Plenarprotokoll 19/221

Deutscher

Stenografischer Bericht

221. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Wahlen ...... 27914 A neten , , , Dr. Ergebnisse ...... 27951 D, 27952 A und ...... 27913 A Begrüßung der neuen Abgeordneten Maika Friemann-Jennert ...... 27913 B Wahl des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. als stellvertretendes Mitglied Tagesordnungspunkt 10: der Parlamentarischen Versammlung des a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Europarates ...... 27913 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Absetzung des Tagesordnungspunktes 37 y . . . 27913 B zes über die Feststellung eines Nach- trags zum Bundeshaushaltsplan für das Erweiterung der Tagesordnung ...... 27927 B Haushaltsjahr 2021 (Nachtragshaus- haltsgesetz 2021) Drucksachen 19/27800, 19/28139 ...... 27914 A Tagesordnungspunkt 8: b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Wahl SPD: Beschluss des Deutschen Bundes- eines Stellvertreters des Präsidenten tages gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 (2. Wahlgang) und 7 des Grundgesetzes Drucksache 19/26688 ...... 27913 B Drucksache 19/28464 ...... 27914 B , Bundesminister BMF ...... 27914 B Tagesordnungspunkt 9: (AfD) ...... 27915 C a) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: (CDU/CSU) ...... 27917 A Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgre- miums gemäß § 10a Absatz 2 der Bun- (FDP) ...... 27918 C deshaushaltsordnung Drucksache 19/27275 ...... 27913 B Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 27919 C b) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ Wahl von Mitgliedern des Gremiums ge- DIE GRÜNEN) ...... 27920 C mäß § 3 des Bundesschuldenwesengeset- zes (SPD) ...... 27922 A Drucksache 19/27276 ...... 27913 C (FDP) ...... 27923 B c) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Wahl von Mitgliedern des Sondergre- Dr. André Berghegger (CDU/CSU) ...... 27924 A miums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabili- Marco Bülow (fraktionslos) ...... 27925 C sierungsmechanismusgesetzes Drucksache 19/27277 ...... 27913 C Florian Oßner (CDU/CSU) ...... 27926 B II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. , Donnerstag, den 15. April 2021

Zusatzpunkt 8: , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Nach Tunnel- Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- havarie und Rheintal-Streckensperrung schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- 2017 von Rastatt – Aufarbeitung und schäftsordnung: Antrag auf Genehmigung Notfallmanagement entwickeln zum Vollzug gerichtlicher Vermögensar- Drucksachen 19/1839, 19/3800 ...... 27943 C rest- und Durchsuchungsbeschlüsse Drucksache 19/28510 ...... 27927 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des (AfD) (Erklärung nach § 32 Ausschusses für Verkehr und digitale In- GO) ...... 27927 C frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. , , , weiterer Abgeordneter und der Tagesordnungspunkt 11: Fraktion der FDP: Mittelrheintal mit alternativer Gütertrasse und funktionie- Antrag der Abgeordneten Roman Johannes renden Ausweichstrecken entlasten Reusch, , Tobias Matthias Peterka, Drucksachen 19/7984, 19/9000 ...... 27943 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Alternative Maßnahmen zur Lock- e) Beschlussempfehlung und Bericht des down-Politik der Bundesregierung durch Ausschusses für Verkehr und digitale den Bundestag aufstellen – Pflicht des Deut- Infrastruktur zu dem Antrag der Abge- schen Bundestages als Legislative, staatli- ordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, che Handlungsmöglichkeiten zu benennen Dr. Christian Jung, weiterer Abgeordneter Drucksache 19/28447 ...... 27928 A und der Fraktion der FDP: Qualität des Schienennetzes effektiv verbessern – (AfD) ...... 27928 B Ausgabe von Steuermitteln besser kon- (CDU/CSU) ...... 27929 B trollieren Drucksachen 19/11110, 19/15522 Buchsta- Dr. (FDP) ...... 27930 C be b ...... 27943 C (SPD) ...... 27931 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des (DIE LINKE) ...... 27932 B Ausschusses für Verkehr und digitale In- Dr. (BÜNDNIS 90/ frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- DIE GRÜNEN) ...... 27933 C ten , Andreas Wagner, , weiterer Abgeordneter und der Erwin Rüddel (CDU/CSU) ...... 27935 A Fraktion DIE LINKE: Investitionsoffensi- (AfD) ...... 27935 D ve in den öffentlichen Nahverkehr – Für (SPD) ...... 27936 D eine echte Verkehrswende Drucksachen 19/22490, 19/24596 ...... 27943 D (AfD) ...... 27937 B g) Antrag der Abgeordneten , Dr. Jürgen Martens (FDP) ...... 27938 C , , weiterer (CDU/CSU) ...... 27939 B Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) ...... 27940 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Die deutsche Bahnpolitik in eine europäische Ver- (SPD) ...... 27941 A kehrswende einbetten Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) ...... 27942 A Drucksache 19/28441 ...... 27943 D

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Die Schiene europaweit stärken – Zusatzpunkt 1: Das Jahr der Schiene erfolgreich nutzen Antrag der Abgeordneten Torsten Herbst, Drucksache 19/28465 ...... 27943 B Frank Sitta, Dr. Christian Jung, weiterer Ab- b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang geordneter und der Fraktion der FDP: Für ein Wiehle, Dr. , , modernes und wettbewerbliches Bahnsys- weiterer Abgeordneter und der Fraktion tem in Europa der AfD: Verfügbarkeit der Eisenbahn- Drucksache 19/28435 ...... 27943 D infrastruktur in Deutschland bei , Bundesminister BMVI . . . . . 27944 A schwierigen Wetterverhältnissen Drucksache 19/28460 ...... 27943 B (AfD) ...... 27945 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) ...... 27946 A Ausschusses für Verkehr und digitale In- Torsten Herbst (FDP) ...... 27947 A frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Christian Jung, Torsten Herbst, Sabine Leidig (DIE LINKE) ...... 27947 D Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 III

Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ LINKE: Evaluierung des Mindestlohn- DIE GRÜNEN) ...... 27948 C gesetzes zur Stärkung der Beschäftig- tenrechte nutzen (CDU/CSU) ...... 27949 B Drucksache 19/27319 ...... 27960 B Sabine Leidig (DIE LINKE) ...... 27949 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Kirsten Lühmann (SPD) ...... 27950 C Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten , Matthias W. Birkwald, , weiterer Abgeordneter und der Frak- Tagesordnungspunkt 13: tion DIE LINKE: Gesetzlichen Mindest- a) Erste Beratung des von der Bundesregie- lohn in einmaligem Schritt auf 12 Euro rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- erhöhen zes zur Änderung des Grundgesetzes Drucksachen 19/20030, 19/22296 ...... 27960 C zur ausdrücklichen Verankerung der c) Beschlussempfehlung und Bericht des Kinderrechte Ausschusses für Arbeit und Soziales Drucksache 19/28138 ...... 27952 B zu dem Antrag der Abgeordneten b) Bericht des Ausschusses für Recht und Beate Müller-Gemmeke, , Verbraucherschutz gemäß § 62 Absatz 2 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer der Geschäftsordnung zu dem von den Ab- Abgeordneter und der Fraktion BÜND- geordneten Katja Dörner, , NIS 90/DIE GRÜNEN: Mindestlohn , weiteren Abgeordne- erhöhen, durchsetzen und die Mindest- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE lohnkommission reformieren GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Drucksachen 19/22554, 19/28481 ...... 27960 C Gesetzes zur Änderung des Grundgeset- Susanne Ferschl (DIE LINKE) ...... 27960 D zes (Ergänzung des Artikels 6 zur Stär- kung der Kinderrechte) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . 27961 B Drucksachen 19/10552, 19/27883 ...... 27952 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) ...... 27961 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ in Verbindung mit DIE GRÜNEN) ...... 27962 C (AfD) ...... 27963 D Zusatzpunkt 2: Bernd Rützel (SPD) ...... 27964 D Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) ...... 27965 C , , , Norbert Kleinwächter (AfD) ...... 27966 B weiteren Abgeordneten und der Fraktion der Carl-Julius Cronenberg (FDP) ...... 27967 D FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Arti- Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ kel 6 DIE GRÜNEN) ...... 27968 D Drucksache 19/28440 ...... 27952 C Dr. (CDU/CSU) ...... 27969 C , Bundesministerin Jürgen Pohl (AfD) ...... 27970 B BMJV ...... 27952 C (SPD) ...... 27971 A (AfD) ...... 27953 C (FDP) ...... 27972 A (CDU/CSU) ...... 27954 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 27972 C Stephan Thomae (FDP) ...... 27955 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 27973 B Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . . 27956 A (CDU/CSU) ...... 27974 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 27957 A Dr. (SPD) ...... 27974 D (SPD) ...... 27957 D (CDU/CSU) ...... 27976 A Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU) . . 27958 C Pascal Kober (FDP) ...... 27977 A Dr. (fraktionslos) ...... 27959 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) ...... 27959 D

Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, , Lorenz Gösta Beutin, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Tagesordnungspunkt 37: k) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- a) Erste Beratung des von der Bundesregie- zes zur Zusammenführung von Krebs- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- registerdaten zes zur Durchführung der Verordnung Drucksache 19/28185 ...... 27978 D (EU) 2019/816 sowie zur Änderung wei- terer Vorschriften Drucksachen 19/27432, 19/28140 ...... 27978 A l) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- b) Erste Beratung des von der Bundesregie- zes zu dem Protokoll vom 15. Dezember rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- 2020 zur Änderung des Abkommens zes zur Weiterentwicklung der Treib- vom 29. November 1996 zwischen der hausgasminderungs-Quote Bundesrepublik Deutschland und der Drucksachen 19/27435, 19/28183 ...... 27978 A Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der c) Erste Beratung des von der Bundesregie- Steuern vom Einkommen und vom Ver- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- mögen zes zur Umsetzung der Digitalisierungs- Drucksache 19/28117 ...... 27978 D richtlinie (DiRUG) Drucksache 19/28177 ...... 27978 B m) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- d) Erste Beratung des von der Bundesregie- zes zu dem Protokoll vom 27. Oktober rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- 2020 zur Änderung des Abkommens zes zur Vereinheitlichung des Stiftungs- vom 17. November 2011 zwischen der rechts Bundesrepublik Deutschland und dem Drucksache 19/28173 ...... 27978 B Fürstentum Liechtenstein zur Vermei- e) Erste Beratung des von der Bundesre- dung der Doppelbesteuerung und der gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- Steuerverkürzung auf dem Gebiet der setzes zur Änderung gebührenrecht- Steuern vom Einkommen und vom Ver- licher und weiterer Vorschriften über mögen das Befahren der Bundeswasserstraßen Drucksache 19/28116 ...... 27979 A durch die Schifffahrt Drucksache 19/28176 ...... 27978 B n) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs- f) Erste Beratung des von der Bundesre- ten Gesetzes zur Änderung des Steuer- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- beamten-Ausbildungsgesetzes setzes über die Bereitstellung flächen- Drucksache 19/28167 ...... 27979 A deckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge (Schnell- o) Erste Beratung des von der Bundesregie- ladegesetz – SchnellLG) rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Drucksache 19/28184 ...... 27978 C zes zu dem Protokoll vom 31. Mai 2001 gegen die unerlaubte Herstellung von g) Erste Beratung des von der Bundesregie- Feuerwaffen, deren Teilen und Kompo- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- nenten und Munition sowie gegen den zes zur Anpassung nationaler Regelun- unerlaubten Handel damit in Ergän- gen an die Durchführungsverordnung zung des Übereinkommens der Verein- (EU) 2019/947 der Kommission vom ten Nationen gegen die grenzüberschrei- 24. Mai 2019 über die Vorschriften und tende organisierte Kriminalität (VN- Verfahren für den Betrieb unbemannter Feuerwaffenprotokoll) Luftfahrzeuge Drucksache 19/28119 ...... 27979 B Drucksache 19/28179 ...... 27978 C h) Erste Beratung des von der Bundesregie- p) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- ten Gesetzes zur Änderung des Binnen- zes zur Einführung eines elektronischen schifffahrtsaufgabengesetzes Identitätsnachweises mit einem mobilen Drucksache 19/28125 ...... 27978 C Endgerät Drucksache 19/28169 ...... 27979 B i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten q) Erste Beratung des von der Bundesregie- Gesetzes zur Änderung des Chemika- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- liengesetzes – Bekämpfung des illegalen ten Gesetzes zur Änderung des Finanz- Handels mit fluorierten Treibhausgasen und Personalstatistikgesetzes Drucksache 19/28181 ...... 27978 D Drucksache 19/28165 ...... 27979 B Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 V r) Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, bb) Antrag der Abgeordneten , Katja Keul, , weiterer Abge- , Dr. , wei- ordneter und der Fraktion BÜND- terer Abgeordneter und der Fraktion der NIS 90/DIE GRÜNEN: Soziale Eltern- AfD: Digitalisierung der Polizeien und schaft rechtlich absichern das Bundesprogramm Polizei 2020 zur Drucksache 19/20864 ...... 27979 C politischen Chefsache erklären und un- verzüglich umsetzen s) Antrag der Abgeordneten Dr. Gero Drucksache 19/27852 ...... 27980 B Clemens Hocker, Frank Sitta, , weiterer Abgeordneter und der cc) Antrag der Abgeordneten Stephan Fraktion der FDP: Ergebnisorientierten Protschka, , Karsten Hilse, Insektenschutz mit Landwirten umset- weiterer Abgeordneter und der Fraktion zen der AfD: Wissenschaftlich fundierter Drucksache 19/26779 ...... 27979 C Insektenschutz statt hektischem Aktio- nismus – Deutsche Landwirte vor un- t) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- verhältnismäßigen neuen Belastungen Schmeink, Corinna Rüffer, Kordula schützen Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und Drucksache 19/28457 ...... 27980 B der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Die gesundheitliche Versorgung ee) Antrag der Abgeordneten Ulrike Schielke- von Menschen mit Behinderungen un- Ziesing, Jürgen Pohl, Jörg Schneider, wei- verzüglich menschenrechtskonform ge- terer Abgeordneter und der Fraktion der stalten AfD: Eigenverantwortliche Altersvor- Drucksache 19/27874 ...... 27979 C sorge erleichtern – Selbstbestimmte frei- willige Zahlungen in die gesetzliche Ren- u) Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, tenversicherung ermöglichen Sven Lehmann, , weiterer Drucksache 19/28463 ...... 27980 C Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Bundesweite Stu- die – Sorgerechtsentzug bei und Diskri- in Verbindung mit minierung von Müttern mit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern Drucksache 19/27878 ...... 27979 D Zusatzpunkt 3: w) Antrag der Abgeordneten , Dr. , Jörg a) Antrag der Abgeordneten , Schneider, weiterer Abgeordneter und der Dr. Bettina Hoffmann, , Fraktion der AfD: Kurzzeitpflegeplätze weiterer Abgeordneter und der Fraktion in Krankenhäusern bundesweit einrich- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fluglärm ten – Krankenhausstandorte erhalten mindern, die Menschen in den Flugha- und stärken fenregionen besser schützen Drucksache 19/28458 ...... 27979 D Drucksache 19/27211 ...... 27980 C x) Antrag der Abgeordneten Pascal Kober, b) Antrag der Abgeordneten Britta Katharina Carl-Julius Cronenberg, , Dassler, Katja Suding, Grigorios weiterer Abgeordneter und der Fraktion Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der der FDP: Kommunale Schlachthöfe er- Fraktion der FDP: Digitale Angebote für halten – Verlässliche Rahmenbedingun- gering Literalisierte gen schaffen Drucksache 19/28438 ...... 27980 C Drucksache 19/28356 ...... 27980 A c) Antrag der Abgeordneten Dr. Jens z) Antrag der Abgeordneten Renata Alt, (Rhein-Neckar), Katja , , wei- Suding, , weiterer Ab- terer Abgeordneter und der Fraktion der geordneter und der Fraktion der FDP: Be- FDP: Die europäische Perspektive der gabtenförderung und Stipendienkultur Länder des Westbalkans engagiert und stärken realistisch vorantreiben Drucksache 19/28439 ...... 27980 D Drucksache 19/28357 ...... 27980 A d) Antrag der Abgeordneten Dr. Lukas aa) Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Köhler, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, , Canan Bayram, weiterer weiterer Abgeordneter und der Fraktion Abgeordneter und der Fraktion BÜND- der FDP: Keine Bilanzfälschung beim NIS 90/DIE GRÜNEN: Faire-Verbrau- Klimaschutz im Verkehr – Erneuerba- cherverträge-Gesetz dringend nachbes- re-Energien-Richtlinie RED II technolo- sern gieneutral umsetzen Drucksache 19/28442 ...... 27980 A Drucksache 19/28437 ...... 27980 D VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 e) Antrag der Abgeordneten Friedrich DIE LINKE: Hinterbliebene entlasten – Ostendorff, , Renate Künast, Totenscheine durch die gesetzliche weiterer Abgeordneter und der Fraktion Krankenkasse finanzieren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schweine- Drucksachen 19/8274, 19/25827 ...... 27982 B haltung mit Außenklimakontakt bei h) Beschlussempfehlung und Bericht des Afrikanischer Schweinepest und Hüh- Ausschusses für Bildung, Forschung und nermobilstallhaltung während der Ge- Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag flügelpest sicherstellen der Abgeordneten Dr. Drucksache 19/28443 ...... 27981 A (Rhein-Neckar), Dr. h. c. , Katja Suding, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Tagesordnungspunkt 38: Deutsch-schweizerischen Bildungs- und a) Zweite und dritte Beratung des von der Forschungsaustausch stärken Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Drucksachen 19/23104, 19/28520 ...... 27982 B eines Gesetzes zur Änderung des Versor- i) Beschlussempfehlung und Bericht des gungsausgleichsrechts Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Drucksachen 19/26838, 19/28503 ...... 27981 A dem Antrag der Abgeordneten Pascal b) Zweite und dritte Beratung des von den Kober, Michael Theurer, , wei- Abgeordneten Katja Keul, Luise terer Abgeordneter und der Fraktion der Amtsberg, Canan Bayram, weiteren Abge- FDP: Digitale Lernförderung von Kin- ordneten und der Fraktion BÜND- dern in der Grundsicherung schaffen NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- Drucksachen 19/27806, 19/28482 ...... 27982 C wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes j)–u) Beratung der Beschlussempfehlungen Drucksachen 19/13552, 19/28503 ...... 27981 B des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 836, 837, 838, 839, 840, 841, c) Beschlussempfehlung und Bericht des 842, 843, 844, 845, 846 und 847 zu Ausschusses für Recht und Verbraucher- Petitionen schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Drucksachen 19/27906, 19/27907, Katja Keul, Luise Amtsberg, Canan 19/27908, 19/27909, 19/27910, 19/27911, Bayram, weiterer Abgeordneter und der 19/27912, 19/27913, 19/27914, 19/27915, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 19/27916, 19/27917 ...... 27982 D Zeitpunkt des Versorgungsausgleiches anpassen Drucksachen 19/17793, 19/28503 ...... 27981 C Zusatzpunkt 4: d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- ten Entwurfs eines Gesetzes zu der schusses für Recht und Verbraucherschutz zu Vereinbarung vom 17. Dezember 2020 dem Streitverfahren vor dem Bundesver- zur Änderung der am 25. November fassungsgericht 2 BvR 547/21 1986 unterzeichneten Vereinbarung Drucksache 19/28500 ...... 27983 D über die Bereitstellung und den Betrieb (AfD) (Erklärung von Flugsicherungseinrichtungen und nach § 31 GO) ...... 27984 A -diensten durch EUROCONTROL in der Bezirkskontrollzentrale Maastricht (Maastricht Vereinbarung) Tagesordnungspunkt 15: Drucksachen 19/27524, 19/28479 ...... 27981 D a) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: f) Beschlussempfehlung und Bericht des Wahl eines Mitglieds des Kuratoriums Ausschusses für Inneres und Heimat zu der „Stiftung Denkmal für die ermorde- dem Antrag der Abgeordneten , ten Juden Europas“ Dr. , , Drucksache 19/27278 ...... 27984 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ausbil- b) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: dungsprogramme für Imame und isla- Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums mische Religionsbedienstete in Deutsch- der „Bundesstiftung Magnus Hirsch- land fördern feld“ Drucksachen 19/6102, 19/25176 ...... 27982 A Drucksache 19/27279 ...... 27984 D g) Beschlussempfehlung und Bericht des c) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Ausschusses für Gesundheit zu dem An- Wahl der Mitglieder des Kuratoriums trag der Abgeordneten Dr. , der Stiftung „Deutsches Historisches Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Museum“ weiterer Abgeordneter und der Fraktion Drucksache 19/27280 ...... 27985 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 VII d) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Wahl der Mitglieder des Kuratoriums Quote für die Kunst – Geschlechter- der Stiftung „Erinnerung, Verantwor- gerechtigkeit in Kultur und Medien tung und Zukunft“ Drucksachen 19/26873, 19/26888, Drucksache 19/27281 ...... 27985 A 19/28355 ...... 27985 D e) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: (SPD) ...... 27986 A Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates (AfD) ...... 27986 D der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Ver- söhnung“ gemäß § 19 Absatz 2 Satz 1 Nadine Schön (CDU/CSU) ...... 27987 D Nummer 1 des Gesetzes zur Errichtung Volker Münz (AfD) ...... 27988 C einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ (FDP) ...... 27989 B Drucksache 19/27282 ...... 27985 B (DIE LINKE) ...... 27990 A f) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 27990 C Wahl eines vom Deutschen Bundestag (SPD) ...... 27991 A zu benennenden Mitgliedes des Kurato- riums des Deutschen Instituts für Men- (CDU/CSU) ...... 27991 D schenrechte gemäß § 6 Absatz 2 Num- mer 4 und 5 des Gesetzes über die Rechtsstellung und Aufgaben des Deut- Tagesordnungspunkt 17: schen Instituts für Menschenrechte Antrag der Fraktionen FDP und BÜND- (DIMRG) NIS 90/DIE GRÜNEN: Munitionsaltlasten Drucksache 19/27283 ...... 27985 B in den Meeren bergen und umweltverträg- g) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: lich vernichten Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates Drucksache 19/26339 ...... 27993 B der „Stiftung zur Aufarbeitung der (FDP) ...... 27993 B SED-Diktatur“ Drucksache 19/27284 ...... 27985 B (CDU/CSU) ...... 27994 B h) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Karsten Hilse (AfD) ...... 27995 A Wahl eines Mitglieds des Stiftungsrates (SPD) ...... 27996 A der „Stiftung Haus der kleinen For- scher“ (DIE LINKE) ...... 27997 A Drucksache 19/27285 ...... 27985 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 27997 D Dr. Christoph Hoffmann (FDP) ...... 27998 B Tagesordnungspunkt 16: (Rostock) (CDU/CSU) ...... 27999 A a) – Zweite und dritte Beratung des von den (SPD) ...... 28000 A Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung der Bundesstiftung Tagesordnungspunkt 18: Gleichstellung Drucksachen 19/27839, 19/28521 ...... 27985 C a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs – Bericht des Haushaltsausschusses ge- eines Gesetzes zur Änderung des Medi- mäß § 96 der Geschäftsordnung zinprodukterecht-Durchführungsgeset- Drucksache 19/28522 ...... 27985 D zes und weiterer Gesetze b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Drucksachen 19/26942, 19/28517 ...... 28001 A Ressortübergreifende Gleichstellungs- b) Beschlussempfehlung und Bericht des strategie der Bundesregierung Ausschusses für Gesundheit Drucksache 19/21550 ...... 27985 D – zu dem Antrag der Abgeordneten c) Beschlussempfehlung und Bericht des Dr. , Michael Theurer, Ausschusses für Kultur und Medien Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeord- – zu dem Antrag der Abgeordneten neter und der Fraktion der FDP: Anpas- , Dr. , Doris sungen der Coronavirus-Teststrategie Achelwilm, weiterer Abgeordneter und für das Jahr 2021 der Fraktion DIE LINKE: Kulturarbeit – zu dem Antrag der Abgeordneten fair, divers und geschlechtergerecht Kordula Schulz-Asche, Dr. Janosch gestalten Dahmen, Maria Klein-Schmeink, weite- – zu dem Antrag der Abgeordneten Erhard rer Abgeordneter und der Fraktion Grundl, Ulle Schauws, Tabea Rößner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kapazi- weiterer Abgeordneter und der Fraktion täten für Schnelltests massiv aus- VIII Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

bauen, Selbstanwendung erlauben b) Beschlussempfehlung und Bericht des und Public-Health-Screenings ermög- Ausschusses für Inneres und Heimat zu lichen dem Antrag der Abgeordneten Dr. Irene Drucksachen 19/26189, 19/25705, Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise 19/28517 ...... 28001 B Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (CDU/CSU) ...... 28001 B Für aussagekräftige Dunkelfeld-Opfer- Dr. Robby Schlund (AfD) ...... 28002 B befragungen Martina Stamm-Fibich (SPD) ...... 28003 A Drucksachen 19/5894, 19/27888 ...... 28014 A Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) ...... 28003 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- (DIE LINKE) ...... 28004 C schutz Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten Gyde DIE GRÜNEN) ...... 28005 B Jensen, Nicole Bauer, Alexander Graf Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und (CDU/CSU) ...... 28006 A der Fraktion der FDP: Frauenrechte im digitalen Raum schützen und ge- schlechterspezifische digitale Strafta- Tagesordnungspunkt 19: ten stärker bekämpfen a) Zweite und dritte Beratung des von – zu dem Antrag der Abgeordneten Anke der Bundesregierung eingebrachten Ent- Domscheit-Berg, Cornelia Möhring, wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Doris Achelwilm, weiterer Abgeordne- Richtlinie (EU) 2019/2162 des Europä- ter und der Fraktion DIE LINKE: Digi- ischen Parlaments und des Rates vom tale Gewalt gegen Frauen 27. November 2019 über die Emission Drucksachen 19/27185, 19/25351, gedeckter Schuldverschreibungen und 19/28518 ...... 28014 A die öffentliche Aufsicht über gedeckte Dorothee Bär, Staatsministerin BK ...... 28014 B Schuldverschreibungen (CBD-Umset- (AfD) ...... 28015 A zungsgesetz) Drucksachen 19/26927, 19/28483 ...... 28007 B (SPD) ...... 28016 A b) Zweite und dritte Beratung des von der (FDP) ...... 28017 A Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE) ...... 28018 A eines Gesetzes zur Umsetzung der Richt- linie (EU) 2019/2034 über die Beaufsich- Dr. (BÜNDNIS 90/ tigung von Wertpapierinstituten DIE GRÜNEN) ...... 28018 D Drucksachen 19/26929, 19/28480 ...... 28007 B Axel Müller (CDU/CSU) ...... 28019 D (SPD) ...... 28007 B (SPD) ...... 28020 C Stefan Keuter (AfD) ...... 28008 C (CDU/CSU) ...... 28021 B Sepp Müller (CDU/CSU) ...... 28009 B Frank Schäffler (FDP) ...... 28010 A Tagesordnungspunkt 21: Jörg Cezanne (DIE LINKE) ...... 28010 C a) Zweite und dritte Beratung des von der (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . 28011 A Bundesregierung eingebrachten Entwurfs (Heidelberg) (SPD) ...... 28011 D eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegeset- (CDU/CSU) ...... 28012 C zes Drucksachen 19/26971, 19/28508 ...... 28022 B b) Antrag der Abgeordneten , Tagesordnungspunkt 20: Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer a) Beschlussempfehlung und Bericht des Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ausschusses für Inneres und Heimat zu Elektro- und Elektronikgeräte effizien- dem Antrag der Abgeordneten Dr. Irene ter nutzen – Langlebigkeit, Reparatur, Mihalic, Ulle Schauws, Renate Künast, Sammlung und Recycling verbessern weiterer Abgeordneter und der Fraktion Drucksache 19/28429 ...... 28022 B BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hasskri- c) Beschlussempfehlung und Bericht des minalität und andere Formen von Ge- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz walt gegen Frauen endlich erfassen und und nukleare Sicherheit zu dem Antrag wirksam bekämpfen der Abgeordneten Dr. Bettina Hoffmann, Drucksachen 19/24382, 19/27471 ...... 28013 D Tabea Rößner, , weiterer Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 IX

Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Tagesordnungspunkt 37: NIS 90/DIE GRÜNEN: Elektroschrott – v) Antrag der Abgeordneten Mariana Iris Wertstoffkreisläufe schließen Harder-Kühnel, Jörn König, Andreas Drucksachen 19/16412, 19/24622 ...... 28022 C Mrosek, weiterer Abgeordneter und der d) Beschlussempfehlung und Bericht des Fraktion der AfD: Gewährleistung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- Vereinssports für Kinder und Jugendli- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten che und Ermöglichung von Senioren- Tabea Rößner, Dr. Bettina Hoffmann, Gruppengymnastik während Corona Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abge- Drucksache 19/28446 ...... 28029 D ordneter und der Fraktion BÜND- (CDU/CSU) ...... 28030 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Elektroschrott reduzieren – Recht auf Reparatur Jörn König (AfD) ...... 28030 D Drucksachen 19/16419, 19/28519 ...... 28022 C Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) ...... 28031 C , Parl. Staatssekretär BMU . . . 28022 D Britta Katharina Dassler (FDP) ...... 28033 B Andreas Bleck (AfD) ...... 28023 B Dr. André Hahn (DIE LINKE) ...... 28034 B Björn Simon (CDU/CSU) ...... 28024 A (BÜNDNIS 90/ Judith Skudelny (FDP) ...... 28025 B DIE GRÜNEN) ...... 28035 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 28026 A (CDU/CSU) ...... 28036 B Dr. Bettina Hoffmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 28026 C Tagesordnungspunkt 23: (SPD) ...... 28027 B – Zweite und dritte Beratung des von der Michael Kießling (CDU/CSU) ...... 28028 B Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bun- desfernstraßengesetzes und des Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Tagesordnungspunkt 22: Straßen a) Beschlussempfehlung und Bericht des Drucksachen 19/27660, 19/28511 ...... 28037 D Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß geordneten Dr. André Hahn, Sören § 96 der Geschäftsordnung Pellmann, , weiterer Abge- Drucksache 19/28512 ...... 28037 D ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Dritter Goldener Plan Sport – 10 mal , Parl. Staatssekretär BMVI . . . . 28038 A eine Milliarde für Sportstätten in Wolfgang Wiehle (AfD) ...... 28039 A Deutschland Drucksachen 19/20035, 19/28498 ...... 28029 C (SPD) ...... 28040 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Torsten Herbst (FDP) ...... 28040 D Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- (DIE LINKE) ...... 28041 C geordneten Britta Katharina Dassler, Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ Stephan Thomae, , weite- DIE GRÜNEN) ...... 28042 A rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Erhalt der Breitensportlandschaft (CDU/CSU) ...... 28042 C in Pandemiezeiten Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) ...... 28043 C Drucksachen 19/25245, 19/28497 ...... 28029 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten , , , weiterer Zusatzpunkt 5: Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Beschlussempfehlung und Bericht des Sport- NIS 90/DIE GRÜNEN: Friedensmediation ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten als festen Bestandteil deutscher Außenpoli- , Erhard Grundl, Dr. Konstantin tik verankern und deutlich ausbauen von Notz, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/26238 ...... 28044 B Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/ Transparenzportal für die Spitzensportför- DIE GRÜNEN) ...... 28044 B derung des Bundes einrichten Drucksachen 19/26528, 19/28499 ...... 28029 D (CDU/CSU) ...... 28045 B Paul Viktor Podolay (AfD) ...... 28046 A in Verbindung mit Dr. (SPD) ...... 28046 D X Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Renata Alt (FDP) ...... 28047 C Tagesordnungspunkt 37: (DIE LINKE) ...... 28048 A j) Erste Beratung des von der Bundesregie- (CDU/CSU) ...... 28048 D rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesna- (SPD) ...... 28049 C turschutzgesetzes (CDU/CSU) ...... 28050 A Drucksache 19/28182 ...... 28061 D Carsten Träger (SPD) ...... 28062 A (AfD) ...... 28062 D Tagesordnungspunkt 25: Christian Dürr (FDP) ...... 28063 B a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung einge- Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) ...... 28064 A brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dr. (FDP) ...... 28064 B Übereinkommen Nr. 169 der Internatio- nalen Arbeitsorganisation vom 27. Juni Carina Konrad (FDP) ...... 28065 A 1989 über eingeborene und in Stämmen Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 28065 D lebende Völker in unabhängigen Län- dern Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 28066 C Drucksachen 19/26834, 19/27894 ...... 28050 D (SPD) ...... 28067 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Silvia Breher (CDU/CSU) ...... 28068 B Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- (CDU/CSU) ...... 28069 A ordneten , Kai Gehring, Filiz Polat, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Tagesordnungspunkt 27: NEN: Rechte indigener Völker stärken – ILO-Konvention 169 ratifizieren – Ko- Erste Beratung des von der Bundesregierung alitionsvertrag umsetzen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Drucksachen 19/14107, 19/27024 ...... 28050 D Weiterentwicklung des Ausländerzentral- registers , Parl. Staatssekretärin BMAS . 28051 A Drucksache 19/28170 ...... 28069 D René Springer (AfD) ...... 28051 D , Parl. Staatssekretär BMI . . . . . 28070 A (CDU/CSU) ...... 28052 C Dr. Christian Wirth (AfD) ...... 28070 D Carl-Julius Cronenberg (FDP) ...... 28053 C (SPD) ...... 28071 B Eva-Maria Schreiber (DIE LINKE) ...... 28054 A (SPD) ...... 28072 A Margarete Bause (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 28054 D Frank Schwabe (SPD) ...... 28055 C Tagesordnungspunkt 28: (Chemnitz) (CDU/CSU) ...... 28056 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur intensivierten erweiterten Sicherheitsüber- Tagesordnungspunkt 26: prüfung mit Sicherheitsermittlungen von Soldatinnen und Soldaten und zur Sicher- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des heitsüberprüfung von Reservistinnen und von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Reservisten wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- Drucksache 19/28126 ...... 28072 D men des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Annegret Kramp-Karrenbauer, Schutz und Dienstleistungen bei Fußball- Bundesministerin BMVg ...... 28072 D spielen und anderen Sportveranstaltungen Berengar Elsner von Gronow (AfD) ...... 28073 C Drucksachen 19/27413, 19/28127, 19/28507 . . 28057 C Dr. (SPD) ...... 28074 C Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU) ...... 28057 C Dr. (BÜNDNIS 90/ Jörn König (AfD) ...... 28058 B DIE GRÜNEN) ...... 28075 C Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) ...... 28058 D (CDU/CSU) ...... 28076 A Britta Katharina Dassler (FDP) ...... 28059 D Christian Sauter (FDP) ...... 28077 A Dr. André Hahn (DIE LINKE) ...... 28060 B Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 28061 A Nächste Sitzung ...... 28077 D Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 XI

