Stichworte zur Sicherheitspolitik

Nr. 9 / 10 September / Oktober 2011

Inhalt:

VEREINTE NATIONEN ...... 5

Resolution 2005 (2011) verabschiedet auf der 6611. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (Sierra Leone) ...... 5

Resolution 2006 (2011) verabschiedet auf der 6612. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (Ruanda) ...... 9

Resolution 2007 (2011) verabschiedet auf der 6613. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (ISt GH – ehem. Jugoslawien) ...... 10

Resolution 2008 (2011) verabschiedet auf der 6619. Sitzung des Sicherheitsrats am 16. September 2011 (Liberia) ...... 11

Resolution 2009 (2011) verabschiedet auf der 6620. Sitzung des Sicherheitsrats am 16. September 2011 (Libyen) ...... 15

Resolution 2010 (2011) verabschiedet auf der 6626. Sitzung des Sicherheitsrats am 30. September 2011 (Somalia) ...... 21

Resolution 2011 (2011) verabschiedet auf der 6629. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Oktober 2011 () ...... 29

Resolution 2012 (2011) verabschiedet auf der 6631. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. Oktober 2011 (Haiti) ...... 37

Resolution 2013 (2011) verabschiedet auf der 6632. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. Oktober 2011 (Ruanda) ...... 45

Resolution 2014 (2011) verabschiedet auf der 6634. Sitzung des Sicherheitsrats am 21. Oktober 2011 (Jemen) ...... 46

Resolution 2015 (2011) verabschiedet auf der 6635. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. Oktober 2011 (Somalia) ...... 49

Resolution 2016 (2011) verabschiedet auf der 6640. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Oktober 2011 (Libyen) ...... 54

- 1 - Resolution 2017 (2011) verabschiedet auf der 6644. Sitzung des Sicherheitsrats am 31. Oktober 2011 (Libyen) ...... 57

Resolution 2018 (2011) verabschiedet auf der 6645. Sitzung des Sicherheitsrats am 31. Oktober 2011 (Golf von Guinea) ...... 59

INTERNATIONALE / EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK ...... 62

Interview mit Bundesaußenminister , erschienen im General- Anzeiger Bonn vom 05. September 2011 ...... 62

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Deutschen anlässlich der Beratungen zum Haushalt des Auswärtigen Amts am 07. September 2011 ...... 63

Rede von Bundeskanzlerin anlässlich der Festveranstaltung „50 Jahre Bergedorfer Gesprächskreis“ der Körber-Stiftung am 09. September 2011 in Berlin ...... 69

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit n-tv am 09. September 2011 ..... 76

Gastbeitrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle in der Frankfurter Rundschau am 10. September 2011 ...... 79

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Internationalen Friedenstreffens am 12. September 2011 in München ...... 81

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der „Welt am Sonntag“, erschienen am 25. September 2011 ...... 87

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor der 66. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 26. September 2011 in New York ...... 89

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Festakts „60 Jahre Bundesverfassungsgericht" am 28. September 2011 in Karlsruhe ...... 93

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle beim Afrikaverein am 29. September 2011 in Berlin (englisch) ...... 96

Grußwort von Bundesaußenminister Guido Westerwelle zum 03. Oktober 2011 .. 98

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor Studierenden der Universität Leiden am 04. Oktober 2011in Den Haag ...... 99

Namensbeitrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle für die „Bild“ am 07. Oktober 2011 ...... 103

Interview des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Michael Steiner, mit dem Deutschlandradio Kultur, am 07. Oktober 2011 ...... 104

- 2 - Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Parlament der Mongolei am 13. Oktober 2011 in Ulan Bator ...... 106

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel am 26. Oktober 2011 vor dem Deutschen Bundestag ...... 108

DEUTSCHLAND / ...... 117

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière vor dem Deutschen Bundestag zum Etat des Bundesverteidigungsministeriums am 07. September 2011 ...... 117

Rede von Staatsminister vor dem Bundestag zur weiteren deutschen Beteiligung an der VN-Mission in Südsudan (UNMISS) am 21. September 2011 ...... 121

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière zum Wehrbeauftragtenbericht 2010 am 22. September 2011 ...... 123

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz am 30.September 2011 (EinsatzVVerbG) ...... 124

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière anlässlich der 8. Handelsblatt Konferenz am 25. Oktober 2011 in Berlin ...... 126

Rede des Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière zum Stationierungskonzept vor der Bundespressekonferenz am 26. Oktober 2011 in Berlin ...... 135

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- 4 - VEREINTE NATIONEN

Resolution 2005 (2011) verabschiedet auf der 6611. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (Sierra Leone)

Der Sicherheitsrat,

a) unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen und die Erklärungen seines Präsidenten zur Situation in Sierra Leone, insbesondere Resolution 1941 (2010),

b) unter Begrüßung des Berichts des Generalsekretärs vom 2. September 2011 (S/2011/554) und Kenntnis nehmend von seiner Empfehlung, das Mandat des Integrierten Büros der Vereinten Nationen für die Friedenskonsolidierung in Sierra Leone (UNIPSIL) um einen Zeitraum von einem Jahr zu verlängern, mit dem Ziel, die Regierung Sierra Leones bei der Friedenskonsolidierung weiter zu unterstützen, namentlich bei den Vorbereitungen für die Wahlen im Jahr 2012,

c) unter Begrüßung der laufenden Vorbereitungen für die 2012 abzuhaltenden landesweiten und kommunalen Wahlen und unter Hervorhebung der wichtigen Rolle der Regierung und der internationalen Gemeinschaft bei den fortlaufenden Bemühungen, durch die Stärkung der nationalen Wahl- und demokratischen Institutionen, die Gewährleistung der Sicherheit, die Sicherstellung des politischen Zugangs der Kandidaten zu allen Regionen des Landes, die Bereitstellung von Foren für Vermittlung und Dialog und die Sicherung der Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses ein für die Abhaltung friedlicher, transparenter, freier und fairer Wahlen günstiges Umfeld zu fördern und so zur institutionellen Entwicklung und anhaltenden Stabilität des Landes beizutragen,

d) eingedenk der Anstrengungen, die die Vereinten Nationen unternehmen, um der Regierung bei der Bewältigung der Kapazitätsprobleme der nationalen Wahlinstitutionen behilflich zu sein, und feststellend, dass sich aufgrund der politischen, sicherheitsbezogenen, sozioökonomischen und humanitären Herausforderungen die Spannungen während der Vorbereitungen und im Vorfeld der Wahlen 2012 in Sierra Leone verschärfen könnten,

e) unter Begrüßung der laufenden Umsetzung des Gemeinsamen Kommuniqués vom 2. April 2009 durch die politischen Parteien, einschließlich der Anstrengungen, politische Gewalt unter den Jugendlichen zu verhindern und eine größere politische Teilhabe der Frauen zu fördern, und unterstreichend, dass die politischen Parteien die vollständige Umsetzung seiner Bestimmungen beschleunigen und sicherstellen müssen, dass ihre Anhänger den Verhaltenskodex für politische Parteien einhalten und in ihrer Entschlossenheit zur dauerhaften Einstellung der politischen Gewalt in Sierra Leone nicht nachlassen,

- 5 - f) unter Begrüßung der von der Regierung erzielten stetigen Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda für den Wandel, insbesondere der im Hinblick auf die Stärkung der staatlichen Kontrolle über die natürlichen Ressourcen und die Bekämpfung der Korruption unternommenen Schritte, und Kenntnis nehmend von den Herausforderungen, die im Rahmen der nationalen Friedenskonsolidierungsstrategie der Regierung noch zu bewältigen sind, und von den zu diesem Zweck unternommenen Anstrengungen, g) in Anbetracht der durch den unerlaubten Drogenhandel, die Korruption und die Jugendarbeitslosigkeit verursachten Herausforderungen, unter Begrüßung der im Rahmen der Initiative „Westafrikanische Küste“ erzielten Fortschritte, insbesondere der Schaffung der Einheit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, die gegen das wachsende Problem des unerlaubten Drogenhandels, der organisierten Kriminalität und des Drogenmissbrauchs in Sierra Leone vorgehen soll, und in Anerkennung der koordinierten Anstrengungen, die die internationalen Entwicklungspartner unternehmen, um die Herausforderung der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen, h) betonend, wie wichtig die anhaltende integrierte Unterstützung des Systems der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft für den langfristigen Frieden und die langfristige Sicherheit und Entwicklung Sierra Leones ist, i) in Würdigung des wertvollen Beitrags, den das UNIPSIL zu den Friedenskonsolidierungsmaßnahmen in Sierra Leone geleistet hat, und der weiteren Fortschritte, die es gemeinsam mit dem Landesteam der Vereinten Nationen dabei erzielt hat, die in der Gemeinsamen Vision der Vereinten Nationen vorgesehene Zusammenführung des politischen, des entwicklungsbezogenen und des humanitären Mandats zu erreichen, alle Institutionen der Vereinten Nationen in Sierra Leone ermutigend, die Gemeinsame Vision weiter umzusetzen, und mit der Aufforderung an die bilateralen und multilateralen Partner Sierra Leones, die notwendigen Mittel zur Umsetzung der Gemeinsamen Vision bereitzustellen, j) betonend, dass die Wahlen 2012 und die breite Akzeptanz des Ergebnisses ein wichtiger Meilenstein für die Festigung des Friedens und der Sicherheit in Sierra Leone sein werden, was bei der Festlegung des Übergangs von dem UNIPSIL zu einem Landesteam der Vereinten Nationen hilfreich sein dürfte, k) in Anerkennung der Rolle, die die Kommission für Friedenskonsolidierung und der Friedenskonsolidierungsfonds bei der Unterstützung der Friedenskonsolidierungsbemühungen in Sierra Leone wahrnehmen, l) mit dem erneuten Ausdruck seiner Anerkennung für die Arbeit des Sondergerichtshofs für Sierra Leone, betonend, wie wichtig das Verfahren des Gerichtshofs gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor ist, unter Begrüßung des Abschlusses aller anderen Fälle sowie der wirksamen Informationsarbeit über die Verfahren auf lokaler Ebene, erneut seiner Erwartung Ausdruck gebend, dass der Gerichtshof seine Arbeit, einschließlich aller Fälle von Missachtung des Gerichts, so bald wie möglich

- 6 - abschließen wird, und die Mitgliedstaaten auffordernd, großzügige Beiträge für den Gerichtshof und den Sondergerichtshof für die Residualaufgaben zu leisten,

m) unter Hinweis darauf, dass die Verantwortung für die Kontrolle des Umlaufs von Kleinwaffen und leichten Waffen innerhalb des Hoheitsgebiets Sierra Leones sowie zwischen Sierra Leone und den Nachbarstaaten im Einklang mit dem Übereinkommen der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten von 2006 über Kleinwaffen und leichte Waffen bei den zuständigen staatlichen Behörden liegt, und begrüßend, dass der nationale Aktionsplan zu Kleinwaffen auf den Weg gebracht wurde,

n) die von der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten wahrgenommene Rolle begrüßend und den Mitgliedstaaten der Mano-Fluss-Union und anderer Regionalorganisationen nahelegend, ihren Dialog zur Konsolidierung des Friedens und der Sicherheit in der Region fortzusetzen,

1. beschließt, das in Resolution 1941 (2010) festgelegte Mandat des UNIPSIL bis zum 15. September 2012 zu verlängern;

2. betont, wie wichtig es ist, dass das UNIPSIL und das Landesteam der Vereinten Nationen im Rahmen ihres jeweiligen Mandats zusammen die in der Gemeinsamen Vision festgelegten Ziele erreichen, namentlich mit dem Schwerpunkt darauf,

i. die Regierung Sierra Leones und ihre Wahl- und demokratischen Institutionen entsprechend ihrem Ersuchen bei den Vorbereitungen für die Wahlen 2012 zu unterstützen und allen maßgeblichen Akteuren technische Hilfe bereitzustellen, damit sie im Einklang mit den einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine sinnvolle Rolle bei der Herbeiführung friedlicher, glaubwürdiger und demokratischer Wahlen wahrnehmen können;

ii. bei den Maßnahmen zur Konfliktprävention und -milderung Hilfe zu gewähren und den Dialog zwischen den politischen Parteien, der Regierung und allen maßgeblichen Akteuren zu fördern;

iii. der Regierung und den nationalen Institutionen bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit behilflich zu sein, namentlich durch die Unterstützung von Ausbildungs-, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen;

iv. der Regierung und den nationalen Institutionen bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Sierra Leones für Frauen, Frieden und Sicherheit behilflich zu sein, namentlich durch die Förderung des vom UNIPSIL und vom Landesteam der Vereinten Nationen verfolgten viergliedrigen Konzepts für den Umgang mit Geschlechterfragen;

v. der Regierung dabei Hilfe zu gewähren, eine gute Regierungsführung, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte zu fördern, namentlich eine Reform der Institutionen, den unerlaubten Drogenhandel und die

- 7 - organisierte Kriminalität zu bekämpfen, die Korruption zu bekämpfen, die Menschenrechtskommission zu unterstützen und bei der Stärkung der nationalen Kapazitäten in den Bereichen Gesetzesvollzug, Forensik, Grenzmanagement und Geldwäsche sowie der Stärkung der Strafjustizinstitutionen behilflich zu sein;

3. fordert die Regierung Sierra Leones, alle politischen Parteien sowie alle anderen Akteure, insbesondere die Zivilgesellschaft in Sierra Leone, auf, zu einer Atmosphäre der politischen Toleranz und der friedlichen Koexistenz beizutragen und ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu dem demokratischen Prozess unter Beweis zu stellen und so dafür zu sorgen, dass die Wahlen 2012 friedlich, transparent, frei und fair sind;

4. fordert die Behörden Sierra Leones auf, alle offenen Fragen im Hinblick auf die wahlrechtlichen Rahmenbedingungen zu regeln;

5. fordert die Regierung nachdrücklich auf, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um einen regelmäßigen, alle Seiten einschließenden und konstruktiven parteipolitischen Dialog über alle wichtigen nationalen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen zu führen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf der Festlegung der für den künftigen Frieden und die künftige Entwicklung Sierra Leones erforderlichen Prioritäten und Meilensteine liegt;

6. ermutigt den Exekutivbeauftragten des Generalsekretärs, zusätzlich zu den bereits erzielten Fortschritten weiter auf eine verbesserte Integration und Wirksamkeit der Anstrengungen hinzuwirken, die die Vereinten Nationen vor Ort unternehmen, um die Umsetzung der Gemeinsamen Vision in Sierra Leone sowie die Wiederaufbau- und Entwicklungsprioritäten der Regierung und des Volkes von Sierra Leone zu unterstützen;

7. fordert den Generalsekretär auf, auch weiterhin darüber Bericht zu erstatten, welche Fortschritte bei der Erfüllung der Kriterien erzielt wurden, namentlich bei der Unterstützung der Fähigkeit der wichtigen nationalen Institutionen, Konfliktursachen angemessen anzugehen und politische Streitigkeiten selbst zu regeln, wie von der Regierung und den Vereinten Nationen im Rahmen der Gemeinsamen Vision für Sierra Leone im Hinblick auf den Übergang von dem UNIPSIL zu einem Landesteam der Vereinten Nationen vereinbart;

8. betont, dass die Regierung Sierra Leones die Hauptverantwortung für die Friedenskonsolidierung, die Sicherheit und die langfristige Entwicklung in dem Land trägt, legt der Regierung Sierra Leones nahe, die Agenda für den Wandel weiter umzusetzen, und legt den internationalen Partnern nahe, die Regierung weiter zu unterstützen;

9. fordert die Regierung Sierra Leones auf, mit Unterstützung des UNIPSIL, der Entwicklungspartner und aller anderen Akteure in dem Land verstärkte Anstrengungen zur Bekämpfung der Korruption, zur Verbesserung der Rechenschaftslegung und zur Förderung der Entwicklung des Privatsektors mit dem Ziel der Schaffung von Wohlstand und Beschäftigungsmöglichkeiten zu unternehmen, die Reform der Regierungsführung fortzusetzen, indem sie die Kommission zur Bekämpfung der Korruption und das Ministerium für Bergbau und mineralische Ressourcen bei der Schaffung erhöhter Transparenz und bei

- 8 - der besseren Bewirtschaftung der natürlichen und mineralischen Ressourcen Sierra Leones zum Nutzen aller Sierraleoner und zur Minderung des Risikos von Konflikten um diese Ressourcen unterstützt, die Anstrengungen im Kampf gegen den unerlaubten Drogenhandel durch die Stärkung der Einheit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu intensivieren und die Menschenrechte zu fördern, namentlich durch die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für Wahrheit und Aussöhnung und der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Sierra Leones;

10. legt der Kommission für Friedenskonsolidierung nahe, die Regierung Sierra Leones und das UNIPSIL bei den Vorbereitungen für die Wahlen 2012, namentlich in Bezug auf die mögliche Mobilisierung der Unterstützung durch die internationalen Partner, und bei der Umsetzung der Agenda der Regierung für den Wandel und der Strategie der Vereinten Nationen zur Verwirklichung der Gemeinsamen Vision zu unterstützen und in dieser Hinsicht den Rat zu beraten und unterrichtet zu halten, so auch nach Bedarf über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Kernziele der Friedenskonsolidierung;

11. lobt die Regierung dafür, dass sie die wichtige Rolle der Frauen bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung anerkennt, bekräftigt die Wichtigkeit geeigneter Sachkenntnisse und Schulungen betreffend Geschlechterfragen in den Missionen, denen der Sicherheitsrat ein Mandat erteilt hat, im Einklang mit den Resolutionen 1325 (2000) und 1889 (2009), unterstreicht, dass die Regierung weitere Anstrengungen zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Einklang mit den Resolutionen 1820 (2008), 1888 (2009) und 1960 (2010) unternehmen soll, und legt dem UNIPSIL nahe, auf diesem Gebiet mit der Regierung Sierra Leones weiter zusammenzuarbeiten;

12. ersucht den Generalsekretär, den Rat alle sechs Monate über die Fortschritte bei der Durchführung des Mandats des UNIPSIL und dieser Resolution unterrichtet zu halten;

13. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2006 (2011) verabschiedet auf der 6612. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (Ruanda)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolution 1774 (2007) vom 14. September 2007, eingedenk des Artikels 15 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, nach Prüfung des Vorschlags des Generalsekretärs, Herrn Hassan Bubacar Jallow erneut zum Ankläger des Gerichtshofs zu ernennen (S/2011/561),

- 9 - daran erinnernd, dass der Gerichtshof in Resolution 1966 (2010) vom 22. Dezember 2010 aufgefordert wurde, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um seine gesamte verbleibende Arbeit wie in der genannten Resolution vorgesehen spätestens bis zum 31. Dezember 2014 abzuschließen, beschließt, Herrn Hassan Bubacar Jallow ungeachtet des Artikels 15 Absatz 4 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, der die Amtszeit des Anklägers regelt, mit Wirkung vom 15. September 2011 für eine am 31. Dezember 2014 endende Amtszeit erneut zum Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda zu ernennen, unter dem Vorbehalt, dass der Sicherheitsrat diese Amtszeit früher beenden kann, sobald der Gerichtshof seine Arbeit abgeschlossen hat.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2007 (2011) verabschiedet auf der 6613. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. September 2011 (ISt GH – ehem. Jugoslawien)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolution 1786 (2007) vom 28. November 2007, eingedenk des Artikels 16 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, nach Prüfung des Vorschlags des Generalsekretärs, Herrn Serge Brammertz erneut zum Ankläger des Gerichtshofs zu ernennen (S/2011/566), daran erinnernd, dass der Gerichtshof in Resolution 1966 (2010) vom 22. Dezember 2010 aufgefordert wurde, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um seine gesamte verbleibende Arbeit wie in der genannten Resolution vorgesehen spätestens bis zum 31. Dezember 2014 abzuschließen, beschließt, Herrn Serge Brammertz ungeachtet des Artikels 16 Absatz 4 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, der die Amtszeit des Anklägers regelt, mit Wirkung vom 1. Januar 2012 für eine am 31. Dezember 2014 endende Amtszeit erneut zum Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien zu ernennen, unter dem Vorbehalt, dass der Sicherheitsrat diese Amtszeit früher beenden kann, sobald der Gerichtshof seine Arbeit abgeschlossen hat.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 10 - Resolution 2008 (2011) verabschiedet auf der 6619. Sitzung des Sicherheitsrats am 16. September 2011 (Liberia)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolutionen und die Erklärungen seines Präsidenten betreffend die Situation in Liberia und der Subregion, insbesondere seine Resolutionen 1971 (2011), 1938 (2010), 1885 (2009), 1836 (2008) und 1509 (2003), unter Begrüßung des Berichts des Generalsekretärs vom 5. August 2011 (S/2011/497) und von den darin enthaltenen Empfehlungen Kenntnis nehmend, die Anstrengungen begrüßend, die die Regierung Liberias unternimmt, um die nationale Aussöhnung und die wirtschaftliche Erholung zu fördern, die Korruption zu bekämpfen und Effizienz und eine gute Regierungsführung zu fördern, insbesondere die Maßnahmen zur Verstärkung der staatlichen Kontrolle über die natürlichen Ressourcen, mit Besorgnis Kenntnis nehmend von den schleppenden Fortschritten in der wichtigen Frage der Bodenreform und mit der eindringlichen Forderung nach verstärkten Anstrengungen zur Erzielung von Fortschritten bei der Übertragung der Sicherheitsaufgaben von der Mission der Vereinten Nationen in Liberia (UNMIL) auf die nationalen Behörden, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Kapazitäten und Fähigkeiten der Nationalpolizei Liberias, und bei der Konsolidierung der staatlichen Autorität im gesamten Hoheitsgebiet, in der Erkenntnis, dass für eine dauerhafte Stabilität in Liberia und in der Subregion gut funktionierende und tragfähige staatliche Institutionen, namentlich im Bereich der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit, erforderlich sein werden, in Würdigung der sowohl von der Regierung als auch dem Volk Liberias geleisteten Hilfe für die vorübergehend in den Osten Liberias umgesiedelten Flüchtlinge, im Hinblick darauf, dass das Mandat der UNMIL die Aufgabe einschließt, der Regierung Liberias dabei behilflich zu sein, den Frieden und die Stabilität mit nationalen Institutionen zu festigen, die in der Lage sind, unabhängig von einer Friedenssicherungsmission die Sicherheit und die Stabilität aufrechtzuerhalten und die künftige Stabilität Liberias zu gewährleisten, unter Hinweis auf die Übergangskriterien für die Abbauphase der UNMIL, einschließlich der Schlüsselkriterien für die Nationalpolizei Liberias und die nationale Sicherheitsstrategie, unter Begrüßung der erzielten Fortschritte und feststellend, dass die Planung für den Prozess der Übertragung der Sicherheitsaufgaben, der voraussichtlich Mitte 2012 einsetzen wird, rascher voranschreiten muss, betonend, dass die erfolgreiche Abhaltung rascher, glaubhafter, alle einbeziehender und friedlicher Wahlen im Einklang mit der Verfassung und den anwendbaren internationalen Normen eine wesentliche Voraussetzung für die Festigung der Demokratie, die nationale Aussöhnung und die Wiederherstellung eines stabilen, friedlichen und sicheren Umfelds ist, in dem die Stabilisierung und die sozioökonomische Entwicklung in Liberia voranschreiten können, und unter Betonung der Notwendigkeit, eine hohe Wahlbeteiligung und die Beteiligung der Frauen am Wahlprozess zu fördern,

- 11 - Kenntnis nehmend von der Empfehlung des Generalsekretärs, nach dem Amtsantritt der gewählten Regierung im Jahr 2012 eine technische Bewertungsmission nach Liberia zu entsenden, die detaillierte Vorschläge für die nächsten Stufen des Abbaus der UNMIL sowie für die Übertragung der Sicherheitsaufgaben von der UNMIL an die nationalen Behörden ausarbeiten wird, unter Begrüßung des Beitrags der Kommission für Friedenskonsolidierung zur Reform des Sicherheitssektors, zur Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit und zur nationalen Aussöhnung und feststellend, dass es in diesen Schlüsselbereichen immer noch Probleme gibt, in der Erkenntnis, dass es in allen Sektoren nach wie vor erhebliche Probleme gibt, darunter auch die anhaltende Gewaltkriminalität, und feststellend, dass die Instabilität in Côte d’Ivoire nach wie vor grenzüberschreitende Sicherheitsprobleme für Liberia und Côte d’Ivoire aufwirft, mit Besorgnis Kenntnis nehmend von den Bedrohungen für die Stabilität in der Subregion, einschließlich Liberias, insbesondere denjenigen, die vom unerlaubten Drogenhandel, der organisierten Kriminalität und von illegalen Waffen ausgehen, mit Lob für die Arbeit der UNMIL, unter der Leitung der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, und für den bedeutenden Beitrag, den sie nach wie vor zur Wahrung des Friedens und der Stabilität in Liberia leistet, und mit Befriedigung Kenntnis nehmend von der engen Zusammenarbeit zwischen der UNMIL und der Operation der Vereinten Nationen in Côte d’Ivoire (UNOCI) sowie mit den Nachbarregierungen bei der Koordinierung der Sicherheitsaktivitäten in den Grenzgebieten der Subregion, unter Begrüßung der Anstrengungen des Generalsekretärs, alle Friedenssicherungseinsätze, einschließlich der UNMIL, weiter aufmerksam zu verfolgen, und erneut erklärend, dass der Rat einen rigorosen, strategischen Ansatz für Friedenssicherungseinsätze verfolgen muss, mit dem Ausdruck seines Dankes für die fortgesetzte Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft, der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten und der Afrikanischen Union, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, besorgt über die weite Verbreitung der sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt, unter Begrüßung der fortgesetzten Anstrengungen der UNMIL und der Regierung Liberias zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Zivilpersonen, insbesondere Frauen und Kindern, und bekräftigend, wie wichtig geeignete Sachkenntnisse und Schulungen betreffend Geschlechterfragen in den vom Sicherheitsrat eingerichteten Missionen sind, in Ermutigung der Anstrengungen, dafür zu sorgen, dass innerhalb der UNMIL ausreichende Mitarbeiter, Kapazitäten und Fachkenntnisse vorhanden sind, um Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte und zur Überwachung ihrer Einhaltung durchführen zu können,

- 12 - mit dem Ausdruck seiner Anerkennung für den Beitrag der Soldaten der UNMIL zur Gewährleistung der Sicherheit des Sondergerichtshofs für Sierra Leone, der gemäß Resolution 1971 (2011) am 7. März 2011 endete, feststellend, dass die Situation in Liberia nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, das Mandat der Mission der Vereinten Nationen in Liberia (UNMIL) bis zum 30. September 2012 zu verlängern;

2. ermächtigt die UNMIL erneut, der liberianischen Regierung auf ihr Ersuchen hin bei der Durchführung der allgemeinen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2011 weiter behilflich zu sein, indem sie logistische Unterstützung gewährt, insbesondere zur Erleichterung des Zugangs zu abgelegenen Gebieten, die internationale Wahlhilfe koordiniert und die liberianischen Institutionen und politischen Parteien dabei unterstützt, eine die Durchführung friedlicher Wahlen begünstigende Atmosphäre zu schaffen;

3. erkennt an, dass die Regierung Liberias und die anderen nationalen Akteure die Hauptverantwortung dafür tragen, günstige Bedingungen für die bevorstehenden Wahlen zu schaffen, und fordert in dieser Hinsicht die Regierung, die politischen Parteien und ihre Anhänger sowie das gesamte liberianische Volk nachdrücklich auf, für ein Umfeld zu sorgen, das einem fristgerechten, glaubhaften, alle Seiten einschließenden und friedlichen Wahlprozess förderlich ist, der eine freie und konstruktive politische Debatte einschließt, fordert die liberianischen Akteure auf, dafür zu sorgen, dass alle noch offenen Fragen im Hinblick auf die Rahmenbedingungen für die Wahlen endgültig geregelt werden, und sichere Bedingungen für die Durchführung der Wahlen und uneingeschränkten Zugang zu den Wahllokalen zu gewährleisten, auch indem sie mit der UNMIL im Einklang mit der Rolle der Mission beim Schutz von Zivilpersonen zusammenarbeiten, und fordert alle Parteien auf, die Wahlergebnisse zu achten;

4. erinnert daran, dass er die Empfehlung des Generalsekretärs gebilligt hat, wonach die Durchführung freier, fairer und friedlicher Wahlen ein Schlüsselkriterium für den künftigen Abbau der UNMIL sein soll;

5. ermutigt die Regierung Liberias und die UNMIL zu weiteren Fortschritten bei der Planung des Übergangs, insbesondere im Umgang mit den kritischen Mängeln, die behoben werden müssen, damit ein erfolgreicher Übergang stattfinden kann, und ersucht den Generalsekretär, nach dem Amtsantritt der gewählten Regierung im Jahr 2012 eine technische Bewertungsmission nach Liberia zu entsenden, die sich insbesondere mit der Übertragung der Sicherheitsaufgaben befassen und außerdem auf der Grundlage einer gründlichen Überprüfung der Fortschritte bei der Erfüllung der Kriterien für den Übergang detaillierte Vorschläge für die nächsten Stufen des Abbaus der UNMIL ausarbeiten soll, mit dem Ziel, einen Zeitplan und Empfehlungen für die weitere Verringerung der Militärkomponente der UNMIL vorzulegen;

6. bekräftigt die in Resolution 1609 (2005) vorgesehenen Regelungen zur Zusammenarbeit nach Bedarf und auf vorübergehender Grundlage zwischen der

- 13 - UNMIL und der UNOCI und fordert die truppenstellenden Länder auf, die diesbezüglichen Maßnahmen des Generalsekretärs zu unterstützen;

7. betont ferner, dass die UNMIL und die UNOCI ihre Strategien und Einsätze in den Gebieten nahe der liberianisch-ivorischen Grenze regelmäßig koordinieren müssen, um zur Sicherheit in der Subregion beizutragen und bewaffnete Gruppen daran zu hindern, den Saum entlang der politischen Grenzen auszunutzen, und ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat und den truppenstellenden Ländern darüber Bericht zu erstatten;

8. betont ferner, dass die Gebergemeinschaft die Regierung Liberias sowie die Vereinten Nationen und gegebenenfalls die anderen humanitären Akteure bei ihren Maßnahmen zur Bewältigung des gegenwärtigen Zustroms ivorischer Flüchtlinge unterstützen muss;

9. betont, dass die Friedenssicherung, die Friedenskonsolidierung und die Ent- wicklung kohärent und integriert ablaufen müssen, um zu einem wirksamen Vorgehen in Postkonfliktsituationen zu gelangen, ersucht den Generalsekretär um die weitere Koordinierung und Zusammenarbeit mit der Kommission für Friedenskonsolidierung und legt der Kommission nahe, im Anschluss an enge Konsultationen mit der Regierung Liberias weiter über die Feststellungen ihrer Missionen sowie deren Empfehlungen zu der Frage Bericht zu erstatten, wie sie raschere Fortschritte herbeiführen kann, vor allem im Bereich der Reform des Sicherheitssektors, der Rechtsstaatlichkeit und der nationalen Aussöhnung;

10. unterstreicht, wie wichtig es ist, dass das militärische Einsatzkonzept und die Einsatzrichtlinien regelmäßig aktualisiert werden und in vollem Einklang mit den Bestimmungen dieser Resolution stehen, und ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat und den truppenstellenden Ländern über sie Bericht zu erstatten;

11. fordert die Regierung Liberias auf, in Abstimmung mit der UNMIL, dem Landesteam der Vereinten Nationen und den internationalen Partnern weiter voll funktionsfähige und unabhängige nationale Sicherheits- und Rechtsstaatsinstitutionen aufzubauen, und ermutigt sie zu diesem Zweck weiter zu koordinierten Fortschritten bei der Umsetzung aller Pläne zum Aufbau des Sicherheits- und Justizsektors;

12. legt der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten nahe, mit Unterstützung durch das Büro der Vereinten Nationen für Westafrika eine subregionale Strategie zu entwickeln, um gegebenenfalls mit der Hilfe der UNMIL und der UNOCI gegen die Gefahr der grenzüberschreitenden Bewegungen von bewaffneten Gruppen und Waffen sowie des unerlaubten Handels anzugehen;

13. begrüßt die Anstrengungen der Regierung Liberias zur Bekämpfung der sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt und ermutigt sie ferner, in Abstimmung mit der UNMIL die Straflosigkeit derjenigen, die solche Verbrechen begehen, weiter zu bekämpfen und den Opfern Wiedergutmachung, Unterstützung und Schutz zu gewähren;

14. ersucht die UNMIL, die Beteiligung der Frauen an der Konfliktprävention, der Konfliktbeilegung und der Friedenskonsolidierung, namentlich der in Liberia ernannten und gewählten Entscheidungsträgerinnen in den

- 14 - Lenkungsinstitutionen der Konfliktfolgezeit, im Rahmen der vorhandenen Mittel weiter zu unterstützen;

15. ersucht ferner den Generalsekretär, ihn regelmäßig über die Situation vor Ort unterrichtet zu halten, während Liberia in diese nächste kritische Phase eintritt, und ihm bis 30. April 2012 einen Bericht über die in den Ziffern 2, 5 und 7 angesprochenen Fragen samt Empfehlungen für geeignete Maßnahmen des Sicherheitsrats vorzulegen, und bekundet seine Absicht, diese Empfehlungen rasch zu prüfen;

16. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2009 (2011) verabschiedet auf der 6620. Sitzung des Sicherheitsrats am 16. September 2011 (Libyen)

Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens, in Bekräftigung seiner früheren Resolutionen 1674 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, 1612 (2006), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder in bewaffneten Konflikten und 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, daran erinnernd, dass er beschlossen hat, die Situation in Libyen dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, und dass es wichtig ist, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind oder an Angriffen auf die Zivilbevölkerung beteiligt waren, zur Rechenschaft gezogen werden, unter nachdrücklicher Verurteilung aller Verstöße gegen das anwendbare Recht der Menschenrechte und humanitäre Völkerrecht, namentlich in Verbindung mit rechtswidrigen Tötungen, anderen Gewaltanwendungen gegen Zivilpersonen oder willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, insbesondere afrikanischer Migranten und Angehöriger von Minderheitengruppen, sowie unter nachdrücklicher Verurteilung sexueller Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Mädchen, und der Einziehung und des Einsatzes von Kindern in Situationen bewaffneten Konflikts unter Verstoß gegen das anwendbare Völkerrecht, in der Erwägung, dass die freiwillige und dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen ein entscheidender Faktor für die Konsolidierung des Friedens in Libyen sein wird, betonend, dass die Übernahme und Wahrnehmung nationaler Eigenverantwortung eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines dauerhaften Friedens sind und dass die nationalen Behörden die Hauptverantwortung dafür tragen, ihre - 15 - Prioritäten und Strategien für die Friedenskonsolidierung nach Konflikten festzulegen, unter Hinweis auf das Schreiben des Generalsekretärs vom 7. September 2011 (S/2011/542) und unter Begrüßung seiner Absicht, auf Ersuchen der libyschen Behörden für einen Anfangszeitraum Personal zu entsenden, das unter der Leitung eines Sonderbeauftragten des Generalsekretärs stehen wird,

Kenntnis nehmend von dem Schreiben Dr. Mahmoud Jibrils, des Ministerpräsidenten des Nationalen Übergangsrats Libyens, vom 14. September 2011 an den Generalsekretär, mit dem Ausdruck seines Danks an den Sondergesandten des Generalsekretärs für Libyen, Herrn Abdel-Elah Mohamed Al-Khatib, für seine Anstrengungen, eine dauerhafte und friedliche Lösung in Libyen zu finden, bekräftigend, dass die Vereinten Nationen die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung eines von Libyen geführten, auf die Schaffung eines demokratischen, unabhängigen und geeinten Libyens ausgerichteten Übergangs- und Wiederaufbauprozesses leiten sollen, unter Begrüßung der diesbezüglichen Beiträge des am 26. August vom Generalsekretär abgehaltenen Treffens auf hoher Ebene mit den Regionalorganisationen und der Pariser Konferenz vom 1. September sowie unter Begrüßung der Anstrengungen der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga, der Europäischen Union und der Organisation der Islamischen Konferenz, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Verbreitung von Waffen in Libyen und ihre möglichen Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit in der Region, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1970 (2011) vom 26. Februar 2011 und 1973 (2011) vom 17. März 2011, unter Hinweis auf seine Entschlossenheit, dafür zu sorgen, dass die gemäß den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) eingefrorenen Vermögenswerte so bald wie möglich dem Volk Libyens zu seinen Gunsten zur Verfügung gestellt werden, unter Begrüßung der von dem Ausschuss nach Resolution 1970 (2011) und den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht unternommenen Schritte und unterstreichend, wie wichtig es ist, diese Vermögenswerte auf transparente und verantwortungsvolle Weise und in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen und Wünschen des libyschen Volkes zur Verfügung zu stellen, eingedenk dessen, dass ihm nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit obliegt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen und Maßnahmen nach deren Artikel 41 ergreifend,

1. nimmt Kenntnis von den Entwicklungen in Libyen, begrüßt die Verbesserung der Lage in dem Land und sieht der Einkehr von Stabilität in Libyen erwartungsvoll entgegen;

2. sieht der Bildung einer alle Seiten einschließenden, repräsentativen Übergangsregierung Libyens erwartungsvoll entgegen und betont, dass das - 16 - Bekenntnis zu Demokratie, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte ein Fundament des Übergangszeitraums sein muss;

3. betont, wie wichtig es ist, die gleiche und volle Beteiligung von Frauen und Minderheitengruppen an den Erörterungen über den politischen Prozess in der Konfliktfolgezeit zu fördern;

4. begrüßt die Erklärungen des Nationalen Übergangsrats, in denen er zu Einheit, nationaler Aussöhnung und Gerechtigkeit aufruft, und seine Aufforderung an die Libyer aller Glaubensrichtungen und jeglichen Hintergrunds, Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich willkürlicher Inhaftierungen, zu unterlassen;

5. legt dem Nationalen Übergangsrat nahe, seine Pläne umzusetzen, die darauf gerichtet sind,

a) die Bevölkerung Libyens zu schützen, die staatlichen Dienste wiederherzustellen und die Finanzmittel Libyens offen und transparent zuzuweisen,

b) weitere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu verhindern und der Straflosigkeit ein Ende zu setzen,

c) einen alle Seiten einschließenden politischen Konsultationsprozess zu gewährleisten, der in eine Einigung über eine Verfassung und die Abhaltung freier und fairer Wahlen mündet,

d) die Sicherheit der ausländischen Staatsangehörigen in Libyen, insbesondere derjenigen, die bedroht, misshandelt und/oder inhaftiert wurden, zu gewährleisten und

e) die Verbreitung von tragbaren Boden-Luft-Flugkörpern, Kleinwaffen und leichten Waffen zu verhindern und den völkerrechtlichen Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungsverpflichtungen Libyens nachzukommen;

6. nimmt Kenntnis von den Aufforderungen des Nationalen Übergangsrats, Vergeltungsmaßnahmen, namentlich gegen Wanderarbeitnehmer, zu unterlassen;

7. ordert die libyschen Behörden auf, die Menschenrechte, namentlich der Angehörigen schwächerer Gruppen, zu fördern und zu schützen und ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen, nachzukommen, und fordert, dass diejenigen, die für Verstöße, einschließlich sexueller Gewalt, verantwortlich sind, im Einklang mit den internationalen Standards zur Rechenschaft gezogen werden;

8. fordert die libyschen Behörden mit allem Nachdruck auf, im Einklang mit dem Wiener Übereinkommen von 1961 über diplomatische Beziehungen den Schutz des diplomatischen Personals und der diplomatischen Räumlichkeiten zu gewährleisten;

- 17 - 9. bekundet seine Entschlossenheit, dem Volk Libyens bei der Verwirklichung dieser Ziele behilflich zu sein, und fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dem Volk Libyens nach Bedarf behilflich zu sein;

10. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit den libyschen Behörden bei ihren Anstrengungen zur Beendigung der Straflosigkeit im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Libyens eng zusammenzuarbeiten;

11. fordert die libyschen Behörden auf, den internationalen Verpflichtungen Libyens, einschließlich der in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Verpflichtungen, im Einklang mit dem Völkerrecht nachzukommen, und fordert die libyschen Behörden ferner auf, die bestehenden Verträge und Verpflichtungen im Einklang mit dieser Resolution und anderen einschlägigen Resolutionen und dem auf diese Verträge und Verpflichtungen anwendbaren Recht zu erfüllen;

Mandat der Vereinten Nationen

12. beschließt, eine Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) unter der Leitung eines Sonderbeauftragten des Generalsekretärs zunächst für einen Zeitraum von drei Monaten einzurichten, und beschließt ferner, dass das Mandat der UNSMIL darin besteht, die nationalen Anstrengungen Libyens zu unterstützen, die darauf gerichtet sind,

a) die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen und die Rechtsstaatlichkeit zu fördern,

b) einen alle Seiten einschließenden politischen Dialog zu führen, die nationale Aussöhnung zu fördern und den Verfassungsgebungs- und Wahlprozess einzuleiten,

c) die staatliche Autorität auszuweiten, namentlich durch die Stärkung der entstehenden rechenschaftspflichtigen Institutionen und die Wiederherstellung der öffentlichen Dienste,

d) die Menschenrechte zu fördern und zu schützen, insbesondere für die Angehörigen schwächerer Gruppen, und die Unrechtsaufarbeitung zu unterstützen,

e) die erforderlichen Sofortmaßnahmen zur Einleitung der wirtschaftlichen Erholung zu ergreifen und

f) die gegebenenfalls von anderen multilateralen und bilateralen Akteuren angeforderte Unterstützung zu koordinieren;

Waffenembargo

13. eschließt, dass die mit Ziffer 9 der Resolution 1970 (2011) verhängten Maßnahmen außerdem keine Anwendung finden auf die Lieferung, den Verkauf oder die Weitergabe der nachstehenden Güter an Libyen:

a) Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial jeder Art, einschließlich technischer Hilfe, Ausbildung, finanzieller und anderer Hilfe, die - 18 - ausschließlich für die Unterstützung der libyschen Behörden auf dem Gebiet der Sicherheit oder der Entwaffnung bestimmt und dem Ausschuss im Voraus angekündigt worden sind, sofern der Ausschuss innerhalb von fünf Arbeitstagen nach einer solchen Ankündigung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat;

b) Kleinwaffen, leichte Waffen und dazugehöriges Material, die zur ausschließlichen Verwendung durch Personal der Vereinten Nationen, Medienvertreter und humanitäre Helfer, Entwicklungshelfer und beigeordnetes Personal vorübergehend nach Libyen ausgeführt und dem Ausschuss im Voraus angekündigt worden sind, sofern der Ausschuss innerhalb von fünf Arbeitstagen nach einer solchen Ankündigung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat;

Einfrieren von Vermögenswerten

14. beschließt, dass die Libyan National Oil Corporation (LNOC, Nationale Ölgesellschaft Libyens) und die Zueitina Oil Company nicht mehr dem Einfrieren von Vermögenswerten und den anderen in den Ziffern 17, 19, 20 und 21 der Resolution 1970 (2011) und in Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen unterliegen;

15. beschließt, die in den Ziffern 17, 19, 20 und 21 der Resolution 1970 (2011) und in Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen in Bezug auf die Central Bank of (Zentralbank Libyens), die Libyan Arab Foreign Bank (LAFB, Libysche Arabische Auslandsbank), die Libyan Investment Authority (LIA, Staatsfonds Libyens) und das Libyan Africa Investment Portfolio (LAIP) wie folgt zu ändern:

a) außerhalb Libyens befindliche Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen der in dieser Ziffer genannten Einrichtungen, die zum Zeitpunkt dieser Resolution nach den in Ziffer 17 der Resolution 1970 (2011) oder Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen eingefroren sind, werden von den Staaten weiter eingefroren, sofern sie nicht nach den Ziffern 19, 20 oder 21 der erstgenannten Resolution oder Ziffer 16 unten davon ausgenommen sind;

b) soweit unter Buchstabe a nichts anderes festgelegt ist, unterliegen die Central Bank of Libya, die LAFB, die LIA und das LAIP ansonsten nicht mehr den in Ziffer 17 der Resolution 1970 (2011) verhängten Maßnahmen, und die Staaten müssen auch nicht mehr sicherstellen, dass ihre Staatsangehörigen oder Personen oder Einrichtungen innerhalb ihres Hoheitsgebiets für diese Einrichtungen oder zu ihren Gunsten keine Gelder, finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung stellen;

16. beschließt, dass über die Bestimmungen der Ziffer 19 der Resolution 1970 (2011) hinaus die mit Ziffer 17 der genannten Resolution verhängten und mit Ziffer 15 oben und Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) geänderten Maßnahmen nicht für Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen der Central Bank of Libya, der LAFB, der LIA und des LAIP gelten, sofern

- 19 - a) ein Mitgliedstaat dem Ausschuss seine Absicht mitgeteilt hat, den Zugang zu den Geldern, anderen finanziellen Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Ressourcen zu einem oder mehreren der folgenden Zwecke zu genehmigen, und der Ausschuss innerhalb von fünf Arbeitstagen nach einer solchen Mitteilung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat:

iv. humanitäre Bedürfnisse,

v. Brennstoff, Strom und Wasser für rein zivile Nutzungen,

vi. Wiederaufnahme der Herstellung und des Verkaufs von Kohlenwasserstoffen durch Libyen,

vii. Schaffung, Betrieb oder Stärkung der Institutionen der Zivilregierung und der zivilen öffentlichen Infrastruktur oder

viii. Erleichterung der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Bankensektors, namentlich zur Unterstützung oder zur Erleichterung des internationalen Handels mit Libyen,

b) ein Mitgliedstaat dem Ausschuss mitgeteilt hat, dass diese Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen nicht für die oder zugunsten der Personen zur Verfügung gestellt werden, die den in Ziffer 17 der Resolution 1970 (2011) oder Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen unterliegen, oder

c) sich der Mitgliedsstaat vorab mit den libyschen Behörden über die Verwendung dieser Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen ins Benehmen gesetzt hat und

d) der Mitgliedsstaat die libyschen Behörden über die gemäß dieser Ziffer vorgelegte Mitteilung unterrichtet hat und die libyschen Behörden innerhalb von fünf Arbeitstagen keine Einwände gegen die Freigabe dieser Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen erhoben haben;

17. fordert die Staaten auf, angesichts der für die libyschen Behörden nach wie vor bestehenden Herausforderungen Wachsamkeit zu üben, wenn sie gemäß Ziffer 16 tätig werden, und den Einsatz internationaler Finanzmechanismen zur Förderung von Transparenz und zur Verhinderung von Veruntreuung gebührend zu erwägen;

18. ersucht den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, zusammen mit den libyschen Behörden eine Bewertung des Rahmens für die Verwaltung der öffentlichen Finanzen Libyens zu erarbeiten und darin Schritte zu empfehlen, die Libyen unternehmen soll, um ein System der Transparenz und der Rechenschaftslegung in Bezug auf die von den staatlichen Institutionen Libyens, einschließlich der LIA, der LNOC, der LAFB, des LAIP und der Libyan Central Bank, gehaltenen Finanzmittel zu gewährleisten, und ersucht ferner darum, den Ausschuss über die Ergebnisse dieser Bewertung zu unterrichten;

19. weist den Ausschuss an, im Benehmen mit den libyschen Behörden die verbleibenden Maßnahmen, die mit den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 - 20 - (2011) in Bezug auf die Central Bank of Libya, die LAFB, die LIA und das LAIP verhängt wurden, laufend zu überprüfen, und beschließt, dass der Ausschuss im Benehmen mit den libyschen Behörden die Benennung dieser Einrichtungen aufhebt, sobald gewährleistet werden kann, dass die Vermögenswerte dem Volk Libyens zu seinen Gunsten zur Verfügung gestellt werden;

Flugverbotszone und Flugverbot

20. nimmt Kenntnis von der verbesserten Lage in Libyen, betont seine Absicht, die mit den Ziffern 6 bis 12 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen laufend zu überprüfen, und unterstreicht seine Bereitschaft, diese Maßnahmen, soweit angezeigt und wenn die Umstände es zulassen, aufzuheben und die den Mitgliedstaaten in Ziffer 4 der Resolution 1973 (2011) erteilte Ermächtigung im Benehmen mit den libyschen Behörden zu beenden;

21. beschließt, dass die Maßnahmen in Ziffer 17 der Resolution 1973 (2011) mit dem Datum dieser Resolution außer Kraft treten;

Zusammenarbeit und Berichterstattung

22. ersucht den Generalsekretär, über die Durchführung dieser Resolution binnen 14 Tagen nach der Verabschiedung und danach jeden Monat oder auch häufiger, wenn er dies für angezeigt hält, Bericht zu erstatten;

23. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2010 (2011) verabschiedet auf der 6626. Sitzung des Sicherheitsrats am 30. September 2011 (Somalia)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf alle seine früheren Resolutionen und Erklärungen seines Präsidenten betreffend die Situation in Somalia, den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, Frauen und Frieden und Sicherheit sowie Kinder und bewaffnete Konflikte, in Bekräftigung seiner Achtung der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit, der politischen Unabhängigkeit und der Einheit Somalias, unter erneutem Hinweis auf sein Eintreten für eine umfassende und dauerhafte Regelung der Situation in Somalia, in Bekräftigung seiner uneingeschränkten Unterstützung für den Friedensprozess von Dschibuti und die Übergangs-Bundescharta, die den Rahmen für eine dauerhafte politische Lösung in Somalia vorgeben, in Anerkennung der Notwendigkeit, die Aussöhnung und den Dialog unter der somalischen Bevölkerung zu fördern, und betonend, wie wichtig auf breiter Grundlage beruhende und repräsentative Institutionen sind, die aus einem letztlich alle Seiten einschließenden politischen Prozess hervorgehen, - 21 - bekräftigend, dass er die Übergangs-Bundesregierung in ihrer Rolle als Teil des Friedensprozesses von Dschibuti unterstützt, betonend, dass den Übergangs- Bundesinstitutionen die Hauptverantwortung dabei zukommt, auf kohärente Weise und mit vereinten Kräften zu arbeiten und ihre Anstrengungen zu verstärken, um die im Abkommen von Dschibuti und in der Übergangscharta vorgesehenen Aufgaben für die Übergangsperiode abzuschließen, und die Übergangs-Bundesinstitutionen auffordernd, sich eng mit anderen somalischen Gruppen, einschließlich der lokalen und regionalen Verwaltungsbehörden, abzustimmen, unter erneuter Betonung der Notwendigkeit einer umfassenden Strategie zur Förderung der Schaffung von Frieden und Sicherheit in Somalia durch Kooperationsbemühungen aller Interessenträger, in Würdigung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, Dr. Augustine Mahiga, sowie des Sonderbeauftragten des Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union für Somalia, Botschafter Boubacar Gaoussou Diarra, und in Bekräftigung seiner festen Unterstützung für die von ihnen unternommenen Anstrengungen, unter Begrüßung der Arbeit des ehemaligen Präsidenten Jerry Rawlings als Hoher Beauftragter der Afrikanischen Union für Somalia, unter Hinweis auf die Unterzeichnung des Abkommens von Kampala am 9. Juni 2011, Kenntnis nehmend von dem Beschluss, die Wahlen zum Präsidenten sowie zum Parlamentspräsidenten und seinen Stellvertretern gemäß den Bestimmungen des Abkommens um 12 Monate bis zum 20. August 2012 zu verschieben, und die Unterzeichner mit allem Nachdruck auffordernd, ihre Verpflichtungen einzuhalten, es begrüßend, dass mit Vermittlung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, Dr. Mahiga, auf dem Konsultativtreffen am 6. September in Mogadischu eine Einigung über einen Fahrplan erzielt wurde, in dem die wichtigsten Aufgaben und Prioritäten, welche die Übergangs-Bundesinstitutionen in den nächsten 12 Monaten zu erfüllen haben, samt klaren Zeitplänen, Zielvorgaben und Einhaltungsmechanismen festgelegt sind, mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Übergangs-Bundesinstitutionen als Hauptverantwortliche für die Umsetzung des Fahrplans und an die anderen Unterzeichner, sich an ihre Verpflichtungen nach dem Fahrplan zu halten, und darauf hinweisend, dass die künftige Unterstützung für die Übergangs-Bundesinstitutionen von der Erfüllung dieser Aufgaben abhängen wird, in der Erkenntnis, dass Frieden und Stabilität in Somalia von Aussöhnung und effektivem staatlichem Handeln in ganz Somalia abhängen, und alle somalischen Parteien nachdrücklich auffordernd, auf Gewalt zu verzichten und zusammenzuarbeiten, um Frieden und Stabilität herzustellen, mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Übergangs-Bundesinstitutionen, ihre Transparenz zu steigern und die Korruption zu bekämpfen, um ihre Legitimität und Glaubwürdigkeit zu erhöhen, und weitere Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft zu ermöglichen, mit dem Ausdruck seiner großen Besorgnis über die desolate und immer schlimmer werdende humanitäre Lage in Somalia und die Auswirkungen der Dürre und der Hungersnot auf die Bevölkerung Somalias, insbesondere Frauen und Kinder, mit der Aufforderung an alle Parteien, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht den

- 22 - humanitären Hilfsorganisationen in dieser kritischen Zeit sicheren und ungehinderten Zugang zu gestatten, und unterstreichend, wie wichtig es ist, die Grundsätze der Neutralität, der Unparteilichkeit, der Menschlichkeit und der Unabhängigkeit bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe zu wahren, es nachdrücklich verurteilend, dass bestimmte Parteien, insbesondere bewaffnete Gruppen, gezielt gegen humanitäre Helfer vorgehen und die Auslieferung humanitärer Hilfsgüter in Somalia behindern oder verhindern, und unter Missbilligung aller Angriffe auf humanitäres Personal, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis darüber, dass der konsolidierte Hilfsappell der Vereinten Nationen für Somalia nicht voll finanziert ist, betonend, dass dringend Mittel für die Notleidenden aufgebracht werden müssen, und mit der Aufforderung an alle Mitgliedstaaten, zu den laufenden und künftigen konsolidierten humanitären Appellen beizutragen, in Würdigung des Beitrags der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) zu dauerhaftem Frieden und anhaltender Stabilität in Somalia, in Anerkennung der erheblichen Opfer, die diese Einsatzkräfte erbracht haben, mit dem Ausdruck seiner Anerkennung für die Regierungen Ugandas und Burundis, die weiterhin Truppen und Ausrüstung für die AMISOM bereitstellen, und mit der Aufforderung an die anderen Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union, zu erwägen, Truppen für die AMISOM zu stellen, mit dem erneuten Ausdruck seiner ernsthaften Besorgnis über die anhaltenden Kampfhandlungen in Somalia und ihre Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, unter Verurteilung aller Angriffe, einschließlich der Terroranschläge auf die Übergangs- Bundesregierung, die AMISOM und die Zivilbevölkerung durch bewaffnete Oppositionsgruppen und ausländische Kämpfer, insbesondere Al-Shabaab, und unter Hervorhebung der terroristischen Bedrohung, die von somalischen bewaffneten Oppositionsgruppen und ausländischen Kämpfern, insbesondere Al-Shabaab, für Somalia und für die internationale Gemeinschaft ausgeht, unter Begrüßung der jüngsten Verbesserungen der Sicherheitslage in Mogadischu, in Würdigung der Anstrengungen der AMISOM und der somalischen Sicherheitskräfte, ihnen nahelegend, diese Fortschritte zu konsolidieren, und mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Übergangs-Bundesinstitutionen, die verbesserte Sicherheitslage zu nutzen, um rasch eine Einigung über einen Stabilisierungsplan für Mogadischu herbeizuführen und diesen umzusetzen sowie die Bereitstellung von grundlegenden Diensten zu erleichtern und ein funktionierendes Regierungs- und Verwaltungswesen für alle Bürger zu gewährleisten, mit der Aufforderung an die Übergangs-Bundesregierung, Einigkeit zu wahren und sich verstärkt um die vollständige Durchführung der vorrangigen Aufgaben und die Erreichung der Ziele zu bemühen, die in dem Fahrplan vereinbart wurden, und damit die Voraussetzungen für eine bessere Zukunft für die Somalier, namentlich ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die Verwirklichung ihrer Menschenrechte, zu schaffen, gleichzeitig aber in der Erkenntnis, dass die internationale Gemeinschaft dabei mit der Übergangs-Bundesregierung sowie mit den lokalen und regionalen Verwaltungsbehörden zusammenarbeiten und sie unterstützen muss,

- 23 - erneut erklärend, dass der Wiederaufbau, die Ausbildung, die Ausrüstung und die Erhaltung der somalischen Sicherheitskräfte wichtig und für die langfristige Stabilität und Sicherheit Somalias unverzichtbar sind, mit dem Ausdruck seiner Unterstützung für die laufende Ausbildungsmission der Europäischen Union in Somalia, betonend, wie wichtig die koordinierte, rechtzeitige und dauerhafte Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft ist, und den somalischen Sicherheitskräften nahelegend, ihre Wirksamkeit zu beweisen, indem sie mit der AMISOM bei der Konsolidierung der Sicherheit in ganz Mogadischu zusammenarbeiten, mit Lob für die Mitgliedstaaten und die Organisationen, die Beiträge zur Unterstützung der AMISOM und Somalias geleistet haben, die internationale Gemeinschaft ermutigend, nach Bedarf zusätzliche Finanzmittel zu mobilisieren, in der Erkenntnis, wie wichtig eine rasche und berechenbare Finanzierung ist, und betonend, dass es einer wirksamen Koordinierung zwischen den Gebern, den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union bedarf, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1950 (2010) und 1976 (2011), mit dem Ausdruck seiner ernsthaften Besorgnis über die von der Seeräuberei und den bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias ausgehende Bedrohung, in der Erkenntnis, dass die anhaltende Instabilität in Somalia zu dem Problem der Seeräuberei und der bewaffneten Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias sowie der Geiselnahme beiträgt, betonend, dass die internationale Gemeinschaft und die Übergangs-Bundesinstitutionen umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung der Seeräuberei und der ihr zugrundeliegenden Ursachen ergreifen müssen, so auch indem sie gegen diejenigen, die unerlaubt seeräuberische Angriffe finanzieren, planen, organisieren oder widerrechtlich davon profitieren, ermitteln und sie strafrechtlich verfolgen, und unter Begrüßung der Anstrengungen der Kontaktgruppe für Seeräuberei vor der Küste Somalias, der Staaten und der internationalen und regionalen Organisationen, unter Begrüßung des Berichts des Generalsekretärs vom 30. August 2011 (S/2011/549) und der darin enthaltenen Empfehlungen zum weiteren Vorgehen der Übergangs-Bundesinstitutionen auf dem Gebiet der Politik, der Sicherheit und des Wiederaufbaus mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, feststellend, dass die Situation in Somalia nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union zu ermächtigen, den Einsatz der AMISOM, die befugt ist, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihr bestehendes, in Ziffer 9 der Resolution 1772 (2007) enthaltenes Mandat auszuführen, bis zum 31. Oktober 2012 fortzuführen, und ersucht die Afrikanische Union, die Truppenstärke der Mission dringend auf ihren mandatsmäßigen Höchststand von 12.000 Soldaten anzuheben, damit sie besser in der Lage ist, ihr Mandat auszuführen;

2. fordert die Übergangs-Bundesinstitutionen auf, sich an die Bestimmungen des Fahrplans zu halten, in dem die wichtigsten Aufgaben und Prioritäten, welche sie in den nächsten 12 Monaten zu erfüllen haben, samt klaren Zeitplänen, Zielvorgaben und Einhaltungsmechanismen festgelegt sind, weist darauf hin,

- 24 - dass die künftige Unterstützung des Sicherheitsrats für die Übergangs- Bundesinstitutionen von der Erfüllung dieser Aufgaben abhängen wird, und ersucht den Generalsekretär, in seinen Berichten an den Sicherheitsrat aktuelle Angaben darüber zu machen, wie weit die Übergangs-Bundesinstitutionen bei der Umsetzung des Fahrplans vorangekommen sind;

3. nimmt Kenntnis von den Somalia betreffenden Empfehlungen des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union vom 13. September 2011 und unterstreicht seine Absicht, die Situation vor Ort weiter zu verfolgen und bei seinen künftigen Beschlüssen zur AMISOM die Fortschritte der Übergangs- Bundesinstitutionen bei der Durchführung der wichtigen Aufgaben zu berücksichtigen, die in dem in Ziffer 2 genannten Fahrplan festgelegt sind;

4. begrüßt die von dem Politischen Büro der Vereinten Nationen für Somalia (UNPOS) und den anderen Büros und Einrichtungen der Vereinten Nationen, einschließlich des Büros der Vereinten Nationen zur Unterstützung der AMISOM, ergriffenen Maßnahmen zur Verstärkung der Präsenz der Organisationen der Vereinten Nationen und ihres Personals in Somalia als wichtiges Element der wirksamen Erfüllung ihres Mandats und fordert nachdrücklich die Errichtung einer dauerhafteren und stärkeren Präsenz der Vereinten Nationen in Somalia, insbesondere in Mogadischu, nach Maßgabe der Sicherheitsbedingungen, wie in den Berichten des Generalsekretärs (S/2010/447 und S/2009/210) ausgeführt;

5. stimmt unter Hinweis auf den Bericht des Vorsitzenden der Afrikanischen Union vom 13. September 2011 und den Bericht des Generalsekretärs vom 30. August 2011 (S/2011/549) darin überein, dass eine stärkere Präsenz der Organisationen der Vereinten Nationen und ihres Personals sowie anderer offizieller internationaler Besucher in Mogadischu den Druck auf die AMISOM erhöht, Sicherheits-, Geleit- und sonstige Schutzdienste zu leisten, legt den Vereinten Nationen nahe, mit der Afrikanischen Union dabei zusammenzuarbeiten, im Rahmen der mandatsmäßigen Truppenstärke der AMISOM eine Sicherheitstruppe von angemessener Größe aufzustellen, die für Personal aus der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen, Sicherheits-, Geleit- und sonstige Schutzdienste leistet, und bekundet seine Absicht, die möglicherweise notwendige Anpassung der mandatsmäßigen Truppenstärke der AMISOM gründlich zu prüfen und zu erwägen, wenn die Mission ihre durch das derzeitige Mandat vorgegebene Stärke von 12.000 Soldaten erreicht hat;

6. ersucht den Generalsekretär, der Afrikanischen Union über das Büro der Vereinten Nationen bei der Afrikanischen Union auch weiterhin technische und sachkundige Beratung für die Planung und den Einsatz der AMISOM zur Verfügung zu stellen, einschließlich des Einsatzkonzepts der AMISOM;

7. begrüßt es, dass die AMISOM bei ihren Einsätzen die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung verringern konnte, und fordert die AMISOM nachdrücklich auf, weitere Anstrengungen zur Vermeidung von Opfern unter der Zivilbevölkerung zu unternehmen und ein wirksames Konzept für den Schutz von Zivilpersonen zu entwickeln, wie vom Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union erbeten;

- 25 - 8. ersucht die AMISOM, der Übergangs-Bundesregierung auch weiterhin beim Aufbau der Somalischen Polizei und der Nationalen Sicherheitskräfte behilflich zu sein, insbesondere bei der Einführung einer wirksamen Befehlskette und Einsatzführung bei den somalischen Sicherheitskräften, und die Integration der von anderen Mitgliedstaaten oder Organisationen innerhalb und außerhalb Somalias ausgebildeten somalischen Einheiten zu unterstützen;

9. betont im Hinblick auf die wichtige Rolle, die eine wirksame Polizeipräsenz bei der Stabilisierung Mogadischus spielen kann, dass der Aufbau einer wirksamen Somalischen Polizei fortgesetzt werden muss, und begrüßt den Wunsch der Afrikanischen Union, innerhalb der AMISOM eine Polizeikomponente einzurichten;

10. ersucht den Generalsekretär, für die AMISOM bis zum 31. Oktober 2012 auch weiterhin das in Resolution 1863 (2009) geforderte Paket logistischer Unterstützung für bis zu 12.000 Soldaten der AMISOM, einschließlich der in Ziffer 5 genannten Sicherheitstruppe, bereitzustellen, das Ausrüstungen und Dienstleistungen, einschließlich Unterstützung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, nicht jedoch die Überweisung finanzieller Mittel beinhaltet, wie im Schreiben des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat (S/2009/60) beschrieben, unter Gewährleistung der Rechenschaftspflicht und Transparenz für die aus den Mitteln der Vereinten Nationen getätigten Ausgaben entsprechend Ziffer 6 der Resolution 1910 (2010);

11. beschließt, ausnahmsweise und aufgrund des einzigartigen Charakters dieser Mission das Paket logistischer Unterstützung für bis zu 12.000 AMISOM- Soldaten, wie in dem Briefwechsel zwischen dem Generalsekretär und dem Sicherheitsrat vom 21. September 2011 (S/2011/591) beziehungsweise 29. September 2011 (S/2011/602) beschrieben, zu verlängern, wobei auch weiterhin die größtmögliche Effizienz zu gewährleisten und geeignete bilaterale Unterstützung zu erlangen ist;

12. ist der Auffassung, dass die im Schreiben des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat (S/2009/60) beschriebenen Maßnahmen zur Bekämpfung behelfsmäßiger Sprengvorrichtungen und zur Kampfmittelbeseitigung im Rahmen des Pakets logistischer Unterstützung durchgeführt werden können, wobei auch weiterhin die größtmögliche Effizienz zu gewährleisten und geeignete bilaterale Unterstützung zu erlangen ist;

13. erinnert an seine in Resolution 1863 (2009) gegebene Absichtserklärung betreffend die Einrichtung eines Friedenssicherungseinsatzes der Vereinten Nationen, weist darauf hin, dass bei jedem Beschluss über die Entsendung eines derartigen Einsatzes unter anderem die vom Generalsekretär in seinen Berichten vom 16. April 2009 (S/2009/210) und 30. Dezember 2010 (S/2010/675) genannten Bedingungen berücksichtigt würden, und ersucht den Generalsekretär, die in den Ziffern 82 bis 86 seines Berichts (S/2009/210) aufgeführten Schritte zu unternehmen, sofern die in dem Bericht genannten Bedingungen gegeben sind;

14. fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen und internationalen Organisationen erneut auf, die AMISOM durch die Bereitstellung von Ausrüstungen und technischer Hilfe sowie durch ohne Vorbehalte geleistete Finanzbeiträge zu dem

- 26 - Treuhandfonds der Vereinten Nationen für die AMISOM zu unterstützen oder direkte bilaterale Spenden zur Unterstützung der AMISOM zu leisten, namentlich für den dringenden Mittelbedarf zur Kostenerstattung für kontingenteigene Ausrüstung und für aus familiären Gründen gewährte Flüge für Soldaten der AMISOM, und legt den Gebern nahe, eng mit den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union zusammenzuarbeiten, um die rasche Bereitstellung angemessener Finanzmittel und Ausrüstungen zu gewährleisten;

15. hebt hervor, dass für die Gewährleistung der langfristigen Sicherheit Somalias der Aufbau wirksamer somalischer Sicherheitskräfte erforderlich ist, und fordert die Mitgliedstaaten, die regionalen und die internationalen Organisationen erneut auf, rasch großzügige Beiträge zu dem Treuhandfonds der Vereinten Nationen für die somalischen Sicherheitsinstitutionen zu leisten und im Einklang mit den Ziffern 11 b) und 12 der Resolution 1772 (2007) Hilfe für die somalischen Sicherheitskräfte anzubieten, namentlich durch die Bereitstellung von Ausbildung, technischer Hilfe und Ausrüstung in Abstimmung mit der AMISOM;

16. ersucht den Generalsekretär, die Übergangs-Bundesregierung auch weiterhin beim Aufbau der Übergangs-Sicherheitsinstitutionen, namentlich der Somalischen Polizei und der Nationalen Sicherheitskräfte, sowie bei der Ausarbeitung einer in somalischer Eigenverantwortung umgesetzten nationalen Sicherheitsstrategie, die der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Menschenrechte Rechnung trägt, sowie des rechtlichen und politischen Rahmens für die Tätigkeit ihrer Sicherheitskräfte, einschließlich Lenkungs-, Überprüfungs- und Aufsichtsmechanismen, zu unterstützen;

17. bekräftigt, dass die mit Ziffer 5 der Resolution 733 (1992) verhängten und mit den Ziffern 1 und 2 der Resolution 1425 (2002) weiter ausgeführten Maßnahmen nicht für Versorgungsgüter und technische Hilfe gelten, die der Übergangs- Bundesregierung nach den Ziffern 11 b) und 12 der Resolution 1772 (2007) für den Aufbau ihrer Institutionen des Sicherheitssektors im Einklang mit dem Friedensprozess von Dschibuti und unter Einhaltung des in Ziffer 12 der Resolution 1772 (2007) festgelegten Benachrichtigungsverfahrens zur Verfügung gestellt werden;

18. erneuert seinen Aufruf an alle somalischen Parteien, das Abkommen von Dschibuti zu unterstützen, und fordert die Einstellung aller Feindseligkeiten, Handlungen der bewaffneten Konfrontation und Versuche, die Stabilität in Somalia und die Übergangs-Bundesregierung zu schwächen;

19. ersucht den Generalsekretär, über seinen Sonderbeauftragten auch weiterhin seine Guten Dienste einzusetzen, um mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft die Aussöhnung unter allen Somaliern und den Friedensprozess allgemein zu fördern, nach Bedarf auch durch Unterstützung bei den Wiederaussöhnungs- und Friedensbemühungen auf lokaler Ebene;

20. stellt fest, dass regionale Verwaltungsbehörden und die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle im politischen Prozess spielen können, und ermutigt die Übergangs-Bundesinstitutionen zur Verstärkung des Dialogs und der politischen Kontaktarbeit mit diesen Gruppen;

- 27 - 21. ermutigt die internationale Gemeinschaft, im Rahmen der laufenden Unterstützung Somalias die Anstrengungen zur Friedenskonsolidierung, zum Kapazitätsaufbau und zur Herstellung eines funktionierenden Regierungs- und Verwaltungswesens in den relativ stabilen Gebieten Somalias, unter anderem Somaliland und Puntland, weiter zu unterstützen;

22. verurteilt alle Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Somalia, fordert die sofortige Einstellung aller Gewalt- oder Missbrauchshandlungen, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, die unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen gegen Zivilpersonen, insbesondere Frauen und Kinder, und humanitäres Personal begangen werden, und betont, dass alle Parteien in Somalia gehalten sind, ihren Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen von Feindseligkeiten nachzukommen, insbesondere durch die Vermeidung unterschiedsloser Angriffe oder übermäßiger Gewaltanwendung;

23. bekundet seine ernste Besorgnis angesichts der Berichte über anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Somalia und betont, wie wichtig es ist, diese behaupteten Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen;

24. erinnert an die von der Arbeitsgruppe des Sicherheitsrats für Kinder und bewaffnete Konflikte in Somalia gebilligten Schlussfolgerungen (S/AC.51/2011/2), fordert alle Parteien auf, schweren Rechtsverletzungen und Missbrauchshandlungen gegenüber Kindern in Somalia ein Ende zu setzen, fordert die Übergangs-Bundesregierung nachdrücklich auf, einen konkreten, termingebundenen Aktionsplan zur Beendigung der Einziehung und des Einsatzes von Kindern auszuarbeiten und umzusetzen, ersucht den Generalsekretär, seinen diesbezüglichen Dialog mit der Übergangs- Bundesregierung fortzusetzen, und ersucht den Generalsekretär erneut, die Kinderschutzkomponente des UNPOS zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Lage der Kinder in Somalia fortlaufend überwacht und darüber Bericht erstattet wird;

25. bekundet seine ernste Besorgnis über die sich häufenden Berichte über sexuelle Gewalt im Zusammenhang mit den Konflikten in Somalia, fordert alle Parteien auf, derartige Rechtsverletzungen und Missbrauchshandlungen einzustellen, und ersucht den Generalsekretär, für die Durchführung der einschlägigen Bestimmungen der Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) zu sorgen, einschließlich der Stärkung der Frauenschutzkomponente des UNPOS;

26. verlangt, dass alle Parteien und bewaffneten Gruppen die Sicherheit des humanitären Personals und der humanitären Hilfsgüter durch geeignete Schritte gewährleisten, und verlangt ferner, dass alle Parteien den vollen, sicheren und ungehinderten Zugang sicherstellen, damit hilfsbedürftige Personen in ganz Somalia rasch humanitäre Hilfe erhalten können;

27. ersucht den Generalsekretär, über seinen Sonderbeauftragten für Somalia und das UNPOS verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um alle Tätigkeiten des Systems der Vereinten Nationen in Somalia wirksam zu koordinieren und für diese Tätigkeiten einen integrierten Ansatz zu erarbeiten, Gute Dienste und

- 28 - politische Unterstützung für die Anstrengungen zur Herbeiführung dauerhaften Friedens und anhaltender Stabilität in Somalia zu leisten und von der internationalen Gemeinschaft Ressourcen und Unterstützung sowohl für die kurzfristige Wiederherstellung als auch für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung Somalias zu mobilisieren und dabei die Empfehlungen in seinem Bericht (S/2009/684) zu berücksichtigen, und betont, wie wichtig es ist, dass das UNPOS und die anderen Büros und Einrichtungen der Vereinten Nationen transparent arbeiten und sich mit der internationalen Gemeinschaft abstimmen;

28. ersucht die Zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung, die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, damit die Aufgaben in Somalia in zweckmäßiger Weise aufgeteilt werden können und so Doppelarbeit vermindert und ein angemessener Ressourceneinsatz gewährleistet wird, und ersucht den Generalsekretär, in seine regelmäßigen Berichte über Somalia aktuelle Angaben zu diesem Thema aufzunehmen;

29. ersucht den Generalsekretär, alle vier Monate über alle Aspekte dieser Resolution Bericht zu erstatten, und bekundet seine Absicht, die Situation im Rahmen der in der Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats vom 31. Oktober 2001 (S/PRST/2001/30) und den Resolutionen des Sicherheitsrats 1863 (2009), 1872 (2009), 1910 (2010) und 1964 (2010) festgelegten Berichtspflichten des Generalsekretärs zu überprüfen;

30. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2011 (2011) verabschiedet auf der 6629. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Oktober 2011 (Afghanistan)

Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung seiner früheren Resolutionen über Afghanistan, insbesondere seiner Resolutionen 1386 (2001), 1510 (2003), 1943 (2010) und 1974 (2011), sowie in Bekräftigung seiner Resolutionen 1267 (1999), 1368 (2001), 1373 (2001), 1822 (2008), 1904 (2009), 1988 (2011) und 1989 (2011) und mit dem erneuten Ausdruck seiner Unterstützung für die internationalen Bemühungen zur Ausrottung des Terrorismus im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1265 (1999), 1296 (2000), 1674 (2006), 1738 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, seine Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit und seine Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte sowie Kenntnis nehmend von dem Bericht des Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte in Afghanistan (S/2011/55) und den späteren Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe des Sicherheitsrats für Kinder und bewaffnete Konflikte (S/AC.51/2011/3),

- 29 - in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Afghanistans, in Anerkennung dessen, dass die Verantwortung für die Gewährleistung der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung im gesamten Land bei den afghanischen Behörden liegt, unter Betonung der Rolle, die der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) dabei zukommt, die afghanische Regierung bei der Verbesserung der Sicherheitslage und dem Aufbau ihrer eigenen Sicherheitskapazitäten zu unterstützen, und unter Begrüßung der Zusammenarbeit der afghanischen Regierung mit der ISAF, unter Begrüßung der Kommuniqués der Londoner Konferenz (S/2010/65) und der Kabuler Konferenz, in denen eine klare Agenda und einvernehmliche Prioritäten für das weitere Vorgehen in Bezug auf Afghanistan festgelegt wurden, und unterstreichend, dass der Stärkung der afghanischen Eigenverantwortung und Führung, in Übereinstimmung mit dem Prozess von , auf allen Gebieten staatlichen Handelns zentrale Bedeutung zukommt, erneut anerkennend, dass die Herausforderungen in Afghanistan miteinander ver- knüpft sind, bekräftigend, dass nachhaltige Fortschritte in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung sowie in den übergreifenden Fragen der Suchtstoffbekämpfung, der Korruptionsbekämpfung und der Rechenschaftslegung einander verstärken und dass die im Rahmen des Übergangs vorrangig durchzuführenden Programme für Regierungsführung und Entwicklung mit den im Prozess von Kabul festgelegten Zielen und den nationalen Prioritätenprogrammen vereinbar sein sollen, und unter Begrüßung der fortlaufenden Bemühungen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft, diese Herausforderungen im Rahmen eines umfassenden Ansatzes zu bewältigen, in diesem Zusammenhang betonend, dass die afghanische Regierung gemäß der von ihr eingegangenen Verpflichtung, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption nach der Londoner und der Kabuler Konferenz zu verstärken, weitere Anstrengungen unternehmen muss, um die Korruption zu bekämpfen, die Transparenz zu fördern und ihre Rechenschaftslegung zu verbessern, unter Hervorhebung der Bedeutung der zwischen der Regierung Afghanistans und den zur ISAF beitragenden Ländern auf dem Gipfeltreffen der Nordatlantikvertrags- Organisation (NATO) in Lissabon erzielten Vereinbarung, die Hauptverantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan bis Ende 2014 schrittweise an die Regierung Afghanistans zu übertragen, begrüßend, dass die erste Phase des Übergangs derzeit durchgeführt wird, und der stufenweisen Ausweitung des Prozesses auf den Rest des Landes erwartungsvoll entgegensehend, unterstreichend, dass der ISAF in Unterstützung der Regierung Afghanistans auch weiterhin eine Rolle bei der Förderung eines verantwortungsvollen Übergangs zukommt und dass es wichtig ist, die Fähigkeiten der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte auszubauen, unter Betonung des langfristigen Engagements der internationalen Gemeinschaft über 2014 hinaus zur Unterstützung der weiteren Entwicklung, einschließlich der Ausbildung, und Professionalisierung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte und ihrer Fähigkeit, gegen die anhaltenden Bedrohungen der Sicherheit Afghanistans vorzugehen, um auf Dauer Frieden, Sicherheit und Stabilität zu schaffen, und feststellend, dass diese Fragen auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen der NATO in Chicago erörtert wer-den, - 30 - unter Begrüßung des langfristigen Engagements der internationalen Partner Afghanistans, einschließlich der NATO, der Europäischen Union (EU), benachbarter Staaten und regionaler Partner, zur weiteren Unterstützung Afghanistans nach dem Übergang und betonend, wie wichtig es ist, dass dieses Engagement komplementären Charakter hat, namentlich in Bezug auf künftige bilaterale Partnerschaften, die die Regierung Afghanistans schließt, mit Interesse der Internationalen Afghanistan-Konferenz „Vom Übergang zur Transformation“ am 5. Dezember 2011 in Bonn entgegensehend, auf der zivile Aspekte des Übergangs, das langfristige Engagement der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan innerhalb seiner Region und die Unterstützung des politischen Prozesses weiter festgelegt werden, mit Interesse der „Istanbuler Konferenz für Afghanistan: Zusammenarbeit und Sicherheit im Herzen Asiens“ entgegensehend, die am 2. November 2011 stattfinden wird,

Kenntnis nehmend von Regionalinitiativen, wie sie beispielsweise im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, der EU, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und des Südasiatischen Verbands für regionale Zusammenarbeit durchgeführt werden, und den anderen einschlägigen Initiativen, die auf eine verstärkte regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afghanistan gerichtet sind, wie die Vision der Neuen Seidenstraße, und mit Interesse der am 26. und 27. März 2012 in Tadschikistan abzuhaltenden fünften Konferenz über regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit für Afghanistan entgegensehend, unter Hervorhebung der zentralen und unparteiischen Rolle, die die Vereinten Nationen auch weiterhin bei der Förderung des Friedens und der Stabilität in Afghanistan spielen, indem sie bei den Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft die Führung übernehmen, in diesem Zusammenhang feststellend, dass zwischen den Zielen der Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) und denen der ISAF Synergien bestehen, und mit dem Fortschreiten des Übergangs betonend, dass sie ihre Zusammenarbeit, Koordinierung und gegenseitige Unterstützung unter gebührender Berücksichtigung der ihnen jeweils übertragenen Verantwortlichkeiten und des sich verändernden Charakters der Präsenz der internationalen Gemeinschaft verstärken müssen, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis über die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere über die anhaltenden gewaltsamen und terroristischen Aktivitäten der Taliban, der Al-Qaida, anderer illegaler bewaffneter Gruppen und von Kriminellen, einschließlich der am Suchtstoffhandel Beteiligten, wie in den Berichten des Generalsekretärs seit der Verabschiedung der Resolution 1943 (2010) des Sicherheitsrats beschrieben, und über die engen Verbindungen zwischen terroristischen Aktivitäten und unerlaubten Drogen, wovon Bedrohungen für die örtliche Bevölkerung, einschließlich Kindern, sowie für die nationalen Sicherheitskräfte und das internationale Militär- und Zivilpersonal ausgehen, unter Begrüßung der Anstrengungen der Regierung Afghanistans, die Nationale Drogenkontrollstrategie zu aktualisieren und zu verbessern und dabei besonderes Gewicht auf ein partnerschaftliches Konzept zur Gewährleistung der gemeinschaftlichen und wirksamen Umsetzung und Koordinierung zu legen, die

- 31 - ISAF dazu ermutigend, die unter afghanischer Führung und in Zusammenarbeit mit den zuständigen internationalen und regionalen Akteuren ergriffenen anhaltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenproduktion und des Drogenhandels weiter wirksam zu unterstützen, und in Anbetracht der von der unerlaubten Herstellung von Drogen und dem unerlaubten Handel und Verkehr damit ausgehenden Bedrohung des Weltfriedens und der Stabilität in verschiedenen Regionen der Welt sowie der wichtigen Rolle, die das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in dieser Hinsicht spielt, sowie mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die schädlichen Auswirkungen gewaltsamer und terroristischer Aktivitäten der Taliban, der Al-Qaida und anderer gewalttätiger und extremistischer Gruppen auf die Fähigkeit der afghanischen Regierung, die Rechtsstaatlichkeit zu garantieren, Sicherheits- und grundlegende Dienste für das afghanische Volk bereitzustellen und ihm den vollen Genuss seiner Menschenrechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten, mit dem erneuten Ausdruck seiner Unterstützung für die kontinuierlichen Anstrengungen, die die afghanische Regierung mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft, namentlich der ISAF und der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“, unternimmt, um die Sicherheitslage zu verbessern und weiter gegen die von den Taliban, der Al-Qaida und anderen gewalttätigen und extremistischen Gruppen ausgehende Bedrohung anzugehen, und in diesem Zusammenhang unter Betonung der Notwendigkeit anhaltender internationaler Anstrengungen, namentlich seitens der ISAF und der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“, unter entschiedenster Verurteilung aller Angriffe, darunter Anschläge mit behelfsmäßigen Sprengvorrichtungen, Selbstmordanschläge, Morde und Entführungen, unterschiedslose Angriffe auf Zivilpersonen, Angriffe auf humanitäre Helfer und gezielte Angriffe auf afghanische und internationale Truppen, und ihrer schädlichen Auswirkungen auf die Stabilisierungs-, Wiederaufbau- und Entwicklungsmaßnahmen in Afghanistan und ferner unter Verurteilung der Benutzung von Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde durch die Taliban, die Al-Qaida und andere gewalttätige und extremistische Gruppen, insbesondere unter Verurteilung der jüngsten Terroranschläge auf das Hotel Inter Continental, den British Council, das Hauptquartier der ISAF und die Botschaft der Vereinigten Staaten in Kabul und beklagend, dass diese Anschläge Todesopfer unter anderem unter der afghanischen Zivilbevölkerung, der Polizei und den Sicherheitskräften forderten, unter Begrüßung der Erfolge der afghanischen Regierung in Bezug auf das Verbot von Ammoniumnitratdünger und mit der nachdrücklichen Aufforderung, weiterhin Maßnahmen zur Umsetzung von Vorschriften für die Kontrolle aller Explosivstoffe und chemischen Ausgangsstoffe zu ergreifen und damit die Fähigkeit der Aufständischen einzuschränken, sie für behelfsmäßige Sprengvorrichtungen zu nutzen, feststellend, dass Afghanistan das Übereinkommen über Streumunition ratifiziert hat, in Anbetracht der anhaltenden Bedrohungen, die von den Taliban, der Al-Qaida und anderen gewalttätigen und extremistischen Gruppen ausgehen, sowie der

- 32 - Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen diese Bedrohungen, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis darüber, dass die hohe Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung in Afghanistan, insbesondere unter den Frauen und Kindern, weiter gestiegen ist, wofür in einer immer größeren Mehrheit der Fälle die Taliban, die Al-Qaida und andere gewalttätige und extremistische Gruppen verantwortlich sind, bekräftigend, dass alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien im Rahmen des Möglichen alles tun müssen, um den Schutz der betroffenen Zivilpersonen, insbesondere der Frauen, Kinder und Vertriebenen, zu gewährleisten, mit der Forderung, dass alle Parteien ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen einhalten und dass alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass die Lage der Zivilbevölkerung und insbesondere die Situation im Hinblick auf Opfer unter dieser ständig überwacht werden und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen laufend Bericht erstattet wird, so auch durch die ISAF, und in dieser Hinsicht Kenntnis nehmend von der Arbeit der Zelle der ISAF zur Erfassung ziviler Opfer,

Kenntnis nehmend von den weiteren Fortschritten, die die ISAF und andere internationale Truppen dabei erzielt haben, die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten, wie im Bericht der UNAMA vom August 2011 über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten beschrieben, die ISAF und die anderen internationalen Truppen nachdrücklich auffordernd, weiterhin verstärkte Anstrengungen zur Verhütung von zivilen Opfern zu unternehmen, namentlich auch durch verstärkte Betonung des Schutzes der afghanischen Bevölkerung als eines zentralen Bestandteils ihres Auftrags, und feststellend, wie wichtig es ist, laufende Überprüfungen der Taktiken und Verfahren sowie Einsatzauswertungen und Untersuchungen in Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung in Fällen durchzuführen, in denen zivile Opfer zu verzeichnen sind, wenn die afghanische Regierung diese gemeinsamen Untersuchungen für angemessen befindet, mit dem Ausdruck seiner großen Besorgnis über die Einziehung und den Einsatz von Kindern durch Kräfte der Taliban in Afghanistan sowie über die Tötung und Verstümmelung von Kindern infolge des Konflikts, in Unterstützung des Erlasses des Innenministers vom 6. Juli 2011, in dem die Entschlossenheit der Regierung bekräftigt wird, Verletzungen der Rechte des Kindes zu verhüten, unter Begrüßung dessen, dass der afghanische Interministerielle Lenkungsausschuss für Kinder und bewaffnete Konflikte eingesetzt wurde und die afghanische Regierung anschließend den Aktionsplan samt Anhang über die mit den nationalen Sicherheitskräften in Afghanistan verbundenen Kinder unterzeichnete, und mit der Forderung, die Bestimmungen des Planes in enger Zusammenarbeit mit der UNAMA voll umzusetzen, in Anerkennung der bei der Reform des Sicherheitssektors und bei der Regierungsführung erzielten Fortschritte und verbleibenden Probleme, unter Begrüßung der Unterstützung und Hilfe, die die internationalen Partner der Afghanischen Nationalpolizei in dieser Hinsicht leisten, insbesondere des fortgesetzten Engagements der Ausbildungsmission der NATO in Afghanistan, des Beitrags der Europäischen Gendarmerietruppe zu dieser Mission und der Hilfe, die die Afghanische Nationalpolizei unter anderem über die Polizeimission der - 33 - Europäischen Union (EUPOL Afghanistan) erhält, und im Kontext des Übergangs unter Begrüßung der vermehrten Kapazitäten und Fähigkeiten der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte, betonend, dass Afghanistan gemeinsam mit den internationalen Gebern die Afghanische Nationalarmee und die Afghanische Nationalpolizei weiter stärken muss, und sich nachdrücklich für die Fortführung der Ausbildungsmaßnahmen aussprechend, um zu gewährleisten, dass afghanische Stellen in der Lage sind, auf Dauer zunehmend Verantwortung zu übernehmen, Sicherheitseinsätze zu führenund die öffentliche Ordnung, die Rechtsdurchsetzung, die Sicherheit der Grenzen Afghanistans und die verfassungsmäßigen Rechte der afghanischen Bürger zu wahren, und betonend, dass Afghanistan seine Anstrengungen zur Auflösung illegaler bewaffneter Gruppen und zur Suchtstoffbekämpfung erhöhen muss, wie dies in den Kommuniqués der Londoner und der Kabuler Konferenz dargelegt ist, in diesem Zusammenhang betonend, wie wichtig es ist, dass die afghanische Regierung weitere Fortschritte bei der Beendigung der Straflosigkeit und der Stärkung der Justizinstitutionen, bei dem Wiederaufbau und der Reform des Strafvollzugswesens sowie bei der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte innerhalb Afghanistans, namentlich auch für Frauen und Mädchen und insbesondere in Bezug auf die verfassungsmäßigen Rechte von Frauen auf volle Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben in Afghanistan, erzielt, mit der erneuten Aufforderung an alle afghanischen Parteien und Gruppen, konstruktiv an einem friedlichen politischen Dialog, wie im Rahmen der afghanischen Verfassung vorgesehen, mitzuwirken, sich gemeinsam mit den internationalen Gebern für die sozioökonomische Entwicklung des Landes einzusetzen und den Rückgriff auf Gewalt, namentlich durch den Einsatz illegaler bewaffneter Gruppen, zu vermeiden, und die Ziele des Hohen Friedensrats unterstützend, unter nachdrücklicher Verurteilung der Ermordung von Professor Burhanuddin Rabbani, dem Vorsitzenden des Hohen Friedensrats Afghanistans, betonend, wie wichtig es ist, dass alle Staaten, denen sachdienliche Informationen vorliegen, den afghanischen Behörden jede benötigte Hilfe zu leisten und alle ihnen vorliegenden sachdienlichen Informationen in Bezug auf diesen Terroranschlag zukommen lassen, betonend, dass in Afghanistan jetzt Ruhe und Solidarität gefordert sind und alle Parteien Spannungen abbauen müssen, unter erneutem Hinweis auf seine feste Entschlossenheit, die Regierung Afghanistans bei ihren Anstrengungen zur Förderung des Friedens- und Aussöhnungsprozesses zu unterstützen, im Einklang mit dem Kabuler Kommuniqué und im Rahmen der afghanischen Verfassung und der Anwendung der Verfahren, die vom Sicherheitsrat in seiner Resolution 1988 (2011) so-wie in anderen einschlägigen Resolutionen des Rates eingeführt wurden, betonend, wie wichtig ein umfassender politischer Prozess in Afghanistan ist, um die Aussöhnung all derer zu unterstützen, die bereit sind, die im Kabuler Kommuniqué vom 20. Juli 2010 festgelegten, von der Regierung Afghanistans und der internationalen Gemeinschaft unterstützten Bedingungen für die Aussöhnung zu erfüllen, unter voller Achtung der Durchführung der Maßnahmen und der Anwendung der Verfahren, die vom Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1267 (1999) und 1988 (2011) sowie in anderen einschlägigen Resolutionen des Rates eingeführt wurden, mit der Aufforderung an alle in Betracht kommenden Staaten, sich weiter am Friedensprozess zu beteiligen, und in Anbetracht der Auswirkungen, die

- 34 - Terroranschläge auf das afghanische Volk haben und auf die künftigen Aussichten auf eine Friedensregelung zu haben drohen, in Anbetracht dessen, dass die Zahl der Taliban gestiegen ist, die sich mit der Regierung Afghanistans ausgesöhnt haben, die terroristische Ideologie der Al-Qaida und ihrer Anhänger verworfen haben und eine friedliche Beilegung des andauernden Konflikts in Afghanistan unterstützen, sowie in Anbetracht dessen, dass die Sicherheit trotz der Entwicklung der Lage in Afghanistan und der Fortschritte bei der Aussöhnung nach wie vor eine ernste Herausforderung in Afghanistan und der Region darstellt, sowie in Anbetracht dessen, dass die Zahl der Wiedereingegliederten gestiegen ist, die sich an dem afghanischen Friedens- und Wiedereingliederungsprogramm beteiligen, unter Begrüßung der Ergebnisse der im Mai abgehaltenen Konferenz zur Überprüfung des Programms und der jüngsten Anstrengungen zur Gewährleistung seiner Durchführung und in Ermutigung weiterer Anstrengungen, die verbleibenden operativen Herausforderungen anzugehen, namentlich durch einen geeigneten Überprüfungsmechanismus, und ferner die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung dieses unter afghanischer Führung stehenden Unterfangens ermutigend, unter Begrüßung der Lösung der festgefahrenen institutionellen Situation nach dem Beschluss, die Unabhängige Wahlkommission in letzter Instanz über Wahlfragen entscheiden zu lassen, unter erneutem Hinweis auf die Verpflichtung, die die afghanische Regierung im Kommuniqué der Kabuler Konferenz einging, aufbauend auf den bei früheren Wahlen, einschließlich der Parlamentswahlen 2010, gewonnenen Erfahrungen die langfristige Reform des Wahlsystems in Angriff zu nehmen, und bekräftigend, dass die friedliche Zukunft Afghanistans darin liegt, einen stabilen, sicheren und wirtschaftlich eigenständigen, von Terrorismus und Suchtstoffen freien Staat aufzubauen, der auf gestärkten demokratischen Institutionen, der Achtung der Gewaltenteilung, gestärkten, in der Verfassung verankerten Kontrollmechanismen und der Garantie und Durchsetzung der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten beruht, anerkennend, wie wichtig der Beitrag von Partnern in den Nachbarländern und der Region sowie von Regionalorganisationen, darunter die EU, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit und der Südasiatische Verband für regionale Zusammenarbeit, für die Stabilisierung Afghanistans ist, betonend, dass der Ausbau der regionalen Zusammenarbeit als wirksames Mittel zur Förderung der Sicherheit, der Regierungsführung und der Entwicklung in Afghanistan von entscheidender Bedeutung ist, und verstärkte regionale Anstrengungen zur weiteren Umsetzung der früheren Erklärungen über gutnachbarliche Beziehungen begrüßend und unterstützend, unter Begrüßung der Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Stärkung der Kohärenz der militärischen und zivilen Maßnahmen, einschließlich derjenigen, die im Rahmen der ISAF durchgeführt werden, sowie unter Begrüßung der fortgesetzten Koordinierung zwischen der ISAF und der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“ und der zwischen der ISAF und der Präsenz der EU in Afghanistan hergestellten Zusammenarbeit am Einsatzort,

- 35 - mit dem Ausdruck seiner Anerkennung für die von der NATO wahrgenommene Führungsrolle und die Beiträge vieler Nationen zur ISAF und zur Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“, die ihre Tätigkeit im Rahmen der Einsätze zur Bekämpfung des Terrorismus in Afghanistan und im Einklang mit den anwendbaren Regeln des Völkerrechts durchführt, feststellend, dass die Situation in Afghanistan weiterhin eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, entschlossen, die vollständige Durchführung des Mandats der ISAF in Abstimmung mit der afghanischen Regierung sicherzustellen, aus diesen Gründen tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, die in den Resolutionen 1386 (2001) und 1510 (2003) festgelegte Genehmigung der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) um einen Zeitraum von zwölf Monaten bis zum 13. Oktober 2012 zu verlängern;

2. ermächtigt die an der ISAF teilnehmenden Mitgliedstaaten, alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen zu ergreifen;

3. anerkennt die Notwendigkeit, dass der gesamte operative Bedarf der ISAF gedeckt werden muss, begrüßt die Vereinbarung zwischen der Regierung Afghanistans und den zur ISAF beitragenden Ländern, die Hauptverantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan bis Ende 2014 schrittweise an die afghanische Regierung zu übertragen, sowie den Beginn des Übergangsprozesses im Juli 2011, und fordert die Mitgliedstaaten auf, Personal, Ausrüstung und andere Ressourcen für die ISAF zu stellen und ihre Anstrengungen zur Stützung von Sicherheit und Stabilität in Afghanistan auch künftig fortzusetzen;

4. begrüßt die von der NATO und der Regierung Afghanistans auf dem Gipfeltreffen von Lissabon im November 2010 vereinbarte Erklärung über eine dauerhafte Partnerschaft und insbesondere die darin bekundete Absicht, im Rahmen der dauerhaften Partnerschaft nachhaltige praktische Unterstützung zu gewähren, die darauf abzielt, das Leistungsvermögen und die Fähigkeit Afghanistans, die anhaltenden Bedrohungen seiner Sicherheit, Stabilität und Unversehrtheit zu bekämpfen, zu verbessern und zu unterstützen und durch die Stabilisierung der Lage in Afghanistan zur Sicherheit der Region beizutragen;

5. unterstreicht, wie wichtig es ist, die Funktionsfähigkeit, die Professionalität und die Rechenschaftspflicht des afghanischen Sicherheitssektors innerhalb eines umfassenden Rahmens zu steigern, legt der ISAF und den anderen Partnern nahe, nach Maßgabe ihrer Ressourcen ihre Anstrengungen fortzusetzen, um die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte auszubilden, zu betreuen und ihnen mehr Verantwortung zu übertragen, damit raschere Fortschritte in Richtung auf das Ziel eigenständiger, durchhaltefähiger, rechenschaftspflichtiger und ethnisch ausgewogener afghanischer Sicherheitskräfte erzielt werden, die für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit im gesamten Land sorgen, begrüßt die zunehmende Führungsrolle der afghanischen Behörden in Bezug auf die Sicherheitsaufgaben im gesamten Land und betont, wie wichtig es ist, die geplante Vergrößerung der

- 36 - Afghanischen Nationalarmee und der Afghanischen Nationalpolizei zu unterstützen;

6. fordert die ISAF und den Hohen Zivilen Beauftragten der NATO auf, bei der Durchführung des Mandats der ISAF auch weiterhin in enger Abstimmung mit der afghanischen Regierung und dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen gemäß Resolution 1974 (2011) des Sicherheitsrats sowie mit der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“ zu handeln;

7. ersucht die Führung der ISAF, den Sicherheitsrat über den Generalsekretär der Vereinten Nationen regelmäßig über die Durchführung ihres Mandats unterrichtet zu halten, einschließlich durch die rechtzeitige Vorlage vierteljährlicher Berichte;

8. beschließt, mit dieser Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quell: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2012 (2011) verabschiedet auf der 6631. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. Oktober 2011 (Haiti)

Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung seiner früheren Resolutionen über Haiti, insbesondere seiner Resolutionen 1944 (2010), 1927 (2010), 1908 (2010), 1892 (2009), 1840 (2008), 1780 (2007), 1743 (2007), 1702 (2006), 1658 (2006), 1608 (2005), 1576 (2004) und 1542 (2004), in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und Einheit Haitis, anerkennend, dass Haiti seit dem tragischen Erdbeben vom 12. Januar 2010 beträchtliche Fortschritte erzielt hat und dass insbesondere zum ersten Mal in seiner Geschichte eine friedliche Machtübergabe von einem demokratisch gewählten Präsidenten an einen aus der Opposition kommenden anderen Präsidenten stattfand, sowie mit der haitianischen Regierung anerkennend, dass die Sicherheitslage insgesamt zwar noch instabil ist, dass jedoch seit der Verabschiedung seiner Resolutionen 1908 (2010), 1927 (2010) und 1944 (2010) eine Verbesserung eingetreten ist, die einen Teilabzug der Militär- und Polizeikapazitäten der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH) als ersten Schritt zur Beendigung der vom Sicherheitsrat nach dem Erdbeben beschlossenen vorübergehenden Verstärkung der Kapazitäten ermöglicht hat, wobei die Personalstärke der Mission kontinuierlich angepasst wird, ohne die Sicherheit und die Stabilität Haitis zu untergraben, und anerkennend, wie wichtig es ist, dass Beschlüsse über die Zukunft der MINUSTAH ausgehend von den herrschenden Bedingungen und in Abhängigkeit von der Sicherheitslage gefasst werden, unter Begrüßung der Ernennung eines Premierministers und einer Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und mit der Aufforderung an alle maßgeblichen politischen

