Meine Sprache versteht die ganze Welt

Eine Lange Nacht über Joseph Haydn

Autor: Nikolaus Scholz

Redaktion: Dr. Monika Künzel

Regie: Nikolaus Scholz

Sprecher*innen: Dörte Lyssewski Erzählerin Michael Dangl Zitate Haydn Markus Hering Zitate Markus Meyer Zitate Katharina Stemberger Zitate

Sendetermin: 25. Mai 2019 Deutschlandfunk Kultur 25./26. Mai 2019 Deutschlandfunk ______Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde

KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung)

ZITAT Haydn Wenn ich an Gott denke, ist mein Herz so voll Freude, dass mir die Noten wie von der Spule laufen.

KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung)

ERZÄHLER Schloss Eszterház – eine der prächtigsten Rokoko-Schlossanlagen Europas am Ortsrand der westungarischen Stadt Fertöd Anfang März 2019. Während am Abendhimmel die letzten fahlen Lichtschleier den Wettstreit gegen die Dunkelheit verlieren, tauchen Scheinwerfer die Bühne des einstigen Marionettentheaters des Schlosses in grelles Licht. In der Mitte der Bühne ein Steinway-Flügel. Gergely Ittzés an der Querflöte, Miklós Perényi am Violoncello und Péter Frankl am Flügel spielen zum Auftakt der Frühlingskonzerte auf Schloss Eszterház Josef Haydn’s Klaviertrio Nr. 29 in G-Dur, das der österreichische Komponist im Jahr 1790 zu Papier brachte.

KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung)

ERZÄHLER In den kommenden drei Stunden dieser Langen Nacht tauchen wir ein in die musikalische Lebenswelten eines österreichischen Komponisten der Frage Wiener Klassik: Franz Joseph Haydn, geboren am 31. März 1732 im niederösterreichischen Dorf Rohrau als zweites von insgesamt zwölf Kindern. Ein Komponist, den selbst hoch verehrte. Ein Musiker, der unermüdlich mit neuen Kompositionstechniken experimentierte, durchdrungen von einer leidenschaftlichen Musiksprache und gewagten Harmonien. Ein Mensch, dessen Leben nicht nur von der Musik geprägt war, sondern auch von den amourösen Leidenschaften seines Herzens.

KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung)

ERZÄHLER Wir schreiben das Jahr 1772. In Österreich regiert Maria Theresia gemeinsam mit ihrem Sohn Josef II die habsburgischen Länder, zu denen das Erzherzogtum Österreich, die Länder der böhmischen Krone, die österreichischen Niederlande

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 2 sowie das Königreich Ungarn gehört. 10 Jahre ist es nun her, dass Fürst Nikolaus I., genannt der „Prachtliebende“, den Umbau eines kleinen Jagdschlosses Süttör am Südufer des Neusiedlersees in Auftrag gegeben hat. Er ist der Spross einer der mächtigsten ungarischen Fürstenfamilien jener Zeit. Sein ehrgeiziges wie kostspieliges Unterfangen: eine prachtvolle und weitläufige Sommerresidenz zu realisieren, eine Art Märchenschloss, das in seinem Glanz dem französischen Versailles um nichts nachstehen soll. Um das kühne Vorhaben realisieren zu können, muss erst das umliegende, ausgedehnte Sumpfgebiet trockengelegt werden. Fürst Nikolaus I. scheut weder Kosten noch Mühen, seine architektonische Vision in die Realität umsetzen zu lassen. Der Bau des Schlosses und seiner opulenten Gartenanlage wird schlussendlich nicht weniger als 12 Millionen Gulden kosten - auf heutige Verhältnisse übertragen eine astronomische Summe.

ZITAT Was die Pracht des Orts ungemein erhöht, ist der Abstich desselben mit der umliegenden Gegend. Öder und trauriger lässt sich‘s nicht denken. Der Neusiedler See, wovon das Schloss nicht weit entfernt ist, macht meilenlange Moräste, und droht alles Land, bis an die Wohnung des Fürsten hin, mit der Zeit zu verschlingen, wie er denn schon ungeheure Felder, die angebaut waren, und den ergiebigsten Boden hatten, verschlungen hat. Die Bewohner dieses angrenzenden Landes sehen größtenteils wie Gespenster aus, und werden fast alle Frühjahr von kalten Fiebern geplagt. Man will berechnet haben, dass der Fürst mit der Hälfte des Geldes, welches er auf seinen Garten verwendet, nicht nur die Moräste hätte austrocknen, sondern auch noch einmal so viel Land dem See entreißen können. Da der Zufluss des Sees immer häufiger und der Ausfluss geringer wird, so ist die Gefahr, womit das sehr niedrige Land bedroht wird, wirklich sehr groß. Es käme nur darauf an, durch einen Kanal das überflüssige Wasser in die Donau abzuleiten, welche Unternehmung die Kräfte des Fürsten eben nicht übersteigt, und ihm in den Augen gewisser Leute mehr Ehre machen würde, als sein prächtiger Garten. Auf der anderen Seite des Schlosses braucht man keine Tagereise zu machen, um Kalmüken, Hottentotten, Iroken, und Leute von Terra del Funego in ihren verschiedenen Beschäftigungen und Situationen beisammen zu sehen.

KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung)

ERZÄHLER Nein – Fürst Nikolaus will keine Kriege führen, im Gegenteil. Er will feiern und musizieren - mit Pauken und Trompeten, wenn es sein muss. Im Juli 1772 lässt er anlässlich des Besuches des französischen Botschafters in Wien, des Kardinals Prinz Louis René Edouard von Rohan, prunkvolle Festlichkeiten in seinem nahezu fertiggestellten Schloss Eszterház ausrichten. Gleich am Ankunftstag überraschte

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 3 der Fürst seinen hohen Gast mit einer Theater- und Ballettaufführung, sowie mit einem prächtigen Souper samt Feuerwerk im Garten des Schlosses.

ATMO (Feuerwerk) + MUSIK

ERZÄHLER Der nächste Tag gestaltet sich nicht weniger abwechslungsreich. Nach einer gemeinsamen Jagd trifft sich die illustre Gesellschaft im Theater, um eine Tragödie zu sehen, um danach einem Konzert zu lauschen. Zum Ausklang des Tages wird ein abermaliges Souper ausgerichtet samt opulentem Gartenfest, bei welchem extra ein ganzes Dorf mit Kirchtürmen und Verkaufsbuden errichtet wird, in dem die herrschaftlichen Gäste lustwandeln und Preziosen kaufen können. Eine gesangliche Darbietung mit Liebesliedern und ein Maskenball beschließen den zweiten Tag. Am dritten Tag werden erneut Theateraufführungen gegeben und abends ein Volksfest im Park des Schlosses inszeniert, bei dem der Fürst 2000 Bauern in extra hierfür angefertigte Fantasiekostüme steckt. Sie haben die Aufgabe, den geladenen Gästen schmausend und trinkend zuzujubeln. Erst am vierten Tag findet das Fest seinen krönenden Abschluss: mit einer Hirschjagd im Tierpark von Eszterház, einer Entenjagd am Neusiedler See und weiteren zwei Theater-vorstellungen. Prinz Edouard von Rohan äußert sich begeistert:

ZITAT In Eszterház habe ich Versailles wiedergefunden.

ERZÄHLER Haydn selbst hat in diesen Sommertagen des Jahres 1772 alle Hände voll zu tun, ist er doch als Oberkapellmeister für den reibungslosen Ablauf der musikalischen Darbietungen zuständig. Er trägt dabei - wie alle Angestellten des Fürsten - vorschriftsmäßig seine Dienstuniform. Sie besteht aus einem lichtblauen, silberverschnürten Frack, gestickter Halskrause, Kniehosen, Schnallenschuhen und Degen. Bei den Vorbereitungen zu den musikalischen Darbietungen auf Schloss Eszterház kann er stets mit der vollen Unterstützung seines Dienstgebers rechnen, der wie sein Bruder Paul Anton selbst ein musikaffiner Hocharistokrat ist. Die ungarische Familie Esterházy war seit je her musikliebend, und ihre Bereitschaft die Künste zu fördern, bestand schon lange vor Haydns Zeit. Bereits ihr Ahnherr Graf Nikolaus, der von 1583 bis 1645 lebte und durch reiche Erbschaften und kluge Heiratspolitik den Aufstieg seiner bis dahin unbedeutenden Kleinadelsfamilie zu einem führenden Magnatengeschlecht seiner Zeit in die Wege leitete, leistete sich eine eigene Musikkapelle. Diese kam zunächst nur für Kirchenmusik zum Einsatz, spielte aber danach auch bei der fürstlichen Tafel oder bei Aufführungen des Jesuitentheaters in Ödenburg. Auch Fürst Nikolaus I – ein Urenkel des

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 4 gleichnamigen Grafen - hat die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt bekommen. Mit Leidenschaft weiß er das Baryton zu spielen, ein Streichinstrument in Größe und Stimmung einer Gambe. Daneben auch das Cello. Um die Leidenschaft des Fürsten für sein Lieblingsinstrument zu befriedigen, komponiert Haydn in den darauffolgenden Jahren etwa 150 Werke allein für das Baryton.

MUSIK (Baritontrio No. 39 in D, 2:55)

ZITAT Haydn Mein Fürst war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich erhielt Beifall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck hervorbringt, und was ihn schwächt, also verbessern, zusetzen, wegschneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert, Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen, und so musste ich original werden.

MUSIK (Baritontrio No. 39 in D, 2:55)

ERZÄHLER 33 Jahre zuvor bezaubert der 7jährige Joseph Haydn seine Zuhörer allein durch den reinen Klang und die schöne Intonation seines Gesanges. So wird auch Johann Georg Reutter, der als Kapellmeister die Musik in der Wiener Stephanskirche dirigiert, auf den Knaben aufmerksam. Die Kapelle des Stephansdomes bestand damals neben Kapellmeister, Vizekapellmeister und einem Organisten aus insgesamt dreizehn Musikern – elf Streichern, einem Horn und einem Fagott – und weiteren zwölf Sängern, zu denen auch sechs Kapellknaben gehörten. Ein Jahr später, im Jahre 1740, wird Haydn auf Empfehlung von Johann Georg Reutter als einer von ihnen in das Konvikt des Stephansdomes aufgenommen. Wie alle anderen Musiker und Sänger der Domkapelle dient Haydn fortan im Bereich der Kirchenmusik, singt zu den täglichen Gottesdiensten, und darf ab und an auch in der kaiserlichen Hofkapelle aushelfen. Die Ausbildung der jungen Sänger dauert insgesamt bis zu zwölf Jahre. Neben ihrer ungeheuer prächtigen Gesangskunst erwerben sie zudem ausreichende Kenntnisse in Komposition und Instrumentalspiel. Reutter selbst, der immerhin 700 Gulden jährlich für die Ausbildung jedes Sängerknaben erhält, hat zunächst ganz andere Pläne mit dem jungen Haydn, als ihm Kompositionsunterricht zu erteilen. Da die kindliche Stimme auch bei Mitgliedern der kaiserlichen Familie überaus großen Gefallen findet, hegt er Gedanken, ob man diesen schönen Sopran nicht für ewig erhalten sollte. Er lässt den jungen Haydn zu sich rufen, und erklärt ihm, welches Glück es für ihn und seine Familie bedeute, wenn er sich einer bestimmten Operation unterziehe, die seine helle Singstimme für alle Zeiten bewahren könne. Haydn soll – geht es nach den Wünschen des Kapellmeisters - ein Kastrat werden und zukünftig seine alleinige

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Daseinsberechtigung im Singen finden. Ein Vorhaben, dass Joseph Haydn’s Vater energisch zu vereiteln weiß. Haydn-Biograf Georg August Griesinger schreibt:

ZITAT Haydn erhielt seine Entlassung aus dem Kapellhause im sechszehnten Jahr, weil seine Stimme gebrochen war; er konnte nicht die mindeste Unterstützung von seinen armen Eltern erwarten, und mußte daher suchen, sich bloß durch sein Talent fortzubringen. Er bezog in Wien ein armseliges Dachstübchen ohne Ofen, worin er kaum gegen den Regen geschützt war. Unbekannt mit den Annehmlichkeiten des Lebens war seine ganze Zeit zwischen Lektiongeben, dem Studium seiner Kunst, und praktischer Musik geteilt. Er spielte bei Nachtmusiken und in den Orchestern ums Geld mit, und er übte sich fleißig in der Komposition, denn ...

ZITAT Haydn wenn ich an meinem alten, von Würmern zerfressenen Klavier saß, beneidete ich keinen König um sein Glück

Sonate Nr. 1 für Clavichord (Carl Philipp Emanuel Bach)

ZITAT Um diese Zeit fielen Haydn die sechs ersten Sonaten von Emanuel Bach in die Hände ...

ZITAT Haydn ... da kam ich nicht mehr von meinem Klavier hinweg, bis sie durchgespielt waren, und wer mich gründlich kennt, der muß finden, daß ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, daß ich ihn verstanden und fleißig studiert habe; Emanuel Bach ließ mir auch selbst einmal ein Kompliment darüber machen."

Sonate Nr. 1 für Clavichord (Carl Philipp Emanuel Bach)

ERZÄHLER 1753. Haydn ist 21 Jahre alt und komponiert sein erstes Singspiel. Das sogenannte Deutsche Singspiel, eine Oper in deutscher Sprache, gab es bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts in vielen deutschen Städten. Die Gattung Singspiel aber, wie sie dann im Josephinischen Wien modern wurde, kam zu jener Zeit erst langsam auf. Neben der Zauberflöte von Mozart gehörte das Singspiel Doktor und Apotheker von Karl Ditters von Dittersdorf aus dem Jahre 1786 zu den erfolgreichsten Exponaten dieses Genres in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der krumme Teufel, eine komische Oper in zwei Aufzügen, so heißt das erste dramatische Werk Haydns, das am 23. Mai 1753 am Kärntnertortheater uraufgeführt

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 6 und heftig akklamiert wird. Das Singspiel ist derart erfolgreich, dass es bis ins Jahr 1770 immer wieder gegeben wird, und dies nicht nur in Wien, sondern auch in Prag und Berlin. Langsam bessern sich die ökonomischen Verhältnisse Haydns. Er kann aus seinem luftigen Dachgeschoss in ein schöneres Quartier übersiedeln und wird zudem vom Regierungsrat Baron von Fürnberg einen Sommer lang auf dessen Schloss engagiert. Für den Musikliebhaber und Mäzen komponiert Haydn seine ersten Streichquartette, die er nach barocker Tradition Divertimenti nennt.

Divertimenti und Concertini für Clavier und Streicher F-Dur, Hob XIV

ERZÄHLER Auf Fürsprache und Vermittlung von Baron Fürnberg erhält Haydn im darauffolgenden Herbst eine besoldete Anstellung als Kammerkomponist und Leiter der Musikkapelle bei Graf Morzin. Sein jährliches Gehalt: 200 Gulden samt Kost und Logis.

ZITAT Endlich rückte der Zeitpunkt herbei, in welchem Haydns Glückslage sich verbessern sollte. Er war ungefähr siebenundzwanzig Jahre alt, da die Glücksgöttin auch einmal die Laune hatte, das Verdienst erheben zu wollen. Ein böhmischer Graf v. Morzin, ein leidenschaftlicher Liebhaber der Tonkunst, besoldete eine Anzahl unverheirateter Virtuosen. Haydn war nun ein Kapellmeister, hatte ein gewisses Auskommen und war mit seiner Lage zufrieden, den Umstand ausgenommen, da er unverheiratet leben sollte.

ERZÄHLER Haydn ist überaus glücklich über seine Anstellung, und komponiert in den folgenden Monaten unter anderen seine frühen Streichquartette und die Symphonie Nr. 1.

Sonate für Klavier Nr. 1 G-Dur, Hob XVI

ERZÄHLER Daneben spielt er des Öfteren in Gegenwart der Gemahlin des Grafen. So passiert es eines Tages, dass, als sich die schöne Gräfin über ihn beugt, um neugierig in den Noten zu blättern, ihr Halstuch auseinanderfällt.

ZITAT Haydn Es war zum Erstenmal, da mir ein solcher Anblick ward; er verwirrte mich, mein Spiel stockte, die Finger blieben auf den Tasten ruhen.

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Sonate für Klavier Nr. 1 G-Dur, Hob XVI – Musik bleibt stehen!