Anlage 1 CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Bundesstif- Entschuldigte Abgeordnete ...... 28081 A tung Gleichstellung (Tagesordnungspunkt 16 a) ...... 28086 A Anlage 2 Ergebnis der Wahl eines Stellvertreters des Anlage 8 Präsidenten des Deutschen Bundestages Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung (2. Wahlgang) des von der Bundesregierung eingebrachten (Tagesordnungspunkt 8) ...... 28082 A Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Anlage 3 Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspie- Ergebnis der Wahl eines Mitglieds des Ver- len und anderen Sportveranstaltungen trauensgremiums gemäß § 10a Absatz 2 der (Tagesordnungspunkt 26) ...... 28086 C Bundeshaushaltsordnung (CDU/CSU) ...... 28086 C (Tagesordnungspunkt 9 a) ...... 28082 A Artur Auernhammer (CDU/CSU) ...... 28087 C

Anlage 4 Anlage 9 Ergebnis der Wahl von Mitgliedern des Gre- Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung miums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesen- des von der Bundesregierung eingebrachten gesetzes Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwick- (Tagesordnungspunkt 9 b) ...... 28082 A lung des Ausländerzentralregisters (Tagesordnungspunkt 27) ...... 28088 A (CDU/CSU) ...... 28088 A Anlage 5 (CDU/CSU) ...... 28089 A Ergebnisse der Wahl von Mitgliedern des Son- dergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabili- Stephan Thomae (FDP) ...... 28089 B sierungsmechanismusgesetzes (DIE LINKE) ...... 28089 D (Tagesordnungspunkt 9 c) ...... 28082 B Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 28090 B Anlage 6 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- Anlage 10 schen Bundestages, die an den Wahlen zu Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des den Tagesordnungspunkten 8 und 9 a bis c von der Bundesregierung eingebrachten Ent- teilgenommen haben ...... 28083 A wurfs eines Gesetzes zur intensivierten erwei- terten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheits- ermittlungen von Soldatinnen und Soldaten Anlage 7 und zur Sicherheitsüberprüfung von Reservis- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten tinnen und Reservisten (CDU/CSU) zu der Ab- (Tagesordnungspunkt 28) ...... 28091 A stimmung über den von den Fraktionen der Matthias Höhn (DIE LINKE) ...... 28091 A

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27913

(A) (C)

221. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: b) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte Wahl von Mitgliedern des Gremiums ge- nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. mäß § 3 des Bundesschuldenwesengeset- Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich nach- zes träglich dem Kollegen Gerhard Zickenheiner zum Drucksache 19/27276 60. Geburtstag, den Kollegen Karlheinz Busen und Ulrich Freese zum 70. Geburtstag, dem Kollegen c) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Dr. Diether Dehm zum 71. und dem Kollegen Wilhelm Wahl von Mitgliedern des Sondergre- von Gottberg zum 81. Geburtstag. Im Namen des ganzen miums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisie- Hauses wünsche ich Ihnen allen alles Gute für das neue rungsmechanismusgesetzes Lebensjahr. (B) (Beifall) Drucksache 19/27277 (D) Außerdem begrüße ich als neue Kollegin Maika Die Namen der Kandidatinnen und Kandidaten entneh- Friemann-Jennert. Sie ist für die kürzlich verstorbene men Sie bitte den Stimmkarten. Kollegin als Mitglied des Deutschen Bun- Bei allen Wahlen sind die Stimmen der Mehrheit der destages nachgerückt. Ich wünsche uns eine gute Zusam- Mitglieder des Deutschen Bundestages, also mindestens menarbeit. 355 Jastimmen, erforderlich. (Beifall) Die Wahl erfolgt in der Abgeordnetenlobby. Sie haben Auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU soll der nach Eröffnung der Wahl zwei Stunden Zeit, um Ihre Kollege Dr. Bernd Fabritius als Nachfolger für den aus- Stimmen abzugeben. geschiedenen Kollegen als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des In der Lobby erhalten Sie an den Ausgabetischen nach Europarates gewählt werden. Stimmen Sie dem zu? – Vorzeigen Ihres Wahlausweises in der Farbe Rosa vier Das ist offenbar der Fall. Dann ist der Kollege Fabritius Stimmkarten in den Farben Blau, Grün, Gelb und Rot. als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Ver- Da zwei dieser Wahlen geheim durchzuführen sind, sammlung des Europarates gewählt. erhalten Sie zu den Stimmkarten in den Farben Blau Schließlich weise ich darauf hin, dass der Tagesord- und Rot zusätzlich Wahlumschläge in denselben Farben. nungspunkt 37 y abgesetzt wird. In der Wahlkabine sind die vier Stimmkarten anzu- Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 8 und 9 a bis kreuzen. Es darf zu jeder Kandidatin bzw. jedem Kandi- 9 c auf: daten nur ein Kreuz entweder bei „ja“, „nein“ oder „ent- halte mich“ gemacht werden. Die zwei Stimmkarten für Wahlvorschlag der Fraktion der AfD die zwei geheimen Wahlen sind in der Wahlkabine in den Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten jeweiligen farbidentischen Wahlumschlag zu legen. (2. Wahlgang) Ich weise noch einmal darauf hin, dass das Fotografie- Drucksache 19/26688 ren oder Filmen der ausgefüllten Stimmkarten bei gehei- a) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD men Wahlen einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis darstellt und die Würde und Ordnung des Hauses verletzt. Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgre- Für den Fall, dass ich von solchen Verstößen gegen das miums gemäß § 10a Absatz 2 der Bundes- Wahlgeheimnis in der Sitzung oder später Kenntnis erlan- haushaltsordnung gen sollte, behalte ich mir schon jetzt vor – Sie kennen Drucksache 19/27275 das –, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen. 27914 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Nach Verlassen der Wahlkabine übergeben Sie bitte Deutschland gibt, was zu geschehen hat, wenn die Infek- (C) der Schriftführerin oder dem Schriftführer an der Wahl- tionszahlen zu sehr nach oben gehen. Und ich bin froh urne Ihren Wahlausweis und werfen die vier Wahlunter- darüber, dass diese Initiative jetzt beraten wird. lagen in die entsprechend farblich gekennzeichneten (Beifall bei der SPD – Bettina Stark-Watzinger Wahlurnen. [FDP]: Aber nicht heute!) Ich weise auch wieder auf die Pflicht zum Tragen einer Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir die medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung hin. Verstöße Infektionszahlen nach unten kriegen, damit sich der gegen diese Pflicht werden mit den Mitteln des parlamen- Impferfolg auch möglichst bald in den Infektionszahlen tarischen Ordnungsrechts geahndet. Ich bitte die Schrift- selber niederschlagen kann. Wenn wir das jetzt nicht ma- führerinnen und Schriftführer, hierauf zu achten. chen würden, würden wir das später sehr bereuen. Und Die Schriftführerinnen und Schriftführer haben ihre deshalb sage ich: Eine bundesweite Notbremse ist ein Plätze eingenommen, sodass ich die Wahlen eröffne. richtiger Schritt, und es ist gut, dass wir das machen. Die Schließung der Wahlen erfolgt um 11.05 Uhr. (Beifall bei der SPD) Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b Zu den Regeln, um die es jetzt geht, gehören natürlich auf: auch viele andere Sachen, zum Beispiel, dass wir dafür a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Sorge tragen, dass auch in den Unternehmen getestet eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über wird; denn Tests sind sehr, sehr wichtig für die Sicherheit, die Feststellung eines Nachtrags zum die wir als Bürgerinnen und Bürger brauchen. Ich bin Bundeshaushaltsplan für das Haushalts- froh, dass auch das auf den Weg gebracht worden ist. jahr 2021 (Beifall bei der SPD) (Nachtragshaushaltsgesetz 2021) Meine Damen und Herren, es geht auch darum, dass Drucksachen 19/27800, 19/28139 wir alles dafür tun, dass die Familien in dieser Situation alle Chancen haben, mit ihr zurechtzukommen. Deshalb Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss gehört zum Durchhalten ganz unbedingt auch, dass die Kinderkrankentage noch einmal verbessert worden sind. b) Beratung des Antrags der Fraktionen der Alles zusammen soll dazu beitragen, dass wir den End- CDU/CSU und SPD spurt jetzt bewältigen. Beschluss des Deutschen Bundestages ge- (Beifall bei der SPD) mäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des (B) Grundgesetzes Wir müssen noch durchhalten, und das gilt natürlich (D) auch für das, was wir finanziell stemmen müssen, um Drucksache 19/28464 sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen, sozialen und Überweisungsvorschlag: gesundheitlichen Folgen dieser Krise nicht so negativ Haushaltsausschuss sind, wie sie ohne aktive Fiskalpolitik, ohne aktive Politik Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten des deutschen Gesetzgebers und des Haushaltsgesetzge- beschlossen. bers wären. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir Unternehmen und Arbeitsplätze auch bis zum Ende der Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Krise mit Wirtschaftshilfen unterstützen können. Darum Bundesfinanzminister Olaf Scholz. geht es bei dem Nachtragshaushalt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) der CDU/CSU) Das sind also die finanziellen Grundlagen für neue und für fortgesetzte Hilfen für Gastronomen, für Hoteliers, Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen: für diejenigen, die Kultureinrichtungen betreiben, für die- Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! jenigen, die Sportveranstaltungen durchführen wollen, Wir müssen noch durchhalten. Wir haben jetzt jeden Tag und für alle, die das jetzt nicht machen können wie zu und jede Woche neue Meldungen über den Impffort- anderen Zeiten. Die Wirtschaftshilfen sind wichtig, und schritt in Deutschland, und das ist eine positive Nachricht sie werden fortgesetzt. Das machen wir mit dem Nach- für die Zukunft. Aber wir wissen: Die Infektionszahlen tragshaushalt möglich. gehen weiter nach oben. Wir haben unverändert eine (Beifall bei der SPD) schwierige Situation, und deshalb brauchen wir noch mal eine nationale Kraftanstrengung in diesen Tagen. Das gilt selbstverständlich auch für all das, was not- wendig ist, um dafür zu sorgen, dass die Gesundheit der (Beifall bei der SPD) Bürgerinnen und Bürger geschützt wird. Wir müssen im- Meine Damen und Herren, bei der Kraftanstrengung, mer noch viel Geld ausgeben, für die Impfstoffbeschaf- die wir jetzt als Bundesregierung mit einer Formulie- fung zum Beispiel, für all das, was wichtig ist, damit wir rungshilfe auf den Weg gebracht haben, die die Regie- Leben und Gesundheit sichern können. Deshalb ist es rungsfraktionen eingebracht haben und die der Bundestag auch für alle gesundheitspolitischen Maßnahmen richtig, debattieren wird, geht es darum, für Klarheit, Übersicht- dass wir jetzt mit dem Nachtragshaushalt die finanziellen lichkeit und Verlässlichkeit zu sorgen. Wir wollen sicher- Grundlagen dafür schaffen. stellen, dass es gemeinsame, einheitliche Regeln in ganz (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27915

Bundesminister Olaf Scholz (A) Nicht alles, was jetzt in den nächsten Tagen und Wo- Aber auch das will ich hier sagen: Es gibt hohe Inves- (C) chen zu entscheiden ist, wird schon im Detail in diesem titionen, die wir für die Zukunft brauchen, und sie werden Nachtragshaushalt geregelt; da sind auch Spielräume for- langfristig abgesichert. Wir brauchen einen starken muliert und vorgesehen. Deshalb will ich ein Thema ganz Sozialstaat, der uns jetzt in der Krise und auch in der besonders aufgreifen, von dem ich glaube, dass wir darü- Zukunft hilft. Auch das wird finanziell abgesichert. Des- ber jetzt schon nachdenken müssen, dass wir es in den halb ist der Nachtragshaushalt ein offensiver, ein mutiger Blick nehmen müssen: Schritt. Wir können durchhalten, und wir werden die Gerade die Kinder und Jugendlichen sind von dieser Krise hinter uns lassen. Das ist die Botschaft, die auch Pandemie ganz besonders herausgefordert, und das ist ein damit verbunden ist. kleines Wort für eine ganz, ganz große Anstrengung bei Schönen Dank. diesen jungen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Sie brau- chen unsere Unterstützung nicht nur jetzt in dieser Situa- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tion angesichts vieler Dinge, die nicht stattfinden können, der CDU/CSU) da man sich nicht mit seinen Freundinnen und Freunden treffen kann, da man sich nicht in der Jugendeinrichtung Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: treffen kann, da man nicht die Möglichkeit hat, all das zu Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Peter tun, was in den Schulen sonst stattfindet. Es muss ein Boehringer, AfD. Aufholpaket geben, durch das wir allen die Chance ge- ben, wieder eine gute Zukunft zu gewinnen. Auch das (Beifall bei der AfD) gehört aus meiner Sicht zur Coronapolitik dringend dazu. (Beifall bei der SPD) Peter Boehringer (AfD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir können all das, was jetzt notwendig ist, finanziell Nun stehen wir also zum vierten Mal in gut zwölf Mona- auch stemmen. Denn das gehört auch zu den Tatsachen, ten hier für eine Haushaltseinbringung, und erneut wer- die wir berücksichtigen müssen, wenn wir über Nach- den alle etablierten Maßstäbe der Haushaltsführung tragshaushalt und Schulden, um die es ja immer geht, gesprengt: per 2021 nun 240 Milliarden Euro Schulden reden. Wir haben seriös gewirtschaftet in den letzten Jah- in nur einem Haushaltsjahr, 44 Prozent Kreditfinanzie- ren. rungsquote des Haushalts. Das sind historische, zuvor (Lachen des Abg. Peter Boehringer [AfD]) niemals gesehene oder auch nur denkbare Dimensionen. Warum? Angeblich nur wegen Corona. Wir respektieren Wir haben eine sehr, sehr gute Grundlage für alles, was alle die Sorgen der Menschen vor einer real existierenden (B) notwendig ist. Deshalb kann man sehr klar sagen: Wir Infektionskrankheit, vor allem bei den Risikogruppen. (D) werden nach der Krise besser dastehen, als alle anderen Trotzdem sind die objektiven Fakten folgende: G-7-Staaten vor der Krise dagestanden haben. Wir wer- den eine geringere Staatsverschuldung haben, als wir Die Regierung erhält den epidemiologischen und haus- nach der letzten Krise hatten. Alles das zusammen wird halterischen Ausnahmezustand derzeit über willkürliche dazu beitragen, dass wir trotz der riesigen Mittel, die wir Inzidenzzahlen aufrecht, die durch die massiv gesteigerte jetzt einsetzen, trotz der Kreditermächtigung, trotz der Anzahl von Tests in Schulen und Betrieben überall künst- Schulden, die wir zusätzlich machen, wirtschaftlich wie- lich hochgetrieben werden. der wachsen können, um eine gute Zukunft zu gewinnen. (Beifall bei der AfD) Wobei ich sehr klar sagen werde und will: Das wird Dies, obwohl die Regierung sogar selbst sagt – gestern in nicht einfach; denn wir dürfen ja nicht nur an die kom- der „Welt“ –, dass andere Parameter als die absoluten mende Legislaturperiode denken. Wir müssen auch wis- Fallzahlen den Schweregrad der Pandemie abbilden, sen: Die Kredite, die wir jetzt aufnehmen, werden zum Beispiel der Anteil der Covid-Patienten an allen zurückgezahlt, ab 2026 alle zusammen. Das wird eine Intensivpatienten. Gerade einmal 20 Prozent der Inten- erhebliche Belastung für den Haushalt bedeuten. Deshalb sivstationsbelegungen sind sogenannte Coronapatienten, auch an dieser Stelle ein klares Bekenntnis: Ohne faire also die, die wegen bzw. in vielen Fällen einfach nur mit Besteuerungsregeln wird das niemals funktionieren, und Covid intensiv liegen. deshalb müssen wir hierzulande dafür sorgen, dass es fair zugeht. Auch nach 13 Monaten ist weiterhin kein Beleg erbracht, dass ausgerechnet die Lockdown-Maßnahmen, Aber wir brauchen auch große Fortschritte auf inter- die Testmanie oder gar die Chaosimpfungen eine Eskala- nationaler Ebene. Ich bin der amerikanischen Finanzmi- tion der Pandemie verhindert haben. nisterin Janet Yellen sehr, sehr dankbar, dass sie jetzt die Initiativen für eine globale Mindestbesteuerung freigege- ( [SPD]: Quatsch!) ben hat, dass Deutschland, die Vereinigten Staaten von Daten der Johns-Hopkins-Universität zeigen das Gegen- Amerika und all die anderen Länder zusammen in diesem teil anhand von Vergleichen von Ländern mit und ohne Sommer Regeln festlegen und damit eine faire Besteu- Lockdown. erung der digitalen Konzerne, aber auch eine globale Mindestbesteuerung durchsetzen. Der Dumpingwettlauf (Saskia Esken [SPD]: Nein! – Weitere Zurufe bei den Steuern nach unten ist zu Ende. Das ist die Ent- von der SPD) scheidung dieses Jahres. – Wenn ich die Zwischenrufe höre: Ich habe die Daten (Beifall bei der SPD) dabei. 27916 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Peter Boehringer (A) Die Bundesregierung ist auch nach zwei Coronawin- Schuldenbremse ausgesetzt und somit der Artikel 115 (C) tern noch immer in der Belegpflicht angesichts der ge- Grundgesetz missbraucht im dann fünften Coronaschul- waltigen Kollateralschäden an Psyche und Grundrechten denhaushalt seit März 2020. der Menschen – von den existenziellen Schäden der Wirt- schaft ganz zu schweigen. Wenn ich Zeit hätte, Herr (Beifall bei der AfD) Minister, würde ich jetzt über die Heuchelei reden, die In diesem Sinne, Herr Minister, hinterlassen Sie Ihrem Sie eben in Bezug auf die Kinder veranstaltet haben. Sie Nachfolger dann tatsächlich ein bestelltes Feld: ein mit berauben diese Kinder ihrer Zukunft und aktuell ihres Schuldgeld ganzer künftiger Generationen gedüngtes. guten Alltags Sie haben in diesen Bundestag in nur 13 Monaten mehr (Beifall bei der AfD) Schulden eingebracht, als der Bund zuvor in 20 Jahren gemacht hatte. Die EU finanziert jetzt sogar fast zwei und heucheln, etwas für die Kinder zu tun. Das ist wirk- Drittel ihres nunmehr verdreifachten Etats auf Pump. Es lich übel. ist alles ökonomisch völlig unverantwortlich. Die haushalterische Notsituation ist seit März 2020 (Beifall bei der AfD – Dr. eine unglaublich ergiebige Ausrede für uferloses Schul- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen denmachen. Auch im Haushalt 2021 findet man erneut überhaupt nicht, was Ökonomie ist! Sie benut- keinerlei Einsparungen und verfassungswidrigerweise zen ständig Worte, von denen Sie überhaupt noch immer keine Auflösung der großen Asylrücklage. nicht wissen, was sie bedeuten!) Zudem weist nur ein kleiner Anteil der mit 240 Milliarden Euro Neuverschuldung finanzierten Maßnahmen über- Sie nehmen die Bundeshaushalte bis 2058 in Geisel- haupt einen Bezug zu Corona auf. Auf unsere vielfachen haft. Deutschland haftet für die Schulden anderer Staaten. Nachfragen im Ausschuss hin wurde von der Regierung Künftig wird dann in Rom und Athen mitentschieden, zuletzt gar nicht mehr behauptet, dass all diese Ausgaben wie hoch der Bundeshaushalt auszufallen hat. Das ist coronabedingt seien, auf EU-Ebene übrigens ebenso illegal. wenig. Auch die neue EU-Coronaverschuldungskapazität wurde entgegen den Interessen Deutschlands als Haupt- (Beifall bei der AfD) hafter federführend vom deutschen BMF durchgesetzt. Denn selbstredend wird dadurch künftig die haushalte- Von diesen 800 EU-Milliarden haben nur etwa 30 Prozent rische Gesamtverantwortung dieses Bundestags aufgege- einen nachvollziehbaren Coronabezug. ben. Unsere Verfassungsklage dagegen liegt bereits in Karlsruhe. (Beifall bei der AfD) (B) Schon zum regulären 2021er-Haushalt hatten wir die- (D) Wir haben erst April. Es ist rekordverdächtig, wenn sem Haus eine Normenkontrollklage vorgeschlagen. Lei- Olaf Scholz jetzt beantragt, den Schuldenhaushalt 2021 der ist da niemand sonst mitgegangen. Tja, 2021 wird nun nach nur vier Monaten um weitere 60 Milliarden Euro das Jahr der massiven Auswirkungen des Lockdowns. Schulden aufzustocken. Und wer sagt uns denn, dass Bei Familienbetrieben und Mittelständlern wird derzeit dieser Haushalt nun der letzte für 2021 sein wird? Noch die Lebensleistung von Generationen vernichtet – wegen im Dezember 2020 war für das BMF völlig unabsehbar, der völlig unverhältnismäßigen Reaktion der Regierung dass der Lockdown über Dezember hinaus dauern würde, auf eine Infektionskrankheit. obwohl man es natürlich bereits besser wissen musste. Ich hatte hier schon am 8. Dezember 2020 in der Debatte (Beifall bei der AfD) gesagt: „Der vorliegende Haushaltsentwurf gibt die Die AfD erkennt den Coronamittelbedarf zu einem Coronaausgleichszahlungen in derzeitiger Höhe nur kleinen Teil an, und zwar verfassungskonform, das heißt etwa bis Sommer 2021 her.“ Und so müssen wir heute ohne illegitime Verlängerung der haushalterischen Not- mit Ansage einen Nachtragshaushalt debattieren, der situation. Die wirklich sinnvollen Ausgaben im Gesund- diesmal Corona-Lockdown-Folgen etwa bis zum Herbst heitswesen und beim Kurzarbeitergeld und an einigen vorsieht. Genauer wissen wir das nicht, weil das BMF wenigen anderen Stellen anerkennt auch die AfD. Wir sich hartnäckig weigert, die Basis der Etatkalkulation haben alle diese Ausgaben, ebenso die zum Schutz der offenzulegen. Risikogruppen, seit März 2020 immer mitgetragen und Mein Tipp: Genau bis zur Bundestagswahl wird der mitfinanziert. völlig verantwortungslose Dauer-Lockdown mit 240 Mil- Die Rettung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft liarden Kreditgeld nun finanzierbar sein. Doch ab Herbst kann aber nur über das Ende des Lockdowns kommen, droht dann bereits die nächste milliardenschwere Etat- lücke, um die sich dann der nächste Finanzminister und (Beifall bei der AfD) der nächste Bundestag kümmern müssen. nicht über unbezahlbare Dauersubventionen, nicht über (Dr. [SPD]: Hoffentlich ohne gewaltige Coronasteuererhöhungen, die ja schon sicher AfD!) absehbar sind, nicht über permanente massenhafte Pflichttestungen und Bürgerrechtseinschränkungen und Aber es wurde ja seriös gewirtschaftet – das stand keinesfalls über unzureichend getestete Impfungen oder schon auf meinem Redezettel; das kam eben noch mal. gar über eine faktische Impfpflicht, die wir kategorisch Gemeint war natürlich: gut vorgesorgt in Form der for- ablehnen. mellen Notsituation auch schon für 2022. Erneut – das ist heute schon sicher – wird dann die verfassungsrechtliche (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27917

Peter Boehringer (A) Absolute Grundrechte, wie etwa das auf Freizügigkeit Aber wenn man die Zahlen betrachtet, erschrecken die (C) und körperliche Unversehrtheit, sind eben Grundrechte. einen schon. 2020, 2021 und 2022: 450 Milliarden Euro Die Deutschen müssen sich diese im Grundgesetz 1949 Schulden. Die müssen jetzt nicht alle eintreten; das weiß aus guten historischen Gründen als Individualrechte ver- ich auch. Das ist im letzten Jahr auch nicht der Fall gewe- fassten unabdingbaren Grundrechte weder „erimpfen“ sen. Aber die größere Kraftanstrengung wird sein, wieder noch „ertesten“ lassen. die verfassungsgemäße Schuldengrenze einzuhalten. Das (Beifall bei der AfD) wird in der Zukunft die größere Kraftanstrengung wer- den, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich halte es auch Diese Regierung verlässt den Boden der freiheitlich- für gerechtfertigt, im nächsten Jahr noch mal die Aus- demokratischen Grundordnung. Wo ist der Verfassungs- nahme von der Schuldenbremse in Anspruch zu nehmen. schutz, wenn man ihn braucht? Das Entscheidende ist heute auch nicht die Verschul- (Beifall bei der AfD) dungsquote des Staates, sondern das Entscheidende ist die Kreditfinanzierungsquote des Bundeshaushaltes. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beatrix von Storch [AfD]: Und die Aus- Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Eckhardt gangssperre ab 9 Uhr!) Rehberg, CDU/CSU. Die Kreditfinanzierungsquote war im Jahr 2010 bei (Beifall bei der CDU/CSU) 15 Prozent; in diesem Jahr, liebe Kolleginnen und Kol- legen, ist sie bei 44 Prozent. Wir treffen Vorsorge, und das Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): ist auch richtig. Wer sich den Pandemievorsorgetitel an- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kol- schaut, sieht: Da sind jetzt schon 18 Milliarden Euro raus; lege Boehringer, nach der Rede, die Sie eben gehalten wir füllen ihn wieder auf. 18 Milliarden! haben: Gehen Sie mal rüber zur Charité auf die Intensiv- Das ist, Kollege Boehringer, kein Geld, das irgendwie station! Würden Sie dort die gleiche Rede halten – vor sinnlos ausgegeben worden ist. Das ist ausgegeben wor- Ärzten, vor Krankenschwestern und vor an Covid-19 Er- den fürs Testen, fürs Impfen, für Krankenhausfinanzie- krankten, die beatmet werden müssen, die heute vier bis rung, und es ist zum Beispiel – darüber werden wir wahr- sechs Wochen da liegen, weil es mittlerweile die unter scheinlich noch reden müssen – für das Kurzarbeitergeld 60-Jährigen trifft? ausgegeben worden. Ich könnte noch viele Punkte nen- (Peter Boehringer [AfD]: Jedes Mal! Das kann nen. Oder wollen Sie nicht, dass Familien geholfen wird? doch nicht wahr sein!) Wollen Sie nicht, dass Unternehmen geholfen wird? Wol- len Sie nicht, dass wir Impfstoffe kaufen? Oder wollen Da gehen Sie hin und halten mal Ihre Rede und reden (B) Sie nicht, dass wir testen? Ich will dieses alles, und des- (D) davon, dass das eine unverhältnismäßige Reaktion der wegen ist dieser Nachtragshaushalt richtig. Bundesregierung ist! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ein Satz zu den Unternehmenshilfen. Gerade eben Dr. [DIE LINKE]) habe ich noch mal die Ministerpräsidentin von Mecklen- Ich will hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts burg-Vorpommern angehört. Sie hat diese Woche gesagt: herbeireden; aber die Höhe der Infektionswerte er- Der Bund hält seine Zusagen nicht ein. – Wir haben schreckt einen schon. unsere Zusage eingehalten. Wir haben noch mal massiv aufgestockt, Herr Bundesfinanzminister – der Wirt- (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE schaftsminister ist jetzt nicht da –, Stichwort „Eigenkapi- GRÜNEN]: Ja, das kann man wohl sagen!) talzuschuss“ bei der Überbrückungshilfe III. Wir haben Nachlaufend ist der Anstieg der Zahl der belegten Inten- reagiert nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom sivbetten. Ich möchte nicht – ich sage das ganz ausdrück- 3. März. Aktuell stehen bei den Unternehmenshilfen ins- lich –, dass auch bei mir in der Fraktion der eine oder gesamt 65 Milliarden Euro zur Verfügung; deswegen andere möglicherweise erst mit Bildern zur Vernunft brauchen wir den Titel mit 25 Milliarden Euro im Nach- kommt, wo zu sehen ist, wie in der Charité oder bei mir tragshaushalt jetzt nicht anzupacken. Beantragt, liebe in Ribnitz-Damgarten in den Bodden-Kliniken die Inten- Kolleginnen und Kollegen, sind mittlerweile rund 20 Mil- sivpatienten auf den Fluren liegen müssen, weil die Kran- liarden Euro. kenzimmer belegt sind. Das möchte ich nicht. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Immer wieder ist ( [AfD]: Ist doch Unsinn!) von den Ländern zu hören: Der Bund tut nichts. – Die Wirtschaftshilfen, Überbrückungshilfe I, II, III, Novem- – Das ist kein Unsinn. ber-, Dezemberhilfe, bezahlt komplett, zu 100 Prozent, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der Bund allein, die Länder setzen um. Wenn Sie sich die Zahlen angucken, sehen Sie: Jeden Tag Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das muss mal gibt es 80 bis 100 neue Intensivpatienten. Rechnen kann gesagt werden: Bei der Novemberhilfe und Dezember- ich noch: Das sind in 7 Tagen 600 bis 700 und in 14 Tagen hilfe sind 85 Prozent der beantragten Volumina umge- 1 500 weitere Intensivpatienten. Dann sind wir bei über setzt. Bei der November- und Dezemberhilfe stehen wir 6 000 in der Bundesrepublik Deutschland, und dann ist seit Wochen bei etwa 6 Milliarden Euro. Die Antrags- die Kapazitätsgrenze erreicht, liebe Kolleginnen und volumina steigen nicht mehr groß. Das heißt, da wird Kollegen. Deswegen ist es richtig, dass wir handeln. auch nicht mehr viel kommen. Ich glaube, gerade die 27918 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Eckhardt Rehberg (A) Überbrückungshilfe III ist gut konzipiert, nicht branchen- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) bezogen, sondern insgesamt für alle gleichmäßig pas- Jetzt erhält das Wort der Kollege Otto Fricke, FDP. send. Ich bin davon überzeugt, dass die auch helfen wird. (Beifall bei der FDP) Ein Wort zu einer ganz spannenden Debatte, die auch in meinem Heimatland gerade wieder geführt wird. Otto Fricke (FDP): Schlagzeile: Kommunen haben einen Überschuss von Geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen 339 Millionen Euro. – 339 Millionen Euro! Es gibt und Kollegen! Herr Finanzminister, das, was der Kollege zwei Gründe. Rehberg gesagt hat, war für Sie eigentlich ein klarer Tief- Der erste Grund ist: Der Bund-Länder-Finanzaus- schlag; denn er hat genau beschrieben, was Sie hinter- gleich zur Erhöhung oder Zurverfügungstellung eines lassen. Man muss einfach auch heute wieder feststellen: Ausgleichs der kommunalen Finanzkraft ist in Mecklen- Das war nicht die Rede eines Finanzministers, eines burg-Vorpommern auf Druck der CDU komplett im kom- Haushaltsministers, sondern das war die Rede eines munalen FAG gelandet – komplett, 330 Millionen Euro. Wahlkämpfers und Kanzlerkandidaten. Zum zweiten Grund. Ich habe mich mal nach Gewer- (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ganz richtig!) besteuereinnahmen bei mir an der Küste umgehört. Was Sie mit dem deutschen Haushalt in den vier Jahren Rügen, Usedom, Fischland-Darß: kein Einbruch. Und gemacht haben, ist, dass Sie ihn im Endeffekt in eine so wissen Sie, wer die großen Gewerbesteuerzahler dort tiefe Krise geführt haben, dass ich Eckhardt Rehberg nur sind? Hotellerie und Gastronomie. Das sind dort die zustimmen kann: Wer auch immer die nächste Regierung großen Gewerbesteuerzahler. Der zweite Grund ist der stellen wird, wird sich mit den Überbleibseln Ihrer Ausgleich des Bundes bei der Gewerbesteuer. Ich will eigentlich nicht mehr vorhandenen Haushaltspolitik aus- hier mal die Unterschiedlichkeit der Inanspruchnahme einandersetzen müssen. und der Finanzlage von Bund, Ländern und Kommunen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten deutlich machen. Bund, Defizit bei den Einnahmen: der AfD) 131 Milliarden Euro. Finanzierungsüberschuss: 39 Mil- liarden Euro. Kommunen: positiver Überschuss von Es ist eine unkontrollierte Ausgabenwelle, die wir hier 2,7 Milliarden Euro. vorfinden. Es ist jetzt, wenn wir die Nachtragshaushalte dazunehmen, der vierte Verschuldungshaushalt, den wir Aber jetzt kommt’s. Herr Bundesfinanzminister, Kin- hier erleben. der- und Jugendhilfe ist Sache der Länder und Kommu- nen. Der Bund hat ein Minus bei den bereinigten Ein- (Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD]) (B) nahmen von 43,5 Milliarden Euro. Die Länder haben Es ist an der Stelle auch die typische Reaktion eines (D) ein Plus bei den bereinigten Einnahmen von 32,3 Milliar- Wahlkämpfers, eines Sozialdemokraten. Meine Fraktion den Euro. Der Grund ist: Hier ist beim Bundesamt für bestreitet überhaupt nicht, dass wir uns gegenwärtig in Statistik die Bundeszuweisung an die Länder eingerech- einer Krisensituation befinden, net. Diese ist da gegenüber dem letzten Jahr eingerechnet. Das heißt 32,3 Milliarden Euro mehr in 2020 als in 2019. (Saskia Esken [SPD]: Ach?) Die Kommunen haben ein Plus von 13,6 Milliarden Euro und wir alle sind der Ansicht – unabhängig von der Frage, bei den bereinigten Einnahmen. was der Grund dafür ist –, dass wir helfen müssen. Aber all das, was Sie machen, Herr Finanzminister – und da Das sollte uns schon mal zu denken geben, was wir können Sie so lange in Ihren Papieren rumblättern, wie noch zu leisten haben, oder auch, wenn andere originär Sie wollen, statt zuzuhören, wie es eine Regierung im zuständig sind, was sie dann selber zu leisten haben. Ich Parlament eigentlich tun sollte –, bin und Anja Hajduk dankbar. Guckt man ins Jahr 2017 zurück: Prüfungsrechte des Bundes- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der rechnungshofs. Wenn wir diese Verfassungsänderung AfD – Zuruf des Abg. Carsten Schneider nicht gemeinsam vorgenommen hätten, würde nicht auf [Erfurt] [SPD]) den Tisch kommen, dass die Länder Stand Ende 2017 zeigt doch nur ganz genau, wie Sie hier agieren. Dieses Reste bei den Regionalisierungsmitteln von 4 Milliarden Parlament ist Ihnen eigentlich egal. Die SPD kann der Euro haben, aufwachsend auf 5 Milliarden Euro – Aus- Wahlkampfrede zuhören; die CDU, die mehr mit sich sage des Bundesrechnungshofs im Haushaltsausschuss. selbst beschäftigt ist, nimmt das alles hin. Aber es betrifft Ich könnte diese Liste noch so weiterführen. Warum diejenigen draußen, die es am Ende bezahlen müssen. sage ich dieses gerade oder mache das sehr deutlich? Ja, Sie sagen: Wir müssen helfen. – Richtig, wir müssen wir wollen dieses Jahr 240 Milliarden Euro an Schulden helfen. Aber wie hat Bertolt Brecht doch so schön in „Der aufnehmen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Jasager. Der Neinsager“ geschrieben: „Wer a sagt, der größere Kraftanstrengung – ich wiederhole mich – wird muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch das Herauswachsen aus den Schulden sein, um wieder war.“ Man hätte sich mal damit beschäftigen müssen, wie das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik man die Hilfen besser aufstellt, anstatt neue Behörden, Deutschland, einzuhalten, die Schuldengrenze einzuhal- neue Vorgänge zu schaffen. Und wir wissen doch auch, ten. warum der Wirtschaftsminister nicht da ist: weil er die Herzlichen Dank. 57. Bürokratieregel finden muss, wie den Unternehmen vielleicht nun geholfen – bzw. nicht geholfen – werden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) kann. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27919

