Kapitel IX Zurück in der Flotte

Erster Admiralstabsoffizier beim B.d.A. – Der ehrgeizige Befehlshaber: – Spanien-Einsatz – Erster Admiralstabsoffizier im Flottenkommando: Erneut Boehm als Chef – Boehm als Lehrmeister – Boehm als überzeugter Nationalsozialist – Coronation Review in Spithead – Havarie GRAF SPEE mit U-35 – Versorgung in See und ihre Schiffe

„Esmarchstraße 64“ lautete die Familienanschrift, nachdem Hans Langsdorff zum 8. Oktober 1935 als Erster Admiralstabsoffizier (I. Asto) zum Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (B.d.A.) versetzt worden war. Dem Dienstantritt in war der private Umzug bereits am 7. Oktober vorausgegangen1. Die Esmarchstraße, eine über die Jahrzehnte in Marineoffizierskreisen bekannte und begehrte Adresse2, liegt damals wie heute in einer der repräsentativsten Wohnlagen Kiels auf der westlichen Höhe der Stadt und grenzt unmittelbar an das bekannte Villenviertel in Düsternbrook mit seiner Promenade am Hinden- burgufer3. Das Stationskommando der Ostsee, heute Sitz des Schleswig- Holsteinischen Landtags, war fußläufig in einer knappen Viertelstunde erreichbar. Die Marineanlagen in der Wik waren/sind knapp zwei Kilometer entfernt. Die in den Jahren 1910/1911 zwischen Blücherplatz und Holtenauer Straße errichteten Gebäude haben den Zweiten Weltkrieg unzerstört überstanden und stehen heute zum großen Teil unter Denkmalschutz. Die

1 Vgl. Reinhard Langsdorff, Erinnerungen, S. 87. Exakte Datumsangabe im Kieler Adressbuch von 1936. 2 Der spätere und erste Inspekteur der Bundesmarine Friedrich Ruge wohnte als junger Offizier in den zwanziger Jahren im Haus Nr. 66, später erneut in der Esmarchstr. 55. (Mitteilung von FregKpt aD Dr. Dieter Hartwig an den Verf. vom 6. Apr. 2014.) Der spätere Bismarck-Kommandant, damals KorvKpt, Ernst Lindemann wohnte im Haus Nr. 61. Ab 1937 wohnte der Langsdorff-Freund KzS Otto Backenköhler in Haus Nr.24. Der spätere General- admiral Hermann Boehm, zur Zeit seines Umzuges nach Kiel Langsdorffs Chef, wohnte nach dem Zweiten Weltkrieg als Ruheständler im Haus Esmarchstr. 53. (Mitteilung von FregKpt aD Eberhard Kliem an den Verf. vom 6. Apr. 2014.) Für Recherchen im Kieler Stadtarchiv danke ich KzS aD Peter Mohr. 3 Das seit 1933 so benannte Hindenburgufer wurde mit Beschluss der Kieler Ratsversammlung vom 16.1.2014 in Kiellinie umbenannt.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657702626_010 346 Ix. Zurück in der Flotte

Abb. 22 Das Kieler Wohnhaus ab 1935: Esmarchstr. 64, heutige Ansicht

seinerzeit sehr großzügige[n] 4 -5-geschossige[n] Mehrfamilienhäuser wurden für das Großbürgertum und hohe Marineoffiziere gebaut, stilistisch geprägt vom Jugendstil, wenn dies auch erst bei genauerem Hinsehen erkennbar ist. Die Fassaden sind zumeist mit einem speziellen grau-braunen, langlebigen Rauputz versehen, der im Laufe der Jahrzehnte eine schöne Patina angesetzt hat und teil- weise mit Efeu oder wildem Wein bewachsen sind. Dazu kontrastieren die weiß gestrichenen Fensterprofile, teilweise noch in der Originalteilung erhalten bzw. erneuert. Das - Haus Nr. 64 gehört in diese Reihe; es gibt dort wirklich großzügige 5/6-Zimmer-Wohnungen mit separatem Dienstboteneingang und zwei Bädern4.

Die Langsdorff-Wohnung lag in der III. Etage. Zwei weitere Marinefamilien wohnten im gleichen Haus: Konteradmiral Erich Mahrholz sowie Korvetten- kapitän Hans-Georg Lübbe (Crew 1908). Zwischen 1929 und 1934 hatten der

4 Mitteilung des Kieler Architekten und Stadtplaners Hartwin Tode an den Verf. vom 27. Apr. 2014.