ZITAT Haydn „Was ist das, Haydn, was treiben Sie?“, rief die Gräfin.Voll Ehrerbietung antwortete ich: „aber Ihr’ gräfliche Gnaden, wer sollte auch hier nicht aus der Fassung kommen?“

ERZÄHLER Bald schon wird sich Haydn über das Heiratsverbot hinwegsetzen, an das seine Anstellung beim Grafen geknüpft ist, und in den Stand der Ehe treten. Ende November 1760 ehelicht der Komponist im Wiener Stephansdom Maria Anna Aloisia Keller, die älteste Tochter eines Perückenmachers. Und das, obwohl er eigentlich nur Augen für dessen jüngere Tochter Therese hat. Sie allerdings lässt seine Avancen unerwidert, und tritt auf Wunsch der Eltern in ein Kloster ein. So willigt er schließlich in die Ehe mit der älteren Maria Anna ein, auch wenn er weiß, dass seine Zukünftige gänzlich unmusikalisch ist, sich nicht für seine Arbeit interessiert, und darüber hinaus überhaupt keine geistigen Interessen hat. Bitter beklagt sich Haydn bei seinem späteren Biografen Georg August Griesinger über seine Ehefrau:

ZITAT Haydn Mein Weib ist unfähig zum Kindergebären, und daher bin ich auch gegen die Reize anderer Frauenzimmer weniger gleichgültig.

ERZÄHLER Abgesehen von den persönlichen Unstimmigkeiten zwischen den Eheleuten, die nicht an die Öffentlichkeit dringen, erreicht Haydns Bekanntheit auch die österreichischen Nachbarländer. Der Musikverlag Breitkopf & Härtel aus Leipzig wird auf den jungen Komponisten aufmerksam, selbst die Wiener Musikbranche nimmt die Werke von Joseph Haydn wohlwollend zur Kenntnis.

ZITAT Herr Joseph Haydn, der Liebling der Nation, dessen sanfter Charakter sich jedem seiner Stücke eindrücket, repräsentiert den Wiener Geschmack in der Musik. Sein Satz hat Schönheit, Ordnung, Reinigkeit, eine feine und edle Einfalt, die schon eher empfunden wird, als die Zuhörer noch dazu vorbereitet sind. Er ist in seiner Kassation, Quatro und Trio ein reines und helles Wasser, welches ein südlicher Hauch zuweilen kräuselt, zuweilen hebt, in Wellen wirft, ohne daß es seinen Boden und Abschluß verläßt. Die monotonische Art unisono verlaufender Stimmen mit gleichlautenden Oktaven hat ihn zum Urheber und man kann ihr das Gefällige nicht absprechen, wenn sie selten und in einem haydnischen Kleide erscheint. In Sym-

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 8 phonien ist er ebenso männlich stark als empfindsam. In Cantaten reizend, einneh- mend, schmeichlerisch; und in Menueten natürlich, scherzend, anlockend. Kurz Haydn ist das in der Musik, was Gellert in der Dichtkunst ist.

ERZÄHLER Weil seine ihm Angetraute einen gebieterischen, ja geradezu unfreundlichen und bigotten Charakter besitzt, muss Haydn seine Einkünfte vor ihr sorgfältig verbergen. Denn sie liebt es, Messen lesen zu lassen, die Geistlichen anschließend reichlich zu bewirten, und ihnen überdies bereitwillig mildtätige Zuwendungen zuzustecken.

ZITAT Haydn Die verdient nichts, und es ist ihr gleichgültig, ob ihr Mann ein Schuster oder ein Künstler ist!

ERZÄHLER Haydn ist nicht gut auf seine Frau zu sprechen - in seinen Briefen nennt er sie oft „quella bestia infernale“. Beruflich geht es dagegen steil bergauf. Nachdem Graf Morzin sein ansehnliches Vermögen durchgebracht hat, muss er seine gesamte Kapelle entlassen. Doch der auf die Straße gesetzte Joseph Haydn hat Glück, bekommt er doch eine weitaus lukrativere Anstellung beim Fürsten von Esterházy de Galántha als Vizekapellmeister in dessen Kapelle angeboten, und kann damit einer sorgenfreien Existenz entgegenblicken. Im Januar 1763 – Joseph Haydn steht im 31. Lebensjahr – wird Haydns erste Oper in Eisenstadt aufgeführt. Sie trägt den Titel „Acide und Galatea“ und wird zu Ehren der Hochzeit des ältesten Sohnes des Fürsten Nikolaus mit Maria Therese Gräfin Erdödy im Rahmen eines dreitägigen Festes gegeben. Im Wienerischen Diarium, ein Vorläufer der amtlichen Wiener Zeitung, ist über dieses Ereignis zu lesen:

ZITAT Die Strasse von Windpaßing bis nach Eisenstadt, das ist eine Strecke Weges von 3 Stunden war beleuchtet; desgleichen auch unsere Vorstadt und die Judenstadt, wodurch der Zug ginge: die prächtige Beleuchtung aber des Fürstlichen Schlosses übertraf alles Übriges, und wurde von jedermann bewundert. Mitten auf dem Platz vor dem Schloß war eine Ehren-pforte aufgerichtet, worauf sich Trompeten und Pauken hören liessen: die Fürstliche Garde, bestehend in einer Compagnie Grenadiers auserlesener Mannschaft, stund im Gewehr. Nach der glücklichen Ankunft des Hochgräflichen Brautpaars, und seiner hohen Gesellschaft wurde in der Schloßkapelle das Te Deum gehalten, und sodann an 3 Tafeln, jede von mehr denn 60. Couverts, das Abendessen eingenommen. Des folgenden Tages nach dem feierlichen Gottesdienste, liessen Seine Hochfürstliche Gnaden gebratene Schinken, Würste, geräuchertes Fleisch, und

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Brod unter das in sehr grosser Zahl davor versammelte Volk auswerfen, und aus 2 grossen Fässern Wein rinnen: es ginge dabei nicht die geringste Unordnung vor. Die Mittagtafel im Schloß war ungemein kostbar: nach dem Spiele wurde eine schöne wälsche Opera, betitelt: Acide, von den im wirklichen Dienste Seiner Hochfürstlichen Gnaden stehenden Virtuosen aufgeführet: die Fürstlichen Musikanten waren alle in gleicher dunkelroter und mit Gold verbrämter Kleidung. Darauf folgte in dem unvergleichlichen, und zu diesem Fest herrlich gezierten Schloßsaale ein masquirter Ball, wozu alle, die ein Einlaßbillet hatten, frei eintreten konnten: die Zahl der Masken war ausserordentlich groß, und die Erfrischungen von allerlei Arten in Überfluß.

MUSIK (ACIDE, Di questocore, troppo felice)

ERZÄHLER Die Fürstenfamilie Esterházy gilt als eine der reichsten und mächtigsten der Monarchie, deren Mitglieder wie Souveräne regieren: Sie besitzen nicht nur das Münzrecht, sondern auch ein eigenes Militär, und die Blutgerichtsbarkeit, zeichnen sich aber auch durch eine beispielgebende Fürsorge aus. So können Angestellte am Esterházy’schen Hof, sofern sie nicht bis an ihr Lebensende arbeiten, mit einer Pension rechnen, die auch an ihre Witwen ausbezahlt wird. Die Hofangestellten waren in drei große Gruppen eingeteilt, an deren Spitze die Hausoffiziere standen, unter ihnen auch Joseph Haydn. Den Offizieren folgten die livrierten Bedienten und schließlich die gewöhnlichen Diener, die für grobe Arbeiten herangezogen wurden, aber nie unter die Augen der hochfürstlichen Herrschaft treten durften. Haydns Aufgaben reichten von der Pflege der Instrumente und der Archivierung des Notenmaterials bis hin zum Unterrichten, nicht zu sprechen vom Komponieren und Konzertieren. Zudem war Haydn laut Dienstvertrag verpflichtet, sämtliche Kompositionen exklusiv dem Fürsten vorzulegen. Er komponiert in den folgenden Jahren mehrere Symphonien, Divertimenti, Klavier-sonaten, Streichquartette und Opern. Am Karfreitag des Jahres 1767 führt Haydn ein neues Werk auf: das Stabat Mater. Anlass für diese Komposition soll eine lebensgefährliche Erkrankung von Joseph Haydn gewesen sein.

MUSIK (Stabat Mater)

ZITAT Haydn Ich war nicht zum Sterben bereit und bat Gott, gnädig mit mir zu sein, und mich wieder gesunden zu lassen. Ich gelobte auch, wenn ich meine Gesundheit wiedererlangen sollte, daß ich ein Stabat zu Ehren der seeligen Jungfrau komponieren würde als Zeichen meiner Dankbarkeit. Mein Gebet wurde erhört, und ich erholte mich. Mit einem dankbaren Gefühl meiner Aufgabe machte ich mich froh

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 10 an die Erfüllung meines Gelübdes und bemühte mich, das nach meinem besten Können zu tun. Als ich fertig war, sandte ich die Partitur meinen guten alten Freund Hasse. Er sandte mir eine Antwort zurück, die ich als Schatz bis zu meinem Lebensende aufbewahren werde. Sie ist voller Zuneigung und echter Frömmigkeit, denn er war nicht nur mein musikalischer, sondern auch mein geistiger Vater.

MUSIK (Stabat Mater)

ERZÄHLER Während Haydns unermüdlicher Schaffensdrang unter der Ägide von Fürst Nikolaus I weiter voranschreitet, neigen sich die Bauarbeiten von Schloss Eszterház einem vorläufigen Ende zu.

ATMO Schritte, dann

OT (dt., mit ungarischem Akzent) Ich möchte sie herzlich willkommen heißen hier in Fertöd, in Schloss Esterházy. Ich heiße Laszlo. Am Anfang möchte ich etwas über das Schloss sagen: Der Schlosskomplex wurde im 18. Jahrhundert gebaut. Die Bauarbeiten dauerten von 1762-1784. Also in 22 Jahren war hier alles fertig: Schloss, Opernhaus, Marionettentheater, es gab hier Gebäude für Tanzen, Kirche und der Park war mehr als 200 ha groß. Die Blütezeit des Schlosses war im 18. Jahrhundert. Der Erbauer des Schlosses ist neben uns zu sehen, es war Nikolaus Eszterházy. In seinem Leben hatte er einen 3. Namen: es war der Prachtliebende. Er sagte immer: Was der Kaiser kann, kann ich auch. Er wollte seinen Gästen repräsentieren, dass man hier das ungarische Versailles finden kann, und er wollte die Prestige des Landes entwickeln. Sein Schloss hatte insgesamt 126 Räume - also die Form ist ein Hufeisen. So das Schloss hatte zwei Flügel. In den Flügeln waren damals die Küchen, die dazugehörende Lagerräume. Es gab hier einen Wintergarten, Bildgalerie, hier gab es Appartements für Gäste, zwei Bibliotheken, eine Kapelle und das Zentrum des Schlosses besteht aus drei Etagen. Hier unten wohnten immer die Gastgeber: der Fürst und seine Frau. Über uns auf der ersten Etage waren die königlichen Appartements. Es gab einen für den König, Königin. Maria Theresia war hier einmal, zum Beispiel: das war die schönste, beste Feier des Schlosses. Auf der zweiten Etage hatte der Fürst ein extra Appartement, und das war an der westlichen Seite, und an der östlichen Seite wohnten die die Angestellten.

ATMO Schritte, dann

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ERZÄHLER Haydn bewohnt, wie der Leibarzt des Fürsten auch, ein geräumiges Appartement von drei Zimmern mit Küche und Nebenräumen in einem weitläufigen zweigeschossigen Gebäude, das 250 Personen Platz bietet. Der Trakt beherbergt auch die Musiker, Sänger und Schauspieler, die der Fürst in seine Dienste genommen hat. Haydn wird von einem Kammerdiener und einem Stubenmädchen bedient, wobei im Winter zusätzliches Personal für die Beheizung der Kamine sorgt.

ZITAT Das Schloss ist ungeheuer groß, und bis zur Verschwendung mit allem Geräte der Pracht angefüllt. Vielleicht ist außer Versailles in ganz Frankreich kein Ort, der sich in Rücksicht auf Pracht mit diesem vergleichen ließe. Der Garten enthält alles, was die menschliche Einbildungskraft zur Verschönerung, oder, wenn du willst, zur Verunstaltung der Natur ersonnen hat. Pavillons von allen Arten sehen wie die Wohnungen wollüstiger Feen aus, und alles ist so weit über dem gewöhnlichen Menschlichen, dass man beim Anblick desselben einen schönen Traum zu träumen glaubt.

ERZÄHLER So beschrieb der Theologe, Buchhändler und Musikschriftsteller Carl Friedrich Cramer Ende des 18. Jahrhunderts in dem von ihn herausgegebenen Magazin der Musik seine Eindrücke vom Schloss. Dieses verfügte neben zwei großen, prachtvollen und ganz in Weiß gehaltenen Sälen über 126 mit Gold getäfelte Gästezimmer und eine mit zahlreichen Kunstwerken geschmückte Sala terrena.

ATMO Schritte, dann OT (dt., mit ungarischem Akzent) Der erste Raum, wo wir jetzt stehen, war der Sommerspeisesaal – diese sind diese kühlsten Räume des Schlosses, besonders im Sommer. Das ist die nördliche Seite ... wir haben hier einen Marmorfußboden ... und diese waren die Empfangsräume für die Gäste. Hier konnten sie durch das Schloss gehen in den Park. Und diese Räume kann man noch als Sala terrena nennen - diese Wörter bedeuten ebenerdige Räume, und sie bilden einen Übergang zwischen dem Schloss und Garten.

ERZÄHLER Die Gemächer des Fürsten liegen im Erdgeschoss des Schlosses, und sind mit teuren, schwarz lackierten Blumenvertäfelungen verziert. Während der eine Seitenflügel als Bildergalerie dient, befindet sich im anderen ein Wintergarten, in welchem unter anderem exotische Pflanzen zu bestaunen sind. Im Park laden Säulengänge, Grotten, Tempel, Wasserspiele, kleine Wäldchen, Labyrinthe und Lauben zum Verweilen ein. Am Rande des Parks befindet sich eine große Anzahl

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 12 kleinerer Gebäude, in denen unter anderem eine große Zahl Handwerker wie Bäcker, Fleischhauer, Schlosser, Schneider oder Schuster untergebracht sind. Außerdem gibt es in Eszterház eine Apotheke, ein Wirtshaus und ein Kaffeehaus.

MUSIK

ATMO Schritte, dann

OT (dt., mit ungarischem Akzent) An der südlichen Seite haben wir einen Park - vor dem Wald sind viele Eiben zu sehen. Diese Bäume sind ungefähr 115/120 Jahre alt, kommen aus der zweiten Blütezeit. Der damalige Park war ein bisschen anders: es gab hier viele Blumen, Skulpturen, Orangenbäume und zwei Wasserfälle. Laut den alten Beschreibungen der Fürst hatte 60 Gärtner, und sie mussten in jedem Monat 60.000 Blumen pflanzen. Im Park gibt es drei Achsen: wenn man an dem mittleren Weg sieht, kann man einen Kirchturm finden am Ende. Die Kirche ist nicht im Park, sie gehört einer anderen Ortschaft: Fertöszentmiklós. Die Kirche ist von hier ungefähr 4 km. Neben dem Schloss - an der östlicher Seite - ist das Marionettentheater. Heutzutage haben wir dort Konzerte, damals waren dort echte Marionettenaufführungen, und an der Seite war das Opernhaus, aber es steht nicht mehr da.

ZITAT So ungesund auch die Gegend, besonders im Frühling und Herbst ist, und so oft auch der Fürst selbst vom kalten Fieber befallen wird, so ist er doch fest überzeugt, dass es in der ganzen weiten Welt keine gesundere und angenehmere Gegend gebe. Sein Schloss steht ganz einsam, und er sieht niemand um sich als seine Bedienten, und die Fremden, welche seine schönen Sachen beschauen wollen. Er hält sich ein Marionettentheater, welches gewiss einzig in seiner Art ist. Auf demselben werden von den Puppen die größten Opern aufgeführt. Sein Orchester ist eins der besten, die ich je gehört, und der große Haydn ist sein Hof- und Theater-Compositeur.

MUSIK

ERZÄHLER Zwischen 1780 und 1790 erlebt Schloss Eszterház eine kulturelle Blütezeit, die von der Musik Joseph Haydn‘s maßgeblich geprägt ist. In einem Bericht einer Berliner Theaterzeitung aus dem Jahre 1782 heißt es über die Prachtentfaltung des Fürsten Nikolaus I:

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ZITAT Der Fürst einen Theil seines Genusses darin setzet, daß er ihn mit jedermann theilt. So oft Freunde von einigem ansehen nach Esterhaz kommen, und im Gasthause ihr Absteig-quartier nehmen, so schickt er seine Wagen, läßt sie nach seinem Schlosse fahren und ihnen alles Merkwürdige zeigen, und ladet sie an seine Tafel. Täglich ist daselbst Spektakel; dreimal in der Woche welsche Oper, und eben so oft deutsche Komödie. Der Eintritt stehet jedermann unentgeltlich offen. Wenn neue Stücke aufgeführet werden, so läßt er die in Oedenburg nachgedruckten Büchelchen unter die Zuschauer vertheilen. Sein Wille, daß in diesem prächtigen Schlosse allenthalben auch Leutseeligkeit und Höflichkeit herrschen soll, wird von allen seinen Leuten mit dem besten Anstande befolgt. Die meisten Zimmer sind für große Herrschaften bestimmt, die von Zeit zu Zeit nach diesem Schlosse kommen.