Otto Fricke (A) (Beifall bei der FDP) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) Das Schlimmste, Herr Minister, ist – und das ärgert Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine mich so sehr –: Wenn man in einer Notsituation ist, Lötzsch, Die Linke. dann guckt man nicht nur: „Wo gebe ich mehr aus?“, (Beifall bei der LINKEN) sondern vielleicht auch mal: Wo gebe ich weniger aus? Worauf kann ich verzichten? Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!) Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Um es ganz einfach zu machen: Dieser Finanzminister ist Damen und Herren! Mit dem Nachtragshaushalt müsste noch nicht einmal in der Lage, zu sagen: Okay, Leute, die Bundesregierung eigentlich drei Fragen beantworten: Corona geht weiter. Die Behördenvertreter werden weni- Erstens. Werden geeignete und wirksame Maßnahmen ger reisen. Wir reduzieren mal alle Reisekosten, wenigs- ergriffen, mit denen wir gesund aus der Krise und aus tens ein bisschen, und wenn es nur ein paar Millionen dem Lockdown herauskommen? Zweitens. Werden weniger Neuverschuldung bedeutet. – Nein, es bleibt arme Menschen und Menschen in prekären Situationen alles beim Alten! Und genau das ist das, was Sie machen: wirksam unterstützt? Und – drittens – vor allem: Wer Sie belassen es beim Alten, geben ein bisschen mehr bezahlt die Coronarechnung? Darauf gibt die Bundesre- drauf, schaffen sich eine Wahlkampfkasse, lassen sich gierung keine ehrlichen Antworten. Wir aber sagen: Wir hier applaudieren. Das ist im Endeffekt keine Haushalts- wollen vor der Bundestagswahl wissen, wer die Pande- politik, sondern das ist zukunftsvergessen und nicht das, miekosten bezahlen soll, meine Damen und Herren. was dieses Land eigentlich von einem Finanzminister (Beifall bei der LINKEN) erwarten könnte. Aus dem Wellenbrecher-Lockdown ist nun ein Dauer- (Beifall bei der FDP) wellen-Lockdown geworden. Woran liegt das? Das pri- vate Leben der Menschen wird drastisch eingeschränkt, Das Zweite – und das ärgert mich auch sehr – ist, dass aber das Wirtschaftsleben kann in vielen Bereichen ein- Sie in Ihrer Rede auf eine Sache nicht hingewiesen haben, fach so weiterlaufen, als ob es keine Pandemie gäbe. die in diesem Nachtragshaushalt steht, nämlich die Erhö- Wenn es um Systemrelevanz geht, denke ich an Kranken- hung der Zinskosten um 4,5 Milliarden Euro. 4,5 Milliar- häuser, an Pflege, an den Lebensmittelhandel. Aber ich den Euro mehr als noch im Dezember geplant muss die- sage ganz deutlich: Der Bau von Panzern und Maschinen- ses Land im Bereich der Zinsen ausgeben. 4,5 Milliarden! gewehren ist nicht systemrelevant. Darum muss hier Das heißt, alle grünen Träume von kostenlosen Investi- gestoppt werden, meine Damen und Herren! tionen, alle linken Träume von kostenloser Mehrver- (B) schuldung sind zu Ende geträumt. Seit Mitte Februar (Beifall bei der LINKEN) (D) sind die Zinsen weltweit gestiegen. Bei uns ist es so, Schriftlich wollte ich von der Bundesregierung wissen: dass inzwischen sogar schon die 15-jährigen Anleihen Gibt es Überlegungen, die Produktion in Wirtschaftsbe- im positiven Bereich sind. reichen, die nicht systemrelevant sind, in der Krise zu (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ganz genau!) reduzieren? Die Antwort war Nein. Wir sagen: Das ist die falsche Antwort, meine Damen und Herren! Um das einmal umzurechnen: Wenn Sie eine Verschul- dung von 1 300 Milliarden Euro – 1,3 Billionen – haben, (Beifall bei der LINKEN) dann werden Sie an der Stelle sagen: Okay, das ist ja nicht Erinnern wir uns: Die Kanzlerin wollte vor Ostern einen schlimm. – Aber 0,1 Prozentpunkte mehr Zinsen – darauf einzigen Ruhetag einlegen. Und was passierte? Sie wurde sei nur mal hingewiesen – sind 1,3 Milliarden Euro. Das von den Cheflobbyisten der Autoindustrie zurückgepfif- heißt, steigt die Verzinsung beim Bund um 0,1 Prozent, fen. Spätestens danach war klar, wer hier das Sagen in müssen Sie 1,3 Milliarden Euro mehr bezahlen. Was diesem Land hat. Das muss sich ändern, meine Damen bedeutet das? Um ein Beispiel zu geben, was man mit und Herren! 1,3 Milliarden Euro machen kann: Alle neuen Schüler bis 2023 könnten von diesem Geld ein iPad mit Stift bekom- (Beifall bei der LINKEN) men. Viele Menschen denken inzwischen: Die Kanzlerin (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!) und die Ministerpräsidenten sind einfach unfähig. – Ich glaube aber, es geht um etwas anderes. Es geht um Inte- Das ist dann weg, weil Sie eine Verschuldungspolitik ressen. Jeder muss wissen, dass im Präsidium der CDU machen, die zukunftsvergessen ist und Zinsen nicht be- die Wirtschaftslobby einen festen Platz hat und dort klare rücksichtigt. Ansagen macht, was geht und was nicht geht. Auch das (Beifall bei der FDP) muss sich ändern, meine Damen und Herren! Das kann nicht die Zukunft sein. (Beifall bei der LINKEN) Ich will zum Schluss sagen: Dieses Land hat einen Die Kanzlerin fordert jetzt eine Notbremse für Schu- besseren Nachtragshaushalt verdient. Dieses Land hat len, aber nicht für Heckler & Koch und andere Kriegs- aber noch etwas anderes verdient, nämlich endlich wieder waffenhersteller. Aber wir fragen Sie: Was ist eine Not- einen Finanzminister. Dafür wird es Zeit. bremse wert, die Schülerinnen und Schüler ausbremst und gleichzeitig der Rüstungsindustrie weiter grünes Herzlichen Dank. Licht gibt? Das geht so nicht weiter, meine Damen und (Beifall bei der FDP) Herren! 27920 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Gesine Lötzsch (A) (Beifall bei der LINKEN) Variante. Wir brauchen endlich eine wirksame Besteu- (C) erung von Milliardären und Multimillionären, meine Da- Und wir fragen uns auch, warum über drastische Aus- men und Herren! gangssperren diskutiert wird, aber nicht über die Ein- schränkung nicht systemrelevanter Produktionen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, der Finanzminister will uns Sie wollen die Politik der Schuldenbremse fortsetzen. einreden: Wir werden aus der Krise herauswachsen. – Doch die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse. Das ist eine Milchbubenrechnung! Und weil Sie auch in Sie ist ökonomischer Unsinn und gehört endlich auf den dieser Rede wieder behauptet haben, Deutschland werde Müllhaufen der Geschichte; nach der Krise besser dastehen als alle anderen Länder, (Beifall des Abg. [DIE LIN- können wir zurückblickend auf das vergangene Jahr, auf KE]) die vergangenen Monate nur sagen: Hier ist mehr denn sie blockiert die Zukunft unserer Kinder und Enkel- Bescheidenheit angesagt. Es wurde ja auch behauptet, kinder. Wir müssen jetzt in Bildung, Krankenhäuser, Deutschland werde beim Impfen besser vorankommen preiswerte Wohnungen investieren. Die Klimakrise wird als alle anderen Länder. Das ist von der Realität wider- von uns noch viel größere finanzielle Kraftanstrengungen legt. Stellen Sie sich endlich der Realität! erfordern als die Coronakrise. Da darf niemand auf der (Beifall bei der LINKEN) Bremse stehen. Wir wissen alle: Die Pandemie trifft arme Menschen Vielen Dank. besonders hart. Bis Ende August 2020 haben 15,5 Millio- (Beifall bei der LINKEN) nen Haushalte in Deutschland Einkommenseinbußen hin- nehmen müssen. Gering- und Normalverdiener sind am Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: stärksten betroffen. 30 Prozent der Menschen mit beson- ders niedrigen Einkommen hatten seit Beginn der Pande- Jetzt hat das Wort der Kollege Sven Kindler, Bünd- mie Probleme, laufende Rechnungen zu bezahlen. Das ist nis 90/Die Grünen. nicht gottgegeben, sondern das Ergebnis einer falschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Politik. Wir brauchen endlich eine sozial gerechte Politik in unserem Land, meine Damen und Herren! Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN) NEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Und gestern erst mussten sich Bezieher von Sozialleis- ren! Das ist nun der dritte Nachtragshaushalt innerhalb (B) tungen auch noch vom Chef der Arbeitsagentur verhöh- eines Jahres, den wir hier diskutieren. Ich sage klar: Es ist (D) nen lassen. Ich kann nur sagen: Das war, mit einem Wort in dieser schweren Notlage, in dieser Pandemie richtig, zusammengefasst, mehr als schäbig. dass die Bundesregierung die Kreditaufnahme erhöht. Es ist richtig, die Laufzeit der Wirtschaftshilfen zu verlän- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven- gern. Und es ist auch richtig, mit diesem Nachtragshaus- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- halt jetzt Impfstoffe zu finanzieren. Das ist richtig. Das NEN]) stellen wir auch nicht infrage, und das unterstützen wir in Meine Damen und Herren, die Menschen können ihre diesen konkreten Punkten auch. Miete nicht mehr bezahlen, und die Unionsfraktion klagt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gegen den Berliner Mietendeckel. Aber, Herr Scholz, man muss an dieser Stelle auch (Otto Fricke [FDP]: Erfolgreich!) festhalten – Sie haben die Coronapolitik der Bundesre- Ich kann nur sagen: Das ist nicht nur mies, sondern hier gierung angesprochen –, dass die extrem gefährliche zeigen sich auch klare Fronten. Immer da, wo das große Situation, in der sich Deutschland jetzt befindet – mit Geld zu verdienen ist, finden sich auch die Abgeordneten so hohen Inzidenzzahlen, mit vollen Intensivstationen –, der Union. Das ist gerade in der Pandemie unerträglich! doch damit zusammenhängt, dass die Bundesregierung keine konsequente Strategie bei der Coronapolitik ver- (Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: folgt. Das hängt damit zusammen, dass wir seit Oktober Das ist aber jetzt entschieden!) in einem nicht wirksamen Halb-Lockdown sind und die Bundesregierung keine Strategie hat – genauso wie die Ich kann Ihnen sagen: Sie können diese Scharte nur aus- MPK. Man ist immer hinter der Welle, anstatt die Welle bügeln, wenn Sie hier im Bundestag noch in dieser Legis- frühzeitig und konsequent zu brechen. laturperiode einen bundesweit wirksamen Mietendeckel beschließen. Das wäre die richtige Entscheidung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LIN- (Beifall bei der LINKEN) KE]) Im Nachtragshaushalt steht nicht, wer die Coronarech- Diese Strategie nach dem Motto „Too little, too late“ – nung bezahlen soll. Und wenn man ehrlich ist, muss man immer zu wenig und zu spät –, die kann so nicht weiter sagen: Es gibt nur zwei realistische Möglichkeiten, die funktionieren. Sie haben den Gesetzentwurf für die Bun- Schulden abzubauen: entweder den Sozialstaat herunter- desnotbremse angesprochen, Herr Scholz. Aber wir wis- fahren oder Milliardäre und Multimillionäre gerecht sen doch alle hier im Haus, dass das nicht ausreichen besteuern. Wir als Linke entscheiden uns für die zweite wird, um die Inzidenzzahlen zu senken, und zwar schnell. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27921

Sven-Christian Kindler (A) Und das ist notwendig. Der Kollege Rehberg hat hier sehr Dass wir mehr Investitionen nach der Pandemie brau- (C) genau ausgeführt, was mit den Intensivstationen passiert, chen, das sagen nicht nur wir; das sagen übrigens auch wenn wir die Inzidenzzahlen jetzt nicht schnell senken. Arbeitgeber und Gewerkschaften, und zwar im Gleich- klang. Erst diese Woche hat das arbeitgebernahe Institut Deswegen fordere ich Sie auf: Wir im Bundestag müs- der deutschen Wirtschaft eine neue Studie vorgelegt. sen beim Infektionsschutzgesetz deutlich bessere, deut- Arbeitgeber und Gewerkschaften sagen gemeinsam: lich wirksamere Maßnahmen beschließen, gerade im Be- Wir brauchen mehr Investitionen, und dafür müssen wir reich der Arbeitswelt, gerade im Bereich der Wirtschaft; auch die Möglichkeit nutzen, das über neue Kredite zu der darf nicht weiter ausgespart werden. Wir müssen jetzt finanzieren. – Sie sagen gleichzeitig: Wir müssen die handeln, und zwar schnell! Schuldenbremse reformieren, und wir müssen dafür sor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen, dass wir keine harten, zu kurzen Tilgungsfristen Konkret zum Nachtragshaushalt. Was Sie hier vorge- haben, damit sich Deutschland nach Corona eben nicht legt haben, Herr Scholz, ist wirklich nur das Allernötigs- kaputtspart. – Ich finde, es wird Zeit, dass man auch auf te. Im Grunde sind es viele technische Anpassungen, die die Stimmen aus der Wirtschaft hört. Wir brauchen end- Sie hier vornehmen. Aber es ist kein Wille zum Gestalten lich eine investitionsfreundliche Haushaltspolitik; das ist mit diesem Nachtragshaushalt wirklich erkennbar. ALG- auch wirtschaftsfreundlich. Wir dürfen nicht weiter an II-Empfänger/-innen werden bei diesem Nachtragshaus- alten Dogmen festhalten. halt wieder leer ausgehen. Es gibt weiterhin keine wirk- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – same, richtige Absicherung für Soloselbstständige. Otto Fricke [FDP]: Aber was für eine Investi- Und vor allen Dingen fehlt eine Perspektive: Was pas- tion ist das?) siert nach dem Sommer mit Deutschland? Wie geht es Dafür brauchen wir auch eine Reform unserer Schul- dann weiter? Denn die Bundesregierung sagt ja selber: denregeln. Dann werden wir hoffentlich aus dem Gröbsten heraus sein. – Aber dann muss man, finde ich, auch einen Plan (Otto Fricke [FDP]: Ja!) vorlegen: Wie funktioniert die wirtschaftliche Erholung? Wie funktioniert der Wiederaufbau? Das muss man dann Ich sage: keine Abschaffung, eine Reform – keine Ab- im Haushalt konkret absichern. Dann brauchen wir eben schaffung, wie es die Linkspartei will, aber auch kein zusätzliche Investitionen, dann brauchen wir neue Inno- starres Festhalten, wie es die Unionsfraktion will. vationen, neue Impulse. Das muss man im Haushalt absi- chern. Aber das sehen wir nicht in diesem Nachtrags- ( [CDU/CSU]: Klar wollen haushalt. Das ist viel zu wenig, was Sie hier vorgelegt Sie die abschaffen!) (B) haben. Vielmehr brauchen wir eine Reform unserer Schuldenre- (D) geln. Denn es geht darum, dass wir Investitionen, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – neues Vermögen schaffen, finanzieren und dafür auch Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP]) neue Kredite aufnehmen. Die Ablehnung dessen, gerade Konkret fehlt es an Investitionen in Klimaschutz, in aus der Unionsfraktion, lässt sich aus meiner Sicht inzwi- Bildung, in Digitalisierung. Damit vergibt die Bundesre- schen nur noch ideologisch begründen; denn mit makro- gierung hier auch eine Chance, einen ambitionierten Wie- ökonomischer Expertise hat das wenig zu tun. Aber auch deraufbauplan vorzulegen. Ich frage mich schon: Wie soll mit mikroökonomischer Expertise, also mit einzelwirt- die Bundesrepublik Deutschland nach dieser Pandemie schaftlichem Sachverstand, hat das wenig zu tun. mit diesem ewigen Weiter-so, mit diesem ewigen Ver- walten des Status quo international wieder den Anschluss Es ist doch absurd, bei dauerhaft niedrigen Zinsen auf gewinnen? Wir sehen doch, wie viel in die Zukunft inves- neue Kredite zu verzichten, wenn man gleichzeitig einen tiert wird in China, aber auch in den USA. so hohen Investitionsstau hat. Die neue Administration von Joe Biden hat jetzt einen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ambitionierten Plan vorgelegt für Klimaschutz, für die Peter Boehringer [AfD]: Total absurd! Das ist Energiewende, für Forschung, für Digitalisierung, für grünes Wirtschaftsverständnis!) ein großes Investitionsprogramm und für gute neue Ar- beitsplätze. Da ist nichts verdruckst; da ist richtig Power Welche Unternehmerin würde denn, wenn es extrem hinter. Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland eine niedrige Zinsen gibt und sie gleichzeitig veraltete Ma- Bundesregierung bekommen, die wie die Biden-Admi- schinen hat, nicht sagen: nistration wirklich anpackt, die wirklich vorangeht. Das (Zurufe von der FDP sowie des Abg. brauchen wir nach der nächsten Bundestagswahl! Alexander Dobrindt [CDU/CSU]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Ich nutze diese Chance; ich investiere jetzt in neue, Sie haben gesagt, Herr Scholz, man braucht hohe In- effizientere Maschinen, erneuere meinen Investitions- vestitionen nach Corona. Aber die Investitionsstrategie stock“? Das würde man doch machen. Man wäre doch dafür fehlt. Ein Blick in Ihren Haushalt zeigt: Der Nach- mit dem Klammerbeutel gepudert, diese große Chance tragshaushalt, aber auch die Eckwerte für den Haushalt jetzt nicht zu nutzen. Ich fordere Sie auf: Kommen Sie 2022 und die Finanzplanung sehen vor, dass die Investi- endlich in der ökonomischen Realität an, und handeln Sie tionen erst sinken und dann eingefroren werden. Das ist endlich! aus meiner Sicht Arbeitsverweigerung. Vielen Dank. 27922 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Sven-Christian Kindler (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ben, der möge doch sagen, er wolle Insolvenzen, er wolle (C) Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Vielleicht Arbeitslosigkeit, er wolle keine Impfungen. Denn das ist sollte man seine Reden mal der Lage anpas- die Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen. sen!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt erhält das Wort der Kollege Dennis Rohde, SPD. In der Krise kann man launige Reden halten; aber am Ende des Tages muss man handeln. Man muss handeln, (Beifall bei der SPD) damit eben nicht Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Ende die Dennis Rohde (SPD): Zeche für eine Krise zahlen müssen, für die sie selbst Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und nichts können. Dann sieht Handeln so aus wie das, was Kollegen! Das letzte Mal, dass wir hier über den Haushalt der Bundesfinanzminister Olaf Scholz vorgelegt hat, gesprochen haben, war am 11. Februar. Seit dem 11. Feb- indem man die Pakete, die es gibt, stärkt und aufstockt ruar sind 16 500 Menschen in Deutschland an Corona und die deutliche Botschaft sendet: Wir lassen euch auch verstorben. Das zeigt die dramatische Situation und die im Jahr 2021 nicht im Stich, und das, was wir euch bisher dramatische Lage, in der wir uns befinden. Ich will mich an Hilfe angeboten haben, das verbessern wir, das bauen Eckhardt Rehberg anschließen: Ich würde mir wünschen, wir aus, und das stellen wir euch auch weiter zur Seite. Herr Boehringer, Sie würden auch den Familien, den Menschen, die Familienangehörige verloren haben, das (Beifall bei der SPD) erzählen, was Sie gerade in diesem Haus gesagt haben. Nun ist diese Krise eine gesamtgesellschaftliche Auf- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gabe. Unser Staat ist voll handlungsfähig, finanziell voll der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE handlungsfähig; der Minister hat es gesagt: Wir stehen GRÜNEN) nach der Krise besser da als die anderen G-7-Staaten vor der Krise. – Wir stehen, gemessen an unserem Schul- Lieber Sven-Christian Kindler, ich habe gerade gehört, denstand, nach dieser Krise besser da als nach der Wirt- dass die Zahlen auch so hoch sind, weil nicht genug Ent- schaftskrise 2009. Wir können uns das leisten, zumal wir schlossenheit da ist, weil man in Regierung und MPK im Haushaltvollzug 2020 so viel eingespart haben, nicht durchgreift. Ich möchte mal deutlich machen: Die Grünen sitzen in elf Landesregierungen. (Otto Fricke [FDP]: Eingespart? – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Eingespart wurde gar (B) (Otto Fricke [FDP]: Ja!) nichts!]) (D) Sie stellen einen Ministerpräsidenten. Viellicht nicht im- dass das, was wir jetzt drauflegen, sogar noch hinter dem mer nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern auch zurückbleibt, wovon wir mal als Worst Case ausgingen. mal die eigenen Leute in die Kritik nehmen und sie fra- gen, was sie denn da falsch gemacht haben! Wir haben einen handlungsfähigen Staat. Und nichts- destotrotz sage ich: Diese Krise ist auch eine gesamtge- (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei sellschaftliche Aufgabe, und es ist nicht einzig und allein Abgeordneten der CDU/CSU) der Staat gefordert. Deswegen finde ich es auch richtig, Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der drama- dass wir deutlich gemacht haben: Wenn es um Testen tischen Lage werden wir weiter Einschnitte in unser tägli- geht und wenn es um Arbeitsschutz geht, dann sind ches Leben in Kauf nehmen müssen. Wir werden weiter auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Deutsch- Grundrechte gegeneinander abwägen müssen und wer- land gefordert, diejenigen, die kein Homeoffice anbieten den weiter unsere Freiheitsgrundrechte nicht so ausüben wollen oder können, diejenigen, die ihre Produktion auf- können, wie wir es uns alle wünschen würden. Deswegen rechterhalten, die vielleicht sogar mehr Gewinn gemacht müssen wir auch weiterhin politisch handeln. haben als vor der Krise; auch die müssen ihren Teil zum Schutz ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei- Aber weil hier gerade gesagt wurde, das, was wir ma- tragen, und auch das stellen wir sicher. chen, sei eine unkontrollierte Ausgabenwelle, will ich noch mal klarstellen: Das sind milliardenschwere Hilfs- (Beifall bei der SPD) pakete, damit Unternehmerinnen und Unternehmer durch diese Krise kommen, Und – der Bundesfinanzminister hat es angesprochen –: Wir wissen, dass Familien einer ganz besonderen Belas- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tungssituation unterliegen. Wenn man darüber diskutiert, bei welcher Inzidenz man Schulen, Kitas wieder schließt, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor der dann muss man auch immer mitdenken, dass das dann Krise einen Job hatten, durch diese Krise nicht ihren bedeutet, wieder Homeoffice und Kindererziehung unter Beruf verlieren. einen Hut zu bringen. Deswegen ist es auch richtig, dass (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wir in den letzten zwölf Monaten einen Fokus auf Kinder und Familien gelegt haben und auch weiterhin legen wer- Das sind milliardenschwere Pakete, um Impfstoffe anzu- den, indem wir die Kinderkrankentage weiter ausbauen, schaffen, um unser Gesundheitssystem zu stärken. – Des- wegen: Wer sagt, das seien alles unkontrollierte Ausga- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27923

Dennis Rohde (A) indem wir den Kinderbonus noch mal verankern und Dieses Versagen bezahlen die Menschen in diesem Land (C) indem wir auch über ein gutes und tragfähiges Konzept nicht nur mit ihrer Gesundheit. Die Arbeitnehmerinnen diskutieren, wie man das, was Kinder jetzt verpasst ha- und Arbeitnehmer, die Unternehmen bezahlen es im ben – sei es in der Schule, aber auch in der Freizeit –, Zweifel mit ihrer Existenz und mit ihren Zukunftsper- durch staatliche Angebote wieder ausgleichen kann, da- spektiven. mit sie auch alle Chancen in ihrem weiteren Leben haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Absolut rich- tig!) (Beifall bei der SPD) Deshalb: Lassen Sie die Mittel im Haushalt wirken! Wir Die Botschaft des heutigen Tages ist daher: Ja, wir brauchen mehr Tempo bei der Impfstrategie! stehen weiter vor enormen Kraftanstrengungen, nicht nur als Haushaltsgesetzgeber, sondern als Gesellschaft; (Beifall bei der FDP) jeder von uns wird weiterhin verzichten müssen. Die staatliche Botschaft heute ist: Um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern, die aus dieser Krise entstehen, schlagen wir Freien Demokraten Erstens. Der Staat ist voll handlungsfähig. Ihnen seit einem Jahr ein sehr wirksames Kriseninstru- Zweitens. Der Staat steht auch weiter in aller Konse- ment vor, und zwar die Einführung einer negativen quenz an der Seite der Bürgerinnen und Bürger – mit den Gewinnsteuer. Hilfspaketen, die er auf den Weg gebracht hat und weiter (Beifall bei der FDP) auf den Weg bringen wird. Denn wir sind der festen Über- zeugung: Nur gemeinsam können wir das Virus besiegen, Vor allem würden die Mittel bei den Betroffenen auch und nur gemeinsam können wir diese Pandemie hinter ankommen. Ihre Wirtschaftshilfen, die im Haushalt ste- uns lassen. Mit diesem Nachtragshaushalt legen wir das hen, kommen ja gar nicht an. Liebe Kolleginnen und weitere Fundament. Kollegen, die Überbrückungshilfe III – Stand dieser Woche –: 7,4 Milliarden Euro beantragt, 3,1 Milliarden Vielen Dank. Euro bei den Betroffenen angekommen. Das ist doch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten keine wirksame Wirtschaftshilfe in einer Krisensituation. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Ihre Wirtschaftshilfe ist ein Konjunkturprogramm, aber Nächster Redner ist der Kollege Karsten Klein, FDP. leider nur für die Insolvenzverwalter. Da hilft es auch (B) nichts, wenn Sie noch mal 25,5 Milliarden Euro ins (D) (Beifall bei der FDP) Schaufenster stellen. Bei der Wirtschaftshilfe muss end- lich geliefert werden! Karsten Klein (FDP): (Beifall bei der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Impfen schützt die Menschen in diesem Land. Dieses ganze Staatsversagen möchten Sie mit einem Impfen verhindert Krankheiten; Impfen schützt vor Schuldenberg überdecken. Wir Freien Demokraten sagen Lockdown; Impfen schütz vor Folgeschäden, und es Ihnen eins: Wenn Sie noch mal 50 Milliarden Euro bewahrt die Bildungschancen unserer jungen Generation. Schulden über die Feststellung einer Notsituation auf- nehmen wollen und der gleiche Betrag als Rücklage ein- (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Absolut!) gestellt ist, dann vergehen Sie sich an der nächsten Ge- Deshalb stehen wir Freien Demokraten auch hinter den neration. Zuallererst werden in einer Krise Reserven eingestellten Haushaltsmitteln, hinter den 6,2 Milliarden aufgebraucht, bevor man zukünftige Generationen belas- Euro, für den Bereich Impfen – keine Frage! tet. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Aber, liebe Bundesregierung, man muss den Impfstoff Dieser Haushalt ist ein Anschlag auf die Generationen- auch zum Gamechanger machen, und deshalb: Nur ein gerechtigkeit, Herr Finanzminister. Dieser Haushalt ist verimpfter, ein verabreichter Impfstoff ist ein wirksamer nicht enkelfit, und deshalb werden Sie zu diesem Haus- Impfstoff. Deshalb muss der Bundesgesundheitsminister halt auch keine Zustimmung der Freien Demokraten, der endlich die Frage beantworten, warum wir im FDP, erhalten. Vergleich der europäischen Partner nur einen schlechten Mittelfeldplatz bei der Impfgeschwindigkeit belegen, Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. warum 20 bis 25 Prozent der gelieferten Impfstoffe nicht (Beifall bei der FDP) verimpft sind.