- 37 - Akteure in Haiti, insbesondere die Exekutive und die Legislative, sich an einem wirksamen Dialog zu beteiligen, mit dem Ziel einer politischen Einigung zur Konsolidierung eines konkreten Vorgehensplans zugunsten von Fortschritten in Schlüsselbereichen wie der Sicherheit Haitis, dem Haushalt, den Wiederherstellungs- und Entwicklungsprioritäten, den Wahlen und der Wahlreform, einschließlich der Beteiligung von Frauen an den Wahlprozessen, und dem Abschluss der Verfassungsreform, in der Erkenntnis, dass Haiti mit mehr als 600.000 Binnenvertriebenen, die zum bloßen Überleben noch immer auf Hilfe angewiesen sind, einer anhaltenden Choleraepidemie und seiner extremen Anfälligkeit für Naturkatastrophen auch weiterhin vor erheblichen humanitären Herausforderungen steht, betonend, dass Fortschritte bei der Wiederherstellung und dem Wiederaufbau Haitis sowie bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Haitis, namentlich durch wirksame internationale Entwicklungshilfe und die Stärkung der haitianischen institutionellen Kapazitäten zur Nutzung dieser Hilfe, für die Herbeiführung dauerhafter und nachhaltiger Stabilität unerlässlich sind, und erneut darauf hinweisend, dass Sicherheit mit sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung einhergehen muss, betonend, dass die Regierung Haitis im Prozess der Wiederherstellung und des Wiederaufbaus nach der Katastrophe, einschließlich Maßnahmen zur Risikominderung und Risikovorsorge, die Führungsrolle wahrnimmt, und unterstreichend, dass alle Akteure der Vereinten Nationen und die anderen maßgeblichen Beteiligten stärker koordinierte und ergänzende Anstrengungen unternehmen müssen, der Regierung in dieser Hinsicht behilflich zu sein sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Haitis insgesamt zu unterstützen, in Anerkennung der bisherigen Arbeit der Interimskommission für die Wiederherstellung Haitis, für die die Vereinten Nationen auch weiterhin kohärente Politikberatung und technische Unterstützung bereitstellen, sowie des Wiederaufbaufonds für Haiti, die beide bei den mittel- und langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen in Haiti eine zentrale Rolle wahrnehmen, in Würdigung des breiten Spektrums der vom System der Vereinten Nationen in Haiti durchgeführten Wiederherstellungsmaßnahmen, insbesondere der von den Vereinten Nationen unterstützten Programme für den Wohnungsbau und die Trümmerbeseitigung und des erfolgreichen Einsatzes der Pioniereinheiten der MINUSTAH zur Deckung der dringenden Bedürfnisse unmittelbar nach dem Erdbeben vom Januar 2010, und betonend, wie wichtig die zunehmende Beteiligung der haitianischen Behörden und internationaler und ziviler Akteure an diesen Aufgaben ist, mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Geber, den Zusagen, die sie auf der am 31. März 2010 abgehaltenen Internationalen Geberkonferenz „Eine neue Zukunft für Haiti“ gegeben haben, unverzüglich nachzukommen, damit die Wiederaufbaubemühungen auch weiterhin greifbare und sichtbare Erfolge hervorbringen, und unterstreichend, dass die Vorgabe klarer Leitlinien und Prioritäten in der nationalen Verantwortung liegt,

- 38 - unter Betonung der Rolle der Regionalorganisationen beim laufenden Prozess der Stabilisierung und des Wiederaufbaus Haitis und mit der Aufforderung an die MINUSTAH, auch weiterhin eng mit den regionalen und subregionalen Organisationen, den internationalen Finanzinstitutionen und den sonstigen beteiligten Akteuren, insbesondere der Organisation der amerikanischen Staaten (OAS) und der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM), zusammenzuarbeiten, anerkennend, dass die Herausforderungen in Haiti miteinander verknüpft sind, bekräftigend, dass nachhaltige Fortschritte in den Bereichen Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und institutionelle Reform, nationale Aussöhnung und Entwicklung einander verstärken, und unter Begrüßung der fortgesetzten Bemühungen der Regierung Haitis und der internationalen Gemeinschaft, diese Herausforderungen zu bewältigen, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis darüber, dass kriminelle Banden nach wie vor die Stabilität Haitis bedrohen, anerkennend, dass sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert hat, ferner jedoch seine Besorgnis darüber bekundend, dass bei allen schweren Formen von Verbrechen, namentlich Mord, Vergewaltigung und Entführung, in Port-au-Prince und im Département Ouest seit dem Erdbeben eine steigende Tendenz zu verzeichnen ist, in der Erkenntnis, dass sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt nach wie vor Anlass zu großer Besorgnis geben, insbesondere in Randbezirken von Port-au- Prince, Lagern für Binnenvertriebene und entlegenen Gebieten des Landes, unter Begrüßung der Anstrengungen der Haitianischen Nationalpolizei, verstärkt Patrouillen durchzuführen und ihre Präsenz und den direkten Kontakt mit der Bevölkerung auszuweiten, was möglicherweise dazu beigetragen hat, dass Verbrechen vermehrt gemeldet werden, anerkennend, dass die Stärkung der nationalen Menschenrechtsinstitutionen und die Achtung der Menschenrechte, ordnungsgemäße Verfahren, die Bekämpfung der Kriminalität und der sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt und die Beendigung der Straflosigkeit für die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit und der Sicherheit in Haiti unerlässlich sind, in Anerkennung der maßgeblichen Rolle der MINUSTAH bei der Gewährleistung der Stabilität und der Sicherheit in Haiti sowie in Anerkennung der ergänzenden Rollen, die die MINUSTAH und das Landesteam der Vereinten Nationen bislang bei der Unterstützung der Wiederherstellungsbemühungen Haitis wahrgenommen haben, in Bekräftigung der Befugnisse des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs bei der Koordinierung und Durchführung aller Tätigkeiten der Organisationen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen in Haiti und betonend, wie wichtig es ist, dass der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs die weitere Koordinierung zwischen der MINUSTAH und dem Landesteam der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit den Aspekten ihrer Mandate gewährleistet, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, mit besonderem Augenmerk auf der Stärkung der institutionellen Kapazitäten Haitis, namentlich auf dem Gebiet des Wiederaufbaus und der Entwicklung,

- 39 - in Würdigung dessen, dass die MINUSTAH der Regierung Haitis auch weiterhin dabei behilflich ist, ein sicheres und stabiles Umfeld zu gewährleisten, mit dem Ausdruck seines Dankes an das Personal der MINUSTAH und seine Länder und in Würdigung derer, die in Ausübung ihres Dienstes verletzt wurden oder ums Leben kamen, begrüßend, dass die Regierung Haitis zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit entschlossen ist, die Regierung Haitis auffordernd, in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft die Reform des Sicherheitssektors weiter voranzubringen, insbesondere die Erarbeitung und Durchführung des nächsten Fünfjahresplans zur Entwicklung der Haitianischen Nationalpolizei, der nach Dezember 2011 wirksam wird, unterstreichend, dass die Regierung Haitis, auf ihr Ersuchen mit Hilfe durch die internationale Gemeinschaft, dafür sorgen muss, dass die Haitianische Nationalpolizei die in dem Plan enthaltenen Reformkriterien erfüllt, und der Regierung nahelegend, mit Unterstützung durch die MINUSTAH die haitianische Bevölkerung regelmäßig über Fortschritte bei der Erfüllung dieser Kriterien zu unter-richten, unterstreichend, wie wichtig eine angemessene finanzielle Ausstattung der Haitianischen Nationalpolizei ist, und der Regierung Haitis nahelegend, die von der internationalen Gemeinschaft gewährte Unterstützung zu nutzen, um angemessene Sicherheit für die haitianische Bevölkerung zu gewährleisten, unterstreichend, dass zur Unterstützung eines höheren Maßes an Integration und Zusammenhalt im haitianischen Sicherheitssektor das haitianische Justiz- und Strafvollzugssystem weiter gestärkt werden muss, begrüßend, dass nach Verbesserungen in der Rechtsprechung jetzt angemessenere personelle und materielle Kapazitäten vorhanden sind, und in der Erkenntnis, dass die noch bestehenden Menschenrechtsprobleme im Strafvollzugssystem, beispielsweise lang andauernde Untersuchungshaft, Überbelegung der Gefängnisse und Zugang zu Gesundheitsdiensten, bedeutende Herausforderungen für nachhaltige Ver- waltungsreformen sind, unter Begrüßung der Anstrengungen, die der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, William J. Clinton, als Sondergesandter der Vereinten Nationen für Haiti unternimmt, um die Wiederherstellungsmaßnahmen der Vereinten Nationen im Rahmen der humanitären Einsätze wie auch der Entwicklungstätigkeiten zu verbessern sowie die Hilfezusagen und Mittelauszahlungen zu verfolgen, mit der Interimskommission für die Wiederherstellung Haitis und den internationalen Finanzinstitutionen Verbindung zu halten und die Kohärenz bei allen Einsätzen der Vereinten Nationen in Haiti zu gewährleisten, und feststellend, wie wichtig eine regelmäßige Berichterstattung über diese Aktivitäten ist, betonend, wie wichtig eine starke Koordinierung zwischen dem Büro des Sondergesandten der Vereinten Nationen für Haiti und den anderen Institutionen der Vereinten Nationen und den Mitgliedstaaten ist, und unter Betonung der Notwendigkeit der Koordinierung unter allen internationalen Akteuren vor Ort, die Notwendigkeit unterstreichend, hochwirksame, arbeitskräfteintensive Projekte mit hohem Profil durchzuführen, die dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen und grundlegende soziale Dienste zu erbringen,

- 40 - unter Begrüßung des Berichts des Generalsekretärs (S/2011/540) vom 25. August 2011, feststellend, dass die Situation in Haiti trotz der bislang erzielten Fortschritte nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, wie in Ziffer 7 Abschnitt I der Resolution 1542 (2004) beschrieben,

1. beschließt, das in seinen Resolutionen 1542 (2004), 1608 (2005), 1702 (2006), 1743 (2007), 1780 (2007), 1840 (2008), 1892 (2009), 1908 (2010), 1927 (2010) und 1944 (2010) enthaltene Mandat der MINUSTAH bis zum 15. Oktober 2012 zu verlängern, mit der Absicht, es um weitere Zeiträume zu verlängern;

2. beschließt, dass die Gesamtpersonalstärke der MINUSTAH im Einklang mit Ziffer 50 des Berichts des Generalsekretärs aus bis zu 7.340 Soldaten aller Dienstgrade und einem Polizeianteil von bis zu 3.241 Polizisten bestehen wird;

3. bekräftigt, dass künftige Anpassungen ihrer Personalstruktur auf der Grundlage der Gesamtsicherheitslage vor Ort erfolgen sollen, unter Berücksichtigung der Auswirkungen der sozialen und politischen Realitäten auf die Stabilität und die Sicherheit Haitis, des fortschreitenden Ausbaus der haitianischen staatlichen Kapazitäten, einschließlich der laufenden Stärkung der Haitianischen Nationalpolizei, und der zunehmenden Wahrnehmung der Verantwortung des haitianischen Staates für die Wahrung der Stabilität und der Sicherheit in dem Land durch die nationalen Behörden;

4. anerkennt die Eigen- und Hauptverantwortung der Regierung und des Volks Haitis für alle Aspekte der Stabilisierung des Landes, begrüßt die Schritte, die die MINUSTAH unternommen hat, um im Rahmen der verfügbaren Mittel der Regierung Haitis auf Ersuchen mit logistischer Unterstützung und Fachwissen dabei behilflich zu sein, die Maßnahmen zum Aufbau der Kapazitäten der rechtsstaatlichen Institutionen auf nationaler und lokaler Ebene fortzusetzen und die Umsetzung der Strategie der Regierung zur Neuansiedlung der Vertriebenen zu beschleunigen, in dem Wissen, dass es sich dabei um vorübergehende Maßnahmen handelt, die mit dem Erstarken der haitianischen Kapazitäten auslaufen werden, und fordert die Mission auf, die vom Generalsekretär empfohlenen diesbezüglichen Aktivitäten zügig durchzuführen;

5. begrüßt die Anstrengungen der Regierung Haitis, institutionelle Kapazitäten in den Bereichen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit auf allen Ebenen aufzubauen, namentlich durch Dezentralisierungsmaßnahmen, und fordert die MINUSTAH im Einklang mit ihrem Mandat sowie andere maßgebliche Akteure auf, auch weiterhin Unterstützung bei der Stärkung eigenständiger staatlicher Institutionen des Sicherheitssektors, insbesondere außerhalb von Port-au-Prince, zu leisten, mit dem Ziel, die Fähigkeit der Regierung Haitis zur Ausdehnung der staatlichen Autorität auf ganz Haiti weiter zu verbessern, eine stärkere landesweite Präsenz des Staates zu gewährleisten und eine gute Verwaltungsführung auf lokaler Ebene zu fördern;

- 41 - 6. erkennt an, dass nach der Abhaltung der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ein stabiles politisches und institutionelles Umfeld entscheidend für die Stabilität und das Fortschreiten der Wiederherstellungs- und Wiederaufbaumaßnahmen ist, bekräftigt seine Aufforderung an die MINUSTAH, den in Haiti im Gang befindlichen politischen Prozess zu unterstützen, namentlich durch die Dienste des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, und legt der MINUSTAH nahe, ihre Unterstützung für die bevorstehenden Teilwahlen zum Parlament und auf kommunaler Ebene fortzusetzen und in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren, namentlich der OAS und der CARICOM, die internationale Wahlhilfe für Haiti zu koordinieren;

7. begrüßt die Anstrengungen, die die MINUSTAH derzeit unternimmt, um die Abstimmung mit der Haitianischen Nationalpolizei zu verstärken und die Kapazitäten der Haitianischen Nationalpolizei auszubauen, damit diese die volle Verantwortung für den Sicherheitsbedarf Haitis übernehmen kann, namentlich für das Grenzmanagement und Sicherheitsmaßnahmen, die darauf gerichtet sind, Bedrohungen zu bewerten und von unerlaubten Aktivitäten abzuschrecken, und fordert die internationalen und regionalen Partner Haitis auf, ihre diesbezügliche Hilfe für die Regierung Haitis auf Ersuchen zu verstärken;

8. ermutigt die haitianischen Behörden, diese Unterstützung in vollem Umfang zu nutzen, namentlich bei der Stärkung der Kapazitäten der Haitianischen Nationalpolizei, der Modernisierung der wichtigsten Rechtsvorschriften und der Durchführung des Justizreformplans, die notwendigen Schritte, einschließlich Ernennungen, zu unternehmen, die den übergeordneten Justizinstitutionen ein angemessenes Arbeiten ermöglichen, und das Problem der lang andauernden Untersuchungshaft und der Überbelegung der Gefängnisse anzugehen, unter besonderer Berücksichtigung von Frauen und Kindern;

9. fordert die Regierung Haitis auf, mit Unterstützung durch die MINUSTAH mit Vorrang den nächsten Fünfjahresplan zur Entwicklung der Haitianischen Nationalpolizei, der auf den aktuellen Reformplan nach dessen Ablauf im Dezember 2011 folgt, zu erarbeiten und durchzuführen, und ersucht die MINUSTAH, gegebenenfalls mit zusätzlicher Unterstützung durch örtlich eingestellte Dolmetscher im Rahmen der vorhandenen Ressourcen, die Überprüfung, Betreuung und Ausbildung des Polizei- und Strafvollzugspersonals und die Stärkung der institutionellen und operativen Kapazitäten der Strafvollzugsdienste auch weiterhin zu unterstützen sowie bei von den Gebern finanzierten Projekten für die Wiederherstellung und den Bau von Polizei- und Strafvollzugseinrichtungen auf Ersuchen weiterhin technische Anleitung zu geben;

10. begrüßt es, dass wieder neue Kräfte für die Haitianische Nationalpolizei ausgebildet und befördert werden, betont die Notwendigkeit der Rechenschaftslegung und eines robusten Überprüfungsprozesses und unterstreicht, wie grundlegend wichtig es ist, dass die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung für den Aufbau der Kapazitäten der Haitianischen Nationalpolizei fortsetzt und verstärkt, insbesondere durch vermehrte Betreuung und die Ausbildung von spezialisierten Einheiten;

11. legt außerdem der MINUSTAH nahe, in Zusammenarbeit mit den geeigneten internationalen Akteuren der Regierung dabei behilflich zu sein, der Gefahr eines - 42 - Wiederauflebens der Bandengewalt, der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels und des Kinderhandels zu begegnen;

12. fordert alle Geber und internationalen und nichtstaatlichen Organisationen auf, ihre Anstrengungen mit der Interimskommission für die Wiederherstellung Haitis oder ihrer Nachfolgeinstitution abzustimmen und eng mit ihr zusammenzuarbeiten, um die Regierung verstärkt in die Lage zu versetzen, den Aktionsplan für die nationale Wiederherstellung und Entwicklung Haitis zu erfüllen;

13. ersucht das Landesteam der Vereinten Nationen und fordert alle Akteure auf, die von der Regierung Haitis mit Unterstützung durch die MINUSTAH durchgeführten Sicherheits- und Entwicklungsmaßnahmen durch Aktivitäten zu ergänzen, die auf die wirksame Verbesserung der Lebensbedingungen der betroffenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Frauen und Kinder, abzielen;

14. ersucht die MINUSTAH, auch weiterhin rasch wirkende Projekte durchzuführen, die das Vertrauen der haitianischen Bevölkerung gegenüber der MINUSTAH weiter stärken;

15. legt der MINUSTAH nahe, der Regierung Haitis weiter dabei behilflich zu sein, der Zivilbevölkerung angemessenen Schutz zu gewähren, unter besonderer Beachtung der Bedürfnisse der Binnenvertriebenen und anderer schutzbedürftiger Gruppen, vor allem von Frauen und Kindern, namentlich durch gemeinsame gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit in den Lagern sowie durch verstärkte Mechanismen zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, verweist auf die Resolution 1894 (2009) des Sicherheitsrats und ersucht den Generalsekretär, in enger Abstimmung mit der Regierung Haitis, den truppen- und polizeistellenden Ländern und anderen maßgeblichen Akteuren einen umfassenden Plan für den Schutz der Zivilbevölkerung zu erarbeiten;

16. verurteilt mit Nachdruck die schweren Rechtsverletzungen an von bewaffneter Gewalt betroffenen Kindern und das weit verbreitete Vorkommen von Vergewaltigungen und anderen Formen des sexuellen Missbrauchs von Frauen und Mädchen und fordert die Regierung Haitis auf, mit Unterstützung durch die MINUSTAH und das Landesteam der Vereinten Nationen die Rechte der Frauen und Kinder, wie in den Resolutionen 1325 (2000), 1612 (2005), 1820 (2008), 1882 (2009), 1888 (2009) und 1889 (2009) des Sicherheitsrats ausgeführt, auch weiterhin zu fördern und zu schützen;

17. ersucht den Generalsekretär, auch weiterhin die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das gesamte Personal der MINUSTAH die Nulltoleranzpolitik der Vereinten Nationen gegenüber sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch uneingeschränkt beachtet, und den Rat unterrichtet zu halten, und fordert die truppen- und polizeistellenden Länder nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Handlungen, an denen ihr Personal beteiligt ist, ordnungsgemäß untersucht und bestraft werden;

18. bekräftigt das Mandat der MINUSTAH auf dem Gebiet der Menschenrechte und ist sich dessen bewusst, dass die Achtung der Menschenrechte, insbesondere die Beachtung der individuellen Verantwortlichkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen unter früheren Regierungen, für die Stabilität Haitis

- 43 - unverzichtbar ist, fordert die Regierung nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die Haitianische Nationalpolizei und die Richterschaft die Menschenrechte achten und schützen, und fordert die MINUSTAH auf, in dieser Hinsicht Überwachungs- und Unterstützungsarbeit zu leisten;

19. begrüßt die von der MINUSTAH geleistete wichtige Arbeit zur Deckung dringender Bedürfnisse in Haiti, legt der Mission nahe, im Rahmen ihres Mandats die bestehenden Mittel und Kapazitäten, namentlich ihre Pioniere, auch weiterhin voll zum Einsatz zu bringen, um die Stabilität in dem Land weiter zu erhöhen, und ersucht die MINUSTAH, ihre längerfristige Planung darauf auszurichten, eine stärkere haitianische Eigenverantwortung für die Wiederaufbautätigkeit in Haiti zu unterstützen, und ersucht ferner den Generalsekretär, in seinen nächsten Bericht einen Hinweis auf die diesbezüglichen Pläne der MINUSTAH aufzunehmen;

20. ersucht die MINUSTAH, ihr erweitertes Konzept zur Minderung der Gewalt in den Gemeinwesen fortzusetzen und das Programm an die sich nach dem Erdbeben in Haiti wandelnden Anforderungen anzupassen, wobei den Vertriebenen und den Bewohnern der von Gewalt betroffenen Viertel besonderes Augenmerk gelten soll;

21. ersucht die MINUSTAH, die haitianischen Behörden auch weiterhin bei ihren Anstrengungen zur Kontrolle des Zustroms von Kleinwaffen zu unterstützen, namentlich bei arbeitskräfteintensiven Projekten, dem Aufbau eines Waffenregisters, der Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften über Waffeneinfuhren und Waffenbesitz, der Reform des Systems für Waffenscheine und der Erarbeitung und Umsetzung einer nationalen Doktrin für gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit;

22. unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die Planungsdokumente für den militärischen Anteil und den Polizeianteil der MINUSTAH, wie etwa das Einsatzkonzept und die Einsatzrichtlinien, nach Bedarf regelmäßig aktualisiert werden und im Einklang mit den Bestimmungen aller seiner einschlägigen Resolutionen stehen, und ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat und den truppen- und polizeistellenden Ländern über sie Bericht zu erstatten;

23. ersucht den Generalsekretär, dem Rat halbjährlich und spätestens 45 Tage vor Ablauf des Mandats der MINUSTAH über dessen Durchführung Bericht zu erstatten;

24. ersucht den Generalsekretär, in seine Berichte eine umfassende Bewertung der Sicherheitsbedrohungen in Haiti aufzunehmen und dem schützenden Umfeld für alle, insbesondere Frauen und Kinder, und den Fortschritten bei der dauerhaften Neuansiedlung der Vertriebenen besondere Aufmerksamkeit zu widmen und gegebenenfalls Optionen für eine Umstrukturierung der MINUSTAH vorzuschlagen;

25. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

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- 44 - Resolution 2013 (2011) verabschiedet auf der 6632. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. Oktober 2011 (Ruanda)

Der Sicherheitsrat,

Kenntnis nehmend von dem Schreiben des Generalsekretärs vom 30. September 2011 an den Präsidenten des Sicherheitsrats (S/2011/609), dem ein Schreiben der Präsidentin des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda („Gerichtshof“) vom 26. September 2011 beigefügt ist, unter Hinweis auf seine Resolutionen 955 (1994) vom 8. November 1994, 1503 (2003) vom 28. August 2003 und 1534 (2004) vom 26. März 2004 sowie seine früheren Resolutionen betreffend den Gerichtshof, sowie unter Hinweis auf seine Resolution 1966 (2010) vom 22. Dezember 2010, mit der der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe („Mechanismus“) geschaffen und der Gerichtshof ersucht wurde, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um seine gesamte verbleibende Arbeit zügig und spätestens bis zum 31. Dezember 2014 abzuschließen, seine Auflösung vorzubereiten und für einen reibungslosen Übergang zu dem Mechanismus zu sorgen, feststellend, dass nach dem Abschluss der ihnen zugewiesenen Fälle vier ständige Richter von den Strafkammern an die Berufungskammer verlegt werden und zwei ständige Richter den Gerichtshof verlassen werden, mit der nachdrücklichen Aufforderung an den Gerichtshof, alle ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Tätigkeit schnell abzuschließen, entsprechend dem Ersuchen in Resolution 1966 (2010), tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände, dass Richter Bakhtiyar Tuzmukhamedov ungeachtet des Artikels 12 bis Absatz 3 des Statuts des Gerichtshofs bis zum 31. Dezember 2011 nebenamtlich tätig sein und einer anderen richterlichen Tätigkeit nachgehen darf, und nimmt davon Kenntnis, dass Richter Tuzmukhamedov versichert hat, dafür zu sorgen, dass das Urteil in den beiden Fällen, mit denen er derzeit befasst ist, termingemäß erlassen wird;

2. unterstreicht, dass diese Ausnahmegenehmigung nicht als Präzedenzfall anzusehen ist. Der Präsidentin des Gerichtshofs obliegt es, sicherzustellen, dass diese Regelung mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters vereinbar ist, keinen Anlass zu Interessenkonflikten gibt und den Erlass des Urteils nicht verzögert;

3. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 45 - Resolution 2014 (2011) verabschiedet auf der 6634. Sitzung des Sicherheitsrats am 21. Oktober 2011 (Jemen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Presseerklärungen vom 24. September 2011, 9. August 2011 und 24. Juni 2011, mit dem Ausdruck großer Besorgnis über die Situation in Jemen, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit Jemens, unter Begrüßung der Erklärung des Generalsekretärs vom 23. September 2011, in der er alle Seiten nachdrücklich aufforderte, in konstruktiver Weise auf eine friedliche Beilegung der derzeitigen Krise hinzuwirken, unter Begrüßung des Engagements des Golf-Kooperationsrats und in Bekräftigung der Unterstützung des Sicherheitsrats für die Bemühungen des Golf- Kooperationsrats um die Beilegung der politischen Krise in Jemen, unter Begrüßung der fortgesetzten Anstrengungen im Rahmen der Guten Dienste des Generalsekretärs, einschließlich der Besuche des Sonderberaters in Jemen,

Kenntnis nehmend von der Resolution des Menschenrechtsrats über Jemen (A/HRC/RES/18/19), unterstreichend, dass eine den internationalen Normen entsprechende umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung der mutmaßlichen Menschenrechtsmissbräuche und -verletzungen durchgeführt werden muss, damit Straflosigkeit vermieden wird und die Täter voll zur Rechenschaft gezogen werden, und in dieser Hinsicht von den Besorgnissen Kenntnis nehmend, die die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte geäußert hat, es begrüßend, dass der Ministerrat des Golf-Kooperationsrats in seiner Erklärung vom 23. September 2011 Präsident Saleh aufforderte, die Initiative des Golf- Kooperationsrats sofort zu unterzeichnen und umzusetzen, den Einsatz von Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten verurteilte und zur Zurückhaltung, zur Einhaltung einer vollständigen und sofortigen Waffenruhe und zur Bildung einer Kommission zur Untersuchung der Ereignisse, infolge deren unschuldige Jemeniten getötet wurden, aufrief, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis über die Verschlechterung der Sicherheitslage, namentlich die bewaffneten Konflikte, und die sich aufgrund des Ausbleibens von Fortschritten im Hinblick auf eine politische Regelung verschlimmernde wirtschaftliche und humanitäre Lage sowie die Möglichkeit einer weiteren Eskalation der Gewalt, in Bekräftigung seiner Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit und erneut erklärend, dass Frauen in Anbetracht ihrer entscheidenden Rolle bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung an allen Phasen von Friedensprozessen voll, gleichberechtigt und wirksam mitwirken müssen, in

- 46 - Bekräftigung der Schlüsselrolle, die Frauen bei der Wiederherstellung des sozialen Gefüges spielen, und betonend, dass sie in die Beilegung von Konflikten einbezogen werden müssen, damit ihren Perspektiven und Bedürfnissen Rechnung getragen wird, sowie mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis über die wachsende Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge in Jemen, das beunruhigende Ausmaß der Mangelernährung infolge von Dürre und drastisch steigenden Brennstoff- und Nahrungsmittelpreisen, die immer häufigeren Unterbrechungen bei der Bereitstellung grundlegender Versorgungsgüter und sozialer Dienste und den immer schwierigeren Zugang zu einwandfreiem Wasser und gesundheitlicher Versorgung, ferner mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis über die zunehmende Bedrohung, die auf der Arabischen Halbinsel von der Al-Qaida ausgeht, und über die Gefahr neuer Terroranschläge in Teilen Jemens und bekräftigend, dass der Terrorismus in allen seinen Arten und Erscheinungsformen eine der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt und dass alle terroristischen Handlungen verbrecherisch und nicht zu rechtfertigen sind, ungeachtet ihrer Beweggründe, unter Verurteilung aller gegen Zivilpersonen und Staatsorgane gerichteten Terroranschläge und sonstigen Angriffe, einschließlich derjenigen, die das Ziel haben, den politischen Prozess in Jemen zu gefährden, wie etwa der Anschlag auf den Präsidentenkomplex in Sanaa am 3. Juni 2011, daran erinnernd, dass die jemenitische Regierung die Hauptverantwortung für den Schutz der Bevölkerung des Landes trägt, betonend, dass die derzeitige Krise in Jemen am besten durch einen alle Seiten einschließenden und von Jemen geleiteten politischen Übergangsprozess beigelegt werden kann, der den berechtigten Forderungen und Bestrebungen des jemenitischen Volkes nach Wandel entspricht, in Bekräftigung seiner Unterstützung für das Dekret des Präsidenten vom 12. September 2011, mit dem bezweckt wird, eine für alle Parteien annehmbare politische Einigung herbeizuführen und einen friedlichen und demokratischen Machtübergang, einschließlich der raschen Abhaltung von Präsidentschaftswahlen, zu gewährleisten, betonend, wie wichtig die Stabilität und die Sicherheit Jemens sind, insbesondere im Hinblick auf die allgemeinen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung des Terrorismus, eingedenk dessen, dass ihm nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit obliegt, und hervorhebend, dass die Verschlechterung der Lage in Jemen infolge des Ausbleibens einer dauerhaften politischen Regelung die Sicherheit und Stabilität der Region bedroht,

1. bekundet sein tiefes Bedauern über den Tod Hunderter Menschen, hauptsächlich Zivilpersonen, darunter Frauen und Kinder;

- 47 - 2. verurteilt entschieden die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen durch jemenitische staatliche Stellen, darunter die übermäßige Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten, sowie die Gewalthandlungen, die Gewaltanwendung und die Menschenrechtsverletzungen seitens anderer Akteure, und betont, dass alle für Gewalt sowie Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden sollen;

3. verlangt, dass alle Seiten sofort der Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele entsagen;

4. bekräftigt seine Auffassung, dass die möglichst baldige Unterzeichnung und Umsetzung einer Vereinbarung auf der Grundlage der Initiative des Golf- Kooperationsrats für einen alle Seiten einschließenden, geordneten und von Jemen geleiteten Prozess des politischen Übergangs unverzichtbar ist, nimmt davon Kenntnis, dass einige Oppositionsparteien und der Allgemeine Volkskongress die Initiative des Golf-Kooperationsrats unterzeichnet haben, fordert alle Parteien in Jemen auf, sich auf die Umsetzung einer auf dieser Initiative gründenden politischen Regelung zu verpflichten, stellt fest, dass sich der Präsident Jemens zur sofortigen Unterzeichnung der Initiative des Golf- Kooperationsrats verpflichtet hat, ermutigt ihn beziehungsweise diejenigen, die ermächtigt sind, in seinem Namen zu handeln, dies zu tun und eine auf der Initiative gründende politische Regelung umzusetzen, und fordert, dass diese Verpflichtung in die Tat umgesetzt wird, um den in der Initiative des Golf- Kooperationsrats und dem Dekret des Präsidenten vom 12. September vorgesehenen friedlichen politischen Machtübergang zu verwirklichen;

5. verlangt, dass die jemenitischen Staatsorgane sofort sicherstellen, dass ihre Handlungen mit den Verpflichtungen nach dem anwendbaren humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen übereinstimmen, dass sie der Bevölkerung Jemens die Ausübung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten gestatten, einschließlich ihres Rechts, sich friedlich zu versammeln, um Abhilfe bei Missständen zu verlangen, und ihre Meinung frei zu äußern, so auch für Angehörige der Medien, und dass sie Maßnahmen zur Beendigung der Angriffe von Sicherheitskräften auf Zivilpersonen und zivile Ziele treffen;

6. fordert alle betroffenen Parteien auf, den Schutz von Frauen und Kindern zu gewährleisten und die Mitwirkung der Frauen an der Konfliktbeilegung zu verbessern, und legt allen Parteien nahe, die gleiche und volle Mitwirkung der Frauen auf den Entscheidungsebenen zu erleichtern;

7. fordert alle Oppositionsgruppen nachdrücklich auf, sich darauf zu verpflichten, uneingeschränkt und konstruktiv an der Vereinbarung und Umsetzung einer politischen Regelung auf der Grundlage der Initiative des Golf-Kooperationsrats mitzuwirken, und verlangt, dass alle Oppositionsgruppen Gewalthandlungen unterlassen und die Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele einstellen;

8. verlangt ferner, dass alle bewaffneten Gruppen alle Waffen aus Gebieten, in denen friedliche Demonstrationen stattfinden, entfernen und Gewalt- und Provokationshandlungen sowie die Einziehung von Kindern unterlassen, und

- 48 - fordert alle Parteien nachdrücklich auf, nicht gegen grundlegende Infrastrukturen vorzugehen;

9. bekundet seine Besorgnis über die Präsenz der Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und seine Entschlossenheit, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und dem Völkerrecht, namentlich den anwendbaren Menschenrechtsnormen und dem anwendbaren Flüchtlingsrecht und humanitären Recht, gegen diese Bedrohung vorzugehen;

10. ermutigt die internationale Gemeinschaft, humanitäre Hilfe für Jemen bereitzustellen, und ersucht in dieser Hinsicht alle Parteien in Jemen, die Arbeit der Einrichtungen der Vereinten Nationen und der anderen zuständigen Organisationen zu erleichtern und den vollen, sicheren und ungehinderten Zugang sicherzustellen, damit die notleidenden Menschen in ganz Jemen rasch humanitäre Hilfe erhalten können;

11. ersucht den Generalsekretär, seine Guten Dienste, einschließlich der Besuche des Sonderberaters, fortzusetzen und alle jemenitischen Akteure weiter zur Durchführung der Bestimmungen dieser Resolution zu drängen und allen Staaten und Regionalorganisationen nahezulegen, zur Verwirklichung dieses Ziels beizutragen;

12. ersucht den Generalsekretär, über die Durchführung dieser Resolution innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Verabschiedung und danach alle 60 Tage Bericht zu erstatten;

13. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2015 (2011) verabschiedet auf der 6635. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. Oktober 2011 (Somalia)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen betreffend die Situation in Somalia, insbesondere die Resolutionen 1918 (2010) und 1976 (2011), nach wie vor ernsthaft besorgt über die wachsende Bedrohung, die die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See gegen Schiffe vor der Küste Somalias für die Situation in Somalia, die Staaten in der Region und andere Staaten sowie für die internationale Schifffahrt, die Sicherheit der der gewerblichen Seeschifffahrt dienenden Schifffahrtswege und die Sicherheit von Seeleuten und anderen Personen darstellen, sowie ernsthaft besorgt darüber, dass Seeräuber und an bewaffneten Raubüberfällen auf See vor der Küste Somalias beteiligte Personen in erhöhtem Maß Gewalt anwenden, betonend, wie wichtig es ist, eine umfassende Lösung für das Problem der Seeräuberei und der bewaffneten Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias zu finden,

- 49 - unter Betonung der Notwendigkeit, das Potenzial Somalias für nachhaltiges Wirt- schaftswachstum als Mittel zur Bekämpfung der tieferen Ursachen der Seeräuberei, einschließlich Armut, aufzubauen und so zu einer dauerhaften Beseitigung der Seeräuberei und der bewaffneten Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias und der damit verbundenen illegalen Aktivitäten beizutragen, in Bekräftigung seiner Achtung der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit, der politischen Unabhängigkeit und der Einheit Somalias, bekräftigend, dass das Völkerrecht, wie im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Seerechtsübereinkommen), insbesondere seinen Artikeln 100, 101 und 105, niedergelegt, den rechtlichen Rahmen für die Bekämpfung der Seeräuberei und bewaffneter Raubüberfälle auf See sowie für sonstige Meerestätigkeiten vorgibt, ferner bekräftigend, dass die Bestimmungen dieser Resolution nur auf die Situation in Somalia Anwendung finden und die Rechte und Pflichten oder Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten nach dem Völkerrecht unberührt lassen, eingedenk des Verhaltenskodexes von Dschibuti betreffend die Bekämpfung der Seeräuberei und bewaffneter Raubüberfälle auf Schiffe im westlichen Indischen Ozean und im Golf von Aden und in Anbetracht der Zusage der Unterzeichnerstaaten, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe unter Strafe gestellt sind und angemessene Leitlinien für die Ausübung der Gerichtsbarkeit, die Durchführung von Ermittlungen und die Strafverfolgung Verdächtiger vorhanden sind, in Würdigung derjenigen Staaten, die ihr innerstaatliches Recht geändert haben, um Seeräuberei unter Strafe zu stellen und es leichter zu machen, mutmaßliche Seeräuber vor ihren nationalen Gerichten anzuklagen, im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, namentlich den Menschenrechtsnormen, und betonend, dass die Staaten diesbezüglich weitere Anstrengungen unternehmen müssen, gleichzeitig besorgt feststellend, dass das innerstaatliche Recht einer Reihe von Staaten weder die Seeräuberei unter Strafe stellt noch Verfahrensbestimmungen für eine wirksame Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber enthält, bekräftigend, wie wichtig die nationale Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber für die Bekämpfung der Seeräuberei vor der Küste Somalias ist, unter nachdrücklicher Verurteilung der anhaltenden Praxis der Geiselnahme durch mutmaßliche Seeräuber, die vor der Küste Somalias operieren, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis über die unmenschlichen Bedingungen, denen Geiseln in Gefangenschaft ausgesetzt sind, in Anbetracht der nachteiligen Auswirkungen auf ihre Familien die sofortige Freilassung aller Geiseln fordernd und feststellend, wie wichtig eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Frage der Geiselnahme ist und dass mutmaßliche Seeräuber wegen Geiselnahme strafrechtlich verfolgt werden müssen, in der Erkenntnis, dass die laufenden Bemühungen, mutmaßliche Seeräuber auf nationaler Ebene strafrechtlich zu verfolgen, trotz der bisherigen Anstrengungen der

- 50 - Staaten noch unzureichend sind und dass mehr getan werden muss, um sicherzustellen, dass mutmaßliche Seeräuber tatsächlich vor Gericht gestellt werden, mit dem erneuten Ausdruck seiner Besorgnis darüber, dass zahlreiche der Seeräuberei verdächtigte Personen freigelassen werden müssen, ohne vor Gericht gestellt zu werden, erneut erklärend, dass die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung der Seeräuberei unterlaufen werden, wenn die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias verantwortlichen Personen nicht strafrechtlich verfolgt werden, und entschlossen, Bedingungen zu schaffen, die gewährleisten, dass Seeräuber zur Rechenschaft gezogen werden, mit Interesse Kenntnis nehmend von der Schlussfolgerung im Bericht des Generalsekretärs über die Modalitäten für die Schaffung spezialisierter somalischer Gerichte für Verfahren gegen Seeräuber (S/2011/360), wonach Gerichtsverfahren in Somaliland und Puntland gegen Seeräuber mit ausreichender internationaler Hilfe voraussichtlich in drei Jahren internationalen Standards genügen werden, und im Einklang mit dem genannten Bericht des Generalsekretärs seiner Hoffnung Ausdruck verleihend, dass dieser Zeitpunkt früher eintreten wird, falls geeignete Sachverständige, auch aus dem Kreis der im Ausland lebenden Somalier, ausfindig gemacht und herangezogen werden können, unter Begrüßung der Konsultationen zwischen den Vereinten Nationen und den Staaten der Region, namentlich den Seychellen, Mauritius und Tansania, und der von Tansania bekundeten Bereitschaft, der internationalen Gemeinschaft unter den entsprechenden Bedingungen bei der Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber in seinem Hoheitsgebiet behilflich zu sein, feststellend, dass die Vorfälle von Seeräuberei und die bewaffneten Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias die Situation in Somalia verschärfen, die nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt,

1. bekräftigt, dass das letztlich verfolgte Ziel, die Verantwortung Somalias und seine aktive Einbindung in die Maßnahmen zur Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber zu erhöhen, wie der Sonderberater des Generalsekretärs für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Seeräuberei vor der Küste Somalias in seinem dem Sicherheitsrat am 19. Januar 2011 übermittelten Bericht (S/2011/30) betonte, im Gesamtkontext der Bekämpfung der Seeräuberei nach wie vor höchst relevant ist;

2. erkennt an, dass der Übergangs-Bundesregierung und den zuständigen Regionalbehörden Somalias die Hauptrolle bei der Beseitigung der Seeräuberei vor der Küste Somalias zukommt;

3. begrüßt in dieser Hinsicht, dass der Fahrplan für den Abschluss des Übergangs in Somalia vom 6. September 2011 als eine der zentralen Aufgaben der Übergangs-Bundesinstitutionen die Ausarbeitung einer Politik und von Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Seeräuberei in Verbindung mit regionalen Stellen vorsieht, und verweist darauf, dass der Sicherheitsrat seine künftige Unterstützung für die Übergangs-Bundesinstitutionen von der Erfüllung der im Fahrplan enthaltenen Aufgaben abhängig gemacht hat;

- 51 - 4. nimmt mit Anerkennung Kenntnis von dem gemäß Ziffer 26 der Resolution 1976 (2011) erstellten Bericht des Generalsekretärs über die Modalitäten für die Schaffung spezialisierter somalischer Gerichte für Verfahren gegen Seeräuber (S/2011/360);

5. fordert alle Staaten und insbesondere die Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten, die Staaten der Staatsangehörigkeit der Opfer von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen und der Täter sowie die sonstigen Staaten, die nach dem Völkerrecht oder innerstaatlichem Recht Zuständigkeit besitzen, erneut auf, bei der Bestimmung der Zuständigkeit sowie bei den Ermittlungen gegen alle Personen, die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle vor der Küste Somalias verantwortlich sind, einschließlich derjenigen, die zu einer seeräuberischen Handlung aufstacheln oder sie erleichtern, und bei der strafrechtlichen Verfolgung dieser Personen im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, einschließlich der Menschenrechtsnormen, zusammenzuarbeiten;

6. fordert die Staaten auf, nach Bedarf auch bei der Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber wegen Geiselnahme zusammenzuarbeiten;

7. ersucht die Übergangs-Bundesregierung und die zuständigen somalischen Regionalbehörden erneut, mit Unterstützung des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) dringend einen vollständigen Katalog von Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Seeräuberei auszuarbeiten, der Gesetze zur Strafverfolgung derjenigen umfasst, die unerlaubt seeräuberische Angriffe finanzieren, planen, organisieren, erleichtern oder davon profitieren, und diesen Katalog zu erlassen, damit so rasch wie möglich mutmaßliche Seeräuber und mit seeräuberischen Angriffen in Verbindung gebrachte Personen in Somalia wirksam strafrechtlich verfolgt, anderenorts strafrechtlich verfolgte und verurteilte Seeräuber an Somalia überstellt und verurteilte Seeräuber in Somalia in Haft genommen werden können, fordert die Übergangs-Bundesregierung und die Regionalbehörden Somalias nach-drücklich auf, andere bestehende Hindernisse, die diesbezüglichen Fortschritten im Wege stehen, zügig zu beseitigen, und ersucht die Übergangs-Bundesregierung und die zuständigen Regionalbehörden Somalias, dem Sicherheitsrat bis zum 31. Dezember 2011 einen Bericht über die in jedem der genannten Bereiche ergriffenen Maßnahmen vorzulegen;

8. fordert das UNODC, das UNDP und die anderen internationalen Partner auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen, die Ausarbeitung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, Vereinbarungen und Mechanismen zu unterstützen, die die wirksame Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber und die Überstellung und Inhaftnahme verurteilter Seeräuber gestatten;

9. fordert die Staaten, die die Seeräuberei nach ihrem innerstaatlichen Recht noch nicht unter Strafe gestellt haben, nachdrücklich auf, dies zu tun, und fordert die Staaten erneut auf, die Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber, die vor der Küste Somalias aufgegriffen werden, und die Inhaftnahme verurteilter Seeräuber im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, wohlwollend zu prüfen;

- 52 - 10. fordert die Staaten und die internationalen Organisationen nachdrücklich auf, Beweismittel und Informationen für die Zwecke der Bekämpfung der Seeräuberei auszutauschen, mit dem Ziel, die wirksame Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber und die Inhaftnahme verurteilter Seeräuber zu gewährleisten;

11. fordert alle Mitgliedstaaten auf, dem Generalsekretär spätestens am 31. Dezember 2011 über die Maßnahmen Bericht zu erstatten, die sie ergriffen haben, um die Seeräuberei nach ihrem innerstaatlichen Recht unter Strafe zu stellen, der Seeräuberei vor der Küste Somalias verdächtigte Personen strafrechtlich zu verfolgen und ihre Strafverfolgung und die Inhaftnahme verurteilter Seeräuber zu unterstützen, und ersucht den Generalsekretär, diese Informationen zusammenzustellen und in einem Dokument des Sicherheitsrats zu verteilen;

12. würdigt die im Bericht des Generalsekretärs beschriebenen laufenden Arbeiten des UNODC und des UNDP zur Unterstützung von Verfahren gegen Seeräuber und des Ausbaus der Strafvollzugskapazitäten in Somalia im Einklang mit der Empfehlung des Sonderberaters des Generalsekretärs für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Seeräuberei vor der Küste Somalias;

13. bekräftigt, dass die der Förderung wirksamer Justizmechanismen zur Strafverfolgung mutmaßlicher Seeräuber dienenden Anstrengungen fortgesetzt und verstärkt werden sollen;

14. begrüßt die Verpflichtung des Generalsekretärs, im Zusammenhang mit seinem Bericht (S/2011/360) die geeigneten nächsten Schritte zur weiteren Verstärkung der Bemühungen um die Strafverfolgung seeräuberischer Handlungen auf Ersuchen des Sicherheitsrats weiter proaktiv zu unterstützen;

15. ersucht die Staaten und die Regionalorganisationen, zu prüfen, wie ein wirksamer Beitrag der im Ausland lebenden Somalier zu den Anstrengungen zur Bekämpfung der Seeräuberei, insbesondere auf dem Gebiet der Strafverfolgung, erbeten und ermöglicht werden kann, entsprechend der Empfehlung im Bericht des Generalsekretärs (S/2011/360);

16. beschließt, unbeschadet weiterer Schritte, die sicherstellen sollen, dass Seeräuber zur Rechenschaft gezogen werden, die Frage der Schaffung spezialisierter Gerichte für Verfahren gegen Seeräuber in Somalia und anderen Staaten in der Region mit erheblicher internationaler Beteiligung und/oder Unterstützung dringend weiter zu prüfen, und ersucht den Generalsekretär, in Verbindung mit dem UNODC und dem UNDP weitere Konsultationen mit Somalia und den Staaten in der Region, die zur Schaffung dieser Gerichte bereit sind, über die Art der für die Aufnahme der Tätigkeit der Gerichte benötigten internationalen Hilfe, einschließlich der Bereitstellung internationalen Personals, über die für die Überstellung aufgegriffener Seeräuber und die Weitergabe damit zusammenhängender Beweismittel erforderlichen Verfahrensregelungen, über die voraussichtlichen Kapazitäten dieser Gerichte für die Bearbeitung der Fälle und über den voraussichtlichen Zeitbedarf dieser Gerichte und ihre Kosten zu führen und dem Rat auf der Grundlage dieser Konsultationen innerhalb von 90 Tagen entsprechend detaillierte Vorschläge für die Schaffung dieser Gerichte vorzulegen;

- 53 - 17. unterstreicht, wie wichtig es ist, dass sich die Gerichtsbarkeit dieser Gerichte nicht nur auf die auf See ergriffenen Verdächtigen erstreckt, sondern auch auf diejenigen, die zu seeräuberischen Handlungen aufstacheln oder diese vorsätzlich erleichtern, darunter auch die Schlüsselfiguren der an der Seeräuberei beteiligten kriminellen Netzwerke, die unerlaubt solche Angriffe planen, organisieren, erleichtern oder finanzieren und davon profitieren;

18. ist sich dessen bewusst, dass eine Erhöhung der Strafverfolgungskapazitäten unbedingt mit einer entsprechenden Erhöhung der Strafvollzugskapazitäten einhergehen muss, und fordert die somalischen Behörden ebenso wie das UNODC, das UNDP und die anderen internationalen Partner auf, den Bau und den verantwortungsvollen Betrieb von Vollzugsanstalten in Somalia im Einklang mit dem Völkerrecht zu unterstützen;

19. fordert die Mitgliedstaaten, die Regionalorganisationen und andere geeignete Partner auf, die Anstrengungen zur Schaffung spezialisierter Gerichte für Verfahren gegen Seeräuber in der Region zu unterstützen, indem sie Vorkehrungen für die Bereitstellung internationaler Sachverständiger, einschließlich aus dem Kreis der im Ausland lebenden Somalier, treffen oder erleichtern, sei es mittels Abordnung oder auf eine andere Weise, und die diesbezügliche Arbeit des UNODC, des UNDP oder anderer Stellen darüber hinaus durch Beiträge zum Treuhandfonds zu unterstützen;

20. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2016 (2011) verabschiedet auf der 6640. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Oktober 2011 (Libyen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1970 (2011) vom 26. Februar 2011, 1973 (2011) vom 17. März 2011 und 2009 (2011) vom 16. September 2011, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens,

Kenntnis nehmend von der „Befreiungserklärung“ des Nationalen Übergangsrats vom 23. Oktober 2011 in Libyen, erwartungsvoll einer Zukunft für Libyen entgegensehend, die auf nationaler Aussöhnung, Gerechtigkeit, der Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beruht, erneut erklärend, wie wichtig es ist, die volle und wirksame Beteiligung von Angehörigen aller Gesellschafts- und Volksgruppen, einschließlich der gleichen Beteiligung von Frauen und Minderheitengruppen, an den Erörterungen im Zusammenhang mit der Konfliktfolgezeit zu fördern,

- 54 - daran erinnernd, dass er beschlossen hat, die Situation in Libyen dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, und dass es wichtig ist, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind oder an Angriffen auf die Zivilbevölkerung beteiligt waren, zur Rechenschaft gezogen werden, erneut erklärend, dass die freiwillige und dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen ein wichtiger Faktor für die Konsolidierung des Friedens in Libyen sein wird, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Verbreitung von Waffen in Libyen und ihre möglichen Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit in der Region sowie seine Absicht bekundend, sich dieser Frage rasch eingehender zu widmen, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis angesichts der anhaltenden Berichte über Vergeltungsmaßnahmen, willkürliche Inhaftierungen, widerrechtliche Freiheitsentziehung und außergerichtliche Hinrichtungen in Libyen, unter Wiederholung seiner an die libyschen Behörden gerichteten Aufforderung, die Menschenrechte und Grundfreiheiten, namentlich der Angehörigen schwächerer Gruppen, zu fördern und zu schützen und ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen, nachzukommen, und mit der nachdrücklichen Aufforderung, während des Übergangszeitraums und danach die Menschenrechte aller Menschen in Libyen, einschließlich der ehemaligen Amtsträger und der Inhaftierten, zu achten, unter Hinweis auf seine Beschlüsse in Resolution 2009 (2011), a) die Bestimmungen des mit Ziffer 9 der Resolution 1970 (2011) verhängten Waffenembargos zu ändern, indem zusätzliche Ausnahmen vorgesehen werden, b) das mit den Ziffern 17, 19, 20 und 21 der Resolution 1970 (2011) und Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängte Einfrieren von Vermögenswerten in Bezug auf die Libyan National Oil Corporation (Nationale Ölgesellschaft Libyens) und die Zueitina Oil Company aufzuheben und das mit den Ziffern 17, 19, 20 und 21 der Resolution 1970 (2011) und Ziffer 19 der Resolution 1973 (2011) verhängte Einfrieren von Vermögenswerten in Bezug auf die Central Bank of Libya (Zentralbank Libyens), die Libyan Arab Foreign Bank (Libysche Arabische Auslandsbank), die Libyan Investment Authority (Staatsfonds Libyens) und das Libyan Africa Investment Portfolio zu ändern, und c) die mit Ziffer 17 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen einzustellen, sowie unter Hinweis auf seine Absicht, die mit den Ziffern 6 bis 12 der Resolution 1973 (2011) verhängten Maßnahmen laufend zu überprüfen und diese Maßnahmen, soweit angezeigt und wenn die Umstände es zulassen, aufzuheben und die den Mitgliedstaaten in Ziffer 4 der Resolution 1973 (2011) erteilte Ermächtigung im Benehmen mit den libyschen Behörden zu beenden,