ERZÄHLER Zwischen 1780 und 1790 kommen nicht weniger als über 1.000 Opern zur Aufführung, die alle von Haydn geleitetet werden, wenn auch nur ganz wenige davon aus seiner Feder stammen. Dennoch komponiert Haydn während ohne Unterlass, muss die Stücke einstudieren helfen und selbst dirigieren, Unterricht geben, und sogar sein Klavier im Orchester selbst stimmen. Er verwundert sich öfters, wie es ihm möglich sei, so vieles gleichzeitig zu schreiben, da er so manche Stunden durch mechanische Arbeiten verliert. In der wenigen Freizeit, die Haydn bleibt, geht er seinen Lieblingsbeschäftigungen nach, der Jagd und dem Fischfang. Einmal erlegt er mit einem Schuss drei Haselhühner, die – köstlich zubereitet - auf der Tafel der Kaiserin Maria Theresia landen; ein anderes Mal zielt er auf einen Hasen, schießt diesem aber nur die Rute ab, tötet aber zugleich einen Fasan, der zufälligerweise in der Nähe ist. Am 26. Februar 1784 erklingt Haydns letzte Oper unter dem Majorat des prachtliebenden Fürsten. Eine Oper in drei Akten, die auch zum Lieblingsstück von Nikolaus I. wird: . Die Oper erlebt nicht weniger als 54 Aufführungen in Eszterház.

MUSIK (Armida)

ERZÄHLER Das Werk hat seine literarische Vorlage in Torquato Tasso’s „Das befreite Jerusalem“. In der Oper Armida geht um die Befreiung der von Kreuzrittern belagerten Stadt Damaskus, dessen König seine Nichte Armida demjenigen zur Braut verspricht, der als erster den Kampf gegen die Feinde aufnimmt. Der in Armida verliebte ehemalige Kreuzritter Rinaldo kündigt daraufhin an, seine eigenen Leute anzugreifen.

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MUSIK (Arie Rinaldo: „Vado a pugnar contento)

ERZÄHLER Die Oper behandelt den inneren Konflikt Rinaldos zwischen seiner Liebe zu Armida und der Treue zu den Kreuzrittern, in deren Reihen er einst kämpfte. Armida, die auch Zauberkräfte besitzt, versucht mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, Rinaldo für sich zu gewinnen. Jedoch vergeblich. Rinaldo schließt sich schlussendlich den Kreuzrittern an und trennt sich endgültig von Armida.

MUSIK (Armida, Schlusschor)

ERZÄHLER Im selben Jahr, als die Oper Armida in Eszterház uraufgeführt wird, begegnen sich Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart zum ersten Mal persönlich in Wien. Und Mozart ist es auch, der den um 24 Jahre älteren Haydn zu den Freimaurern bringt. Nachdem Haydn ein schriftliches Aufnahmegesuch an den Zeremonienmeister der Loge „Zur wahren Eintracht“ eingebracht hat, der von der überwiegenden Mehrheit der Brüder auch befürwortet wird, erscheint er am 11. Februar 1785 in der Loge, und wird nach demselben Ritual wie Mozart aufgenommen. Am Tag danach folgt Haydn einer Einladung von Wolfgang Amadeus Mozart in dessen Wiener Wohnung in der Schulerstrasse. Mozart will seinem Freund die jüngst von ihm komponierten Quartette zu Gehör bringen. Auch Mozarts Vater Leopold ist an diesem denkwürdigen Abend zugegen. Er spielt die erste Geige, sein Sohn die zweite, Viola und Cello liegen in den Händen der Freiherren Anton und Bartholomäus Tinti.

MUSIK (S-Dur Quartett)

ERZÄHLER Haydn äußert sich Vater Leopold Mozart gegenüber tief ergriffen vom musikalischen Genius seines Sohnes:

ZITAT Haydn Ich sage Ihnen vor Gott als ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und Namen nach kenne: Er hat Geschmack und über das die größte Kompositionswissenschaft.

MUSIK (S-Dur Quartett)

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 15

ERZÄHLER Mit seinen sechs Streichquartetten hat Mozart seinem verehrten Komponistenfreund Joseph Haydn ein Denkmal gesetzt, und den 1785 publizierten Druck „seinem lieben Freund Joseph Haydn” gewidmet. Seitdem werden die sechs Werke volkstümlich Mozarts “Haydn-Quartette” genannt, was auch musikalisch zutrifft, denn unschwer kann man in ihnen Anspielungen auf frühere Quartette Haydns ausmachen, besonders natürlich auf dessen Opus 33. In den bewegenden Worten seiner Zueignung “al mio caro amico Haydn” betonte Mozart, wie sehr ihm Haydns Streichquartette Leitstern und Inspiration gewesen waren. Seine eigenen Quartette nannte er Kinder, die er unter dem Schutz des großen Mannes in die Welt entlasse. Zugleich unterstrich er, wie sehr seine Quartette “il frutto di una lunga, e laboriosa fattica” seien, die Frucht einer langen, mühsamen Arbeit.

ZITAT Wien, den 1. September 1785 An meinen lieben Freund Haydn, Ein Vater, der beschlossen hatte, seine Kinder in die große Welt zu schicken und glaubte, sie der Protektion anvertrauen zu müssen, wurde zu einem sehr berühmten Mann geführt, der zu seinem Glück sein bester Freund war. — Hier also, berühmter Mann und gleichzeitig allerbester Freund, sind meine sechs Kinder — Sie sind, es stimmt, die Frucht von vieler und langer Mühe, aber die mir von einigen Freunden gemachte Hoffnung, sie werde eines Tages wenigstens teilweise belohnt werden, gibt mir Mut und die Zuversicht, dass mir diese Werke eines Tages vielleicht noch Genugtuung bringen werden. — Du selbst, liebster Freund, hast mir bei Deinem letzten Aufenthalt in dieser Stadt Deine Zufriedenheit mit ihnen gezeigt. — Hauptsächlich diese Deine Zustimmung beflügelt und ermuntert mich, sie Dir anzuvertrauen und lässt mich hoffen, dass sie Deiner Gunst nicht ganz unwürdig sind. — Nimm sie also wohlwollend auf, das bitte ich, und sei ihnen Vater, Führer und Freund! Von diesem Augenblick an übertrage ich Dir alle meine Rechte: ich flehe Dich aber an, betrachte mit Nachsicht jene Fehler, die dem getrübten Auge des Vaters vielleicht verborgen geblieben sind, und schenke trotz allem Deine großzügige Freundschaft demjenigen, der sie so schätzt, indem ich von ganzem Herzen bin Dein aufrichtigster Freund W. A. Mozart

MUSIK (S-Dur Quartett)

ERZÄHLER Dass auch Haydn dem jüngeren Mozart eine überaus hohe Wertschätzung entgegenbringt, lässt ein Brief erahnen, den Haydn 1787 an einen Freund in Prag adressiert, der ihn um die Komposition eines Singspiels gebeten hatte.

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 16

ZITAT Haydn Sie verlangen eine Opera buffa von mir: recht herzlich gern, wenn Sie Lust haben von meiner Singkomposition etwas für sich allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater zu Prag aufzuführen, kann ich diesfalls nicht dienen, weil alle meine Opern zu viel auf unser Personale zu Eszterház in Ungarn gebunden sind, und außerdem nie die Wirkung hervorbringen würden, die ich nach der Lokalität berechnet habe. Ganz was anders wär es, wenn ich das unschätzbare Glück hätte, ein ganz neues Buch für das dasige Theater zu komponieren. Aber auch da hätte ich noch viel zu wagen, in dem der große Mozart schwerlich jemanden andern zur Seite haben kann. Prag soll den theuren Mann fest halten - aber auch belohnen; denn ohne' dieses ist die Geschichte großer Genies traurig, und gibt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum fernern Bestreben; weßwegen leider! So viel hoffnungsvolle Geister darnieder liegen. Mich zürnet es, daß dieser einzige Mozart noch nicht bey einem kaiserlichen oder königlichen Hofe engagiert ist. Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme: ich habe den Mann zu lieb. Joseph Hayden. An das Prager Orchester und die dasige Virtuosen mein ergebenstes Kompliment.

MUSIK (S-Dur Quartett)

ERZÄHLER In der kommenden Stunde der Langen Nacht verfolgen wir Joseph Haydn auf seiner Reise nach England, wo er triumphal bejubelt wird und selbst ein gern gesehener Gast am königlichen Hofe ist.

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 17

2. Stunde

MUSIK (Symphonie Nr.93 in D-Dur Hob.I/93 - 2.Londoner Symphonie / London Philharmonic Orchestra) 3.25 Decca 4176202

ZITAT Haydn war von Statur klein, aber stämmig und von derbem Knochenbau. Seine Stirne war breit und schön gewölbt, die Haut braun, die Augen waren lebhaft und feurig, die übrigen Gesichtszüge voll und stark gezeichnet, und aus der ganzen Physiognomie und Haltung sprach Bedächtlichkeit und sanfter Ernst. Haydn sprach im breiten österreichischen Dialekte, und seine Unterhaltung war mit jenen komischen und naiven, dem Österreicher eigentümlichen Redensarten reichlich ausgestattet. In der französischen Sprache hatte er wenig Fertigkeit, aber die italienische sprach er geläufig und gern; in der englischen hatte er auf seinen zwei Reisen gelernt sich zur Not auszudrücken, und von der lateinischen verstand er alles, was in dieser Sprache bei dem katholischen Kultus vorkommt.

MUSIK (Symphonie Nr.93 in D-Dur Hob.I/93 - 2.Londoner Symphonie / London Philharmonic Orchestra) 3.25 Decca 4176202

Reicher 1 In den 1770 er Jahren ist Joseph Haydn wirklich zu einer europäischen Figur geworden.

ERZÄHLER Der langjährige Intendant der Burgenländischen Haydnfestspiele Walter Reicher beschäftigt sich bis heute mit Leben und Werk des österreichischen Komponisten.

Reicher 2 Die Musiker, die bei ihm am Hof waren und dann eben auch durch Europa gereist sind bzw. auch Adelshöfe haben seine Musik angefangen zu sammeln. Sein Ruhm hat sich relativ schnell verbreitet dann, und die Engländer waren diejenigen, die ihm unbedingt haben wollten, und zwar bereits ab den 1780 er Jahr. Da hat’s angefangen, dass sie versucht haben, ihn zu einer Reise zu bewegen, zu einer Konzertreise nach London. Es ist nicht gelungen. Haydn hat zwar dann immer gesagt: ja ich möchte gerne … hat dann schon angefangen Symphonien dafür zu komponieren, aber ist nie dazu gekommen.Sein Fürst hat ihn eigentlich nicht weggelassen. Da gibt es auch das Zitat, wo er dann sagt: ich hatte einen guten Fürsten, und ich wäre dann auch gerne irgendwo gereist, wär‘ auch gern nach Italien gegangen, aber immer, wenn ich mit

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 18 diesem Ansinnen gekommen bin, hat er mich zu überzeugen gewusst, und nicht zuletzt auch mit einem Geldgeschenk. Also, er konnte nicht weg, hat ihm auch versprochen gehabt, das er bei ihm bleibt, am Hofe bleibt. Und nachdem der Fürst ja einen extensiven Konzertbetrieb und Opernbetrieb gehabt hast, speziellen in den 1780 er Jahren - also nur zum Beispiel 1785 hat es 120 Opernaufführungen gegeben, die Haydn leiten hat müssen, … Die Engländer waren aber sehr hartnäckig, es hat sogar Mitte der 1780 er Jahre einen Aufruf in einer Zeitung gegeben: es wäre doch eine patriotische Tat für junge Leute, den Haydn aus dieser Gefangenschaft aus Ungarn zu befreien, und ihn nach London zu bringen.

MUSIK (Symphonie Nr.93 in D-Dur Hob.I/93 - 2.Londoner Symphonie / London Philharmonic Orchestra) 3.25

ERZÄHLER Im Januar 1785 erscheint im Londoner Gazetteer & New Daily Advertiser folgender Artikel:

ZITAT Für einen freien Geist gibt es in der Geschichte um Haydn etwas sehr beschämendes: dieser wunderbare Mann, ein Shakespeare der Musik und Triumph unseres Zeitalters, ist verurteilt, am Hofe eines miesen deutschen Fürsten zu leben, der diese Ehre weder verdient noch zu würdigen imstande ist. Haydn, der bescheidenste und größte Mensch zugleich, hat sich mit seiner Lage abgefunden, indem er sein Leben den Riten und Zeremonien der Katholischen Kirche widmet, was er bis zum Aberglauben treibt: er findet sich damit ab, in einem winzigen Ort, nicht viel besser als ein Verlies, eingekerkert als Opfer des ihn unterdrückenden Geistes dieses kleinlichen Fürsten zu leben, und dem marktschreierischen Wesen seines zänkischen Weibes ausgeliefert zu sein. Wäre es nicht für einige strebsame junge Männer eine kreuzzugähnliche Aufgabe, ihn von diesem Schicksal zu befreien und nach Großbritannien zu versetzen, in das Land, für das seine Musik geschaffen zu sein scheint?

MUSIK (Armida, Marsch)

ERZÄHLER Fürst Nikolaus I. will jedoch seinen hoch verehrten Komponisten und musikalischen Trumpf nicht ziehen lassen, und gefällt sich in der Rolle des verschwenderischen, aber gleichzeitig ungeliebten Kulturmäzens, der glücklich in Saus und Braus dahinleben kann, ohne sich vor seinen Untertanen zu rechtfertigen. Er regiert seinen Theaterstaat in Eszterház ohne Rücksicht auf die Realitäten des Lebens, und konzentriert sich lieber auf prunkvolle Zeremonien. Noch im Jahr 1790 erlebt Eszterház, der hortus

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 19 musicorum des Fürsten, 61 Opernaufführungen, bis der Tod des Fürsten am 28. September desselben Jahres dem ausgelassenen höfischen Treiben ein abruptes Ende beschert.

MUSIK (jähes Ende & Aushall!) Armida, Marsch

ERZÄHLER Der Leichnam von Nikolaus I. wird nach Eisenstadt überführt und in der fürstlichen Familiengruft beigesetzt. Sohn Anton tritt das Erbe seines verschwenderischen Vaters an, und hat die bittere Aufgabe, dessen gewaltige Schuldenlast von insgesamt 3,8 Millionen Gulden übernehmen zu müssen. Haydn selbst ist nicht unglücklich über die neue Situation. Auch wenn Fürst Anton die Operntruppe und die gesamte Hofkapelle aus Sparmaßnahmen entlassen muss, bleibt Josef Haydns Dienstverhältnis aufrecht. Mehr noch. Er erhält aus dem Vermächtnis des verstorbenen Fürsten 1000 Gulden und zudem ein vertraglich zugesichertes Jahresgehalt von 400 Gulden, ohne eine tatsächliche Dienstverpflichtung zu haben. Das kommt dem Komponisten sehr gelegen, der unmittelbar nach dem Hinscheiden des Fürsten Hals über Kopf nach Wien übersiedelt ist. Und auch Johann Peter Salomon – ein Musiker aus Bonn und später erfolgreicher Konzertunternehmer - wittert die Gunst der Stunde, und sucht Haydn in seinem Wiener Domizil auf.

Reicher 2 Johann Peter Salomon ist auf Musikersuche in Europa und er hört davon, dass der Fürst gestorben, Haydn jetzt in Wien ist, ist nach Wien gekommen, und der berühmte Ausspruch … er hat die Tür aufgemacht, und er hat g’sagt: Herr Haydn, ich komme sie zu holen. Wir machen einen Akkord, morgen reisen wir nach London. Und so war es dann auch.

ERZÄHLER Josef Haydn unterschreibt den gut dotierten Vertrag, nachdem er das vertraglich zugesicherte Honorar für eine italienische Oper und sechs Sinfonien, die er auch selbst in London zu dirigieren hat, bei der Wiener Bank des Grafen Fries deponiert hat. Laut seinem Biografen Georg August Griesinger erhielt der Komponist damals ein Honorar in der Höhe von etwa 5.000 Gulden. Ein fürstliches Gehalt, vergleicht man dessen Höhe mit dem damaligen Jahressalaire von Wolfgang Amadeus Mozart, der für seine Dienste als kaiserlicher Kammerkompositeur gerade mal 800 Gulden erhält. Überglücklich kündigt Johann Peter Salomon am 8. Dezember 1790 das baldige Eintreffen Haydns in London an. Am Vorabend ihrer gemeinsamen Abreise aus Wien ist Wolfgang Amadeus Mozart zu Gast, und warnt den von ihm hoch verehrten Haydn eindringlich vor diesem gewagten Unternehmen:

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 20

Reicher 10 Lieber Papa, ich weiß nicht, ob das so klug ist, was du da machst. du bist schon älter, sie ist strapaziös, und du sprichst nicht die Sprache, und Haydn hat gesagt: meine Sprache versteht man durch die ganze Welt. Ich glaub‘, für Haydn war es ganz wichtig, dass Salomon da mit ihm gereist ist beim ersten Mal. Salomon war es gewohnt, durch Europa zu reisen, er hat auch gewusst wie das ganze einzufädeln ist, und somit hatte er jemand gehabt, der sich darum gekümmert hat.