(Zurufe von der CDU/CSU) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Das sind Fragen, die endlich geklärt gehören. Dieses Ver- Dr. André Berghegger, CDU/CSU, ist der nächste Red- sagen bei der Impfstrategie schadet diesem Land. ner. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) 27924 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): der Summe der Kreditaufnahme in den 20 Jahren zuvor. (C) Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- Das waren auch keine einfachen Zeiten; es sei nur an die legen! Meine Damen und Herren! Lieber Dennis Rohde, Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren erinnert. da ich dir ja sonst auch nicht widerspreche, werde ich das jetzt auch nicht tun; aber in guter koalitionärer Zusam- Zu den inhaltlichen Schwerpunkten dieses Nachtrages. menarbeit möchte ich deinen Beitrag ergänzen – das ge- Wir werden natürlich die Unternehmenshilfen ausweiten. hört zur Vollständigkeit des Bildes dazu –: Wir haben in Unternehmer, die besonders schwer und lange betroffen 2020 im Vollzug dennoch Rekordschulden aufgenom- sind, erhalten zusätzlich zu den Hilfen einen Eigenkapi- men. Wir haben nichts eingespart. talzuschuss; das Stichwort fiel auch schon. Das ist, denke ich, ganz wichtig, um den Unternehmen in dieser Situa- (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr richtig! – tion eine Hilfeleistung zu gewähren. Wir werden nach Otto Fricke [FDP]: Sehr ehrlich!) den Erfahrungen aus der Praxis die Überbrückungshil- fe III weiter ausbauen. Ich hoffe einfach, dass diese Hil- Denn Schuldenmachen ist immer der leichtere Weg, als fen schnell ankommen, schneller als vielleicht in der auf andere Art und Weise einen Ausgleich hinzubekom- Anfangsphase der Pandemie. men. An dieser Stelle möchte ich gern die Gelegenheit nut- (Dennis Rohde [SPD]: Das ist falsch, André!) zen, um mit einer Mär aufzuräumen – auch das ist schon in dieser Debatte angeklungen –: Manche Vertreter der Ich denke, das gehört zur Vollständigkeit des Bildes dazu. Länder behaupten immer wieder, der Bund leiste seine Hilfen nicht. Aber ehrlicherweise wird diese Behauptung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie auch durch ständige Wiederholung nicht besser. Ein des Abg. Peter Boehringer [AfD]) Blick auf Dashboard Deutschland hilft. Es beschreibt Meine Damen und Herren, besondere Situationen tagesaktuell, wie die unterschiedlichen Zuschussvarian- erfordern besondere Maßnahmen. Wenn wir ein – in ten und Hilfsprogramme bearbeitet und abgerufen wor- Anführungszeichen – „normales“ Haushaltsjahr hätten, den sind. Jedes Programm hat mindestens einen Auszah- würden wir nicht fünf Monate nach der Bereinigungssit- lungsstand von über 80 Prozent, Stand gestern. Eine zung hier stehen und über einen Nachtragshaushalt spre- Ausnahme gibt es: die aktuell zu bearbeitende Überbrü- chen. Das wäre nicht realistisch. Jetzt, in dieser Situation, ckungshilfe III. Aber das ist auch logisch; da gehen jeden ist das aber, denke ich, nachvollziehbar. Wir haben Tag neue Anträge ein. 2021 – das haben wir mehrfach gehört – ein verändertes (Beifall bei der CDU/CSU) Pandemiegeschehen, eine veränderte Virusvariante und (B) nach wie vor erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft Deswegen bitte ich – anders formuliert – die Vertreter der (D) und Gesellschaft. Deshalb ist es haushalterisch richtig, Länder: Suchen Sie den Schwarzen Peter nicht immer frühzeitig zu handeln, zu reagieren, um das gesamte beim Bund. Jahr über handlungsfähig zu sein. Zweitens. Wir werden Maßnahmen im Gesundheits- (Beifall des Abg. [SPD]) bereich anheben. Über die Impfstoffbeschaffung haben wir oft und lange geredet; aber fest steht nach wie vor: Haushalt ist bekanntermaßen in Zahlen gegossene Fast jeder Beschaffungspreis ist bei schnellem Einsatz Politik. Und das gilt, glaube ich, jetzt mehr denn je. Wir volkswirtschaftlich günstig. Ziel muss es doch sein, die stemmen uns als Bund mit aller Kraft finanzpolitisch Beschränkungen in dieser Gesellschaft so lange wie gegen diese Pandemie. Die Ausgaben der Pandemiebe- nötig, aber vor allen Dingen so kurz wie möglich auf- wältigung werden wir finanzieren, wenn sie absehbar rechtzuerhalten. Deswegen werden wir als Bund da sind und eine gewisse Haushaltsreife erreicht haben. auch noch mal eine zusätzliche Finanzierung unterstüt- Aber ich würde auch Wert darauf legen, diesen Nachtrag zen. auf die Pandemiebewältigung zu beschränken, das heißt, wenn möglich, auf die Einzelpläne 15, 32 und 60; das Zu guter Letzt wollen und müssen wir natürlich die sind Gesundheit, Bundesschuld und Allgemeine Finanz- Mindereinnahmen im steuerlichen Bereich darstellen. verwaltung. Alle anderen Einzelpläne haben wir vor ge- Dies bietet mir die Gelegenheit, noch mal auf das Ver- rade mal fünf Monaten ausführlich debattiert, diskutiert hältnis von Bund und Ländern im Allgemeinen zu spre- und entschieden. chen zu kommen. Der Föderalismus hat sich bei uns über Jahrzehnte bewährt, und er hat uns stark gemacht. Aber Zu Kennzahlen des Nachtrages. Wir haben das Haus- ich beobachte seit Jahren eine Entwicklung mit Sorge, haltsvolumen um 50 Milliarden auf jetzt 550 Milliarden und zwar unabhängig von der Couleur der Landesregie- Euro erhöht. Wir haben die Nettokreditaufnahme um rungen: Wir dürfen uns nicht zu einer Art Wohlfühlföde- 60 Milliarden auf 240 Milliarden Euro erhöht. Das sind ralismus weiterentwickeln nach dem Motto: Die Länder die nackten Zahlen. Aber was ist das denn eigentlich für können und wollen sich bei bestimmten schwierigen Fra- eine Dimension? Das will ich an zwei Beispielen noch gen nicht einigen oder verständigen, obwohl notwendige mal deutlich machen: Die Nettokreditaufnahme inner- Entscheidungen zu treffen sind, Stichwort „Flickentep- halb von zwei Jahren – 2020, 2021 – beträgt 370 Milliar- pich an Regelungen“. Dann muss der Bund eingreifen, den Euro. Das ist die Summe, die einem Haushaltsvolu- soll sich aber bitte sonst nicht zu sehr einmischen, und men des Bundes von vor wenigen Jahren entspricht, um darüber hinaus soll er noch großzügig finanzieren. – Ich die Größenordnung einmal festzustellen. Und die Kredit- halte diese Entwicklung, höflich formuliert, für unglück- aufnahme in zwei Jahren – 2020 und 2021 – entspricht lich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27925

Dr. André Berghegger (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Marco Bülow (fraktionslos): (C) ordneten der SPD) Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man in einer Krise Schulden aufnimmt, dann ist Der Maßstab unseres Handelns muss doch die Zustän- das erst mal selbstverständlich und auch richtig. Die Fra- digkeitsregelung und die daraus folgende Finanzverant- ge ist aber, wofür man sie aufnimmt und ob man in die wortung aus dem Grundgesetz sein. Und wenn wir hof- Vergangenheit investiert oder in die Zukunft. Gerade in fentlich zügig die Pandemie in den Griff bekommen einer Pandemie braucht man Investitionen in die Zukunft. haben, danach einen Strich darunter machen und dabei Dafür müssten Schulden da sein. Des Weiteren müsste feststellen, dass die Zuständigkeitsregelungen nicht mehr man immer in so einer Situation sowohl auf die Einnah- zeitgemäß sind, dann müssen wir – aber später – sachlich meseite als auch auf die Ausgabenseite blicken. Das ge- und in Ruhe darüber reden. hört zu einer solchen Debatte dazu. Hierzu möchte ich drei Punkte kurz nennen: Zu den Zahlen im Besonderen: Natürlich hatten Bund, Länder und Kommunen im letzten Jahr geringere Steuer- Erstens. Wenn man Geschenke ohne Gegenleistung einnahmen. Aber mit den Hilfen des Bundes hatten Län- verteilt, wie zum Beispiel letztes Jahr an die Lufthansa, der und Kommunen Mehreinnahmen und der Bund noch dann muss man sich nicht wundern, wenn dieses Geld größere Mindereinnahmen. Und wenn man sich jetzt die irgendwann fehlt. Oder nehmen wir ein aktuelles Bei- Haushalte der Kommunen genauer anguckt und Einnah- spiel: Mercedes schüttet 1,4 Milliarden Euro an Dividen- men und Ausgaben gegenüberstellt, stellt man fest, dass den aus. Diese Dividenden landen nicht hauptsächlich bei die Kommunen in dieser schwierigen Situation im letzten deutschen Aktionären, sondern irgendwo im Ausland. Jahr sogar finanzielle Überschüsse in den Kernhaushalten Dieses Geld ist weg. 700 Millionen Euro hat Mercedes aufgewiesen haben. Das wird viel zu wenig erwähnt; wir aber auf der anderen Seite als Kurzarbeitergeld angenom- sollten es aber immer mal wieder betonen und in Erinne- men. Das ist schäbig. Genau vor diese Ausgaben müsste rung rufen. die Politik einen Riegel schieben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und (Beifall bei der CDU/CSU) des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND- Der Bund, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird in NIS 90/DIE GRÜNEN]) Zukunft die reguläre Schuldenbremse nur dann so schnell Ich könnte jetzt noch einen weiteren Punkt aufmachen, wie möglich wieder einhalten können, wenn er deutliche nämlich dass die Kosten für externe Mitarbeiter in den Prioritäten bei den Ausgaben setzt. Da sehe ich keine Ministerien wachsen – trotz Pandemie. großen Spielräume für weitere großräumige Entlastungen (B) von Bund und Ländern. Darin fühle ich mich auch immer ( [CDU/CSU]: Dafür reicht (D) wieder durch die Position des Bundesrechnungshofes die Zeit nicht!) bestätigt. Auch das wäre ein Schritt, wenn man da eingreifen wür- de. Ich komme zum Schluss. Wir können nur immer wie- der betonen: Erst die solide Haushaltsführung über Jahre Zweitens. Nehmen wir den Militärhaushalt. Der Mili- hinweg hat uns die finanziellen Möglichkeiten eröffnet, tärhaushalt ist seit 2014, also innerhalb von nur sieben um in Deutschland jetzt so helfen zu können. Das zeich- Jahren, um 15 Milliarden Euro gestiegen, und er steigt net uns auch im Vergleich zu anderen Ländern internatio- auch während der Pandemie. Warum gehen wir da nicht nal aus. Deswegen danke ich an dieser Stelle dem Vater ran? Mit Panzern und den ganzen Neuanschaffungen dieser Politik, Wolfgang Schäuble, der nach langer Zeit werden wir nicht die Pandemie bekämpfen und auch diese Kehrtwende eingeleitet hat. nicht die Auswirkungen, die Covid hinterlässt. Auch das ist eine Sache, die wir mal hinterfragen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU) Drittens. Ich habe hier schon mal von der Blacklist Zu dieser finanziellen Solidität müssen wir so schnell wie gesprochen, also von den Ausgaben, die getätigt werden, möglich zurückkehren, um für die Zukunft gewappnet zu und von den Einnahmen, die nicht hereingeholt werden. sein; denn es werden auch wieder schwierige Phasen Auch dazu gibt es eine neue Meldung. Wir können natür- folgen. Das sollte und muss unser Anspruch sein. lich gern noch mal über Cum/Ex und die ganzen Dinge sprechen, bei denen es die Regierung und die Länder Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem versäumt haben, Steuerprüfer einzusetzen, die genau Land haben es verdient, dass nach so vielen schweren dem auf den Grund gehen, weswegen dann viele Sachen Monaten endlich Besserung in Sicht kommt. Das ist nicht verjährt sind. Heute gibt es neu die Meldung, dass Men- nur, aber auch unsere Verantwortung. Der Nachtrag wird schen mit einem Einkommen von über 500 000 Euro im dazu einen Beitrag leisten. Jahr immer seltener kontrolliert werden. Es gibt nur noch die Hälfte der Kontrollen, die es früher gab. Auch da- Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. durch geht uns Geld verloren. Über diese Dinge müsste auch bei Haushaltsdebatten und Nachtragshaushalten ge- (Beifall bei der CDU/CSU) sprochen werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND- Jetzt erhält das Wort der Kollege Marco Bülow. NIS 90/DIE GRÜNEN]) 27926 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Marco Bülow (A) Am Ende geht es vor allen Dingen darum, dass die (Beifall bei der CDU/CSU) (C) Pandemie und die Maßnahmen gegen die Pandemie dafür sorgen, dass die Ungleichheit in diesem Land rapide Angesichts all der schwierigen Umstände in den Fami- wächst, dass einige sogar hohe Profite machen und sich lien, mit Homeschooling, den fehlenden Betreuungs- und die Taschen vollstopfen trotz oder wegen dieser Pande- Bewegungsmöglichkeiten für die Kinder, liegen oft – ver- mie und andere – die breite Mitte und viele von denen, die ständlicherweise – die Nerven blank. Meiner Frau und nicht viel haben, also sozusagen diejenigen, die in der mir geht es da nicht viel anders. Das ist schon eine rich- Pflege oder in anderen Bereichen schuften – die Lasten tige Belastungsprobe für unsere Familien. Mit den zu- zu tragen haben, aber keine Unterstützung kriegen oder sätzlichen Kinderkrankentagen, dem Kinderzuschlag, ihre Existenz verlieren. Und auf die müssten wir uns der Unterstützung von Alleinerziehenden und nun darü- konzentrieren. ber hinaus mit dem Kinderbonus in Höhe von 150 Euro pro Kind setzen wir jedoch eine wichtige Kernbotschaft In Deutschland gibt es überhaupt keine Untersuchun- ab: Die Familien sind die Herzkammer unserer Gesell- gen und Debatten darüber – in vielen Ländern gibt es schaft, und das soll auch in Zukunft so bleiben. starke Debatten darüber –, was die Auswirkungen für das gesellschaftliche Gefüge bedeuten, wie ungleich sie (Beifall bei der CDU/CSU) sind und wer am Ende die Zeche zu zahlen hat; denn darauf kommt es ja an. Wir sprechen jetzt über den Nach- CDU und CSU haben gemeinsam jahrelang für ausge- tragshaushalt, aber die nächsten Jahre werden wir doch glichene Haushalte in Deutschland gesorgt und damit die darüber reden, wer die Zeche zu zahlen hat. Das werden Staatsfinanzen konsolidiert. Dies war auch die Grund- wieder diejenigen sein, die nicht besonders viel haben. – voraussetzung für staatliche Handlungsfähigkeit und Da müsste Politik für sorgen, da müsste ein Finanzminis- Krisenfestigkeit. Trotz der hohen Ausgaben, die überwie- ter für sorgen, und dafür müsste eine Regierung sorgen. gend der Bund im Vergleich zu den Ländern und Kom- munen zu schultern hat, steht Deutschland wirtschaftlich Danke. noch wesentlich besser da als viele andere große Volks- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und wirtschaften. des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜND- Viele reden derzeit über die Erfolge in Großbritannien NIS 90/DIE GRÜNEN]) und den USA, was die Pandemiebewältigung angeht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in Deutschland die Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: niedrigste Schuldenquote der G 7, also der sieben großen Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Industrienationen, haben. Unsere gute Haushaltspolitik Kollege Florian Oßner, CDU/CSU. der vergangenen Jahre macht es uns möglich, jetzt ver- (B) stärkt zu investieren. Der Weg der Neuverschuldung darf (D) (Beifall bei der CDU/CSU) letztlich aber nur eine Ausnahme bleiben; denn wie der britische Ökonom David Ricardo trefflich bereits im Florian Oßner (CDU/CSU): 19. Jahrhundert beschrieben hat: Die Schulden von heute Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und sind die Steuern von morgen. – Wir müssen deshalb fest- Kollegen! Dieser Nachtragshaushalt setzt drei Schwer- halten, falls wir weiterhin Leistungsgerechtigkeit wollen: punkte: erstens Gesundheit, zweitens Wirtschaft, drittens Es gibt auf Dauer keine verantwortbare Alternative zu Familie. So werden unter anderem Mehrausgaben beim einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik. Gesundheitsministerium in Höhe von 8,7 Milliarden Euro abgebildet, davon allein 6,2 Milliarden Euro für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – die Beschaffung von wichtigen Impfstoffen, und 1,5 Mil- Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!) liarden Euro für unsere Krankenhäuser. Diese leisten mo- mentan in ihrer Flächendeckung die Mammutaufgabe der Der Bundesrechnungshof weist zu Recht in seinem Pandemiebewältigung vor Ort. Dafür an alle Ärzte und Lagebericht in diesem Monat darauf hin, dass wir Gefahr Pflegekräfte ein großes Lob und Dankeschön vorab! laufen, unsere Vorbildfunktion innerhalb der Europä- Auch wenn es viele nicht mehr hören können: Jeder ischen Union zu verlieren. Wir sind die letzte große Euro in diese Arbeit ist ein gut investierter Euro. Volkswirtschaft mit dem bestmöglichen Kreditrating aller drei wichtigen Ratingagenturen. Aus diesem Grund (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und möchte ich auch alle Kolleginnen und Kollegen sowie die des Abg. Dr. Joe Weingarten [SPD]) Ministerien aufrufen, alle, ja wirklich alle Ausgabewün- Auch für die wirtschaftliche Bewältigung der Pande- sche auf ihren investiven Charakter für die Zukunft mie enthält der Nachtragshaushalt noch einmal mehr Mit- Deutschlands abzuprüfen. Mit einer Nettokreditaufnah- tel. Damit stehen in diesem Jahr insgesamt 65 Milliarden me von 240 Milliarden Euro erreichen wir einen Höchst- Euro an Wirtschaftshilfen zur Verfügung. Das ist ein his- wert, der so einmalig bleiben muss. torisch gigantisches Programm für unseren Mittelstand. Auch wenn die Auszahlung anfangs schleppend lief, so (Beifall des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/ ist doch am Ende entscheidend, dass diese Hilfen bei CSU]) unseren Unternehmen ankommen. Wir sollten deshalb Wenn ich mir dabei das grüne Wahlprogramm mit dem diese Hilfen nicht immer schlechtreden und in Misskredit Titel „Deutschland. Alles ist drin“ anschaue, ziehen. Nein, ganz im Gegenteil: Dies war und ist ein maßgeblicher wirtschaftlicher Stabilitätsfaktor für unser (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Land. NEN]: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir eins!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27927

Florian Oßner (A) dann bekommt die Aussage der SPD-Parteivorsitzenden Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. (C) Saskia Esken einen richtig dicken Schrecken; sie hat ja Der Ausschuss empfiehlt, die Genehmigung zu ertei- gesagt: Niemand müsse Angst vor Rot-Rot-Grün oder len. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Rot-Grün-Rot haben. – Auweia! Die Grünen wollen stimmt dagegen? – Dann ist die Beschlussempfehlung laut Wahlprogramm einführen: Ein Klimawohngeld, einstimmig angenommen. eine Mobilitätsprämie, eine Kindergrundsicherung mit GarantiePlus-Betrag, eine allgemeine Garantiesicherung, Jetzt erteile ich zu einer Erklärung nach § 32 unserer eine KinderZeit Plus. Nahverkehr, Volksbildung, Diver- Geschäftsordnung, einer Erklärung außerhalb der Tages- sity – nur ein kurzer Auszug – sollen üppigst subventio- ordnung, dem Kollegen Stefan Keuter, AfD, das Wort. niert werden. Der grüne Staat ist ein Umverteilungsstaat, (Beifall bei der AfD) (Zuruf von der AfD) er sitzt auf einem Berg von Geld und teilt es den Richti- Stefan Keuter (AfD): gen zu. Ein besserer Titel des grünen Programms wäre Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie diese Erklärung aus meiner Sicht deshalb: Deutschland – wer soll das zulassen. alles nur bezahlen? In der gestrigen Debatte zum Thema Transparenzregis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ter ist es bei einem Debattenbeitrag von Fabio De Masi ordneten der FDP – Zurufe von der AfD) von der Fraktion Die Linke zu einer Aussage gekommen, Zum Schluss möchte ich noch ein paar Worte an den die meiner Fraktion zugeschrieben wurde und mit mir Bundesfinanzminister richten. Sehr geehrter Herr Minis- persönlich namentlich in Verbindung gebracht wurde: ter und SPD-Kanzlerkandidat, wir als Haushälter der „Geldwäsche sei die Notwehr des kleinen Mannes.“ – Unionsfraktion stellen Ihnen hier sicherlich keinen Blan- Diese Aussage ist falsch, ist unwahr und ehrabschnei- kocheck aus. Die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen wer- dend. Geldwäsche ist eine Straftat, und die Äußerung den wir auch weiterhin im Blick haben. Nach der Rekord- „Geldwäsche sei die Notwehr des kleinen Mannes“ neuverschuldung in diesem Jahr müssen wir in den kann als Aufforderung zu einer Straftat ausgelegt werden. nächsten Jahren die Defizite wieder absenken und zum Ich als Mitglied des Finanzausschusses verwehre mich Pfad ausgeglichener Haushalte zurückkehren. Seien Sie dagegen, mit solchen Straftaten oder der Duldung von sich versichert, dass wir als CDU und CSU gemeinsam solchen Straftaten in Verbindung gebracht zu werden. hierfür alle Hebel in Bewegung setzen werden. Im Nachgang dieser Äußerung haben wir uns die Ple- Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören. nardebatten seit 2018, insbesondere mit Herrn De Masi, (B) (Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt angeschaut. Es gibt keine Äußerung, die auch nur annä- (D) [CDU/CSU]: Hervorragend!) hernd dazu geeignet wäre, hier verwechselnd in Verbin- dung gebracht zu werden. Ganz im Gegenteil: Hätte Herr De Masi den Äußerungen von mir, von uns in den Debat- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ten zugehört, wüsste er die Positionierung in Sachen Damit schließe ich die Aussprache. Panama Papers, Paradise Papers und Geldwäsche. Des- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf halb ist diese Äußerung so nicht tragbar. den Drucksachen 19/27800, 19/28139 und 19/28464 an Es ist allerdings richtig, dass ich für meine Fraktion ein den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Gibt es weitere Positionspapier entwickelt hatte, und daraus möchte ich Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir abschließend ganz kurz zitieren, damit auch Herr De wie vorgeschlagen. Masi – Sie werden mit ihm wegen der Verbreitung dieser Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Tages- Unwahrheiten wahrscheinlich noch hart ins Gericht ge- ordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfeh- hen – lung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf der Drucksache 19/28510 zu (Lachen bei der LINKEN – [DIE einem Antrag auf Genehmigung zum Vollzug gericht- LINKE]: Ganz sicher! Jetzt gleich! Umge- licher Vermögensarrest- und Durchsuchungsbeschlüsse hend!) erweitert und diese jetzt gleich als Zusatzpunkt 8 aufge- zitieren kann: In Deutschland erwirtschaftete Gewinne, rufen werden. Das Verfahren entspricht der langjährigen die in der Regel mit deutschen Bürgern erzielt werden, Praxis des Deutschen Bundestages. Ich gehe davon aus, müssen auch in Deutschland versteuert werden. Die dass wir auch heute so verfahren. – Damit ist der Punkt Möglichkeiten, zum Beispiel überhöhte Lizenzgebühren, aufgesetzt. IT-Kosten, Gewinne aus Tochtergesellschaften in Nied- Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 8 auf: rigsteuerländern zu verschieben, müssen geschlossen werden. Eine umfassende Transparenz über relevante Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerzahler/Steuer- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- pflichtiger mit Konzerngesellschaften in Drittstaaten ist schäftsordnung (1. Ausschuss) herzustellen. Antrag auf Genehmigung zum Vollzug ge- Das zur Aufklärung. Hätte Herr De Masi diese Äuße- richtlicher Vermögensarrest- und Durchsu- rung nicht hier im Plenum getätigt, würde ich hier keine chungsbeschlüsse Erklärung abgeben müssen. Dann hätte er heute Morgen Drucksache 19/28510 bereits die Aufforderung zu einer strafbewehrten Unter- 27928 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Stefan Keuter (A) lassungserklärung vorliegen. Das abschließend dazu. (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: (C) Auch wenn Sie hier versuchen, Oppositionspolitik zu Genau das Gegenteil machen wir doch) machen: Aus Sicht Ihrer Fraktion Die Linke – Das Parlament beschließt die Gesetze, und hier muss die Diskussion stattfinden, nicht hinter verschlossenen Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Türen. Herr Kollege, eine Erklärung nach § 32 der Geschäfts- (Zurufe von der SPD: Genau das machen wir ordnung unterliegt strengen Begrenzungen. doch!)

Stefan Keuter (AfD): Die föderalismusfeindliche Zentralisierung der Ent- – möchte ich Sie bitten, bei der Wahrheit zu bleiben. scheidungen beim Bund ist allerdings genauso falsch. Die Debatte muss zurück ins Parlament – regelmäßig, Danke. ohne Wenn und Aber, sofort. (Beifall bei der AfD) (Zuruf von der CDU/CSU: Das machen wir doch!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Oder benennen Sie Ihre Kungelrunden doch um. Wie Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 11 auf: wäre Politbüro? Das wäre zumindest ehrlich. Beratung des Antrags der Abgeordneten Roman (Timon Gremmels [SPD]: Mein Gott!) Johannes Reusch, Jens Maier, Tobias Matthias Aber Ehrlichkeit ist das Letzte, was sich diese Regierung Peterka, weiterer Abgeordneter und der Fraktion erlauben kann. Sie müssen Ihr Versagen verschleiern. der AfD Das ist der Grund für den Endloslockdown. Sie müssen Alternative Maßnahmen zur Lockdown-Poli- verschleiern, dass Sie alles vermasselt haben, was Sie nur tik der Bundesregierung durch den Bundestag vermasseln konnten: rechtzeitige Beschaffung von medi- aufstellen – Pflicht des Deutschen Bundestages zinischem Material und Masken für das Fachpersonal, als Legislative, staatliche Handlungsmöglich- das Impfdesaster. Schon die Bestellung haben Sie ver- keiten zu benennen geigt. Drucksache 19/28447 (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und Überweisungsvorschlag: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Sie haben die Tests verschlafen, ganz zu schweigen von (B) Ausschuss für Inneres und Heimat der Ausstattung der Schulen und Behörden. Jeder Gastro- (D) Haushaltsausschuss Federführung strittig nom hat bessere Schutzkonzepte als diese Regierung. Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Lernen Sie von den Bürgern! Denn dieses Volk kann beschlossen. sich weitaus besser selbst aus der Krise helfen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem (Beifall bei der AfD) Kollegen Thomas Seitz, AfD. Sie haben nichts dazu beigetragen, gar nichts. Im Ge- (Beifall bei der AfD) genteil! Als Sie vor den Masken warnten, begannen Pri- vatleute und Unternehmen, Masken zu nähen und zu Thomas Seitz (AfD): verteilen. Hygiene und Desinfektion, Abstand und Kon- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und taktvermeidung – nichts davon haben Sie erfunden. Die Herren! Sie hätten so viel tun können in einem Jahr! Fällt Bürger haben es Ihnen vorgemacht. Nicht Sie, sondern Ihnen denn außer Lockdown so gar nichts ein? Nur eine Privatunternehmen haben Impfstoffe entwickelt, Frage dazu: Glauben Sie, Corona war das letzte Virus? (Zurufe von der SPD) Glauben Sie, so etwas kommt nie wieder vor? – Es wird wieder geschehen, mit einem ganz anderen Virus, ande- Tests auf den Markt gebracht und Konzepte für sichere ren Gefahren. Und dann? Ein weiteres Jahr Lockdown, Öffnungen entwickelt. zwei Jahre, zehn Jahre? Nein, Ihnen fällt nichts ein. Das Diese simplen Fakten, die Chronik Ihres Versagens, ist auch kein Wunder; denn Sie umgeben sich nur mit wollen Sie verschleiern. Warum? Nur um sich selbst als Beratern, denen auch nichts anderes einfällt als Lock- Retter aus der Not darzustellen. Dazu brauchen Sie Angst down, alternativ Brückenlockdown oder Tunnellock- und Panik. Nichts soll nach Normalität aussehen. down. Das ist Kuba-Syndrom im Endstadium. (Zuruf von der SPD: Realitätsverweigerung!) (Beifall bei der AfD) In Wahrheit haben Sie nicht Angst vor den hässlichen Aber Sie können nicht ewig so weitermachen. Viel- Bildern – oh nein! –, Sie fürchten die schönen Bilder: leicht können Sie alle Experten mundtot machen, die die rodelnden Kinder, die Menschen beim Spazieren nicht aus Ihrer Blase kommen. Sie können sich auch im und Bummeln, Schlittschuhläufer, Badegäste, Biergarten Hinterzimmer immer neue Repressalien für das Volk aus- und Straßencafé. Diese Bilder fürchten Sie. „Deutsch- denken. Aber Sie können nicht dauerhaft den Bundestag land. Aber normal“ – das fürchten Sie! als Gesetzgeber entmachten. Nicht mit uns! Nicht mit der Alternative für Deutschland! (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27929

Thomas Seitz (A) Sie schüren Angst und Panik. Sie inszenieren den Not- gerliches Tarnmäntelchen umhängen. Ihr Thüringer (C) fall, um als Retter in der Not dazustehen. Landes- und Fraktionschef Björn Höcke sprach im (Zuruf von der CDU/CSU: Tätä!) Zusammenhang mit Corona von einer – Zitat – „herbei- getesteten Pandemie“ und einem – wiederum Zitat – Es geht bei Ihnen nicht um Inzidenzwerte, sondern nur „Testwahnsinn“. Weiteres Zitat: „Die Testung und die um Ihre eigenen Umfragewerte, die sich angesichts stän- Anzahl der Testung führt überhaupt dazu, dass wir eine diger Korruptionsskandale im freien Fall befinden. Pandemie haben.“ – Zitat Ende. Sie lehnen den PCR-Test (Zuruf von der SPD: Sagt die AfD!) zum Nachweis der Infektion ab und fordern in Ihrer Reso- lution – Zitat –, „zu seit Jahrzehnten bewährten Diagno- Tausende Menschen sind dafür in den Heimen einsam semethoden zurückzukehren“. Sie schwafeln dort über gestorben nach Monaten der Isolationsfolter. Milliarden angebliche Meldungen zu alarmierend hohen Nebenwir- Euro haben Sie dafür verbrannt, inklusive dilettantisch kungen und – Zitat – „auffällig vielen Corona-Ausbrü- gemachter Apps und Werbekampagnen. Geben Sie den chen und erhöhten Sterberaten nach Impfungen in Hei- Bürgern die Verantwortung zurück! Freiheit als Freiwil- men“. Mit Verlaub: Blödsinn. ligkeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (Jan Korte [DIE LINKE]: Gähn!) SPD und der LINKEN) Respektieren Sie das Parlament als den Ort der Debatte Ja, es gibt Nebenwirkungen, leichte wie auch in geringe- und Diskussion! rem Umfang schwerere. Aber dank unserer funktionier- (Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige!) enden Impfüberwachung werden diese auch sofort Berufen Sie endlich eine unabhängige und ausgewogene erkannt, bewertet und vor allem die richtigen Konsequen- Expertenkommission ein. zen daraus gezogen. Also: Aufklärung, Hinweise, Impf- empfehlungen, die angepasst werden. Deshalb kann ich Bei der Gelegenheit: Wir brauchen keinen Unteraus- hier sagen, dass bei den bislang zugelassenen Impfstoffen schuss Corona, wir brauchen einen Untersuchungsaus- der Nutzen der Impfung die Gefahren einer Nebenwir- schuss Corona. Dieser wird kommen, spätestens im kung deutlich und weitaus überwiegt. Herbst. Wenn in einer Alteneinrichtung in Osnabrück nach der Vielen Dank. zweiten Impfung 14 Senioren mit der britischen Variante (Beifall bei der AfD) angesteckt wurden und die Senioren entweder asympto- matisch sind, das heißt keinerlei Beschwerden haben, oder leichte Krankheitsverläufe haben, dann beweist es Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (B) eines, nämlich dass die Impfung offensichtlich wirkt. (D) Karin Maag, CDU/CSU, hat das Wort, sobald das Pult dafür bereitet ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD, der FDP und der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir das jetzt alles zusammenrechnen: Mit dieser Vorgeschichte fordern nun ausgerechnet Sie den Deut- Karin Maag (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! schen Bundestag auf, eine unabhängige Expertenkom- Herr Seitz, schnell und schlampig! Allein der Antrag als mission einzurichten. Wozu sie eingerichtet werden solcher ist ja eine Zumutung. Weder hat das Bundeskanz- soll, wird jetzt nicht ganz klar, weil in Ihrem Antrag an leramt – Zitat – „zum wiederholten Male die Verlänge- dieser Stelle das Verb fehlt; rung der ‚Lockdown-Maßnahmen‘ ... beschlossen“ – das (Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Da fehlt hat das Bundeskanzleramt übrigens noch nie –, noch hat nicht nur das Verb!) Herr Professor Schrappe mit den Kollegen ein Thesen- aber das ist ja nun auch wurscht. papier entwickelt. Sie beziehen sich vermutlich – das wird aus dem Antrag nicht klar – auf die sieben Thesen- (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der papiere unter dem Titel „Die Pandemie durch SARS- LINKEN) CoV-2/CoViD-19“. Papiere eins bis sechs behandeln Sie wollen sich doch gar nicht mit den Fakten auseinan- Aspekte wie Epidemiologie, Prävention und Gesell- dersetzen. Sie wollen sich doch offensichtlich gar nicht schaftspolitik und sind hier übrigens bekannt. Papier sie- beraten lassen. Sie haben sich mit dieser Resolution doch ben verhält sich im Wesentlichen zum Thema Impfen. klar auf die Seite der Coronaleugner gestellt. (Zuruf von der AfD) (Zurufe von der AfD) Die Herren Professoren Schmidt-Chanasit und Stöhr Weiterhin fordern Sie uns auf, unsere legislativen gehören nicht zu den Autoren dieser Thesenpapiere. Bei Pflichten wahrzunehmen. Wir tun das. Gleich morgen den Herrn Professor Schrappe zugeschriebenen Zitaten haben Sie erneut die Gelegenheit, an dieser Stelle zum machen Sie sich noch nicht mal die Mühe, diese zu bele- Entwurf eines Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes zu gen. debattieren. Die Lage ist nämlich höchst angespannt: (Zuruf von der AfD) Die Zahl der Neuinfektionen ist nahezu flächendeckend Aber es geht Ihnen ja auch nicht um den konstruktiven nach oben gegangen, die Tagesinzidenz beträgt im Diskurs. Nein, offensichtlich soll dieser Antrag der Coro- Deutschlanddurchschnitt 160. naresolution Ihres Parteitags am Wochenende ein restbür- (Zuruf von der AfD) 27930 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Karin Maag (A) Wir sind mitten in der dritten Welle. Wir haben Land- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (C) kreise mit einer Inzidenz von 400, 500. 4 600 Coronapa- ordneten der SPD) tienten sind in intensivmedizinischer Behandlung, und das Personal kann nicht mehr. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Zuruf von der AfD: Blödsinn!) Dr. Wieland Schinnenburg, FDP, ist der nächste Red- ner. Wer den Appell von Professor Hallek am Dienstag in Köln gehört hat, wer gehört hat, dass wieder planbare (Beifall bei der FDP) Operationen verschoben werden müssen, wer gehört hat, dass jetzt die 40- bis 60-Jährigen in den Kliniken Dr. Wieland Schinnenburg (FDP): liegen – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei meiner (Zurufe von der AfD) letzten Rede hatte ich eine Lupe mitgebracht, um den Antrag der AfD genauer zu untersuchen. Heute habe ich bei den beatmeten Intensivpatienten haben wir eine Ster- Ihnen einen Spiegel mitgebracht. Sie werden gleich berate von 50 Prozent –, wer sich mit Long Covid befasst sehen, welche Bedeutung das hat. hat, mit den Schäden, die dauerhaft entstehen können, der weiß, dass wir dringend schnell harte Maßnahmen brau- (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei chen und nicht so einen Quatsch wie Ihre Anträge. Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Zunächst war ich durchaus hoffnungsfroh, als ich den ordneten der SPD) AfD-Antrag gelesen habe: Zum ersten Mal ein Antrag zur Rechtspolitik, der nicht von Herrn Brandner kommt. Jetzt müssen wir notgedrungen, weil die unterschied- lichen Interessen der Länder es offensichtlich nicht mehr (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der zulassen, bundeseinheitlich per Gesetz festlegen, was zu LINKEN) tun ist, wenn in einem Landkreis die Inzidenz über 100 Da war eine gewisse Hoffnung, dass dieser vielleicht steigt. Aus gesundheitspolitischer Sicht – das sage ich etwas besser wird. Der Autor, der Herr Reusch, ist ja deutlich – wäre es schön gewesen, wir hätten das Gesetz auch Leitender Oberstaatsanwalt. Ich verbinde mit noch diese Woche verabschiedet. Staatsanwälten, dass sie schneidig sind und genau ermit- Aber wir verabschieden das Gesetz doch nicht, weil teln. Das wäre gut. Nach der Lektüre dieses Antrags bin wir, Herr Seitz, in den letzten Wochen und Monaten keine ich ein wenig enttäuscht. Ja, er ist schneidig, er ist aber Fortschritte erzielt hätten! Hausärzte und Impfzentren katastrophal schlecht ermittelt, meine Damen und Her- (B) haben beim Impfen Tagesrekorde erreicht. In der Woche ren. (D) nach Ostern wurden von Montag bis Freitag 2,6 Millionen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Impfungen durchgeführt. 18 Prozent der Bürgerinnen und der CDU/CSU und der SPD) Bürger sind jetzt geimpft – einmal wenigstens. Wir kom- men unserem eigenen Anspruch – darauf lege ich Wert –, Lassen Sie mich das an drei Punkten erläutern. dass wir hier wieder Spitzenpositionen einnehmen, end- Erstens. Sie schreiben dort hinein, das Bundeskanzler- lich näher. amt habe beschlossen, dass der Lockdown verlängert Sogar die Länder sind mittlerweile gut dabei. Seit werde. Herr Reusch, Sie sollten wissen, das Ganze ist 8. März haben sie flächendeckend 15 000 Teststationen so abgelaufen, wie es ablaufen muss: Die Koalitionsfrak- aufgebaut, zusätzlich kommen die privaten hinzu. Jeder tionen haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, über den Bürger hat einen Anspruch auf mindestens eine Testung nächste Woche abgestimmt wird. So ist es im Grund- pro Woche. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, bei gesetz vorgesehen. Herr Reusch, lernen Sie erst einmal dieser Gelegenheit appelliere ich an Sie: Nehmen Sie öffentliches Recht, bevor Sie solche Anträge schreiben! diesen Anspruch auch wahr! Es ist wichtig, sich testen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zu lassen. der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Zweitens. Sie schreiben in Ihrem Antrag, der Lock- der SPD) down bestehe seit einem Jahr. Das ist falsch. Der Lock- down besteht noch nicht einmal seit einem halben Jahr. Jetzt frage ich Sie von der AfD: Welche Ideen hat die Herr Reusch, den Kalender lernt man bereits in der AfD zum Schutz vor unkontrollierter Ausbreitung des Grundschule. Auch das sollten Sie nachholen, um zu Virus, zum Schutz der Intensivstationen, zum Schutz wissen, wie ein Kalender funktioniert. aller Altersgruppen vor Long Covid? Drittens. Sie sagen, die Bundesregierung umgebe sich (Dr. [AfD]: Schutz von Risi- nur mit Menschen, die die gleiche Meinung hätten wie sie kogruppen von Anfang an! Das habe ich immer selbst. Das erstaunt nun wirklich. Hier brauchen wir jetzt gesagt!) den Spiegel. Die Infektionen laufen zu lassen, zu leugnen, das ist doch (Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP] hält keine Strategie, das ist Zynismus! Liebe Kolleginnen und einen Handspiegel hoch – Heiterkeit und Bei- Kollegen, es wird Sie nicht wundern: Wir von der Union fall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der lehnen diesen Antrag ab. CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- Danke schön. SES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27931