- 55 - eingedenk dessen, dass ihm nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit obliegt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. begrüßt die positiven Entwicklungen in Libyen, die die Aussichten auf eine demokratische, friedliche und blühende Zukunft in dem Land verbessern werden;

2. sieht der raschen Bildung einer alle Seiten einschließenden, repräsentativen Übergangsregierung Libyens erwartungsvoll entgegen und erklärt erneut, dass das Bekenntnis zu Demokratie, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, nationaler Aussöhnung und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen in Libyen ein Fundament des Übergangszeitraums sein muss;

3. fordert die libyschen Staatsorgane mit allem Nachdruck auf, Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich willkürlicher Inhaftierungen, zu unterlassen, fordert die libyschen Staatsorgane auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um Vergeltungsmaßnahmen, widerrechtliche Freiheitsentziehungen und außergerichtliche Hinrichtungen zu verhindern, und unterstreicht, dass die libyschen Staatsorgane die Verantwortung dafür tragen, die Bevölkerung des Landes, einschließlich der ausländischen Staatsangehörigen und der afrikanischen Migranten, zu schützen;

4. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit den libyschen Staatsorganen bei ihren Anstrengungen zur Beendigung der Straflosigkeit für Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht eng zusammenzuarbeiten;

Schutz von Zivilpersonen

5. beschließt, dass die Bestimmungen der Ziffern 4 und 5 der Resolution 1973 (2011) von 23.59 Uhr libyscher Ortszeit am 31. Oktober 2011 an nicht mehr gelten;

Flugverbotszone

6. beschließt außerdem, dass die Bestimmungen der Ziffern 6 bis 12 der Resolution 1973 (2011) von 23.59 Uhr libyscher Ortszeit am 31. Oktober 2011 an nicht mehr gelten;

7. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 56 - Resolution 2017 (2011) verabschiedet auf der 6644. Sitzung des Sicherheitsrats am 31. Oktober 2011 (Libyen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen 1373 (2001), 1526 (2004), 1540 (2004), 1970 (2011), 1973 (2011), 1977 (2011), 1989 (2011), 2009 (2011) und 2016 (2011) sowie die Erklärungen seines Präsidenten S/PRST/2005/7 und S/PRST/2010/6, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens, betonend, dass die Übernahme und Wahrnehmung nationaler Eigenverantwortung eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines dauerhaften Friedens in Libyen sind, sowie betonend, wie wichtig die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen ist, die im Einklang mit dem in Resolution 2009 (2011) erteilten Mandat Libyen bei seinen nationalen Anstrengungen unterstützt, die unter anderem auf die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichtet sind, unter Hinweis darauf, dass die Mitgliedstaaten gemäß Ziffer 10 der Resolution 1970 (2011) verpflichtet sind, die Beschaffung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials aus Libyen durch ihre Staatsangehörigen oder unter Benutzung von ihre Flagge führenden Schiffen oder Luftfahrzeugen, und gleichviel ob sie ihren Ursprung in Libyen haben oder nicht, zu verbieten, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art aus Libyen, insbesondere tragbarer Boden-Luft- Flugkörper, in der Region und über ihre möglichen Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit auf regionaler und internationaler Ebene, unterstreichend, dass von der Verbreitung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen in der Sahel-Region die Gefahr einer Destabilisierung ausgeht, und diesbezüglich unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs über die Tätigkeiten des Büros der Vereinten Nationen für Westafrika (S/2011/388), in dem unter anderem eine Verstärkung der Zusammenarbeit in der Sahel-Region gefordert wird, und auf die Arbeit des Regionalbüros der Vereinten Nationen für Zentralafrika, in der Erkenntnis, dass dringend zusätzliche Anstrengungen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene unternommen werden müssen, um die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, in der Region zu verhindern, sowie in der Erkenntnis, dass es dringend geboten ist, Bestände chemischer Waffen in Libyen sicherzustellen und zu vernichten, im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen des Landes, hervorhebend, dass die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, in der

- 57 - Region terroristische Aktivitäten anfachen könnte, namentlich seitens der Al-Qaida im islamischen Maghreb, in dieser Hinsicht bekräftigend, dass der Terrorismus eine der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, erneut erklärend, dass die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet sind, um Bewegungen terroristischer Gruppen und die Verbreitung von Waffen zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten zu verhindern, unter anderem durch wirksame Grenzkontrollen, eingedenk seiner Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit,

1. fordert die libyschen Staatsorgane auf, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, zu verhindern, dafür zu sorgen, dass sie ordnungsgemäß in Gewahrsam gehalten werden, und den völkerrechtlichen Verpflichtungen Libyens auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle, der Abrüstung und der Nichtverbreitung durch die vollständige Umsetzung ihrer diesbezüglichen Pläne nachzukommen;

2. fordert die libyschen Staatsorgane ferner auf, sich auch weiterhin eng mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen abzustimmen, mit dem Ziel, ihre Bestände chemischer Waffen im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen zu zerstören;

3. fordert die Staaten in der Region auf, geeignete Maßnahmen zu erwägen, um die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, in der Region zu verhindern;

4. fordert die Mitgliedstaaten, die internationalen und regionalen Organisationen und Institutionen, einschließlich der zuständigen Organe der Vereinten Nationen, auf, den libyschen Staatsorganen und den Staaten in der Region die Hilfe zu gewähren, die sie zur Erreichung dieses Ziels benötigen;

5. ersucht den Ausschuss nach Resolution 1970 (2011), mit Unterstützung seiner Sachverständigengruppe, in Kooperation mit dem Exekutivdirektorium des Ausschusses zur Bekämpfung des Terrorismus, in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Organen der Vereinten Nationen, namentlich der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, und in Absprache mit internationalen und regionalen Organisationen und Institutionen die Bedrohungen und Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Terrorismus, zu bewerten, die durch die Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art aus Libyen, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, in der Region entstehen, und dem Rat einen Bericht zu unterbreiten, der Vorschläge zur Abwehr dieser Bedrohung und zur Verhinderung der Verbreitung von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial enthält, darunter Maßnahmen zur Sicherstellung dieser Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials, zur Gewährleistung der sicheren Verwaltung der Bestände, zur Stärkung der Grenzkontrollen und zur Verbesserung der Transportsicherheit;

- 58 - 6. ersucht den Generalsekretär, in seine Berichte nach Resolution 2009 (2011) an den Sicherheitsrat aktuelle Informationen über die Durchführung der vorliegenden Resolution aufzunehmen;

7. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2018 (2011) verabschiedet auf der 6645. Sitzung des Sicherheitsrats am 31. Oktober 2011 (Golf von Guinea)

Der Sicherheitsrat, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über die Bedrohung, die die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea für die internationale Schifffahrt, die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung der Staaten in der Region darstellen, unter Hinweis auf seine Erklärung vom 30. August 2011 über die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Bedrohung, die die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See für die Sicherheit von Seeleuten und anderen Personen darstellen, namentlich wenn sie als Geiseln genommen werden, und höchst besorgt über die Gewalt, die Seeräuber und an der Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen auf See im Golf von Guinea beteiligte Personen anwenden, erklärend, dass er die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit der Staaten des Golfes von Guinea und ihrer Nachbarn achtet, ferner erklärend, dass die Bestimmungen dieser Resolution nur auf die Situation im Golf von Guinea Anwendung finden, erklärend, dass das Völkerrecht, wie im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, insbesondere seinen Artikeln 100, 101 und 105, niedergelegt, den rechtlichen Rahmen für das Vorgehen gegen die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See sowie für sonstige Meerestätigkeiten vorgibt, feststellend, dass die anwendbaren völkerrechtlichen Übereinkünfte vorsehen, dass die Vertragsparteien Straftatbestände schaffen, ihre Gerichtsbarkeit begründen und die Personen strafrechtlich verfolgen oder zur Strafverfolgung ausliefern, die für die Inbesitznahme eines Schiffes oder einer festen Plattform oder die Ausübung der Herrschaft darüber durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt oder durch eine andere Form der Einschüchterung verantwortlich sind oder dessen verdächtigt werden, nachdrücklich darauf hinweisend, wie wichtig es ist, eine umfassende Lösung für das Problem der Seeräuberei und der bewaffneten Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea zu finden,

- 59 - Kenntnis nehmend von den Anstrengungen der Staaten des Golfes von Guinea, dieses Problem anzugehen, namentlich von den gemeinsamen Patrouillen auf See und den Aktivitäten der Bundesrepublik Nigeria und der Republik Benin vor der Küste Benins, sowie Kenntnis nehmend von der Notwendigkeit internationaler Hilfe als Teil einer umfassenden Strategie zur Unterstützung nationaler und regionaler Anstrengungen, den Staaten in der Region bei ihren Maßnahmen gegen die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea behilflich zu sein, unter Begrüßung der Beiträge, die einige Mitgliedstaaten und internationale Organisationen zur Unterstützung des maritimen Sektors leisten, namentlich was die Sicherheit, den Kapazitätsaufbau und die gemeinsamen Einsätze der Staaten des Golfes von Guinea anbelangt, betonend, dass es zur Erarbeitung einer umfassenden Strategie gegen die Bedrohung durch die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea der Koordinierung der Anstrengungen auf regionaler Ebene bedarf, feststellend, dass den Staaten in der Region in dieser Hinsicht eine Führungsrolle zukommt, mit Unterstützung durch Organisationen in der Region,

1. verurteilt alle seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfälle auf See, die vor der Küste der Staaten des Golfes von Guinea begangen werden;

2. begrüßt die Absicht, ein Gipfeltreffen der Oberhäupter der Staaten des Golfes von Guinea einzuberufen, um umfassende Gegenmaßnahmen in der Region zu erwägen, und ermutigt die Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten und der Kommission des Golfes von Guinea, eine umfassende Strategie zu erarbeiten, namentlich durch

a) die Erarbeitung innerstaatlicher Gesetze und sonstiger Vorschriften, wo es diese nicht gibt, die die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See unter Strafe stellen;

b) die Erarbeitung eines regionalen Rahmens für das Vorgehen gegen die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See, einschließlich Mechanismen für den Informationsaustausch und die operative Koordinierung in der Region;

c) die Erarbeitung und gegebenenfalls die Stärkung innerstaatlicher Gesetze und sonstiger Vorschriften zur Umsetzung der einschlägigen internationalen Übereinkünfte betreffend die Sicherheit der Schifffahrt und die Gefahrenabwehr in der Schifffahrt im Einklang mit dem Völkerrecht;

3. ermutigt die Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten und der Kommission des Golfes von Guinea, mit konzertierten Maßnahmen gegen die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea vorzugehen, indem sie im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht bilaterale oder regionale Patrouillen auf See durchführen, und ersucht die betroffenen Staaten, geeignete Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die von - 60 - ihnen nach dieser Resolution ergriffenen Maßnahmen in der Praxis nicht dazu führen, dass sie Schiffen von Drittstaaten die Freiheit der Schifffahrt auf hoher See oder das Recht der friedlichen Durchfahrt im Küstenmeer verwehren oder diese beeinträchtigen;

4. fordert die Staaten auf, in Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsindustrie, der Versicherungsindustrie und der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation für die Schiffe, die berechtigt sind, ihre Flagge zu führen, eine im Kontext des Golfes von Guinea angemessene Beratung und Anleitung in Vermeidungs-, Ausweich- und Abwehrtechniken und zu den im Falle eines drohenden oder tatsächlichen Angriffs in den Gewässern des Golfes von Guinea zu ergreifenden Maßnahmen zu erteilen;

5. fordert die Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten und der Kommission des Golfes von Guinea ferner auf, gemeinsam mit den Flaggenstaaten und den Staaten der Staatsangehörigkeit der Opfer oder der Urheber von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen auf See bei der Strafverfolgung der mutmaßlichen Täter, einschließlich derjenigen, die vor der Küste der Staaten des Golfes von Guinea begangene seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf See erleichtert und finanziert haben, im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, namentlich den Menschenrechtsnormen, zusammenzuarbeiten;

6. legt der internationalen Gemeinschaft nahe, den betroffenen Staaten in der Region, der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten, der Kommission des Golfes von Guinea und den anderen zuständigen Organisationen und Stellen auf Ersuchen dabei behilflich zu sein, verstärkt gegen die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea vorzugehen;

7. begrüßt die Absicht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, eine Bewertungsmission der Vereinten Nationen zu entsenden, die die Bedrohung durch die Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Golf von Guinea untersuchen und die Möglichkeiten erkunden soll, wie das Problem am besten anzugehen ist, und sieht dem Erhalt des Berichts der Mission samt Empfehlungen in der Angelegenheit mit Interesse entgegen;

8. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 61 - INTERNATIONALE / EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK

Interview mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen im General-Anzeiger Bonn vom 05. September 2011

[...]

Trauen sie den Griechen zu, dass sie ihre Vorhaben umsetzen, oder sind Sie skeptisch?

Wir wollen Europa schützen, und ganz besonders den Euro. Die Sozialdemokraten und die Grünen empfehlen, dies zu tun, indem wir das Schuldenmachen erleichtern - Stichwort Eurobonds. Eine Schuldenkrise bekämpft man aber nicht dadurch, dass man das Schuldenmachen leichter macht, sondern nur, indem man die Stabilitätskultur in ganz Europa verbreitet. Auch andere europäische Länder nehmen wie Deutschland jetzt Schuldenbremsen in ihre Verfassungen auf. Das war vor einem Jahr noch undenkbar. Wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Haushaltsdisziplin in Europa, nicht leichteres Schuldenmachen mit Hilfe von Eurobonds.

[...]

Wie gefährdet sind der Euro und die europäische Zukunft?

Europa ist unsere Wohlstandsversicherung in Zeiten der Globalisierung. Allein in China haben sich 1,3 Milliarden Menschen aufgemacht, ein Wohlstandsniveau wie unseres erreichen zu wollen. Man soll doch nicht denken, dass wir Nationalstaaten in Europa, auch nicht wir Deutschen mit 80 Millionen Menschen, alleine diesen Herausforderungen und dem globalem Wettbewerb gerecht werden könnten. Wenn wir unseren Wohlstand und unsere Lebensqualität verteidigen und ausbauen wollen, müssen wir eine noch stärkere Kooperation in Europa anstreben.

[...]

In Sachen Libyen sind Sie in der vergangenen Woche scharf angegangen worden. Müssen Sie sich im Zusammenhang mit der UN-Entscheidung Fehler vorwerfen?

Diese Debatte ist in der letzten Woche ausführlich geführt worden. Jetzt geht es darum, wie wir unseren Beitrag leisten können, damit in den Umbruchländern Tunesien, Ägypten und nun auch Libyen Demokratie und Wohlstand aufgebaut werden können.

Was ist die deutsche Rolle dabei?

Wir Deutsche werden in Nordafrika besonders für unsere wirtschaftlichen Fähigkeiten geschätzt. Der Schwerpunkt unserer Arbeit wird im Aufbau von Infrastruktur und Industrie liegen. Dazu kommen Hilfe beim Aufbau der demokratischen Zivilgesellschaften und das humanitäre Engagement.

Nochmal eine Nachfrage zur Libyen-Entscheidung: Würden Sie sich erneut vor dem UN-Sicherheitsrat bei einem militärischen Libyen-Einsatz enthalten?

- 62 - Jedermann weiß, dass es eine schwierige Abwägungsentscheidung war. Die Bundesregierung hat die Entscheidung, sich nicht an der militärischen Intervention in Libyen zu beteiligen, mehrfach gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit begründet. Jetzt blicken wir nach vorne.

Was bedeutet das konkret?

Wenn die Demokratiebewegung in Nordafrika erfolgreich sein soll, muss schnell eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt werden. Dazu ist nicht nur finanzielle Hilfe notwendig. Wir müssen diesen Staaten auch unsere Märkte öffnen, damit sie aus eigener Kraft den Aufbau schaffen können.

[...]

Die Fragen stellten Andreas Tyrock, Sandro Schmidt und Kai Pfundt Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Deutschen Bundestag anlässlich der Beratungen zum Haushalt des Auswärtigen Amts am 07. September 2011

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen!

Der heutige Tag ist nicht nur ein Tag, an dem wir uns hier in Berlin mit der Außenpolitik und mit Europa und mit der Generaldebatte befassen werden, sondern am heutigen Tage wird auch, wie wir alle wissen, in Karlsruhe eines der Fundamente der deutschen Außenpolitik, auch eines der Fundamente unserer Staatsräson verhandelt werden, und es wird ein Urteil zu Europa verkündet werden.

Deswegen will ich hier vorab sagen: Die Konstanten der deutschen Außenpolitik sind bereits in der Präambel des Grundgesetzes aufgeschrieben worden, nämlich dem Frieden in der Welt in einem geeinten Europa zu dienen. In einem geeinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen! Deutsche Außenpolitik hat ein klares Fundament – das ist die Europäische Union –, und deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Beides sind auch die Konstanten der Außenpolitik dieser Bundesregierung.

Wir alle spüren, dass es nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa Debatten über Europa, über die Zukunft Europas gibt. Ich glaube, dass Europa gerade in Zeiten, wo es gefordert ist, wo es auch herausgefordert wird, Freunde braucht, die sich klar zu Europa und zur Zukunft Europas bekennen. Die Frage ist allerdings: Wie soll Europa nach dieser Krise aussehen? Die europäische Integration war immer auch eine Abfolge von europäischen Krisen, aus denen politische Konsequenzen gezogen worden sind. Immer ist ein Integrationsschritt auch durch Herausforderungen in Europa getan worden. Es ist nie anders gewesen.

Meine Damen und Herren, das ist die entscheidende Weggabelung, vor der wir derzeit stehen. Werden wir diese Krise in Europa, diese Schuldenkrise in Europa mit mehr Europa oder mit weniger Europa beantworten? Werden wir denen nachgeben, die in ganz Europa auf eine Renationalisierung der Politik setzen, oder werden wir Europa stärken, indem wir die Fehler der Vergangenheit korrigieren? Es war ein Fehler der Vergangenheit, dass im Jahre 2004 das Schuldenmachen in ganz Europa

- 63 - leichter gemacht worden ist. Dass Sie als rot-grüne Bundesregierung damals den Stabilitätspakt aufgeweicht haben, das war der größte historische Fehler in der Nachkriegsgeschichte. Dass Sie ihn im Jahre 2011 wiederholen wollen, ist in Wahrheit unerträglich.

Sie haben mit dieser Haltung die Axt an die Wurzel Europas gelegt. Das wird mittlerweile sogar von denen als eine Fehlentscheidung zugegeben, die damals Verantwortung getragen haben. Meine Damen und Herren, dass Sie im Jahre 2004 geglaubt haben, das Schuldenmachen müsse erleichtert werden, wenn man ein guter Europäer sein will, ist das eine. Dass Sie uns aber genau dieses gescheiterte Rezept in diesem Jahr für die Zukunft wieder empfehlen, nämlich das Schuldenmachen zu erleichtern, ist das andere. Diesen historischen Fehler zu wiederholen, das wäre unverzeihlich. Deswegen wird die Bundesregierung diesen Weg nicht gehen. Wir wollen keine Schuldenunion in Europa, wir wollen eine Stabilitätsunion in Europa. Das ist unser Kompass.

Ich erinnere mich noch sehr genau an die erste Debatte, die wir hier über das Thema Griechenland und die Notwendigkeit der Hilfspakete geführt haben. Ich weiß noch, dass Sie sich damals hier hingestellt und gesagt haben: Ihr habt Griechenland nicht schnell genug geholfen; weil ihr zu lange und zu garstig die Hand auf eurer Kasse gehalten habt, ist Griechenland überhaupt erst in diese Schwierigkeiten gekommen. - Mittlerweile sehen Sie, wie falsch Sie auch vor anderthalb Jahren gelegen haben; denn inzwischen ist man in ganz Europa der Überzeugung, dass man einer Schuldenkrise nicht mit neuen Schulden begegnen kann. Nur die deutsche Opposition hat es nicht begriffen,

(Zuruf von der SPD: So ein Schmarren!) weil Sie nur eines können: Schulden machen. Das ist Ihre Antwort für Europa, und das ist ein Fehler.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

Als wir vor etwas mehr als einem Jahr begonnen haben, auch in anderen europäischen Hauptstädten darauf zu dringen, zu einer soliden Haushaltspolitik zurückzukehren,

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst mal zu Hause anfangen!) die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Budgets zu kürzen, da war das aus Ihrer Sicht eine Politik, die die Konjunktur gefährdet. Heute sieht man, was die Konjunktur und die Wirtschaft wirklich gefährdet, nämlich zu viel Schulden in zu kurzer Zeit. Das ist verantwortungslose Politik, und deswegen war es richtig, dass die Bundesregierung den Staaten in Europa Hilfe angeboten hat, die in Not und Schwierigkeiten sind. Aber ebenso richtig ist es, dass wir verlangen und auch erwarten dürfen, dass jedes Land in Schwierigkeiten die eigenen Hausaufgaben bei den Reformen erledigt. Eine Schuldenkrise kann man nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber auch nicht mit Steuersenkungen!)

- 64 - sondern eine Schuldenkrise bekämpft man nur, indem man die Wettbewerbsfähigkeit erhöht; denn eine Währung ist nur so stark, wie die Volkswirtschaften stark sind, die dahinter stehen.

Meine Damen und Herren, es ist ein enormer Erfolg, dass wir es gegen den Willen der Opposition geschafft haben, dass mehr und mehr Staaten in Europa Schuldenbremsen in ihre nationalen Verfassungen aufnehmen wollen. Ich erinnere mich, welche Haltung Sie zu Beginn unserer Regierungszeit hatten: Uferloses Schuldenmachen, das war Ihr Rezept.

(Johannes Kahrs (SPD): Das ist doch Unsinn!)

Sie haben erklärt, weniger Schulden machen und Haushaltskürzungen, das sei gefährlich für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich kann nur eines sagen: Es ist ein Glücksfall, dass die Bundesregierung diesen Einflüsterungen der Opposition nicht gefolgt ist.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir vor allen anderen auf solide Haushaltspolitik gesetzt haben,

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die FDP vorneweg!) das war eine gute Entscheidung. Ausdrücklich danke ich dafür auch denen in der Regierung, die dem Koalitionspartner angehören. Ich freue mich, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind. Solide Haushaltspolitik ist die Antwort auf die Schuldenkrise.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lachen bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der LINKEN)

- Bei allem Respekt: Die Zwischenrufe von SPD und Grünen kann man ja noch hinnehmen. Aber wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linkspartei, dazwischenrufen,

( (SPD): Peinlich!) möchte ich eines sagen: In der Debatte gestern habe ich Ihnen, Frau Kollegin Lötzsch, zugehört. In jeder Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, an der ich teilnehme, machen Sie uns Vorhaltungen in Bezug auf die deutsche Außenpolitik, die angeblich mangelnde Werteorientierung und die Menschenrechte.

(Dr. (DIE LINKE): Aber berechtigt! - Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Zu Recht!)

Ich will Ihnen mit Blick auf den Rest der heutigen Debatte eines dazu sagen: Wer an Fidel Castro Liebesbriefe schreibt,

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

- 65 - soll uns in der Außenpolitik nichts, aber auch gar nichts erzählen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist billig! Sehr billig!)

Präsident Dr. :

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lötzsch?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Aber bitte, gerne.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den hinteren Reihen kommt der Zwischenruf „Austausch von Liebesbriefen!“. Das wird jetzt sicher nicht geschehen; es sind auch Zwischenbemerkungen möglich.

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Darauf lege ich auch Wert, aus verschiedenen Gründen.

(Heiterkeit)

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Herr Kollege Westerwelle, nicht nervös werden!

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Nein. Ich möchte Ihnen versichern, Frau Kollegin, dass ich in Ihrer Anwesenheit noch nie nervös war.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Lieber Herr Kollege Westerwelle, ich biete Ihnen folgendes Geschäft an:

(Zurufe von der FDP und der CDU/CSU: Oh! - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): In aller Öffentlichkeit!)

Ich ziehe den Brief an Fidel Castro zurück, wenn Sie dafür sorgen, dass der Panzerdeal mit Saudi-Arabien zurückgezogen wird.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der FDP und der CDU/CSU: Oh!)

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen:

Ich kann Ihnen nur so viel sagen: In der deutschen Außenpolitik wird jedenfalls nicht mit einem Unterschriftenautomaten signiert.

- 66 - Das müssen Sie mit sich selber ausmachen. Aus dieser Sache lassen wir Sie nicht heraus.

Meine Damen und Herren, nach Ihren Zwischenrufen möchte ich zu dem Thema zurückkommen. Wie werden wir den nächsten Integrationsschritt gehen? Das ist das Entscheidende, worum es jetzt geht. Deswegen ist es wichtig, dass wir gerade eine gemeinsame Haltung mit Frankreich vertreten: Wir rüsten uns für die Zukunft, indem wir eine stärkere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit klaren Regeln beschließen, die einer neuen Verschuldenskrise einen festen Riegel vorschiebt.

Ich habe eingangs gesagt: Die deutsche Außenpolitik hat mit Europa nicht nur ein festes Fundament, sondern sie hat natürlich auch, schon in der Präambel des Grundgesetzes angelegt, eine Ausrichtung hin zur Friedenspolitik. Gerade jetzt, wo sich der 11. September zum zehnten Mal jährt, wissen wir, wie wichtig es ist, zu erkennen: Politische und diplomatische Lösungen sollten immer da angestrebt werden, wo dieses möglich ist. Niemand kann daraus herauslesen, Deutschland oder die Bundesregierung sei nicht bereit, international Verantwortung zu übernehmen. Wir haben in der Afghanistan-Politik gezeigt, dass wir Verantwortung übernehmen. Damit der politische Prozess erfolgreich sein kann und damit das Konzept gelingen kann, waren wir sogar bereit, Anfang dieser Legislaturperiode den Aufwuchs von Truppen in Afghanistan zu beschließen. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.

Gleichzeitig sagen wir: Zehn Jahre nach Beginn des Einsatzes in Afghanistan ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass wir uns eine Abzugsperspektive erarbeiten. Aber es soll eine Abzugsperspektive in Verantwortung sein. Deswegen werden wir auch hier den Ratschlägen der Opposition nicht nachgeben und nicht schon jetzt gewissermaßen ankündigen, was wir an Rückführungen wo und in welchem Monat beschließen werden. Das wäre eine Gefährdung der Soldaten, die jetzt in Afghanistan im Einsatz sind.

(Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Unsinn!)

Deswegen machen wir es nicht, auch wenn Sie es wünschen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition.

Es war ein verheerender Terrorschlag, der verheerendste wahrscheinlich, der uns in der Geschichte getroffen hat. Deswegen werden wir jetzt, zehn Jahre danach, zum Ende dieses Jahres als Gastgeber der Afghanistan-Konferenz unseren Beitrag dazu leisten, dass wir es schaffen, den politischen Prozess der Aussöhnung und Reintegration voranzubringen.

Dazu zählt eine entscheidende Nachricht und ein klares Signal an unsere Partner in Afghanistan selbst – übrigens auch an unsere Verbündeten –, nämlich dass wir auch dann zu unserer Verantwortung stehen, wenn die Kampftruppen der internationalen Gemeinschaft nicht mehr in Afghanistan sind. Das heißt: Unsere afghanischen Partner müssen wissen, dass wir auch nach dem Jahre 2014 unsere Verantwortung für Afghanistan nicht vergessen. Das ist wichtig, wenn der politische Aussöhnungsprozess erfolgreich sein soll.

Der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten, aber auch der Polizisten und der vielen zivilen Helferinnen und Helfer in Afghanistan ist schwer und gefährlich. Dies wurde uns in diesen Tagen wieder in schrecklicher Weise vor Augen geführt. Das

- 67 - Schicksal unserer beiden Landsleute, die seit Tagen in der Region Parwan vermisst wurden, erfüllt uns mit tiefer Trauer. Ich muss Ihnen, nachdem ich heute Nacht darüber von unseren Mitarbeitern informiert worden bin, leider sagen: Nach einer ersten Überprüfung durch deutsche Vertreter muss ich bedauerlicherweise bestätigen, dass es sich bei den vorgestern aufgefundenen Toten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die beiden vermissten deutschen Staatsangehörigen handelt. Ihr Tod macht uns alle betroffen. Wir trauern mit den Angehörigen und Freunden der beiden Deutschen.

Ich möchte diese Rede auch zum Anlass nehmen, einen herzlichen Dank zum Ausdruck zu bringen für all diejenigen, die weltweit, auch in Afghanistan – ob in Uniform, ob nicht in Uniform –, für unser Land eintreten. Wir wissen um ihre gefährlichen Einsätze, um das, was sie an Bedrohungen aushalten müssen, und um den Verzicht, den ihre Familien erleiden müssen. Wir sind dankbar dafür und versammeln uns mit Respekt hinter den Verstorbenen und ihren Angehörigen.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir spüren, dass wir weltweit eine Umbruchlage haben. Die Globalisierung, die als ein ökonomischer Prozess begonnen hat, ist mehr und mehr auch eine Globalisierung der Werte geworden, der Ansichten geworden, der Rechtsstaatlichkeit geworden. Das ist eine der erfreulichsten Entwicklungen unserer Zeit.

Wir haben den Ländern Nordafrikas und der arabischen Welt eine Transformationspartnerschaft angeboten. Nachdrücklich sage ich: Das gilt nicht nur für die Länder, die sich durch Revolution – wie in Tunesien und Ägypten – auf den Weg gemacht haben; es gilt auch für die anderen Länder, zum Beispiel jetzt für Libyen. Ich will aber auch hinzufügen: Es wird nicht ausreichen, direkt zu helfen, auch beim Aufbau der Zivilgesellschaften; sondern mindestens so wichtig ist, dass die Menschen, die für Demokratie eingetreten sind, auch sehen, dass es für sie eine Verbesserung der persönlichen Lebenschancen mit sich bringt.

Wir werden wir in Europa noch diskutieren müssen, wenn es zum Beispiel darum geht, dass wir unsere Märkte öffnen. Wir können nicht einfach nur sagen: Der Tourismus kommt wieder in Gang; wir bauen die Energieinfrastruktur wieder auf. – Das wird nicht reichen. Transformationspartnerschaft heißt auch: Wer sich in dieser Region in Richtung Demokratie auf den Weg macht, weiß, dass wir ihn dabei wirtschaftlich unterstützen werden – durch Investitionen, aber auch durch leichteren Marktzugang in Europa.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. h. c. (SPD): Was ist denn da passiert?)

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass viele Probleme noch ungelöst sind. Ich denke an Syrien, ich denke natürlich auch an die Lage östlich unseres Landes, in Belarus. Auch das darf nie vergessen werden, obwohl die Aufmerksamkeit im Moment woanders liegt.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch etwas sagen zu dem, was im September vor uns liegt und auf uns zukommt, nämlich zur Frage der Nahostpolitik. Die frühzeitige

- 68 - Festlegung auf eine bestimmte Option in der Frage der Anerkennung eines palästinensischen Staates brächte weit mehr Risiken als Nutzen. Deswegen wird die Bundesregierung das auch nicht tun. Wir werden die Zeit bis New York nutzen, um auf alle Parteien im Sinne unserer Leitlinien einzuwirken und einen Korridor für eine möglichst konstruktive, in die Zukunft gerichtete Lösung zu definieren. Das heißt:

Erstens. Die Befassung der Vereinten Nationen soll uns dem Ziel von direkten Verhandlungen näher bringen und nicht davon entfernen.

Zweitens. Die Art der Befassung der Vereinten Nationen sollte stets die Gefahr gewalttätiger Eskalationen verringern und nicht erhöhen.

Drittens. Eine geschlossene Haltung der Europäischen Union ist das Ziel. Sie vergrößert auch unsere Möglichkeiten.

Viertens. Auch die besondere Qualität unseres Verhältnisses zu Israel werden wir bei all dem, was wir tun, stets mit bedenken; denn auch das ist Staatsräson für Deutschland.

Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Festveranstaltung „50 Jahre Bergedorfer Gesprächskreis“ der Körber-Stiftung am 09. September 2011 in Berlin

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Richard von Weizsäcker, sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schmidt, sehr geehrter Herr Wriedt, sehr geehrter Herr Wehmeier, meine Damen und Herren, herzlichen Dank für die Einladung. Sie haben eben davon gesprochen, dass die Früherkennungsfunktion versagt habe. Ich muss sagen: Es handelt sich dann wohl um ein disproportionales Verhältnis, weil ich, als ich in die Politik kam, relativ schnell den Bergedorfer Gesprächskreis für etwas Interessantes gehalten habe. Das allerdings zeigt, wie lange ich warten musste, um einmal eingeladen zu werden. Aber trotzdem herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch zum 50. Jubiläum.

Bergedorf steht seit 50 Jahren für außen- und sicherheitspolitische Diskussionen auf höchstem Niveau. Namhafte Teilnehmer aus allen Erdteilen kommen hier zusammen, um Wissen und Erfahrung auszutauschen, um Ideen und Perspektiven für ein gedeihliches Miteinander der Völker und Nationen zu entwickeln. Vertrauen und Verständigung durch offenen Dialog – darauf gründet der Erfolg dieses außergewöhnlichen Kreises.

Seit 1994 hat sich Bundespräsident a. D. von Weizsäcker als Vorsitzender große Verdienste um den Gesprächskreis erworben. Ihm gilt heute mein ganz besonderer Dank. Natürlich möchte ich ebenso der Körber-Stiftung danken. Mit ihrer Unterstützung des Bergedorfer Gesprächskreises folgt sie der Tradition ihres

- 69 - Gründers Kurt Adolf Körber, immer wieder Antworten auf neue gesellschaftliche Fragen nachzuspüren. Der umtriebige Unternehmer, leidenschaftliche Stifter und visionenreiche Initiator des Bergedorfer Gesprächskreises gab von Anfang an die Leitlinie vor: „Nur in offener und selbstkritischer Zusammenarbeit aller Kräfte kann die freie Welt ihre gesellschafts- und wirtschaftspolitische Ordnung behaupten und sich gegenüber totalitären Herausforderungen bewähren."

Was damals galt, gilt auch heute – umso mehr, als wir nicht vergessen sollten, dass das Gründungsjahr des Bergedorfer Gesprächskreises, 1961, für uns Deutsche ein sehr traumatisches Jahr war. Denn am 13. August jenes Jahres versuchte die SED- Führung mit Beginn des Mauerbaus Deutschlands Teilung für immer zu besiegeln. Das in Beton gegossene Symbol von Unfreiheit und staatlicher Willkür trennte Berlin, Deutschland und Europa. Ja, mehr noch: In der Mauer manifestierte sich die Teilung der Welt in zwei Blöcke. 28 lange Jahre sollte es dauern, bis die Mauer 1989 endlich fiel. Der Ost-West-Konflikt neigte sich dem Ende zu, die Freiheit hatte gesiegt.

Immer müssen wir uns, trotz aller Alltagssorgen und Herausforderungen unserer Zeit, bewusst sein, welch großes Geschenk ein Leben in Freiheit ist – für jeden einzelnen Menschen wie auch für unser Land. Manche hatten 1989 die Hoffnung, dass mit dem Ende des Kalten Krieges gleichsam ein goldenes Zeitalter anbrechen würde. Heute wissen wir: Diese Hoffnung konnte sich nicht erfüllen. Spannungen, die durch den Ost-West Konflikt überdeckt wurden, haben sich plötzlich entladen. Wir wurden Zeugen der Balkankriege, denen über 200.000 Menschen zum Opfer fielen. Der Transnistrienkonflikt brach aus. Die Auseinandersetzung um Nagorny-Karabach begann. Abchasien und Süd-Ossetien versuchten, sich aus dem georgischen Staat zu lösen. Der Nord-Kaukasus wurde unruhig.

Auch außerhalb Europas erfüllte sich die Hoffnung nicht, dass das Ende des Kalten Krieges Lösungen für Konfliktherde erleichtern würde – sei es im Nahen Osten, in Korea oder in Kaschmir. Im Gegenteil, die Invasion Iraks in Kuwait holte uns schon bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf den Boden der Realität zurück. Und damit nicht genug. Neben diese klassischen Territorialkonflikte sind völlig neue, sogenannte asymmetrische Bedrohungen getreten: Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Piraterie und Cyber-Angriffe. Zu befürchten sind künftig auch zunehmende Konflikte um Wasser und Rohstoffe.

Übermorgen jährt sich der folgenschwerste asymmetrische Angriff, den wir erlebt haben, bereits zum zehnten Mal. Die furchtbaren Bilder des 11. September aus New York und Washington haben wir alle noch vor Augen; jeder weiß vermutlich noch, wo er damals war. 3.000 Menschen verloren ihr Leben. Den Angehörigen der Opfer gilt auch heute unser Mitgefühl.

Meine Damen und Herren, nach der anfänglichen Euphorie nach dem Ende des Ost- West-Konflikts machte sich also durchaus auch Ernüchterung breit. Und dennoch: Wir sollten und dürfen uns angesichts all der Krisen und Rückschläge in den letzten 20 Jahren auch an sehr, sehr viel Positives erinnern – zunächst an die Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 27 Länder. Mit ihr wurde nach Jahrhunderten einer allzu oft auch leidvollen Geschichte Europas ein einzigartiger Raum von Freiheit, Frieden, Stabilität und Wohlstand geschaffen. NATO und EU gelang es nach den blutigen Auseinandersetzungen in Bosnien und im Kosovo, den Balkan zu stabilisieren. Die europäische Perspektive für diese Länder auf dem westlichen Balkan wird auch die Grundlage von dauerhaftem Frieden sein. 2001 konnte der - 70 - Ausbruch eines Bürgerkriegs in Mazedonien verhindert werden. 2005/2006 half die Europäische Union, den Aceh-Konflikt in Indonesien zu lösen. 2006 hat die EU mit dafür gesorgt, dass die Wahlen im Kongo friedlich verlaufen sind. Und nicht zuletzt verhindern derzeit Europäische Union und NATO am Horn von Afrika Schlimmeres, indem sie die Piraterie eindämmen.

Aus all diesen Entwicklungen, Konflikten und Engagements lassen sich für unser Handeln drei wesentliche Schlussfolgerungen ziehen.

Erstens: Deutschland kann wie jedes andere Land in einer eng vernetzten Welt Konflikte nicht allein lösen. Wir – wie alle unsere Partner; auch die Vereinigten Staaten von Amerika – sind angewiesen auf funktionierende Partnerschaften und Bündnisse. Die Entwicklungen in Libyen, in Irak, in Afghanistan, ebenso die Auseinandersetzung mit den iranischen und nord-koreanischen Nuklearprogrammen oder auch die bosnische Verfassungskrise zeigen: Es bedarf jeweils des Zusammenspiels vieler Kräfte, um Fortschritte zu erzielen.

Für Deutschlands Sicherheitspolitik gilt dabei unverändert: Unsere Partnerschaft mit den USA und das transatlantische Bündnis sind das tragende Fundament unserer Außenpolitik. Deswegen waren die Anschläge des 11. September nicht nur ein Angriff auf die Vereinigten Staaten, sondern sie waren ein Angriff auch auf uns. Mehr noch: Es waren Anschläge auf die gesamte freiheitliche Welt. Konsequenterweise hat deshalb die NATO die Beistandsklausel nach Art. 5 des Nordatlantikvertrags geltend gemacht. In der Folge engagiert sich Deutschland gemeinsam mit unseren Partnern in Afghanistan, um zu verhindern, dass von dort noch einmal der Terrorismus in unsere Länder getragen wird. Seite an Seite stellen wir uns auch dem iranischen Nuklearprogramm entgegen. Ebenso gemeinsam suchen wir nach Lösungen für den Nahostkonflikt und für die Bewältigung verbliebener Probleme auf dem Balkan.

Aber unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika beruhen nicht allein auf einer Sicherheitspartnerschaft. Sie gehen sehr viel tiefer. Unsere vielfältigen transatlantischen Beziehungen sind geprägt durch gemeinsame Geschichte, Kultur und vor allem durch gemeinsame Werte. So können wir uns gemeinsam den vielen globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert stellen. Ich bin davon überzeugt: Angesichts einer multipolar gewordenen Welt werden Europa und Amerika durch ihr gemeinsames Werteverständnis in Zukunft noch viel stärker zusammengeschweißt, aber auch herausgefordert. Für uns Deutsche erwächst die transatlantische Partnerschaft neben der europäischen Einigung aus einem gemeinsamen Wertefundament.

Ja, es ist wahr: Deutschland und Frankreich sind in diesem Europa wahrlich nicht allein entscheidend. Niemals dürfen wir – unter Hinweis auf kleinere Partner – die anderen vergessen, schon gar nicht unseren Nachbarn Polen. Aber wahr ist auch: Ohne Deutschland und Frankreich sind in Europa kaum Fortschritte denkbar. Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert; und ich glaube, daran wird sich auch so schnell nichts ändern.

Ich denke zum Beispiel daran, dass wir Ende 2005 mit dem damaligen Präsidenten Jacques Chirac den EU-Haushalt bis 2013 erfolgreich auf die Beine gestellt haben. Mit der Unterstützung Nicolas Sarkozys gelang während der deutschen Präsidentschaft die politische Einigung auf den Lissabon-Vertrag. In 2008 haben

- 71 - Deutschland und Frankreich in Baden-Baden, Kehl und Straßburg gemeinsam den NATO-Gipfel ausgerichtet. Auf unsere gemeinsame Initiative hin wurde das neue Strategische Konzept der NATO auf den Weg gebracht. Eine neue Qualität und Intensität der Zusammenarbeit unserer beiden Länder machte sich auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise bezahlt. Sie ist unerlässlich, nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch bei der G8 oder der G20.

Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich ist aber niemals gegen jemanden gerichtet, sondern stets nur auf etwas: auf eine Vertiefung der europäischen Einigungsidee, die für unseren Kontinent heute und in Zukunft über unsere Sicherheit und unseren Wohlstand entscheidet. Deshalb ziehen wir auch in der gegenwärtigen Schuldenkrise an einem Strang, sehen wir doch gemeinsam die Verbindung von Solidarität und Solidität als richtigen Weg an, um den Euro dauerhaft zu sichern – als stabile Währung und damit als ein Garant des Zusammenhalts Europas.

Der Europäischen Union kommt neben der NATO mehr und mehr auch eine wichtige Rolle in Fragen der Krisenbewältigung zu. Das sehen wir in Georgien, im Kosovo und vor dem Horn von Afrika in der Operation ATALANTA. Dennoch: Die Entwicklung einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und eines Europäischen Auswärtigen Dienstes bleibt noch immer hinter den Erwartungen zurück. Mehr konkretes, mehr praktisches Engagement, mehr Präsenz vor Ort wären wichtiger als andauernde institutionelle Streitigkeiten zwischen Rat, Kommission und Europäischem Parlament.

Hinzu kommt: Es reicht nicht, dass sich die europäischen Institutionen untereinander abstimmen. Europäische Politik kann nur gelingen, wenn die Mitgliedstaaten, ihre Regierungen, Parlamente und die Öffentlichkeit einbezogen und ihre Interessen berücksichtigt werden. Dies gilt auch und besonders für die Außen- und Sicherheitspolitik, die natürlich auch zum Kernbereich nationaler Souveränität zählt.

Auf meinen ersten Punkt, dass kein Land allein die Probleme dieser Welt lösen kann, baut mein zweiter Punkt auf: Die aufstrebenden Schwellenländer müssen mehr Verantwortung übernehmen. Das gilt für Sicherheits-, Umwelt-, Klima-, Energie- und sonstige Fragen, die von globaler Bedeutung sind.

Deshalb hat Deutschland auch mit Russland, China und Indien regelmäßige Regierungskonsultationen verabredet. Es ist für uns eine wichtige Erfahrung, dass wir auch mit China und Indien in diesem Jahr zum ersten Mal solche Konsultationen abgehalten haben, um unsere Beziehungen zu vertiefen. Dabei wird uns auch die unterschiedliche Größe unserer Länder konkret bewusst: Wenn etwa die beiden Landwirtschaftsminister von Deutschland und China über ihre jeweiligen Aufgaben sprechen, dann spricht der eine von etwas mehr als einer Million Menschen und der andere von ungefähr 400 Millionen Menschen.

Es muss eine geradezu natürliche Konsequenz des wirtschaftlichen Erstarkens der Schwellenländer sein, dass sie bei regionalen Konflikten auch mehr Verantwortung übernehmen. Denn die USA und Europa würden sich weit übernehmen, wenn sie bei allen Konflikten weltweit eingreifen sollten. Operationen wie zum Beispiel zur Wahlabsicherung im Kongo vor fünf Jahren müssen die Ausnahme bleiben. Deshalb besteht unsere Aufgabe darin, Schwellenländer und Regionalorganisationen zu unterstützen.

- 72 - Wir tun dies unter anderem, indem wir der Afrikanischen Union in Addis Abeba helfen, eine leistungsfähige Infrastruktur zu entwickeln. Unterstützung verdienen auch Staaten wie zum Beispiel Südafrika oder Angola als Vorsitzland der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika, SADC, die sich um eine Lösung für den Madagaskar- bzw. den Simbabwe-Konflikt bemühen. Das gilt auch für Nigeria, das als führendes Land der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, ECOWAS, dazu beiträgt, Krisen in Liberia und in Côte d‘Ivoire zu entschärfen. Durchaus verdienstvoll ist auch, wenn Saudi-Arabien als wichtigstes Land des Golf- Kooperationsrates durch die Aufnahme der jemenitischen oder tunesischen Herrscher für eine Beilegung bewaffneter Auseinandersetzungen in den jeweiligen Ländern Sorge trägt.

Wenn wir, wie zum Beispiel nach den schlimmen Erfahrungen in Somalia 1993/94, davor zurückschrecken, selbst in einen Konflikt einzugreifen, dann reicht es in der Regel nicht, an andere Länder und Organisationen Worte der Ermutigung zu richten. Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein – dies selbstverständlich nur nach klaren und weithin anerkannten Prinzipien. Wir sollten aber versuchen, einen Schritt weiterzugehen: Wenn wir uns im Atlantischen Bündnis einig sind, dass die NATO nicht alle Konflikte lösen kann und dass den aufstrebenden Schwellenländern und Regionalorganisationen mehr Verantwortung zukommt, dann sollten wir im Bündnis bei den Rüstungsexporten auch schrittweise zu einer gemeinsamen Politik kommen. Eine solche gemeinsame Politik muss und wird immer restriktiv sein. Sie muss und wird immer und in jedem Fall mit einer Außenpolitik in Einklang zu bringen sein, die auf die Achtung der Menschenrechte ausgerichtet ist. Denn sonst wird eine wertegeleitete Politik unmöglich.

Zu einer wertegeleiteten Politik gehören auch Sanktionen, zum Beispiel gegen Weißrussland, den Iran, oder gegen Kuba. Zu einer wertegeleiteten Politik gehört auch, dass trotz oder gerade wegen der wachsenden Bedeutung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China und Russland kein Treffen vergeht, ohne Menschenrechtsfragen und Mängel im Rechtssystem anzusprechen.

Dies führt zu meinem dritten Punkt: Der Einsatz militärischer Mittel als ultima ratio kann und darf nicht ausgeschlossen werden, aber kein Konflikt, mit dem wir heute konfrontiert sind, kann allein mit militärischen Mitteln gelöst werden.

Diese Überzeugung liegt der Europäischen Sicherheitsstrategie und dem neuen Strategischen Konzept der NATO zugrunde. So gibt es 6er- bzw. E3+3-Gespräche zum nordkoreanischen bzw. iranischen Nuklearprogramm, die 5+2-Gespräche zu Transnistrien und das Quartett zum Nahostkonflikt. Auch in Afghanistan ist zur langfristigen Stabilisierung eine politische Lösung unerlässlich, in die alle Seiten mit einbezogen werden müssen. Oder nehmen wir den aktuellen Fall Libyen: Es steht außer Zweifel, dass es der Einsatz der NATO, unserer Verbündeten, war, der entscheidend zum Ende des Gaddafi-Regimes beigetragen hat. Ich habe tiefen Respekt für diesen Einsatz. Im Übrigen bedeutete unsere Enthaltung im UN- Sicherheitsrat zu keinem Zeitpunkt Neutralität. Jetzt gilt es, politisch dem Land beim Aufbau demokratischer Strukturen da zu helfen, wo das gewünscht ist.

Wir sehen also: Deutschland leistet in vielen Regionen dieser Welt – vorneweg in Afghanistan – einen wichtigen militärischen Beitrag und betont gleichzeitig die - 73 - Notwendigkeit ziviler Maßnahmen wie im Übrigen auch den Wert wirtschaftlicher Sanktionen. Gezielte Sanktionen, die diejenigen treffen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, sollten sogar noch viel häufiger eingesetzt werden, um Diktatoren zum Einlenken zu bewegen. Deswegen setzt sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat für scharfe Sanktionen gegen Syrien und den Iran ein. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass die Staatengemeinschaft angesichts der Weiterentwicklung des iranischen Nuklearprogramms, dessen angeblich zivile Natur nur vorgeschoben ist, weitere Sanktionen ins Auge fassen sollte. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Präsidenten Ahmadinedschad und Assad spricht Bände.

Meine Damen und Herren, das sind drei Punkte, die Deutschlands außen- und sicherheitspolitisches Fundament im 21. Jahrhundert bilden: Erstens – aktuelle Konflikte lassen sich von keinem Land allein lösen, sondern nur in festen Bündnissen mit Partnerschaften; zweitens – Schwellenländern kommt immer mehr internationale Verantwortung zu; drittens – nachhaltige Krisenprävention und Krisenbewältigung erfordern ein Miteinander von diplomatischen, entwicklungspolitischen, polizeilichen, kulturpolitischen und militärischen Maßnahmen.