ERZÄHLER Doch alles braucht seine Zeit, auch wenn der reiseerfahrene Salomon die Überlandfahrt mit der Postkutsche von Wien nach Calais und die daran anschließende Schiffspassage von Calais nach Dover gut vorbereitet hat.

ATMO (Postkutsche)

Reicher 4 Das Postkutschenwesen war unglaublich gut organisiert, damals schon zu dieser Zeit. Man muss sich das auch so vorstellen: es hat drei Kategorien gegeben - so wie heute, wenn man mit dem Flugzeug fliegt - und Haydn und Salomon sind nicht der Holzklasse gereist, sondern sie sind einmal in der Business Class gereist, d. h. sie sind nicht in einer Postkutsche, wo andere Leute auch mitgefahren sind, sondern sie haben sich eine Eigene gemietet. Sie konnten auch mehr Gepäck mitnehmen - als auch wieder so wie bei den heutigen Flugreisen - und es war auch so organisiert, dass man im Vorhinein alles zahlen konnte. Also diese vielen, vielen Mautstände, die zu bezahlen waren, die ganzen Pferdewechsel, Übernachtungen - das war alles wie eine Pauschalreise - war das eigentlich alles schon planbar und vorgeplant. Also man muss sich das so vorstellen: eine Reise von Wien nach London in 18 Tagen.

ERZÄHLER Auch wenn ein aktuelles Navigationssystem für die etwa 1500 Kilometer lange Strecke von Wien nach London unter optimalen Bedingungen nur knapp 15 Stunden Fahrzeit angibt, waren die 18 Reisetage von damals, vor über 200 Jahren, ein Rekordtempo, das keine langen Zwischen-aufenthalte erlaubte. Wobei die Überfahrt mit dem Segelschiff von Calais nach Dover zunächst unter keinem guten Stern stand.

Reicher 5 Das war ein Erlebnis, das Haydn noch sehr, sehr lange in sich getragen hat, von dem auch noch erzählt hat dann in späten Jahren, und das er auch in der Schöpfung, in den Oratorium auch verarbeitet hat: rollende, schäumende Wellen, das unbändige Meer … und das hat er auch beschrieben. Er hat seiner Seelenfreundin Marianne von Genzinger nach Wien diese Briefe geschrieben, und in einem Brief schreibt er – den

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 21 hat er von Calais aus geschrieben -schreibt er: ich habe Ihnen zwar versprochen, von Brüssel aus zu schreiben, da konnten wir aber nicht lange bleiben, und das Wetter so schlecht – man muss sich vorstellen, es war mitten im Winter, und er hat aber das Glück gehabt, dass es nur geregnet hat - und wir konnten dort bleiben sind dann gleich durchgefallen nach Calais und jetzt sind wir da, und morgen in der Früh werden wir dann nach der Frühmesse ablegen.

Reicher 6 Dachte er, dachte er. Es gibt dann einen anderen Brief, den schreibt er dann bereits aus London. Das ist ein sehr langer Brief, sehr ausführlicher Brief, und daraus kann man schon ersehen, wie dieses Erlebnis, diese Überfahrt, diese Schiffsfahrt für ihn ganz, ganz bedeutsam war und da schreibt er eben:

ZITAT (Haydn) … berichte demnach, daß ich den ersten dieses als an neuen Jahrestag früh um halb 8 Uhr nach angehörter Hl. Meß in das Schiff steige, und Nachmittag um 5 Uhr - dem nächsten sei gedankt - wohlbehalten und gesund zu Dover ankamen, anfangs hatte wir 4 ganze Stund‘ fast gar keinen Wind, und das Schiff ging so langsam, daß wir in diesen 4 Stunden nicht mehr als eine einzige Englische Meile machten, deren aber sind von Calais bis Dover 24. Unser Schiff Capitan in üblester Laune sagte, daß, wenn sich der Wind nicht ändere, wir die ganze Nacht zur See bleiben müssen. Zum Glück aber hub sich der Wind gegen halb 12 Uhr so günstig, daß wir bis 4 Uhr 22 Meilen zurücklegten. Da wir aber wegen der einfallenden Ebbe mit unseren großen Schiffe nicht an das Gestatt kommen konnten, so liefen schon von weiten 2 kleiner Schiffe gegen uns, in welche wir uns samt unserer Pagage übersetzten, und endlich unter einen kleinen Sturmwind doch glücklich anlandeten. Einige von den Reisenden blieben aus Furcht in das kleiner zu steigen auf demselben. Während der ganzen Überfahrt bliebe ich oben auf dem Schiff, um das ungeheure Tier, das Meer, satsam zu betrachten. Solang es windstill war, fürchtete ich mich nicht, zuletzt aber, da der immer stärkere Wind ausbrach und ich die heranschlagenden ungestimmen hohe Wellen sah, überfiel mich eine kleine Angst, und mit dieser eine kleine Üblichkeit [Übelkeit?].

MUSIK (Die Schöpfung, Rollend in schäumenden Wellen) 4.25

ZITAT (Haydn) Da ich aber nach London kam, wurde ich erst die Beschwerde der Reise gewahr. ich gebrauchte 2 Tag um mich zu erholen. nun aber bin ich wieder ganz frisch und munter. Meine Ankunft verursachte grosses Aufsehen durch die ganze Stadt, durch 3 Tag wurd‘ ich in allen Zeitungen herumgetragen: jedermann ist begierig mich zu kennen. ich musste schon 6 mahl ausspeisen, und könnte, wenn ich wollte, täglich

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 22 eingeladen sein, allein ich muss erstens auf meine Gesundheit, und 2tens auf meine Arbeit sehen. Ich nehme ausser den Milords bis Nachmittag um 2 Uhr keine Visite an, um 4 Uhr speis‘ ich zu Haus mit Monsieur Salomon. Ich habe ein niedliches bequemes aber auch teures Logement.

ERZÄHLER Auf den so sehnlichst erwarteten Haydn wartet in London ein dichtes kulturelles und gesellschaftliches Programm, wie er in dem eben zitierten Brief selbst schrieb. Er lebt zunächst bei seinem Impresario Johann Peter Salomon in dessen Haus in der Great Pulteney Street. Sein Impresario, selbst Komponist und zudem ausgezeichneter Violinist, hilft dem der englischen Sprache nicht mächtigen Haydn in den ersten Wochen, sich in der ungewohnten Umgebung zurechtzufinden. Haydn besucht schon in den ersten Tagen einige Konzerte in London und kann sich so ein Bild vom kulturellen Leben der Stadt machen.

Reicher 9 In London war zu dieser Zeit bereits der bürgerlichen Konzertbetrieb, ganz anders als es Haydn gekannt hat, wo in adeligen Höfen musiziert worden ist … und ja, dann in Wien hat’s natürlich die Mehlgrube gegeben usw., wo auch Mozart seine Akademien gegeben hat, und Haydn dann später auch, und Beethoven auch, aber das war nichts gegen das, was er bereits in London vorgefunden hat, weil da hat‘s schon eine längere, kleinere Tradition gegeben, dass hier Konzerthäuser eigene Programme gemacht haben, wo eben auch viele, viele Menschen dann hingegangen sind, und das ist etwas, was Haydn kennen lernen durfte, wo er auch ganz begeistert war. Es war auch das erste Mal, dass er ein Streichquartett von sich in einem Konzert gehört hat. Streichquartett ist ja Kammermusik, man spielt es mehr oder weniger für sich selbst und ein paar Freunde um sich herum, aber nicht … somit hat er dann sofort drauf reagiert, und auch seine Streichquartette für solche Gelegenheiten komponiert.

MUSIK (Quartett für Streicher)

Reicher 9 Warum war Haydn dort so berühmt? Haydn war in Europa deswegen berühmt, weil er Musik geschrieben hat, die immer vorneweg war, aber noch immer in Sichtweite, d. h. Avantgarde, die aber von den Menschen verstanden und nachgefragt worden ist, und das war Haydn. Also diese Kombination von immer wieder Neuem, auch das überraschende Effekt … dann ist immer von seinem Humor die Rede, wobei das kein Schenkelklopfen war, sondern es ist eher diese britische Humor, was Überraschendes zu bringen. Und auch die Entwicklung der verschiedenen Gattungen und Genres, die er mit vorangetrieben hat … also Streichquartette hätte es nicht gegeben, wenn er nicht in diese Richtung so viel gemacht hätte, und auch mit den Sinfonien … also das

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 23 sind schon wichtige Elemente gewesen, die in London bereits waren, und da hat man gesagt: wir wollen diesen Menschen auch bei uns haben, der uns jetzt bereits schon so viel gute Musik geliefert hat. Und er ist ja rauf und runter gespielt worden, das war nicht nur London, auch Paris. Das muss man sich vorstellen … war nach der französischen Revolution ist Haydn, der eigentlich bei einem Fürstenhof Kapellmeister war, der meistgespielte Komponist in Paris gewesen.

MUSIK (Quartett für Streicher), Finale, auf Schluss spielen! 20.00

ERZÄHLER Am 18. Januar 1791 ist Haydn erstmals zu Gast am königlichen Hof, der damals noch im St. James Palast residiert. Der feierliche Anlass: ein Hofball zu Ehren des Geburtstages der Königin Sophie Charlotte, der Gemahlin König Georgs III. Der sich damals gerade in London aufhaltende Kastrat Gasparo Pacchierotti, ein Liebling des nach Kastraten verrückten Londoner Opernpublikums, singt unter großem Beifall Haydns Kantate .

MUSIK (Arianna a Naxos: Cantata a voce sola / Anne Sofie von Mutter, Melvyn Tan) Vorlauf 1.27 / 1.27-2.25 alt.: MUSIK (Arianna a Naxos: Cantata a voce sola / , Andreas Schiff(

ERZÄHLER Das musikdramatische Werk erlebt in der Folge einen derartigen Erfolg, dass es in der kommenden Saison sogar mehrfach gegeben werden muss. So schreibt The London Chronicle Ende Februar 1791:

ZITAT Die musikalische Welt zeigt sich überwältigt von einer Komposition, die Haydn geschaffen hat. Man redet über nichts anderes, man will nichts anderes hören als Haydns Cantata. Sie wurde zum ersten Mal Freitag abends im „Ladie’s Concert“ bei Mrs. Blair, Portland Place aufgeführt. Sie ist für Cembalo- oder Harfenbegleitung geschrieben, ohne weitere Instrumente, und wurde von Haydn selbst aufgeführt, gesungen hat Pacchierotti. Sie hat überreiche dramatische Modulation und ist in ihren traurigen Passagen so erregend, daß das Publikum bewegt dahin geschmolzen ist.

MUSIK (Arianna a Naxos: Cantata a voce sola / Anne Sofie von Mutter, Melvyn Tan) Vorlauf 2.51-3.52 od.5.30 alt.: MUSIK (Arianna a Naxos: Cantata a voce sola / Cecilia Bartoli, Andreas Schiff)

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 24

ERZÄHLER Haydn lernt während seines Englandaufenthaltes nicht nur viele Adelige kennen, sondern ist zudem Gast am königlichen Hofe. König Georg III., ein scharfsinniger und feinfühliger Regent, lädt Haydn ein, für immer in England zu bleiben, und seine Gemahlin Sophie Charlotte bietet dem Komponisten aus Österreich an, doch eine Suite im Windsor Castle zu beziehen. Trotz dieser großzügigen Gesten steigt Haydn der Erfolg nicht zu Kopf. Er schreibt:

ZITAT (Haydn) Ich bin mit Kaisern, Königen, und vielen großen Herrn umgegangen, und habe manches Schmeichelhafte von Ihnen gehört; aber auf einem vertraulichen Fuß will ich mit solchen Personen nicht leben, und ich halte mich lieber zu Leuten von meinem Stande.

Reicher 8 Haydn hat es sehr genossen - er ist plötzlich im Mittelpunkt gestanden, d. h. er ist derjenige, der die Aufmerksamkeit erregt, speist beim König, wird eingeladen beim Kronprinz, kriegt dann auch ziemlich bald die Doktorwürde in Oxford. Also das war für Haydn ganz, ganz entscheidend wichtig zu sehen, aha, so geht man auch mit Komponisten, mit Künstlern um, obwohl man gar kein Adeliger ist, sondern ein Mensch, der etwas grossartiges geschaffen hat, und dafür auch hier die Anerkennung hat. Er schreibt dann auch wieder an die Frau von Genzinger, er schreibt: Ach wie gut schmeckt doch eine gewisse Freiheit.

ERZÄHLER In England findet Haydn einen Mittelstand vor, der alteingesessener und reicher ist als jener in seiner Heimat Österreich, und auch wesentlich mehr Einfluss im gesellschaftlichen Leben hat. Die Zeit zwischen Juli und Dezember 1791 verbringt der umjubelte Maestro nicht nur mit dem Komponieren – so bringt er ganze vier Sinfonien zu Papier, darunter auch jene mit dem Paukenschlag – sondern gibt auch gut dotierte Privatstunden und Konzerte, wie etwa jenes vom 11. März 1791 unter der Leitung seines Impresarios Johann Peter Salomon. In ihren Memoiren beschreibt Charlotte Papendiek, eine Hofdame der Königin Charlotte von Großbritannien, ihre Eindrücke dieses Abends.

MUSIK (einstimmen der Musiker)

ZITAT (weiblich) Der herbeigesehnte Abend kam endlich, und da ich in der Nähe der Ausführenden sein wollte, ging ich zeitig hin, und bekam einen sehr guten Sitz auf einem Sofa auf der rechten Seite. Das Pianoforte stand im Zentrum, ganz außen zu beiden Seiten die

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 25

Kontrabässe, dann auf jeder Seite zwei Violoncelli, dann zwei Tenöre oder Violas und zwei Violinen und in der Einbuchtung des Pianos ein Pult auf hohem Postament für Salomon mit seinem Geiger. Dahinter, in einem Bogen nach außen, alle diese Instrumente noch einmal, somit das Orchester auf die erforderliche Stärke bringend. Noch weiter hinten, auf erhöhten Plätzen, die Trommeln, und auf der anderen Seite Trompeten, Posaunen, Fagotte, Oboen, Klarinetten, Flöten &c., in einer Zahl, entsprechend den jeweiligen Erfordernissen der Symphonien und der anderen Musik, die an diesen Abenden gespielt werden soll.

MUSIK (Symphonie Nr.92 in G-Dur Hob.I/92 - Oxford Symphonie)

ZITAT (weiblich) Der zweite Akt begann mit einer neuen Symphonie von Haydn, die er mitbrachte, die aber in England noch niemand kannte. Haydn dirigierte natürlich seine Musik, im Allgemeinen auch die anderer Komponisten, in der Tat den ganzen Abend hindurch. Die Hannover Square Rooms sind für 800 Personen außer den Ausführenden berechnet. Zu Beginn des zweiten Akts folgerten wir, daß alle gekommen waren, die hatten kommen wollen, und obzwar wir wußten, daß Salomons Subskriptionsliste nicht voll war, hatten wir doch gehofft, es würden am Abend weitere kommen. Aber nein; und ich bedaure, die Bemerkung über meine Landsleute machen zu müssen, daß sie, solange sie nicht wissen, was sie für ihr Geld bekommen werden, nur langsam aus ihrer Reserve herausgehen. Ein Unternehmen dieser Größe, das einen großen Mann wie Haydn aus seinem Land herbeiholt, um für ein Orchester voll von Musikern mit dem höchsten Können und höchster Begabung zu komponieren, hätte mehr Mut und Entgegenkommen verdient, erst einmal, um dem Fremden Respekt entgegenzubringen, dann auch Salomon, der unter uns lebt und soviel für die Musikwelt getan hat, in diesem Fall endlose Mühen auf sich nahm und ein hohes Risiko einging.