Dr. Wieland Schinnenburg (A) Schauen Sie einmal in den Spiegel. Sie machen das doch! Hilde Mattheis (SPD): (C) Sie beschäftigen sich nur mit Menschen, die die gleiche Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Meinung haben wie Sie. Schauen Sie in diesen Spiegel, der Tat, Herr Schinnenburg – – dann sehen Sie: Sie selbst tun das, was Sie den anderen (Stephan Brandner [AfD]: Man hört Sie nicht! vorwerfen. Meine Damen und Herren, es ist nur peinlich, Das Mikrofon ist aus! Das macht aber nichts!) was Sie in Ihren Antrag hineinschreiben. – So, jetzt aber. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Stephan Brandner [AfD]: Schade, jetzt ist es der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des an! – Gegenruf von der SPD: Ach, Herr BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe Brandner!) von der AfD) – Ignorieren! Schlimmer als dieser Fehler ist aber, dass Sie noch Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Schinnenburg nicht einmal konkrete Vorschläge machen. Sie sagen nur, Sie wollten eine Expertenkommission, die sich Ge- hat in unterhaltsamer Weise dargestellt, was in der Tat eine unglaubliche Ernsthaftigkeit birgt: Wir alle erwar- danken machen soll. Ja, Herr Reusch, meine Fraktion und ten – und diejenigen, die in der Regierung sind, haben auch andere Fraktionen machen sich seit einem Jahr Ge- sich auch darauf verständigt –, dass die Stimme der danken. Aber sie machen sich nicht nur Gedanken, sie machen auch konkrete Vorschläge. Wir wollen mehr Imp- Opposition natürlich ernsthaft mit einbezogen wird in Regierungshandeln und in die Debatte hier im Bundestag. fen, wir wollen mehr Testen, wir wollen eine bessere Wir möchten die Argumente hören. Aber ich finde, diese Nachverfolgung. Davon ist bei Ihnen nichts zu sehen. Anträge der AfD beleidigen meinen Intellekt. Das ist ein- Was von Ihnen kommt, das ist Hilfe für das Coronavi- fach so. rus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP) der CDU/CSU und der LINKEN) Sich mit solchen Anträgen auseinanderzusetzen, ist Meine Damen und Herren, Sie bekämpfen die Masken- hier natürlich parlamentarische Gepflogenheit – selbst- pflicht, Sie bekämpfen das Impfen und machen keine verständlich. Aber die Anträge der AfD, die auch auf konkreten Vorschläge. Das Coronavirus dankt sehr herz- den Beschlüssen von Parteitagen basieren, sind dermaßen lich für das, was Sie tun. Wenn ich ein Coronavirus wäre, skurril und dermaßen populistisch, rechtspopulistisch, ich würde AfD wählen, meine Damen und Herren! dass man das hier auch so benennen muss: entweder sehr unterhaltsam, wie Herr Schinnenburg das gemacht (B) (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei (D) Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der hat, oder aber mit Argumenten, mit denen man sich aus- LINKEN) einandersetzen muss. Wir tun das. (Zuruf von der AfD: Dann fangen Sie doch an! Denn wenn wir Ihrer Manie folgen würden, hätten wir Auf geht’s!) Millionen mehr Infizierte, Zigtausend mehr Tote, kurz: wir hätten den „AfD“, den Absturz für Deutschland. Mei- Ich glaube, dass wir als SPD-Fraktion zusammen mit ne Damen und Herren, das wollen wir nicht. Deswegen unserem Koalitionspartner CDU/CSU in den letzten werden wir Ihren Antrag auch ablehnen. Monaten bewiesen haben, dass es uns darum geht, nicht nur ernsthaft zu beraten und Argumente abzuwägen, son- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dern natürlich politisch zu handeln und die Ergebnisse, der CDU/CSU) die auf Beratungen fußen, eben auch in parlamentarische Debatten einfließen zu lassen und in Gesetzgebung zu – Ja, da können Sie ruhig klatschen. gießen. Das ist unser Handeln seit über einem Jahr. Wir Hinzu kommt noch Folgendes. Sie sagen im zweiten beweisen damit, dass es uns nicht um die Frage geht, wer Petitum, der Bundestag solle sich legislativ anstrengen. hier recht hat, sondern um die Fragen: Was ist richtig? Herr Reusch, liebe AfD-Fraktion, alle Fraktionen in die- Was sind die richtigen Maßnahmen? Worauf können wir sem Haus strengen sich seit einem Jahr legislativ an und uns verlassen? Was wird durch die Pandemie einge- machen konkrete Vorschläge: die Koalitionsfraktionen schränkt? Welchen Schritt müssen wir als nächsten tun? schlechte, die FDP gute. Sie dagegen machen gar keine. Sie dagegen tun das Testen in Ihren Parteitagsbeschlüs- Ihr Antrag ist nicht nur unnütz, er ist auch gefährlich. Wir sen als Irrweg ab. Sie stimmen Anträgen zu, die vorsehen, werden ihn ablehnen. dass Sie nur noch Investoren ins Land hineinlassen wol- Vielen Dank, meine Damen und Herren. len, die 5 Millionen Euro mitbringen, und versuchen dann auch noch irgendwie, das für sich in eine bestimmte Rich- (Beifall bei der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: tung zu lenken. Das ist so krude, dass man das nicht mit Das war nicht schlecht!) ernstzunehmender Opposition vergleichen mag. Wir als SPD-Fraktion gehen morgen in die erste Le- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sung des Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes. Und ich Nächste Rednerin ist die Kollegin Hilde Mattheis, sage Ihnen: Wir machen es uns nicht leicht. Dass wir es SPD. uns nicht leicht machen, zeigt sich auch daran, dass wir die Stimmen, die aus dem Kanzleramt kommen und die (Beifall bei der SPD) sagen, wir müssten noch einmal nachdenken, wahrneh- 27932 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Hilde Mattheis (A) men. Das wollen wir gerne tun. Wir werden darüber wenn man sich Ihren Antrag anschaut, sieht man, dass (C) nachdenken, ob dieses Vierte Bevölkerungsschutzgesetz davon keine Rede sein kann. Sie wollen ein Gremium mit den Maßnahmen, die wir bisher in der Beratung mit- aus Expertinnen und Experten installieren, das aus- einander vereinbart haben, wirklich den richtigen Effekt schließlich Personen aus dem medizinischen Bereich haben wird. Wir werden auch darüber beraten, ob die und der Wirtschaft beinhaltet. Ganz normale Bürgerinnen Inzidenzen die einzige Grundlage sind, auf der wir Ent- und Bürger: Fehlanzeige. Menschen, die sich mit den scheidungen fällen können. Funktionsweisen innerhalb der Gesellschaft auskennen, Alles das zeigt, dass wir als SPD-Fraktion auch zusam- kommen nicht vor; denn Sie interessiert letztlich auch nur men mit unserem Koalitionspartner bereit sind, Argu- das ungestörte Funktionieren der Kapitalvermehrung. mente abzuwägen, auch Argumente zuzulassen – das ist (Stephan Brandner [AfD]: Sie können ja einen ja das Entscheidende –, um dann das Richtige zu tun und Änderungsantrag stellen!) dafür zu sorgen, dass wir wieder möglichst schnell in eine Ihnen sind Ihre anonymen und nichtanonymen Groß- Öffnungsdebatte hineinkommen können, die die Hoff- spender in der Praxis dann eben doch näher als die Bür- nung in diesem Land befördert. gerinnen und Bürger dieses Landes. Wir verlangen der Bevölkerung sehr viel ab, ja. Aber (Beifall bei der LINKEN – Jan Korte [DIE wir versuchen, das mit Argumenten tatsächlich zu unter- LINKE]: Genau! – Zurufe der Abg. Uwe Witt mauern – nicht mit purem Populismus, sondern mit Ar- [AfD] und [AfD]) gumenten. Das ist unser Ziel. Dafür sind wir hier im Parlament verantwortlich. Sowohl was die Opposition Besonders lustig wird es dann aber, wenn Sie den Bun- anbelangt, als auch was die Regierungsfraktionen anbe- destag auffordern, tätig zu werden. langt, glaube ich, dass wir unsere Rollen richtig einneh- (Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie doch mal men, bis auf die AfD. Denn das, was wir hier in einem was zu dem NSDAP-Mitglied in Ihren Rei- Jahr von der AfD gehört haben – rauf, runter, Impfstrate- hen!) gie ja/nein, Teststrategie ja/nein und andere Maßnahmen ja/nein –, das ist eigentlich beschämend. Dieses Beschä- Es ist richtig: Sie machen selten den Eindruck, dass Sie men soll uns, die wir demokratische Parteien hier im verstanden haben, wie dieser Bundestag funktioniert; Parlament vertreten, anspornen, wirklich das Richtige aber dass das so weit geht, dass Sie offenbar ganz ver- miteinander zu tun und nicht nachzulassen, damit wir gessen haben, dass Sie selbst Teil des Bundestages sind die Pandemie in diesem Land demnächst beherrschen. und damit eigene Gesetzesinitiativen einbringen könnten, Das muss unser Ziel sein. ist selbst für Ihre Verhältnisse das neue Level der Absur- dität. (B) Ich sage noch mal: Verschonen Sie uns bitte mit Ihren (D) Anträgen. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]) (Lachen des Abg. Thomas Seitz [AfD] – Zuruf des Abg. Uwe Witt [AfD]) Meine Fraktion und ich haben bereits vor Monaten einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Einführung Lassen Sie uns die Zeit nehmen für ernsthafte Beratun- eines Pandemierats vorsieht. In unserem Entwurf werden gen, aber nicht für das, was Sie hier aufs Papier Bundestag und Bundesregierung von einem Gremium geschmiert haben. beraten, das sich unter anderem aus Personen aus dem Vielen Dank. Gesundheitswesen, aus den Sozialwissenschaften, aus dem pädagogischen Bereich und eben auch aus Bürger- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin innen und Bürgern zusammensetzt; denn die aktuell zu Maag [CDU/CSU] – Uwe Witt [AfD]: Maske treffenden Abwägungen sind wesentlich komplexer, als brauchen Sie nicht, ne! Besser in der Hand hal- dass sie nur zwischen Wirtschaft und Gesundheitswesen ten!) besprochen werden könnten. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Friedrich Straetmanns, Die Linke, ist der nächste Red- Aber das verstehen offenbar weder Sie von der AfD noch ner. Sie von den Regierungsparteien. (Beifall bei der LINKEN) Die Strategie der Bundesregierung besteht ganz offen- sichtlich darin, im privaten Bereich auch noch das Letzte Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): herauszuquetschen, damit für die Betriebe, insbesondere Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- für das produzierende Gewerbe, möglichst wenige Ein- nen und Kollegen! Es ist richtig, dass wir hier über Alter- schränkungen erfolgen müssen. nativen zur derzeitigen Politik der Pandemiebekämpfung (Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!) durch die Bundesregierung reden müssen. Das war es Es ist für diese Koalition selbstverständlich, dass sich dann aber auch schon mit der Übereinstimmung. Arbeiterinnen und Arbeiter im Betrieb und auf dem Ihr Antrag zeigt mal wieder perfekt Ihren Politikansatz Weg dorthin einem hohen Ansteckungsrisiko aussetzen, auf. Sie setzen hier einen völlig inhaltsleeren Antrag auf, während sie nach Feierabend auf ihre ohnehin oft zu um über das Thema Coronamaßnahmen reden zu können. kleinen Wohnungen beschränkt bleiben sollen. Ihre Den Menschen da draußen gaukeln Sie dabei vor, Sie geplante Ausgangssperre ist nicht nur falsch, sie ist würden ihnen mehr Gehör verschaffen wollen. Doch auch vollkommen unverhältnismäßig. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27933

Friedrich Straetmanns (A) (Beifall bei der LINKEN) demie nicht existieren würde. In der Folge beschäftigt (C) sich die Union seit Wochen mit sich selbst statt mit der Allgemeine Ausgangssperren sind ein scharfes Bekämpfung der Pandemie. Schwert, das jetzt bei einer Inzidenz von 100 gezogen werden soll. Die Schließung von Schulen soll dagegen (Karin Maag [CDU/CSU]: Entschuldigung, erst bei einer Inzidenz von 200 erfolgen. Derweil kann morgen debattieren wir hier über ein Gesetz!) in Papenburg, trotz absurd hoher Fallzahlen, über Wo- Ich muss sagen: Da bleibt mir glatt die Spucke weg. Das chen munter weiter am Kreuzfahrtschiff geschraubt und ist ein Niveau an Ignoranz, Selbstbezogenheit und Fahr- geschweißt werden. lässigkeit – mit Ihnen kann doch niemand ernsthaft koa- Darüber hinaus ziehen Sie mit Ihrer Ausgangssperre zu lieren wollen; das sage ich in Richtung der Grünen. einem völlig falschen Zeitpunkt die völlig falschen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Schlüsse aus aktuell noch einmal untermauerten For- Aber irgendwann in diesem Jahr wird diese Katastro- schungsergebnissen: Die Ansteckungsgefahr tendiert phe vorbei sein. Dann gilt es, die Menschen an das zu draußen fast gegen null. Und gerade zu dem Zeitpunkt, erinnern, was hier veranstaltet wurde. Ich bin mir sicher, zu dem es wärmer wird und die nach Sozialkontakten dass sie im September bei der Bundestagswahl den einen lechzenden Menschen sich da draußen mit Abstand tref- oder anderen Denkzettel verteilen werden. Meine Frak- fen könnten, machen Sie das für die Abendstunden tion und ich werden jedenfalls alles tun, damit dieses unmöglich. Damit verlagern Sie, liebe Bundesregierung, Trauerspiel hier nicht in Vergessenheit gerät. die Treffen sehenden Auges in die Innenräume, wo sie nämlich nicht zu kontrollieren sind. Das ist absolut fahr- Vielen Dank. lässig und konkurriert mit der Osterruhe sehr hart um den (Beifall bei der LINKEN) Titel der am wenigsten durchdachten Maßnahmen der letzten 14 Monate. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der LINKEN) Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen. Ich will mir gar nicht ausmalen, auf was für absurde Ideen Sie noch kommen werden, sollte diese Strategie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht greifen. Sollten Familien auf das gemeinsame Abendessen verzichten, damit in weiter der Por- Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sche vom Band rollt? Werden Sie tagsüber Grünanlagen NEN): sperren, außer auf dem Weg zur und von der Arbeit natür- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und (B) lich? Oder werden Sie die Mittagspause abschaffen, um Herren! Sehr geehrter Herr Straetmanns! Ich achte die (D) Kontakte zu reduzieren? Ab welcher Inzidenz sollen Paa- Geschäftsordnung des Bundestags hoch. Mir ist auch re getrennt schlafen, um die Rüstungsexporte nicht zu § 36 Absatz 1 Satz 1 der Geschäftsordnung präsent. gefährden? Danach kann der Präsident den Redner zur Sache ver- weisen, wenn dieser vom Verhandlungsgegenstand ab- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie ha- weicht. Ich vermute, dass es – wie immer – so ist, dass ben ja interessante Vorschläge! – Timon das auch für die Rednerin gilt. Ich will Ihnen aber ehrlich Gremmels [SPD]: Na ja!) sagen: In Bezug auf diesen Antrag der AfD fällt es mir Oder werden Sie vielleicht die Arbeitszeiten erhöhen, äußerst schwer, sechs Minuten Redezeit sinnvoll zu fül- damit die Arbeiterinnen und Arbeiter zu müde für private len. Treffen sind? Ich traue Ihnen mittlerweile alles zu, was (Zurufe von der AfD: Dann lassen Sie es doch!) garantiert, dass die Gewinne der Konzerne bloß nicht Tiefer als mit diesem Antrag kann man eigentlich nicht geschmälert werden. mehr fliegen, Herr Brandner. (Beifall bei der LINKEN – Timon Gremmels (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) [SPD]: Sie sind aber keinen Deut besser!) Es ist mir ein Rätsel, wer bei Ihnen auf die Idee kommt, Aber diese Gefahr besteht ja momentan ohnehin nicht. für so ein dünnes Ding eine ganze Stunde Debattenzeit zu Die Gewinne explodieren, und die Milliardäre mehren ihr beantragen. Vermögen. Die Reichen dieses Landes können sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemütlich einrichten, während die Löhne in der Breite und bei der SPD) sinken. In den luxuriösen Villen wird man sich dieses Maßnahmenregime sehr gemütlich anschauen können, Ich habe eine andere Vermutung. Ich glaube nicht, dass während die Arbeiterinnen und Arbeiter auf ihren dahintersteht, sondern dass Sie es sind, 42 Quadratmetern bleiben. Die Dividenden steigen, und Herr Brandner, die Proletarier fallen. Aber irgendwann ist auch hier das (Stephan Brandner [AfD]: Eine Verschwö- Ende der Fahnenstange erreicht, liebe Kolleginnen und rungstheorie, liebe Manuela Rottmann!) Kollegen der SPD. weil ich weiß, dass Sie jeden Morgen in freudiger Erre- Und was machen CDU und CSU derweil? Die stürzen gung einen Namen googeln, nämlich . sich genüsslich in einen innerparteilichen Kampf um die Dieser Name kommt auch in der Überschrift über dem Kanzlerkandidatur, als ob die Katastrophe namens Pan- „Focus“-Artikel vor, den Sie hier dann – leicht umformu- 27934 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Manuela Rottmann (A) liert – wiedergeben, allerdings natürlich nur die Teile, die Wir Grüne fordern seit Juni 2020 einen Pandemierat. (C) in Ihr Weltbild passen. Für die Lektüre der Thesenpapie- Viele haben sich – das freut mich – dieser Forderung re, um die es in diesem Artikel eigentlich geht, hat es angeschlossen. Ich will Ihnen sagen, dass es mir allmäh- dann offenbar schon nicht mehr gereicht. lich so vorkommt, als ob die Verweigerung dieses Pande- Dann kommt eine erste Forderung: die Einrichtung mierats tatsächlich die Mutter aller Probleme ist, einer unabhängigen Expertenkommission. Das klingt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erst mal gut. Allerdings haben wir in den letzten Jahren gelernt, dass in der Welt der AfD bestimmte Begriffe das zentrale Versäumnis unter den vielen Versäumnissen vollkommen umgedeutet werden, manchmal bis zum im letzten Jahr. Uns fehlen schmerzhaft wissenschaftli- Gegenteil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Es soll che Rede und Gegenrede, uns fehlen unterschiedliche schon Leute geben, die überlegen, ein Wörterbuch zu Disziplinen an einem Tisch. Das ist eben etwas anderes, schreiben: AfD-Deutsch – Deutsch-Deutsch. Wenn die als wenn der Kollege Lauterbach nachts seine liebsten AfD zum Beispiel vom Volk redet, meint sie ja meistens Fachzeitschriften durcharbeitet oder bei uns Janosch nur sich selbst. Wenn sie konservativ sagt, dann heißt das Dahmen oder Toni Hofreiter. Das ist aber auch etwas Chauvinismus mit Dackelkrawatte. Und unabhängige ganz anderes als das, was der AfD vorschwebt. Wer in Experten sind bei Ihnen Leute, die das vertreten, was einem Pandemierat etwas lernen wollte, der müsste mit die AfD hören möchte. Zweifel und Selbstzweifel umgehen können und damit, dass in unsicherer Lage man Mut zu Thesen braucht und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dass diese sich dennoch als falsch erweisen können. Aber sowie bei Abgeordneten der SPD und der Zweifel und Selbstzweifel und die Herren von der AfD … LINKEN) Sie merken es selber, da muss ich nichts weiter zu sagen. Dafür muss man noch nicht einmal unbedingt Experte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sein. Es kann auch ein Lobbyist der Automobilindustrie sowie bei Abgeordneten der SPD) schnell mal zum Lungenfacharzt geadelt werden, wenn er nur das Genehme sagt. Dagegen werden Wissenschaftler- Bei der zweiten Forderung wird es dann ganz traurig, innen und Wissenschaftler, die eine andere Einschätzung Herr Brandner. Eine Stunde Debattenzeit für eine Forde- als die AfD haben, von Ihnen in Knastklamotten plaka- rung des Bundestags an den Bundestag, „staatliche Hand- tiert und angegriffen. lungsmöglichkeiten zur Beendigung der … Lockdown- Maßnahmen … zu benennen“. Um andere Instrumente Weil es nun nicht allzu viele Wissenschaftler mit eige- als Schließungen ringen alle Fraktionen hier im Haus. nem Kopf gibt, die den ganzen Tag das Programm der Für die Grünen könnte ich jetzt monatealte Anträge AfD herunterbeten, scheuen Sie auch nicht davor zurück, herunterbeten: zur Ausstattung der Gesundheitsämter, (B) wissenschaftliche Aussagen aus dem Zusammenhang zu (D) zur Verbesserung der Corona-Warn-App, zur Teststrate- reißen, wenn es Ihnen nützlich erscheint. gie, zur Beschaffung von Selbsttests, zu klaren Stufen- (Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]) plänen, zu besserer Kommunikation und Impfaufklärung, zu einer Testpflicht in den Betrieben usw. usw. Von der Das hat vor ein paar Monaten hier die Juraprofessorin AfD kenne ich ausschließlich Äußerungen, was sie alles Andrea Kießling erlebt. Mit dem Rückgriff auf die Grup- nicht will: keine Testpflicht, keine Unterscheidung nach pe um Matthias Schrappe in diesem Antrag ist es ganz Immunitätsstandard, keine Verpflichtung von Unterneh- ähnlich. Diese Gruppe hat sicher andere Einschätzungen men, Tests am Arbeitsplatz anzubieten, keine Kontakt- von der Wirkung von Schließungen des öffentlichen reduzierung, keine Maskenpflicht. – Selbst komplett Lebens als die Bundesregierung – die Debatte dazu blank, aber so einen Antrag stellen. wird ja gerade insgesamt kontrovers geführt, und diese Gruppe schlägt auch Alternativen zur reinen Orientierung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an der Sieben-Tages-Inzidenz vor; das tun wir Grüne übrigens auch, die FDP genauso –, aber diese Gruppe Ich übersetze Ihnen zum Schluss noch so einen Satz, um Matthias Schrappe lehnt Kontaktbeschränkungen kei- verabschiedet am letzten Wochenende auf dem Parteitag neswegs ab, und sie macht sich Gedanken darum, wie die der AfD: Es soll „den mündigen Bürgern selbst überlas- Impfkampagne erfolgreich gestaltet werden kann, sen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten“. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Thomas Seitz [AfD]: Freiheit! – Weitere Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) Zurufe von der AfD) weil sie die Bedeutung der Impfung für eine Bewältigung Das heißt auf Deutsch: Es ist Ihnen vollkommen – ich der Pandemie kennt und akzeptiert. Das taucht in Ihrem würde es am liebsten so ausdrücken wie bei mir auf dem Antrag natürlich nicht auf; denn die AfD hat ja am Dorf – wurscht, wie die völlig erschöpften Beschäftigten Wochenende erst einen Grundsatzbeschluss zu Corona auf den Intensivstationen durch die nächsten Wochen gefasst, der vor allem gegen die Impfung raunt. Von einer kommen. Das ist Ihnen vollkommen egal. Sie jammern verantwortungsvollen Impfkampagne, wie sie Schrappe hier rum, dass Sie ausgegrenzt werden. Das ist die AfD: und andere fordern, ist das so weit weg wie das Selbstbild Eiseskälte! von Stefan Brandner von der Realität. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ulli sowie bei Abgeordneten der SPD) Nissen [SPD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27935

Dr. Manuela Rottmann (A) Sie grenzen sich selber aus. Ich bin froh, dass ich mit Deshalb brauchen wir diese Aufforderung von der AfD (C) Ihnen selten in einem Raum sein muss. nicht. Wir werden über das vierte Infektionsschutzgesetz debattieren Vielen Dank. (Martin Reichardt [AfD]: Sie müssen die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reden, die Ihnen der Lobbyist geschrieben sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und hat, vorher mal lesen!) der SPD) und entscheiden. Ich hoffe, wir werden möglichst schnell entscheiden, weil wir hier unter einem enormen Zeit- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: druck stehen. Mit Debatten allein werden wir das Virus Erwin Rüddel, CDU/CSU, ist der nächste Redner. nicht beeindrucken, sondern wir müssen hier konsequent (Beifall bei der CDU/CSU) handeln und entscheiden. Ich weiß, dass wir etwas im Zeitverzug sind; aber die Länder haben am 3. März Maßnahmen beschlossen, die Erwin Rüddel (CDU/CSU): sie jederzeit, heute und morgen, umsetzen könnten, noch Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und bevor wir in der nächsten Woche die entscheidenden Herren! Wenn man die Ausführungen des Kollegen Seitz Maßnahmen mit dem vierten Infektionsschutzgesetz be- verfolgt hat, dann kommt man zu dem Eindruck, dass die schließen. Deshalb mein Aufruf an die Länder, schon im AfD weiterhin die Pandemie leugnet. Und daher ist dieser Vorgriff das zu tun, was wir nächste Woche beschließen Antrag eigentlich nur konsequent, weil er diesen Ein- werden, zumindest das, was sie in der MPK am 3. März druck bestätigt. beschlossen haben. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, darauf hinzu- Ich möchte auf einen Aspekt ganz besonders hinwei- weisen, dass man sehen sollte, wie andere Staaten, auch sen, und zwar auf das Impfen. Das ist die Chance. Wir die, die immer beispielhaft genannt werden, im Vergleich stehen jetzt vor großen Risiken, wir haben aber die Chan- zu uns durch die Pandemie gekommen sind. Ich glaube, ce, in wenigen Tagen die Aggressivität des Virus zuneh- es muss auch mal gesagt werden, dass wir so schlecht mend in den Griff zu bekommen. Wir sollten bei der nicht dastehen und wir unsere Menschen in Deutschland Diskussion darauf achten, dass diese verschärften Maß- sehr gut geschützt haben, besser als viele andere Staaten, nahmen tatsächlich eingesetzt werden müssen und wir- die immer als Beispiel genannt werden. ken müssen. Wir werden im April so viele Menschen (Lachen bei der AfD – Karsten Hilse [AfD]: impfen, wie wir bis zum April, von Dezember bis Ende Das ist ein Anspruch: Stehen nicht so schlecht März, geimpft haben. Und wir werden die Zahl im Mai (B) da! Immer bemüht!) noch mal verdoppeln. Ich will damit nur deutlich machen, (D) in welcher Dynamik wir im Impfprozess sind. Sie haben An dieser Stelle möchte ich unserem Gesundheits- alle gelesen, dass noch mehr Impfstoff im Zulauf ist, weil minister noch mal ganz herzlich danken. BioNTech uns mit zusätzlichem Impfstoff beliefern kann. Wir haben viele Argumente gehört. Wir steuern auf die Wir werden am Ende des zweiten Quartals 60 Prozent dritte Welle zu. Wir hören es jeden Tag in den Medien: der Bevölkerung geimpft haben. Wir werden im Juli min- Die Zahl der Neuinfektionen explodiert. destens 70 Prozent der Menschen geimpft haben und (Karsten Hilse [AfD]: Genau! In den Medien!) damit Herdenimmunität erreicht haben. Wenn wir diese große Chance nicht verspielen wollen, dann müssen wir Wir haben weniger Intensivbetten. jetzt kurzfristig, schnell, konsequent handeln, damit die- ser Impferfolg dann auch relativ schnell wirken kann. Je (Zurufe von der AfD – Gegenruf: Mann, halt länger wir jetzt warten, desto länger warten wir auch auf doch mal den Rand!) den Erfolg durch den Impfprozess. Deshalb mein Appell: Wir haben täglich Menschen auf Intensivstationen, die Wir können debattieren, wir müssen debattieren; aber wir um ihr Leben kämpfen. Wir haben ein aggressives Virus müssen zu einem schnellen Ergebnis kommen, damit wir mit vielen Mutationen. den Menschen schnell wieder die Perspektive auf ein normales Leben, wie wir es früher gewohnt waren, geben. (Martin Reichardt [AfD]: Wir haben täglich Schüler, die an Selbstmord denken! Die haben Vielen Dank. wir auch!) (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn das Virus auch nicht tödlicher wird, so wird es auf jeden Fall ansteckender. Was schon gesagt worden ist – Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: auch ich möchte das betonen –: Immer mehr jüngere Nächster Redner ist der Kollege Stephan Brandner, Menschen sind betroffen. AfD. Wir diskutieren hier im Plenum – das werden wir in (Beifall bei der AfD – [SPD]: Oh den nächsten Tagen noch deutlich intensivieren – Maß- je!) nahmen, die in der Pandemie notwendig sind. (Martin Reichardt [AfD]: Sie reden so sto- Stephan Brandner (AfD): ckend, weil Sie selbst nicht glauben, was Sie (Die Verblendung eines Sitzplatzes in den erzählen!) Reihen der CDU/CSU fällt zu Boden) 27936 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Stephan Brandner (A) – Da werden schon die ersten Stühle geschmissen. – Meine Damen und Herren, alles wie früher. Nur den (C) Meine Damen und Herren! Ich wurde schon oft Scheiterhaufen haben Sie nicht wieder eingeführt, wahr- erwähnt. Jetzt stehe ich leibhaftig hier am Rednerpult. scheinlich weil das CO2-neutral nicht machbar ist. (Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]) (Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD – Timon Gremmels [SPD]: Im Mittelalter würden Sie Wir reden zum Thema „Alternative Maßnahmen zur geköpft für so eine Rede, in einer Demokratie Lockdown-Politik der Bundesregierung“. Das ist die For- nicht!) derung der AfD zu diesem Tagesordnungspunkt. Und Viel Lug, viel Trug, alles angeblich alternativlos. Und diese Forderung ist auch wirklich wichtig genug, um genau hier kommt unser Antrag ins Spiel. Jeder, der für hier debattiert zu werden. Wie wichtig das ist, haben die ein selbstbewusstes, starkes Parlament und für eine sieben Vorredner in eindrucksvoll peinlicher Weise lebendige Demokratie steht, muss unserem Antrag heute bewiesen. zustimmen. (Timon Gremmels [SPD]: Peinlich ist nur Ihre (Lachen der Abg. Dr. Manuela Rottmann Rede!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben, Frau Rottmann, den Antrag extra ganz kurz Schluss mit angeblich alternativloser Mittelalterpolitik, und in fast einfacher Sprache abgefasst, damit Sie das die auf Hofschranzen, Hofnarren und Angsthasen ge- alles begreifen. Und trotzdem haben Sie unseren Antrag stützt ist, hin zu einem aufgeklärten Pluralismus, nicht verstanden. Wir als AfD wissen nicht mehr, was wir (Timon Gremmels [SPD]: Mein Gott!) noch machen sollen. zu kraftvoller Politik, die von Experten gemacht und die (Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. im Parlament verabschiedet wird, meine Damen und Her- Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE ren. GRÜNEN]) Hätten Sie es von Anfang an so gemacht, wie es die Seit nunmehr 13 Monaten versagt und dilettiert die AfD gefordert hat, Bundesregierung unter Angela Merkel und um Jens (Lachen des Abg. Timon Gremmels [SPD]) Spahn, der komischerweise immer noch im Amt ist, und versucht, mit den Mitteln des Mittelalters, meine wenn das Grundlage Ihres Handelns gewesen wäre, Damen und Herren, die Herausforderungen unserer stünde Deutschland wesentlich besser da, genauso wie Zeit in den Griff zu bekommen. Nicht etwa Experten Deutschland wesentlich besser dastehen würde, wenn entscheiden, sondern durch politischen Nepotismus ins die AfD endlich in Regierungsverantwortung käme. (B) (D) Amt Gekommene und im Amt Gebliebene. Menschen (Timon Gremmels [SPD]: Gott bewahre!) werden beschwichtigt, belogen, eingesperrt, drangsaliert, Zwangsmaßnahmen unterworfen. Menschen, die sich ge- Vielen Dank. gen unsinnige Maßnahmen zur Wehr setzen, werden als (Beifall bei der AfD) „Leugner“ bezeichnet. Und schließlich: Die Herrscher verdienen sich an der Krise eine goldene Nase. Ich Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: erwähne nur die erbärmlichen Korruptionsfälle in der Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere daran, CDU und in der CSU. dass um 11.05 Uhr die Urnen für die Wahlen, die wir am (Beifall bei der AfD) Beginn der Tagesordnung eröffnet haben, geschlossen werden. Wer noch wählen will, muss es innerhalb der Meine Damen und Herren, aber auch herrschaftstech- nächsten zwei Minuten tun. nisch ist vieles sehr mittelalterlich. Waren damals alle Herrscher irgendwie miteinander verwandt, verschwä- Jetzt hat das Wort der Kollege Sebastian Hartmann, gert oder verschwippt, so gibt es heute überall Koalitions- SPD. regierungen buntester Art und Weise: Jeder aus dem Alt- (Beifall bei der SPD) parteienreigen regiert irgendwo mit und trägt auch alles mit. Hier im Bundestag versuchen Sie dann von Rot über Sebastian Hartmann (SPD): Grün bis Gelb erfolglos, ein bisschen Opposition zu spie- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- len. men und Herren! Unfassbar, mit welchem Hass die soge- Wie zu absolutistischen Zeiten interessiert es die Herr- nannte Alternative für Deutschland agiert, scher nicht, was geschrieben steht, was Recht ist: Gewal- (Dr. [AfD]: Ach du lieber tenteilung, Föderalismus? Fehlanzeige! Seit etwa einem Schreck!) Jahr werden wir von einem verfassungswidrigen Gre- wenn sie versucht, unser Land zum Scheitern zu bringen mium regiert, das von der absolutistisch agierenden Bun- und diese Gesellschaft auseinanderzutreiben. deskanzlerin geführt wird: die Ministerkonferenz, abge- rundet durch ein paar Bundesminister und handverlesene (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Haus- und Hofexperten. Apropos Mittelalter: Es gibt Dabei sind doch Vertrauen und Akzeptanz das Wichtigste auch die Inquisition und den Hofnarren. Das eine heißt in einer Pandemie, die wir nur gemeinsam, ehrlich und jetzt Verfassungsschutz, das andere . anständig bewältigen können, (Heiterkeit und Beifall bei der AfD) (Zuruf des Abg. [AfD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27937

