Eine Lange Nacht Über Joseph Haydn
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Autor: Nikolaus Scholz Redaktion: Dr. Monika Künzel Regie: Nikolaus Scholz Sprecher*innen: Dörte Lyssewski Erzählerin Michael Dangl Zitate Haydn Markus Hering Zitate Markus Meyer Zitate Katharina Stemberger Zitate Sendetermin: 25. Mai 2019 Deutschlandfunk Kultur 25./26. Mai 2019 Deutschlandfunk ___________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung) ZITAT Haydn Wenn ich an Gott denke, ist mein Herz so voll Freude, dass mir die Noten wie von der Spule laufen. KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung) ERZÄHLER Schloss Eszterház – eine der prächtigsten Rokoko-Schlossanlagen Europas am Ortsrand der westungarischen Stadt Fertöd Anfang März 2019. Während am Abendhimmel die letzten fahlen Lichtschleier den Wettstreit gegen die Dunkelheit verlieren, tauchen Scheinwerfer die Bühne des einstigen Marionettentheaters des Schlosses in grelles Licht. In der Mitte der Bühne ein Steinway-Flügel. Gergely Ittzés an der Querflöte, Miklós Perényi am Violoncello und Péter Frankl am Flügel spielen zum Auftakt der Frühlingskonzerte auf Schloss Eszterház Josef Haydn’s Klaviertrio Nr. 29 in G-Dur, das der österreichische Komponist im Jahr 1790 zu Papier brachte. KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung) ERZÄHLER In den kommenden drei Stunden dieser Langen Nacht tauchen wir ein in die musikalische Lebenswelten eines österreichischen Komponisten der Frage Wiener Klassik: Franz Joseph Haydn, geboren am 31. März 1732 im niederösterreichischen Dorf Rohrau als zweites von insgesamt zwölf Kindern. Ein Komponist, den selbst Wolfgang Amadeus Mozart hoch verehrte. Ein Musiker, der unermüdlich mit neuen Kompositionstechniken experimentierte, durchdrungen von einer leidenschaftlichen Musiksprache und gewagten Harmonien. Ein Mensch, dessen Leben nicht nur von der Musik geprägt war, sondern auch von den amourösen Leidenschaften seines Herzens. KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung) ERZÄHLER Wir schreiben das Jahr 1772. In Österreich regiert Maria Theresia gemeinsam mit ihrem Sohn Josef II die habsburgischen Länder, zu denen das Erzherzogtum Österreich, die Länder der böhmischen Krone, die österreichischen Niederlande Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 2 sowie das Königreich Ungarn gehört. 10 Jahre ist es nun her, dass Fürst Nikolaus I., genannt der „Prachtliebende“, den Umbau eines kleinen Jagdschlosses Süttör am Südufer des Neusiedlersees in Auftrag gegeben hat. Er ist der Spross einer der mächtigsten ungarischen Fürstenfamilien jener Zeit. Sein ehrgeiziges wie kostspieliges Unterfangen: eine prachtvolle und weitläufige Sommerresidenz zu realisieren, eine Art Märchenschloss, das in seinem Glanz dem französischen Versailles um nichts nachstehen soll. Um das kühne Vorhaben realisieren zu können, muss erst das umliegende, ausgedehnte Sumpfgebiet trockengelegt werden. Fürst Nikolaus I. scheut weder Kosten noch Mühen, seine architektonische Vision in die Realität umsetzen zu lassen. Der Bau des Schlosses und seiner opulenten Gartenanlage wird schlussendlich nicht weniger als 12 Millionen Gulden kosten - auf heutige Verhältnisse übertragen eine astronomische Summe. ZITAT Was die Pracht des Orts ungemein erhöht, ist der Abstich desselben mit der umliegenden Gegend. Öder und trauriger lässt sich‘s nicht denken. Der Neusiedler See, wovon das Schloss nicht weit entfernt ist, macht meilenlange Moräste, und droht alles Land, bis an die Wohnung des Fürsten hin, mit der Zeit zu verschlingen, wie er denn schon ungeheure Felder, die angebaut waren, und den ergiebigsten Boden hatten, verschlungen hat. Die Bewohner dieses angrenzenden Landes sehen größtenteils wie Gespenster aus, und werden fast alle Frühjahr von kalten Fiebern geplagt. Man will berechnet haben, dass der Fürst mit der Hälfte des Geldes, welches er auf seinen Garten verwendet, nicht nur die Moräste hätte austrocknen, sondern auch noch einmal so viel Land dem See entreißen können. Da der Zufluss des Sees immer häufiger und der Ausfluss geringer wird, so ist die Gefahr, womit das sehr niedrige Land bedroht wird, wirklich sehr groß. Es käme nur darauf an, durch einen Kanal das überflüssige Wasser in die Donau abzuleiten, welche Unternehmung die Kräfte des Fürsten eben nicht übersteigt, und ihm in den Augen gewisser Leute mehr Ehre machen würde, als sein prächtiger Garten. Auf der anderen Seite des Schlosses braucht man keine Tagereise zu machen, um