MUSIK (Symphonie Nr.92 in G-Dur Hob.I/92 - Oxford Symphonie)

ERZÄHLER Die von Johann Peter Salomon organisierte und von Joseph Haydn musikalisch fein abgestimmte Konzertreihe des Jahres 1791 erweist sich als spektakulärer Erfolg für alle Beteiligten. Das Londoner Publikum sowie die Musikkritiker sind hingerissen. Auch Mitglieder der englischen Hocharistokratie haben einen Narren an dem Komponisten aus Österreich gefressen. Sie sind von der unaufdringlichen Persönlichkeit des Musiker, seinem virtuosen Spiel und seinen gepflegten Umgangsformen durchaus beeindruckt. So ist es durchaus zu verstehen, dass Haydn großzügige Einladungen auf ihre Landsitze in der englischen Provinz erhält. Unter anderem bekommt er die Gelegenheit, den Prinzen Friedrich August, Herzog von York und Bruder des Prinzen von Wales, auf dessen Landsitz zu besuchen. Die Frau des

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Herzogs – angetan vom Charme und der musikalischen Ausdruckskraft des Musikers – wird zu einer der wichtigsten Förderinnen Haydns in England werden. Haydn fühlt sich durchaus geschmeichelt. In einem Schreiben an seine Brieffreundin Maria Anna von Genzinger schreibt Haydn im September 1791:

ZITAT (Haydn) Nun meine liebe gute gnädige Frau was macht Ihr forte piano? wird doch zu Zeiten ein Haydnischer Gedanke durch Ihre schöne Hand erneuert? singt meine gute Fräulein Pepi bisweilen die arme Ariadna? O ja, ich höre es bis hierher, besonders seit 2 Monaten, indem ich auf dem Land in einer der schönsten Gegenden bei einem Bankier lebe, dessen Haus samt der Familie dem von Gennzingerischen Haus gleichet, und allwo ich wie in einer Klausur lebe, ich bin dabei, Gott sei ewig gedankt, bis auf die gewöhnliche Rheumatische Zustände gesund, arbeite fleissig, und gedenke jeden früh morgen, wenn ich alleine mit meiner Englischen Grammer in den Wald spaziere, an meinen Schöpfer, an meine Familie, und an all meine hinterlassene Freunde, worunter ich die Ihrige am Höchsten schätze. Ich hoffte freilich dieselbe früher zu genießen, allein, meine Umstände ... kurz das Schicksal will es so haben, daß ich noch 8 oder 10 Monate in London verbleibe, oh meine liebe gnädige Frau, wie süss schmeckt doch eine gewisse Freiheit. Allein so lieb mir diese Freiheit ist, so gerne verlange ich bei meiner Zurückkunft in fürstlichen, Esterhazischen Diensten zu sein, bloß meiner armen Familie wegen. Ob ich aber dieses Verlangen erhalten werde, zweifle ich sehr, indem mein Fürst über mein längeres Außenbleiben sich in seinem Schreiben über mich beschwert, und Absolut meine baldige Rückkehr verlanget, ein welches ich aber vermög‘ neuen Kontrakts nicht vollziehen kann. Ich erwarte nun leider meine Entlassung; hoffe aber anbei, daß mir Gott die Gnade geben wird, durch meinen Fleiß diesen Schaden in etwas zu ersetzen; indessen tröste ich mich von Euer Gnaden bald etwas zu vernehmen; meine versprochene neue Sinfonie werden Euer Gnaden in 2 Monaten erhalten; um aber gute Ideen zu bekommen, so bitte ich, schreiben mir Euer Gnaden, aber schreiben Sie ja recht viel demjenigen, so ewig sein wird Euer Gnaden ganz gehorsamster, aufrichtigster Freund und Diener Joseph Haydn

ERZÄHLER Haydn ist Frau von Genzinger, der Gattin des von den Damen der Gesellschaft damals sehr frequentierten Frauenarztes und zugleich Leibarztes des Fürsten Nikolaus, durchaus recht zugetan, was allein die intensive Korrespondenz zwischen den beiden bezeugt. Der erste Brief an Haydn, den Frau von Genzinger mit drei mittig gesetzten, frommen Kreuzen einleitet, enthält ein Klavierarrangement, das sie eigenhändig aus

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 27 einer Orchesterpartitur von Haydn umgeschrieben hat. Nun bittet sie den Meister höflich um seine Beurteilung.

ZITAT (weiblich) Hochgeehrtester Herr v. Hayden Mit Ihrer dero gütigen Erlaubnis nehme ich mir die Freiheit, Ihnen einen Klavierauszug des schönen Andante Ihrer mir so schätzbaren Komposition zu übermachen. Solchen Auszug habe ich ganz allein aus der Spart ohne mindester Beyhilf meines Meister gemacht, bitte die Güte zu haben wen sie etwas daran auszustellen finden, solches zu korrigieren. Ich verhoffe Sie werden Sich in besten Wohlstand befinden und wünschte nichts sehnlicher als Sie bald in Wien zu sehen, um Ihnen immer mehr meiner Hochachtung, welche ich für Sie hege, überzeugen zu können. Ich gebleibe mit wahrer Freundschaft. Mein Gemahl und Kinder empfehlen sich Ihnen gleichfall schönstens, dero ergebenste Dienerin, Maria Anna Edle von Genzinger

MUSIK (Klaviersonate Nr.58 )

Die Brieffreundschaft zwischen der 35 jährigen Maria Anna von Genzinger und dem um 22 Jahre älteren Joseph Haydn ist rege und durchaus auch sehr persönlich. So lernt Frau von Genzinger in den an sie verfassten Handschriften einen ganz anderen Haydn kennen, einen Menschen, der sich trotz seiner musikalischen Berühmtheit zunehmend eingeengt fühlt in Eszterháza.

ZITAT (Haydn) Nun — da sitz ich in meiner Einöde — verlassen wie ein armer Wais‘ — fast ohne menschlicher Gesellschaft — traurig — voll der Erinnerung frisch vergangener edlen Täge — ja leider vergangen — und wer weis, wann diese angenehme Täge wiederkommen werden? Diese schöne Gesellschaften? Wo ein ganzer Kreis, ein Herz, eine Seele ist — alle diese schöne Musikalische Abende — welche sich nur denken, und nicht beschreiben lassen — wo sind alle diese Begeisterungen? — — weg sind Sie — und auf lange sind Sie weg. wundern sich Euer Gnaden nicht, daß ich so lange von meiner Danksagung nichts geschrieben habe! 3 Tag wusst ich nicht, ob ich KapellMeister oder Kapelldiener war, nichts konnte mich trösten, mein ganzes quartier war in Unordnung, mein Forte piano, das ich sonst liebte, war unbeständig, ungehorsam, es reizte mich mehr zum Ärgern, als zur Beruhigung, ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, dann, da ich an besten die Opera „le Nozze di Figaro“ zu hören träumte, weckte mich der fatale Nordwind auf, und blies mir fast die Schlafhauben von Kopf; ich wurde in 3 tagen um 20 Pfund mägerer, die guten Wiener Bisserl verloren sich schon unterwegs,

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 28 ja ja, dacht ich bei mir selbst, als ich in meinem Gasthaus statt dem kostbaren Rindfleisch, ein Stück von einer 50 Jährigen Kuh, statt dem Ragout mit kleinen Knöderln, einen alten Schöpsen mit gelben Murken (Karotten) auch, statt dem böhmischen Fasan, ein ledernes Rostbrätl, statt den so guten und delikaten Pomeranzen, einen Dschabl oder sogenannten Gras-Salat, statt der Bäckerei, dürre Äpflspältl und Haslnuß, und so weiter speisen musste, — ja ja dacht ich bei ein mir selbst, hätte ich jezo manches bisserl, was ich in Wien nicht habe verzehren können — hier in Estoras fragt mich niemand, schaffen Sie Cioccolate — mit, oder ohne Milch, befehlen Sie Kaffe, schwarz, oder mit Obers, mit was kann ich Sie bedienen bester Haydn, wollen Sie Gefrorenes mit Vanille oder mit Ananas?

MUSIK (Klaviersonate Nr.58 )

22 Monate später sind die Sorgen von damals längst vergessen. In England fühlt sich Haydn von der englischen Aristokratie liebend umworben und stets verwöhnt. Und er lässt sich nur allzu gern seine Wünsche von den Lippen ablesen. Das Gefühl, anerkannt und gewürdigt zu werden, bringt er voller Zufriedenheit in einem Brief an seine Freundin Maria Anna von Genzinger zum Ausdruck:

ZITAT (Haydn) … bei dieser Gelegenheit muß ich Euer Gnaden melden, daß ich vor 3 Wochen durch den Prinzen von Wallis zu seinem Bruder dem Herzog von York auf sein Lustschloß geladen wurde, der Prinz führte mich bei der Herzogin, die Tochter des König von Preussen auf, welche mich sehr gnädig mit vielen schmeichelhaften Worten empfing, Sie ist die liebenswürdigste Dame von der Welt, besitzt sehr viel Verstand, spielt das Klavier und singt sehr artig, ich musste 2 Tag da bleiben, weil Sie den ersten Tag wegen einer kleinen Unpässlichkeit zur Musik nicht kommen konnte. Sie bliebe aber den 2ten Tag von 10 Uhr abends, allwo die Musik anfinge bis 2 Uhr nach Mitternacht, beständig neben mir, es wurde nichts als Haydnische Musik gespielt. Ich dirigierte die Sinfonien vom Klavier. Die liebe Kleine saß neben meiner an der linken Hand, und sumste alle Stücke auswendig mit, weil Sie solche so oft in Berlin hörte.

MUSIK (CD 01/682/4) 2.13

ERZÄHLER „Wie muss sich Haydn, der es gewohnt war, sein Leben lang von den Fürsten Esterházy als besserer Dienstbote betrachtet und behandelt zu werden, bei derartigen Wertschätzungen der englischen Hocharistokraten gefühlt haben?“, fragt der Musikwissenschaftler Frank Huss in seiner Biografie über Josef Haydn. Und er beantwortet diese Frage indirekt mit einem weiteren Faktum aus Haydns Biografie:

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 29

ZITAT Die Aufforderung des Fürsten Anton Esterházy, den Englandaufenthalt abzubrechen, da der Fürst andere Komponisten, die ihn teuer kamen, mit kleineren Aufträgen betrauen musste, lehnte Haydn selbstbewusst ab. Er konnte sich diesen Affront leisten oder glaubte ihn sich leisten zu können, denn mittlerweile hatte er auf seiner Wiener Bank beim Grafen Fries bereits an die 5.000 Gulden gebunkert und sah einer finanziell sorgenfreien Zukunft entgegen. Zudem war er in England jemand, eine Berühmtheit, die mit Königen, Lords und Prinzen verkehrte. Im Laufe des Dezembers 1791 musste er dann in London vom Tod seines Freundes Mozart erfahren, was ihn verständlicherweise sehr traf. Dies umso mehr, als er nicht an dessen Begräbnis teilnehmen konnte. Auch die Tatsache, dass Haydn, mittlerweile offenbar sehr geschäftstüchtig geworden, die Zeit in England auch dafür nutzte, Kontakte zu weiteren Verlegern zu finden, sollte zusätzliche Geldeinnahmen in Aussicht stellen. So komponierte er unter anderem seine Schottischen Lieder für den Verleger William Napier, den er zu Beginn des Jahres 1792 kennenlernte.

MUSIK (Scottish folksong/J. Haydn - The Waefu' Heart) 2.00

ERZÄHLER Joseph Haydn dirigiert in der Regel die einzelnen Musikstücke vom Piano Forte aus. Bei einer größeren Besetzung des Orchesters übernimmt zumeist sein Impresario Salomon die Rolle des Konzertmeisters, anfänglich auch die Rolle eines Übersetzers, da Haydn der englischen Sprache nicht mächtig ist.

ZITAT Haydn's Betragen gegen das Orchester war einnehmend und gütig; er gewann dasselbe bei der ersten Probe zu seinem Vorteil. Er hatte eine Symphonie aufgelegt, die mit einem kurzen Adagio anfing, drei gleichtönende Noten eröffneten den Gesang; da aber das Orchester die drei Noten zu nachdrücklich anschlug, so unterbrach Haydn mit Winken und „St! St!“ Das Orchester schwieg, und Salomon mußte Haydn's Meinung verdolmetschen. Darauf wurden die drei Noten wieder, aber mit nicht glücklicherem Erfolge angestrichen. Haydn unterbrach abermals mit „St! St!“ Während der erfolgten Stille, äußerte ein deutscher Violoncello-Spieler, ganz nahe bei Haydn, seine Meinung gegen seinen Nachbar, und sagte in deutscher Sprache: „Du, dem sind schon die drei ersten Noten nicht recht, wie wird's mit den Übrigen aussehen?" Haydn war froh Deutsche reden zu hören, nahm diese Worte als eine Warnung an, und sagte mit der größten Höflichkeit: daß er um eine Gefälligkeit ersuche, die ganz in ihrer Macht stünde, und daß es ihm sehr Leid wäre, sich in englischer Sprache nicht ausdrücken zu können, sie möchten ihm daher erlauben, seine Meinung auf einem Instrument vortragen zu dürfen. Er nahm darauf eine Violine, und machte sich durch den wiederholten Anstrich den drei Töte so

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 30 verständlich, daß das Orchester ihn vollkommen begriff. Dabei ließ es Haydn in der Folge noch nicht bewenden; er bat, wie kleine Kinder zu bitten pflegen, mit aufgehobenen Händen, nannte bald diesen, bald jenen: „mein Schatz, oder mein Engel", lud die vorzüglichsten Virtuosen oft zu Tische, damit sie gerne bei den Privatproben in seiner Wohnung erscheinen möchten; erteilte ihnen Lob und verwebte den Tadel, wenn er nötig war, auf die feinste Art in das Lob. Ein solches Betragen gewann ihm die Zuneigung aller Virtuosen, mit welchen er in Verbindung kam.

Reicher 11 Man muss sich auch die Konzertsituation, Musiksituation in London zu der Zeit anschauen: wer waren die Musiker? Es waren natürlich Engländer selbst auch, die Musiker waren, aber Komponisten hatten sie keine zu dieser Zeit. Händel war schon tot. Händel war noch immer ein großes Star … Haydn hatte dann wie er in London war, auch diese Feierlichkeiten, die Händel-Feierlichkeiten miterlebt, auch die Oratorien, die ihn dann selbst auch inspiriert haben, ganz neu die Oratorien zu erfinden, aber die Musiker, die dort waren, es waren sehr viele deutsche Musiker, sehr viele Italiener …

Reicher 12 … und was man nicht vergessen darf: Haydn konnte exzellent italienisch. Italienisch war eine Sprache, ja, da war er zu Hause, wahrscheinlich auch durch seine Geliebte Luigia Pozelli hat er das dann auch nochmal perfektioniert. Er hat dann aber auch Englisch gelernt, und da gibt es ja auch Zeitzeugen, die sagen: er hat sich ganz gut verständlich machen können, und er hatte eine liebenswürdige Art und Weise, eine freundliche Art und Weise, und so mit Gestik usw. hat er sich dann auch noch verständig können. Es gibt diese Geschichte, wie er in Oxford zum Doktor der Tonkunst ernannt worden ist, und er wird beschrieben: hat er sich hingestellt, hat seinen Mantel aufgemacht und einfach nur gesagt: Thank you! (lacht)

MUSIK (Symphonie Nr.92 in G-Dur Hob.I/92 - Oxford Symphonie, Einstieg 4. Satz)

ERZÄHLER Wie enttäuscht muss Joseph Haydn bei seiner Rückkehr aus London gewesen sein: In England hochgeschätzt und verehrt, wird sein Eintreffen in Wien Ende Juli 1792 kaum wahrgenommen. Selbst der in Wien erscheinenden Musikalischen Realzeitung ist die Ankunft dieses wohl berühmtesten Österreichers seiner Zeit keine Zeile wert.

MUSIK (Symphonie Nr.92 in G-Dur Hob.I/92 - Oxford Symphonie, Einstieg 4. Satz)

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 31

Reicher 13 Das Vermögen, das er gemacht hat in seinem Leben, ist eigentlich in London entstanden, durch seine Verlagstätigkeiten, wo er seine Werke in ganz Europa verkauft hat. Er konnte sich das Haus kaufen, in Wien in der Vorstadt, konnte es auch ausbauen, hat ein paar Jahre gedauert, hat einen Stock draufgesetzt, sehr repräsentativ, hat gut gewohnt, gut gelebt, aber nicht im Überfluss. Man muss da auch mit bedenken: zu diesem Zeitpunkt hat es noch nicht dieses Copyright gegeben. Und Haydn schreibt es auch: sobald ich etwas aus der Hand geb‘, habe ich nichts mehr davon. Dann verdienen die Verleger, die Kopisten, aber er selbst … bei den Aufführungen hat er nichts mehr gekriegt. Und deswegen musste er immer wieder was Neues schreiben. Er hat dann in seinem Haus … hat da eine Wand gehabt, voll - wo er geschrieben hat: ich kann mir nicht keine Gemälde leisten hat – hat aber seine eigenen Werke aufgehängt: Lieder, Kanons usw.

ZITAT (Haydn) Ich war nicht reich genug, um mir schöne Gemälde zu kaufen. Ich machte mir daher selbst eine Tapete, die nicht jedermann haben kann.

Reicher 13 Aber bei Haydn ist nichts zufällig … und es hat immer wieder mehrere Facetten und auch Hintergründe … und in dem Fall war es so, er hat gewusst: irgendwann wird er nicht mehr komponieren können, und das sind dann quasi seine Versicherungen, die er dann von der Wand nimmt und wo er wieder mal ein Werk verkauft an einem Verleger. Und die wurden ihm aus der Hand gerissen. Breitkopf und Hertel zum Beispiel waren welche, die ham sogar einen eigenen Agenten in Wien bezahlt, der mit ihm dann Kontakt gehalten und da hat er dann Geld gekriegt. Und das hat er dann tatsächlich gemacht, wieder einen Kanon genommen, wieder verkauft … aber es sind noch welche übrig geblieben, auch noch über seinen Tod hinaus, und sogar sein Kammerdiener, Freund, Kopist - Elsler – hat dann auch sogar noch welche gekriegt.