Sebastian Hartmann (A) wenn es darum geht, eine globale Herausforderung in den (Beifall bei Abgeordneten der AfD) (C) Griff zu bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der AfD) Sebastian Hartmann (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Es ist gerade die AfD die Partei, die den Klimawandel Damen und Herren, die Nachfrage aus den Reihen der leugnet, AfD zeigt ein Muster auf – ich glaube, darüber sollten (Widerspruch des Abg. Dr. Roland Hartwig wir in diesem Haus einmal offen sprechen –: Wenn nichts [AfD]) mehr wahr ist, ist auch nichts mehr falsch und der Tyran- der von Expertinnen und Experten aus ihren Reihen infra- nei Tür und Tor geöffnet. – Was Sie versuchen, ist die ge gestellt wird. ständige Erschütterung durch falsche Behauptungen, Aus-dem-Zusammenhang-Reißen und falsches Zitieren. (Stephan Brandner [AfD]: Lesen Sie doch mal zu Ende, dann verstehen Sie das auch!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und Es ist die AfD, deren Menschen auf Intensivstationen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) liegen, wenn sie angeblich eine leichte Grippe haben. Meine Damen und Herren, das ein Jahr nach Beginn der Tatsächlich gibt es eine Basis, auf der wir als Demokra- Pandemie hier erleben zu müssen und einen solchen An- tinnen und Demokraten im Deutschen Bundestag in der trag vorgelegt zu bekommen, ist zynisch ohne Ende. (Zuruf des Abg. Uwe Witt [AfD]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten – hören Sie doch zu! – erfolgreichsten Republik und der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE erfolgreichsten Demokratie der deutschen Geschichte GRÜNEN) handeln, weit über die Reihen einer Koalition hinaus, indem der Bundestag auch die Opposition einbezieht Vizepräsident in : und wir gemeinsam um den besten Weg ringen. Aber Kollege Hartmann, gestatten Sie eine Frage oder Be- wenn Sie ständig aus dem Zusammenhang reißen, ständig merkung des Abgeordneten Hilse? immer wieder infrage stellen, was als wissenschaftliche Erkenntnis existiert, können Sie gar keinen Kurs finden. Sebastian Hartmann (SPD): Nehmen Sie doch nur, was die AfD auf ihrem letzten Einverstanden. Bundesparteitag beschlossen hat. Sie stellen die Corona- pandemie als solche insgesamt infrage und erkennen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gleichzeitig nicht, dass es erst der Erfolg der Maßnahmen (B) NEN]: Oh nein! – Zurufe von der SPD: Nein! – ist, die wir hier beschlossen haben, (D) Zuruf von der LINKEN: Hilft doch nichts!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Karsten Hilse (AfD): dass von 81 Millionen Menschen in diesem Land nur Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfra- 2,9 Millionen erkrankt sind und nur 77 000 unserer Mit- ge zulassen. – Ich möchte nur darauf hinweisen – ich bürgerinnen und Mitbürger verstorben sind. Das müssen hatte es schon mehrmals gesagt –, dass die AfD nicht Sie sich vorhalten lassen. den Klimawandel leugnet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Vielleicht schrei- der CDU/CSU) ben Sie mal mit!) Sie profitieren davon, dass wir als Opposition und Regie- Wer das machen würde, wäre dumm. Wir sagen einfach rung der Verantwortung nachgekommen sind, was Sie nur, dass die menschengemachten CO2-Emissionen kei- niemals tun. nen maßgeblichen Einfluss haben. Deswegen möchte ich noch mal darauf eingehen, dass (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- genau das, was in dem Antrag gefordert wird, gerade jetzt NEN]: Das ist falsch, seit Jahren!) stattfindet: Wir diskutieren im Parlament und ringen um – Keinen maßgeblichen Einfluss! – Gut, okay. den besten Weg. Die SPD-Bundestagsfraktion hat auch nicht davor zurückgeschreckt und dieses Ringen auch Genauso verhält es sich natürlich auch mit dem Coro- immer wieder als Anlass genommen, zu hinterfragen: navirus. Niemand, auch nicht Menschen, die draußen „Ist das der beste Weg, den wir gehen?“, indem wir demonstrieren, leugnet, dass es diesen Coronavirus gibt. zum Beispiel im Januar gesagt haben: Herr Bundesge- Ich würde Sie auch im Sinne Ihrer eigenen Glaubwürdig- sundheitsminister, was ist mit den Impfstoffen? Beschaf- keit sehr bitten, diese Vokabel „leugnen“ einfach nicht zu fen wir sie schnell genug? Was ist mit den Testungen? verwenden, Können wir etwas tun? (Beifall bei der AfD) Oder wir haben gesagt: Wir wollen, dass die Diskus- weil das die Diskussion einfach unerträglich macht. sion nicht nur in einer Ministerpräsidentinnen- und Mi- nisterpräsidentenkonferenz stattfindet, sondern hier im (Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Nur alter- Parlament. Das tun wir auch jetzt. Wir haben Erfolge native Fakten! – Zuruf: Aber der Herr Höcke ist erzielt, wenn es zum Beispiel darum geht, dass das Vor- schon noch Mitglied Ihrer Partei!) liegen der pandemischen Lage nicht ausschließlich an Vielen Dank. einem Inzidenzwert festgemacht wird, sondern wir auch 27938 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Sebastian Hartmann (A) Kapazitäten von Intensivstationen und die Belastung des Nun freuen wir uns auf die Debatten mit den demo- (C) Gesundheitssystems hinzunehmen, meine Damen und kratischen Fraktionen hier im Parlament. Herren. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Diese Punkte müssen uns mit Sorge erfüllen. Gerade in Maag [CDU/CSU]) diesem Moment gehen nicht nur die Inzidenzwerte hoch, sondern auch die Belastung im Gesundheitssystem ist so Vizepräsident in Petra Pau: hoch, dass wir uns Sorgen machen, ob wir nicht nur die an Ich komme zurück zu den Wahlen. Die Zeit für die Corona erkrankten Mitbürgerinnen und Mitbürger behan- Wahlen ist abgelaufen. Ist noch ein Mitglied des Hauses deln können, sondern auch Menschen mit anderen anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? Erkrankungen. Das ist doch der Anlass, zu sagen: Wir brauchen einheitliche Regeln. (Zuruf von der LINKEN: Ja!) – Dann aber jetzt bitte zügig. Wir werden uns das nicht leichtmachen; das ist auch schon angekündigt worden; denn die härteste Maßnahme, Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Martens für die der tiefste Grundrechtseingriff bietet nicht ausschließlich FDP-Fraktion. die Chance, diese Pandemie in den Griff zu bekommen. (Beifall bei der FDP) Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir brauchen Akzep- tanz und Vertrauen in das Wirken der Maßnahmen; Akzeptanz vor allen Dingen dafür, sich freiwillig entspre- Dr. Jürgen Martens (FDP): chend zu verhalten, Kontakte einzuschränken. Das ist aus Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- unserer Sicht wichtig. ren! Der vorliegende Antrag von der AfD beschränkt sich darauf, eine Expertenkommission beim Deutschen Bun- Wir in der SPD-Bundestagsfraktion als Partei der destag vorzuschlagen. Zur Begründung wird angeführt, Arbeit wissen eines: dass gerade der Begriff des Lock- dass wir alle hier unseren legislativen Pflichten als downs ein sehr schwieriger ist. Ein Viertel aller in Gesetzgeber nicht nachkommen würden. Der Kollege Deutschland beschäftigten Menschen kennt diesen Hartmann hat gerade eben dargestellt, dass das nicht Begriff gar nicht. Das sind insbesondere die, die den stimmt, sondern wir diese Woche in der Tat ausführlich Laden am Laufen halten: in den Ver- und Entsorgungs- über das vierte Bevölkerungsschutzgesetz sprechen wer- betrieben, in den Krankenhäusern, bei Polizei und Ord- den und genau das stattfindet, was Sie hier bemängeln, nungsbehörden. Das sind diejenigen, die durchgearbeitet nämlich Gesetzgebung. Es ist also nicht richtig, dass wir (B) haben, die aber umgekehrt einen Anspruch darauf haben, unseren Pflichten hier nicht nachkämen. Wir handeln im (D) dass dort, wo es ausreichend Möglichkeiten gibt, wo Bundestag, auch wenn Ihnen das im Ergebnis möglicher- Homeoffice möglich ist, wo mehr Testungen möglich weise nicht ganz gefallen mag. sind oder wo man Arbeitsformen verändern kann, andere (Beifall der Abg. Stephan Thomae [FDP] und Maßnahmen ergriffen werden, liebe Kolleginnen und Axel Müller [CDU/CSU]) Kollegen. Darüber werden wir in der nächsten Woche als Deutscher Bundestag mit der demokratischen Opposi- Die Einrichtung von Expertengremien ist bereits vor tion und in der Regierungskoalition verhandeln, und erst längerer Zeit von anderen Fraktionen, auch von der FDP, danach werden wir das Infektionsschutzgesetz oder das verlangt worden, allerdings bei der Bundesregierung und Bevölkerungsschutzsystem anpassen, liebe Kolleginnen dem Bundesrat und nicht beim Bundestag; denn entschie- und Kollegen. Das können wir doch zusagen. den werden muss von uns und nicht von Experten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Axel Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie haben einen Müller [CDU/CSU]) Anspruch darauf, dass, bevor es zu solchen Maßnahmen kommt, alle anderen Maßnahmen ergriffen worden sind. Den Kleinigkeiten stellen Sie sich nicht, etwa der Fra- Bessere Vorsorge, mehr Investitionen in das Gesundheits- ge: Wie soll denn ein solches Gremium besetzt werden? system, bessere Bezahlung, mehr Kapazitäten, was Tes- Von der Mehrheit, der Großen Koalition oder gar von der tungen angeht – das ist alles eine Frage der staatlichen Regierung? Nein, damit wären Sie nicht einverstanden. Ressourcenplanung. Überlegen Sie bei den nächsten Wer soll denn dann darüber bestimmen, wer in einem Wahlen, wer dafür steht, diesen Staat kaputtzusparen, solchen Expertengremium sitzt? Wahrscheinlich würde wer infrage gestellt hat, dass Krankenhäuser auch in länd- es nach dem Proportionsverhältnis der Fraktionen lichen Räumen existieren sollen. besetzt. Selbstverständlich! Da könnten Sie dann auch jemanden schicken. Aber – davor warne ich – solche (Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann Gremien haben die Neigung, politisiert zu bleiben. Das [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) heißt, dass man immer die Leute schickt, die man sowieso Da wird die Entscheidung getroffen, ob wir einen starken, gerne hören möchte, und vor allen Dingen Leute schickt, solidarischen, handlungsfähigen Staat haben. Es wird die ins eigene Weltbild passen. Bei der AfD wären das auch darum gehen, dass wir in der nächsten Krise besser dann Attila Hildmann und Xavier Naidoo. aufgestellt sind. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Ver- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten antwortung gemeinsam tragen, liebe Kolleginnen Kolle- der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit bei gen. Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27939

Dr. Jürgen Martens (A) Meine Damen und Herren, wenn Sie eine Experten- Fünf Zeilen Begründung – das ist mit Blick auf den An- (C) kommission für das Parlament verlangen, möchte ich spruch dieser Debatte eine Beleidigung, liebe Kollegin- Ihnen einen Rat geben: Niemand kann Fraktionen daran nen und Kollegen. hindern, sich selber mit Sachverstand zu bewaffnen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) Sie überschreiben den Antrag mit „Alternative Maß- Die SPD hat das gemacht. Wir haben sogar jemanden in nahmen zur Lockdown-Politik“, schlagen in Wahrheit den eigenen Reihen: aber gar keine Alternativen vor. Sie führen zwei schmale (Stephan Brandner [AfD]: Kennt man gar Vorschläge an: die Einrichtung einer unabhängigen Ex- nicht!) pertenkommission und die Aufforderung, dass der Bun- destag seinen legislativen Verpflichtungen nachkommen Professor Dr. Andrew Ullmann; er ist Infektiologe, er solle. Beides sollten Sie sich aber lieber selbst ins Stamm- versteht was davon. Und dann kann man auch sachge- buch schreiben, statt hier Dinge zu fordern, die so über- rechte Anträge machen, wie etwa die FDP schon im Feb- haupt nicht zusammenpassen. ruar mit ihrem Siebenstufenplan, der genau regelt, was wann passieren könnte, meine Damen und Herren. Sie fordern eine Expertenkommission, und das im völ- ligen Widerspruch zu Ihren Inhalten. Herr Brandner (Beifall bei der FDP) schwadroniert hier davon, dass man das Parlament stär- Wie gesagt: Sachverstand zu beschaffen, ist einfach. Bitte ken möchte, will dann aber in seinem Antrag die Verant- werfen Sie uns nicht vor, wenn Sie darauf verzichten, wortung an eine Expertenkommission outsourcen. Lesen meine Damen und Herren. Sie doch wenigstens mal Ihre eigenen Anträge. Die sind kurz; die dürften selbst Sie verstehen, Herr Brandner. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) Es geht darum: Wenn wir schon über Expertenkom- missionen reden, kann ich Sie nur auffordern, sich einmal Vizepräsident in Petra Pau: mit den Experten zu beschäftigen. Wir machen das in der Die Zeit für die Wahlen ist abgelaufen. Ich gehe davon Bundestagsfraktion: Wir haben mit den Intensivmedizi- aus, dass jetzt alle Mitglieder des Hauses Gelegenheit nern gesprochen. Wir sind als Abgeordnete – und das hatten, ihre Stimme abzugeben. Ich schließe die Wahlen nicht nur in unserer Fraktion, sondern ganz übergreifend und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der in diesem Hause – in unseren Wahlkreisen doch jeden (B) Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der Wahlen Tag vor Ort. Wir reden mit den Verantwortlichen in den (D) 1) werden Ihnen später bekannt gegeben. Gesundheitsämtern, wir reden mit den Verantwortlichen Das Wort hat nun der Kollege Philipp Amthor für die in den Krankenhäusern, und die zeichnen ein anderes CDU/CSU-Fraktion. Bild von der Realität, als Sie es mit den Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikern auf Ihren Parteitagen (Beifall bei der CDU/CSU) zeichnen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Amthor (CDU/CSU): Zuruf des Abg. Dr. [AfD]) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren über alternative Maßnahmen zur Lock- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bild in der Realität down-Politik. Zu diesen Alternativen trägt die AfD nichts der Pandemiebekämpfung ist im Moment ein Bild der bei. Aber ich will vor allem sagen: Was wir im Moment Sorge. 20 500 Intensivbetten sind belegt, es gibt nur brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nicht noch 3 300 freie Intensivbetten. Das, was droht, wenn noch mehr Alternativen, sondern was wir brauchen, ist wir jetzt nicht handeln, ist die Gefahr einer Triage, ist mehr Einheitlichkeit. Und das ist das, was wir liefern. die Gefahr einer Auswahl, wer gerettet werden kann Viele Bürger verstehen die Uneinheitlichkeit von Coro- und wer sterben muss. Ihr schiefes Verständnis von Ge- naregeln nicht mehr. Deswegen braucht der Bund eine sundheitsschutz muss man Ihnen anlasten, liebe Kolle- stärkere Rolle, deswegen wollen wir vereinheitlichen. ginnen und Kollegen von der AfD. Das ist nicht das Ver- Das werden wir mit dem vierten Bevölkerungsschutzge- ständnis unserer Verfassung und nicht das Verständnis setz tun. Daran wird sich noch einiges verändern, aber das dieses Hauses. ist der richtige Problemschwerpunkt. So löst man konkret Probleme, nicht durch die Anträgchen, die Sie uns hier (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) vorlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD. Besonders aberwitzig wird es dann – darauf ist ja hier (Beifall bei der CDU/CSU) schon eingegangen worden –, wenn Sie – und das ist der inhaltliche Kern Ihres Antrages – den Bundestag auffor- Aber Sie machen auf ein schönes Phänomen aufmerk- dern, seinen legislativen Pflichten nachzukommen. Ich sam. Wenn man sich nämlich die Beiträge der AfD zur weiß nicht, ob Sie das für sich schon abgeschrieben ha- Coronapolitik anschaut, dann erkennt man sehr schnell: ben: Sie fordern damit quasi sich selbst auf, Sie sind Teil Je komplexer die Probleme, desto kürzer Ihre Antworten. des Deutschen Bundestages.

1) Ergebnisse Seite 27951 D, 27952 A (Timon Gremmels [SPD]: Leider!) 27940 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Philipp Amthor (A) Sie brauchen hier keinen Aufforderungsbeschluss, son- beklagen das nicht nur, sondern haben das Lobbyregister (C) dern könnten ja selbst Initiativen vorlegen. Sie verhalten auf den Weg gebracht, das Abgeordnetengesetz geändert. sich aber so wie der schlechte Schüler, der sich selbst und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Klasse auffordert, die Hausaufgaben zu erledigen, und am nächsten Tag feststellt, dass alle die Hausaufga- Und da sollten Sie nicht den Eindruck erwecken, als ben gemacht haben, nur er selbst nicht. wenn hier irgendeiner das billigt, was wir dort erlebt haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss doch hier Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: darum gehen, dass Sie konkrete Vorschläge machen. Sie haben es gemacht, nicht nur gebilligt!) Wir erledigen unsere Hausaufgaben. Wir wissen, dass es umstritten ist, womit wir uns im Moment auch beim Aber zu dem anderen Thema. Ich kenne das Gutachten Bevölkerungsschutzgesetz auseinandersetzen. des Wissenschaftlichen Dienstes. Es kommt aber nicht zu dem pauschalen Schluss, dass der Gesetzentwurf zur Än- derung des Infektionsschutzgesetzes verfassungswidrig Vizepräsident in Petra Pau: wäre. Wir gehen auf diese Bedenken ein. Kollege Amthor, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- kung des Kollegen Dehm? (Zuruf der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU] blickt zur AfD-Fraktion – Gegenruf des Abg. Stephan Wir haben noch am Freitag eine Anhörung dazu im Ge- Brandner [AfD]: Andere Seite!) sundheitsausschuss. Es wird auch Änderungen im parla- mentarischen Verfahren geben. Philipp Amthor (CDU/CSU): Und Sie haben Recht: Die Inzidenz alleine ist für uns Ja, überraschend, aber, Herr Dehm, gerne. nicht das Kriterium bei der Pandemiebekämpfung. Sie ist (Zuruf von der AfD: Ganz links außen! – nicht das alleinige Kriterium. Zuruf: Der ist genauso narrisch! Keine Sorge!) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) – Ja, ja, das ist ja manchmal übergreifend. Es geht natürlich auch um solche Fragen: Wie kommen wir voran mit dem Impfen? – Manches geschieht noch zu Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): langsam, aber mit großen Erfolgen. Es geht darum: Wie Herzlichen Dank. Dann ist mir die Überraschung auch kommen wir voran beim Testen? gelungen. (B) Und wir werden es nicht alleine von diesem Kriterium (D) Zwei Fragen. – Erste Frage: Kennen Sie das Gutachten abhängig machen. Aber Gesetzgebung funktioniert so, des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages? Das dass sie nicht willkürlich sein kann, sondern dass wir ist jetzt drei Tage alt. Ich habe das in Auftrag gegeben, ein operationables System von Kriterien entwickeln müs- und Sie können es bei „Telepolis“, falls Sie es nicht ken- sen. Und die Experten sagen uns, es müsste die 50er- nen, nachlesen, nämlich dass die Inzidenzen so, wie sie Inzidenz sein. Wir finden das überwiegend zu engma- aufgestellt sind, als Kategorien zu pauschal sind und schig und sagen deswegen: Die 100er-Inzidenz soll das nicht wirklich zielgenaues Pandemiebekämpfen möglich Kriterium für die Notbremse sein. machen. (Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD]) Die zweite Frage. Sie haben ja etwas von dem Masken- Das hat sich übrigens nicht der Bundestag ausgedacht, skandal mitbekommen. Glauben Sie nicht auch, dass sondern die Ministerpräsidentenkonferenz. Danach kön- Lobbytätigkeit in dieser Krise und während der Bewälti- nen Sie sich ja vielleicht mal bei Herrn Ramelow erkun- gung der Pandemie die Möglichkeit, Vertrauen zu gewin- digen. Ich halte diesen Maßstab jedenfalls für vertret- nen – und wir brauchen das Vertrauen sehr großer Teile bar, und die Details werden wir hier im parlamentari- der Bevölkerung –, erschüttert? Und was halten Sie gene- schen Verfahren glattziehen. Das Gesetz, so wie wir es rell davon, dass Lobbytätigkeit in diesem Zusammen- vorschlagen, ist verfassungsgemäß, liebe Kolleginnen hang, in der Pandemie, ganz besonders geahndet werden und Kollegen. sollte, wenn dabei in der Not mit Masken hantiert wird? (Beifall des Abg. [CDU/ CSU] – Zuruf von der AfD: Da klatscht kaum Philipp Amthor (CDU/CSU): Ihre eigene Fraktion!) Ja, Herr Dehm, fangen wir vielleicht mit dem letzten Thema an. Ich teile da Ihre Einschätzung; unsere Fraktion Aber es geht eben darum – die Linksfraktion schert teilt die Einschätzung. jetzt aus; das ist klar, Wahlkampf gehört dazu –, wie wir es auch überwiegend sehen, dass sich alle konkret (Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner in die Pandemiebekämpfung einbringen. Das haben wir [AfD]: Seit wann?) in der Ministerpräsidentenkonferenz erlebt, sehen aber, Deswegen stellen wir uns auch an die Spitze der Bewe- dass wir jetzt hier im Bundestag nachziehen müssen. gung, Das ist richtigerweise der Ort der Debatte. (Lachen bei der SPD – Steffi Lemke [BÜND- Und ich will in aller Klarheit sagen: Die AfD braucht NIS 90/DIE GRÜNEN: Das glauben Sie doch uns nicht dazu auffordern, die Pandemiebekämpfung zum selber nicht!) Thema des Parlaments zu machen. Wir kommen nämlich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27941

Philipp Amthor (A) nicht nur den Aufforderungen nach, sondern tun es selbst (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (C) mit unserer Politik. Das, was Sie hier beibringen, ist nur Ich sage Ihnen: Die RKI-Zahlen von heute sagen etwas heiße Luft und sonst nichts, liebe Kolleginnen und Kol- ganz anderes als Ihr Parteitagsbeschluss vom Wochen- legen. ende – Abschaffung der Maskenpflicht haben Sie da the- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – matisiert –: Widerspruch des Abg. Uwe Witt [AfD]) (Zuruf der Abg. [AfD]) Und lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Wenn die AfD davon redet, die Pandemie sei herbeige- 30 000 Neuinfektionen gab es alleine gestern. Die Zahlen testet, dann ist das ungefähr so ein Logik- und Wirklich- schnellen nach oben. Wir müssen dringend handeln. Wir keitsverständnis, als wenn man den Rechtsextremismus müssen handeln. Ich würde mir ja auch wünschen, mit für ein herbeigeredetes Problem hält. Beides ist eine Ge- Parteitagsbeschlüssen könnte man Corona abschaffen; fahr für Deutschland, beides werden wir nicht billigen, wäre ich sofort dafür. Aber so einfach ist die Welt nun liebe Kolleginnen und Kollegen. mal nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Aber es ist auch wichtig, dass wir neben der Diskus- sion um das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz den Men- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan schen wieder eine Perspektive geben, dass wir Hoffnung Korte [DIE LINKE]: Knaller – Zuruf von der machen, dass wir begleitend diskutieren, wie wir Wirt- AfD: Enthusiastischer Beifall!) schaftshilfen verstetigen, wie wir die Überbrückungs- hilfe III weiterentwickeln, wie wir konjunkturelle Impul- Vizepräsident in Petra Pau: se setzen, weil sie natürlich gebraucht werden. Das Wort hat der Kollege Timon Gremmels für die Ich sage Ihnen aus den Gesprächen in der letzten SPD-Fraktion. Woche, die ich in meinem Wahlkreis hatte: Dazu gehört (Beifall bei der SPD) eine Kunsthochschule in Kassel, junge Absolventen, junge Künstlerinnen und Künstler, die es auch in Nicht- Timon Gremmels (SPD): coronazeiten schon schwer haben, einen Berufsstart hin- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten zulegen. Es ist jetzt für sie schwierig, überhaupt Auftritte Damen und Herren! Man kann sich in der Kernzeit des zu kriegen, weil die Kunst- und Kulturbranche seit einem Deutschen Bundestages am Donnerstagvormittag diesem Jahr im Stillstand ist. wichtigen Thema der Pandemie, den alternativen Coro- Wenn ich mit dem Einzelhandel spreche, ist es ähnlich. namaßnahmen, auf zwei Wegen nähern, entweder seriös, Ich war in einem Geschäft (B) sachlich, mit konkreten Vorschlägen, so wie das die (D) Linken, die Grünen, die FDP als Opposition gemacht (Zuruf von der AfD: Oh!) haben – konstruktiv, zielorientiert –; oder man macht und habe dort mit einer Dame gesprochen, der Inhaberin, das so wie die AfD: populistisch, dünn und in weiten die Tränen in den Augen hatte, als sie mir gesagt hat: Teilen auch einfach dumm, meine sehr verehrten Damen „Click & Meet“ war eine Hoffnung, eine Perspektive; und Herren. dieses Instrument brauchen wir möglichst schnell wie- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der. – Und deswegen gilt es, jetzt schnell noch mal alle Kräfte zu mobilisieren, damit wir auch wieder eine Per- Herr Seitz, wenn man Ihre Rede so gehört hat, könnte spektive geben können, damit der Einzelhandel nach die- man ja eigentlich gemäß einem alten Spruch meinen: Aus ser Krise auch funktioniert, meine sehr verehrten Damen Schaden wird man klug. Aber anscheinend trifft das bei und Herren. Ihnen nicht zu. Da müssen wir uns auch mit dem Thema beschäftigen, Und Sie erzählen hier auch noch die Unwahrheit. Sie warum es denn sein kann, dass der Schuheinzelhandel, sagen, hier würde das Parlament entmachtet. Genau das dass der Bekleidungseinzelhandel schließen muss, nicht Gegenteil passiert doch morgen: Wir werden mit dem öffnen kann, gleichzeitig aber die Supermärkte in ihren Vierten Bevölkerungsschutzgesetz das Parlament wieder Non-Food-Abteilungen diese Sortimente aufbauen kön- deutlich stärken, und wir werden mehr Mitsprache haben. nen. Wir diskutieren und ringen doch hier um verschiedene Wege, und wir diskutieren auch innerhalb der SPD ganz (Uwe Witt [AfD]: Das ist Scharlatanerie!) intensiv darüber, was die richtigen Wege sind. Genau das Und dazu erwarte ich vom Wirtschaftsministerium kon- machen wir. krete Vorschläge, damit wir auch dort konkrete Perspekti- Aber dann muss man sich auch die Mühe machen und ven geben können. arbeiten und darf nicht nur populistische Anträge hier Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich: Die Bekämp- stellen. Und wenn Sie als AfD in Ihrem Antrag sagen, fung der Coronapandemie steht im Vordergrund. Ehrlich der Bundestag möge beschließen, seine legislativen gesagt, die Menschen bei mir im Wahlkreis haben wenig Pflichten endlich wahrzunehmen: Sie sind – leider, sage Verständnis dafür, dass CDU und CSU sich gerade aus- ich – in dieser Wahlperiode auch die Legislative. Nehmen schließlich mit sich selbst beschäftigen. Ich finde, es geht Sie Ihre Arbeit wahr! Machen Sie doch Vorschläge! nur gemeinsam. Legen Sie Gesetzentwürfe vor! Machen Sie Ihre Arbeit, und belästigen Sie uns hier nicht mit populistischen (Zuruf des Abg. Dr. Wieland Schinnenburg Reden, meine sehr verehrten Damen und Herren. [FDP]) 27942 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Timon Gremmels (A) Das besagt das Positionspapier, das die SPD beschlos- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) sen hat. Wir wollen die Coronapandemie gemeinsam der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Das bekämpfen, und zwar sachlich orientiert, als Partnerin war Geschichte!) der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen sehe ich den Aber ich sage Ihnen: Beim Mittelalter denke ich spontan weiteren Beratungen mit Freude entgegen. So geht an den Begriff „AfD -Aderlass für Deutschland“. Demokratie auch in schwierigen Zeiten, meine sehr ver- ehrten Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD) (Beifall bei der SPD) Aber es zeigt eines einmal mehr, nämlich dass Sie sich Vizepräsident in Petra Pau: mit Ihrem Denken in einer voraufklärerischen Tradition befinden. Das bedeutet Wissenschaftsfeindlichkeit und Dr. Volker Ullrich hat nun für die CDU/CSU-Fraktion Demokratiefeindlichkeit. Das wird durch Ihre Rede deut- das Wort. lich zum Ausdruck gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Ich möchte noch einmal auf die Situation hinweisen, in Herren! Wir debattieren seit einer Stunde einen Antrag der wir uns im Augenblick befinden: der AfD zur Lockdown-Politik. Es ist sehr viel Zutreffen- des über den fehlenden intellektuellen Anspruch gesagt (Stephan Brandner [AfD]: Oh ja!) worden, mit einer Fünf-Zeilen-Begründung zu versu- Über 4 000 Patienten werden derzeit intensivmedizinisch chen, die Pandemie zu erfassen. behandelt. Wir haben 30 000 Neuinfektionen in Deutsch- (Stephan Brandner [AfD]: Das haben Sie nicht land, der weit überwiegende Teil verursacht durch die verstanden!) Mutante B.1.1.7, die vielleicht nicht tödlicher ist, aber auf alle Fälle wesentlich ansteckender und die damit die Aber ein Satz hat mich erbost, nämlich jener – ich zitie- Gefahr in sich trägt, wesentlich mehr Menschen zu infi- re –, dass wir „mit dem … Virus leben müssen“. Das ist zieren. Am Horizont taucht eine weitere Gefahr auf, näm- nicht die Haltung, die wir jetzt an den Tag legen sollten, lich die sogenannte brasilianische Mutante P1 mit einer (Thomas Seitz [AfD]: Das ist die Realität!) noch höheren Ansteckungswahrscheinlichkeit. Zudem haben wir im Augenblick eine exponentielle Steigerung (B) sondern entscheidend ist, dass wir das Virus bekämpfen, des Infektionsgeschehens. Das alles bildet den Rahmen, (D) dass wir die Menschen schützen, dass wir denjenigen zur in dem wir uns befinden. Seite stehen, die tagtäglich in den Krankenhäusern für die Menschen kämpfen, und dass wir dafür Sorge tragen, Dem steht gegenüber, dass täglich zwischen 500 000 dass wir mit Impfen, mit Testen und weiteren Maßnah- und 700 000 Menschen geimpft werden, dass wir es men die Pandemie bekämpfen. Eine Kapitulation vor der geschafft haben, die Bewohner der Alten- und Pflege- Pandemie kann niemals unsere Haltung sein. heime weitgehend zu schützen, und dass 15 000 Teststa- tionen bereitstehen, um den Bürgerinnen und Bürgern (Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) kostenlose Schnelltests anzubieten. Ein zweiter Punkt. Sie schreiben, dass die Entschei- Aber klar ist auch, dass trotz Impfen und Testen im dungen über Maßnahmen durch die Exekutive angeord- Augenblick die Steigerung der Fallzahlen allein durch net werden, und nehmen das als Kritikpunkt. Da muss ich diese Maßnahmen nicht begrenzt werden kann. Man Ihnen deutlich zurufen, dass unser Gemeinwesen nun mal kann in der jetzigen Situation – übrigens in keinem so funktioniert. Der Bundestag stellt den gesetzlichen Land der Welt, auch nicht in den Vereinigten Staaten – Rahmen auf. Dieser Pflicht sind wir nachgekommen mit den exponentiellen Anstieg nicht allein durch Impfen und dem Infektionsschutzgesetz, und dieser Pflicht werden Testen bremsen. Deswegen brauchen wir für eine vorü- wir auch weiter nachkommen durch die Fortschreibung bergehende Zeit eine Mischung von weiteren Maßnah- des Infektionsschutzgesetzes, worüber wir uns intensiv men. Wir müssen impfen und testen, brauchen gleichzei- unterhalten. Aber es ist Aufgabe der Exekutive, die ent- tig aber auch Lockdownmaßnahmen, die verhältnismäßig sprechenden Maßnahmen im Rahmen der Parlamentsge- sind, die Kontaktbeschränkungen beinhalten, um damit setze zu erlassen. Das ist das notwendige Zusammenspiel die Welle zu brechen, um nach der Welle mit niedrigeren zwischen Regierung und Parlament. Das sollten wir auch Inzidenzzahlen durch Impfen und Testen die Pandemie nicht durch diese Krise aus den Angeln heben. tatsächlich zu bekämpfen. Was mich, Herr Kollege Brandner, wirklich erstaunt (Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) hat, ist, dass Sie hier diese Allegorien des Mittelalters verwenden. Das ist unser Ansatz, und der ist wissenschaftlich be- gründet. Ich glaube, dass die Menschen in diesem Land (Stephan Brandner [AfD]: Die waren gut, diesem Ansatz trotz mancher Debatte über Details auf oder?) alle Fälle vertrauen können. In diesem Sinne: Lassen Sie uns anständig an diesem Kurs weiterarbeiten. Ich will Ihre Worte gar nicht wiederholen, weil sie, wie ich finde, unparlamentarisch waren. Herzlichen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27943