Deutschland weiß um seine Verantwortung in der Welt. Unser Wohlstand, den wir uns in einer freiheitlichen Weltordnung erarbeiten konnten, unsere Interessen und unsere Werte verpflichten uns dazu, Verantwortung zu übernehmen. Demokratie und Stabilität weltweit zu stärken, liegt in einer eng vernetzten Welt in unserem ureigenen Interesse.

Das ist der Grund, warum wir heute weltweit engagiert sind: 2006 bei der EU- Operation im Kongo unter führender deutscher Beteiligung, als wichtigster Truppensteller bei der KFOR im Kosovo, bei den Seeoperationen ATALANTA und UNIFIL vor den Küsten Somalias und des Libanon, mit Soldaten oder Polizisten in Georgien, in Bosnien, im Sudan, in Uganda, bei den Bemühungen um politische Lösungen im Transnistrienkonflikt, in der bosnischen Verfassungskrise und im mazedonischen Namensstreit sowie als drittgrößter Truppensteller in Afghanistan. Die Bonner Konferenz im Dezember zu Afghanistan wird dazu beitragen, die Zukunft Afghanistans nach 2014 zu bestimmen. Wir werden Afghanistan auch nach 2014 weiter unterstützen müssen – finanziell, wirtschaftlich und gegebenenfalls auch mit Ausbildungsprogrammen für die Sicherheitskräfte.

Um die sicherheitspolitischen Anforderungen unserer Zeit umfassend, also als ultima ratio auch militärisch, bewältigen zu können, haben wir die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee vorgenommen. Dieser Wandel von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee war alles andere als unumstritten. Der Bürger in Uniform war so etwas wie ein Markenzeichen der deutschen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg. Für mich bleibt dieses Markenzeichen auch weiterhin von großer Bedeutung. Es wird auch nicht zuletzt mit einer Aufwertung der Rolle der Reservisten bewahrt bleiben.

Ausdrücklich unterstütze ich darüber hinaus die sogenannte Initiative "Pooling and Sharing" sowie die im Rahmen des Weimarer Dreiecks ausgearbeiteten Vorschläge zur Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Gerade bei "Pooling and Sharing" sind wir mit den Niederlanden auf einem sehr, sehr guten Weg. Mit beiden Initiativen bzw. Vorschlägen arbeiten wir daran, eine konsequente Arbeitsteilung unter den Bündnispartnern zu ermöglichen. - 74 - Deutschlands Beitrag im nordatlantischen Bündnis ist und bleibt von größter Bedeutung, um uns auch in der Welt von morgen behaupten zu können. EU, NATO und Vereinte Nationen sind und bleiben für uns die wichtigsten internationalen Organisationen. Parallel zu unseren Bemühungen für eine Erweiterung des UN- Sicherheitsrats, wobei wir auch für Übergangslösungen offen sind, fördern wir alle Bestrebungen, der Vertretung der Europäischen Union bei den Vereinten Nationen mehr Rechte einzuräumen.

Wenn wir in diesen Tagen nach Nordafrika blicken, dann ist dort ein Europa gefordert, das die Hand ausstreckt und Unterstützung auf dem Weg zu mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung anbietet. Hier ist mit der Neuausrichtung der südlichen Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union ein Anfang geschafft.

Auf der Libyenkonferenz vor einer Woche in Paris haben wir dem Übergangsrat unsere Unterstützung angeboten. Wir sind bereit, beim Aufbau demokratischer Strukturen und Institutionen, zum Beispiel der Polizei, und bei der Instandsetzung von Infrastrukturen zu helfen.

Daneben werben wir zuvorderst in Ägypten und Tunesien für konkrete Schritte im Alltag. Denn die Erfolge der dortigen Freiheitsbewegungen sind eng mit ökonomischen Erfolgen verknüpft. Fortschritte dort haben eine besondere Signalwirkung für die ganze Region. Deshalb begrüße ich zum Beispiel den Pakt für Beschäftigung, der von deutschen Unternehmen und Auslandshandelskammern getragen wird. Mit diesem Pakt werden 5.000 Jugendlichen betriebliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze angeboten.

Auch die politischen Stiftungen sind gefragt, vor Ort den Aufbau der Zivilgesellschaft und einer vielfältigen Medienlandschaft ganz konkret zu unterstützen. Sehr viel geschieht bereits in diese Richtung. Ich bin allen Verantwortlichen dafür sehr, sehr dankbar.

Meine Damen und Herren, die Welt hat sich in den zwei Jahrzehnten seit dem Ende des Ost-West-Konflikts dramatisch verändert. Neue Konflikte und Herausforderungen sind entstanden, neue Akteure auf den Plan getreten. Der wirtschaftliche Wettbewerb wird schärfer – mit allen Chancen und Risiken, die die weitere Globalisierung und internationale Arbeitsteilung mit sich bringen.

Es gibt aber auch einen Wettbewerb um Wertvorstellungen, Lebens- und Arbeitsweisen. Deshalb ist es auch so wichtig, wenn nicht sogar die größte Errungenschaft der letzten beiden Jahrzehnte, dass sich Europa zu einer Union von 500 Millionen Menschen zusammengefunden hat. Es liegt auf der Hand, dass 500 Millionen Menschen in einer Welt mit nunmehr sieben Milliarden Menschen mehr bewegen können als 80 Millionen in Deutschland. Gemeinsam haben wir Europäer zumindest eine größere Chance, die Globalisierung unseren Werten und unseren Vorstellungen von Demokratie, Gerechtigkeit und menschlicher Würde entsprechend zu gestalten.

Wir in Europa sind gut beraten, uns nicht in europäischem Mittelmaß einzurichten, sondern unseren Blick zu weiten und uns mit den dynamischsten Volkswirtschaften weltweit zu messen. Die gegenwärtige Verschuldungskrise im Euro-Raum bietet bei

- 75 - allen Risiken auch die Chance, in Europa den Weg in die Schuldenunion zu verlassen und die Weichen hin zu einer dauerhaften Stabilitätsunion zu stellen.

2007 haben wir hier in Berlin zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge gesagt: Wir Europäer – wir sind zu unserem Glück vereint. Und so bin ich davon überzeugt: Unser Modell von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit verbunden mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft – der produktiven Verbindung von wirtschaftlicher Leistungskraft und sozialem Ausgleich – dieses Modell ist auch und gerade in einer zunehmend globalisierten Welt ein Modell mit Zukunft. Denn es ist ein Modell der Teilhabe, das niemanden ausgrenzen will, ein Modell, das keine Ideologien, sondern den Menschen mit seiner unantastbaren Würde in den Mittelpunkt stellt. Ja, es ist richtig: Wir Europäer sind zu unserem Glück vereint. Und gemeinsam mit unseren Partnern in Amerika und im transatlantischen Bündnis nehmen wir unsere Verantwortung in der Welt wahr.

In diesem Sinne wünsche ich dem Bergedorfer Gesprächskreis noch viele anregende Diskussionen und weiterhin viel Erfolg in der Pflege einer lebendigen Kultur des Austauschs und des Dialogs, einer Kultur der Weltoffenheit und Toleranz, des Voneinander- und Miteinander-Lernens.

Ich freue mich, jetzt noch Ihre Fragen beantworten zu können.

Herzlichen Dank.

Quell: Regierung Online

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Interview mit n-tv am 09. September 2011 n-tv: Wenn man zurückblickt auf den 11. September 2001, kommt immer wieder eine Frage: Wie hat man - wann, von wem - von diesen Anschlägen erfahren? Wie war das bei Ihnen?

Merkel: Bei mir war das so, dass ich im Konrad-Adenauer-Haus war - ich war damals Parteivorsitzende - und mein Bundesgeschäftsführer kam zu mir und hat gesagt, ich muss unbedingt den Fernsehapparat anschalten. Und dann habe ich quasi live noch an dem zweiten Turm des World Trade Centers gesehen, was dort vorging. Und das war zwischen "kaum fassbar" und "ganz schrecklich". n-tv: Was ging da in Ihnen vor? Hatten Sie auch Angst?

Merkel: Ich glaube, diese Gefühle der Angst kamen erst später, weil in dem Moment war es so, dass man realisieren musste: Das ist etwas, das wirklich passiert und kein Film. Und insofern brauchte ich schon eine Weile, um zu akzeptieren, dass das tatsächlich passiert ist. Also, direkte Angst hatte ich nicht, aber es war klar, es war etwas Ungeheuerliches im Gange. n-tv: Bei Politikern muss ja auch die Frage kommen: Wie reagieren wir darauf? Wie haben Sie damals diese Frage für sich beantwortet?

Merkel: (Wir) haben natürlich damals als Oppositionspartei jetzt nicht die Hauptverantwortung gehabt. Aber (in) einer solchen Stunde arbeiten Regierung und - 76 - Opposition glücklicherweise in Deutschland immer sehr gut zusammen. Das heißt, wir wurden damals von der Bundesregierung auch unterrichtet. Und ich hatte dann schon den Eindruck, dass auch die Bundesregierung unter dem Bundeskanzler Schröder das Richtige gemacht hat für Deutschland.

Wir haben dann ja sehr schnell erkennen müssen, dass auch in Deutschland Lebende in diese Anschläge mit verwickelt waren. Auch das war nochmal so ein Erkenntnisprozess, der mich schon sehr beeindruckt hat - negativ beeindruckt hat. Und dann ist, glaube ich, die Frage, was kann ich in meinem Land tun. Aber es ist dann auch klar, dass (die) Ereignisse natürlich anderweitig waren. Wir konnten aber natürlich auch nicht sicher sein, ob nicht noch in anderen Ländern Ähnliches passiert. n-tv: Was meinen Sie mit "negativ beeindruckt"?

Merkel: Naja, ich hatte mir ehrlich gesagt nicht bis dahin die vollständige Vorstellung gemacht, dass so viele Schläfer – wie man dann ja später gesagt hat, also nicht aktive Terroristen - in Deutschland doch an Stellen da sind, die wir erst mal nicht erwartet hätten. Also an Universitäten oder Fachhochschulen in und ähnliches. Und das hat die Aufmerksamkeit auf das, was hier vor sich geht, schon nochmal geschärft. n-tv: Schröder und Fischer sprachen sehr schnell von uneingeschränkter Solidarität. Wäre Ihnen das auch so schnell über die Lippen gegangen?

Merkel: Ich kann das nicht sagen. (Ich) war in dieser Situation nicht als Bundeskanzlerin. Uneingeschränkte Solidarität (kann) nur auf ein Ereignis bezogen sein - wir sind immer solidarisch zu unseren Verbündeten -, dennoch entscheidet Deutschland in jedem Falle selbst. Dass man in diesem Falle, was die Angriffe anbelangte, was die Verteidigung des westlichen (Bündnisses), unserer aller Sicherheit anbelangt, war das eine Aussage, die für diese Zeit wirklich auch gilt und galt. Das ist vollkommen klar. Wir sind Verbündete in einem gemeinsamen Verteidigungsbündnis, und ein solcher Fall hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gestellt. n-tv: Ist Deutschland nicht doch zu schnell in ein militärisches Engagement hineingerutscht oder hineinmanövriert?

Merkel: Von gerutscht kann man, glaube ich, nicht (sprechen). Wir hatten schon das Gefühl, dass hier Verantwortung zu übernehmen ist. Es war auch klar, dass die Angriffe vorbereitet werden konnten in einem Staat, der kein richtiger Staat war, in Afghanistan. Und deshalb wäre es schon fatal gewesen, wenn man sich dann, als der Verteidigungsfall auch zum ersten Mal für (den) Bereich außerhalb des Bündnisses ausgerufen wurde - oder die Verteidigung eines Bereiches außerhalb des Bündnisses -, (abseits) gestanden hätte. Also, insofern haben wir die Entscheidung der damaligen Bundesregierung ja unterstützt, dass wir in Afghanistan mit dabei sind. n-tv: Ist die Mission eigentlich nicht gescheitert in Afghanistan, die Bundeswehrmission dort?

- 77 - Merkel: Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist so, dass der Kampf gegen den Terrorismus sich als sehr, sehr schwierig darstellt. Das haben wir in diesen zehn Jahren erlernen müssen. Wir nennen das die asymmetrische Bedrohung. Wir haben es mit Einzeltätern zu tun, nicht mit einem Kampf von Staat gegen Staat, sondern von einzelnen Gruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, unsere westliche Lebensweise in Demokratie, in Freiheit und Toleranz, anzugreifen. Und diese Angreifer haben eine Eigenschaft, die man im Kalten Krieg nicht kannte: Für sie zählt ihr eigenes Leben nicht, das heißt, sie setzen ihr eigenes Leben aufs Spiel. Und damit fertig zu werden, das ist eine der großen Aufgaben.

Ich glaube, dass es uns gelingen wird, die Symbiose, oder die Verquickung, von Taliban, wie wir es in Afghanistan ja immer schon hatten, und El-Kaida aufzulösen. El-Kaida ist heute auch schon auf dem Territorium von Afghanistan nur noch sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, tätigt. Und jetzt geht es darum, (die staatlichen Strukturen so fest in Afghanistan zu verankern), dass dann auch diese staatlichen Strukturen - sicherlich nicht 100 Prozent nach unserem Vorbild in Deutschland - solche terroristischen Angriffe abwehren können. Und ich glaube, auf diesem Gebiet haben wir schon etliche Erfolge erzielt. Wir wissen, die militärische Option kann nicht ausgeschlossen werden, aber sie alleine reicht auch nicht, um Terrorismus zu bekämpfen. Das ist eine Lehre aus den zehn Jahren. n-tv: Was würden Sie der Frau eines Soldaten sagen, der in Afghanistan gefallen ist? Wofür ist ihr Mann gefallen?

Merkel: Ich sage denen, die in Afghanistan kämpfen und auch denen, die Familienangehörige zu beklagen haben, dass es dort um unsere Sicherheit geht. Es geht darum, dass aus einem solchen nicht funktionierenden Staatsgebilde, wie es in Afghanistan war, Terroristen trainiert wurden, ausgebildet wurden, und letztlich unsere westliche Sicherheit bedroht haben. Es war ja nicht nur New York. Es war auch Madrid, es war auch London. Und wir müssen zeigen, dass wir unsere Art zu leben, unsere gesellschaftliche Ordnung auch verteidigen können. n-tv: Wie groß schätzen Sie jetzt die Gefahr durch islamistischen Terrorismus in der Welt, aber auch hier in Deutschland, ein?

Merkel: Sie ist latent vorhanden. Es ist wirklich auch an diesem zehnten Jahrestag des 11. September an der Zeit, unseren Sicherheitsbehörden einmal zu danken, auch denen, die international zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr, sehr hervorragend. Es zeigt aber auch, dass wir auf internationale Informationen angewiesen sind. Aber wir müssen jede Stunde wachsam sein. Und ohne Sicherheitsbehörden und internationale Zusammenarbeit würde es nicht gehen. n-tv: Wie hat der 11. September Ihre Sicht auf die Welt verändert?

Merkel: Wir haben ja alle gehofft, dass nach dem Ende des Kalten Krieges vielleicht die ganz großen Konflikte dieser Welt vorbei seien. Diese Hoffnung währte nicht lange. Und wir sehen jetzt, dass wir eben mit diesen sogenannten asymmetrischen Bedrohungen, mit Bedrohungen von Gruppen - nicht mehr Staaten gegen Staaten - noch nicht die abschließende Strategie gefunden haben, wie wir dieses Tun einschränken. Wir haben latent eine terroristische Gefahr. Es ist die große, neue Bedrohung geworden. Und die Weltgemeinschaft wird noch viel zusammenarbeiten

- 78 - müssen, um zu lernen, wie man dieser Bedrohung abschließend auch wirklich begegnet. n-tv: Hat er Sie persönlich auch verändert, dieser Tag?

Merkel: Ich glaube, wir alle - oder ich zumindest bin bereit, auch stärkere Kontrollen zu akzeptieren. Wir haben Gesetze gemacht damals, die wir jetzt auch nochmal zum großen Teil verlängern, die einfach bis dahin ungeahnte Überprüfungsmaßnahmen auch mit sich bringen, gerade was Flugzeugpassagiere anbelangt. Daran haben sich viele inzwischen gewöhnt. Aber es ist schon ein Einschnitt, den wir so nicht kannten. Und meine persönliche Sichtweise ist, dass das notwendig ist, um das hohe Gut freiheitlichen Lebens auch für die große, große Mehrzahl der Menschen sicherzustellen. n-tv: Hatte der Einsturz der Türme des World Trade Centers etwa die gleiche emotionale Wucht für Sie, wie der Fall der Mauer 1989?

Merkel: Das ist anders, weil (der) Mauerfall ein extrem positives Ereignis war. Er hat völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Hier war es ein Ereignis mit einer großen negativen Erfahrung, einer zerstörerischen Wirkung, dass freiheitliche Staaten so verletzlich sind und dass wir eine neue Balance von Freiheit und Sicherheit finden müssen. Das andere war der Sieg der Freiheit. Und hier war es sozusagen der Angriff auf die Freiheit. Aber es waren beides, wie ich glaube, sehr fundamentale Ereignisse - aber das des Falls der Mauer war ein positiveres. n-tv: Aber der 11. September hat die Welt verändert, Ihrer Meinung nach?

Merkel: Der 11. September wird zumindest die Welt prägen. Und er hat die Aufgaben, denen sich freiheitliche Demokratien gegenüber sehen, verändert. Wir haben vieles gelernt, wie wir damit umgehen. Und er hat uns allen noch einmal gezeigt, dass ohne globale Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen keine Sicherheit mehr möglich ist.

Die Fragen stellte: Peter Koeppel Quelle: Regierung Online

Gastbeitrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle in der Frankfurter Rundschau am 10. September 2011

Als am 9. November 1989 die Mauer fiel und die Menschen aus Ostberlin ungläubig und freudetrunken durch die nach Jahrzehnten der Abriegelung geeinte Stadt zogen, da war Begeisterung, Zustimmung und Unterstützung ganz besonders in den Vereinigten Staaten spürbar. Die Wiedervereinigung, dieses diplomatische Meisterstück der Bundesregierung von und Hans-Dietrich Genscher, wäre ohne die tatkräftige und vertrauensvolle Unterstützung der US-Regierung so nicht Wirklichkeit geworden. Aber das Mitfreuen und die Solidarität gab es auch bei Millionen von Amerikanern, die als GIs oder Familienangehörige Zeit in Deutschland verbracht hatten oder sich einfach über den Triumph der Freiheit freuten - einer Freiheit, die sie auch als die ihre verstanden.

- 79 - Als am 11. September 2001 die Terroristen von Al Kaida mit gekaperten Flugzeugen in New York, Washington D.C. und Pennsylvania den schlimmsten Terroranschlag der Geschichte verübten, da gab es neben dem Schrecken, den die unauslöschlichen Bilder in uns allen hinterließen, in Deutschland auch eine große Welle der Empathie und der Solidarität. Mitgefühl mit und Nähe zu den Menschen in den Vereinigten Staaten und ganz besonders mit den so furchtbar heimgesuchten New Yorkern. Von der großen Solidaritätskundgebung am Brandenburger Tor, an die ich mich persönlich gut erinnere, bis zu unzähligen kleinen Zeichen deutsch- amerikanischer Freundschaft kam darin eine Verbundenheit zum Ausdruck, die in Jahrzehnten eines engen Bündnisses gewachsen war. Die Nato stellte erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall fest. Deutsche Soldaten stehen seit jenem Herbst Seite an Seite mit Amerikanern und anderen Isaf-Partnern in Afghanistan, weil von dort aus die mörderischen Anschläge ihren Ausgang nahmen.

"9/11" hat die Welt verändert. Nicht in allen Entscheidungen sind alle Alliierten seitdem einer Meinung gewesen. Aber alliiert zu sein heißt, sich in der Stunde der Not aufeinander verlassen zu können. Heute sind wir 10 Jahre in Afghanistan. Damit es nicht noch einmal 10 Jahre werden, ist es an der Zeit, den Afghanen die Sicherheitsverantwortung Schritt für Schritt, Provinz für Provinz zurückzugeben. Wir verfolgen im Bündnis eine gemeinsame Strategie, zu der neben der Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis 2014 auch die Unterstützung der inneren Aussöhnung gehört, damit Afghanistan Frieden findet und nie wieder Rückzugsraum für Terroristen wird. Es bleibt unser Ziel, dass von 2014 an die Bundeswehr nicht mehr mit Kampftruppen in Afghanistan eingesetzt wird.

Die Verwundbarkeit unserer modernen Welt macht es notwendig, zwischen Freiheit und Sicherheit immer wieder neu abzuwägen. Wie wichtig es ist, die Waagschale nicht zu weit zu einer Seite zu neigen, haben wir gelernt, auch durch die kluge Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die ungebrochene Attraktivität der Idee der Freiheit, des Rechtes eines jeden Menschen auf die Entfaltung seiner Persönlichkeit, hat uns der „Arabische Frühling" so unerwartet wie nachdrücklich vor Augen geführt. Die Ereignisse südlich des Mittelmeers sollten uns Mut machen, trotz der Herausforderungen nicht in unseren Überzeugungen irre zu werden und unseren gemeinsamen Werten und Idealen treu zu bleiben. Der Aufbruch der Menschen zu einer freiheitlicheren Ordnung zeigt uns, dass die Begegnung von Religionen und Lebensstilen nicht zwangsläufig zu einem Kampf der Kulturen führt.

Zehn Jahre nach dem 11. September leben wir in einer Welt im Umbruch. Eine neue Ordnung ist nur in Umrissen erkennbar. Neue Kraftzentren haben sich herauskristallisiert, mit Staaten und Gesellschaften, die aus ihrer wirtschaftlichen Dynamik einen Mitgestaltungsanspruch in der Weltpolitik ableiten. Neue, globale Probleme sind in den Vordergrund gerückt und verlangen nach global formulierten Antworten. Amerika und Europa können auch gemeinsam diese Lösungen nicht mehr vorformulieren und aushandeln. Wir brauchen neue Partnerschaften, um in den Vereinten Nationen, in den G20 und anderen Foren die Konsenssuche voranzubringen.

Eine kooperative Weltordnung ist nicht über Nacht zu entwickeln. Aber wenn wir sie als Deutsche mitgestalten wollen, dann kann uns das nur mit vereinten Kräften in einem geeinten Europa und in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten gelingen. Das ist keine Frage von Dankbarkeit oder alter Verbundenheit. Es ist eine Frage gemeinsamer Überzeugungen und gemeinsamer Ziele, einer Werte- und - 80 - Interessengemeinschaft. Bei allen Unterschieden verbindet uns das Ideal der offenen Gesellschaft und der freien Entfaltung des Einzelnen. In der amerikanischen Verfassung hat diese Idee mit dem „pursuit of happiness" einen unvergleichlichen Ausdruck gefunden. Auch auf diese Idee zielten die Attentäter von 9/11. Heute ist sie lebendiger denn je. Das sollte uns Anlass zur Freude und zum Optimismus sein und der transatlantischen Partnerschaft Ansporn für eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Internationalen Friedenstreffens am 12. September 2011 in München

Sehr geehrter Herr Kardinal Marx, sehr geehrter Herr Professor Riccardi, sehr geehrter Herr Professor Impagliazzo, Exzellenzen, Eminenzen, liebe Gäste, ich bin sehr gerne hierhergekommen und freue mich, dass ich bei diesem Treffen, dem Friedenstreffen von Sant‘Egidio im Erzbistum München und Freising, zum zweiten Mal in Deutschland heute hier bei Ihnen sein kann. Ich grüße auch die, die außerhalb dieses Raums diese Veranstaltung mit verfolgen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die Tradition dieser Treffen, wie es eben auch gesagt wurde, schon 25 Jahre zurückreicht. Wenn wir uns die Welt im Jahre 1986 in Erinnerung rufen, dann sah sie doch beträchtlich anders aus als die Welt von heute. Zum Beispiel hatten Terroranschläge, wie wir sie am 11. September des Jahres 2001 – wir hatten gestern den zehnten Jahrestag – erlebt haben, damals unsere Vorstellungskraft überstiegen. Aber wir hatten damals die „Ordnung" des Kalten Krieges, eine scheinbar unüberwindliche Trennung zwischen Ost und West. Die ganze Welt hatte sich dem unterzuordnen; es gab zwei große Machtsphären. Die Fronten dieses Kalten Krieges verliefen quer durch Deutschland, quer durch Europa.

Allein die Tatsache, dass ich hier heute als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland stehe, aufgewachsen im östlichen Teil Deutschlands, zeigt, was sich verändert hat. Wer hat mehr davon profitiert, wer hat mehr gewonnen als gerade wir Deutschen, die wir jetzt wieder vereint in einem einigen Europa Freiheit und Demokratie leben können?

Der 1986 in Assisi abgehaltene Gebetstag für den Frieden war ein Zeichen der Hoffnung. Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen waren auf Einladung von Papst Johannes Paul II. aus aller Herren Länder in die Stadt des Heiligen Franziskus gekommen. Sie wollten den Nationen der Welt eine Botschaft der Versöhnung senden. Dieses Wollen ist in eine Tradition übergegangen. Dies ist eine dauerhafte Botschaft der Versöhnung geworden. Die Laienbewegung Sant‘Egidio knüpfte nämlich daran an. Noch immer tragen ihre Treffen den Geist von Assisi in die Welt. Die Botschaft heißt, immer wieder um das gedeihliche Miteinander von Menschen unterschiedlichen Glaubens zu ringen. - 81 - Dass wir uns heute mitten im geeinten Europa treffen, das zeigt, dass dieser Geist doch schon beträchtliche Früchte getragen hat, auch wenn wir auf dieser Welt noch viel zu tun haben. Der Eiserne Vorhang ist nunmehr längst Vergangenheit. Sein Fall 1989 hat gezeigt: Ausdauer, Mut und Hoffnung können Teilungen und Spaltungen überwinden. Das ist die Botschaft, die wir Europäer für andere Teile der Welt haben, in denen das noch nicht gelungen ist. Es gibt Hoffnung.

Was ist die Ursache dafür, dass sich die Hoffnung immer wieder Bahn brechen kann? Das sind gemeinsame Grundüberzeugungen, gemeinsame Vorstellungen von Gerechtigkeit und Teilhabe, viele Kontakte, die allen Hürden zum Trotz aufrechterhalten geblieben sind.

Die Kirchen hatten an der Überwindung solcher Hürden immer einen großen Anteil. Nicht nur, dass ihre Lehren eine wichtige Basis unserer gemeinsamen Werte in Europa sind. Wir dürfen das in Europa nicht vergessen. Als wir über den Verfassungsvertrag diskutiert haben, hätten wir es jedenfalls in der Partei, der ich angehöre, sehr gerne gehabt, wenn wir den Gottesbezug ähnlich wie in unserem Grundgesetz auch in den europäischen Verträgen verankert hätten, denn wir sollten uns immer wieder unserer Wurzeln besinnen. Die Menschen leben von Religion, die Menschen leben aus dem Verständnis, dass wir Menschen Schöpfung Gottes sind und dass wir als solche unser Leben auf Erden gestalten.

Wir freuen uns in Deutschland auf den Besuch des Papstes Benedikt XVI. in wenigen Tagen, der immer wieder darauf hingewiesen hat: Die Säkularisierung in Europa, auch die Trennung von Kirche und Staat dürfen uns niemals vergessen lassen, dass wir ohne Glauben an Gott – hier sind Vertreter vieler Religionsgemeinschaften – als Menschen schnell überheblich werden und aus den Augen verlieren, wozu unser Leben bestimmt ist. Deshalb sollten wir das immer auch in unseren Worten berücksichtigen, auch in der Tagespolitik.

Meine Damen und Herren, Politik kann Zusammenhalt fördern, aber sie kann ihn nicht verordnen. Wir leben von Dingen, die wir selber nicht schaffen können. Die Basis für ein Gemeinschaftsgefühl bildet sich im vorpolitischen Raum. Dort spielen die Kirchen eine zentrale Rolle. Ihre Offenheit für andere, ihr Anspruch der Nächstenliebe, die Akzeptanz, dass Menschen auch Fehler begehen, aber auch aufgehoben sind und Geborgenheit erfahren – all das prägt Einstellungen für unsere Gesellschaft, auf denen Politik aufbauen kann, die Politik aber nicht selber schaffen kann. An solche Grundhaltungen und ethischen Überzeugungen müssen politische Entscheidungen anknüpfen, sonst laufen sie ins Leere.

Deshalb sind Treffen wie das Ihre hier in München so wunderbar, so wichtig, so inspirierend. Daraus entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine stabile Gemeinschaft. So gelingt auch die Gemeinschaft der Staaten nur, wenn sie an ein gemeinsames Verständnis vom Menschen anknüpfen kann. Wir als Europäerinnen und Europäer empfinden uns als Gemeinschaft. Wir haben zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, den wir während der deutschen EU- Ratspräsidentschaft in Berlin gefeiert haben, gesagt: „Wir Europäer – wir sind zu unserem Glück vereint."

Wir haben ein gemeinsames Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in einer immer enger vernetzten Welt, wir wissen um unseren Auftrag. Wir wissen aber auch: Unser Kontinent hat über viele Jahrhunderte und unter Mühen vor allem eines lernen

- 82 - müssen: Unterschiede lassen sich friedlich miteinander vereinbaren, wenn sie ein gemeinsames Verständnis von Menschenwürde, Freiheit und Verantwortung trägt. Nur dann gelingt es auch, friedlich miteinander zu leben.

Diese Erkenntnis ist es, auf der das Haus Europa gebaut ist. Es beherbergt unter seinem Dach heute eine halbe Milliarde Menschen, die die wesentlichen Grundüberzeugungen teilen, die in Frieden und Wohlstand leben, die die Unteilbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen akzeptieren und die glauben und zeigen, dass wir in Respekt, in Toleranz auch zwischen den Religionen in Europa unser Leben gestalten.

Dieses Haus Europa ist nicht über Nacht entstanden. Es ist nach jahrhundertelangen Mühen, nach Unfrieden, Krieg und schrecklichen Taten entstanden. Wer wüsste das besser als wir Deutschen. Aber ich glaube, das Haus Europa ist heute solide, es ist eine wirkliche Gemeinschaft. Den Gründervätern der europäischen Einigung gelang das Wunder, die Gräben der Unterschiede zu überbrücken. Wenn ich allein daran denke, dass wir das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich als Erbfeindschaft oder Erzfeindschaft bezeichnet haben, so haben wir das heute glücklicherweise überwunden.

Es gelang den Gründervätern der europäischen Einigung, im Bewusstsein der Vergangenheit, also auch des von Deutschland ausgegangenen Zivilisationsbruchs der Schoah und des Krieges, Zukunft zu gestalten. Wir haben die Teilung des Kontinents überwunden, wir haben die Weichen für die Erweiterung der Europäischen Union gestellt. Heute ist es die Aufgabe der politisch Aktiven, Europa wettbewerbsstark, krisenfest und international handlungsfähig zu machen. Das ist auch eine große Herausforderung, aber gemessen an denen, die Europa schon überwunden hat, eine gestaltbare Herausforderung.

Wir haben in diesen Tagen die Schuldenkrise im Euro-Raum zu überwinden – eine Krise, die mit vielen technischen Begriffen immer wieder erklärt wird, die uns aber in Wahrheit zwingt, anders zu leben, nämlich nachhaltig zu leben, nicht unentwegt auf Kosten zukünftiger Generationen Werte zu verbrauchen, sondern auch an zukünftige Generationen zu denken. Dies muss und wird auch – ich bin davon überzeugt – unser gemeinsames Verständnis sein. Ich bitte Sie, uns auch mit Ihrem Gebet und mit Ihren Veranstaltungen dabei zu helfen, einfach deutlich zu machen: Europa ist ein reicher Kontinent – es sollte uns gelingen, nicht den Reichtum zukünftiger Generationen zu verbrauchen. Nur so werden wir auch Frieden und Demokratie bei uns erhalten.

Trotz aller Schwierigkeiten: Unser europäisches Modell von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit, gepaart mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, ist es wahrlich wert, immer wieder gestärkt zu werden. Wir wissen doch: Viele Menschen in anderen Regionen der Welt schauen auf uns Europäer, denn die Vision eines friedlichen Zusammenlebens, die Vision der Bewahrung der Menschenrechte ist bei uns Wirklichkeit. In vielen Regionen der Welt wird genau darum noch gerungen.

Aber wir erleben in diesen Tagen und Monaten auch hoffnungsvolle Entwicklungen. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, als sich die aufgestaute Sehnsucht vieler Menschen nach Freiheit in Nordafrika Bahn gebrochen hat. Tausende Menschen gingen zunächst vor allem in Tunesien und Ägypten auf die Straße. Nach und nach

- 83 - ergriff und ergreift diese Bewegung immer mehr Länder im arabischen Raum. Aktuell stehen wir vor gravierenden Problemen in Libyen und in Syrien, aber immer wieder ist es das eine, um das wir kämpfen sollten: Die Würde jedes einzelnen Menschen ist unteilbar, unantastbar. Das muss das Prinzip sein, nach dem Schritt für Schritt alle politisch Verantwortlichen auf der Welt arbeiten und sich engagieren.

Männer und Frauen sind immer wieder bereit gewesen, ihr Leben für eine bessere Zukunft, für mehr Demokratie, für mehr Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Gerade junge Menschen in der arabischen Welt fordern für sich eine Perspektive ein. Wer wollte das nicht besser verstehen als wir in Europa, die diese Perspektive bereits haben? Auch sie streben nach wirtschaftlicher und politischer Teilhabe. Sie wollen sich nicht mit Armut und staatlicher Willkür abfinden. Und dabei haben sie unsere Unterstützung.

Umso wichtiger ist es, dass jetzt die vielen Hoffnungen nicht in Enttäuschungen umschlagen. Aus der Stärke Europas erwächst uns Verantwortung – Verantwortung für ganz konkrete Hilfen und Unterstützungen, gerade auch für die Jugend in diesen Ländern des Umbruchs. So begrüße ich es zum Beispiel, dass die deutschen Unternehmen und Auslandshandelskammern die Initiative ergriffen haben für einen Pakt für Beschäftigung, womit zum Beispiel in Ägypten 5.000 Jugendlichen betriebliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze vor Ort angeboten werden. Wir brauchen viele solcher konkreten Initiativen, denn jeder einzelne Mensch fragt zu Recht nach seinen Möglichkeiten.

Die Veränderungen in der arabischen Welt bewegen viele Menschen auch in Europa. Der nordafrikanische Raum ist unsere Nachbarschaft; wir sind durch das Mittelmeer verbunden. Stabilität in unserer Nachbarschaft liegt in unserem ureigensten Interesse. Das gilt auch und erst recht für Israel. Dort mischt sich die Beobachtung des Wandels im arabischen Raum auch mit Skepsis und der Sorge um die eigene Sicherheit. Das ist nur zu verständlich. Die jüngsten Vorfälle an der Grenze zu Ägypten und mehr noch die Stürmung der israelischen Botschaft in Kairo in der Nacht von Freitag auf Samstag zeigen, wie angespannt die Situation ist. Die ägyptische Regierung muss dafür Sorge tragen, dass sich derartiges nicht wiederholt.

Gerade jetzt, in dieser Phase, kommt es darauf an, dass wir trotz scheinbar sehr, sehr schwieriger Bedingungen im Nahost-Friedensprozess vorankommen. Deutschland setzt sich dafür sehr stark ein. Wir wollen eine Zweistaatenlösung mit Israel als jüdischen demokratischen Staat in anerkannten Grenzen und mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat. Anders ist ein dauerhafter Friede in der Region nicht erreichbar. Wir wissen: Das verlangt von Israel genauso wie von den Palästinensern schmerzhafte Kompromisse, aber – das wissen vor allen Dingen auch Sie – Frieden ist jede Anstrengung wert; eine Anstrengung, bei der Deutschland und die internationale Gemeinschaft natürlich zur Seite stehen werden. Wir sollten alles daransetzen, die verbleibenden Tage bis zu den Beratungen in den Vereinen Nationen zu nutzen, vorneweg im Nahost-Quartett, um Wege zu finden, die eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses nicht noch zusätzlich erschweren, sondern erleichtern.

Meine Damen und Herren, ob im Nahen Osten, im arabischen Raum oder anderswo auf der Welt – eine nachhaltige Entwicklung ist nur mit gelebten Menschenrechten denkbar. Wir brauchen Entwicklung auf unserer Welt, um die Grundbedürfnisse des - 84 - Menschen zu erfüllen, Durst zu löschen, Hunger zu stillen, Krankheiten zu heilen, Bildung und damit auch berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Aber nur wer dabei die Menschenrechte achtet, schafft auch eine verlässliche Basis für Entwicklung.

Ähnliches gilt auch für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir sind inzwischen sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt. Ich habe es jetzt noch einmal nachgelesen: 1950, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, waren es weltweit nur zweieinhalb Milliarden Menschen. Es sind jetzt sieben Milliarden Menschen, die Wohlstand möchten, die in Würde leben wollen. Dies wird nur möglich sein, wenn wir lernen, sorgsam, nachhaltig, im Sinne der Schöpfungsgeschichte mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen. „Macht euch die Erde untertan" – das war keine Aufforderung zum Raubbau, sondern das war eine Aufforderung für eine dauerhaft glückliche Menschheit, meine Damen und Herren.

Deshalb wird es, wenn es um Entwicklungszusammenarbeit geht, wenn es um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht, in Zukunft ganz wesentlich immer auch um Frieden oder kriegerische Auseinandersetzungen gehen. Je nachdem, wie wir die Fragen nach nachhaltigem Wirtschaften beantworten, wird sich entscheiden, ob die Welt in Frieden leben kann. Deshalb ist ein effizienter, fairer, sorgsamer Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen das A und O unserer zukünftigen Gestaltung der Welt.

Die Frage heißt: Sichern wir Zukunft oder verbrauchen wir Zukunft? Das ist eine zutiefst moralische Frage, die Politik wiederum nicht allein lösen kann, sondern die sie nur lösen kann, wenn sie auf Menschen trifft, die sich diese Frage auch zu ihrem eigenen Anliegen gemacht haben. Auch hierbei gilt natürlich für uns in Europa, auch für uns in Deutschland: Aus unserer Stärke erwächst Verantwortung. Aus der Stärke der Industriestaaten folgt eine besondere Verantwortung, den Gedanken des nachhaltigen Wirtschaftens zu fördern.

Dabei stehen wir erstens in der Pflicht, die Rechnung für unseren Wohlstand selbst zu zahlen. Wir dürfen die Lasten nicht weiter auf andere abwälzen – weder auf andere Regionen noch auf künftige Generationen. Zweitens ist jeder von uns gefordert, im Alltag den Nachhaltigkeitsgedanken stärker zu verinnerlichen – beim Energieverbrauch, bei Konsum- und bei Produktionsentscheidungen. Drittens sind wir gefragt, Entwicklungs- und Schwellenländer auf ihrem Weg zu mehr Wohlstand zu unterstützen, ohne dabei die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Exemplarisch dafür steht das Thema des Klimawandels, der Energiepolitik, des Energieverbrauchs. Wir könnten genauso über andere Fragen, wie zum Beispiel über die der Biodiversität, der Vielfalt unserer Arten sprechen.

Immer wieder steht international die Frage im Raum: Wie viel Entwicklung gestehen wir anderen zu und wie weit sind wir selber Vorbilder, um zu zeigen, dass Wohlstand auch mit nachhaltigem Wirtschaften erreicht werden kann? Wir brauchen hierfür internationale Übereinkünfte. Die Welt kann nicht mehr national regiert werden, auch nicht allein durch Regionalorganisationen. Deshalb kommt auch den Vereinten Nationen aus meiner Sicht eine so zentrale Bedeutung zu. Ja, es ist kompliziert, mit über 190 Nationen immer wieder Einvernehmen herzustellen. Aber die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen ist aus einer so unmittelbaren Kraft heraus entstanden, als Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg, so dass, wenn alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sich an das, was sie unterzeichnet haben, - 85 - halten würden, die Welt sehr viel friedlicher wäre. Ich fordere Sie auf, die Sie ja immer wieder in der Welt Ihr Wort erheben: Sagen Sie laut, wo die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen nicht eingehalten wird.

Daraus entsteht auch die Notwendigkeit, verbindliche Abkommen zu schließen. Gerade was die Abkommen zum Klimawandel anbelangt, so haben wir – das steht auch für viele andere Abkommen – immer noch dramatische Probleme zu lösen. Aber ich sage auch: Wir haben auf der Welt schon viele dicke Bretter gebohrt, wir haben schon viele Blockaden überwunden – und so werden wir es auch lernen, als Menschheit mit unseren natürlichen Ressourcen gemeinsam verantwortlich umzugehen. Ich bin davon zutiefst überzeugt.

Meine Damen und Herren und liebe Teilnehmer, die Friedenstreffen von Sant‘Egidio leisten zu alldem einen großen Beitrag. Sie führen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen, sie überwinden Grenzen, sie schärfen den Blick für das Verbindende. Darin liegt ihr unschätzbares Verdienst. Deshalb sind wir, wenn ich das so sagen darf, auch Verbündete im Kampf um Menschenwürde, um Frieden und Freiheit und Menschenrechte.

Gerade an die Religionen richtete sich in den vergangenen Jahren verstärkt die Frage, was uns Menschen eint oder was uns Menschen trennt. Wer was glaubt, ist wieder mehr von öffentlichem Interesse, weil die Menschen spüren: Wir brauchen die Kraft des Glaubens, um die Fragen unserer Zeit zu bewältigen. Der Dialog der Religionen hat neuen Zuspruch, neuen Wind bekommen. Das ist positiv. Negativ, muss man allerdings sagen, ist der Hintergrund, vor dem diese Entwicklung Nahrung gefunden hat. Denn Religionen werden auch in unserer Zeit sträflichst missbraucht, insbesondere um Terrorismus zu begründen, wie wir bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 gesehen haben. Umso wichtiger ist der Dialog der Religionen, die Gemeinsamkeit der Religionen, die Sie in Ihren Treffen verfolgen. Denn eines ist klar: Religionen sehen den Menschen als Gottes Geschöpf. Deshalb ist seine Zerstörung, so wie wir das in tausendfacher Form am 11. September, aber auch danach erlebt haben, genau das Gegenteil von dem, was Religion will.

Wenn wir dieser Tage in aller Welt der Toten des Anschlags vom 11. September gedenken, dann gedenken wir der Opfer des Terrors, wir gedenken all der gefallenen Soldaten, der getöteten Sicherheitskräfte, vieler Helfer, die antraten, um Terror einzudämmen. Mit diesem Gedenken tragen wir auch die Botschaft in die Welt: Die dem Menschen ureigene Sehnsucht nach Freiheit lässt sich durch Terror und Unterdrückung nicht ausradieren. Freiheit lässt sich nicht besiegen, meine Damen und Herren.

Auch heute können Menschen immer wieder Mittel und Wege finden, Anschläge zu verüben, aber wir werden uns davon unsere Überzeugung nicht nehmen lassen. Die Staatengemeinschaft wird sich weiter engagieren und auch engagieren müssen. Ob das als ultima ratio auch mit militärischen Mitteln geschieht, ist in Ihren Kreisen sicherlich stark umstritten. Wir glauben, dass es notwendig ist, aber wir glauben niemals, dass militärische Mittel allein wirklichen Frieden bringen können. Frieden wird nur durch eine Vielzahl von Aktivitäten gebracht.

Wir müssen natürlich lernen, mit den Feinden des Friedens und der Freiheit umzugehen. Im Unterschied zur Zeit um 1986, in der Ihre Friedenstreffen ihre Ursprünge fanden, haben wir es heute mit Bedrohungen zu tun, bei denen Menschen

- 86 - bereit sind, ihr Leben für die falsche Sache aufs Spiel zu setzen, nämlich für den Tod anderer Menschen. Mit diesen Bedrohungen, die wir asymmetrische Bedrohungen nennen, werden wir uns noch weiter auseinandersetzen müssen. Ich glaube, dass die Bekämpfung von Armut und die Bekämpfung von Ungerechtigkeit gute Mittel sind, um dem Terrorismus seine Wurzeln zu entziehen. So arbeiten wir gemeinsam genau daran.

Mit die wirksamste Form der Krisenprävention ist und bleibt also die Armutsbekämpfung. Darauf hat auch Sant‘Egidio immer und immer wieder hingewiesen. Seit ihren Anfängen Ende der 60er Jahre widmet sich die Bewegung dem Dienst an den Armen. Sie lindert Leid und fragt zugleich nach den Ursachen. Eine wichtige Erkenntnis lautet, dass Krieg der Vater aller Armut ist. Im Umkehrschluss könnten wir sagen, dass Frieden als Mutter aller Entwicklung bezeichnet werden kann. – Ich hoffe, Sie nehmen mir die Zuordnung zu „Vater" und „Mutter" nicht übel; das ist geschlechtsneutral gemeint, meine Damen und Herren. –

Deshalb möchte ich Ihnen und Sant‘Egidio dafür danken, dass Sie Ihre Kontakte und Freundschaften rund um den Globus nutzen, um für mehr Stabilität auf der Welt einzutreten. Dieses Engagement ist ein wichtiger Baustein christlicher Friedensarbeit. Herzlichen Dank dafür.

Papst Johannes Paul II. hat beim Treffen in Assisi vor 25 Jahren gesagt: „Der Friede, der von so anfälliger Gesundheit ist, erfordert ständige und intensive Pflege." Jede Generation muss Frieden vor neuen Anfechtungen und Gefahren bewahren. Sie zu erkennen, ist nur das eine; sie mutig und entschlossen anzugehen, das ist das andere. Und darin liegt unser gemeinsamer Auftrag. Lassen Sie mich deshalb nochmals Papst Johannes Paul II. zitieren: „Wir wollen danach trachten, Friedensstifter im Denken und Tun zu sein, mit Geist und Herz auf die Einheit der menschlichen Familie ausgerichtet." Davon dürfen wir uns alle angesprochen und ermutigt fühlen – Sie, die Sie unsere Gäste in der Bundesrepublik Deutschland sind, und auch wir als Politiker.

Sant‘Egidio und allen Gästen des Friedenstreffens danke ich dafür, dass Sie immer wieder und auf vielfältige, kreative, fantasievolle Art und Weise Versöhnung und Verständigung den Weg bereiten. Mir bleibt jetzt nur noch, Ihnen weiterhin Erfolg zu wünschen und schöne Tage, gute Tage, erfüllte Tage in der wunderschönen Stadt München. – Herzlichen Dank.

Quelle: Regierung Online

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der „Welt am Sonntag“, erschienen am 25. September 2011

Herr Westerwelle, es ist in New York nicht gelungen, die offene Konfrontation zwischen Israel und Palästinensern in der UN-Vollversammlung zu verhindern. Warum ist die internationale Diplomatie trotz intensiver Bemühungen daran gescheitert?

Weil die Lage in der Region zwischen den beiden Parteien seit Jahrzehnten ausgesprochen konfliktreich ist. Und sie ist in jüngster Zeit noch komplexer geworden: Die anti-israelischen Hassreden des Iran, die Repression in Syrien, die

- 87 - Rolle Hisbollahs im Libanon, , der Angriff auf die israelische Botschaft in Kairo, die Spannungen zwischen Israel und der Türkei – das sind Zutaten für ein gefährliches Gebräu.

Ist die Wahrscheinlichkeit einer neuen Welle der Gewalt in Nahost, gar einer dritten Intifada, durch den Showdown auf der Bühne der UN gestiegen?

Ich spekuliere nicht, aber dass ich mir Sorgen mache, kann ich nicht verhehlen. Deshalb kümmern wir uns ja auch darum, auf allen Kanälen, mit besten Kräften, dass aus der Verhärtung in New York nicht Gewalt in der Region wird. Sondern dass mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft die Chance für Dialog und direkte Gespräche wieder vergrößert werden kann. Die Konfrontation darf nicht eskalieren. Deshalb ist es gut, dass unsere Arbeit für eine Erklärung des Nahost-Quartetts erfolgreich war.

Welche Chance hat dieser Aufruf zu Verhandlungen mit klarem Zeitplan?

Die Erklärung des Nahost-Quartetts macht klare Vorgaben, um das Ziel einer Zwei- Staaten-Lösung auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Der Frieden zwischen Palästinensern und Israelis kann nicht in New York, sondern nur durch Verhandlungen zwischen Ramallah und Jerusalem geschlossen werden. Es ist nicht ausgemacht, dass der vereinbarte Fahrplan Erfolg hat. Aber selbst wenn nur Zeit gewonnen würde, wäre das nicht wenig. Der Dialog verringert die Gefahr einer Eskalation der Gewalt.

Die Erkenntnis dieser Woche lautet, dass die USA durch die anstehende Präsidentenwahl außenpolitisch gefesselt sind. Frankreichs Präsident Sarkozy hat versucht, dieses Vakuum mit eigenen Vorschlägen zu füllen. Warum haben Sie sich so vornehm zurückgehalten?

In einer solchen Lage geht es mir zuerst um Fortschritte in der Sache und nicht um Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben in vielen bilateralen Gespräche versucht, die europäische Geschlossenheit zu wahren. Bei aller Bescheidenheit glaube ich, dass auch unsere Arbeit und gerade die stille Diplomatie einen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Quartett-Erklärung für einen Lichtblick am Ende einer schwierigen Woche gesorgt hat. Sie dürfen nicht vergessen, wie viele Monate es unmöglich war, diese gemeinsame Haltung von USA, EU, Russland und UN zustande zu bringen.

Muss ein Mitglied des Sicherheitsrates, das besondere Verantwortung für den Frieden in der Welt trägt, seine Vorstellungen nicht deutlicher formulieren?

Das haben wir getan. Wir haben auf beide Seiten eingewirkt. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir die Schaffung eines palästinensischen Staates unterstützen, aber gleichzeitig die Sicherheit Israels für uns nicht verhandelbar ist. Wir haben die Autonomiebehörde nicht nur mit Worten, sondern handfest mit Taten und Geld unterstützt. Wir haben auf unsere besondere Partnerschaft mit Israel verwiesen und gleichzeitig unsere Kritik an der Siedlungspolitik nicht verschwiegen. Aber etwas in diesem schwierigen und komplizierten Dossier zu erreichen, das heißt vor allem viel harte und mühsame Arbeit hinter den Kulissen.

Sie haben die EU-Außenbeauftragte Ashton massiv unterstützt. Der französische Präsident Sarkozy hat keine Rücksicht auf eine einheitliche EU-Position genommen,

- 88 - sein Außenminister gar die Ablösung des Nahost-Quartetts durch „eine direktere Rolle“ der fünf Sicherheitsratsmitglieder ins Spiel gebracht. Angesichts dieser nationalen Eitelkeiten kann man den Posten der Außenbeauftragten auch wieder einsparen, oder?