Musik

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 32

3. Stunde

MUSIK (Andante con variazioni, F-Moll)

ERZÄHLER Das Jahr 1793, in dem der 61 jährige Josef Haydn unter anderen das Andante con variazioni in F- Moll für Klavier komponiert, beginnt mit einer Reihe von tragischen Ereignissen: die von Haydn hochverehrte Dame seines Herzens, Maria Anna von Genzinger, verstirbt am 20. Januar im 39. Lebensjahr. Nur einen Tag später ereignet sich in Paris, wie Graf Karl Johann Christian von Zinzendorf es in einem seiner minutiös geführten Tagebücher vermerkt: „quelle affreuse horreur“: König Ludwig XVI von Frankreich wird guillotiniert, ein Ereignis, das eines der längsten und schrecklichsten Kapitel kriegerische Auseinandersetzung in Europa auslöst.

MUSIK (Andante con variazioni, F-Moll)

ERZÄHLER Im August desselben Jahres (1793) unterzeichnet Haydn den Kaufvertrag für sein neues Haus in Wien, das seine Frau bereits während seines Englandaufenthaltes ausfindig gemacht hat. In einem Brief an Ihren Gemahl schreibt sie, sie hätte ein hübsches kleines Haus ohne Stockwerk nebst Gärtchen in der Vorstadt Gumpendorf, in der kleinen Steingasse Nr. 73 gesehen, welches ihr, da es um einen billigen Preis zu erkaufen wäre, sehr wohl gefallen habe. Sie wünsche daher, er möchte ihr den Gefallen erzeigen, und ihr 2000 Gulden übersenden. Dafür wolle sie das Haus kaufen, und als Witwensitz in Zukunft bewohnen. Doch Haydn schickt ihr das verlangte Geld nicht, sondern weist sie an, seine Rückkunft abzuwarten. Er wolle sich das Haus selber besehen.

O-TON (Haydn-Haus, Christian Buchner) Grüß Gott, mein Name ist Christian Buchner. Ich freue mich sehr, Sie hier im Haydn- Haus begrüßen zu dürfen. Wir sind hier im ersten Stock und wir sind im Salon des Haydn-Hauses. Hier hat er gern die Besucher empfangen. Das Haus hat ihm gut gefallen, vor allem die Lage hat ihm sehr gut gefallen: es war sehr ruhig und abgeschieden, vor allem es hat eine gewisse Distanz gehabt zu dem Schloss Eszterház. Er war ja dort zum Schluss nicht mehr glücklich, er hat sich abgeschieden gefühlt von der Welt ... er wollte Distanz bringen, und auf der anderen Seite war‘s auch wieder nicht so weit weg von Wien. Er wollte quasi nicht ganz den Anschluss von Wien vermissen. Dieses Haus ist vor allem verbunden mit den zwei Oratorien: Schöpfung & Jahreszeiten. Er hat in Englands Oratorien von Händel gehört, und war so

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 33 beeindruckt von den Oratorien, dass er sich einfach gedacht hat: ich fang noch mal von vorn an zu komponieren .. und hier hat er sehr bedeutende Werke geschrieben: die ganzen großen Messen, die wir von ihm haben: Heilig-Messe Pauken-Messe, Nelson- Messe, Theresien-Messe, Harmonie-Messe, seine letzte Messe - sind alle entstanden eigentlich für die Fürstin H. Esterhazy ... und in dem Raum befindet sich auch ein Hammerflügel ... das Klavier war deswegen für ihn sehr wichtig, weil er seine Kompositionen immer vom Klavier aus gemacht hat. Er hat improvisiert. Wenn er glücklich war, hat er fröhlich improvisiert, wenn er traurig war, hat er traurig improvisiert, d. h. die Kompositionsarbeit bei Haydn war immer vom Klavier ausgehend. ... wir gehen weiter und sind jetzt hier in einer Art Wunderkammer, könnte man sagen, hier waren früher die Medaillen ... sind teilweise immer noch ausgestellt, und die Ehrenbezeichnungen. Haydn hat im Alter sehr viele Urkunden und Medaillen bekommen, und er war auch stolz auf sie. Wann immer er Besucher empfangen hat, hat er auch seinen Diener gebeten, dass er quasi die Ehrenbezeichnungen auch den Besuchern zeigt, und er wollte damit nicht angeben, sondern er hat immer gesagt: Sie werden wahrscheinlich denken, es ist wie Spielzeug für alte Männer, aber ich werde jung. Also ich kann die Zeit quasi wieder zurückdrehen, und wenn ich meine Medaillen seh‘, werde ich augenblicklich wieder jung!

MUSIK (Kaiserhymne)

ERZÄHLER 1797 komponiert Joseph Haydn Auftrag von Franz Josef Graf von Saurau das Kaiserlied. Diese nationale Hymne im Stil des englischen „God Save The Queen“ war als Antwort auf die französische Marseillaise gedacht, die 1792 während der Kriegserklärung an Österreich verfasst und drei Jahre später zur französischen Nationalhymne erklärt worden war. Das „Kaiserlied“ sollte inmitten der Auseinandersetzungen um Napoleons territoriale Ansprüche in Europa das Nationalgefühl der Monarchie heben. Das englische Vorbild hatte Haydn vermutlich bei seinen Aufenthalten in London kennengelernt.

MUSIK (Kaiserhymne)

ERZÄHLER Am 12. Februar 1797 wird das Lied in voller Orchestrierung im Alten Burgtheater am Michaelerplatz uraufgeführt, in Anwesenheit von Kaiser Franz II., dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

MUSIK (Kaiserhymne, „Gotte erhalte ...“)

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 34

ERZÄHLER Als Kompositionshonorar bekommt Haydn ein ansehnliches Geldgeschenk und eine goldene Dose mit dem Bild des Kaisers. Haydns Dankschreiben an Graf Saurau verrät mehr, als dem Meister wohl lieb gewesen sein dürfte:

ZITAT Haydn Eine solche Überraschung hab‘ ich in Betracht meines kleinen Talents noch nie überlebt.

ERZÄHLER Graf Saurau zeigte sich verständlicherweise höchst erbost über den für ihn unverzeihlichen Schreibfehler Haydns. Das tut der Beliebtheit von Melodie und Text allerdings keinen Abbruch, was allein die zahlreichen musikalischen Variationen belegen. Nur muss der Text fortan bei jedem Thronwechsel adaptiert werden, ehe sich 1854 die allgemein formulierte Fassung durchsetzt: »Gott erhalte, Gott beschütze / Unsern Kaiser, unser Land!«. Doch da hat sich, weit im deutschen Norden, bereits ein anderer Dichter der Melodie von Joseph Haydn bedient. 1841 verfasst Heinrich Hoffmann von Fallersleben sein „Deutschland, Deutschland über alles“, jenes Lied, das am 11. August 1922 zur Nationalhymne der Weimarer Republik wird. Nach 1938 wird die erste Strophe als Vorspiel zum Horst-Wessel-Lied in Wien gesungen: „Deutschland, Deutschland über alles“. Genau diese Pervertierung des Liedes durch das »Dritte Reich« hält Bundespräsident Theodor Heuss lange davon ab, jenes Lied zur Hymne der neuen Republik zu machen. Erst Bundeskanzler Konrad Adenauer tritt vehement für Hoffmanns Einigkeit und Recht und Freiheit ein, und setzt schließlich die dritte Strophe des Lieds als deutsche Nationalhymne durch.

MUSIK (Dt. Nationalhymne, 3. Strophe) MUSIK (Kaiserhymne, Klavier)

ERZÄHLER Haydn soll – so ist es jedenfalls in den Aufzeichnungen seiner Biografen nachzulesen - jene Melodie nahezu jeden Morgen am Klavier gespielt und darin Trost gefunden haben. Besonders im Mai 1809, als Napoleon Bonaparte mit seinen Truppen vor Wien lagert. Joseph Haydn steht im 78. Lebensjahr.

Musikende Uhren ticken

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 35

ZITAT Haydn Ich bin der Welt zu nichts mehr nütze, ich muss mich wie ein Kind warten und pflegen lassen: es wäre wol Zeit, daß mich Gott zu sich rief!

ERZÄHLER Betreut wird Europas damals berühmtester lebender Komponist von einer Köchin, einer Haushälterin und seinem Diener und Notenkopisten Johann Elßler, dem Vater von Fanny Elßler, die später Weltruhm als Tänzerin erlangen wird. Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihrem Dienstherrn. Vertraut-familiär nennen sie ihn: „Papa". Morgens wird „Papa Haydn" von Elßler aus dem Bett gehoben und angekleidet, und abends wieder zu Bett gebracht. Laut Haydns Biograf Georg August Griesinger belastet die politische Lage Hadyn schwer.

ZITAT Haydn Der Krieg drückt mich noch ganz zu Boden!

ERZÄHLER wiederholt Haydn oft mit tränendem Auge, und es braucht viel Mühe, um ihn einigermaßen zu beruhigen. Auch seine musikalischen Ideen lassen ihn nicht zur Ruhe kommen:

ZITAT Haydn Ist es ein Allegro, das mich verfolgt, dann schlägt mein Puls immer stärker, ich kann keinen Schlaf finden. Ist es ein Adagio, dann bemerke ich, daß der Puls langsam schlägt. Die Phantasie spielt mich, als wäre ich ein Klavier.Ich bin wirklich ein lebendiges Klavier. Schon seit mehreren Tagen spielt es in mir ein altes Lied, in E minor, das ich in meiner Jugend oft gespielt habe: „0 Herr! wie lieb' ich dich von Herzen“. Wo ich gehe und stehe, überall hör' ich's. — Aber kurios, wenn es mich so innerlich quält, nichts helfen will, um die Qual loszuwerden, und mir fällt nur mein Lied ein „Gott erhalte Franz, den Kaiser“, dann wird mir leichter, es hilft.

Klaviermusik „Gott erhalte" Uhren ticken

ERZÄHLER Die Dramatik der militärischen Lage jener Tage hält auch Joseph Carl Rosenbaum in seinem Tagebuch fest.

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 36

ZITAT 6. Mai 1809. Die Franzosen rücken auf Wien. Alle Magazine in den Stadtgräben werden aufgegeben. Bei der Hauptmaut auf der Bastei ist das Pflaster aufgebrochen, das Tor vermauert. Die Parteien in den Wohnungen an der Bastei fürchten Beschuss und räumen die oberen Stöcke. Die Brücken am Burgtor und am Kärntnertor werden geschlossen, jeweils das letzte Brückenjoch zur Stadtmauer wird abgetragen. Aus dem Theaterfond verteilt man Gewehre, Lanzen, Hellebarden und Säbel. 10. Mai 1809. Am Burgtheater ist Beethovens Leonore angeschlagen, wird aber nicht gegeben. Franzosen besetzen die Vorstädte ... Alles ist bewaffnet. Frauen und Mädchen laufen mit Spießen und Hellebarden, Knaben mit Gewehren herum.

ERZÄHLER Am selben Tag berichtet Johann Elßler, dass auch in Haydns Haus alles in heller Aufregung ist.

ZITAT Als die kaiserlich französische Armee den 10en Mai frühmorgens um 3/4 auf sieben Uhr bei der Mariahilfer Linie anrückte, da lag unser guter Papa noch im Bette. ... Der Lärm und Verwirrung auf der Gasse war (...) groß diesen nämlichen Augenblick, und wir hatten keinen Menschen an unserer Seite, der unsern guten Papa Trost zusprechen konnte. Als wir aber noch beschäftigt waren, den Papa aus dem Bett zu bringen, geschahen vier Kartetschenschüsse (...) einer nach dem anderen, (...)

Gewehr- und Kanonenschüsse

ZITAT Von diesen Schüssen ist die Tür im Schlafzimmer aufgesprungen und alle Fenster schüttelten sich. Über dieses erschrak unser guter Papa und schrie in vollem Laute:

ZITAT Haydn Kinder, fürchtet's euch nicht, denn wo Haydn ist, kann nix g'schehen!

ZITAT Der Geist war aber stärker als der Körper, denn kaum hatte er das kraftvolle Wort ausgesprochen, als ihn ein Zittern am ganzen Leibe befiel. Von dieser Stunde an nahm die physische Schwäche zu, und die stärkenden Mittel halfen nicht mehr. Den ganzen Tag hindurch wurde geschossen. Unser Papa hat sich aber mit aller Mühe etwas gefasst, aber die Nerven waren doch zu stark betroffen, sodass der ganze Körper sank.

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 37

Gewehr- und Kanonenschüsse

ZITAT 11. Mai 1809. Christi Himmelfahrt. Neun Uhr abends (...) die Franzosen (...) feuern heftig bis 12 Uhr in der Nacht, dann weniger bis 3 Uhr. Als es dämmert, stellen sie den Beschuss ein. Die Batterien der Wiener agieren sehr wenig und bleiben wirkungslos. Schrecklich sind die Brände zu sehen. Man kann vor Glasscherben nicht gehen. Die Stadt leidet sehr, denn niemand ist vorbereitet, weil sich niemand ein solches Unglück vorstellen konnte.

ERZÄHLER Wien fällt. Als Geste des Respekts lässt Napoleon nach dem Einmarsch in Wien vor Haydns Wohnhaus eine französische Ehrenwache aufstellen. Haydns körperlicher Verfall schreitet rapide voran. Die letzten Tage des Komponisten schildert Diener Elßler in einem Brief an Georg August Griesinger:

Klaviermusik „Gott erhalte"

ZITAT Beim Herumgehen konnte ich unsern guten Papa nicht mehr allein fortbringen und die stärkenden Mittel halfen nicht mehr. Das Kaiser-Lied wurde aber doch täglich dreimal fleißig gespielt. Den 26. Mai um halb ein Uhr mittags wurde das Lied zum letzten Mal gespielt und das dreimal hintereinander, mit Ausdruck und Geschmack, so, dass unser 'guter Papa selbst darüber staunte und sagte:

ZITAT Haydn So habe ich das Lied schon lang nicht mehr gespielt!

ZITAT Und war sehr fröhlich darüber, und hat sich auch sonst gut befunden bis abends um 5 Uhr ... Da hat ihn ein kleiner Frost angegriffen und Kopfschmerzen. Samstag den 27. Mai nahm die Betäubung immer mehr und mehr zu, aber er war so ruhig und willig in allem, dass wir uns alle darüber verwunderten. Unser guter Papa klagte keine Schmerzen, und wenn wir fragten, wie es ihm gehe, so bekamen wir immer zur Antwort:

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 38

ZITAT Haydn Kinder seid's getröstet, es geht mir gut!

ZITAT Den 29. Mai verlangten wir ein Consilium halten zu lassen. Da wurde der Medicus Doktor Böhm dazu bestimmt, den unser guter Papa dazu verlangte. Aber bei allen möglichen angestrengten Mitteln war alles vergebens und unser guter Papa wurde immer schwächer und ruhiger. 4 Stunden vor dem Hinscheiden hat unser Papa noch gesprochen, dann haben wir aber keinen Laut mehr gehört. 10 Minuten vor seinem Ende drückte unser guter Papa die Nannerl noch bei der Hand. Den 31. Mai früh morgens, fünf Minuten vor ein Viertel auf Eins, entschlief unser guter Papa - selig und sanft.

Uhren ticken (blendet aus)

MUSIK (Sonate No.33, Hob XVI:20)

ERZÄHLER Die Nachricht von Haydns Tod macht rasch die Runde. Bereits am nächsten Tag, am 1. Juni 1809, findet die Beisetzung Haydns statt. An diesem heißen Fronleichnamstag nimmt auch Joseph Carl Rosenbaum - wie einige andere - um 4 Uhr nachmittags noch Abschied von Haydn.

ZITAT Er lag in seinem großen Zimmer schwarz gekleidet, gar nicht entstellt, zu seinen Füßen lagen die Ehren-Medaillen von Paris, Russland, Schweden und die hiesige Bürger-Medaille.

ERZÄHLER Um 5 Uhr wird der Eichensarg zunächst zur Gumpendorfer Kirche gebracht, dort eingesegnet und dann in den Kirchhof vor die Hundsthurmer Linie geführt. Angesichts der gespannten politischen Lage und der Juni-Hitze, die dem toten Organismus schnell zusetzen würde, muss alles sehr schnell gehen. Haydns Sarg wird ins Grab gesenkt. Die wenigen Trauergäste verlassen den Friedhof. Nur Joseph Carl Rosenbaum bleibt und beobachtet den Totengräber beim Zuschaufeln der Grube. Die beiden sind allein, und so fasst sich Rosenbaum ein Herz, nimmt den Totengräber beiseite und enthüllt ihm seinen grausigen Plan. Denn er ist ein glühender Anhänger der Schädellehre des Arztes und Anatomen Franz Joseph Gall, der bis zu seinem behördlichen Lehrverbot im Jahr 1805 in Wien praktizierte hatte. Gall hatte in Wien eine Nobelpraxis und ein Haus mit Garten in der Ungargasse. In Schriften und Vorlesungen vertrat er die Ansicht, dass sich aus den Dellen und

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 39

Buckeln der Schädelknochen, Intelligenz, Charakter und das Genie eines Menschen erschließen lassen. Das Oberflächenrelief des Kopfes sei gleichsam das Ergebnis der Aktivität des Gehirns. So, wie körperliche Betätigung die Muskulatur eines Menschen prägt, so präge die Hirnaktivität die Wölbungen des Schädels. Gall folgerte daraus, dass Genie keine in die Wiege gelegte göttliche Gabe sei, sondern ausschließlich ein Produkt der arbeitenden Hirnmasse.