Dr. Volker Ullrich (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Nach Tunnelhavarie und Rheintal-Stre- (C) [SPD]) ckensperrung 2017 von Rastatt – Aufar- beitung und Notfallmanagement entwi- Vizepräsident in Petra Pau: ckeln Ich schließe die Aussprache. Drucksachen 19/1839, 19/3800 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Berichts des Ausschusses für Verkehr und Drucksache 19/28447 an die in der Tagesordnung aufge- digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD Jung, Frank Sitta, Torsten Herbst, weiterer wünschen Federführung beim Ausschuss für Gesundheit, Abgeordneter und der Fraktion der FDP die Fraktion der AfD wünscht Federführung beim Aus- schuss für Recht und Verbraucherschutz. Mittelrheintal mit alternativer Gütertras- se und funktionierenden Ausweichstre- Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvor- cken entlasten schlag der Fraktion der AfD. Wer stimmt für diesen Über- Drucksachen 19/7984, 19/9000 weisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion, Berichts des Ausschusses für Verkehr und der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/ digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu Die Grünen gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abge- dem Antrag der Abgeordneten Torsten lehnt. Herbst, Frank Sitta, Dr. Christian Jung, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor- Qualität des Schienennetzes effektiv ver- schlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Feder- bessern – Ausgabe von Steuermitteln bes- führung beim Ausschuss für Gesundheit. Wer stimmt ser kontrollieren für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dage- gen? – Wer enthält sich? – Niemand. Der Überweisungs- Drucksachen 19/11110, 19/15522 Buchsta- vorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, be b der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Frak- f) Beratung der Beschlussempfehlung und des tion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der AfD- Berichts des Ausschusses für Verkehr und Fraktion angenommen. (B) digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu (D) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 g sowie Leidig, Andreas Wagner, Bernd Riexinger, den Zusatzpunkt 1 auf: weiterer Abgeordneter und der Fraktion a) Beratung des Antrags der Fraktionen der DIE LINKE CDU/CSU und SPD Investitionsoffensive in den öffentlichen Nahverkehr – Für eine echte Verkehrs- Die Schiene europaweit stärken – Das wende Jahr der Schiene erfolgreich nutzen Drucksachen 19/22490, 19/24596 Drucksache 19/28465 g) Beratung des Antrags der Abgeordneten b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias Gastel, Stefan Gelbhaar, Oliver Wolfgang Wiehle, Dr. Dirk Spaniel, Andreas Krischer, weiterer Abgeordneter und der Mrosek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fraktion der AfD Die deutsche Bahnpolitik in eine europä- ische Verkehrswende einbetten Verfügbarkeit der Eisenbahninfrastruk- tur in Deutschland bei schwierigen Wet- Drucksache 19/28441 terverhältnissen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 19/28460 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Torsten Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Tourismus Herbst, Frank Sitta, Dr. Christian Jung, weiterer Haushaltsausschuss Abgeordneter und der Fraktion der FDP c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Für ein modernes und wettbewerbliches Berichts des Ausschusses für Verkehr und Bahnsystem in Europa digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu Drucksache 19/28435 dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Überweisungsvorschlag: Jung, Torsten Herbst, Daniela Kluckert, wei- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz 27944 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident in Petra Pau (A) Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Weil wir viele, viele große Projekte haben. Da ist zum (C) beschlossen. – Ich bitte, zügig die Plätze einzunehmen. einen der Deutschlandtakt, der zum Europatakt werden Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- soll: schneller, öfter und überall. Das haben wir durch minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas unsere Initiative unter der deutschen EU-Ratspräsident- Scheuer. schaft so in die Wege geleitet. Zum anderen ist da der Trans Europ Express 2.0, eine Verbindung der europä- (Beifall bei der CDU/CSU) ischen Metropolen. Das haben wir im September vorge- stellt, und schon im Dezember gab es die ersten Verbin- Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und dungen auf einer konkreten Strecke, und zwar der Strecke digitale Infrastruktur: München–Zürich, mit einer Fahrzeitverkürzung auf Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 3 Stunden und 30 Minuten und einem Investitionsvolu- Für die heutige Debatte mit den heutigen Anträgen ist die men von 500 Millionen Euro. Das ist ein wirkliches politische Aufstellung klar. Die AfD würde sagen: viel zu Angebot neben den vielen Strecken des grenzüberschrei- viel in die Schiene, aber ohne Konzept. Die FDP würde tenden Fernverkehrs. mehr liberalisieren und fordert mehr Wettbewerb. Dies ist (Beifall bei der CDU/CSU) ihr altbekanntes Konzept. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (Beifall bei der FDP) sieht so viel Geld wie nie zuvor vor: 86 Milliarden Die Linke würde am liebsten rückverstaatlichen, und der Euro. Wer hätte vor dieser Legislaturperiode gedacht, Bund solle den ÖPNV am besten auch noch machen. dass wir so viel Geld aufbringen können und die Kraft dazu haben, zusammen mit dem Finanzminister dieses (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie sollten un- Angebot zu machen? Weiterhin steht mehr Geld für das sere Anträge lesen!) GVFG bereit, mehr Geld für die Regionalisierung, mehr Das ist ein Konzept aus einem anderen Jahrtausend. Den Geld für ein Bahnhofsprogramm, das sogar den Koali- Grünen reicht das alles nicht. Aber wenn es konkret wird, tionsvertrag übererfüllt. Wir nehmen 5 Milliarden Euro dann wird es unkonkret bei den Grünen. für 3 000 Bahnhöfe in die Hand, um sie barrierefrei zu machen, zu modernisieren, vor allem auch sicherer zu (Zuruf des Abg. Matthias Gastel [BÜND- machen. Weiterhin gibt es Investitionsprogramme, Gleis- NIS 90/DIE GRÜNEN]) anschlussprogramme, Programme zu Elektrifizierung Wenn nämlich die Großprojekte ins Zentrum rücken, bei- und alternativen Antrieben. Wir sind auch Lärmschutzeu- spielsweise der Brenner-Nordzulauf oder die Fehmarn- ropameister, ich sage sogar: Lärmschutzweltmeister. Wir beltquerung, dann ist man schnell dagegen. Das ist ein haben andere Voraussetzungen geschaffen und mutigere (B) (D) Konzept von Philosophen. als andere europäische Länder. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir sind Logistikweltmeister. Wir sind Exportwelt- der FDP) meister. Wir tätigen Investitionen auf Rekordniveau, Ich stelle fest: Diese Koalition macht eine gute und sodass wir zum ersten Mal verkünden können: 2022 wer- moderne Bahn- und Schienenpolitik. den die Investitionen in die Schiene höher sein als die in die Straße. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie reiten ein totes Pferd!) Wir investieren in Innovationen wie in die Digitale Automatische Kupplung. Wir digitalisieren nicht nur Wir handeln nach dem Motto „kein Weiter-so, sondern die Fahrzeuge, sondern vor allem wollen wir – das ist ein Richtig-so – modernisieren, investieren, digitalisie- auch ein Appell an alle Unternehmen, die in dem Bereich ren, harmonisieren, priorisieren“. aktiv sind – Glasfaser an jedem Kilometer Schiene. Das (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Warum machen wollen wir. Wir wollen flächendeckenden Mobilfunk, die Sie das erst jetzt?) Digitale Schiene Deutschland, ETCS. Wir wollen auch raus aus dem Diesellokzeitalter. Mit dieser Bahn- und Schienenpolitik haben wir doku- mentiert, dass dieser Bereich für uns höchste Priorität hat, (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie wollen und wollen! Tun Sie doch (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- endlich, statt nur zu wollen!) NEN]: Davon sieht man aber nichts! Sie bauen lieber Straßen als Schienen! Null Kilometer Deswegen: Gehen wir in die Elektrifizierung, gehen wir Schienenwege!) in die alternativen Antriebe! und wir haben in der Koalition ein bürger- und klima- Wir haben unter unserer deutschen EU-Ratspräsident- gerechtes Gesamtkonzept für die Mobilität der Zukunft. schaft in der Berliner Erklärung noch mal dokumentiert, wie wichtig es ist, den Schienengüterverkehr grenzüber- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schreitend zu organisieren. Und wir haben, liebe Kolle- Unsere Leitlinien sind Klimaschutz, Lärmschutz, ginnen und Kollegen, es auch in der Coronapandemie Mobilitätsschub, Digitalisierungsschub, Logistikschub, geschafft, dass die Lieferketten für die Versorgung fast Innovationen und Investitionen. Ich kann Sie nur einla- zu 100 Prozent aufrechterhalten werden können. Die den, dem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD Häfen profitieren davon. Natürlich haben wir uns ver- mit dem Titel „Die Schiene europaweit stärken – Das Jahr kehrsträgerübergreifend aufgestellt. Ich denke an die der Schiene erfolgreich nutzen“ zuzustimmen. Warum? Auswirkungen der Krisensituation im Suezkanal. Da ha- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27945

Bundesminister Andreas Scheuer (A) ben wir sofort reagiert, die Reeder, die Hafenbetreiber, Es ist richtig, die Bahn mit Digitalisierung und guter (C) DB Cargo und die Eisenbahnunternehmen zusammenge- Infrastruktur beherzt ins 21. Jahrhundert zu holen. Sie holt und darüber informiert, damit wir eben keinen Fla- wird den Straßenverkehr aber nicht ersetzen, sondern schenhals produzieren, sondern dass wir beweisen, dass nur ergänzen können. Da haben Sie, Herr Minister wir Logistikweltmeister sind und nicht nur die Güter für Scheuer, recht, wenn Sie bei der AfD die letzten Realisten den täglichen Bedarf wieder in die Regale bringen, son- vermuten, die die Bedeutung des Straßenverkehrs erken- dern auch die für die industrielle Produktion. Das sind nen. alles positive Botschaften. (Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. (Beifall bei der CDU/CSU) Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir wollen nicht lockerlassen, damit die Schiene wei- NEN]) ter Nummer eins bleibt bei der Priorisierung und bei Investitionen. Wer hat denn den ersten digitalen Knoten Wo die Bahn gute Angebote macht, werden die Leute in Stuttgart gemacht? Das war der Bund mit einer Investi- gerne umsteigen. Einen politischen Zwang hierzu lehnt tion in Höhe von über 420 Millionen Euro. Wer hat sich die AfD in aller Deutlichkeit ab. dafür entschieden, dass wir ein großes Elektrifizierungs- Die Koalition tischt uns einen Jubelantrag zur Sofort- programm aufsetzen? abstimmung auf. So möchten Sie mit der Mehrheit in (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diesem Hause all das begrüßen, was Sie sowieso gerade NEN]: Zwei Strecken! Gerade mal zwei Stre- machen, und die Regierung zu all dem auffordern, was sie cken!) sowieso gerade plant. Nicht, dass das alles komplett falsch wäre, aber es greift eben vieles zu kurz. Beispiels- Ja, wir haben Verbesserungspotenzial. Es läuft nicht weise fehlt jede Perspektive, wie die Unternehmensstruk- alles gut beim System Schiene. Aber dazu sind wir ja tur der Deutschen Bahn reformiert werden soll. Da ist die da, nämlich die entsprechenden Entscheidungen zu tref- Sofortabstimmung nur konsequent, denn für eine Bera- fen. Ich lade Sie ein, weiterhin eine europäische Vision tung in den Ausschüssen fehlt einfach die Substanz. eines grenzüberschreitenden Personen- und Güterver- kehrs zu unterstützen. Diese Bundesregierung hat so Im Gegensatz zu diesem Schönwetterantrag beschäfti- viel Geld für den Bereich Schiene aufgebracht wie nie gen wir uns bei der AfD buchstäblich damit, wie man die zuvor. Deswegen wird es in den nächsten Monaten darum Bahn erst einmal wetterfest machen kann. Die Kunden gehen, dieses bürgernahe, klimagerechte Gesamtkonzept werden sich auf die Bahn nur verlassen, wenn sie wirk- „Mobilität“ klarzumachen und den Bürgern zu sagen: lich verlässlich fährt. Deshalb darf sich das Desaster beim Das ist die richtige Balance unter den Verkehrsträgern Wintereinbruch im Februar nicht mehr wiederholen. (B) mit der hohen Priorität für die Schiene. (D) (Beifall bei der AfD) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Natürlich kann der Winter mal so hart werden, dass neten der SPD – Matthias Gastel [BÜND- nicht mehr alle Züge fahren. Aber es darf eben nicht NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es so wäre! Lei- von vornherein der Plan sein, dass wichtige Bahnstrecken der ist es nicht so! Doppelt so viel für Straßen tagelang nicht geräumt werden, mit allen Folgen für den wie für die Schiene!) Personen- und Güterverkehr. Deshalb beantragt die AfD eine sehr hohe Priorität für die Verfügbarkeit der Schie- neninfrastruktur und Strafzahlungen, wenn dieses Ziel Vizepräsident in Petra Pau: verfehlt wird. Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion. Wo die Koalition schon von „ambitionierten Klima- schutzzielen“ spricht, legen die Grünen in ihrem Antrag (Beifall bei der AfD) noch eine Schippe drauf und verlangen mit demselben Wort auch noch eine „ambitionierte Umsetzung“. Wolfgang Wiehle (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol- (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- legen! „Die Bahn soll’s richten“, das ist die heimliche NEN]: Ach! Unglaublich! – Steffi Lemke Überschrift dieser Debatte. Am Überbietungswettbewerb [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahnsinn!) in Selbstlob und Wünsch-dir-was-Gerede wird sich die AfD allerdings nicht beteiligen. Für den Deutschlandtakt fordern Sie die Staatswirtschaft auch beim Fernverkehr. Und zu Ihrer ideologischen Ver- (Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Ihr habt kehrslenkung kommen hinzu: Erhöhung der Lkw-Maut, auch keinen Plan!) Verteuerung von Dieselkraftstoffen, massive Einschnitte Wir wissen, dass die Bahn gut ist, etwa wenn es um große bei der Straßeninfrastruktur und vieles mehr. Verkehrsmengen oder um Städteverbindungen geht. Die Dahin geht also die Reise, jedenfalls wenn diese Partei AfD widerspricht aber energisch allen Ideen für eine an der nächsten Bundesregierung beteiligt wird. Ich spre- planwirtschaftliche Verkehrswende, die sehr vielen Men- che das hier vonseiten der AfD sehr deutlich an, denn wir schen Mobilität nehmen wird, weil sie ihnen vor allem haben wohl als Einzige in diesem Haus keine Koalitions- das Autofahren unerschwinglich macht. pläne mit den Grünen für die Zeit nach der Bundestags- (Beifall bei der AfD) wahl. 27946 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Wolfgang Wiehle (A) (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- Umsetzung des Deutschlandtaktes. Dass diese Ziele nun (C) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würden wir uns auch von europäischer Seite flankiert werden, ist absolut auch verbitten!) zu begrüßen. Wie so vieles in unserem vereinten Europa Die FDP-Anträge, die heute zur Abstimmung stehen, endet auch der Personen- und Güterverkehr auf der gehen bei Bahnreform, Ausbau und Verfügbarkeit der Schiene eben nicht an nationalen Grenzen. Infrastruktur in die richtige Richtung und finden auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die Zustimmung der AfD-Fraktion. Die Bahn ist kein Allheilmittel, aber mit der Digitali- Meine Damen und Herren, wenn wir die Leistungs- sierung und gezieltem Ausbau ihrer Stärken ist sie die fähigkeit der Schiene steigern wollen, braucht es auch richtige Alternative für viele. Dann wird sie aus freier europäische Anstrengungen bei der einheitlichen Digita- Entscheidung gerne genutzt. Genau da will die AfD hin. lisierung des Schienenverkehrs, bei der Stärkung des Güterverkehrs durch neue technische Möglichkeiten (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- wie die digitale automatische Mittelpufferkupplung, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr werdet euch wun- aber auch bei der Unterstützung des Einzelwagenver- dern! Mit euch will gar keiner koalieren!) kehrs, bei der Durchbindung von Personen- und Güter- verkehren zwischen europäischen Ballungsräumen und Vizepräsident in Petra Pau: hinsichtlich der Möglichkeit, europäische Bahntickets Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Detlef europaweit einfach zu buchen. Müller das Wort. Hierfür bietet das Europäische Jahr der Schiene eine (Beifall bei der SPD) gute Grundlage, um die bisher gemachten Schritte fort- zuführen. Denn sicher ist auch: Nur mit einer starken und Detlef Müller (Chemnitz) (SPD): modernen Schiene lassen sich die Klimaziele für Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Deutschland und Europa erreichen. Und eine starke ren! Haben Sie es gemerkt? Europa und Schiene: Das Schiene muss mit den Wettbewerbern auf der Straße sind zwei Themen, von denen die AfD so überhaupt kei- und in der Luft mithalten können. Daran müssen gerade nen Plan hat. wir als Transit- und Exportland im Herzen der Euro- päischen Union ein großes Interesse haben. Deshalb (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael entbindet uns das europäische Engagement im Schienen- Donth [CDU/CSU] – Steffi Lemke [BÜND- verkehr auch gerade nicht von nationalen Kraftanstren- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur die!) gungen. Hier – meine Nachrednerinnen und Nachredner (B) Meine Damen und Herren, die Europäische Union hat werden sicherlich darauf hinweisen – haben wir noch viel (D) das Jahr 2021 zum Jahr der Schiene erklärt. Aus diesem zu tun. Herr Minister, es geht eben nicht nur um das „Wir Anlass haben wir als Koalitionsfraktionen den hier zu wollen“, sondern auch um das „Wir müssen“ und das diskutierenden Antrag vorgelegt. Er reiht sich ein in die „Wir werden“. bisherige Verkehrspolitik dieser Koalition, die sich so stark wie keine davor auf die Schiene konzentriert hat. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Michael Donth [CDU/CSU] und Andreas Wagner [DIE (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKE]) CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir brauchen deutlich mehr Bisher haben wir in diesem Bereich auch schon viel auf Tempo, um unser Ziel der Elektrifizierung von 70 Prozent den Weg gebracht – der Minister hat es angesprochen – der Strecken bis 2025 zu erreichen. Um das zu schaffen, mit der Bereitstellung von Mitteln in Rekordhöhe für müssten wir pro Jahr rund 500 Kilometer Strecke elekt- Investitionen in die Infrastruktur, mit den Planungen rifizieren – und nicht 60 bis 70 Kilometer wie jetzt. Ja, ich zum Deutschlandtakt und mit den verschiedenen Pla- kenne den aktuellen Strategiewechsel des Ministeriums nungsbeschleunigungsgesetzen, die eine schnellere Um- von „elektrifizierte Streckenkilometer“ hin zu „elektri- setzung von Maßnahmen bringen sollen und hoffentlich scher Betriebsleistung“. Das umfasst also auch alterna- auch werden. tive Antriebe; richtig. Aber am Ausbau der tatsächlichen Dass die Schiene der Verkehrsträger der Zukunft ist, Elektrifizierung mittels Fahrleitung führt kein Weg vor- habe ich wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen an bei. dieser Stelle schon mehrfach erwähnt. Kein Verkehrsmit- tel ist sicherer, kein Verkehrsmittel ist klimafreundlicher, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael kein Verkehrsmittel ist nachhaltiger; bequemer und schö- Donth [CDU/CSU]) ner ist sowieso keines. Meine Damen und Herren, wir müssen die Elektrifi- Um aber diese Vorteile zu nutzen, braucht es ein klares zierung unserer grenzüberschreitenden Strecken, gerade Bekenntnis zur Schienenpolitik. In Deutschland hat die nach Polen und Tschechien, dringend beschleunigen. Wir Große Koalition dieses klare Bekenntnis im Koalitions- brauchen die vollständige Ausstattung der Bahntrassen vertrag abgelegt und in den vergangenen vier Jahren mit mit moderner Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur. Leben erfüllt. Wir haben uns ambitionierte Ziele für den Wir müssen den Schienenverkehr attraktiver und kom- Verkehrssektor Schiene gesetzt: die Verdoppelung der fortabler für die Menschen gestalten, indem wir den Fahrgastzahlen bis 2030, die Steigerung des Anteils der Deutschlandtakt umsetzen und mit unseren europäischen Schiene am Güterverkehr bis auf 25 Prozent und die Nachbarn koordinieren. Und wir müssen endlich dafür Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27947

Detlef Müller (Chemnitz) (A) sorgen, dass der seit Jahrzehnten geprägte Satz „Mehr veren Bahnverkehr zu erzielen. In Ihrem Antrag, liebe (C) Güter von der Straße auf die Schiene“ nicht nur ein Lip- Koalition, kommt das Wort „Wettbewerb“ überhaupt penbekenntnis und ein frommer Wunsch bleibt. nicht vor.

Meine Damen und Herren, wir müssen gerade jetzt (Beifall bei der FDP) zudem sicherstellen, dass uns die Auswirkungen der Co- ronapandemie im Bereich der Schienenpolitik nicht um Wir können uns ja mal im Ausland umschauen. In Jahre zurückwerfen. Gerade wegen der derzeitigen Nach- Italien haben Sie im Personenfernverkehr die Auswahl frageeinbrüche im Personen- und Güterverkehr braucht zwischen zwei Anbietern: dem staatlichen Anbieter es in Deutschland und in Europa weiterhin das klare Trenitalia mit dem Frecciarossa und dem Italo-Zug eines Bekenntnis zur Schiene. Nur das gibt uns die Chance, privaten Anbieters. Was ist passiert? Viele Leute sind im Verkehrssektor gestärkt aus dieser Krise zu treten. vom Flugzeug auf den Zug umgestiegen, weil es ein Für dieses Bekenntnis steht dieser Antrag. Stimmen Sie attraktives, preiswertes, serviceorientiertes Angebot ist. zu! Demnächst können Sie sich in Spanien zwischen den Hochgeschwindigkeitszügen der spanischen und der Vielen Dank. französischen Staatsbahn entscheiden. Sie können in die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Tschechische Republik, nach Schweden und in viele der CDU/CSU) andere Länder schauen, die zeigen, dass man mit mehr Wettbewerb, mehr Angebot, mehr Auswahl für Fahrgäste das Bahnfahren insgesamt attraktiver macht. Deshalb ist Vizepräsident in Petra Pau: Wettbewerb einer der zentralen Schlüsselfaktoren, meine Das Wort hat der Abgeordnete Torsten Herbst, FDP- Damen und Herren. Fraktion. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) In Deutschland schieben wir leider Problemberge vor Torsten Herbst (FDP): uns her. Der Ausbau und die Modernisierung des Schie- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und nennetzes gehen schleppend voran, trotz des vielen Herren! Wir befinden uns im Europäischen Jahr der Geldes, das zur Verfügung steht. Die DB, immerhin der Schiene, und das könnte echt eine gute Werbung für größte Bahnkonzern Europas, ist auf dem Weg, von den Bahnverkehr sein. Die Vorstellung, mit einem Zug einem Problemfall zu einem Sanierungsfall zu werden. 1 000 Kilometer schnell und komfortabel durch Europa Bei 40 Milliarden Euro Jahresumsatz 30 Milliarden (B) zu fahren, ist faszinierend. Euro Schulden – das ist kein gesundes Verhältnis mehr, (D) meine Damen und Herren. Doch wie sieht die Realität aus? Schauen wir uns an, wie es wäre, wenn wir von Berlin nach Paris fahren wür- Deshalb sollten Sie sich gerade im Europäischen Jahr den – das sind, glaube ich, etwas über 1 000 Kilometer –: der Schiene mal anschauen, was die EU-Kommission Mit dem Flugzeug sind Sie in unter zwei Stunden dort, ursprünglich vorgeschlagen hatte, was man tun kann, da- und mit dem Zug dauert es zwischen 8 und 9 Stunden. mit es mehr Wettbewerb gibt, damit es mehr Service, Das ist kein attraktives Angebot; deshalb müssen wir an mehr Auswahl für die Reisenden gibt. Wir glauben, dieser Stelle mehr machen. Das liegt nicht an den Franzo- eine attraktivere Bahn gibt es nur mit einer Topinfrastruk- sen, sondern wir in Deutschland sind zu langsam, Herr tur und einem fairen, vernünftigen Wettbewerb auf natio- Verkehrsminister. naler und europäischer Ebene. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Man kann es auch nicht auf die EU schieben; ich glaube, da gibt es die richtigen Impulse für einen attraktiveren Vizepräsident in Petra Pau: Bahnverkehr. Wir müssen unsere nationalen Hausaufga- Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Frak- ben lösen. Der Minister hat es selbst angesprochen: Un- tion Die Linke. sere Langsamkeit bei der Fehmarnbeltquerung, beim Zulauf zum Brenner-Basistunnel und auch zur Schweiz (Beifall bei der LINKEN) steht einem attraktiven Bahnverkehr im Wege. Hier müs- sen wir schneller werden, genauso wie bei der Elektrifi- zierung von Bahngrenzübergängen nach Osteuropa. Der Sabine Leidig (DIE LINKE): aktuelle Stand ist leider ein Trauerspiel. Guten Morgen, Frau Präsidentin! (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es ist Mittag!) Ich frage mich: Wo waren eigentlich die Initiativen Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wenn es während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für ein- nach uns gegangen wäre, dann könnten wir jetzt, im heitliche Technikstandards, für Planungsbeschleunigung Europäischen Jahr der Schiene, die Verbindung von 15 und vor allem für mehr Wettbewerb? Jetzt hat der Minis- europäischen Hauptstädten mit Nachtzügen feiern und ter gesagt, das sei typisch FDP. Ja, ist es, weil wir glau- die Möglichkeit, dieses Bahnangebot beispielsweise für ben, dass Wettbewerb eine Lösung ist, um einen attrakti- die Besucher der Fußball-Europameisterschaft zu nutzen. 27948 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Sabine Leidig (A) Jetzt haben wir Corona, aber wir haben auch ein völlig Wir haben mit unserem Antrag noch mal deutlich ge- (C) aus der Zeit gefallenes Verkehrsministerium und eine macht, dass wir eine Umverteilung hinkriegen müssen. Große Koalition, die es jahrelang verschlafen hat, diese Alternative zum Flugverkehr, diese klimafreundliche Vizepräsident in Petra Pau: Reiseoption in Europa und in Deutschland auszubauen. Kollegin Leidig, achten Sie bitte auf die Zeit. (Beifall bei der LINKEN) Als Sie, Herr Scheuer, im September letzten Jahres mit Sabine Leidig (DIE LINKE): einem Riesenpressebohei verkündet haben, dass der Man kriegt keinen Klimaschutz und keine sozial und Trans Europ Express 2.0 mit acht Verbindungen am ökologisch gerechte Verkehrswende hin, wenn man nicht Tag, acht Verbindungen in der Nacht und drei durchlauf- umverteilt von der Straße auf die Schiene, in den öffent- enden Länderverbindungen auf die Schiene gebracht lichen Nahverkehr. Schluss mit den Subventionen für die wird, haben wir das sehr begrüßt. Wir waren echt angetan klimaschädlichen – davon und dachten: Holla, da tut sich was! – Was ist davon übriggeblieben? Nichts! Es ist auf zwei Verbin- Vizepräsident in Petra Pau: dungen geschrumpft. Jetzt haben Sie gesagt, die Verbin- dung München–Zürich wird eingeweiht. Diese Verbin- Kollegin Leidig, setzen Sie bitte den Punkt. dung ist längst überfällig; das hat mit Ihrem Konzept überhaupt nichts zu tun. Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich muss sagen: Der Antrag, der hier vorliegt, wäre ja – und letztlich sozial zutiefst ungerechten Verkehren. schön und gut, wenn er ein Oppositionsantrag wäre. Dann (Beifall bei der LINKEN) könnten wir dem auch zustimmen, Kollege Müller. Ich leide auch mit Ihnen; denn ich kann total gut verstehen, dass Sie frustriert sind. Aber Sie sind nun mal in der Vizepräsident in Petra Pau: Regierung, und Sie hätten viele der Maßnahmen, die da- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kolle- rin stehen, längst umsetzen müssen; das war auch verab- ge Matthias Gastel das Wort. redet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nehmen wir nur mal das Elektrifizierungsthema. Die Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! (B) Elektrifizierung von grenzüberschreitenden Strecken Es könnte alles so schön sein: Europa und die Bahn, (D) nach Polen, nach Tschechien fehlt. Das steht schon seit beides passt wunderbar zusammen. – Was nicht zusam- Jahren und Jahrzehnten auf der Tagesordnung dieses Ver- menpasst, ist die Koalition von CDU/CSU und SPD auf kehrsministeriums. Ich verstehe überhaupt nicht, wie der einen und die Bahn auf der anderen Seite. man so schnarchnasig sein kann. Dazu kommt noch, dass sich jetzt gerade die Bahnverbände melden und sa- Schauen wir mal in den Antrag der beiden Koalitions- gen: Das Elektrifizierungsprogrämmchen, das die Bun- fraktionen und auf die praktizierte Bahnpolitik hier in desregierung jetzt endlich auf den Weg gebracht hat, ist Deutschland. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Aufwuchs weit von dem entfernt, was längst beschlossen ist. – Bis der Mittel im Schienenetat“. Bei einem Blick in den Etat 2025 sollen 3 500 Kilometer endlich mit Oberleitungen 2020 stellen wir dann fest: 1,6 Milliarden Euro für Aus- versehen werden. Was macht der Verkehrsminister? und Neubau der Schienenwege und doppelt so viel für neue Straßen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nichts!) Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Ausbau der Schienen- Er setzt Autobahnen unter Strom. Ich finde, das ist kom- wege … schreitet weiter voran“. Die Realität? Leider plett verkehrt. Wir brauchen endlich eine Orientierung nicht in Deutschland. 2020, im letzten Jahr: 125 Kilo- auf die Elektrifizierung der Schiene. meter Straßenzubau – alleine Straßen des Bundes –, (Beifall bei der LINKEN) 0 Kilometer neue Schienenwege. Wir haben verschiedene Aber jetzt möchte ich noch zu einem anderen Punkt Verträge mit Nachbarstaaten für den Ausbau des grenz- kommen. Es stehen ein paar Dinge im Antrag, die gar überschreitenden Schienenverkehrs. Die Nachbarstaaten nicht verkehrt sind, die völlig okay sind. Sie loben sich haben ausgebaut, Deutschland nicht. Seit den Vertrags- natürlich auch noch über den grünen Klee – das tun Sie unterzeichnungen sind viele Jahre vergangen, und nichts immer wieder – beim Thema Investitionshochlauf. Aber wurde gebaut: –Nürnberg–Prag 30 Jahre, die in Wirklichkeit werden im Haushalt 2021 so viele Mil- Oberrheinstrecke Richtung Schweiz 45 Jahre. Deutsch- liarden Euro wie noch nie für den Ausbau von Auto- land ist Nachzügler. bahnen eingesetzt. Das sind noch mal 383 Millionen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Euro mehr als letztes Jahr. Die Schiene bekommt nur 60 Millionen Euro mehr und liegt damit weit unter Welch ein unschönes Wort für diese Fakten! Viel ver- dem, was notwendig wäre, um den Bundesverkehrswe- sprochen und nichts gehalten. geplan umzusetzen. Das ist kein Glanzprogramm, das ist Sie schreiben in Ihrem Antrag: Ein Schwerpunkt muss ein Armutszeugnis! die Elektrifizierung sein. – Sie haben kürzlich 173 Bahn- (Beifall bei der LINKEN) strecken bezüglich ihrer Tauglichkeit oder Notwendig- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27949