Kalmüken, Hottentotten, Iroken, und Leute von Terra del Funego in ihren verschiedenen Beschäftigungen und Situationen beisammen zu sehen. KLAVIERTRIO G-DUR, HOB. XV (Ittzés, Perényi, Frankl / Originaleinspielung) ERZÄHLER Nein – Fürst Nikolaus will keine Kriege führen, im Gegenteil. Er will feiern und musizieren - mit Pauken und Trompeten, wenn es sein muss. Im Juli 1772 lässt er anlässlich des Besuches des französischen Botschafters in Wien, des Kardinals Prinz Louis René Edouard von Rohan, prunkvolle Festlichkeiten in seinem nahezu fertiggestellten Schloss Eszterház ausrichten. Gleich am Ankunftstag überraschte Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 3 der Fürst seinen hohen Gast mit einer Theater- und Ballettaufführung, sowie mit einem prächtigen Souper samt Feuerwerk im Garten des Schlosses. ATMO (Feuerwerk) + MUSIK ERZÄHLER Der nächste Tag gestaltet sich nicht weniger abwechslungsreich. Nach einer gemeinsamen Jagd trifft sich die illustre Gesellschaft im Theater, um eine Tragödie zu sehen, um danach einem Konzert zu lauschen. Zum Ausklang des Tages wird ein abermaliges Souper ausgerichtet samt opulentem Gartenfest, bei welchem extra ein ganzes Dorf mit Kirchtürmen und Verkaufsbuden errichtet wird, in dem die herrschaftlichen Gäste lustwandeln und Preziosen kaufen können. Eine gesangliche Darbietung mit Liebesliedern und ein Maskenball beschließen den zweiten Tag. Am dritten Tag werden erneut Theateraufführungen gegeben und abends ein Volksfest im Park des Schlosses inszeniert, bei dem der Fürst 2000 Bauern in extra hierfür angefertigte Fantasiekostüme steckt. Sie haben die Aufgabe, den geladenen Gästen schmausend und trinkend zuzujubeln. Erst am vierten Tag findet das Fest seinen krönenden Abschluss: mit einer Hirschjagd im Tierpark von Eszterház, einer Entenjagd am Neusiedler See und weiteren zwei Theater-vorstellungen. Prinz Edouard von Rohan äußert sich begeistert: ZITAT In Eszterház habe ich Versailles wiedergefunden. ERZÄHLER Haydn selbst hat in diesen Sommertagen des Jahres 1772 alle Hände voll zu tun, ist er doch als Oberkapellmeister für den reibungslosen Ablauf der musikalischen Darbietungen zuständig. Er trägt dabei - wie alle Angestellten des Fürsten - vorschriftsmäßig seine Dienstuniform. Sie besteht aus einem lichtblauen, silberverschnürten Frack, gestickter Halskrause, Kniehosen, Schnallenschuhen und Degen. Bei den Vorbereitungen zu den musikalischen Darbietungen auf Schloss Eszterház kann er stets mit der vollen Unterstützung seines Dienstgebers rechnen, der wie sein Bruder Paul Anton selbst ein musikaffiner Hocharistokrat ist. Die ungarische Familie Esterházy war seit je her musikliebend, und ihre Bereitschaft die Künste zu fördern, bestand schon lange vor Haydns Zeit. Bereits ihr Ahnherr Graf Nikolaus, der von 1583 bis 1645 lebte und durch reiche Erbschaften und kluge Heiratspolitik den Aufstieg seiner bis dahin unbedeutenden Kleinadelsfamilie zu einem führenden Magnatengeschlecht seiner Zeit in die Wege leitete, leistete sich eine eigene Musikkapelle. Diese kam zunächst nur für Kirchenmusik zum Einsatz, spielte aber danach auch bei der fürstlichen Tafel oder bei Aufführungen des Jesuitentheaters in Ödenburg. Auch Fürst Nikolaus I – ein Urenkel des Meine Sprache versteht die ganze Welt Eine Lange Nacht über Joseph Haydn Seite 4 gleichnamigen Grafen - hat die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt bekommen. Mit Leidenschaft weiß er das Baryton zu spielen, ein Streichinstrument in Größe und Stimmung einer Gambe. Daneben auch das Cello. Um die Leidenschaft des Fürsten für sein Lieblingsinstrument zu befriedigen, komponiert Haydn in den darauffolgenden Jahren etwa 150 Werke allein für das Baryton. MUSIK (Baritontrio No. 39 in D, 2:55) ZITAT Haydn Mein Fürst war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich erhielt Beifall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck hervorbringt, und was ihn schwächt, also verbessern, zusetzen, wegschneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert, Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen, und so musste ich original werden. MUSIK (Baritontrio No. 39 in D, 2:55) ERZÄHLER 33 Jahre zuvor bezaubert der 7jährige Joseph Haydn seine Zuhörer allein durch den reinen Klang und die schöne Intonation seines Gesanges. So wird auch Johann Georg Reutter, der als Kapellmeister die Musik in der Wiener Stephanskirche dirigiert, auf den Knaben aufmerksam. Die Kapelle des Stephansdomes bestand damals neben Kapellmeister, Vizekapellmeister und