Dass es trotz aller Schwierigkeiten gelungen ist, eine Quartetterklärung zustande zu bringen, ist ein Beleg dafür, dass unser Festhalten an einer einheitlichen EU-Haltung richtig war. Cathy Ashton hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Es so simpel und doch so schwer zugleich: Wenn Europa in der Nahostfrage mit einer Stimme spricht, dann kann es etwas bewirken. Manchmal ist es nicht einfach, nationalstaatlichen Verlockungen zu widerstehen, die unsere gemeinsamen diplomatische Spielräume einengen. Ich bin aber überzeugt, dass Europa gerade in der Nahost-Frage möglichst geeint handeln sollte.

Es gibt die Quartetterklärung, aber es gibt auch den Antrag der Palästinenser auf Anerkennung der UN-Vollmitgliedschaft, der nun im Sicherheitsrat liegt. Sie halten Ihre Position bei einer möglichen Abstimmung offen. Ist Deutschlands Solidarität mit Israel also doch verhandelbar?

Nein. Wir kennen unsere Verantwortung für Israel. Aber wenn wir dem Friedensprozess einen Dienst erweisen wollen, dann dürfen wir unsere diplomatischen Spielräume nicht durch öffentliche Vorfestlegungen einengen. Noch ist ja gar nicht klar, wann und ob überhaupt abgestimmt wird. Es ist bekannt, dass wir gegenüber der Anrufung des Sicherheitsrates skeptisch waren. Mit vielen Kollegen – nicht nur aus Europa – haben wir davon abgeraten, diesen Weg zu gehen. Nun ist die Lage aber da, und sie muss ins Gute gewendet werden. Die Quartetterklärung ist jetzt die Brücke, über die alle gehen sollten.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt am Sonntag. Fragen: Thorsten Jungholt. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor der 66. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 26. September 2011 in New York

-- Es gilt das gesprochene Wort! -- Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren, wie selten zuvor prägt in diesem Jahr die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit, Würde und Selbstbestimmung unsere Welt.

Bislang erlebten wir Globalisierung vor allem als immer engere Vernetzung der Weltwirtschaft. Heute erleben wir, dass Globalisierung sehr viel mehr bedeutet. Dass sie auch eine Globalisierung der Werte bewirkt. Es sind die Werte der Charta der Vereinten Nationen, die unveräußerlichen Rechte aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

- 89 - In Nordafrika und der arabischen Welt haben Millionen Menschen jahrzehntelange Unterdrückung abgeschüttelt. Sie wollen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, aber auch bessere Lebenschancen für sich und für ihre Familien.

Der Weg dorthin ist alles andere als einfach. Ein neues politisches System muss reifen, um stabil zu werden. Das braucht Zeit und Geduld. Aber auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Dieses Jahr ist ein Jahr der großen Schritte. Die ergreifenden Bilder von selbst errungener Würde und Selbstachtung, die stolzen Gesichter der Menschen auf dem Boulevard Bourguiba in Tunis und auf dem Tahrirplatz in Kairo sind unvergessen. Diese Menschen wollen ihr Schicksal selbst gestalten.

Und diese Sehnsucht ist keinesfalls beschränkt auf die arabische Welt. Auch in Weißrussland sehnen sich die Menschen nach einem Ende von Repression und Unfreiheit, nach Chancen für die volle Entfaltung ihrer individuellen Persönlichkeiten.

Deutschland hat mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung vor gut zwanzig Jahren das Glück einer friedlichen Revolution hautnah selbst erfahren. Heute haben wir ein elementares Interesse am Gelingen des Aufbruchs südlich des Mittelmeers.

Wir Deutschen bieten unsere Unterstützung an:

− für den Aufbruch in Ägypten und Tunesien,

− für die Reformen in Marokko und Jordanien,

− für den Neuanfang in Libyen nach dem Sturz des Diktators.

Jedes Land, jede Gesellschaft wird einen eigenen Weg in die Moderne finden, durch Reform oder durch Revolution. Wir Deutsche wollen mit Rat und Tat Hilfe leisten. Hilfe beim Aufbau einer unabhängigen Justiz, vielfältiger Medien, einer lebendigen Zivilgesellschaft, bei Verfassungsprozess und Vergangenheitsbewältigung. Hilfe ausdrücklich auch bei der Beseitigung der noch in Libyen lagernden gefährlichen Massenvernichtungsmittel. Hilfe vor allem aber beim entscheidenden Aufbau einer neuen sozialen und wirtschaftlichen Ordnung in diesen Gesellschaften.

Denn wir wissen doch alle, dass der Erfolg des gesellschaftlichen Aufbruchs entscheidend am wirtschaftlichen Erfolg hängt. Die Menschen, die für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gegangen sind, müssen ganz persönlich erfahren, dass sie mit ihren Ideen, ihrer Kreativität und ihrem Einsatz auch Erfolg haben können.

Deutschland setzt sich deshalb nicht nur für enge Partnerschaft, sondern auch für Marktöffnung ein. Wir wollen den Wandel durch mehr Handel befördern. Wir bieten Investitionen an, gerade in die mittelständische Wirtschaft, den tragenden Pfeiler einer offenen, erfolgreichen Gesellschaft.

Am Allerwichtigsten aber wird sein, der jungen Generation Bildung und Ausbildung für die Realisierung ihrer Lebenschancen zu bieten.

Den mutigen Frauen und Männern in Syrien schulden wir ein klares Signal der Solidarität. Die syrische Regierung beantwortet die legitimen Forderungen des syrischen Volkes mit brutaler Gewalt. - 90 - Deutschland wird sich weiter mit Nachdruck für eine Resolution des Sicherheitsrates einsetzen. Das ist nicht allein Frage der Solidarität mit den Menschen. Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Staatengemeinschaft. Wenn die Repression andauert, werden wir Europäer die Sanktionen gegen das Regime weiter verschärfen. Das syrische Volk soll frei seine Zukunft wählen können.

Herr Präsident, diese Tage stehen im Zeichen des ungelösten Konflikts im Nahen Osten. Präsident Abbas hat hier in New York den Erwartungen der Palästinenser wie auch der verständlichen Frustration der Menschen über die ausbleibenden Fortschritte Ausdruck verliehen.

Ministerpräsident Netanyahu hat am selben Tag Israels berechtigtes Verlangen nach einer friedlichen Existenz in sicheren Grenzen bekräftigt.

Beide Seiten haben legitime Interessen. Diese Interessen sind mit einander vereinbar. Die Gräben können überwunden werden, wenn alle es wirklich wollen.

Deutschland setzt sich ein für eine Zwei-Staaten-Lösung. Wir unterstützen einen palästinensischen Staat und ein Leben der Palästinenser in Würde und Selbstbestimmung. Einen Staat, der unabhängig, souverän, zusammenhängend, demokratisch, und politisch wie wirtschaftlich lebensfähig ist.

Für den ganz praktischen Aufbau dieser Staatlichkeit haben wir uns in den vergangenen Jahren besonders engagiert, in Verwaltung, Infrastruktur und Ausbildung, und politisch im Deutsch-Palästinensischen Lenkungsausschuss. Und wir wollen einen palästinensischen Staat nicht irgendwann in einer fernen, unbestimmten Zukunft.

Aber ich will auch keinen Zweifel daran lassen: die Sicherheit Israels ist für die Bundesrepublik Deutschland Staatsraison.

Dauerhaften Frieden wird es ohne Sicherheit für Israel nicht geben.

Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ist möglich. Ein palästinensischer Staat ist möglich. Zwei Staaten, friedlich Seite an Seite, das ist möglich. Aber der Weg dorthin führt über Verhandlungen.

Die Erklärung des Nahost-Quartetts vom Freitag setzt die Meilensteine auf diesem Weg. Deutschland hat sich intensiv für diese Quartett-Erklärung eingesetzt und unterstützt jetzt deren Umsetzung nachdrücklich. Aus der Konfrontation der Worte hier in New York darf keine Eskalation der Gewalt im Nahen Osten werden.

Ich appelliere deshalb von dieser Stelle aus an beide Seiten, an Palästinenser und Israelis, umgehend in direkte Verhandlungen einzutreten!

Beide Seiten haben am Freitag ihren Willen zu einem verhandelten Frieden bekräftigt. Nun kommt es darauf an, die Energie und den Druck dieser Tage in einen konstruktiven Prozess zu verwandeln.

Beide Seiten sind aufgefordert, innerhalb von drei Monaten „umfassende Vorschläge" zu Grenzen und Sicherheit vorzulegen und alle provokativen Schritte zu unterlassen.

- 91 - Die internationale Gemeinschaft wird den schwierigen Weg zum Frieden weiter begleiten. Dazu gehört auch die Moskauer Konferenz als Teil des Verhandlungsfahrplans der kommenden Monate.

Meine Anerkennung gilt allen Beteiligten, die in den vergangenen Tagen um diese Chance für einen konstruktiven Weg gerungen haben. Als Europäer danke ich insbesondere der Hohen Vertreterin der Europäischen Union, Lady Ashton. Nutzen wir den Impuls des intensiven Ringens hier in New York, im Interesse der Menschen in Israel und den Palästinensischen Gebieten.

Mit größtem Einsatz arbeitet die Staatengemeinschaft seit Jahren darauf hin, dass von Afghanistan keine Bedrohung mehr ausgeht für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit. Viele, zu viele Menschen haben dafür schon ihr Leben lassen müssen.

Am 5. Dezember werden wir in Bonn unter afghanischem Vorsitz über den weiteren Weg beraten. Dabei wird es um drei große Fragen gehen:

Erstens: die vollständige Übergabe der Sicherheitsverantwortung. In diesem Sommer haben die Afghanen begonnen, die Sicherheit ihres Landes Schritt für Schritt bis 2014 selbst in die Hand zu nehmen. Es ist eine Übergabe der Verantwortung in Verantwortung.

Zweitens, die internationale Staatengemeinschaft wird sich in Afghanistan auch nach 2014 engagieren. Um seine staatliche Souveränität zu stärken, braucht Afghanistan auch künftig wirtschaftliche Impulse und mehr regionale Zusammenarbeit. Diesem Ziel dient die Initiative einer „Neuen Seidenstraße", die wir hier in New York auf den Weg gebracht haben.

Drittens: die innere Aussöhnung Afghanistans und seine Unterstützung durch die Staaten der Region ist der Schlüssel für einen dauerhaften Frieden. Die brutale Ermordung des früheren Präsidenten Rabbani zeigt, dass dieser Aussöhnungsprozess auch in Zukunft von Rückschlägen begleitet sein wird. Dennoch muss und wird er weitergehen. Deutschland wird hierzu auf dem Weg nach Bonn seinen Beitrag leisten.

Während in immer mehr Ländern der Welt Menschen die Chance ergreifen, in Freiheit und Selbstbestimmung eine bessere Zukunft für sich zu bauen, kämpfen am Horn von Afrika Millionen Menschen um das schiere Überleben. Die Vereinten Nationen haben sich um die rasche humanitäre Hilfe sehr verdient gemacht. Deutschland tut hier und in vielen anderen Krisen, was in seinen Kräften steht, um die Not zu lindern.

Der Zerfall staatlicher Autorität und die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen die ohnehin verheerende Situation.

Deutschland wird auch künftig an der Spitze des Kampfes gegen den Klimawandel stehen. Wie die Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung, wie der Schutz der Menschenrechte gehört der Kampf für den Klimaschutz zu einer präventiven Diplomatie. Er ist Teil einer vorausschauenden Friedenspolitik.

Ende dieses Jahres werden mehr als sieben Milliarden Menschen unseren Globus bevölkern. In dieser Welt setzt Deutschland auf starke Vereinte Nationen: - 92 - − als Forum politischer Konsensbildung,

− als Quelle umfassend legitimierter Regelsetzung,

− als Akteur in den Krisengebieten dieser Welt.

Die VN-Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bieten mehr Menschen als je zuvor Orientierung und Inspiration für eine kooperative Weltordnung und eine gerechtere Weltgesellschaft.

Aber die Vereinten Nationen müssen sich dieser Welt im Umbruch anpassen. Nur dann werden die hier getroffenen Entscheidungen politische Kraft, Durchsetzungsfähigkeit und Akzeptanz entfalten können.

Neue Kraftzentren entstehen in der Weltpolitik. Aus ihrer wirtschaftlichen Dynamik erwächst der Anspruch politischer Teilhabe. Die letzte Generalversammlung hatte sich der Reform der Vereinten Nationen angenommen. Entscheidende Fortschritte bleiben bislang aus.

Wir begrüßen, dass Sie, Herr Präsident, diese Reform erneut zu Ihrem Anliegen machen wollen. Wir werden Sie nach Kräften dabei unterstützen.

In diesem September vor 38 Jahren wurden zwei deutsche Staaten in die Vereinten Nationen aufgenommen. Mein Amtsvorgänger Walter Scheel sagte damals an dieser Stelle:

„Sie werden die Bundesrepublik Deutschland immer dort finden, wo es um die internationale Zusammenarbeit geht, um die Bewahrung des Friedens und um die Rechte des Menschen. Wenn wir etwas aus eigener bitterer Erfahrung gelernt haben, so ist es dies: Der Mensch ist das Maß aller Dinge."

Diesem Maßstab bleibt Deutschland weiter verpflichtet.

Ich danke Ihnen.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Festakts „60 Jahre Bundesverfassungsgericht" am 28. September 2011 in Karlsruhe

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, sehr geehrter Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Ministerpräsidenten, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister von Karlsruhe, sehr geehrte Richterinnen und Richter, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten, und jetzt sage ich einfach: verehrte Festgäste,

- 93 - Papst Benedikt XVI. widmete sich in seiner Rede letzte Woche im Deutschen Bundestag keiner geringeren Frage als jener, was denn die Grundlage eines Rechtsstaats ausmache. Er unterstrich, dass politischer Erfolg – ich zitiere – „dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet sei." – Ende des Zitats.

Ja, diese Form der politischen Demut, diese Absage an einen politischen Allmachtsanspruch, ist eines demokratischen Rechtsstaats nicht nur würdig, sondern sie ist auch unabdingbar. Darauf in der konkreten Auslegung und Rechtsprechung zu achten, ist das große Verdienst der Hüter unseres Grundgesetzes.

So feiern wir heute den 60. Geburtstag eines Verfassungsorgans, ohne dessen gelebte Unabhängigkeit unsere Republik eine andere wäre. Wir feiern den Geburtstag eines Verfassungsorgans, das seit 60 Jahren unser demokratisches Gemeinwesen prägt – über seine Entscheidungen im Verfassungsrecht hinaus auch durch seine Impulse zur Fortentwicklung des Rechts. Wir feiern den Geburtstag eines Verfassungsorgans, das mit Blick auf das Scheitern der Weimarer Republik eine außergewöhnlich starke Stellung im Verfassungsgefüge hat.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wiesen dem Bundesverfassungsgericht eine Wächterfunktion zu. Damit setzten sie ein klares Signal für einen neuen Anfang als Rechtsstaat, der diesem Namen auch gerecht wird. Denn es war die Verachtung des Rechts, die den unsäglichen Schrecken der nationalsozialistischen Tyrannei vorausging. So zogen die Schöpfer unserer Verfassung zwei zentrale Lehren aus der Geschichte: Recht vor Macht und wirksame Kontrolle der Macht durch das Recht.

In der Konsequenz erhielt das Bundesverfassungsgericht seine umfangreichen Kompetenzen. Die junge Demokratie in Deutschland hatte ein verlässliches Rückgrat gefunden. Entschlossen nahm das Gericht fortan seine Rolle als Garant des Verfassungsvorrangs wahr. Das zeigte sich besonders gut am sogenannten und viel zitierten Lüth-Urteil von 1958. Mit ihm unterstrich das Bundesverfassungsgericht die fundamentale Bedeutung der Grundrechte. Demnach bildet zum einen das Grundgesetz eine objektive Wertordnung, die auf sämtliche Rechtsbereiche ausstrahle und daher auch von jedem Instanzgericht zu beachten sei; jede Norm müsse im Geist der Grundreche ausgelegt werden. Zum anderen erhob das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht der Meinungsfreiheit zur – ich zitiere – „Grundlage jeder Freiheit überhaupt".

Das mag uns heute selbstverständlich erscheinen, aber damals war es eben nicht selbstverständlich. Denn das Urteil fiel in eine Zeit, in der Deutsche noch teils bewundernd, aber teils auch verwundert, wenn nicht sogar skeptisch zum Beispiel auf Speakers‘ Corner in London blickten, auf den Ort im Londoner Hyde Park also, an dem seit einem Parlamentsbeschluss von 1872 jeder ohne Anmeldung einen Vortrag zu einem beliebigen Thema halten darf – nur nicht zur Königin und zu der königlichen Familie.

Das Lüth-Urteil zum Grundrecht der Meinungsfreiheit war also maßgebend und richtungweisend für die freiheitliche Entwicklung Deutschlands. Auch aufgrund solcher Impulse genießt das Bundesverfassungsgericht großes Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sie sehen in ihm einen Garanten für Objektivität, die auch unbequem sein kann – allen voran für die Politik. So können die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einerseits die Grenzen gesetzgeberischer Spielräume

- 94 - präzisieren, manchmal ziehen sie sogar absolute Grenzen. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz aus dem Jahr 2006. Andererseits aber kann das Bundesverfassungsgericht auch Spielräume des Gesetzgebers beschreiben. Auf diese Weise eröffnet das Wort der Richter neue gesetzgeberische Handlungsoptionen.

Das Bundesverfassungsgericht spricht aber auch dort, wo es im Ergebnis schweigt. Indem es sich also in richterlicher Zurückhaltung übt, verweist es auf Kernkompetenzen anderer Verfassungsorgane. Worüber das Bundesverfassungsgericht entscheidet und wie es entscheidet, wirkt sich demnach in vielerlei Weise auf die Politik aus. Dass die eine oder andere Meldung aus Karlsruhe in Berlin oder in den Landeshauptstädten die Gemüter erregen kann, liegt dabei, so glaube ich, in der Natur der Dinge. Die Richter des U.S. Supreme Court, sozusagen der US-amerikanischen Schwester des Bundesverfassungsgerichts, sind einmal als „nine scorpions in a bottle" beschrieben worden. Als Außenstehende kann ich letztlich nicht beurteilen, ob diese Einschätzung wirklich zutrifft; aber um im Bild zu bleiben: Die Stiche der Skorpione treffen bisweilen auch die anderen Verfassungsorgane.

Macht kann und wird also in ihre Schranken gewiesen. Genau das macht unseren demokratischen Rechtsstaat im Kern aus. Deshalb vertrauen ihm die Menschen.

Das Bundesverfassungsgericht ist ausschließlich den Maßstäben des Grundgesetzes verpflichtet. Trotzdem stand in der Vergangenheit manches Mal die Frage im Raum: Woher bezieht das Bundesverfassungsgericht gegenüber dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber eigentlich seine eigene weitreichende Legitimation? Manche Demokratien haben das Verhältnis von Gesetzgebung und Judikative zum Teil anders ausgestaltet. Doch ich erlaube mir, heute hier festzustellen: Diese Spannung zwischen Gesetzgebung und Judikative zu bewältigen, das ist dem Gericht, wie es oft mit respektvoller Prägnanz ganz einfach genannt wird, gelungen. Seine Rolle im Gefüge des Grundgesetzes ist über allen Zweifel erhaben. Seine Unabhängigkeit hat sich im besten Sinne selbst gerechtfertigt.

Jedes Verfassungsorgan hat seine Aufgaben zu erfüllen: Regierung und Parlament in der politischen Gestaltung, die Karlsruher Richter als Hüter und Interpretatoren unserer Verfassung. Es gibt ja auch hinreichend aktuelle Gründe, darüber zu sprechen. Denn wir sehen, dass es immer wieder sehr spannende Konstellationen zwischen den Verfassungsorganen gibt – zusehends auch mit Blick auf die europäische Integration. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Kontext die unveränderbaren Wesensmerkmale unseres Nationalstaats vergleichsweise eindeutig definiert. Die Politik schöpft derzeit die durch das Grundgesetz gegebenen Spielräume selten wie nie aus, um auf der einen Seite den Erwartungen seitens unserer Partner in Europa und in der Welt, denen sich Deutschland gegenübersieht, zu entsprechen, auf der anderen Seite aber auch auf dem Boden des Grundgesetzes zu arbeiten.

Das, was ich angesichts von 60 Jahren Erfahrung mit dem Bundesverfassungsgericht als deutsche Bundeskanzlerin sagen kann, lautet: Wir werden im täglichen politischen Leben in Europa und in der Welt wie auch zu Hause sicherlich immer wieder Kompromisse schließen – auch mühsame Kompromisse, bei denen aber zum Schluss die Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen. Aber - 95 - keine Kompromisse kann es geben, wenn die Grundlagen des Demokratieverständnisses, wie es durch das Demokratieprinzip im Grundgesetz vorgegeben ist, infrage gestellt werden. Das gilt auch und gerade für die herausragende Stellung des deutschen Parlaments. Mag es auch ein paar Tage länger dauern, bis eine parlamentarische Entscheidung vorliegt, so kann es an dieser Stelle keine Zugeständnisse und auch gar keine Automatismen geben. Das müssen wir überall deutlich vertreten. Das sind wir dem Grundgesetz schuldig. Und das hat uns das Bundesverfassungsgericht, falls wir es vergessen hätten, noch einmal ins Stammbuch geschrieben.

Alle Verfassungsorgane eint die gemeinsame Verantwortung für unser freiheitliches Gemeinwesen, dessen Struktur und Statik unser Grundgesetz vorgibt. Uns eint die gemeinsame Verantwortung für das Gemeinwohl. In dieser immer wieder bewiesenen Einigkeit liegt der Schlüssel dafür, dass wir stolz zurückblickend und guten Mutes vorausblickend sagen können: Ja, unser Staat ist in guter Verfassung.

Derzeitige wie ehemalige Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht, haben ihren Anteil an dieser großen Verantwortung trefflich geschultert. Dafür möchte ich meinen herzlichen Dank sagen. Der heutige Festakt unterstreicht, welch großen Respekt Sie genießen. So gratuliere ich ganz herzlich zum Jubiläum und wünsche Ihnen und unserem Land viel Erfolg für Ihr weiteres Wirken zum Wohle unserer gelebten Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Herzlichen Dank.

Quelle: Regierung Online

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle beim Afrikaverein am 29. September 2011 in Berlin (englisch)

Mr Meyer-Ewert, Distinguished guests and representatives of the new Libya, Mr Ambassador, Representatives of German companies, Members and friends of the Afrikaverein, Ladies and gentlemen,

I am particularly delighted to be with you tonight and I am very grateful that the Afrikaverein has brought German and Libyan decision-makers from politics and business together. Our meeting is dedicated to a prosperous future for Libya and it sends a clear signal that we stand by the side of the new Libya.

The work of the Transitional National Council in the past six months deserves our respect and support. We have recognized the National Transitional Council as the governing authority of Libya, representing the people of Libya. We have noted that from the outset the National Transitional Council has been guided by a democratic vision for Libya. We are committed to supporting you wherever YOU feel that such support may be helpful. We intend to assist and not to interfere. We believe that Libyan ownership of the country`s political and economic reconstruction is crucial.

- 96 - I understand that many amongst us tonight work in the medical field. We are here to support your efforts to bring an end to the suffering of so many people. Upon the initiative of the Federal Foreign Office we have established a working group on medical assistance to Libya. Together with various ministries and business associations especially from the German health sector we are preparing measures to the benefit of Libyans injured during the conflict.

We are ready to promote better living conditions, stability, democracy and a prosperous future for Libya.

There is a risk that fundamentalism might spread instead of democracy. It is in our shared interest to prevent that from happening. But democratization will only succeed if people can see and feel the benefits for themselves: more freedom and more opportunities for personal prosperity and well-being. So politics and business will have to work hand in hand to make the new Libya a better place.

German politics and German business are united in our desire to place our know- how at your disposal. German companies have an excellent reputation in the world. We are reliable. That is the reputation Germans have – in politics and in business. We do not enter countries to make short-term investments and extract profits. German business philosophy and German political philosophy is to be involved in countries in the long run. We are interested in partnerships on equal terms. is a partner of the new Libya.

The German Government stands united in its efforts. Together with my colleague, Minister Dirk Niebel, I travelled to Benghazi in June. We opened our representative office with the new Libyan leadership. A few weeks later, the Afrikaverein took a delegation of some 40 German business people to Libya, which was also supported by our Foreign Office and by our Ministry of Economics and Technology.

I have welcomed the objectives of the Ten-Point Action Plan put forward by my colleague and Minister of Economics, Dr Phillip Rösler. We will work hard to contribute to its implementation:

− We will accelerate the lifting of sanctions. The money frozen in Germany and elsewhere belongs to the Libyan people. 1 Billion Euro of frozen assets in Germany have been made available to the National Transitional Council with the agreement of the sanctions committee.

− We have spent almost 15 million euro on humanitarian assistance.

− We have provided the National Transitional Council with a credit of 100 million euro for humanitarian and civil needs.

− We have reopened our Embassy in Tripoli and are one of the few countries to already have an Ambassador in the capital.

− We are also taking care of Libyan students in Germany – they have to be able to finish their studies in order to be ready to contribute to reconstruction and development in their home country.

- 97 - In about two weeks´ time, Minister Rösler plans to visit Libya to strengthen our bilateral economic and commercial ties and to make German technological, administrative and management know-how available to Libya.

We are committed to working for a bright future for Libya – both bilaterally and multilaterally. Last week the Deauville Partners met in New York. We agreed to support our partner countries in North Africa by securing financial stability and promoting structural economic change that supports the democratic transformation process.

I am confident that today´s meeting is another step towards a fruitful and prospering partnership between Germany and the new Libya. And I am particularly grateful to each and everyone who is already contributing today and who will be contributing to this partnership in the future.

Unfortunately, I have to leave you now. But my experts from the Federal Foreign Office will be at your disposal for the rest of the evening.

Thank you for your attention.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Grußwort von Bundesaußenminister Guido Westerwelle zum 03. Oktober 2011

Vor 50 Jahren wurde die Berliner Mauer errichtet. Zum Einsturz gebracht wurde sie 28 Jahre später von Menschen, die sich mutig für ihre Freiheit einsetzten. Ich habe die bewegenden Bilder der friedlichen Revolution von 1989 noch immer vor Augen. Hunderttausende Demonstranten zogen durch die Straßen und skandierten „Wir sind das Volk“. Der Freiheitswille der Menschen in Ostdeutschland siegte und Deutschland feierte das Ende seiner Teilung. Am Brandenburger Tor in Berlin erklomm eine jubelnde Menge die Mauer. Ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, wurde die deutsche Einheit politisch besiegelt.

Heute bewegen uns die Bilder der Demonstrationen in der arabischen Welt. Auch hier gehen mutige Menschen für ein freies Leben auf die Straße. Die Region ist im Umbruch. Deutschland unterstützt die Menschen in Nordafrika beim Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen, bei der Durchsetzung von Menschenrechten und der Stärkung der Demokratie.

Aus unserer eigenen Geschichte wissen wir um die Kraft der Freiheit. Freiheit, Demokratie und der Schutz der Menschenrechte sind zentrale Elemente unserer Außenpolitik. Schon die Präambel des Grundgesetzes gibt uns auf, „in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen“.

Friedenspolitik bedeutet mehr als unser engagiertes Eintreten für Abrüstung. Es geht uns um eine regelgeleitete Gestaltung der Globalisierung. Soziale, wirtschaftliche und umweltpolitische Herausforderungen haben unmittelbare Folgen für Frieden und Sicherheit. Unser Engagement für Klimaschutz und unser Eintreten für verantwortungsvolles Wirtschaften beispielsweise sind daher Teil unser präventiven Außenpolitik, die Frieden, Entwicklung und Sicherheit weltweit verpflichtet ist.

- 98 - Fundament unserer Außenpolitik ist Europa. Am heutigen Tag feiern wir nicht nur den Tag der deutschen Einheit, sondern wir freuen uns auch über die Europäische Wiedervereinigung Deutschland bleibt Motor der Integration. Würde es die EU nicht geben, wir müssten sie heute erfinden, als Antwort unseres Kontinents auf die Globalisierung. Europa ist nicht nur Vergangenheitsbewältigung. Europa ist unsere Zukunftsgewinnung.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor Studierenden der Universität Leiden am 04. Oktober 2011in Den Haag

-es gilt das gesprochene Wort- Ich freue mich, in der ehrwürdigen Societeit de Witte zu Ihnen über die Zukunft unseres gemeinsamen europäischen Projekts zu sprechen. Dieses Haus kann auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken. Seit über zweihundert Jahren lädt es zu freundschaftlicher Begegnung über die Grenzen von Ländern, Parteien und Berufsständen hinaus ein. Das macht es zu einem besonderen Ort des Gesprächs über wichtige Fragen der Politik, der Wirtschaft und der Kultur. Von diesem aufgeklärten und weltoffenen Geist hier am Den Haager Plein sollten wir uns leiten lassen, wenn wir über Europa nachdenken.

Dieses Europa steht in der Schuldenkrise vor der schwersten Bewährungsprobe der letzten sechzig Jahre. Die Krise verändert unseren Blick auf Europa. Sie übt einen fast unüberwindbaren Zwang aus, durch die Brille von Volkswirten und Börsenmaklern auf das europäische Projekt zu schauen. Unaufhaltsam entwickeln wir alle uns zu Fachleuten für Länder-Ratings, Zins-Spreads und Haircuts.

Vor allem aber hat die Krise bei vielen in Europa große Sorgen geweckt. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen.

Trotzdem dürfen wir gerade jetzt nicht unseren Blick auf die Krise und ihre Zumutungen verengen. Ein solcher Tunnelblick würde unser grundlegendes gemeinsames Interessen an der Einigung Europas ausblenden. Für uns Deutsche bleibt Europa festes Fundament unserer Außenpolitik. Nur die europäische Einigung hat die deutsche Frage nach der friedlichen Einbindung des größten Landes in der Mitte unseres Kontinents überzeugend beantwortet. Die Einheit Deutschlands, deren 21. Jahrestag wir heute hier in Den Haag feiern werden, wäre ohne die Integration nicht Wirklichkeit geworden.

Das geeinte Europa leistet einen gewaltigen Beitrag zur Mehrung unseres Wohlstandes. Für Exportländer wie die Niederlande und Deutschland gilt das in besonderem Maße. Nicht zuletzt spüren wir in Den Haag genauso wie in Berlin immer deutlicher, dass uns ein gemeinsamer „European Way of Life“ verbindet, den wir in der globalisierten Welt nur gemeinsam behaupten können.

Umso wichtiger ist es, dass wir der Debatte über die Zukunft Europas die richtige Richtung geben. Die Gretchenfrage lautet: Brauchen wir mehr oder weniger Europa? In dieser Frage dürfen wir dürfen nicht den Eindruck entstehen lassen, die Wahrung nationaler Interessen stehe in einem Gegensatz zur Fortentwicklung der - 99 - europäischen Einigung. Wer so argumentiert, liegt falsch. Renationalisierung ist ein gefährlicher Irrweg.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Antwort auf die Schuldenkrise und die Herausforderungen der Globalisierung liegt nicht in „weniger Europa“, sondern in „mehr Europa“. Das ist die Botschaft, die wir jetzt senden müssen. Wir müssen klar und deutlich sagen, wo wir stehen. Wir Deutsche wissen, dass unsere Nachbarn in Europa das gerade von uns erwarten.

Für die Bewältigung der Schuldenkrise heißt das vor allem, dass wir uns nicht auf kurzfristiges Krisenmanagement beschränken dürfen. Wir müssen eine Vision für eine dauerhafte Lösung entwickeln. Die Krise eröffnet uns die Chance nachzuholen, was in Maastricht noch nicht machbar war: die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion durch die Errichtung einer Europäischen Stabilitätsunion.

Erste Schritte auf diesem Weg haben wir gemacht. Dass der Deutsche Bundestag den Weg für einen gestärkten Rettungsfonds frei gemacht hat, ist ein wichtiges Zeichen an unsere europäischen Partner: Auf Deutschland ist Verlass. Ich bin zuversichtlich, dass auch das niederländische Parlament am 6. Oktober richtig entscheiden wird. In den nächsten Monaten müssen wir auf diese Grundlagen aufbauen. Wir müssen das Ruder unumkehrbar in Richtung Haushaltsdisziplin und Wettbewerbsfähigkeit in Europa herumwerfen.

Bei dieser gewaltigen Aufgabe betreten wir Neuland. Vermeintlich einfache Lösungen wie „Eurobonds“ sind nicht hilfreich, weil sie am Kern des Problems vorbeigehen. Stattdessen müssen wir uns in Europa über die Bedingungen verständigen, die eine dauerhafte Überwindung der Krise erfüllen muss.

Vier Punkte sind wesentlich. Erstens müssen wir in der Euro-Zone unsere Wirtschafts- und Finanzpolitiken enger koordinieren und eine verbindliche Kultur der Haushaltsdisziplin ausprägen. In den Eurostaaten muss sich eine verbindliche Kultur der Haushaltsdisziplin ausprägen. Vieles ist hier unter dem Druck der Krise denkbar und möglich geworden, was noch vor einem Jahr als undenkbar galt. Fiskaldisziplin ist kein deutsches Hobby, sondern im gesamteuropäischen Interesse. Die Verankerung nationaler Schuldenbremsen in den Verfassungen der Euro-Staaten wird inzwischen in vielen Euro-Ländern vorangetrieben. Auch die vom Europäischen Parlament gerade gebilligte Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist wichtig. Das „Europäische Semester“, über das Europa stärkere Einsichtsrechte in die nationalen Haushalte bekommt, muss rasch zu mehr Verbindlichkeit führen. Bei alledem dürfen wir nicht den Fehler machen, Politik und Märkte als Gegner zu betrachten. Der ordnungs- wie europapolitisch richtige Weg ist es, wenn wir uns die disziplinierenden Kräfte der Märkte klug zunutze machen, um die Regierungen der Euro-Zone zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik anzuhalten.

Zweitens, wir müssen Europa die Finanzverfassung geben, die es braucht. Dazu gehören die richtigen Anreize für große Anleger, um sie zu mehr Augenmaß und weniger schädlichen Übertreibungen zu veranlassen. Der Finanzmarkt ist noch nicht hinreichend eingehegt: Wir brauchen solide, mindestens auf europäischer Ebene angelegte Eigenkapitalregelungen für Finanzinstitute und eine starke Bankenaufsicht. Nur so können wir künftigen Finanzblasen und Schuldenkrisen vorbeugen. Auch der Aufbau einer unabhängigen europäischen Rating-Agentur muss weiter vorangetrieben werden.

- 100 - Drittens, ohne Wachstum bleibt eine Stabilitätskultur auf Dauer unfruchtbar; deshalb brauchen wir einer Strategie für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Zu einer solchen Strategie gehört, dass wir in den anstehenden EU-Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2014-2020 die Mittel spürbar umsteuern: mehr Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur, weniger in die Subventionierung. Das werden alles andere als einfache Verhandlungen, aber wenn wir es mit der Wettbewerbsfähigkeit Europas ernst meinen, müssen wir diesen Weg konsequent beschreiten.

Viertens, um die Schuldenspirale zu durchbrechen und den Weg in eine echte Stabilitätsunion zu schaffen, reichen die bisher unternommenen Schritte nicht aus. Wir müssen den Stabilitätspakt weiter stärken in Richtung automatischer Sanktionen. Vor allem aber müssen wir dem Grundsatz, dass sich Solidarität und Solidität gegenseitig bedingen, echten Biss geben. Einsichtsrechte und Empfehlungen reichen nicht aus. Staaten, die in Zukunft die Solidarität des Rettungsschirms in Anspruch nehmen wollen, müssen in dieser Zeit der europäischen Ebene verbindliche Durchgriffsrechte in ihre Haushaltsentscheidungen einräumen.

Eine Änderung der europäischen Verträge wäre der klarste Weg, größere haushaltsrechtliche Verbindlichkeit zu erreichen und dabei die grundsätzliche Einbeziehung der EU-Institutionen zu gewährleisten. Wir müssen die Konstruktionsdefizite des Maastrichter Vertrages von 1991 überwinden. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Sie jetzt anzupacken, ist aber nach unseren Erfahrungen der letzten zwei Jahre fundamental notwendig.

Sollte die Zeit für einen solchen Schritt trotz der Krise noch nicht für alle reif sein, dann müssten die Euro-Länder vorangehen, etwa im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages. Dabei sollten wir immer das Ziel vor Augen haben, einen solchen Vertrag später in die EU-Verträge zu überführen, so wie es in der Vergangenheit auch beim Schengener Abkommens über die Reisefreiheit gelungen ist. Eines steht fest: Wir können nur dann erfolgreich vorangehen, wenn wir auch die Frage der demokratischen Legitimation überzeugend beantworten.

Das ist die Straßenkarte, der wir jetzt folgen sollten. Dieser Weg wird uns noch große Anstrengungen abverlangen. Trotzdem haben wir allen Grund, die Errichtung der Stabilitätsunion mit Zuversicht und Selbstvertrauen voran zu bringen. Wir alle haben dabei viel zu gewinnen. Das machen wir uns in dieser Zeit der Krise viel zu selten klar. Stärken wir den Euro als weltweite Reservewährung, eröffnet uns das gewaltige Vorteile im Wettbewerb.

Vor allem müssen wir jenseits der Zumutungen der Krise das große Bild sehen: Nur ein handlungsfähiges Europa auf festem wirtschaftlichem Fundament kann die Herausforderungen bewältigen, vor die uns die Globalisierung stellt. Allein ist kein europäischer Staat diesen Herausforderungen gewachsen. Wenn wir die Europäische Union nicht hätten, müssten wir sie deshalb heute erfinden als Antwort unseres Kontinents auf die Globalisierung.

Seit dem Ende des Kalten Krieges erleben wir eine gewaltige Verschiebung der Gewichte in unserer Welt. Der Anteil der Europäischen Union an der Weltbevölkerung geht zurück. 500 Millionen Europäer machen heute nur noch sieben Prozent einer beständig wachsenden Weltbevölkerung aus. 1989 erwirtschaftete Deutschland noch eineinhalb mal so viel wie China. Heute ist Chinas Bruttosozialprodukt doppelt so hoch wie das Deutschlands.

- 101 - Wir erleben den Auftritt neuer Spieler auf der Weltbühne. In den boomenden Metropolen der aufstrebenden Gesellschaften kommen immer breitere Bevölkerungsschichten zu Wohlstand und erheben Anspruch auf Teilhabe und Mitsprache. Das gilt besonders für die BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Dieses Kürzel gehört längst nicht mehr zum Fachjargon der Investment-Bänker. Es ist zum Markenzeichen für aufstrebende Märkte und Mächte geworden. In den letzten zehn Jahren hat sich das niederländische und deutsche Handelsaufkommen mit diesen Ländern vervielfacht.

Diese Umwälzung geht einher mit der Entwicklung einer globalen Mittelklasse, deren Vorstellungen von wirtschaftlicher und politischer Teilhabe sich oft gar nicht so stark von unseren unterscheiden. Das erleben wir in diesen Monaten gerade in unserer Nachbarschaft, ob in Nordafrika, in der arabischen Welt oder in Weißrussland. Wir werden Zeugen einer Globalisierung der Werte.

Wir sehen, wie Millionen von Menschen aller Unterdrückung zum Trotz für Freiheit und faire Lebenschancen auf die Straßen gehen. Und wir spüren, dass ihre Forderungen gar nicht so verschieden von dem sind, wofür mutige Europäer, wie zum Beispiel 1989, immer wieder gekämpft haben. Diese Erfahrung muss unseren Blick auf die Möglichkeiten lenken, die in den Umbrüchen unserer Zeit stecken.

Die Entstehung neuer Kraftzentren müssen wir als Chance begreifen, gemeinsam den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen. Das gilt für Klimaschutz und Energiepolitik genauso wie für den Umgang mit Migration und die Bekämpfung des Terrorismus.

Deshalb müssen wir Europäer die aufstrebenden neuen Mächte in stärkerem Maß als bisher als strategische Partner begreifen. Wir müssen sie in die Verantwortung nehmen, globale Ordnungspolitik auch als ihr eigenes Anliegen zu begreifen.

Eine solche weltweite Ordnungspolitik brauchen wir dringender denn je. Dabei ist Pionierarbeit zu leisten. Bewährte Musterlösungen gibt es nicht. Sicher ist nur, dass die Vereinten Nationen mit ihrer weltumspannenden Legitimität eine Schlüsselrolle spielen müssen. Was Global Governance darüber hinaus heißen soll, müssen wir Schritt für Schritt gemeinsam ausbuchstabieren.

Wo wir neue strategische Partnerschaften begründen, ist das keine Abkehr von alten Freunden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen neue Partnerschaften fest in einen europäischen Rahmen einbetten.

Das wird uns nur gelingen, wenn wir die strategischen Partnerschaften der Europäischen Union mit handfesten Inhalten füllen. Zusammen mit der Hohen Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik müssen wir deshalb einen gemeinsamen Plan ausarbeiten, wie Europa neuen Gestaltungsmächten künftig gegenübertreten soll. Wir müssen uns über gemeinsame Ziele und Strategien verständigen, die wir dabei verfolgen. Nur auf diesem Weg werden wir Europa in die Lage versetzen können, weltpolitisch mit einer Stimme zu sprechen.

Als Stabilitätsunion kann die Europäische Union selbst globale Gestaltungsmacht sein. Das ist Vision, an der wir uns orientieren müssen. An ihr müssen wir in der Bewährungsprobe dieser Monate festhalten. Gerade jetzt müssen wir das politische

- 102 - Projekt Europa voranbringen und die Debatte über eine neue Verfasstheit Europas aufnehmen.

Die Niederlande und Deutschland haben dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Wir sind Europäer der ersten Stunde. Gemeinsam haben wir die Römischen Verträge unterzeichnet. Wir haben zusammen die Schengen-Regeln zur Reisefreiheit aus der Taufe gehoben. Wir haben in Maastricht Seite an Seite die Währungsunion begründet.

An diese große Tradition müssen wir jetzt anknüpfen und das nächste Kapitel der europäischen Einigung schreiben. Mit unseren Freunden in Frankreich, Polen und den anderen Staaten Europas müssen eine europäische Stabilitätsunion als globale Gestaltungsmacht errichten.

Das ist mehr als ein Akt alter Verbundenheit mit einem Europa, das uns sechzig Jahre des Friedens und des Wohlstands gebracht hat. Es geschieht aus der nüchternen Einsicht, dass wir den großen Umbrüchen unserer Zeit nur in einem geeinten und gefestigten Europa gewachsen sein werden. Dafür müssen wir arbeiten.

Dabei sollten wir uns von dem aufgeklärten und weltoffenen Geist leiten lassen, den die Societeit de Witte verkörpert.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Namensbeitrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle für die „Bild“ am 07. Oktober 2011

Seit 10 Jahren sind deutsche Soldaten in Afghanistan. Sie riskieren ihr Leben für den Frieden dort und für die Sicherheit bei uns. Dafür danken wir ihnen von ganzem Herzen.

Manch überzogene Erwartung an den Einsatz musste korrigiert werden. Die jetzige Bundesregierung hat realistische Ziele gesetzt: innere Aussöhnung, Frieden mit den Nachbarn, ausreichend gute Regierungsführung.

Einiges wurde schon erreicht. Aber der Weg zum Frieden wird immer wieder von blutigen Terroranschlägen überschattet. Wir müssen auf weitere Rückschläge und Opfer gefasst sein.

Bis Ende 2014 übernimmt Afghanistan die volle Verantwortung für seine Sicherheit. Dann wird es keine deutschen Kampftruppen mehr in Afghanistan geben. Unsere Soldaten sind seit 10 Jahren in Afghanistan. Es dürfen nicht noch einmal 10 Jahre werden. Deshalb werden wir die Präsenz der Bundeswehr Schritt für Schritt reduzieren und jeden sicherheitspolitischen Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, so wie es der Deutsche Bundestag beschlossen hat.

Wir werden den Abzug so gestalten, dass die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses nicht gefährdet wird. Wir werden die Übergabe der Verantwortung verantwortungsvoll organisieren.

- 103 - Afghanistan muss dauerhaft stabil sein, damit es nicht wieder Zentrum des Weltterrorismus werden kann. Deshalb muss sich die Weltgemeinschaft langfristig für Wiederaufbau und Entwicklungschancen engagieren. Die Afghanistan-Konferenz im Dezember in Bonn signalisiert, dass wir Afghanistan auch nach 2014 nicht im Stich lassen.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Interview des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Michael Steiner, mit dem Deutschlandradio Kultur, am 07. Oktober 2011

Wenn Sie mal rückblickend Bilanz ziehen, zehn Jahre nach dem Beginn des Krieges: War es richtig, in diesen Krieg zu ziehen?

Ohne Zweifel war es richtig, ich glaube, das war damals erforderlich, auch aus Solidarität mit unseren Verbündeten, den Vereinigten Staaten, und wir haben ja auch unser Hauptziel erreicht: Der internationale Terrorismus ist zunächst mal, hat zunächst mal keine Unterschlupfchance mehr in Afghanistan, das ist ja das Hauptziel gewesen. Außerdem haben wir durchaus eine Reihe von Dingen verändert in Afghanistan, und das soll man bei aller Kritik, die ja durchaus auch ihre Berechtigung hat, nicht übersehen. Wir haben eine ganz andere Infrastruktur, wir haben eine andere Ausbildungssituation, wir haben eine andere medizinische Situation. Afghanistan - das wird Ihnen jeder Afghane bestätigen - sieht heute völlig anders aus als noch vor zehn Jahren.

Das ist das eine, das andere ist, dass auch noch vieles getan werden muss. Aber vieles kann auch nur geschehen, wenn die Afghanen auch in die Lage versetzt werden, für ihre Sicherheit selber zu sorgen, und eine große Rolle dabei sollte spielen, dass man mit den Taliban irgendwie in Gespräche kommt und irgendwie zu einer politischen Lösung kommt. Das scheint aber mittlerweile in weite Ferne gerückt, der Politiker Rabbani, der Vorsitzende des Rates, der mit den Taliban verhandeln sollte, wurde ermordet. Was heißt das denn für die Zeit nach dem Abzug der ausländischen Truppen?

Also Sie haben vollkommen recht, die Ermordung von Professor Rabbani war ein Rückschlag, aber Präsident Karzai hat mir noch am Tag des Anschlags selbst in New York gesagt, zum Versöhnungsprozess gibt es keine Alternative und wir müssen selbstverständlich weiterhin auf eine innerafghanische Versöhnung setzen, und das sieht auch die verantwortliche Führung so. Das hat auch weiterhin eine Chance, denn übersehen Sie nicht: Es ist zwar wahr, dass es keine militärische Lösung geben wird in Afghanistan. Dies gilt aber auch für die Aufständischen, auch diese wissen, dass sie militärisch ihre Ziele nicht erreichen können, und das heißt, dass wir einen Versöhnungsprozess brauchen.

Erlauben Sie mir auch noch zu sagen: Sie haben ganz zu Recht darauf hingewiesen, dass ein entscheidender Punkt sein wird, dass nach 2014 die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage sind, die Sicherungsaufgaben selbst zu übernehmen, und das ist ein ganz entscheidender Punkt. Das heißt, dass wir in den verbleibenden dreieinhalb Jahren die Ausbildung voranbringen, so voranbringen müssen, dass sie

- 104 - tatsächlich in der Lage sind und dass das dann auch nach 2014 in der Ausbildung weitergeht.

Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz Anfang 2010 hat man beschlossen, ein Programm zur Abwerbung von Talibankämpfern auf die Beine zu stellen. Deutschland tut in diesen Topf dafür jährlich 50 Millionen Euro. Wie viele Talibankämpfer hat man denn tatsächlich bislang abwerben können?

Dieses Programm ist in der Erfüllung besser als das, was wir erwartet haben. Wir haben bisher ungefähr 2500 ehemalige Kämpfer integriert und eine ganze Reihe stehen auch noch an. Lassen Sie mich darauf hinweisen: Die 50 Millionen erstrecken sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren, aber in der Tat ist Deutschland drittgrößter Beteiligter, finanziell Beteiligter. Alle Beteiligten sind eigentlich sehr zufrieden mit dem Verlauf bisher.

Herr Steiner, Sie sind nicht ohne Grund Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, und da liegt ja auch der Hase im Pfeffer: In Pakistan verstecken sich die Taliban, in Pakistan hat auch die Al Kaida weiterhin Basen. Afghanistan hat jetzt gerade ein strategisches Abkommen mit Indien getroffen. Belastet nicht das auch das Verhältnis mit Pakistan weiter, als es ohnehin schon belastet ist zwischen den beiden Ländern?

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass Sie auf diesen Punkt hinweisen, denn wir müssen natürlich die ganze Region im Blick haben. Übrigens ist Indien auch Teil der Region und muss auch teilnehmen an den Bemühungen, den inneren Versöhnungsprozess abzusichern. Insofern ist es ganz richtig, dass wir Indien nicht außen vor lassen. Und wenn Sie sich anschauen, das Abkommen, das hier geschlossen worden ist und das, was der afghanische Präsident danach gesagt hat, dann ist ganz deutlich geworden, dass dieses Abkommen sich nicht gegen irgendjemanden richtet, sondern sozusagen Teil des Aufbaus, des langfristigen Aufbaus Afghanistans sein soll, und da brauchen wir auch Indien. Natürlich haben Sie recht, muss das so transparent geschehen, dass nicht Urängste in der Region geweckt werden.

Nun sollen Inder diesem Abkommen zufolge auch die afghanische Armee ausbilden. Das wird aber doch auf jeden Fall dazu führen, dass Bedrohungsängste - so paranoid sie auch sein mögen - in Pakistan wieder hochkommen.

Das müssen wir uns ganz genau anschauen. Wir haben bisher nur den Hinweis Sicherheitskräfte und eine Ausbildung - das ist eine Sache - der Sicherheitskräfte, dazu gehören ja vor allem die Polizeikräfte. Eine Ausbildung vor Ort ist eine andere. Ich bin mir sicher, dass die afghanische Regierung sehr genau Bescheid weiß, dass sie natürlich auch die legitimen Interessen ihres großen Nachbarn beachten muss.

Herr Steiner, vielen Dank für das Gespräch!

Ich danke Ihnen!

Die Fragen stellte Marcus Pindur. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 105 - Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Parlament der Mongolei am 13. Oktober 2011 in Ulan Bator

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Exzellenzen, verehrte Gäste, es ist mir eine ganz besondere Ehre, heute als erste deutsche Regierungschefin vor dem mongolischen Parlament, dem Großen Staatskhural, sprechen zu dürfen.