Musik

ERZÄHLER Gall machte seine Vorträge auch medizinischen Laien zugänglich, was zur raschen Verbreitung seiner Schädellehre, der so genannten „Kraniologie" beitrug. Unter seinen Hörern waren Priester, Bildhauer, Schriftsteller, Musiker, und - zum Entsetzen des Kaiserhofes einige - wie man sich ausdrückte - „vorwitzige Frauenzimmer". Die Lehre begann rasch seltsame Blüten zu treiben. Das gegenseitige Betasten des Kopfes wurde ein modischer Zeitvertreib in den besseren Wiener Gesellschaftskreisen. Und es gehörte fast zum guten Ton, sich eine Sammlung von Totenköpfen zu Demonstrations-zwecken anzueignen. Je prominenter der Tote, je genialer, desto höher das Prestige des Schädel-Besitzers. Der Wiener Volksmund hatte auch bald ein Wort für diese makabre Sammelwut gefunden: die „Gallsucht". Galls Lehre weckte auch das Interesse von Betrügern. Ihre Opfer waren vor allem reiche, naive und vor allem eitle Personen von Stand, die es sich einiges kosten ließen, wenn ihnen - nach dem Abtasten ihres Kopfes - geniale Fähigkeiten attestiert wurden. Als Vertreter einer rein materialistischen Auffassung von Geist und Seele war Gall schließlich mit der katholischen Lehrmeinung in Konflikt geraten, die besagte, alle Begabungen sei nur von Gott gegeben. Am Heiligen Abend des Jahres 1801 werden deshalb Galls Vorlesungen von höchster Stelle verboten. Staatskanzler Graf Lazansky erhält ein Handschreiben von Kaiser Franz I.:

ZITAT Da über diese neue Kopflehre, von welcher mit Enthusiasmus gesprochen wird, vielleicht manche ihren eigenen Kopf verlieren dürften, diese Lehre auch auf Materialismus zu führen, und mithin gegen die ersten Grundsätze der Religion und Moral zu streiten scheint, so werden Sie diese Privatvorlesungen alsogleich ... verbieten lassen."

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 40

ERZÄHLER Doch die Gallsucht hat bereits so manche Wiener Bürger in ihren Bann gezogen. So auch Joseph Carl Rosenbaum, der am noch offenen Grab Haydns mit dem Totengräber handelseins wird. Die Übergabe von Haydns Kopf wird für den folgenden Sonntag, den 4. Juni 1809 vereinbart. Rosenbaum notiert in sein Tagebuch:

ZITAT Wir fuhren zu der Hundsthurmer Linie, ich stieg aus und übernahm Haydns schätzbarste Reliquie. - Es roch heftig. Als ich den Pack im Wagen hatte, musste ich mich übergeben. Der Gestank ergriff mich zu sehr. Wir fuhren ins allgemeine Spital, ich blieb bei der Secirung, der Kopf war schon ganz grün, doch noch sehr erkennbar ... Eine Stunde dauerte selbe, das Gehirn, dessen Masse groß war, roch am entsetzlichsten. Ich hielt aus.

Musik

ERZÄHLER Erst 8 Wochen später kümmern sich Josef Carl Rosenbaum und sein Freund Johann Nepomuk Peter wieder um die kostbare Reliquie. In dieser Zeit liegt Haydns Kopf - von allen Weichteilen befreit - in einer trüben Kalkwasserlösung. Rosenbaum überlegt sich währenddessen, wie Haydns Schädel würdig aufzubewahren sei. Immer wieder ersinnt und verwirft er Ideen zu einem Behältnis. Schließlich kommt er zu seinem Entschluss: Es soll ein schwarz poliertes, hölzernes Gehäuse sein, in Form eines römischen Sarkophages, verziert mit einer goldenen Lyra. Im Inneren des verglasten Gehäuses soll auf einem weißseidenen, mit schwarzem Samt drapierten Kissen Haydns Schädel ruhen.

Musik, Schlachtenlärm

ERZÄHLER Am selben Tag begibt sich Rosenbaum mit Freunden auf den Linienwall hinter dem Schloss Belvedere, um ein schaurig- schönes Kriegs-Spektakel zu beobachten: die Schlacht bei Wagram, wo Erzherzog Karl und Napoleon einander mit 300.000 Mann und schweren Geschützen gegenüberstehen.

ZITAT Wir sahen das Schreckliche ... sahen 2 Orte brennen, das Feuer der Kanonen ... Gut und genau sahen wir alles von unserem Punkt. Viele tausend Menschen waren auf dem Linien Wall, und jedem pochte das Herz.

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 41

ERZÄHLER Am nächsten Tag ist die Schlacht für Österreich verloren.

Kanonendonner

ERZÄHLER Zwei Monate nach Haydns Tod, am Sonntag, dem 30. Juli 1809, begeben sich Rosenbaum und Peter gemeinsam ins Allgemeine Krankenhaus und suchen die Prosekturdiener auf, um Haydns präparierten Kopf in Empfang zu nehmen. Wenige Wochen später liefert ein Tischler den Schrein für Haydns Kopf. Und so verschwindet Haydns Kopf für lange Zeit geheim gehütet in einem Gehäuse - hinter Glas und schwarzen Samtvorhängen.

MUSIK (Die Schöpfung)

ERZÄHLER Eisenstadt - Schloss Eszterházy anno 1820.

MUSIK (Die Schöpfung)

ERZÄHLER Der strahlende C-Dur-Akkord auf dem Wort „Licht“ hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Gäste von Fürst Eszterházy im großen Festsaal des Eisenstädter Schlosses sind erschrocken und fasziniert zugleich, ebenso wie die Besucher bei der ersten öffentlichen Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ im März 1799. Der kompositorische Geniestreich hatte die Zuhörer im Wiener Burgtheater dermaßen elektrisiert, dass die Aufführung minutenlang unterbrochen werden musste.

ATMO (Applaus)

ERZÄHLER Nach der Aufführung von Haydns „Schöpfung" treffen sich die illustren Konzertbesucher noch zum Bankett mit Fürst Nikolaus Eszterházy. Unter den geladenen Gästen ist auch Herzog Friedrich von Cambridge, ein glühender Verehrer von Haydns Musik. Voll Begeisterung hebt er sein Glas und prostet Fürst Eszterházy zu:

ZITAT Wie glücklich ist der Mann, der diesen Haydn im Leben besessen hat - und: noch im Besitze seiner irdischen Reste ist!

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 42

ERZÄHLER Der Trinkspruch des englischen Prinzen aus dem deutschen Adelshaus Hannover erinnert Fürst Eszterházy daran, dass er vor elf Jahren - gleich nach Haydns Tod 1809 - veranlasst hatte, den Leichnam seines langjährigen Hofkompositeurs nach Eisenstadt zu überführen. Doch die Politik hat den Plan des Fürsten immer wieder hinausgezögert: Erst die Eroberungskriege Napoleons. Nach dessen Sturz: der Wiener Kongress zur Neuordnung Europas. Bälle, glänzende Empfänge für Europas Adel und Diplomaten in seinem Wiener Stadtpalais ... Schließlich hat Fürst Eszterházy das Vorhaben einfach vergessen. Angeregt durch die enthusiastischen Worte Friedrichs von Cambridge ordnet er jetzt die sofortige Exhumierung Haydns an. Die Nachricht, dass Haydns Grab im Beisein von Fürst Esterházy geöffnet und die sterblichen Überreste nach Eisenstadt überführt werden sollen, macht auch in Wien schnell die Runde. Am 30. Oktober 1820 macht sich Totengräber Jakob Demuth an die Arbeit. Als er das Grab öffnet, findet er den Leichnam Haydns, allerdings ohne Kopf! Nur die Perücke!

Musik

ERZÄHLER Das ist ein Schlag für den hohen Fürsten, der bei der Ausgrabung selbst gegenwärtig ist. Entrüstet über diese Tat verlangt er die sofortige Ausforschung und Bestrafung aller, die an dieser Leichenschändung beteiligt waren. Und er ordnet an, mit der Überführung der sterblichen Überreste Haydns nach Eisenstadt noch zu warten, in der Hoffnung, der Schädel seines genialen Hofkompositeurs würde sich schließlich doch noch finden. Beamte und Spitzel schwärmen im Auftrag des Fürsten aus, um Haydns Kopf so schnell wie möglich zu finden. Denn Fürst Eszterházy fühlt sich durch den Spott und das Amusement der Wiener über seinen geköpften Hofkompositeur in Ehre und Ansehen öffentlich blamiert. Die Kriminalbeamten haben rasch einen Verdacht, wer für die Leichenschändung verantwortlich sein könnte: Sie tippen auf Josef Carl Rosenbaum und seinen Freund Johann Nepomuk Peter. Beide sind ehemalige Hörer von Galls Vorträgen. Beide besitzen eine ansehnliche Sammlung von Totenköpfen und wollen die Richtigkeit von Dr. Galls Theorien am Schädel eines Genies bestätigt finden. So ordnet der Polizeidirektor Wiens höchstpersönlich bei Josef Carl Rosenbaum eine Haus-durchsuchung an. In aller Eile versteckt seine Frau Therese Haydns Kopf in der strohgefüllten Matratze ihres Bettes, legt sich darauf, und begrüßt die Ermittler - Unpässlichkeit vortäuschend - mit einem Bibelzitat:

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ZITAT (W) Meine Herren! Zürnet doch nicht, dass ich nicht aufstehen kann vor Euch - denn es geht mir nach der Weiber Weise!

ERZÄHLER: Unverrichteter Dinge verlassen die Kriminalisten Rosenbaums Haus. Mittlerweile will Fürst Eszterházy - trotz fehlendem Schädel - mit der Überführung der Gebeine Haydns nicht länger warten.

Glocken Musik (Mozart's Requiem)

ERZÄHLER Am 7. November 1820 wird Haydn in der Gruft der Bergkirche in Eisenstadt mit allem Pomp, aber ohne Kopf, beigesetzt: Die Kirchenglocken läuten, der fürstliche Hofstaat samt Leibgarde ist beim Festakt anwesend, ebenso die Franziskanermönche, die jüdische Gemeinde und die Eisenstädter Bevölkerung. Hofkapellmeister Fuchs dirigiert Mozarts Requiem.

Musik (Mozart's Requiem)

ERZÄHLER Das Fehlen von Haydns Kopf ärgert Fürst Eszterházy noch immer maßlos. Vor allem, weil er von der Laune Rosenbaums, seines ehemaligen Subalterns, abhängig ist: ob dieser Haydns Kopf hergibt oder nicht.

Musik endet

ERZÄHLER Was Fürst Esterházy bisher mit Polizeigewalt nicht durchsetzen konnte, will er jetzt durch Bestechung erreichen. Rosenbaum ist dennoch nicht gewillt, sich vom kostbarsten Stück seiner Sammlung zu trennen. Er gibt irgendeinen Schädel her, der ihm gerade zur Hand ist. Die Polizei lässt diesen von einem Anatomen der Wiener Universität prüfen. Der erklärt, der übergebene Schädel stamme von einem höchstens zwanzigjährigen Mann und könne daher nicht Haydns Kopf sein. Abermals werden Beamte bei Rosenbaum vorstellig. Jetzt gibt er ihnen den Schädel eines Greises. Dieser wird Fürst Esterházy übergeben - mit der Versicherung, es handle sich um den echten Kopf Haydns. Der Fürst akzeptiert, trotzdem berechtigtem Zweifel an dessen Echtheit. So wird in der Gruft der Eisenstädter Bergkirche - in aller Stille - der Schädel eines Unbekannten zu Haydns Gebeinen gelegt. Rosenbaum und seine Frau Therese, weiterhin im Besitz von Haydns Kopf, genießen den Betrug am Fürsten als späte

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Rache. Denn Rosenbaum hat nicht vergessen, dass der Fürst seine Eheschließung mit Therese, die als Opernsängerin in Wien und im Eisenstädter Schloss tätig war, lange Zeit hintertrieben hatte. Immer wieder hatte Esterházy die Heiratserlaubnis hinausgeschoben. Und als er sie endlich erteilte, sprach er gleichzeitig auch Rosenbaums Entlassung aus.

Musik

ERZÄHLER Die Polizei will die mittlerweile leidig gewordene Angelegenheit endgültig abschließen. In einem schriftlichen Protokoll, das Rosenbaum höchstpersönlich unterfertigt, wird festgehalten, dass der dem Fürsten übergebene Kopf jener von Joseph Haydn sei. Und so sind alle Beteiligten zufrieden: Rosenbaum bleibt im Besitz von Haydns Kopf. Fürst Eszterházy sieht seine vermeintliche Schmach getilgt, weil in der Eisenstädter Gruft bei Haydns Skelett wieder ein Schädel liegt. Und Fürst Metternichs Beamte sind froh darüber, binnen kurzem einen komplizierten, elf Jahre alten Fall von Leichenschändung gelöst zu haben und ad acta legen zu können. Haydns Kopf, dem die Nachwelt Hunderte Werke geistlicher und weltlicher Musik verdankt, geht allerdings noch durch viele Hände, ehe er 1954 bei den übrigen Gebeinen in Eisenstadt seine letzte Ruhestätte findet. Den echten Kopf Haydns übergibt Rosenbaum vor seinem Tod seinem Freund Johann Nepomuk Peter mit dem Auftrag, ihn dem Wiener Konservatorium - der späteren „Gesellschaft der Musikfreunde" - zu hinterlassen. Nach Peters Tode übergibt dessen Witwe Haydns Schädel einem Arzt, der diesen dem Anatomen Carl Freiherr von Rokitansky vermacht. Dessen Söhne wiederum übergeben Haydns Cranium 1895 schließlich der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. 1953 fasst man dort den Beschluss, den Kopf mit Haydns Gebeinen in Eisenstadt zu vereinen. Am 5. Juni 1954 ist es endlich soweit: Die Überführungsfeierlichkeiten beginnen um 9.00 Uhr im Vestibül des Musikvereinsgebäudes mit der Einsegnung durch Kardinal Theodor Innitzer. Um 9.20 Uhr formiert sich ein Kondukt aus 130 Limousinen, der laut Presseberichten in flottem Tempo Wien in Richtung Eisenstadt verlässt. Auch die Wochenschau ist dabei:

Originalton Wochenschau, 1954: Eineinhalb Jahrhunderte ruhte bei den Gebeinen des großen Komponisten ein falscher Schädel. Der Richtige wurde nunmehr in einem feierlichen Trauerakt von Wien nach dem Haydn-Mausoleum in Eisenstadt überführt. Überall auf dem Wege des Trauerzuges standen Menschen in Festgewand, auch in Rohrau, dem Geburtsort Haydns. In der Bergkirche von Eisenstadt wurde der Schädel von Josef Haydn zu den anderen sterblichen Überresten gelegt und Österreichs unsterblicher Komponist fand endlich die ewige Ruhe.

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Originalton Wochenschau, 1954 (endet mit Musik)

ERZÄHLER 2019. 65 Jahre nach der feierlichen Beisetzung in Eisenstadt ist Joseph Haydn nicht allein durch seine Musik präsent, sondern auch durch seinen Geist, behauptet zumindest Márton Ràcz. Der ungarische Musiker organisiert seit vielen Jahren die Sommerkonzerte auf Schloss Eszterház.

Márton Ràcz 4 (ungarisch, VO) Oft machen wir Witze darüber, wenn manchmal die Türen während eines Konzertes im Schloss knarren. Die Musiker meinen, dass es Haydn sei, der da lausche. Vielleicht gefällt ihm ja die Musik, vielleicht aber auch nicht. Weltbekannte Künstler sind hier bereits aufgetreten, die gesagt haben, dass es hier irgendetwas gebe in diesen Wänden. Etwas, was sie sich nicht erklären können. Jedenfalls konnte noch niemand den Ort verlassen, ohne davon berührt zu werden. Natürlich gibt es auch eine andere Erklärung, wie zum Beispiel jene, dass es hier Energiestrahlen gibt. Eines ist sicher: Fürst Nikolaus ist es gelungen, dem Gebäude einen schöpferischen Zauber einzuhauchen - dieser wirkt bis heute und überträgt sich auf die Künstler. Keiner von ihnen kann hier spielen ohne ergriffen zu sein, denn diese Wände haben zuallererst Joseph Haydns Musik gehört. Haydn war ja gewissermaßen der Vater der modernen Musik. Es war für die Kulturgeschichte ein sehr wichtiger Moment, als er hier, am Ende der Welt – man nannte es das Ende Europas – in einem am Rand eines Sumpfgebietes stehenden Schlosses die Musikgeschichte für das nächsten Jahrhunderts geschrieben hat. Jeder der hierher kommt, weiß, dass er für diesen Ort eine spezielle Musik auf die Beine stellen soll, egal ob Haydn oder andere Crossover Produktionen auf dem Programm stehen. Bis heute wird hier eine andere Art Musik gespielt, als auf einem normalen Festival. Nicht nur deshalb, weil wir von Budapest oder Wien weit entfernt sind, sondern auch deshalb, weil das hier ein spezieller Ort ist – und zum Ort passend werden die Konzerte ausgesucht.

