus. Einst • Max Spindler: Das neue Bayern. Von und heute 1800 bis zur Gegenwart

• Prof. Dr. Johann-Bernhard Haver- • Martin Hofbauer: Ausbildung und sath: Eine kleine Geschichte des Struktur der Herrschafts- und Besitz- Bayerischen Waldes verhältnisse des Hochstifts Passau im 13. und 14. Jahrhundert • Prof. Dr. Johann-Bernhard Haver- sath: Die Entwicklung der ländlichen • Hans-Werner Goetz: Leben im Mit- Siedlungen im südlichen Bayeri- telalter schen Wald (Passauer Schriften zur Geographie) • Reinhard Schmoeckel: Die Indoeuro- • Lexika: Brockhaus, Wikipedia päer – Aufbruch aus der Vorge- schichte (2. Aufl. 2002)

2. Karten und Bilder

• Abbildung 2: Friedl Haertel • Schauberg-Fotos: Inge Dietzel

• Abbildung 3, 4 und 5: Bayerische • Abbildung 8: Josef Bürger Vermessungsverwaltung • alle anderen Fotos: Verfasser