Die Mongolei hat auf uns Deutsche seit jeher eine große Faszination ausgeübt. Trotz großer geographischer Entfernung gab es immer Austausch und Begegnung zwischen unseren Völkern. Vor der Wiedervereinigung lebten in der DDR Tausende von mongolischen Studenten und Facharbeitern, die im Rahmen von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen nach Deutschland gekommen waren. Diese Mongolen haben bei uns viel Sympathie und Freundschaft für Ihr Land entstehen lassen. Sie haben das Bild der Mongolei in Deutschland geprägt.

Meine Damen und Herren, zwei Phasen haben aus meiner Sicht den Weg für die heutige Entwicklung der Mongolei bereitet: In der Phase des „Mongolischen Friedens" im 13. und 14. Jahrhundert bescherten stabile soziale, kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse sowie religiöse Toleranz dem mongolische Reich eine lange Zeit des inneren Friedens. Die zweite Phase ist die der demokratischen Revolutionen im ehemaligen Ostblock 1989/1990.

Damals gingen wir Deutschen in der ehemaligen DDR für Freiheit und Einheit auf die Straße. Heute sind wir wiedervereint. Zur gleichen Zeit, von der gleichen Sehnsucht nach Freiheit erfasst, erstritten sich die Mongolen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Die Mongolei vollzog den Übergang von einem kommunistischen System zu einer Mehrparteiendemokratie. Dafür zollen die Deutschen den Mongolen großen Respekt. Der gemeinsam erlebte historische Umbruch verbindet unsere beiden Länder und ihre Bevölkerungen.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr haben uns die Umwälzungen in der arabischen Welt erneut vor Augen geführt, dass politische und soziale Teilhabe niemals das Privileg nur einer kleinen Gruppe sein darf. In einem Rechtsstaat darf es keinen Ausschluss der Bürger von Freiheiten und Rechten geben. Unser Auftrag lautet, die Bürger am Wohlstand und an den Ressourcen unserer Länder teilhaben zu lassen.

Die Mongolei hat als parlamentarische Demokratie, die sich an freiheitlich- demokratischen Grundwerten orientiert, in Zentralasien eine wichtige Vorbildfunktion. Daher möchte ich Sie dazu ermutigen, auf dem Weg der Demokratie kontinuierlich weiterzugehen. Die Diskussion über eine Wahlrechtsreform, die Sie ja derzeit führen, könnte in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt sein auf dem Weg hin zu mehr Repräsentanz im nationalen Parlament.

Wir Deutschen wissen aus leidvoller Erfahrung: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie bedarf starker Institutionen, eines starken Rechtsstaats - 106 - und vor allem tapferer Bürger, die sie täglich leben und verteidigen. Demokratie lebt vom Respekt für universale Menschenrechte. Daher begrüße ich ausdrücklich, dass die Mongolei entschieden hat, die Todesstrafe nicht mehr zu vollstrecken. Auch hierbei nimmt die Mongolei eine Vorreiterrolle in Asien ein. Ich ermutige Sie, noch einen Schritt weiter zu gehen und die Todesstrafe endgültig abzuschaffen.

Meine Damen und Herren, die Demokratie in der Mongolei muss sich bei großen Herausforderungen bewähren. Der Rohstoffreichtum Ihres Landes birgt erhebliches Potenzial für Wachstum und Wohlstand. Zugleich verpflichtet er die Regierung und das Parlament, dafür Sorge zu tragen, dass die Erlöse aus dem Rohstoffsektor einem möglichst breiten Teil der Bevölkerung zukommen. Im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens muss man auch an kommende Generationen denken und in Gemeinschaftsaufgaben wie Bildung, Gesundheit sowie in eine zukunftsfähige Infrastruktur investieren. Deutschland steht bereit, die Mongolei dabei nach Kräften zu unterstützen.

Wir sind der Mongolei ein vertrauenswürdiger Wirtschaftspartner, der sehr an einer nachhaltigen Entwicklung interessiert ist. In meiner Delegation sind daher gerade auch Unternehmen vertreten, die mit nachhaltigen Lösungen zum Ausbau der mongolischen Infrastruktur beitragen können. Es freut mich ganz besonders, dass wir heute ein Abkommen über die Gründung einer Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und der Mongolei unterzeichnet haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit den Grundstein für eine langfristige Partnerschaft im Energie- und Rohstoffsektor zum gegenseitigen Nutzen unserer beiden Länder gelegt haben.

Meine Damen und Herren, historische Verbindungen und vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der Wirtschaft sind Pfeiler der engen und freundschaftlichen deutsch-mongolischen Beziehungen. Unsere Zusammenarbeit reicht auch über bilaterale Themen hinaus. Wir denken in unserer Kooperation auch an die junge Generation. In Zukunft – das wurde heute vereinbart – werden Nachwuchswissenschaftler aus der Mongolei am Lindauer Nobelpreisträgertreffen teilnehmen. Die Gerda Henkel Stiftung fördert in hervorragender Weise die historische und archäologische Forschung im Orchon-Tal.

Unser Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten von Freiheit und Demokratie verpflichtet uns, weltweit für diese Werte einzutreten. Wir tun dies erfolgreich, unter anderem im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO und der OSZE. Heute stehen deutsche und mongolische Soldaten Seite an Seite für Frieden und Sicherheit in Afghanistan ein. In Faisabad im Norden Afghanistans übernehmen unsere Soldaten in einem gefährlichen Umfeld gemeinsam Verantwortung für den Wiederaufbau. Für die Ausweitung des mongolischen Engagements noch in diesem Jahr bin ich Ihnen sehr dankbar.

Meine Damen und Herren, ich bin sehr zuversichtlich, dass wir all diese Bereiche unserer Zusammenarbeit weiter dynamisch ausbauen und damit unsere umfassende Partnerschaft weiter vertiefen können. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute.

Quelle: Regierung Online

- 107 - Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel am 26. Oktober 2011 vor dem Deutschen Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor gut drei Jahren löste die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers den größten Börsencrash der Nachkriegszeit aus. Was als amerikanische Immobilienkrise begann, entwickelte sich rasch zu einer globalen Finanzkrise. Gemeinsame Anstrengungen der Bundesregierung und des Bundestages haben damals verhindert, dass Deutschland in eine tiefe Rezession geriet. Den Bürgerinnen und Bürgern hat die Krise dennoch viel abverlangt: wirtschaftliche Einbußen, aber auch Geduld und Vertrauen.

Heute können wir festhalten: Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt; denn Deutschland ist stärker aus der globalen Finanzkrise hervorgegangen, als es in sie hineingegangen ist. Wir können uns über ein beachtliches Wirtschaftswachstum freuen. Und vor allen Dingen ist die Arbeitslosigkeit so gering wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Klar ist aber auch: Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht. Deshalb ist jetzt das wichtigste Anliegen der Bundesregierung, dass auch Europa stärker aus der Krise hervorgeht, als es in sie hineingekommen ist. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: Europa muss eine Stabilitätsunion werden. Was heißt das?

Das bedeutet erstens: Wir müssen die akute Krise bewältigen. Dazu müssen wir tragfähige Lösungen für die Länder finden, die eine zu hohe Verschuldung aufweisen, und damit die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass sich die Krise immer weiter auf andere Länder ausbreitet.

Genauso wichtig wie das Erstgesagte ist zweitens: Wir müssen Vorsorge für die Zukunft treffen. Dazu müssen wir die Ursachen dieser Krise entschlossen an ihrer Wurzel packen. Das ist die übermäßige Verschuldung, aber auch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Mitgliedstaaten. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir die Fundamente der Wirtschafts- und Währungsunion maximal verstärken müssen.

Jede dieser beiden von mir genannten Herausforderungen ist für sich genommen schon relativ groß. Wir müssen jedoch auf diese Herausforderungen gleichzeitig überzeugende Antworten finden, wenn die Wirtschafts- und Währungsunion ihre Belastungsprobe bestehen und dauerhaft gestärkt aus ihr hervorgehen will. Ich glaube, wir sind uns einig: Dies ist die größte Belastungsprobe der Wirtschafts- und Währungsunion, die es je gegeben hat.

Bei der Formulierung der Antworten sind wir am vergangenen Wochenende in den Beratungen der Finanzminister und der Staats- und Regierungschefs ein gutes Stück vorangekommen, und ich werde mich heute Abend dafür einsetzen, dass wir insgesamt zu tragfähigen Entscheidungen kommen. Die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, haben ihren Ursprung zum Teil weit vor Ausbruch der aktuellen Krise.

- 108 - Dieses wurde jedoch interessanterweise sowohl von den Märkten, aber eben leider auch von der Politik viel zu lange ignoriert.

Die Wahrheit ist: Jahrelang war es möglich, Schulden zu machen, ohne dass es Sanktionen der Märkte in Form von erhöhten Zinsen gab oder die Sanktionen im

Stabilitäts- und Wachstumspakt, die eigentlich dafür vorgesehen sind. Jahrelang war es möglich, notwendigen Reformen auszuweichen und in der Wettbewerbsfähigkeit zurückzufallen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die für die Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union vorgesehenen Fonds die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds teilweise zu Fehlwirkungen geführt und gerade nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt haben. Mit diesem jahrelangen Reformstau haben wir jetzt zu kämpfen. Deshalb wäre es völlig unseriös, zu behaupten, das könne man über Nacht einfach auflösen.

Aber es gibt auch positive Nachrichten. Vor allem Irland ist wieder auf einem guten Weg, Portugal ist fest entschlossen, sein Anpassungsprogramm durchzusetzen, und die griechische Regierung hat in den letzten Monaten mit dringend notwendigen Reformen begonnen. Es ist auch einmal der Erwähnung hier wert, dass den Menschen in Griechenland viel abverlangt wird. Sie verdienen unseren Respekt, und sie verdienen vor allen Dingen eine tragfähige Zukunftsperspektive in der Euro-Zone.

Dennoch: Es ist noch sehr viel zu tun, um die Probleme Griechenlands in den Griff zu bekommen. Die so genannte Troika aus Vertretern von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds überwacht die Umsetzung des Programms und bewertet, ob Griechenland seine Schuldenlast grundsätzlich tragen kann. Aus dem inzwischen vorliegenden neuesten Bericht der Troika müssen wir jetzt die richtigen Schlüsse ziehen. Der Bericht zeichnet auf der Basis der Erfahrungen von inzwischen anderthalb Jahren ein realistisches Bild der Lage Griechenlands. Das ist insbesondere das Verdienst des IWF und seiner neuen Direktorin, Christine Lagarde, der ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte.

Der Troika-Bericht verdeutlicht, dass Griechenland erst am Anfang eines langen und schwierigen Weges steht. Er verdeutlicht auch, dass der Privatsektor einen erheblichen Beitrag leisten muss, um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nachhaltig zu verbessern. Das Ergebnis lautet auch: Die Maßnahmen, die wir am 21. Juli 2011 im Europäischen Rat auf der Grundlage der damals vorliegenden Ergebnisse beschlossen haben, sind heute nicht mehr tragfähig. Das Ergebnis der heutigen Beratungen muss sein das ist das Ziel , dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands so ausgestaltet wird, dass Griechenland im Jahr 2020 auf einen Schuldenstand von 120 Prozent Verschuldung des Bruttoinlandsprodukts kommt. Das geht nicht, ohne dass sich der private Sektor in erheblich größerem Umfang an den Lasten beteiligt, als das am 21. Juli 2011 vorgesehen war.

Ein Schuldenerlass allein das will ich hier ganz deutlich sagen , egal wie er ausgestaltet ist, löst allerdings die Probleme Griechenlands nicht. Schmerzhafte und notwendige Strukturreformen müssen konsequent umgesetzt werden. Sonst stehen wir trotz Schuldenerlass nach kurzer Zeit wieder da, wo wir heute stehen. Das muss immer klar sein. Deshalb ist das Prinzip, das wir von Anfang an anwenden,

- 109 - richtig: Hilfen kann es nur geben, wenn der Empfänger Eigenverantwortung übernimmt. Hilfen müssen immer an strenge Bedingungen geknüpft sein.

Auf diesem Weg müssen wir Griechenland mit Sicherheit noch eine ganze Zeit begleiten. Ich glaube auch darüber werden wir heute sprechen , es reicht nicht aus, dass alle drei Monate eine Troika kommt und wieder geht. Es wäre wünschenswert, dass eine permanente Überwachung in Griechenland stattfindet.

Genauso sind wir verpflichtet, alles dafür zu tun, dass Griechenland die Möglichkeit gegeben wird, wieder zu wachsen. Das bedeutet natürlich auch:

Investitionen unter wahrscheinlich verbesserten Voraussetzungen. Deshalb gibt es eine EU-Mission unter Leitung des Deutschen Horst Reichenbach. Deshalb gab es die Reise des Bundeswirtschaftsministers nach Griechenland mit einer Vielzahl potenzieller Investitionen deutscher Unternehmen im Gepäck. Und deshalb gibt es auch ein Treffen der Vertreter deutscher und griechischer Kommunen in der nächsten Woche. Sie wollen darüber beraten, wie sie sich gegenseitig helfen können.

Ich sage ausdrücklich ich glaube, ich sage das in Ihrer aller Namen : Wir wollen, dass Griechenland schnell auf die Beine kommt. Wir werden in allen Bereichen das tun, was uns möglich ist, im Sinne der deutsch-griechischen Partnerschaft.

Ein Schuldenschnitt für Griechenland, das heißt eine Beteiligung der privaten Gläubiger, bedeutet, egal wie er aussieht, dass wir gleichzeitig auch eine Lösung finden müssen, um systemische Risiken zu vermeiden, das heißt, um zu vermeiden, dass andere Länder aufgrund dieses Vorgangs angesteckt werden.

Deshalb müssen wir zwei Wege beschreiten.

Wir müssen dafür sorgen das ist der eine Weg , dass die Banken das Vertrauen ineinander nicht verlieren. Deshalb wurde am vergangenen Wochenende eine stärkere Rekapitalisierung der Banken von den Finanzministern auf der Grundlage der Vorschläge der europäischen Bankenaufsicht beschlossen. Diese ist unbedingt notwendig und wird ein ganz wichtiges Element sein, um eine solche Ansteckung zu verhindern. Wenn wir diese Rekapitalisierung der Banken durchführen, dann gilt die folgende Reihenfolge das ist klar : Zuerst sind die Banken aufgefordert, die Kapitalisierung aus eigener Kraft zu leisten, an zweiter Stelle müssen die Nationalstaaten helfen, und nur dann, wenn die Stabilität des Euro insgesamt in Gefahr ist, weil ein Nationalstaat das nicht leisten kann, kann es in Betracht kommen, dass die EFSF dazu herangezogen wird. Das ist die Reihenfolge.

Ein zweites wichtiges Element, um die Ansteckungsgefahr zu verhindern, ist der sogenannte Schutzwall, über den wir jetzt sehr viel gesprochen haben. Sie können es auch Firewall nennen, wenn Sie des Englischen mächtig sind; ich wollte mich allerdings deutsch ausdrücken, was sicherlich hilfreich ist.

Hierzu müssen wir das ist der zweite Weg alle anderen Länder von den Ansteckungsgefahren, die von Griechenland ausgehen können, abschirmen. Dazu sage ich: Unabdingbar, bevor wir solche Abschirmungen vornehmen, ist erst einmal, dass jedes Land, das davon betroffen sein könnte, seine Hausaufgaben macht und

- 110 - mit zusätzlichen Maßnahmen versucht, eigene Solidität zu beweisen. Auch darüber wird zuerst gesprochen.

Nun geht es um die Formen der Abschirmung; darüber ist schon viel geredet worden.

Die EFSF hat jetzt eine effektive Kapazität von 440 Milliarden Euro; das haben wir hier beschlossen. Deutschland übernimmt dabei Garantien in Höhe von 211 Milliarden Euro. Dabei bleibt es: sowohl hinsichtlich des Gesamtvolumens der EFSF als auch der Obergrenze der deutschen Garantien.

In unserer heutigen Beratung geht es darum, dass die EFSF mit dieser Kapazität eine möglichst große Wirkung bei der Verhinderung von Ansteckungsgefahren erzielt. Die Wirkung dieser Abschirmung muss groß genug sein. Es hat eine umfassende öffentliche Diskussion dazu gegeben. Ich sage noch einmal das ist ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Alle Modelle, die eine Beteiligung der Europäischen Zentralbank voraussetzen, sind vom Tisch und heute nicht Gegenstand der Beratung. Sie widersprechen den europäischen Verträgen. Ich habe klargemacht, dass solche Lösungen mit der Bundesregierung nicht infrage kommen.

Nun werden zwei Optionen ohne Beteiligung der Europäischen Zentralbank verfolgt: erstens die Teilabsicherung neuer Staatspapiere des betreffenden Euro-Staates und zweitens die Schaffung der Möglichkeit zur Beteiligung von privaten und öffentlichen Investoren an der Finanzierung von Maßnahmen, also an der EFSF.

Beide Optionen können nur im Rahmen der für die EFSF vereinbarten Instrumente Anwendung finden. Damit ist auch sichergestellt, dass die geltenden klaren Prinzipien der EFSF immer Anwendung finden. Der Mitgliedstaat muss einen Antrag auf Hilfe stellen, es wird ein Memorandum of Understanding ausgehandelt, und darin wird eine strenge Konditionalität der Hilfen vereinbart.

Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung müssen der Gewährung einer Hilfe im Einzelfall und damit der Anwendung einer der beiden Optionen zustimmen, und zwar in der Form, die die Vorschläge für das parlamentarische Vorgehen beinhalten. Über beide Optionen wird der Bundestag heute politisch im Grundsatz befinden, über beide Optionen werden wir heute Abend im Rahmen des Treffens der

Staats- und Regierungschefs noch einmal politisch im Grundsatz beraten und sie beschließen. Selbstverständlich werden die Leitlinien, wenn sie vorliegen, anschließend entsprechend dem parlamentarischen Verfahren hier im Deutschen Bundestag beraten.

Darüber hinaus besteht auf europäischer Ebene Konsens, mit dem Internationalen Währungsfonds Gespräche darüber zu führen, wie der IWF über das heutige Maß hinaus zur Stabilisierung der Euro-Zone beitragen kann, und zwar mit Blick sowohl auf seine Expertise als gegebenenfalls auch auf seine Finanzierungsinstrumente.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, weil es für die Beschlussfassung von heute wichtig ist: Wer auch immer möchte, dass sich private Gläubiger an der Schuldentragfähigkeit Griechenlands beteiligen, der muss Sorge dafür tragen, dass eine Abschirmung, ein Schutz gegenüber Ansteckungsgefahren mit beschlossen wird. - 111 - Alles andere ist grob unverantwortlich.

Ich habe es gesagt: Die Bundesregierung will, dass die Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Stabilitätsunion wird. Deshalb müssen wir neben der Bewältigung der akuten Krise natürlich auch Vorsorge für die Zukunft treffen, und zwar dadurch, dass die Euro-Mitgliedstaaten mehr gemeinsame Verantwortung übernehmen. Dazu haben wir bereits erste Schritte gemacht, zum Beispiel mit dem Euro-Plus-Pakt, mit dem die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone freiwillige Verpflichtungen eingegangen sind, Strukturreformen durchzuführen. Das bedeutet:

Wettbewerbsfähigkeit ist jetzt auch in der Europäischen Union Chefsache. Mit dem neuen, gerade in Kraft getretenen Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Un-gleichgewichte können Wettbewerbsschwächen früher erkannt und auch behoben werden. Auch die Struktur- und Kohäsionsfonds müssen in Zukunft mehr dahin gehend eingesetzt werden, dass sie wirklich der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienen.

Aber ich sage auch darauf werden wir im weiteren Verfahren achten :

Wirtschaftliche Ungleichgewichte sind noch nicht als solche schlecht. Wenn ein Überschuss entsteht, weil ein Land wettbewerbsfähiger als ein anderes ist, dann darf das natürlich nicht infrage gestellt und nivelliert werden, genauso wie unterschiedliche Zinsen Ausdruck unterschiedlicher Stärke sind.

Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft. Sanktionen setzen früher ein. Sie sind effektiver. Der Pakt bekommt jetzt sehr viel mehr Biss. Insofern haben wir hier eine Trendumkehr eingeleitet.

Zudem haben der französische Präsident und ich vorgeschlagen auch darüber werden wir sprechen , dass sich Parlamente, wenn die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters bei der Überprüfung der Haushalte Kritik äußert, freiwillig verpflichten, diese bei der Umsetzung im nationalen parlamentarischen Verfahren zu berücksichtigen, und dass sich alle Euro- Mitgliedstaaten verpflichten, eine Schuldenbremse in ihrer Verfassung aufzunehmen. Die Diskussion darüber ist in vollem Gange. Ich finde es absolut bemerkenswert, dass ein Land wie Spanien noch kurz vor den Wahlen seine Verfassung geändert hat, um eine solche Schuldenbremse aufzunehmen.

Wir verschärfen und verbessern damit europäische Verfahren. Diese ergänzen und verstärken wir durch Selbstverpflichtungen, wie ich es eben gesagt habe. Wir schöpfen damit den Rahmen der geltenden europäischen Verträge weitestgehend aus.

Die Probleme, vor denen wir heute stehen, müssen und können heute in diesem Rahmen gelöst werden. Aber ich sage auch: Wir brauchen mehr. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir über diesen Ansatz hinausgehen müssen.

Es ist im Übrigen auch so: Wenn die internationale Öffentlichkeit auf uns in Europa schaut, dann will sie auch wissen, wie die Entwicklung der Europäischen Union mittelfristig weitergeht, weil sie Sicherheiten braucht, dass der Euro-Raum zusammensteht, seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert und die Stabilitätskultur stärkt.

- 112 - Deshalb werden wir die europäischen Verträge ändern müssen. Dafür hat sich der Bundesaußenminister am Samstag, und dafür habe ich mich am Sonntag eingesetzt, und zwar dahin gehend, dass wir das wird sich auch in den Schlussfolgerungen widerspiegeln den Präsidenten des Rates bitten, uns im Dezember Vorschläge zu machen, wie die Stabilitätskultur besser verankert werden kann. Dabei geht es nicht um eine umfassende Reform des Vertrags von Lissabon damit hätte man sich zu viel vorgenommen , es geht auch nicht um eine Vergemeinschaftung weiter Teile der Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern im nächsten Schritt geht es darum, erst einmal im Hinblick auf Länder, die permanent und immer wieder den Stabilitäts- und Wachstumspakt verletzen, eine Möglichkeit zu schaffen, durchzugreifen und auf ihre Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wirklich Einfluss zu nehmen.

Denn weil hier gerade wieder gemurmelt wird es ist so: Es kann nicht sein das ist über 50 Mal passiert , dass gemeinsame Verabredungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht eingehalten werden. Wir wissen jetzt, dass eine Nichteinhaltung in einem der 17 Mitgliedstaaten Griechenland ist nicht der größte zur Gefährdung der Stabilität des Euro insgesamt führen kann. Deshalb müssen Verletzungen dieser Stabilitätskultur schärfer geahndet werden, zum Beispiel durch ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof, wenn sich ein Land permanent nicht an die Vorgaben hält.

Ich bin mir sehr sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die sich mit Recht viele Sorgen machen, genau dies verstehen. Sie wollen nicht einfach mehr Europa, aber sie wollen mehr Sicherheit für die Stabilitätskultur in Europa.

Ich glaube, erst dann, wenn wir in diesem Sinne mehr Europa schaffen, wenn wir Europa also weiterentwickeln, haben wir die politische Dimension dieser Krise verstanden. Dann haben wir auch verstanden, dass wir die Konstruktionsschwächen beziehungsweise die Konstruktionsmängel bei der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion entweder jetzt oder gar nicht beseitigen. Wenn wir sie jetzt beseitigen, dann nutzen wir die Chance dieser Krise. Ansonsten würden wir versagen.

Ich bin mir durchaus bewusst: Eine Vertragsänderung birgt immer Risiken. Sie ist ein mühsamer Weg. Alle 27 Mitgliedstaaten müssen zustimmen. Dennoch ist sie der notwendige und beste Weg, eine Spaltung der Europäischen Union in Euro- und Nicht-Euro-Staaten zu verhindern. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird sich die Notwendigkeit ergeben, dass die Euro-Staaten untereinander verbindliche Verträge abschließen. Das will ich nicht. Das fände ich nicht vernünftig, weil noch viele Länder dem Euro beitreten wollen. Deshalb muss man bereit sein, diesen Weg zu gehen.

Da wir in einer solch existenziellen Krise in Europa sind, frage ich: Wo steht eigentlich geschrieben, dass eine Vertragsänderung immer eine Dekade dauern muss?

Wer auf der Welt wird uns für handlungsfähig halten, wenn wir uns hinstellen und sagen: „Nach dem Lissabonner Vertrag darf es nie wieder eine Änderung geben"? Die ganze Welt ändert sich, also muss auch Europa veränderungsbereit sein.

So wie wir im Zusammenhang mit der deutschen Einheit in sechs Monaten einen Zwei-plus-Vier-Vertrag hinbekommen haben, wird es doch wohl auch möglich sein

- 113 - der Euro sollte uns so viel wert sein , dass wir gemeinsam Vertragsänderungen ins Auge fassen.

Angesichts der Dimension bei der Bekämpfung der Krise ist nicht zu vergessen:

Entstanden ist sie maßgeblich auch durch zu wenig Regulierung. Deshalb bleibt die Regulierung der Finanzmärkte eine der großen Aufgaben, die bei weitem noch nicht erledigt ist.

Deswegen hat sich auch der Europäische Rat am Sonntag noch einmal damit beschäftigt und betont, dass wichtige Vorschläge zur Regelung der Derivate, der Einlagensicherung und der Eigenkapitalanforderungen an Banken jetzt zügig angenommen werden müssen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal betonen, dass sich die Bundesregierung für die Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer einsetzt, und zwar in den nächsten Tagen zunächst einmal beim G-20-Gipfel in Cannes. Wir sind auch dankbar dafür, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag dafür vorgelegt hat. Die Finanzminister werden diesen Vorschlag Anfang November beraten, und Deutschland wird alles tun, damit dieser Vorschlag der Europäischen Kommission ein Erfolg wird.

Wahr ist aber auch: Viele Fragen erfordern nicht nur eine nationale oder europäische Antwort, sondern globale Antworten. Dafür ist die G20 das geeignete Gremium. Die G20 verkörpert immerhin zwei Drittel der Weltbevölkerung und 80 Prozent der Weltwirtschaftskraft. Deshalb war der Ausgangspunkt der G20-Beratungen im Übrigen auch eine bessere weltweite Regulierung der Finanzmärkte.

Man kann sagen: Wir haben einiges geschafft. Ein wichtiger Schritt wird jetzt in Cannes gegangen werden: Systemrelevante Banken werden nicht mehr so, wie es in der Krise der Fall war, behandelt, dass nämlich letztlich der Steuerzahler dafür eintreten muss. „Too big to fail" gibt es nicht mehr, und international wird ein Restrukturierungsprozess für die systemischen Banken vereinbart, so wie wir das in Deutschland mit dem Restrukturierungsgesetz für Banken bereits vorgeschlagen haben. Das hat lange gedauert, aber es ist gut, dass wir das jetzt in Cannes beschließen können.

Gleichzeitig werden wir den Auftrag erteilen, dass das, was für die Banken gilt, auch für die „Schattenbanken" gelten muss, zum Beispiel für die Hedgefonds; denn auch sie stellen genauso ein systemisches Risiko für die Finanzmärkte dar. Dieser Auftrag wird von dem sogenannten Financial Stability Board als Nächstes bearbeitet werden.

In Europa haben wir bereits die Hedgefonds geregelt. Aber weltweit ist das noch nicht in ausreichendem Maße geschehen. Deshalb muss auch das Thema Steueroase wieder auf den Tisch; denn wir hatten uns seitens der G20 zu Beginn vorgenommen, dass jedes Instrument, jeder Platz und jeder Akteur einer Regulierung unterworfen wird. Da reicht es nicht, dass wir das national oder in Europa tun, sondern das muss weltweit geschehen. Allerdings sage ich auch: Mit Einzelmaßnahmen in Deutschland, zum Beispiel dem Verbot von Leerverkäufen, haben wir gute Erfahrungen gemacht; denn jetzt wird das ganze Thema wenigstens in Europa diskutiert. Nun müssen wir es noch weltweit nach vorne bringen.

- 114 - Was auch sehr wichtig ist: G20 wird nur dann funktionieren, wenn nicht jedes Jahr neue Beschlüsse gefasst werden. Im letzten Jahr in Toronto hatten wir uns verpflichtet, dass alle Industrieländer bis 2013 ihr Staatsdefizit halbieren.

Deutschland wird das schaffen, aber längst nicht alle Industrieländer in der G20.

Ich halte nichts davon, jedes Jahr nach Konjunkturlage gerade das zu beschließen, was passt. Vielmehr glaube ich, dass die G20 die Verpflichtung hat, auf einem langen Pfad das Beschlossene durchzuhalten und der Ursache vieler der Schwierigkeiten entgegenzuwirken. Verschuldung gibt es nicht nur in Europa, sondern Verschuldung gibt es auch in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel in Japan oder in den Vereinigten Staaten von Amerika. Deshalb glaube ich: Es reicht nicht, wenn wir uns gegenseitig immer nur ermahnen, sondern es geht vor allen Dingen darum, dass wir gemeinsam handeln.

Wer in diesen Tagen im Lande unterwegs ist und mit den Bürgerinnen und Bürgern spricht, wer die Demonstrationen in New York, Brüssel, Frankfurt oder Berlin verfolgt, der weiß, wie sehr die Schuldenkrise die Menschen bewegt. Ich sage:

Dafür habe ich großes Verständnis. Die Lage ist sehr ernst. Die Krise zu bewältigen, erfordert Ausdauer. Wir alle betreten Neuland. Die Ursachen der Krise habe ich dargestellt. Sie sind komplex. Einfache Lösungen, den einen Paukenschlag, wird es nicht geben. Die Themen werden uns noch Jahre beschäftigen.

Ihnen liegen heute die Unterlagen mit Details zur Maximierung der Kreditvergabekapazität der EFSF vor, die derzeit nach bestem Wissen und Gewissen vorgelegt werden können. In der öffentlichen Debatte über diese Maximierung ist viel von einem größeren Ausfall- und Haftungsrisiko, das Deutschland mit der Maximierung der EFSF möglicherweise eingeht, die Rede. Ob das so sein wird, kann letztlich niemand abschließend abschätzen. Ich sage aber ausdrücklich:

Ausschließen können wir es nicht. Deshalb ist es richtig und gut, dass wir dies in unserem Entschließungsantrag so verankert haben.

Ich möchte darüber sprechen, weil wir hier an einem Punkt sind, an dem wir, die wir alle politische Verantwortung tragen, eine schlichte politische Frage beantworten müssen. Sie lautet: Wie gehen wir in einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, mit Risiken um? Anders gefragt: Wann halten wir Risiken für vertretbar? Können wir im konkreten Fall das Risiko, das wir mit der Maximierung der EFSF eingehen, für vertretbar halten oder nicht? Das ist heute die konkrete Frage. Wenn ich das Risiko für nicht vertretbar halte, dann darf ich es natürlich nicht eingehen. Wenn ich es aber nach Abwägung aller Argumente für und wider für vertretbar halte, dann muss ich das Risiko eingehen. Genau das zeichnet politisches Handeln aus und unter- scheidet es von anderem Handeln.

Bezogen auf die Maximierung der EFSF können wir festhalten:

Erstens. Der deutsche Anteil bleibt bei 211 Milliarden Euro.

Zweitens. Verträge werden nicht gebrochen.

- 115 - Drittens. Die wirtschaftlich stärkste Nation sind wir. Aber auch das sage ich wir sind nicht der Nabel der Welt. Die Welt schaut auf Europa und Deutschland. Sie schaut darauf, ob wir bereit und fähig sind, in der Stunde der schwersten Krise Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Verantwortung zu übernehmen.

Viertens. Dem möglichen Ausfall- und Haftungsrisiko steht der ökonomische Gewinn gegenüber, den Deutschland wie kein anderes Land vom Euro hat.

Fünftens. Mein Fazit lautet deshalb: Das Risiko, das mit der jetzt beabsichtigten Maximierung der EFSF verbunden ist, ist vertretbar. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es wäre nicht vertretbar und nicht verantwortlich, das Risiko nicht einzugehen. Eine bessere Alternative, eine vernünftigere Alternative liegt mir nach Prüfung aller Möglichkeiten nicht vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für Ihre bisherige Unterstützung und kritische Begleitung auf unserem Weg, den Euro zu schützen und zu stärken. Es ist mir ein persönliches Anliegen, in enger Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag mit Regierungs- und Oppositionsfraktionen Lösungen zum Wohle unseres Landes zu finden.

Ich bin überzeugt: Mit unserem umfassenden Ansatz, so wie ich ihn dargestellt habe, zur Bewältigung der akuten Krise einerseits und kluger Vorsorge für die Zukunft andererseits wird es uns gelingen, die Wirtschafts- und Währungsunion wieder zur Stabilitätsunion zu machen. Unseren Bürgerinnen und Bürgern sage ich: Es gilt: Was gut ist für Europa, das ist auch gut für Deutschland. Dafür steht ein halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Deutschland und in Europa.

Gestatten Sie mir angesichts der Lage nicht nur der ökonomischen Lage wegen der Schuldenkrise, sondern auch der politischen Lage in einzelnen Staaten Europas zum Schluss ein persönliches Wort. Niemand sollte glauben, dass ein weiteres halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand in Europa selbstverständlich ist. Es ist es nicht. Deshalb sage ich: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Das darf nicht passieren.

Wir haben eine historische Verpflichtung, das Einigungswerk Europas, das unsere Vorfahren nach Jahrhunderten des Hasses und des Blutvergießens vor über 50 Jahren auf den Weg gebracht haben, mit allen uns zur Verfügung stehenden verantwortbaren Mitteln zu verteidigen und zu schützen. Die Folgen, wenn das nicht gelänge, kann niemand von uns absehen. Es darf nicht geschehen das ist meine tiefe Überzeugung , dass später einmal gesagt werden kann, dass die politische Generation, die im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in Europa politische Verantwortung getragen hat, vor der Geschichte versagt hat.

Als umso wertvoller empfinde ich das politische Signal, das heute der Deutsche Bundestag mit einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen an die Menschen in Deutschland, nach Europa und in die Welt aussendet. Er sendet damit eine Botschaft aus, die weit über die finanzpolitischen Aussagen des Antrags hinausreicht. Er sendet die Botschaft aus, dass Deutschland

- 116 - parteiübergreifend das europäische Einigungswerk schützt und für dieses Ziel zusammensteht. Dafür danke ich allen, die daran mitgewirkt haben. Sie können sicher sein, dass ich diese Botschaft auch für die nicht einfachen Verhandlungen heute mit nach Brüssel nehme.

Quelle: Regierung Online

DEUTSCHLAND / BUNDESWEHR

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière vor dem Deutschen Bundestag zum Etat des Bundesverteidigungsministeriums am 07. September 2011

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Viele von uns waren in den letzten Wochen unterwegs – in den Standorten, in den Kasernen, in den Einsatzgebieten – und haben mit den Soldaten gesprochen. Das gilt auch für mich. Es waren gute und offene Gespräche.

Mir wurde dabei deutlich: Die Bundeswehr besteht aus hochmotivierten, von ihren Aufgaben überzeugten Soldaten und zivilen Mitarbeitern. Sie leisten ihren Dienst mit großem Engagement. Wir alle können uns auf sie verlassen, und wir können stolz auf sie sein.

Es kommen aber auch berechtigte Fragen auf; die werden wir gleich diskutieren. Wie ist es mit der Ausgestaltung ihres Dienstes in Zukunft? Wie ist es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wann fallen die insbesondere sie betreffenden Entscheidungen? Und immer wieder: Wie ist es mit der einsatzgerechten Ausrüstung und Ausstattung? Eine Antwort auf all diese Fragen ist die Neuausrichtung der Bundeswehr.

Deutschland benötigt einsatzbereite und einsatzfähige Streitkräfte, die in Qualität von Ausstattung und Ausbildung dem internationalen Stellenwert und Gewicht unseres Landes entsprechen. Dabei dürfen sich die Streitkräfte und die Öffentlichkeit nicht statisch auf jetzt aktuelle Einsatzszenarien festlegen. Afghanistan kann, muss aber keineswegs Vorbild für künftige Einsätze sein. Nur ein breites militärisches Fähigkeitsprofil bietet verschiedene Optionen, um den Anforderungen von heute und morgen gerecht zu werden.

Das heißt keineswegs, dass zwangsläufig mehr deutsche Soldaten in Auslandseinsätze entsandt werden. Ich sage gerade auch angesichts der aktuellen Debatten ganz offen: Wir werden stets souverän entscheiden, woran wir uns beteiligen und woran nicht. Dabei ist unsere Bündnisverpflichtung ein entscheidender Maßstab. Ich füge hinzu: Im Zweifel ist sie der entscheidende Maßstab.

Wir werden ebenso in Übereinstimmung mit unseren Partnern entscheiden, laufende Einsätze zurückzufahren, sofern entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sind.

Wir müssen in der Lage sein, verantwortbare und verlässliche Entscheidungen zu treffen. Dies setzt sicherheitspolitischen Handlungsspielraum voraus, der nicht

- 117 - zuletzt von einer hochwertigen Bundeswehr abhängt. Das, was man will, muss man auch können; was man nicht kann, sollte man auch nicht wollen.

Wie Sie wissen, habe ich im Mai grundlegende Entscheidungen zu Personalumfängen im Ministerium und im nachgeordneten Bereich getroffen; darüber haben wir anlässlich einer Regierungserklärung diskutiert. Wir arbeiten jetzt mit Hochdruck an den Einzelheiten: an den künftigen Strukturen, den Folgerungen für den Personalumbau und damit auch für die Stationierung und die notwendigen Begleitmaßnahmen.

Natürlich stelle ich genauso wie andere eine gewisse Ungeduld fest. Dafür habe ich zuallererst Verständnis. Aber es bleibt dabei: Die Entscheidungen müssen gut vorbereitet und durchdacht sein; sie müssen sich aufeinander beziehen. Deswegen fallen die Entscheidungen nach und nach im Herbst. Spätestens bis zur zweiten und dritten Lesung des Haushaltes sind alle Entscheidungen gefallen, die Stationierungsentscheidungen in der letzten Oktoberwoche.

Eine der einschneidendsten Veränderungen in der Geschichte der Bundeswehr haben wir bereits umgesetzt: Seit Juli dieses Jahres ist die Bundeswehr eine reine Freiwilligenarmee. Diese Entscheidung war – ich füge hinzu: leider – richtig. Die Zeit für die Vorbereitung auf den neuen freiwilligen Wehrdienst war knapp. Die ersten Freiwilligen sind da. Die Zahlen sind etwas besser als befürchtet. Ja, es gehen auch einige weg, aber das ist alles noch nicht besorgniserregend. Über den Erfolg dieses Konzepts entscheiden nicht der Juli 2011 und nicht der Oktober 2011, sondern erst die nächsten Jahre. Deswegen sollten wir – das ist eine herzliche Bitte an die Opposition – das Modell des freiwilligen Wehrdienstes nicht kaputtreden, sondern alles dafür tun, dass er ein Erfolg wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darum bitten, nicht von einer „Berufsarmee“ zu sprechen. Es wird jetzt oft gesagt: „Aus der Wehrpflichtarmee ist eine Berufsarmee geworden." Das ist falsch. Es ist eine Freiwilligenarmee. Warum? Weil das Verhältnis von Berufs- zu Zeitsoldaten jetzt ungefähr 1 zu 2,5 beträgt. Das heißt, wir haben mehr als doppelt so viele Zeitsoldaten wie Berufssoldaten. Ich finde, das sollte so bleiben. Deswegen ist „Freiwilligenarmee“ die richtige Bezeichnung, nicht „Berufsarmee“.

Nun haben wir im Mai diskutiert. Ich erinnere mich an Wortbeiträge der Opposition, in denen gesagt wurde: „Ja, Herr Minister, das hört sich alles ganz gut an; allerdings fehlt die Finanzierungsgrundlage. Ohne Finanzierungsgrundlage ist alles heiße Luft." Ich habe dann wiederum gesagt: „Die Kritik hört sich richtig an; aber wir werden bei der Beratung des Haushalts darüber diskutieren, nicht jetzt. Dafür bitte ich um Verständnis." Das hat Sie geärgert, aber so sind die Spielregeln.

Insofern freue ich mich, Ihnen heute die finanziellen Grundlagen vortragen zu können.

Der von der Bundesregierung am 6. Juli beschlossene Entwurf des Verteidigungshaushalts umfasst mit rund 31,7 Milliarden Euro eine durchaus stattliche Summe. Die gesamtstaatliche Herausforderung, die gegenwärtige Finanzkrise zu bewältigen und die Schuldenlast künftiger Generationen zu mindern, zwingt uns wie alle anderen Politikfelder auch, Prioritäten zu setzen. Das ist nicht nur für die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion – über die wir heute diskutiert

- 118 - haben – von Bedeutung, sondern auch von sicherheitspolitischer Bedeutung. Im gleichen Duktus wie wir diskutieren unsere Kollegen in Großbritannien, in Frankreich und sogar in den USA.

Entscheidend ist im Übrigen nicht die Entwicklung des kommenden Jahres, sondern die Entwicklung der nächsten Jahre. Ich will Ihnen kurz ein paar Zahlen vortragen. Nach der bisherigen Finanzplanung – ich glaube, es war die 44. – wäre der Verteidigungshaushalt in den nächsten Jahren kontinuierlich abgesunken und hätte im Jahre 2015 einen Umfang von 27,6 Milliarden Euro erreicht. Merken Sie sich bitte diese Zahl. Demgegenüber sind nach der jetzt beschlossenen Finanzplanung die Verteidigungsausgaben in diesem Zeitraum um annähernd 8,6 Milliarden Euro höher. Davon fließen zwar – damit wir seriös bleiben – 3,5 Milliarden Euro an die BImA, das ist wahr, aber es verbleibt gleichwohl ein Substanzgewinn und damit ein solides Fundament für die Finanzierung unserer Bundeswehr. Gleichzeitig leisten wir mit einer moderat sinkenden Finanzlinie durchaus unseren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Zielgröße bei der Finanzplanung für das Jahr 2015 sind nicht mehr 27,65 Milliarden Euro, sondern 30,4 Milliarden Euro. Ich finde, das ist eine gute Nachricht für die Bundeswehr und die Sicherheit unseres Landes.

Das ist aber noch nicht alles. Ich bin dem Finanzminister Wolfgang Schäuble und meinen Kollegen im Kabinett sehr dankbar, dass wir noch etwas Weiteres beschlossen haben, nämlich die Ausgaben für das zivile Überhangpersonal. Das klingt jetzt sehr technisch: Damit sind die Menschen gemeint, die uns wegen des Personalabbaus auch bei der Zivilverwaltung – von jetzt rund 76 000 auf 55 000 Stellen – verlassen müssen. Diese Ausgaben in Höhe von 1 Milliarde Euro werden künftig außerhalb des Verteidigungshaushaltes veranschlagt. Jedenfalls bitten wir das Hohe Haus um Zustimmung. Das bedeutet, dass wir praktisch, zusätzlich zu den Zahlen, die ich eben genannt habe, jedes Jahr 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung haben. Das ist eine noch bessere Nachricht für die Bundeswehr und die Sicherheit unseres Landes. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Das führt im Jahre 2012 zu einer Erhöhung des immer Not leidenden Etats für Materialerhaltung der Bundeswehr um 200 Millionen Euro.

Bei der Neuausrichtung der Bundeswehr geht es nicht nur darum, Personal abzubauen, es geht auch nicht nur um die Gewinnung neuen Personals. Wir müssen uns genauso um diejenigen kümmern, die bleiben, mit denen wir die Zukunft bauen wollen, die Beförderungschancen brauchen und nicht das Gefühl haben sollen – wie manchmal vielleicht der Eindruck entsteht –, wir würden uns besonders um die kümmern, die kommen sollen, und um die, die gehen sollen. Unser Hauptanliegen gilt natürlich denen, die bleiben. Im Rahmen eines Reformbegleitprogramms werden deshalb Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes erarbeitet. Der Regierungsentwurf zum Haushalt 2012 sieht hierfür bereits im Vorgriff einen Betrag von rund 200 Millionen Euro vor.

Entscheidend für den Erfolg jeder Armee ist neben den Menschen die Ausrüstung. Das wissen wir. Es ist kein Geheimnis, dass die Beschaffungsprozesse bei uns erheblich verbessert werden müssen. Ich habe an anderer Stelle ausführlich darüber gesprochen. Die Verfahren dauern zu lange, Verzögerungen und Verschiebungen begründen Bindungen für Material, das unter Umständen gar nicht mehr oder nicht mehr im vorgesehenen Umfang benötigt wird. Das führt dazu, dass uns zwar 23 Prozent des Haushaltes für Investitionen zur Verfügung stehen, aber nur auf dem Papier. Fast alles ist durch Bestellungen, die in der Vergangenheit getätigt wurden, - 119 - gebunden. Das ist kein Vorwurf; Bestellungen dauern lange. Aber für die Zukunft ist es eine schlechte Nachricht.

Ich habe deswegen die Erarbeitung eines Konzepts in Auftrag gegeben, wie wir mit Blick auf das neue Fähigkeitsprofil der Bundeswehr Spielräume zurückgewinnen können. Das heißt, wir werden die geplanten Rüstungsbeschaffungen unabhängig von der Frage, ob sie vertraglich gebunden sind oder nicht, priorisieren. Dann werde ich Vertreter der Rüstungsindustrie einladen und mit ihnen Folgendes besprechen: Es gibt zwei Varianten. Die eine Variante ist: Wir bezahlen, was bestellt ist, und stellen die Dinge, die wir nicht mehr brauchen, auf den Hof; dann können wir nichts Neues bestellen. Die andere Variante ist: Wir passen die Planungen an; die Mittel, die dadurch frei werden, können wir für neue Bestellungen nutzen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns auf den zweiten Weg verständigen können.

Ein Wort zur Stationierung. Ich weiß, dass dieses Thema viele von Ihnen betrifft. Ich bin im Augenblick einer der gefragtesten Gesprächspartner der Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag. Ich freue mich, wenn Kollegen zu mir kommen und sagen: Bei mir ist kein Standort mehr; mit mir können Sie ganz entspannt reden.

Ich möchte Folgendes sagen: Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei. Wir machen das auch nicht unter dem Aspekt der Beliebtheit. Es spielt auch keine Rolle, wer am lautesten schreit. Wir machen das nach Kriterien. Wir machen das nach fachlichen Überlegungen. Wir machen das ganz transparent. Wir hoffen, dass am Ende jeder versteht: Diese Entscheidungen sind schmerzlich, aber nötig.

Es bleibt dabei – das muss ich leider auch den Vertretern der Länder und Kommunen sagen –: Das, was wir tun, basiert auf einer Bundesentscheidung. Wir treffen die Entscheidung nach fachlichen Überlegungen. Die Verteilung von Bundeswehrstandorten ist kein Strukturprogramm für die Länder. Ich weiß, dass das strukturelle Auswirkungen hat, dass so etwas in Überlegungen einfließt, aber das erkenntnisleitende Motiv kann nicht die Strukturpolitik für Länder und Kommunen sein, so leid mir das tut.

Ich bitte Sie um Unterstützung bei den Beratungen zu diesem Haushalt und auf dem schwierigen Weg der Neuausrichtung, auf dem wir uns befinden. Ich biete, wie bereits im Mai, auch der Opposition eine entsprechende Zusammenarbeit an. Wir brauchen eine Bundeswehr, die unserem Schutz und unserer Sicherheit dient, eine Bundeswehr, die zwar knapp, aber trotzdem solide finanziert ist, eine Bundeswehr, die fest in unserer Gesellschaft verankert und auch in Zukunft einsatzbereit ist.

Vielen Dank.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

- 120 - Rede von Staatsminister Werner Hoyer vor dem Bundestag zur weiteren deutschen Beteiligung an der VN-Mission in Südsudan (UNMISS) am 21. September 2011

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am 9. Juli wurde Südsudan ein unabhängiger Staat, allerdings ein Staat noch ohne ausreichende staatliche Verwaltung, wirtschaftliche und soziale Infrastruktur. Deren Aufbau wird intensive und langjährige Anstrengungen Südsudans erfordern, aber auch aktive Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.

Zudem finden in Teilen Südsudans weiterhin bewaffnete innerstaatliche Auseinandersetzungen statt, die politische, ethnische und wirtschaftliche Hintergründe haben. Südsudan ist somit auf seinem Weg zu einer geordneten und stabilen Staatlichkeit gleich mit mehreren Bürden belastet.

Um Südsudan auf diesem Weg zu unterstützen, haben die Vereinten Nationen auf Bitten der Regierung in Juba am 8. Juli 2011 ihre Mission im Südsudan, UNMISS, beschlossen. Kernaufgaben von UNMISS sind die Unterstützung der Regierung bei der Friedenskonsolidierung und damit längerfristig bei der Absicherung des Staatsaufbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung. UNMISS leistet Unterstützung bei der Gewährleistung von Sicherheit, der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und der Stärkung des Sicherheits- und Justizsektors.

Die Mission hat ein robustes Mandat. Das heißt, ihre Kräfte sind autorisiert, zum Eigenschutz, zur Gewährleistung der Sicherheit der humanitären Helfer und zum Schutz der Zivilbevölkerung gegebenenfalls auch Gewalt anzuwenden.

Deutschland ist seit Mandatsbeginn an UNMISS beteiligt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nochmals herzlich dafür zu danken, dass wir mit Flexibilität und gutem Willen in der Lage waren, dieses Mandat am 8. Juli, also unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause, mit einer sehr breiten Mehrheit zu beschließen. Die Bundesregierung hat ihren Mandatsantrag wegen der besonderen Entscheidungssituation auf drei Monate beschränkt. Jetzt bitten wir Sie dann um ein Mandat bis zum 15. November 2012, auch um im Gleichklang mit den anderen einschlägigen Mandaten zu stehen.

Vier Fraktionen dieses Hohen Hauses stehen geschlossen hinter diesem Mandat. Das ist bemerkenswert. Einzig die Fraktion Die Linke war der Meinung, Deutschland solle sich nicht daran beteiligen, diesen jungen, leidgeprüften und immer noch fragilen Staat zu unterstützen. Auch das ist bemerkenswert.

Das deutsche Engagement bei UNMISS ist Teil der langjährigen Bemühungen der Bundesregierung um eine dauerhafte Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung im Sudan und Südsudan im Rahmen ihres Sudankonzeptes. Es ist eingebettet in ein starkes entwicklungspolitisches und diplomatisches Engagement und verdeutlicht erneut, was wir unter dem Begriff „vernetzte Sicherheit“ verstehen.