Musik (Abschiedssymphonie)

ERZÄHLER Vielleicht wird in den kommenden Jahren wieder einmal Joseph Haydns Abschiedssymphonie auf dem Programm der Sommerkonzerte auf Schloss Eszterház zu finden sein, und auf der Bühne jenes Marionettentheaters zur Aufführung kommen, für das Haydn nachweislich einige der insgesamt 23 Marionettenopern komponiert hat, wie der pensionierte Lehrer Klaus Pollheimer zu erzählen weiß:

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Pollheimer 4 Der Aufwand für diese Marionettentheateropernaufführungen war eigentlich ein sehr Großer, einerseits vom Orchester her, bei den Sängern war es begrenzt – steht in den Rechnungen immer wieder drinnen: es sind nicht mehr als vier Sänger notwendig, weil alle Sopran-Partien eben von der Sopranistin gesungen wurden. Es war nur die Herausforderung für den Komponisten, kein Duett von Sopranistinnen zu schreiben o. ä. Der Chor wurde von den gerade nicht spielenden Orchestermusikern übernommen, dazu kamen noch vier Sprecher – man traute also damals Sängern offenbar nicht zu, die gesprochenen Teile entsprechend über die Rampe zu bringen. Daher waren die Schauspieltruppen, die ja regelmäßig nach Eszterház verpflichtet worden waren, in ihrem Kontrakt ab ca. 1772/73 verpflichtet, kostenlos Sprecher für die Marionettentheateropernaufführungen zur Verfügung zu stellen. Der Gesamtaufwand von Personen, die bei einer Marionettenopernaufführung mitwirkten hinter der Bühne, auf der Bühne, oder besser gesagt über der Bühne, und unter der Bühne, betrug 30-60 Personen, d.h. etwas, was wir uns heute sehr schwer vorstellen können. D. h. 16 Musiker, vier Sänger, vier Sprecher, 6-7 Marionettenfiguren-führer, die die eigentliche Kunst beherrschen mussten, und der Rest waren entweder die Grenadiere, die Extras … Extras deswegen, weil sie mit einer Extrabelohnung bezahlt wurden. Sie bekamen sogar manchmal Kaffee, bzw. Stabenen, weil sie einfach hier verschiedene kaschierte Figuren, die nicht zu viel Kunstfertigkeit im Führen erforderten, auf die Bühne brachten, oder Kinder, die unter der Bühne kriechend für diverse Verwandlungen oder Bühnenbildänderungen sorgten, oder - wie wir es von Genovevens dritten Teil wissen - hier war ein Grenadier verpflichtet, vor der Vorstellung sechs Böller vorzubereiten, und 60 Gewehre -diese dann während der Vorstellung rhythmisch – wenn es passte – abzuschießen, mit Platzpatronen in dem Fall natürlich versehen, vor allem aber nach der Aufführung auch wieder zu putzen.

ERZÄHLER Nicht nur personell erforderten die Aufführungen im Marionettentheater einen sehr großen Aufwand, auch die Beleuchtung stellte ein ganz besonders Problem dar.

Musik (Abschiedssymphonie)

Pollheimer 3 Erstens einmal es war im Raum nie ganz dunkel. Man hätte dazu die Kerzen löschen müssen, die Kerzen bei den Notenpulten der Musiker brannten auf jeden Fall weiter, d. h. es war einerseits immer eine gewisse Helligkeit gegeben. Auf der Bühne wurden spezielle Lampen eingesetzt, es gab hier Travallier, der bei den Brüdern Cagliari in Mailand gelernt hatte, und der als Bühnenbildmaler, Bühnentechniker, als Mann für alles eigentlich eingesetzt worden ist, und der zum Beispiel sehr effiziente Möglichkeiten der Bühnenbeleuchtung nach Eszterház gebracht hat - teilweise auch

Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 47 weiter entwickelt hat – d.h. er verwendete nicht wie üblich Wachsstumpen in halben Zylindern, die auch verspiegelt waren, vor allem die Rampenbeleuchtung war ja das wichtigste … die das Licht auf die Bühne geworfen haben … er verwendete Spirituslampen - würden wir heute sagen -mit verspiegelter Rückfläche, die drehbar waren. D.h er konnte zwar nicht einen Scheinwerfer dadurch er setzen, aber doch gewisse Bereiche der Bühne im Besonderen herausheben. Die Zahl der Beleuchtung war sehr, sehr groß, bewegte sich bei einigen 100, die zur Verfügung gestanden sind, einigen 100 Lampen. Im Nachlass des Marionettentheaters wurden über 500 Kerzenstumpen gefunden, und nachdem da sehr genau Buch geführt wurde, wurden die auch im Inventar natürlich vermerkt: Die Rampenbeleuchtung bei einerseits das Wesentliche, d. h. vorn an der Rampe waren halbierte Zylinder aufgestellt, die durch die zweite Hälfte manchmal auch abgedeckt werden konnten. Dadurch wurde eine begrenzte Verdunkelung in der Pause oder … war letzten Endes möglich. Die Brandgefahr war auch deswegen sehr groß, weil ja links und rechts, hinter den perspektivisch angeordneten Kulissen, Lichterbäume waren, d. h. senkrecht stehende Holzpfosten, an denen überwiegend Wachsstumpen - manchmal auch Talgtiegel … brannten ja nicht sehr gut - angebracht waren, nicht Fackeln in unserem Sinn, die wurden im Freien zwar manchmal verwendet, aber nicht auf der Bühne. Das Licht selbst war sehr gelblich, flackernd, eigentlich sehr unruhig, hat für viele Szene natürlich eine sehr positive Atmosphäre geschaffen, passt aber in dieser Form nicht den zu jeder Szene, färbige Beleuchtungen in der Form konnte eigentlich nicht erreicht werden.

Musik (Abschiedssymphonie)

ERZÄHLER Mit der Abschiedssymphonie, die Haydn im Herbst 1772 auf Schloss Eszterház komponierte, hat es übrigens eine besondere Bewandtnis. Denn nur wenige Musiker durften Frau und Kinder mit nach Eszterház nehmen, und mussten den Sommer über fern der Familie verbringen. Als der Fürst einmal seinen Sommeraufenthalt in Eszterház bis weit in den Herbst hinein ausdehnte, begannen einige der Musiker zu rebellieren und beschwerten sich bei ihrem Vorgesetzten, dem Kapellmeister Haydn. Da jener sich aber nicht getraute, dem Fürsten das Anliegen seiner Musiker persönlich vorzutragen, griff er zu einer kleinen musikalischen List. Im Adagio des Finales hat laut Haydns kompositorischen Angaben ein Musiker nach dem anderen sein Spiel zu beenden, die Kerze seines Notenständers zu löschen, und hernach mit seinem Instrument abzugehen. Schlussendlich verblieben nur Haydn selbst und sein Konzertmeister Tomasini auf der Bühne, um die musikalische Schlusssequenz zu spielen.

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Musik (Abschiedssymphonie)

ERZÄHLER Fürst Nikolaus verstand diesen musikalischen Fingerzeig Haydns, nahm die Sache mit Humor und befahl gleich am nächsten Tag den Aufbruch nach Eisenstadt.

Musik (Abschiedssymphonie)

Absage Sie hörten: Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Von Nikolaus Scholz Es sprachen: ... Im O-Ton hörten Sie: Christian Buchner, Klaus Pollheimer, Márton Ràcz und Walter Reicher. Regie: Nikolaus Scholz Redaktion: Monika Künzel

Musik

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Musikliste

1. Stunde

Titel: Klaviertrio G-Dur, Hob XV:15 Länge: 08:21 Solist: Miklós Perényi (Violoncello); Gergely Ittzés Flöte; Péter Frankl Klavier Komponist: Joseph Haydn Label und Best.-Nr: keine

Titel: Trio für Baryton, Viola und Violoncello D-Dur, Hob XI:97 (Polonese), Länge: 02:55 Ensemble: Esterházy Ensemble Komponist: Joseph Haydn Label: Schloss Esterházy Management Best.-Nr: AT-E 38-04-01-001

Titel: Versus 3: Missetaten, die mich drücken aus: Tilge, Höchster, meine Sünden. Motette für Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo, BWV 1083/243a (Motetto a due voci, 3 stromenti e continuo) Länge: 02:33 Chor: St. Florianer Sängerknaben Orchester: Ars antiqua Austria Dirigent: Gunar Letzbor Komponist: Johann Sebastian Bach Label: TELDEC CLASSICS Best.-Nr: 425711-2

Titel: aus: Sonate Nr. 1, 2. Satz: Andante ma innocentemente in e-moll Länge: 01:25 Solist: Armin Thalheim (Clavichord) Komponist: Carl Philipp Emanuel Bach Label: CAPRICCIO Best.-Nr: 10107

Titel: Divertimento F-dur Hob. XIV/9, Allegro - Menuetto - Allegro molto Länge: 01:35 Solist: Jörg Ewald Dähler (Hammerklavier) Ensemble: Ensemble Eduard Melkus Komponist: Joseph Haydn Label: CLAVES Best.-Nr: D8202

Titel: Sinfonie Nr. 1 D-Dur, Hob I:1 Länge: 00:35 Orchester: The Hanover Band Dirigent: Roy Goodman Komponist: Joseph Haydn Label: Helios Best.-Nr: 55111

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Titel: aus: Acide Festa teatrale in einem Akt, Hob. XXVIII Nr. 1, Ouvertüre (Sinfonia) D- Dur, Hob. Ia Nr. 5 Länge: 02:18 Orchester: Haydn Sinfonietta Wien Dirigent: Manfred Huss Komponist: Joseph Haydn Label: Schwann MUSICA MUNDI Best.-Nr: 3-1723-2

Titel: Acide. Festa teatrale in einem Akt, Hob XXVIII:1, Overture: Sinfonia Länge: 02:17 Solist: Raffaella Milanesi (Sopran)(Galatea) Orchester: Haydn Sinfonietta Wien Dirigent: Manfred Huss Komponist: Joseph Haydn Label: BIS Best.-Nr: BIS-SACD-1812

Titel: aus: 2'10 Quando corpus morietur. Sopran, aus: Stabat Mater für Solisten, Chor und Orchester, Hob.XXbis, 2'10 Quando corpus morietur. Sopran, Länge: 02:09 Solisten: Patricia Rozario (Sopran); Catherine Robbin (Mezzosopran); Anthony Rolfe Johnson (); Cornelius Hauptmann (Bass) Chor: Choir of the English Concert Orchester: The English Concert Dirigent: Trevor Pinnock Komponist: Joseph Haydn Label: Archiv Produktion Best.-Nr: 429733-2

Titel: Ho vinto (Rezitativ: Rinaldo, Ubaldo, Armida, Idreno, Zelmira aus: Armida, Hob XXVIII,12 (Oper in 3 Akten) (Gesamtaufnahme), Ho vinto (Rezitativ: Rinaldo, Ubaldo, Armida, Idreno, Zelmira Länge: 01:20 Solisten: Cecilia Bartoli (Sopran)(Armida); Christoph Prégardien (Tenor)(Rinaldo); (Sopran)(Zelmira); Oliver Widmer (Bass)(Idreno); Scot Weir (Tenor)(Ubaldo) Orchester: Dirigent: Komponist: Joseph Haydn Label: TELDEC CLASSICS Best.-Nr: 8573811082

Titel: Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello. Es-Dur, KV 428/KV 421b, Länge: 07:00 Ensemble: Artis Quartett Komponist: Wolfgang Amadeus Mozart Label: Sony Classical Best.-Nr: S 3 K 46552

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2. Stunde

Titel: Sinfonie Nr 104 D-dur, Hob I,104, Länge: 02:50 Orchester: Philharmonia Baroque Orchestra Dirigent: Nicholas McGegan Komponist: Joseph Haydn Label: HARMONIA MUNDI FRANCE Best.-Nr: PBP-02

Titel: Armida Dramma eroico in 3 Akten, Hob XXVIII:12. Gesamtaufnahme, 101 Sinfonia Länge: 01:30 Orchester: Concentus Musicus Wien Dirigent: Nikolaus Harnoncourt Komponist: Joseph Haydn Label: WEA International Best.-Nr: 256464346-2

Titel: Rollen in schäumenden Wellen bewegt sich ungestüm das Meer / Arie Raphael aus: Die Schöpfung. Oratorium in 3 Teilen, Hob XXI:2, Länge: 04:16 Solist: Christian Gerhaher (Bariton)(Raphael) Chor: Arnold-Schönberg-Chor Orchester: Concentus Musicus Wien Dirigent: Nikolaus Harnoncourt Komponist: Joseph Haydn Label: DHM-Records Best.-Nr: 82876583402

Titel: aus: Quartett für Streicher in F-Dur op. 3 Nr. 5; Hob III:17, 4. Satz: Scherzando Länge: 02:14 Ensemble: Wiener Philharmonisches Streichquartett Komponist: Joseph Haydn Label: Camerata Best.-Nr: 32CM-40

Titel: Arianna a Naxos. Kantate für Sopran und Klavier, Hob XXVIb:2 (Ariadne auf Naxos) Länge: 03:12 Solist: Cecilia Bartoli (Mezzosopran); András Schiff (Klavier) Komponist: Joseph Haydn Label: Decca Best.-Nr: 440297-2

Titel: Sinfonie Nr. 92 G-Dur, Hob I,92, Länge: 02:10 Orchester: Wiener Philharmoniker Dirigent: Karl Böhm Komponist: Joseph Haydn Label: Deutsche Grammophon Best.-Nr: 4295232

Titel: Sonate für Klavier C-Dur, Hob. XVI:48 (Klaviersonate Nr. 58), Länge: 05:39 Solist: Rudolf Buchbinder (Klavier) Komponist: Joseph Haydn Label: WEA International Best.-Nr: 463782-2

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Titel: aus: Sinfonie Nr. 92 G-Dur, Hob I:92 (Menuetto), 4. Satz: Finale. Presto Länge: 05:35 Orchester: Orchestre National de la RTF Dirigent: George Szell Komponist: Joseph Haydn Label: ORFEO Best.-Nr: C 704077

3. Stunde

Titel: Andante con Variazioni für Klavier f-moll. (Un piccolo Divertimento) (Hob XVII: 6) Länge: 03:20 Solist: Paul Badura-Skoda (Klavier) Komponist: Joseph Haydn Label: Harmonia Mundi HM Best.-Nr: 30 634

Titel: Variationen über die österreichischen Nationalhymne Fassung für Klavier Länge: 04:45 Solist: Paul Badura-Skoda (Klavier) Komponist: Joseph Haydn Label: GENUIN Best.-Nr: GEN 03033

Titel: Kaiserhymne der ehemaligen Österreichisch- Ungarischen Monarchie (Nationalhymne von Österreich (1797-1918)) Länge: 01:35 Orchester: Berliner Symphoniker Dirigent: Herbert von Karajan Komponist: Joseph Haydn Label: Deutsche Grammophon Best.-Nr: 4592822

Titel: Nationalhymne (BRD); Deutschlandlied Länge: 00:35 Komponist: Joseph Haydn Label: Karussell Best.-Nr: ST 635 073

Titel: Sonate für Klavier D-Dur, Hob XVI:4, 2. Satz: Menuet - Trio Länge: 02:20 Solist: Rudolf Buchbinder (Klavier) Komponist: Joseph Haydn Label: WEA International Best.-Nr: 256469620-6

Titel: Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde aus: Die Schöpfung. Oratorium in 3 Teilen für Soli, Chor und Orchester, Hob XXI:2, ... Und es ward Licht / Rez. Raphael Chor, Uriel Länge: 01:30 Solist: Malin Hartelius (Sopran)(Gabriel); Lothar Odinius (Tenor)(Uriel); Anton Scharinger (Baß)(Raphael); Malin Hartelius (Sopran)(Eva) Chor: Chorgemeinschaft Neubeuern Orchester: Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken Dirigent: Enoch zu Guttenberg Komponist: Joseph Haydn Label: FARAO Classics Best.-Nr: B 108025

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Titel: aus: Requiem d-Moll für Soli, Chor und Orchester, KV 626, Confutatis maledictis Länge: 02:22 Chor: Monteverdi Choir London Ensemble: English Baroque Soloists Dirigent: Komponist: Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Xaver Süßmayr Label: Philips Best.-Nr: 420197-2

Titel: aus: Sinfonie fis-Moll, Hob I:45, 4. Satz: Finale. Presto - Adagio Länge: 06:42 Orchester: Concentus musicus Wien Dirigent: Nikolaus Harnoncourt Komponist: Joseph Haydn Label: TELDEC Best.-Nr: 244198-2

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