Sicherheit und Stabilität, zivile und wirtschaftliche Entwicklung - all dies muss gemeinsam gedacht und ganzheitlich angestrebt werden. Es kann keine Entwicklung geben, wenn diese nicht abgesichert wird. Es kann keine Stabilität geben, die nicht auf einer positiven Entwicklung der Lebensverhältnisse basiert. Hierfür setzen wir - 121 - uns ein. Daher haben wir ein starkes Interesse an einer fortgesetzten Präsenz der Vereinten Nationen im Südsudan.

Derzeit sind 13 deutsche Soldaten vor Ort im Hauptquartier in Juba und als Verbindungsoffiziere in der Fläche. Sie leisten damit unter schwierigsten Bedingungen einen wertvollen Dienst. Dafür möchte ich ihnen auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen.

Es sollen weiter bis zu 50 deutsche Soldatinnen und Soldaten auf der völkerrechtlichen Grundlage der Resolution des Weltsicherheitsrates eingesetzt werden können. Da UNMISS jedoch – anders als ursprünglich vorgesehen – auf absehbare Zeit keine Rolle bei der Grenzüberwachung zwischen Sudan und Südsudan spielen wird, besteht kein Bedarf mehr für die bislang mandatierte Militärbeobachterkomponente. Diese entfällt daher im vorliegenden Antrag.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen einen stabilen Südsudan und konfliktfreie Beziehungen zwischen Juba und Khartoum. Wir sind bereit, einen konkreten Beitrag dazu zu leisten. Wir tun dies, weil uns bewusst ist, wie wichtig der Bestand und das Gelingen des jungen Staates Südsudan sind.

Es ist dies die erste Staatsneugründung in Afrika seit 1993, als sich Eritrea von Äthiopien trennte. Wir erinnern uns, dass das, was damals zunächst friedlich begann, schließlich in einem bitter geführten Krieg endete, der Tausende, ja Zehntausende Menschenleben gekostet hat. Bis heute wird der Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten nicht anerkannt, und bis heute stehen sich Zehntausende Soldaten schwerbewaffnet an der Grenze gegenüber. Das soll nicht, das darf nicht das Schicksal Sudans und Südsudans werden.

Doch trotz der friedlich verlaufenden Trennung dieser beiden Staaten gibt es immer noch etliche offene Fragen, die hohes Konfliktpotenzial bergen. Der Grenzverlauf und damit auch der Zugang zu Rohstoffen und deren Nutzung sind noch immer nicht abschließend geklärt. Die besorgniserregenden Zusammenstöße in den südlichen Provinzen Sudans ebenso wie das weiterhin schwelende Problem Darfur und die Stammeskämpfe im Südsudan, die in diesem Jahr bereits über 2 000 Todesopfer gefordert haben - all dies sind Feuer, die es einzudämmen und zu löschen gilt, bevor sie übergreifen.

Bei allen Problemen, vor denen der junge Staat Südsudan steht, gilt: Der Süden Sudans hat zu Beginn dieses Jahres sein Referendum friedlich und geordnet durchgeführt. Die Loslösung vom Norden wurde ohne größere Verwerfungen vollzogen. Der Präsident der Republik Sudan war bei der Proklamation der Republik Südsudan als Gast anwesend. Das ist mehr als viele Beobachter noch vor einem Jahr angenommen hätten.

Die Verhandlungen über die offenen Fragen werden unter der Beobachtung der internationalen Gemeinschaft in Addis Abeba weitergeführt. Dies wird, so ist zu hoffen, den Verantwortlichen in Juba ein Ansporn sein, auf dem Erreichten aufzubauen. Dies sollte der internationalen Gemeinschaft Grund genug sein, ihrer Verantwortung gegenüber dem Südsudan weiter gerecht zu werden.

- 122 - Deutschland wird sich weiter aktiv daran beteiligen. Die Mission ist dabei ein wichtiger Baustein für Frieden und Stabilität in der Region. Deswegen soll das Bundestagsmandat hierfür weitgehend unverändert verlängert werden. Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie hierfür um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière zum Wehrbeauftragtenbericht 2010 am 22. September 2011

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, lieber Herr Königshaus! Wir diskutieren heute über Ihren Jahresbericht, Ihre Hinweise und Ihre Bemerkungen. Das Bundesministerium der Verteidigung und ich selbst sind Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre Arbeit ausdrücklich dankbar.

Es ist eine gute Tradition, in der Sie mit Ihrem Amt stehen, eine Tradition, auf die auch unsere Verbündeten mit Interesse schauen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Jahresberichte des Wehrbeauftragten und seine Zwischenberichte in erster Linie Mängellisten sind, so wie Sie solche Mängel sehen. Es liegt natürlich auch in der Natur der Sache, dass sich der Wehrbeauftragte und das Bundesministerium der Verteidigung bzw. der Bundesminister der Verteidigung in der Bewertung nicht immer ganz einig sind; sonst bräuchte es Sie ja nicht, wenn wir uns in der Bewertung immer einig wären.

Ich finde, das sollten wir offen aussprechen und mit diesen Meinungs- und Bewertungsunterschieden konstruktiv umgehen.

Die innere Verfassung der Bundeswehr, der Geist, der in ihr herrscht, ist nach meiner Auffassung insgesamt gut. Das gilt ungeachtet festgestellter Mängel und trotz immenser Belastungen durch Auslandseinsätze und Neuausrichtung. Die Bundeswehr wird nie ohne Mängel sein; denn die Bundeswehr besteht aus Menschen. Zu grundsätzlicher Kritik oder grundsätzlicher Besorgnis über die innere Lage unserer Bundeswehr besteht kein berechtigter Anlass.

Ich bin dankbar, dass der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht erneut darauf hingewiesen hat, dass unsere Soldatinnen und Soldaten eine – ich zitiere – „für die Gesellschaft unverzichtbare und viel zu wenig gewürdigte Aufgabe“ wahrnehmen. Für die meisten Menschen in Deutschland sind die teils extremen Eindrücke und Gewalterfahrungen, denen unsere Soldaten im Einsatz ausgesetzt sind, kaum nachzuvollziehen. Das ist verständlich.

Es ist kaum ein größerer Kontrast vorstellbar als der zwischen mancher Einsatzrealität unserer Soldaten und unserem zivilen, weitestgehend gewaltfreien Leben in Deutschland. Zu dieser Einsatzrealität gehört auch, dass es in Deutschland seit einigen Jahren wieder Veteranen gibt, Veteranen der Bundeswehr. Ich bekenne mich heute zu diesem Begriff. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Wie andere Nationen sollten auch wir deshalb von unseren Veteranen sprechen. Junge Menschen werden sich nur dann für den Dienst in der Bundeswehr - 123 - entscheiden und im äußersten Fall ihr Leben für unser Land und unsere Freiheit einsetzen, wenn unsere Gesellschaft den soldatischen Dienst als wertvoll, ja als ehrenhaft ansieht. Ich werde es daher zu einem Schwerpunkt meiner künftigen Arbeit machen, in der Bundeswehr eine Politik für den Umgang mit unseren Veteranen und ihre Versorgung zu formulieren und auf den Weg zu bringen. Ich bin sehr froh, dass wir in dieser Frage mit Ihnen völlig einig sind.

Der Bundesminister der Verteidigung ist hier natürlich besonders gefordert. Richtig ist aber auch: Die ganze Gesellschaft ist hier gefordert. Es geht darum, sicherzustellen, dass unsere Streitkräfte, unser Staat und unsere Gesellschaft denjenigen, die im Einsatz für unser Land Opfer gebracht haben, die verdiente Fürsorge und Anerkennung zukommen lassen. Der Platz der Bundeswehr ist in der Mitte unserer Gesellschaft. Die Bundeswehr wird ihren Beitrag dazu leisten, den Dienst in den Streitkräften attraktiv zu gestalten und diejenigen, die in Ausübung ihres Dienstes physisch oder psychisch zu Schaden gekommen sind, angemessen zu versorgen. Finanzielle Anreize sind dabei wichtig – wir werden diese Woche noch darüber diskutieren –, sie reichen aber nicht aus. Hinzu kommen müssen Respekt und Wertschätzung sowie attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ich will eine Forderung aufgreifen, für die Sie werben: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier ist schon einiges geschehen. Vieles muss noch besser werden. Perfekt kann es nie werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur während der Einsatzzeit, sondern auch ohne Einsatz in der Bundeswehr besonders schwierig zu organisieren ist. Aber: Wir wollen besser werden. Wir wollen daran arbeiten.

Herr Königshaus, ich danke Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die zahlreichen Hinweise und Anregungen, die Sie gegeben haben. Ihr Bericht ist für uns Ansporn, nicht nachzulassen, die Fehler abzustellen und dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr weiterhin in der Gesellschaft verankert ist. Dazu brauchen wir den guten Geist des Miteinanders, den Verzicht auf unberechtigte Vorwürfe, das harte Nachgehen bei berechtigten Vorwürfen und ein gutes Miteinander in diesem Hohen Haus.

Vielen Dank.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz am 30.September 2011 (EinsatzVVerbG)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Der Deutsche Bundestag hat allein in diesem Jahr siebenmal über die Entsendung von Streitkräften debattiert und abgestimmt. Dabei stehen naturgemäß die Sicherheitspolitik und die Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes im Mittelpunkt. Das ist verständlich und gut so. Wir dürfen aber niemals vergessen, dass es bei diesen Entscheidungen um Menschen geht, um Soldaten, manchmal auch um zivile Mitarbeiter, die wir in die Welt schicken, um Menschen, die uns anvertraut sind. Deswegen debattieren wir heute über den vorliegenden Gesetzentwurf. - 124 - Die Soldatinnen und Soldaten und ebenso die zivilen Mitarbeiter werden, wenn auch in unterschiedlicher Form, durch unsere Entscheidung Gefährdungen ausgesetzt. Die Soldatinnen und Soldaten wissen das. Sie kennen die Gefährdungen. Sie haben durch Ablegung ihres Diensteids zugesagt, sich diesen Gefährdungen auszusetzen. Viele sind stolz darauf.

Loyalität und Pflichterfüllung sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber keine Einbahnstraße. Für Staat und Politik folgt vielmehr im Gegenzug die Verpflichtung, Verletzte und Hinterbliebene so gut wie möglich abzusichern. Pflichterfüllung der Soldaten und Fürsorgepflicht des Dienstherrn sind zwei Seiten derselben Medaille.

Die Art und Weise, wie unser Land mit den Veteranen der Bundeswehr umgeht, wie es sie nach dem Einsatz wieder aufnimmt, wie ihre Versorgung gestaltet wird, ist ein zentraler Gradmesser der gesellschaftlichen Anerkennung des soldatischen Dienstes. Hier setzt der Gesetzentwurf an, den ich heute hier einbringen darf.

Es ist nicht das erste Gesetz zu diesem Thema. Wir haben bereits 2004 und 2007 entsprechende Gesetze beraten. Vieles ist besser geworden. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Initiative zu diesem Gesetzentwurf, die vom Parlament und nicht von der Regierung ausgegangen ist. Ich freue mich, dass wir uns darüber einig sind, weitere Verbesserungen vorzunehmen. Ich nenne einmal fünf:

Erstens. Die einmalige Entschädigungszahlung bei schweren Einsatzunfällen wird deutlich erhöht.

Zweitens. Einsatzzeiten werden bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit in Zukunft doppelt berücksichtigt. Das ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt.

Drittens. Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wirkt rückwirkend. Diese Änderung ist vielleicht noch wichtiger als die vorige. Wir führen einen Stichtag ein, den 1. Juli 1992. Das war, wenn ich das richtig weiß, der Kambodscha-Einsatz. Das heißt, es gilt für alle, die seit 1992 gefallen sind oder verwundet worden sind. Es wird also niemand benachteiligt.

Viertens. Hinterbliebene von im Einsatz gefallenen Zeitsoldaten werden genauso behandelt, als wenn der Angehörige – meist ist es der Ehemann – Berufssoldat gewesen wäre. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Aus guten Gründen werden Dienstverhältnisse auf Zeit anders behandelt als unbefristete Dienstverhältnisse. Hier, wenn es um das Beklagen eines gefallenen Soldaten geht, wird die Versorgung gleich gestaltet.

Fünftens. Wir schließen eine Lücke bei den sogenannten Kriegsklauseln. Auch bei Lebensversicherungen zur Finanzierung von Immobilien tritt künftig der Bund mit einem Schadensausgleich ein.

Ich will das zum Anlass für eine Bemerkung nehmen. Wir schaffen diese Regelung gern, und wir halten sie auch für richtig. Aber ich möchte von hier aus an unsere Versicherungen appellieren. Wenn es eine Kriegsklausel in einem Lebensversicherungsvertrag gibt und der Soldat etwa in Afghanistan gefallen ist, dann ist es für die Versicherung nicht nur eine Frage der Kulanz, sondern der selbstverständlichen Ehre, sich in diesem Fall gegenüber den Hinterbliebenen nicht auf die Kriegsklausel zu berufen.

- 125 - Wenn man sich doch auf die Klausel beruft, steht der Bund dafür ein. Das wird hier geregelt.

Einzelne Zielvorstellungen, die in dem Beschluss dieses Hauses niedergelegt waren, sind in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht umgesetzt worden; dazu werden wir in der Debatte gleich noch etwas hören. Dabei geht es um die Frage, ab wann eine dauerhafte Wehrdienstbeschädigung vorliegt, ab einem Schädigungsgrad von 30 Prozent oder von 50 Prozent, und wie die Beweislast ist. Im Rahmen der Ressortabstimmung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, das nicht in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Es wird jetzt versucht – das habe ich gehört; die Koalitionsfraktionen werden das sicher gleich näher begründen –, das noch nachzubessern. Wenn es dazu kommt, freut mich das sehr.

Ich will, auch in Richtung der Opposition, noch sagen: Egal, wie diese Debatte ausgeht – es sind ja hoffentlich wenige Fälle, in denen der Schädigungsgrad zwischen 30 und 50 Prozent beträgt –: Wir sollten nicht vergessen, dass die großen Maßnahmen, die auf Ihre gemeinsame Initiative hin jetzt eine gesetzliche Grundlage finden, als Erfolg bleiben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.

Ich will abschließend darauf hinweisen, dass diese gesetzlichen Regelungen nicht nur für Soldatinnen und Soldaten gelten, sondern auch für alle zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Polizistinnen und Polizisten in Einsätzen. Wir haben in dem Bereich weniger Opfer zu beklagen, aber es gibt Opfer. Wer weiß, vielleicht werden es mehr. Für diesen Personenkreis wird in gleicher Weise gesorgt.

Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung. Ich bin sicher, dass dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung in diesem Haus mit einer breiten Mehrheit verabschiedet wird. Das wäre insbesondere für die Soldatinnen und Soldaten gut.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière anlässlich der 8. Handelsblatt Konferenz am 25. Oktober 2011 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort. I.

Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich, den heutigen Eröffnungs-vortrag zu halten. Obwohl mir bei der Zusage noch nicht klar war, wie eng der Terminkalender in diesen Tagen sein würde.

Wir haben gestern bis spät in den Abend über die Stationierungsentscheidungen beraten. Und wir werden uns nach meinem Vortrag hier bei Ihnen auch gleich wieder zusammen setzen, um die letzten noch offenen Details zu klären.

Die Entscheidungen zur Stationierung sind ein entscheidender Schritt der Neuausrichtung unserer Bundeswehr. Dabei geht es nicht einfach um Punkte oder Fähnchen auf der Landkarte, sondern um eine zukunftsfähige räumliche Aufstellung der Bundeswehr. Davon sind in erster Linie die Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien betroffen, aber natürlich auch Länder, Städte und Kommunen.

- 126 - Ich habe von Anfang an deshalb keinen Zweifel an unseren Kriterien gelassen. Funktionalität, Kosten, Attraktivität und Präsenz in der Fläche sind der Maßstab und Grundlage unserer Entscheidungen.

Und deshalb bin ich überzeugt, dass die letztendlich zu treffenden Entscheidungen belastbar und zukunftsfest sind. An vielen Standorten warten die Menschen seit Wochen gebannt – einige unter Ihnen hier wahrscheinlich auch. Ich bitte Sie aber noch um etwas Geduld – nur noch bis morgen.

An Aktualität wird es heute und am morgigen Konferenztag dennoch nicht fehlen. Das Handelsblatt hat einmal mehr ein gutes Gespür für das richtige Thema zur richtigen Zeit bewiesen.

Diese Konferenz zur Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen derart gebündelt Expertise aus Wirtschaft, Bundeswehr und Politik aufeinandertrifft und lebhaft diskutiert.

Es ist mir daher umso wichtiger, bei Ihnen zu sein. Schließlich findet die Neuausrichtung der Bundeswehr ja nicht im luftleeren Raum statt.

Im Gegenteil: Die Neuausrichtung ist ein zentrales Projekt dieser Bundesregierung. Sie kann aber nur gemeinsam mit der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und wehrtechnischer Industrie gelingen.

Ich will an dieser Stelle mit einem gelegentlich aufkommenden – und in der veröffentlichten Meinung allzu sehr ventilierten – Eindruck aufräumen: Die Neuausrichtung ist kein Sparprogramm. Sie ist ein Zukunftsprogramm. Sie stellt die Bundeswehr und ihre Fähigkeiten konsequent für die Herausforderungen von heute und morgen auf. Drei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

Erstens: Was wollen wir können?

Zweitens: Was können wir wollen?

Drittens: Wie können wir das am besten erreichen?

II.

Die sicherheitspolitischen Herausforderungen unseres Landes habe ich in den Verteidigungspolitischen Richtlinien beschrieben.

Sie bilden das sicherheitspolitische Fundament der Neuausrichtung.

Die wichtigste Botschaft – was Deutschland können will und auch können muss \u2013 steckt bereits im Titel: Nationale Interessen wahren – Internationale Verantwortung übernehmen – Sicherheit gemeinsam gestalten.

In diesem Kreis muss ich die Herausforderungen nicht im Einzelnen auflisten. Spannender und alle Mal lohnender ist es, einen gemeinsamen Blick auf den Begriff Sicherheit zu werfen.

- 127 - Sicherheit ist heute weder rein national noch ausschließlich geographisch definiert. Sicherheit ist nicht einfach die Abwesenheit von Unsicherheit. Sicherheit ist geschützte Freiheit – nach innen und nach außen.

Dabei geht es letztlich um vier Aspekte.

1. Unsere Sicherheitspolitik bezieht sich nicht mehr nur auf unseren Nationalstaat. Sie ist nicht mehr rein territorial zu denken. Galt unser Interesse während des Kalten Krieges hauptsächlich der regionalen Sicherheit in (West-)Europa, so gilt es heute der internationalen Sicherheit – einem stabilen Staatensystem. Kurzum: national, regional, international, das ist die Entwicklung.

2. Wen oder was wollen wir schützen? Die traditionelle Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sicherheit verliert angesichts neuer Bedrohungen zunehmend ihre Bedeutung. Unsere Gesellschaft, unsere Werte und Normen sollten daher einen noch größeren Stellenwert in der Debatte darüber erhalten, wen oder was es zu schützen gilt, und wie dies am besten gelingt.

3. Es geht nicht um militärische Sicherheit. Auch Entwicklungen in anderen Politikbereichen, wie Wirtschafts- und Finanzpolitik oder Demographie können sich jederzeit auf unsere Sicherheit auswirken.

4. Wie viel Sicherheit wollen wir? Nicht jede Herausforderung ist eine existentielle Bedrohung. Die Beeinträchtigung von Handelswegen beispielsweise ist vielmehr eine ernst zunehmende Verwundbarkeit.

Wollen wir uns dennoch gegen solche Bedrohungen schützen? Was wären die Folgen für eine rohstoffarme Exportnation wie Deutschland, würden wir diese Frage verneinen?

Wie steht es mit Risiken, wie dem internationalen Terrorismus oder der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen? Sollten, ja, müssen wir uns präventiv schützen? Unser strategisches Sicherheitsumfeld ist zunehmend unwägbar, es ist zunehmend unvorhersehbarer. Und es ist komplexer und dynamischer als noch zu Zeiten des Kalten Krieges.

Kein Staat kann für sich allein Sicherheit garantieren. Der beste Schutz besteht darin, Krisen frühzeitig zu verhindern, Konflikte einzuhegen, oder, wenn dies nicht gelingt, sie auf Distanz zu halten.

Sicherheit zu gewährleisten verlangt, international Verantwortung zu übernehmen \u2013 auch dann, wenn nicht direkt vitale deutsche Interessen betroffen sind.

Und es bedeutet gesellschaftliche Werte zu verteidigen – wie Freiheit, Rechtstaatlichkeit und die Würde des Menschen.

III.

Wir stehen heute vermehrt vor nicht-staatlichen und asymmetrischen Herausforderungen. Somalia ist ein treffendes Beispiel dafür: Hier herrscht eine der schlimmsten Hungersnöte seit 60 Jahren. Sie ist jedoch weder simple Folge zweier ausbleibender Regenzeiten noch eine rein humanitäre Notlage.

- 128 - Die Dürre ist eine Folge des globalen Klimawandels; das Ausmaß der Hungersnot wiederum in großen Teilen der staatlichen Fragilität und politischen Handlungsunfähigkeit Somalias geschuldet. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat staatliche Strukturen und öffentliche Ordnung zerstört.

Instabilität und Unsicherheit werden durch den Terrorismus in der Region weiter befördert. Die Flüchtlingsströme nach Mogadishu und ins benachbarte Kenia bereiten den Nährboden für neue Konflikte.

Hinzu kommt das Piraterie-Problem und damit verbunden eine konkrete Gefährdung internationaler Handelswege. Die Operation Atalanta bekämpft die Piraten zwar immer erfolgreicher. Militärische Mittel stoßen hier aber an die Grenzen ihrer Wirksamkeit. Der sicherheitspolitische Diskurs über solch komplexe Sachverhalte ist in Deutschland gelinde gesagt, zumindest ausbaufähig. Zumeist erfolgt er nur plakativ oder stark verkürzt. Daraus resultieren Unverständnis für die Bundeswehr und ihre Anliegen und Missverständnisse über ihren Auftrag und ihre Einsätze.

Das zeigt sich in der öffentlichen Meinung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Seit Langem lehnt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ab. In einer Umfrage vor einem Monat sprachen sich 66 Prozent der Befragten für einen sofortigen Abzug aus Afghanistan aus.

Gleichzeitig befürworteten im ARD Deutschlandtrend vor zwei Monaten 63 Prozent der Befragten einen möglichen UN-Militäreinsatz zur Sicherung von Hilfstransporten in Somalia – auch mit deutscher Beteiligung.

Wie passt das zusammen? Eigentlich gar nicht. Das Missverständnis besteht einerseits in der Vorstellung, strikt zwischen Kampfeinsatz und einem Hilfs- oder Unterstützungseinsatz unterscheiden zu können. Nicht zuletzt aus unseren Einsätzen wissen wir: Das ist nicht möglich!

Und andererseits macht es einen Unterschied, in einer Notlage bspw. wie in Somalia helfen zu wollen, oder dies dann zu tun. Wenn dann im Laufe des Einsatzes festgestellt wird, dass auch die Sicherung von Hilfskonvois gefährlicher und komplexer ist, als gedacht, ändert sich auch schnell die öffentliche Meinung über diese Einsätze.

Wir sind nach Afghanistan gegangen, um eine Regierung dabei zu unterstützen, für Sicherheit in ihrem Land zu sorgen.

ISAF steht für „Security Assistance” force. Dennoch sprechen wir inzwischen mit Recht von einem Krieg in Afghanistan. Unsere Soldaten müssen kämpfen. Wir haben Verwundete und trauern um Gefallene.

Auch vor diesem Hintergrund müssen wir uns fragen, was deutsche Sicherheitspolitik können will.

IV. Was wollen wir können? – Interessen und Verantwortung –

Deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik erfolgt werte-gebunden und interessengeleitet. Und sie wird auch in Zukunft nicht ohne militärische Mittel auskommen.

- 129 - Streitkräfte sind der Ausdruck des Selbstbehauptungswillens einer Nation. Sie sind das Rückgrat für die Sicherheit unseres Landes. Und sie dienen dem Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger.

Als stärkste Volkswirtschaft Europas und drittstärkste Exportnation der Welt sind wir von der Stabilität des internationalen Staatensystems abhängig. Wir tragen aber auch erheblich zu dessen Stabilität bei.

Das verpflichtet uns, auch international Verantwortung zu übernehmen – in stärkerem Maße als bisher. Die Bundesregierung muss dafür den nötigen politischen Willen entwickeln – und zwar ressortübergreifend. Und wir alle müssen ein entsprechendes Verständnis für diese Zusammenhänge erlangen.

Unsere Partner sehen uns längst als „gleichberechtigten“ und damit auch „gleichverpflichteten“ Partner an. Die Anfragen der Vereinten Nationen, der EU und der NATO werden deshalb künftig eher zu- denn abnehmen. Wer gefragt ist, sollte Antworten geben können – gegebenenfalls auch militärisch. Denn der Einsatz militärischer Gewalt kann ein Mittel der Politik sein, um schlimmere Gewalt zu verhüten oder einzuhegen.

Zumindest aber kann der Einsatz von Streitkräften die Voraussetzungen schaffen, damit andere Instrumente greifen können.

Auslandseinsätze sind mittlerweile ein selbstverständlicher Auftrag der Bundeswehr. Derzeit sind rund 7.000 deutsche Soldaten im Einsatz. Das heißt nicht, dass wir immer und überall dabei sein müssen. Auslandseinsätze können und sollten nie Normalität sein.

Mit dem Einsatz sind immer auch Risiken und Gefahren für Leib und Leben unserer Soldaten verbunden. Auch deshalb bedarf der Einsatz von Streitkräften der Legitimation. Eine pauschale Antwort, wann der Einsatz von Streitkräften erforderlich und legitim ist, oder ein Kriterienkatalog, der einfach abgearbeitet werden könnte verbieten sich. Jeder Einzelfall muss sorgfältig geprüft werden.

Dabei sind drei Maßstäbe entscheidend:

Erstens, deutsche Interessen;

Zweitens, unsere internationale Verantwortung;

Und drittens, der Kontext. Sind wir durch andere Einsätze gebunden? Wie lange wird ein Einsatz dauern? Was sind die Bedingungen für die Beendigung eines Einsatzes?

Darüber hinaus müssen wir uns aber auch fragen, welche Folgen ein Nicht-Einsatz hat. Die gelungene Balance zwischen übertriebenem Aktionismus und fataler Unterlassung zu finden, das ist manchmal ein Drahtseilakt. Unterlassung ist nur weniger sichtbar, und man fühlt sich nicht in gleichem Maße persönlich für die Folgen verantwortlich.

Selbstbewusstsein und souveräne Entscheidungen verlangen jedoch das gleiche Maß an Verantwortlichkeit im Falle eines Einsatzes wie eines Nicht-Einsatzes. Gleichzeitig müssen wir eine realistische Antwort auf die Frage geben, was wir überhaupt erreichen können. - 130 - Es nützt niemandem, ja, es ist sogar kontraproduktiv, wenn wir uns mit gut gemeinten, aber viel zu hoch gesteckten Zielen ins Gefecht werfen. Das sage ich ganz bewusst auch im Hinblick auf nicht-militärische Maßnahmen. Ein klares, ehrliches Erwartungsmanagement – in Deutschland und im Einsatzland – ist dazu unerlässlich.

V.

Wenn wir uns für einen Einsatz militärischer Mittel entscheiden, dann im Rahmen unseres Konzepts der vernetzten Sicherheit. Die Bundeswehr konzentriert sich dabei auf ihren Kernauftrag: militärische Aufgaben.

Das Konzept der vernetzten Sicherheit birgt einen Arbeitsauftrag in sich: Unsere Sicherheitspolitik muss mehr noch als bisher gesamtstaatlich, umfassend und abgestimmt erfolgen.

Politische und diplomatische Initiativen, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche, humanitäre, soziale und militärische Maßnahmen: sie alle sind in unserem Repertoire vorhanden. Entscheidend ist, das Potenzial besser auszuschöpfen. Hier sind alle Politikbereiche stärker als bisher gefordert.

Viele haben sich daran gewöhnt, dass die Bundeswehr im Einsatz auch deren Auftrag übernimmt. Das ist aber weder Sinn noch Zweck von vernetzter Sicherheit.

Wir brauchen deshalb eine informierte gesellschaftliche Debatte über die Bundeswehr und ihren Auftrag. Nur so ist eine verantwortungsbewusste Diskussion über den Einsatz militärischer Mittel möglich.

Unsere sicherheitspolitischen Interessen und Ziele werden weithin geteilt. Wir alle müssen aber ein ebenso klares Verständnis darüber haben, wie wir diese Interessen wahren und diese Ziele erreichen wollen.

Darum wird es bei der jetzt anstehenden Entscheidung über die Verlängerung des Afghanistanmandats gehen.

Natürlich müssen wir uns fragen, welche Ziele einen weiteren Verbleib unserer Soldaten rechtfertigen. Und ebenso stellt sich die Frage nach den Folgen einer Truppenreduzierung für Afghanistan und für unsere Sicherheit.

Es ist richtig, die Ziele der internationalen Gemeinschaft mögen anfangs zu hoch gesteckt gewesen sein. Doch rechtfertigt die allenthalben verbreitete Ernüchterung, die bisher erzielten Erfolge aufs Spiel zu setzen?

Der Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte verläuft planmäßig. Wir haben unser Ziel, dieses Jahr 305.000 Soldaten und Polizisten in den Dienst zu bringen, erreicht.

Aufständische haben gerade in den Gebieten an Initiative und Boden verloren, wo wir zusammen mit den afghanischen Sicherheitskräften präsent sind.

Die USA werden bis September 2012 schrittweise rund 33.000 Soldaten abziehen. Davon nach derzeitiger Planung noch in diesem Jahr 900 im Norden Afghanistans.

- 131 - Bei der Diskussion über die Verlängerung des Afghanistanmandats sind wir gut beraten, die damit verbundenen Auswirkungen im Auge zu behalten.

Eine übertriebene Verkleinerung des Kontingents aus politischer Symbolik verbietet sich ebenso wie ein vorschneller Verzicht auf wichtige Fähigkeiten.

Wir dürfen weder die Übergabe in Verantwortung noch die Sicherheit unserer Soldaten gefährden?

10 Jahre Afghanistan zeigen, welche Fragen wir uns auch für künftige Einsätze stellen müssen. Das bringt uns zur grundsätzlichen Frage, was wir wollen können.

VI. Was können wir wollen?

Wir befinden uns in einer Zeit der „doppelten Herausforderung“: sicherheitspolitische Herausforderungen nehmen beständig zu; verfügbare Mittel (in Europa und auch in den Vereinigten Staaten) nehmen dagegen ab.

Wir sollten uns keiner falschen Illusion hingeben: Beides wird auf absehbare Zeit so bleiben. Manch‘ einer würde daraus wohl schlussfolgern, wir befänden uns in einer Zeit „doppelter Probleme“.

Ich meine, wir befinden uns stattdessen in einer Zeit „doppelter Chancen“; der nationalen Chancen und der internationalen Chancen. Wir müssen jedoch den politischen Willen entwickeln, diese Chancen auch zu ergreifen. Das erwarten die Menschen in Deutschland von ihren politischen Verantwortungsträgern. Und das erwarten unsere Verbündeten von Deutschland. Zu Recht.

Deutschland handelt aus einer Position der Stärke – wirtschaftlich und politisch. Wohlstand und Anerkennung gibt es jedoch nicht zum Nulltarif.

Sicherheit ist nicht irgendeine, sondern die erste Staatsaufgabe. Sicherheit ist kein Luxusgut, sondern Grundbedürfnis.

Wir können es uns nicht leisten, auf Kosten unserer Sicherheit zu sparen. Wenn eines sicher ist, dann die Erfahrung der Geschichte und auch der jüngsten Zeit, dass Krieg immer teurer ist als Prävention.

Der Aufwand für unsere Sicherheit ist eine Investition in unsere Zukunft, in unseren Wohlstand. Wir können und wir müssen unsere Interessen wahren und unserer internationalen Verantwortung nachkommen wollen!

Ergo: Wir brauchen Streitkräfte, die der Politik ein breites Spektrum an Handlungsoptionen bieten. Das ist das Ziel der Neuausrichtung.

- 132 - VII. Wie können wir das am besten erreichen? – Die Neuausrichtung der Bundeswehr –

Im Ergebnis sollen einsatzbereite und einsatzfähige Streitkräfte stehen, die in der Qualität von Ausstattung und Ausbildung der internationalen Stellung und dem Gewicht unseres Landes entsprechen.

Im Ergebnis soll eine Bundeswehr stehen, die ihren Aufgaben besser nachkommen kann als bisher. Sie wird effizienter in Verfahren und Strukturen und effektiver in der Auftragserfüllung.

Die drei Ziele und Maßstäbe der Neuausrichtung sind klar: sie ist sicherheitspolitisch abgeleitet; ihre Strukturen sind demographiefest; und, sie ist nachhaltig finanzierbar.

Die Bundeswehr wird zwar kleiner, dafür aber konsequent einsatz- und fähigkeitsorientiert ausgerichtet – für das gesamte Aufgaben- und Fähigkeits- spektrum. Wir wollen künftig zeitgleich durchhaltefähig rund 10.000 Soldatinnen und Soldaten in Einsätze entsenden können. Deutschland wird damit den sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht und leistet verlässlich seinen angemessenen Beitrag im Bündnis. Die Rahmenbedingungen sind gegeben: mit den VPR und den Eckpunkten zur Neuausrichtung ist seit Mai der Rahmen abgesteckt; die Grobstrukturen der Streitkräfte sind seit September entschieden; die Grundstruktur des Ministeriums steht;

Überlegungen für ein Reformbegleitprogramm sind seit vergangener Woche bekannt und werden innerhalb der Bundesregierung besprochen; und ab morgen stehen auch die künftigen Standorte der Bundeswehr fest.

Alle Entscheidungen bauen in sinnvoller Reihenfolge aufeinander auf. Das verstehe ich als Neuausrichtung aus einem Guss.

VIII. Rüstung /Ausrüstung

Auch die Entscheidungen im Bereich Rüstung fügen sich in dieses Gesamtpaket ein. Wir haben jetzt die große Chance, Verfahrensabläufe zu verschlanken und Zuständigkeiten stärker zu konzentrieren.

Flexible Streitkräfte setzen einen schnellen Zulauf von Material und Ausrüstung voraus. Weichen für die Zukunft zu stellen heißt für diesen Bereich, die erforderlichen Fähigkeiten mit leistungsfähigen Waffensystemen und moderner Ausrüstung zu hinterlegen. Es muss uns zudem gelingen, die geforderten Fähigkeiten innerhalb eines vorgegeben Budget- und Zeitrahmens zu realisieren. Wir brauchen Freiräume für neue zukunftsträchtige Investitionen.

- 133 - Wir können und wir müssen im Bereich Rüstung besser werden. Es ist das klare Ziel der Bundesregierung, unseren Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung zur Erfüllung ihrer Aufträge zur Verfügung zu stellen.

Hierzu benötigen wir eine leistungsfähige und innovative wehrtechnische Industrie. Eigene wehrtechnische Fähigkeiten sind die Voraussetzung, um den europäischen Integrationsprozess mit zu gestalten.

Nur Nationen mit einer leistungsfähigen wehrtechnischen Industrie haben ein entsprechendes Gewicht bei Bündnisentscheidungen.

Deshalb suchen wir in enger Abstimmung mit der deutschen wehrtechnischen Industrie nach Lösungen, um uns zukunftsfähig auszurichten und langfristig zu stärken. Unsere Partner in den Bündnissen stehen vor denselben Heraus- forderungen. Da liegt es nah, Anstrengungen zu bündeln und Verfahren zu harmonisieren. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Beschaffung von Systemen sowie gemeinsame Ausbildung und gemeinsamer Betrieb.

IX. Ausblick und Umsetzung

Der organisatorischer Rahmen der neuen Bundeswehr ist gesteckt. Jetzt geht es an die Umsetzung. Das geht nicht von heute auf morgen.

Es braucht Zeit, nicht mehr benötigte Strukturen aufzulösen, neue Einheiten und Verbände aufzustellen und neues Material zu beschaffen.

Der erste sichtbare Schritt war die Aussetzung der Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes. Deutschland verfügt seit dem 1. Juli dieses Jahres über reine Freiwilligenstreitkräfte.

Bis 2015 wollen wir die Zielstruktur der Bundeswehr weitgehend eingenommen haben. Das Ministerium wird seine Zielstruktur bereits im ersten Quartal 2012 einnehmen. Die morgigen Entscheidungen sind wesentlich im Hinblick auf die Akzeptanz der Neuausrichtung. Die persönliche Betroffenheit ist groß. Nicht alle Entscheidungen werden überall auf Beifall stoßen. Das erwarte ich auch nicht.

In jedem Fall werden die Diskussionen Chancen schaffen für die längst überfällige politische Debatte: über den Auftrag der Bundeswehr und für eine breite gesellschaftliche Wahrnehmung des Dienstes unserer Soldatinnen und Soldaten.

Ob die Neuausrichtung ein Erfolg wird, entscheidet sich nicht in den Fluren eines Ministeriums. Dort werden lediglich die Voraussetzungen geschaffen.

Der Erfolg entscheidet sich vor Ort – bei den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, an den Standorten der Bundeswehr in der Heimat und bei jedem einzelnen Bürger. Nur gemeinsam werden wir eine in Aufstellung, Ausstattung und Anerkennung zukunftsfähige Bundeswehr gestalten können.

Jetzt ist die Zeit, die gemeinsame Chance zu nutzen. Ich freue mich darauf. Und auf das Gespräch mit Ihnen.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

- 134 - Rede des Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière zum Stationierungskonzept vor der Bundespressekonferenz am 26. Oktober 2011 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort! Ja, meine Damen und Herren, es tut mit leid, dass Sie warten mussten. Es lag an den Abstimmungsmechanismen im Deutschen Bundestag. Ich bedanke mich für Ihre Geduld.

Ich möchte Sie heute über das Stationierungskonzept für die Bundeswehr, das ich heute vorgelegt habe, unterrichten.

Ich möchte 5 Punkte nennen.

Der erste Punkt:

Dieses Stationierungskonzept folgt schon bisher getroffenen Entscheidungen. Es ist die Folge von Entscheidungen. Das Stationierungskonzept ist nicht die Neuausrichtung der Bundeswehr, sondern ein Teil der Neuausrichtung der Bundeswehr. Welche Entscheidungen meine ich? Zunächst: Anfang des Jahres die Aussetzung der Wehrpflicht. Zur Erinnerung: Wir hatten in den letzten Jahren vor der Aussetzung der Wehrpflicht ungefähr 55.000 Wehrpflichtige plus Betreuungspersonal, Soldaten und zivile Mitarbeiter, die diese Wehrpflichtigen ausgebildet, verpflegt, eingekleidet und Ähnliches haben.

Die zweite Grundentscheidung war die Vorlage der Verteidigungspolitischen Richtlinien im Mai dieses Jahres, damit verbunden die Festlegung der Gesamtzahl der Soldaten und zivilen Mitarbeiter auf bis zu 185.000 und ca. 55.000 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die nächste Etappe war die Verabschiedung des Haushaltes und insbesondere der 45. Finanzplanung. Damit war die Grundlegung der Zahlen und der Sicherheitspolitischen Richtlinien – finanziell – abgesichert. Im September folgte die Entscheidung über die Grobstruktur der Teilstreitkräfte und der Organisation im Einzelnen, auch die Grobstruktur der Organisation für Personal, Infrastruktur, Dienstleistungen und Ausrüstung und Nutzung.

Die Entscheidung über die Verringerung des Ministeriums von gut 3.000 auf demnächst 2.000 folgte, und alles das waren Vorgaben für die heutige Entscheidung. Hinzu kommt dann noch im November die Reservistenkonzeption.

Mein zweiter Punkt:

Wie ist das Ausmaß? Wir haben vor uns einen Dienstpostenabbau, was die Standorte angeht, von 90.000 Menschen. Der eigentliche Personalabbau, den die Bundeswehr zu schultern hat, liegt nur bei 30.000. Wie erklärt sich die Differenz von 90.000 zu 30.000? Das sind im Wesentlichen die Zahl der Wehrpflichtigen und Einsparungen, die wir in Stabsfunktionen und auch in anderer Weise vor uns haben. Ein Wehrpflichtiger, der nicht mehr da ist, muss nicht mehr als Personalabbau gezählt werden, aber ein Wehrpflichtiger, der nicht mehr da ist, hatte einen Standort, und diesen Standort kann er dauerhaft nicht mehr nutzen.

Die Dienstpostendichte pro Einwohner – also: wie viele Soldaten gibt es pro Einwohner – verringert sich von jetzt 3,4 auf in Zukunft 2,4 pro Tausend Einwohner. - 135 - Alles das bedeutet im Schnitt einen standortbezogenen Dienstpostenabbau von rund 30 Prozent. Das ist gewaltig.

Was hier zu entscheiden war, ist aber nicht nur eine Reduzierung der Dienstpostenumfänge und der damit verbundenen Standorte, sondern auch ein Umbau. Die zivile Verwaltung ebenso wie die Streitkräfte werden anders organisiert, anders verwaltet und erfüllen ihren Auftrag anders als bisher. Verantwortung und Kompetenz kommt in eine Hand. Es gibt eine durchgängige Zuständigkeit und Verantwortung für Personal. Es gibt eine durchgängige Zuständigkeit und Verantwortung für Infrastruktur und Dienstleistungen, und es gibt eine durchgängige Zuständigkeit auch in der ganzen Wertschöpfungskette bei Ausrüstung, Nutzung und IT.

Und schließlich hat diese Standortkonzeption auch zu tun mit Vorsorge für die Zukunft. Nachschub, was wir heute machen, ist etwas anderes als Logistik, was wir in Zukunft machen. Fernmelde bisheriger Art wird es so in Zukunft nicht mehr geben. Das ist Ergebnis der technischen Neuerung. Die ABC-Einheiten werden anders organisiert. Und es waren Entscheidungen zu treffen, auch wegen der Ablösung großer Waffensysteme bei den Hubschraubern und den Flugzeugen, über die Frage: Wo liegen eigentlich in Zukunft die strategischen, militärischen Flugplätze für Deutschland. Das ist eine Entscheidung für die nächsten Jahrzehnte.

Mein dritter Punkt – zu den Kriterien:

Die Kriterien habe ich oft genug vorgetragen. Funktionalität, Kosteneffizienz, Attraktivität und Präsenz in der Fläche. Was meinen wir eigentlich mit Funktionalität? Funktionalität heißt und meint, dass eine Zuordnung einer Organisationseinheit, eines Bataillons, eines Zentrums für Nachwuchsgewinnung, einer Personal verwaltenden Stelle, fachlich sinnvoll sein muss. Was fachlich zusammen gehört, sollte auch zusammen sein und bleiben.

Präsenz in der Fläche ist ein großer Anspruch. Wir haben ihn versucht einzuhalten, aber es gibt auch, was die Präsenz in der Fläche angeht, durchaus einen Zielkonflikt. Für die Bevölkerung in den Regionen ist oft der einzig verbliebene Bundeswehr- standort in wirtschaftsschwachen Gebieten eine Überlebenschance. Für viele Soldaten ist es genau umgekehrt. Sie wollen da nicht hin. Da einen Ausgleich zu finden, ist schwierig.

Wir haben, um diesen Abwägungsprozess zwischen Funktionalität, Kosteneffizienz, Attraktivität und Präsenz in der Fläche hinzubekommen, für jeden einzelnen Standort und für jede einzelne Organisationseinheit – wir reden von 6.500 Organisationseinheiten bei, je nachdem, wie Sie zählen, hunderten von Standorten – für jeden dieser Standorte eine Standortanalyse erstellt. Optisch, grafisch, in Bezug auf den Investitionsbedarf, in Bezug auf die vorangegangenen Investitionen, in Bezug auf die Attraktivität in der Fläche. Das war eine gewaltige Arbeit, die meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Wochen und Monaten geleistet haben und verdient großen Dank.

Wir mussten auch die bevorstehen oder die vorhergesagten Standortentscheidungen der Briten und der Amerikaner berücksichtigen. Das betrifft insbesondere das südliche Niedersachsen und das nordöstliche Nordrhein-Westfalen, und das betrifft

- 136 - , Wiesbaden und das betrifft Grafenwöhr und Baumholder. Auch dies haben wir bei unseren Entscheidungen mit berücksichtigt.

Meine vierte Bemerkung – zum Ergebnis selbst:

Wir gehen als Ausgangspunkt für die Standortentschließungen von 328 Standorten aus. Es gibt eine Reihe von Standorten, die haben bereits jetzt schon unter 15 Dienstposten, die habe ich jetzt nicht mitgezählt, sondern beziehe mich auf 328 größere Standorte. Davon werden 31 – bedauerlicherweise – vollständig geschlossen. Weitere 33 Standorte werden so reduziert, dass es einer Schließung gleich kommt, dass nämlich dort nur einige wenige Mitarbeiter übrig bleiben. Wenn wir 30 Prozent der Dienstposten kürzen, ist es trotzdem gelungen, nicht ein Drittel der Standorte zu schließen, sondern es sind deutlich weniger. Das zeigt, dass wir den Grundsatz: Ausdünnung vor Schließung – wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist – dass wir diesen Grundsatz durchgehalten haben.

Hinzu kommt, das will ich nicht verschweigen, dass es nahezu in jedem Standort nicht unerhebliche Verringerungen gibt, insbesondere dort, wo viele Wehrpflichtige waren. Wir haben auch erhebliche Reduzierungen, zum Teil Halbierungen. Zum Teil gehen auch tausende von Dienstposten von einem Standort weg.

Man muss allerdings berücksichtigen, dass bei einem Teil dieser Standorte mehrere tausend Dienstposten jetzt sind. Köln, Kiel, Augustdorf, Koblenz, um nur Beispiele zu nennen. Da ist natürlich ein Abschmelzen vielleicht nicht ganz so gewichtig, als wenn in einem strukturschwachen Gebiet ein Standort von 1.800 Soldaten auf 300 Soldaten zurückgefahren werden muss.

Soweit zu den Ergebnissen für Deutschland als Ganzes.

Die einzelnen Ergebnisse sind niedergelegt in einer Standortbroschüre. Diese Standortbroschüre enthält für jeden einzelnen Standort Vorher – Nachher bezogen auf den Standort und bezogen auf jeweilige Organisationseinheiten. Diese Broschüre ist auch im Internet abrufbar und selbstverständlich im Intranet der Bundeswehr.

Lassen Sie mich (fünftens) einzelne Entscheidungen ganz kurz hervorheben.

Die Inspekteure der Teilstreitkräfte werden künftig ihren Sitz wie folgt haben:

Der Inspekteur des Heeres geht mit dem Führungsstab des Heeres, mit dem Führungskommando des Heeres und dem Heeresamt – fusioniert und abgeschmolzen – nach Strausberg.

• Der Inspekteur der Luftwaffe in einem ähnlichen Verfahren nach Gatow.

• Der Inspekteur der Marine wird seinen Sitz in Rostock nehmen.

• Der Inspekteur der Streitkräftebasis wird seinen Sitz in Bonn nehmen,

• und der Inspekteur des Sanitätswesens in Koblenz.

Das ist eine wichtige Entscheidung, dass auch die wichtige Führungsebene der Inspekteure nicht in Bonn oder Berlin sitzt, sondern auch in der Fläche des Landes

- 137 - verteilt, auch in der Nähe von Berlin, was zusätzlich auch die Rolle der ostdeutschen Länder stärkt.

Wir haben darauf geachtet, dass über die zivil-militärische Zusammenarbeit und über die Verteilung von Feldjägern, Fernmelde und Pionieren die Bundeswehr wie bisher, wenn auch im verringerten Umfang, subsidiär, also hilfsweise, für den Katastrophenschutz zur Verfügung steht.

Wir haben in einigen Fällen insbesondere auf regionale Belange Rücksicht genommen, wenn es fachlich vertretbar war. Damit konnte die eine oder andere Schließung verhindert werden.

In Baden-Württemberg konnte eine größere Industrieansiedlung in einem Standort, der sonst fast auf Null gefallen wäre – in einer Gegend, wo in der Nähe sonst ein Standort geschlossen wird – den Schmerz vielleicht etwas lindern.

Wir haben Standorte, die sind im Gebrauch intensiv – für die Bevölkerung. Das sind Flugplätze. Das sind Truppenübungsplätze. Wir haben darauf geachtet, etwa im Falle Augustdorf und Sennelager, und das wird auch für die Flugzeuge gelten, dass dort, wo jetzt Standorte verbleiben, die Bundeswehr - natürlich in zumutbarer Weise für die Bevölkerung - diese Standorte auch nutzen kann. Ich habe nicht die Absicht, jetzt einen Standort zu erhalten und einen anderen zu schließen, und in einigen Jahren zu hören, dass dieser Standort stört. Ich hoffe, wir haben mit den Entscheidungen auch dafür Rechnung getragen. So beliebt wie die Bundeswehr jetzt ist, so unbeliebt ist sie vielleicht dann, wenn der Standort gesichert ist – jedenfalls, soweit der Standort Lärm verursacht. Und das mussten wir sicherstellen.

Eine Bemerkung zum Schluss.

Jede Standortschließung und jede Standortverringerung ist schmerzlich, für die Soldaten und ihre Angehörigen, für die zivilen Mitarbeiter und ihre Angehörigen. Für die regionale Wirtschaft, vom Bäcker um die Ecke bis zu mittelständischen Betrieben, die von Aufträgen profitieren. Wir werden auch teilweise tiefe Eingriffe in Traditionslinien haben, indem bestimmte Einheiten, die es schon lange gibt, so nicht mehr existieren. Bürgermeister, Landräte, Landesregierungen blicken mit Sorge auf die Standorte, die geschlossen werden. Das verstehe ich.

Für die Soldatinnen und Soldaten und für die zivilen Mitarbeiter soll es ein Reformbegleitprogramm geben, was Umzüge verringert und einen Ausgleich dafür schafft für diejenigen, die die Bundeswehr verlassen müssen und für diejenigen, die bei der Bundeswehr bleiben, aber auch von der Umstrukturierung in besonderer Weise betroffen sind. Dennoch ist der Schritt, den ich heute mitteile, unvermeidlich. Die Bundeswehr ist nicht um der Standorte Willen da, sondern die Bundeswehr ist dafür da, um ihren Auftrag gut und sparsam zu erfüllen.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

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