Matthias Gastel (A) keit für die Elektrifizierung untersucht. Gerade mal zwei zeigen doch, dass fast alle Fraktionen dieses Hauses die (C) davon wollen Sie tatsächlich mit einer Oberleitung ver- Absicht haben, den Schienenverkehr in Deutschland und sehen. in Europa weiter zu stärken und voranzubringen, und das Meine Damen und Herren, wir als grüne Bundestags- ist eine gute Nachricht. Die bessere Nachricht dazu ist – fraktion haben über einen langen Zeitraum intensiv an das zeigt unser Antrag deutlich –: Wir reden nicht nur einem eigenen Bahnkonzept gearbeitet und haben heute darüber, sondern wir haben in den letzten Jahren bereits einen entsprechenden Antrag dazu vorgelegt. Wir wollen, manches umgesetzt, Herr Gastel. dass sich die Deutsche Bahn wieder auf ihr Kerngeschäft (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Eisenbahn konzentriert. Wir wollen, dass Infrastruktur NEN]: Ja, vor allem Straßen! Jede Menge Stra- gewinnfrei betrieben wird. Wir wollen den Deutschland- ßen!) takt mit deutlich besseren Angeboten für die Fahrgäste umsetzen. Seit 2009 haben sich die Investitionen in die Schiene Anders als Sie sagen wir auch, wie wir das konkret im Bundeshaushalt verdoppelt. Mit dem Klimapaket ha- umsetzen wollen. ben wir den Investitionsturbo für die Schiene angewor- fen. Wenn man die LuFV III dazuzählt, sind das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dreistellige Milliardenbeträge, die wir in den Schienen- Wir wollen stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren, die verkehr investieren, damit dieser durch den massiven Bahn wieder in die Fläche bringen. Wir wollen Nacht- Investitionshochlauf und den Ausbau des Netzes schnel- züge zwischen europäischen Metropolen. Wir sagen, wie ler wird, damit er digitaler wird – unter anderem durch die wir es machen wollen. Sie können sich noch nicht mal Digitale Schiene Deutschland –, damit er kundenfreund- dazu hinreißen, zu sagen: Wir senken die Trassenpreise. – licher wird – vor allem durch den Deutschlandtakt – und Sie reden nur und tun nichts dafür. damit er leiser wird. So haben wir den Schienenlärm durch den Einsatz leiser Güterwaggons um 50 Prozent (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) reduziert. Wir wollen ökologisch schädliche Subventionen ab- bauen. Warum verzichtet der deutsche Staat jährlich auf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) über 7 Milliarden Euro an Dieselsteuer? Warum subven- tioniert der deutsche Staat Regionalflughäfen, die schon Damit sind wir auf einem guten Weg, aber noch nicht am vor der Coronakrise nicht wirtschaftlich gearbeitet ha- Ziel. ben? Wir als Grüne wollen Verkehre auf die Schiene ver- Unser Schienennetz ist per Definition kein nationales lagern. Wir wollen den Menschen barrierefreie, bezahl- Thema; denn dieses Netz ist mit den Netzen unserer (B) bare, nachhaltige Mobilitätsangebote auf der Schiene Nachbarn verknüpft. Im Schienengüterverkehr gibt es (D) machen. schon lange die Korridore von Mailand bis Rotterdam. Ich sage ganz bewusst und gezielt in Richtung SPD: Auch im Personenverkehr steigt das Interesse an durch- Man kann aus der Bahn mit Blick auf einen großen, gehenden Verbindungen von Stuttgart ans Mittelmeer wachsenden Arbeitsmarkt so viel machen. Sie lassen all oder auch von Paris nach Berlin. die Chancen liegen, jede Menge zukunftsfähige, nach- Die Bundesregierung hat im Rahmen der europäischen haltige Arbeitsplätze zu schaffen. Sie als Union und Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr bereits wichtige SPD bremsen gemeinsam beim Klimaschutz wie auch Impulse gesetzt: für eine Verbesserung der Zusammenar- beim Ausbau der Schienenwege. Sie bremsen den beit der Länder – Stichwort „European Rail Platform“ –, Arbeitsmarkt im Bahnsektor, der wesentlich größer wer- für mehr europäische Zugverbindungen bei Tag und bei den könnten, als er es derzeit ist. Gehen Sie runter von der Nacht mit dem TEE 2.0, mit dem Nachtzugkonzept – Bremse, – beides übrigens im Sinne unserer Schienenpolitik auf eigenwirtschaftlicher Basis –, für einen besseren Güter- Vizepräsident in Petra Pau: verkehr. Kollege Gastel. Vizepräsident in Petra Pau: Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kollege Donth, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- – für eine starke Bahn in Europa und in Deutschland. kung der Kollegin Leidig? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Michael Donth (CDU/CSU): Vizepräsident in Petra Pau: Ja. Das Wort hat der Kollege Michael Donth für die CDU/ CSU-Fraktion. Sabine Leidig (DIE LINKE): (Beifall bei der CDU/CSU) Vielen Dank, Kollege Donth, dass Sie es erlauben. – Wir arbeiten ja nun schon viele Jahre zusammen im Ver- Michael Donth (CDU/CSU): kehrsausschuss. Ich habe in Vorbereitung auf diesen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Tagesordnungspunkt noch mal ein bisschen geguckt, Kollegen! All die Anträge zum Europäischen Jahr der wie wir über Nachtzüge diskutiert haben. Sie haben Schiene, zur Schiene als solche, die wir heute beraten, 2014 gesagt, es sei abenteuerlich, dass ein paar Nostal- 27950 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Sabine Leidig (A) giker – das war 2014! – verlangen würden, dass Nacht- sagen: Darf’s ein bisschen mehr sein? – Ich sage: Ja, es (C) züge subventioniert werden, das sei ein völlig abwegiger darf, es muss und es wird auch etwas mehr sein, und das Vorschlag. werden wir gemeinsam weiter verfolgen. Ich danke ganz Jetzt habe ich zwei Fragen an Sie. Erstens. Schätzen besonders unserem Verkehrsminister Andreas Scheuer. Sie die Nachtzugverbindungen in Europa inzwischen (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- anders ein? Also, haben Sie Ihre Position dazu ein biss- NEN]: Warum ist der eigentlich noch im Amt?) chen geändert? Und zweitens. Haben Sie eine Ahnung, in Ohne seinen starken Aufschlag und seine Initiative in welcher Größenordnung der Flugverkehr in Europa sub- Europa hätten wir da nicht so viel bewegen können; Glei- ventioniert wird? ches gilt auch für unseren Schienenbeauftragten . Er kennt gefühlt nicht nur jede Weiche im Michael Donth (CDU/CSU): deutschen Netz, er weiß auch, wie die Bahnen in Polen, Vielen Dank, Frau Leidig. – Sie haben Recht: Wir in Frankreich, Schweden, Italien oder anderen europä- machen leider schon längere Zeit miteinander Politik im ischen Ländern ticken. Verkehrsbereich. In der Tat haben Sie mich richtig zitiert. Es ging 2014 darum, dass die Deutsche Bahn als Unter- Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, die Schiene in nehmen für sich die Entscheidung getroffen hat: Es rech- Deutschland und in Europa zu stärken. Deshalb haben net sich wirtschaftlich nicht mehr, Nachtzugangebote wir diesen starken Antrag heute vorgelegt, und dafür bitte unter den Bedingungen, die die Deutsche Bahn hat, ich um Ihre Unterstützung. durchzuführen. Vielen Dank. Der Wunsch von Ihrer Seite war damals: Dann muss (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- man eben Geld reinbuttern, damit es weiterhin funktio- ordneten der SPD) niert. – Wir haben heute wieder ein startendes Nachtzug- angebot, Vizepräsident in Petra Pau: (Dr. [BÜNDNIS 90/DIE Das Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die GRÜNEN]: Ein startendes!) SPD-Fraktion. das zum Beispiel die ÖBB in Kooperation auch mit der (Beifall bei der SPD) Deutschen Bahn anbietet. Wir setzen uns für dieses Impulsprogramm ein; ich habe das gesagt, vielleicht ha- Kirsten Lühmann (SPD): ben Sie es nicht gehört. Unser Minister hat das Thema im Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft aufgegriffen: Wir (B) In diesem Antrag reden wir von einem bedarfsgerechten (D) wollen nicht nur den TEE 2.0 als europäische Verbin- Ausbau des Schienennetzes. Dafür haben wir in dieser dung, sondern auch wieder Nachtzugverbindungen auf Koalition erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, und eigenwirtschaftlicher Basis. Dagegen hatten wir noch zwar nicht nur, wie hier immer zitiert wurde, für die nie etwas; insofern musste ich meine Meinung nicht än- Bedarfsplanmaßnahmen, sondern auch in der Leistungs- dern. Das Konzept passt. und Finanzierungsvereinbarung und weiteren Sonderpro- Wir setzen uns mit der Digitalen Automatischen Kupp- grammen für den Schienenausbau. lung – DAK; das lässt sich leichter aussprechen –, die Jetzt führen wir natürlich die Diskussion: Wie setzt auch den Einzelwagenverkehr im Güterbereich attrakti- man dieses Geld, was ja Steuergeld ist, sinnvoll ein? ver macht, für einen besseren Güterverkehr ein. Und – Dafür gibt es Regeln; allerdings sind diese Regeln sehr das ist auch ganz wichtig –: Wir setzen uns für eine Ver- an betriebswirtschaftlichen und weniger an volkswirt- einheitlichung von Steuerungs- und Zugsicherungssyste- schaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Ich glaube, men ein. Aber wir können, so viel wir wollen, in die wir alle sind einer Meinung: Die Bahn ist ein volkswirt- grenzüberschreitende Zusammenarbeit investieren und schaftlicher Vorteil, und so muss man sie auch bewerten. schnellere, konkurrenzfähige Verbindungen zum Flug- zeug schaffen, es bleibt ein Problem, wenn ich ein Flug- (Beifall bei der SPD) ticket von Frankfurt nach Valencia im Internet buchen Wir als Deutscher Bundestag haben für die großen euro- kann, während ich für dieselbe Strecke mit dem Zug päischen Linien Abhilfe geschaffen, indem wir zusätzli- umständlich bei mehreren Bahnunternehmen buchen che Gelder für mehr Lärmschutz – quasi als Nachteils- muss. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss sich ausgleich, mit Bürgerbeteiligung – bereitstellen können. im Interesse der Kunden und der Eisenbahn dringend Das ist gut und richtig! ändern, deshalb stärken wir die Bundesregierung bei der Umsetzung dieses Vorhabens. Bahnfahren muss europa- Aber viel sinnvoller wäre es doch, von vornherein die weit für Kunden mit einem Klick über ein einheitliches, Bewertungsmodalitäten zu ändern, liebe Kolleginnen und komfortables und einfaches Portal buchbar sein. Kollegen. Diese Chance bietet sich uns jetzt bei den Pro- jekten, die wir über das sogenannte GVFG, Gemeinde- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- verkehrsfinanzierungsgesetz, fördern. Als Erstes hat die- ordneten der SPD) se Koalition die Mittel für regionale Projekte deutlich Zusammengefasst: Wir haben für einen noch besseren erhöht: von 333 Millionen Euro im Jahr auf jetzt 1 Mil- Schienenverkehr in Deutschland bereits entscheidende liarde Euro, und in fünf Jahren werden die Mittel auf Weichen gestellt und viel getan. Unser verkehrspoliti- 2 Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt. Das ist eine rich- scher Sprecher, Alois Rainer, würde als Metzgermeister tige Leistung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27951

Kirsten Lühmann (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schlussempfehlung? – Die Koalitionsfraktionen. Wer (C) der CDU/CSU) stimmt dagegen? – Die AfD-Fraktion, die FDP-Fraktion Aber: Damit die Länder diese Mittel jetzt sinnvoll ein- und die Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? – Die setzen können, braucht es einen neuen Bewertungsmaß- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfeh- stab. Die sogenannten Bewertungen, die wir für diese lung ist angenommen. Projekte haben, verhindern im Moment, zum Beispiel Tagesordnungspunkt 12 e. Beschlussempfehlung des bei Strecken in Rheinland-Pfalz, eine sinnvolle Elektrifi- Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu zierung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, funktio- dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Qualität niert so nicht! Herr Scheuer, Sie haben uns schon mehr- des Schienennetzes effektiv verbessern – Ausgaben von fach einen neuen Vorschlag für eine sogenannte Steuermitteln besser kontrollieren“. Der Ausschuss emp- standardisierte Bewertung versprochen. Wir brauchen fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf sie; die Länder brauchen sie; wir brauchen sie jetzt, damit Drucksache 19/15522, den Antrag der Fraktion der FDP wir unser Geld vernünftig einsetzen können, damit das auf Drucksache 19/11110 abzulehnen. Wer stimmt für Ziel, die europäischen Bahnen auch in Deutschland zu diese Beschlussempfehlung? – Die Koalitionsfraktionen. stärken, sinnvoll umgesetzt werden kann. Wer stimmt dagegen? – Die FDP-Fraktion, die AfD- Herzlichen Dank. Fraktion, die Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? – (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschluss- Lange [CDU/CSU]) empfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 12 f. Beschlussempfehlung des Vizepräsident in Petra Pau: Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu Ich schließe die Aussprache. dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Inves- titionsoffensive in den öffentlichen Nahverkehr – Für Tagesordnungspunkt 12 a. Wir kommen zur Abstim- eine echte Verkehrswende“. Der Ausschuss empfiehlt in mung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/24596, SPD auf Drucksache 19/28465 mit dem Titel „Die Schie- den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache ne europaweit stärken – Das Jahr der Schiene erfolgreich 19/22490 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- nutzen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Die Koalitions- empfehlung? – Die Koalitionsfraktionen, die AfD-Frak- fraktionen. Wer stimmt dagegen? – Die AfD-Fraktion, tion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die die FDP-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die nen. Wer enthält sich? – Die Fraktion Die Linke. Der Grünen. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschluss- (B) Antrag ist angenommen. empfehlung ist angenommen. (D) Tagesordnungspunkte 12 b und 12 g sowie Zusatz- punkt 1. Interfraktionell wird die Überweisung der Vor- Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kom- 1) lagen auf den Drucksachen 19/28460, 19/28441 und men, komme ich zu den Wahlen zurück. 19/28435 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- schüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungs- Ich komme zum von den Schriftführerinnen und vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir Schriftführern ermittelten Ergebnis der Wahl eines wie vorgeschlagen. Stellvertreters des Präsidenten des Deutschen Bundesta- ges, zweiter Wahlgang. Von den 709 Mitgliedern des Tagesordnungspunkt 12 c. Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestages haben 638 ihre Stimme abgege- Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu ben. Mit Ja haben gestimmt 104 Abgeordnete, mit Nein dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Nach haben gestimmt 517 Abgeordnete, 17 Abgeordnete haben Tunnelhavarie und Rheintal-Streckensperrung 2017 von sich enthalten. Der Abgeordnete Dr. Harald Weyel hat die Rastatt – Aufarbeitung und Notfallmanagement entwi- erforderliche Mehrheit von mindestens 355 Stimmen ckeln“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- nicht erreicht. Er ist nicht zum Stellvertreter des Präsi- empfehlung auf Drucksache 19/3800, den Antrag der denten gewählt.2) Fraktion der FDP auf Drucksache 19/1839 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koa- Wir kommen zum von den Schriftführerinnen und litionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Die Opposi- Schriftführern ermittelten Ergebnis der Wahl eines Mit- tion. Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist glieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10a Absatz 2 der mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Bundeshaushaltsordnung. Von den 709 Mitgliedern des Stimmen der AfD-Fraktion, der FDP-Fraktion, der Frak- Deutschen Bundestages haben 638 ihre Stimme abgege- tion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ben. Mit Ja stimmten 107 Abgeordnete, mit Nein 511 angenommen. Abgeordnete, 20 Abgeordnete haben sich enthalten. Der Abgeordnete Marcus Bühl hat die erforderliche Mehrheit Tagesordnungspunkt 12 d. Beschlussempfehlung des von mindestens 355 Stimmen nicht erreicht. Er ist als Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu Mitglied des Vertrauensgremiums gemäß § 10a der Bun- dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Mittel- deshaushaltsordnung nicht gewählt.3) rheintal mit alternativer Gütertrasse und funktionieren- den Ausweichstrecken entlasten“. Der Ausschuss emp- fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 1) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Wahlen siehe Anlage 6 19/9000, den Antrag der Fraktion der FDP auf Druck- 2) Ergebnis Anlage 2 sache 19/7984 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- 3) Ergebnis Anlage 3 27952 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident in Petra Pau (A) Wir kommen zum von den Schriftführerinnen und Abgeordneten und der Fraktion BÜND- (C) Schriftführern ermittelten Ergebnis der Wahl von zwei NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- Mitgliedern des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschul- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des denwesengesetzes. Von den 709 Mitgliedern des Deut- Grundgesetzes (Ergänzung des Artikels 6 schen Bundestages haben 638 ihre Stimme abgegeben. zur Stärkung der Kinderrechte) Für den Abgeordneten Albrecht Glaser stimmten 101 Drucksachen 19/10552, 19/27883 Abgeordnete, mit Nein stimmten 518 Abgeordnete, 19 Abgeordnete haben sich enthalten. Für den Abgeordneten ZP 2 Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Münz stimmten 115 Abgeordnete, mit Nein Stephan Thomae, Katja Suding, Renata Alt, wei- stimmten 495 Abgeordnete, 26 Abgeordnete haben sich teren Abgeordneten und der Fraktion der FDP enthalten. Zwei Stimmen waren ungültig. Die Abgeord- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- neten Albrecht Glaser und Volker Münz haben die erfor- derung des Grundgesetzes – Artikel 6 derliche Mehrheit von 355 Stimmen nicht erreicht. Damit Drucksache 19/28440 sind sie nicht gewählt.1) Überweisungsvorschlag: Wir kommen zum von den Schriftführerinnen und Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Schriftführern ermittelten Ergebnis der Wahl eines or- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend dentlichen Mitglieds des Sondergremiums gemäß § 3 Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Absatz 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes. Von beschlossen. den 709 Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben 638 an der Wahl teilgenommen. Acht Stimmzettel waren Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bun- ungültig. Mit Ja stimmten 123 Abgeordnete, mit Nein desministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, stimmten 479 Abgeordnete, 28 Abgeordnete haben sich Christine Lambrecht. enthalten. Der Abgeordnete Peter Boehringer hat die (Beifall bei der SPD) erforderliche Mehrheit von mindestens 355 Stimmen nicht erreicht. Damit ist er als Mitglied des Sondergre- miums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsmechanis- Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz musgesetzes nicht gewählt.2) und für Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern Herren! Kinder sind besonders schutzbedürftig. Das erle- ermittelte Ergebnis der Wahl eines stellvertretenden ben wir gerade jetzt, in dieser Zeit der Pandemie. Bei fast Mitglieds des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des allen Entscheidungen, die wir treffen, müssen wir immer (B) Stabilisierungsmechanismusgesetzes: Von den 709 Mit- genau überlegen: Wie wirken sie sich auf Kinder aus? (D) gliedern des Deutschen Bundestages haben sich 638 an Welche Spätfolgen werden sie haben? Manchmal habe dieser Wahl beteiligt. Ein Stimmzettel war ungültig. Mit ich den Eindruck, dies geschieht nicht oft genug. Ich Ja stimmten 106 Abgeordnete, mit Nein stimmten 507 höre diese Einschätzung auch von vielen Kolleginnen Abgeordnete, 24 Abgeordnete haben sich enthalten. Die und Kollegen. Ich finde, wenn dem so ist, wird es Zeit, Abgeordnete Dr. Birgit Malsack-Winkemann hat die dass wir diesen Worten auch Taten folgen lassen sollten. erforderliche Mehrheit von mindestens 355 Stimmen nicht erreicht. Sie ist als stellvertretendes Mitglied des (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungs- der CDU/CSU) 3) mechanismusgesetzes nicht gewählt. Es ist Zeit, dass Kinderrechte im Mittelpunkt unseres Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b sowie Rechtssystems auch sichtbar gemacht werden, und dieser den Zusatzpunkt 2 auf: Mittelpunkt ist unser Grundgesetz. Der Entwurf, den wir Ihnen vorgelegt haben und den wir heute beraten, schreibt 13 a) Erste Beratung des von der Bundesregie- konkret drei Dinge ausdrücklich fest: rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zur Erstens. „Die … Rechte der Kinder … sind zu achten ausdrücklichen Verankerung der Kinder- und zu schützen.“ Das umfasst vor allem das Recht der rechte Kinder, sich zu „eigenverantwortlichen Persönlichkei- ten“ zu entwickeln. Kinder sind eben keine kleinen Drucksache 19/28138 Erwachsenen, sie müssen besonders geschützt werden. Überweisungsvorschlag: Zweitens betonen wir, dass das Kindeswohl immer Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Inneres und Heimat angemessen zu berücksichtigen ist – nicht nur im Fami- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lienrecht, sondern überall dort, wo Kinder betroffen sind. b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Denken Sie zum Beispiel an die Planung eines Wohnge- Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) biets. Da muss künftig geprüft werden: Ist sie kindge- gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung recht? Gibt es dort genug breite Gehwege? Gibt es dort zu dem von den Abgeordneten Katja Dörner, genug Spielwege? Das ist nur ein Beispiel. Katja Keul, Annalena Baerbock, weiteren (Dr. Götz Frömming [AfD]: Da braucht man keine Grundgesetzänderung!) 1) Ergebnis Anlage 4 2) Ergebnis Anlage 5 Überall da, wo Kinder betroffen sind, muss deren Wohl 3) Ergebnis Anlage 5 angemessen berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27953

Bundesministerin Christine Lambrecht (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dingt ergreifen. Deswegen appelliere ich an die Kompro- (C) der CDU/CSU) missbereitschaft aller hier im Haus. Lassen wir diese historische Chance nicht ungenutzt verstreichen, im Inte- Drittens verankern wir den Anspruch des Kindes auf resse der Kinder in unserem Land. rechtliches Gehör ausdrücklich im Grundgesetz. Das bedeutet: Kinder sollen die Gelegenheit haben, sich zu Vielen Dank. äußern, wenn Gerichte oder Behörden Entscheidungen über ihre Lebenssituation treffen. Jetzt kann man sagen: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wieso wird so ein rechtliches Gehör überhaupt im Grund- gesetz verankert? Das gibt es doch schon. – Wir mussten Vizepräsident in Petra Pau: leider erleben, dass in einigen ganz besonders schlimmen Das Wort hat der Abgeordnete Fabian Jacobi für die Verfahren, wo es um Kindesmissbrauch ging, genau das AfD-Fraktion. leider nicht oder nicht ausreichend erfolgt ist, was drama- tische Konsequenzen für die Kinder nach sich zog. Das (Beifall bei der AfD) soll nie wieder passieren. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina Fabian Jacobi (AfD): Margarethe Wiesmann [CDU/CSU]) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir behandeln hier mit dem Thema „Kinderrechte ins Grund- Deswegen ist es nötig, dies im Grundgesetz sichtbar fest- gesetz“ einen wahren Klassiker; denn dieses Thema spie- zuschreiben. len die sozialistischen Fraktionen des Hauses seit Jahr- Mit der Festschreibung der Grundrechte bringen wir zehnten immer mal wieder. Und weil es so ein klassisches unsere Überzeugungen, unsere Werte zum Ausdruck. Thema ist, werde ich in dieser Rede auch die beiden Sie machen deutlich, was uns als Gesellschaft besonders klassischen Zitate verwenden, die Sie alle erwarten. wichtig ist. Was das Grundgesetz vorgibt, ist unmittelbar (Zurufe von der LINKEN) für alle staatlichen Stellen dann auch verbindlich: für die Verwaltung, für die Justiz und für den Gesetzgeber. Bei Zu dem Gesetzentwurf der Regierung hat uns die Bun- der Auslegung und Anwendung aller Gesetze gibt das desrechtsanwaltskammer eine Stellungnahme übersandt. Grundgesetz die Richtung vor. Wir erleben doch gerade Ich weiß nicht, ob Sie sie gelesen haben. Tun Sie es; denn jetzt, wie wir alles immer auch daraufhin überprüfen: Ist die Bundesrechtsanwaltskammer ist es, die uns das erste es verfassungsgemäß? klassische Zitat vorhält: Mit der geplanten Grundgesetzänderung – das ist mir Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, (B) ganz wichtig, weil es da viele Sorgen gibt, die ich hier ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. (D) ausdrücklich auch ansprechen will – verschieben wir kei- ne Rechte von den Eltern hin zum Staat. Das sagt unser (Beifall bei der AfD) Entwurf ganz klar und unmissverständlich aus. Sie wollen in den Artikel 6 des Grundgesetzes vier (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Sätze hineinschreiben, und die Rechtsanwaltskammer GRÜNEN]: Aber hoffentlich hin zu den Kin- bewertet sie einzeln: Satz eins, ein Verweis auf ohnehin dern!) bestehende Rechte. Fazit: kann weg. Satz zwei bleibt hinter dem zurück, was in Gestalt der Kinderrechtskon- Die Eltern sind es, denen das Recht und die Verantwor- vention ohnehin gilt. Fazit: kann weg. Satz drei, erneut tung zukommen, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen. ein Verweis auf das, was ohnehin in der Verfassung steht. Nur dann, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, dürfen Fazit: kann weg. Satz vier, auch das eine bloße Wieder- staatliche Stellen eingreifen. Dabei bleibt es auch in Zu- holung von etwas, was bereits in der Verfassung steht. kunft, meine Damen und Herren. Fazit: kann weg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich könnte es mir jetzt einfach machen und mich Eine Ergänzung des Grundgesetzes wird das Kindes- schlicht dieser Bewertung meiner Standesvertretung wohl stärker ins Bewusstsein rücken; es wird mehr im anschließen und sagen: Mittelpunkt stehen. Bei uns Juristinnen und Juristen gilt ( [CDU/CSU]: AfD kann das Gleiche wie in anderen Berufen: Besonders prägend weg!) ist, was wir in der Ausbildung lernen. Und da spielt unser Grundgesetz eine ganz besondere Rolle. Kinderrechte Was Sie da vorschlagen, ist überflüssig, also sollten wir werden im Rechtsalltag präsenter, wenn sie ausdrücklich das bleiben lassen. in der Verfassung stehen. (Beifall bei der AfD) Meine Damen und Herren, wir wollen, dass Politik, Dann aber kommt mir der zweite Zitatenklassiker in den Justiz und Verwaltung, dass die Menschen, die die für Sinn. Der stammt von einem Herrn Scholz, seinerzeit Kinder bedeutsamen Entscheidungen treffen, die Kinder- Generalsekretär, heute Kanzlerkandidat der SPD. Sie rechte immer im Blick haben. Deshalb spannen wir ein wissen alle, wie das Zitat lautet: „Wir wollen die Luft- zusätzliches Sicherheitsnetz auf. hoheit über den Kinderbetten erobern“. Dieser Ausspruch Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt die ist deshalb ein Klassiker, weil er eine tief in das Erbgut historische Chance, etwas ganz Wichtiges und Wertvolles linker Ideologie eingeschriebene Überzeugung auf kesse für unsere Kinder zu tun. Diese Chance sollten wir unbe- Weise zum Ausdruck bringt, nämlich dass Sozialisten, 27954 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Fabian Jacobi (A) um die bürgerliche Gesellschaft zu überwinden, zu- ihrer Rede vorgetragen. Wenn wir das ins Grundgesetz (C) vörderst die Kinder aus ihren Familien lösen und durch schreiben, heißt das noch lange nicht, dass unzulässige den Staat formen müssen. Nichtanhörungen von Kindern vor Gericht nicht mehr Nun ist das Projekt „Kinderrechte ins Grundgesetz“ vorkommen, dass kinderfeindliche Stadtplanungen nicht immer ein linkes Projekt gewesen, das durch die sozialis- mehr vorkommen und dass ein unzureichender Personal- tischen Fraktionen vorgetragen wurde und dem die CDU/ schlüssel in den Jugendämtern unseres Landes nicht mehr CSU entgegengetreten ist. Nunmehr hat die CDU/CSU vorkommt. Das erreichen wir damit nicht. Deswegen sind die Seiten gewechselt. Und damit sind wir bei einer der wir als Gesetzgeber gefordert, darauf zu achten, dass faszinierenden Fragen unserer Zeit, nämlich warum Kon- Umsetzungsdefizite beseitigt werden, dass Geld dort vor- servative immer verlieren. Ein Aspekt der Antwort könn- handen ist, wo es Kinder in unserer Gesellschaft brau- te sein: weil sie nicht begreifen oder nicht begreifen wol- chen, und dass wir vor allen Dingen auch bei einfachge- len, dass es egal ist, was sie sich bei der Verabschiedung setzlichen Regelungen die notwendigen Voraussetzungen eines Gesetzes vorstellen. Entscheidend ist, was andere schaffen. Dass wir darüber nicht nur reden, haben wir erst später daraus machen können. vor wenigen Wochen gezeigt, als wir das Gesetz zur Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs verab- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) schiedet haben. Da haben wir entsprechende Regelungen Ein Blick in die Geschichte unserer Verfassung sollte in das Familienverfahrensgesetz geschrieben. Wir reden Warnung genug sein. Die Verfasser des Grundgesetzes also nicht nur, wir handeln, und das ist gut für Kinder und haben den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gut Familien. und eindeutig formuliert, insbesondere klar auf das Indi- viduum bezogen. Im Gefolge der Wiedervereinigung (Beifall bei der CDU/CSU) wollten die Sozialisten Artikel 3 des Grundgesetzes Der zweite Aspekt, den ich erwähnen möchte: Ja, Kin- dann im Sinne ihrer kollektivistischen Ideologie korrum- der haben Grundrechte. Sie haben Grundrechte, weil das pieren und einen Befehl zur Gleichstellung der Ge- Grundgesetz und die Grundrechte für alle Menschen in schlechter hineinschreiben. Die damaligen bürgerlichen unserem Land gelten. Trotzdem ist es richtig, mit dieser Parteien waren noch nicht völlig sediert. Sie erkannten Verfassungsänderung sichtbar zu machen, dass Kinder den Anschlag auf das Wesen der Verfassung, und so auch Rechtssubjekte sind, und dass wir klarmachen, wurde dieser Vorstoß abgewehrt. Ein Gleichstellungsauf- dass sich alles, was wir tun, letztlich am Kindeswohl aus- trag wurde nicht in das Grundgesetz aufgenommen. Man zurichten hat. wollte dann einen Kompromiss machen. Das Ergebnis war der Satz von der tatsächlichen Durchsetzung der (Beifall bei der CDU/CSU) (B) Gleichberechtigung. Ein fataler Fehler; denn seitdem be- (D) haupten die Sozialisten aller Fraktionen einfach, dieser Und das Kindeswohl ist angemessen zu berücksichtigen – Satz bedeute das, was seinerzeit gerade abgelehnt wurde, darüber haben wir viel diskutiert –, nicht vorrangig, nicht nämlich den Gleichstellungsauftrag. besonders, nicht wesentlich, sondern angemessen, weil Sollte es in diesem Hause noch irgendwo übrig geblie- unser Grundgesetz keine Hierarchie der Grundrechte für bene Konservative oder Liberale geben, mögen sie sich die einzelnen Grundrechtssubjekte kennt. Wenn es einen das zur Warnung gereichen lassen. Wenn Sozialisten die Konflikt gibt, dann wird er im Wege der praktischen Verfassung verbessern wollen, dann ist Gefahr im Ver- Konkordanz aufgelöst. So ist es in unserem Verfassungs- zug. Wir als AfD-Fraktion sagen daher: Finger weg von recht angelegt, und so muss es auch bleiben, weil es unter Artikel 6! Umständen sein kann, dass man einen Kinderspielplatz verkleinern muss, um ein Krankenhaus vergrößern zu Vielen Dank. können. Dann ist es eine richtige Entscheidung, die ein- (Beifall bei der AfD) zelnen Interessen gegeneinander abzuwägen. Deswegen kommt es darauf an, das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen. Vizepräsident in Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Wir wollen alles tun, um Kinderrechte zu stärken. Das, Thorsten Frei das Wort. was für uns als Unionsfraktion bei all diesen Beratungen, (Beifall bei der CDU/CSU) die jetzt immerhin schon anderthalb Jahre andauern, we- sentlich war, ist, dass das fein austarierte Dreiecks- verhältnis von Kindern, Familie und Staat in Artikel 6 Thorsten Frei (CDU/CSU): Absatz 2 des Grundgesetzes und die jahrzehntelange Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht Kollegen! Ja, Frau Ministerin, Kinder sind das Wich- angegriffen werden. Frau Ministerin, Sie haben darauf tigste, was wir in unserer Gesellschaft haben. Deswegen hingewiesen: Genau das geschieht mit der Umsetzung wollen wir unsere Politik auch an ihren Bedürfnissen dieses Gesetzentwurfs. Wir verändern das nicht. Wir ma- ausrichten, um bestmögliche Rahmenbedingungen zu chen deutlich: Das ist kein gleichschenkliges Dreieck, wo schaffen. die Kinder gleich weit von Familie und Staat entfernt Wir haben diesen Gesetzentwurf vorgelegt, wohl wis- sind. Es ist ein spitzwinkliges Dreieck, wo Kinder und send, dass man dadurch, dass man Kinderrechte in unse- ihre Eltern, wo Kinder und Familie nah beieinander ste- rer Verfassung sichtbar macht, einige grundlegende Pro- hen und der Staat in einiger Entfernung das Wächteramt bleme nicht beheben kann; das hat die Frau Ministerin in übernimmt, falls das Kindeswohl verletzt wird. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27955

Thorsten Frei (A) (Dr. Götz Frömming [AfD]: Der Staat greift Grünen, dass wir gemeinsam, Sie mit uns, der FDP und (C) nach den Kindern!) mir, dafür kämpfen, dass wir auch über diesen Punkt Genau dabei muss es bleiben. Der Staat soll kein zusätz- sprechen. Ich habe das Gefühl, dass auch in der Union liches Recht neben dem Wächteramt bekommen. Der die Bereitschaft vorhanden ist, anzuerkennen, dass die Staat ist nicht besser für die Kinder. Die Familien sind Zeit dafür reif ist. diejenigen, die die Erstverantwortung für die Kinderer- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ziehung und die sich daraus ergebende Pflicht haben. Das des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des machen wir hier deutlich. Deswegen ist es ein guter Ge- Abg. Sönke Rix [SPD]) setzentwurf. Für die Kinderrechte liegt nun auch der Vorschlag der (Dr. Götz Frömming [AfD]: Nein!) FDP auf dem Tisch. Auch für uns ist wichtig, dass das Gefüge zwischen Eltern, Kindern und Staat nicht verän- Ich appelliere an Sie: Schauen Sie ihn sich genau an. dert wird, dieses spitzwinklige Dreieck, in dem Eltern Ich bin davon überzeugt, dass es ein guter Schritt in die und Kinder nah beisammen sind und in weiter Ferne Zukunft ist. Es lohnt sich, darüber zu streiten und am der Staat sein Wächteramt dann ausübt, wenn das Kin- Ende zu einem Ergebnis zu kommen. deswohl in Gefahr ist. Das ist seine Aufgabe; aber die Herzlichen Dank. Erziehungshoheit der Eltern darf nicht angetastet werden. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Götz Wir wollen nicht, dass sich der Staat als stiller Miterzie- Frömming [AfD]: Überflüssig wie ein Kropf!) her in das Familienleben einmischt. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Thorsten Vizepräsident in Petra Pau: Frei [CDU/CSU]) Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Stephan Wir wollen nicht den Staat stärken. Wir wollen die Kin- Thomae das Wort. der stärken, ohne dass wir dadurch die Elternrechte und die Familien schwächen. (Beifall bei der FDP) (Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann wollen Sie dagegenstimmen?) Stephan Thomae (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Ein weiterer Punkt ist, dass wir Kinder als Rechtssub- Kollegen! Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Ver- jekte im Grundgesetz sichtbar machen wollen, aber auch ankerung von Kinderrechten im Grundgesetz trägt die als Satzsubjekte; denn wenn wir von Kinderrechten spre- Bundestagsdrucksachennummer 19/28440. Das klingt chen, dann müssen auch Kinderrechte drin sein. Nur zu (B) wie irgendeine Sache unter tausend anderen, aber eine sagen, dass der Staat das Kindeswohl angemessen be- (D) Grundgesetzänderung ist auch im dichten Parlamentska- rücksichtigen muss, was er ohnehin immer tun muss – lender eine Besonderheit; denn wir packen das Grund- er ist immer zu angemessenem Verhalten verpflichtet –, gesetz nicht jeden Tag und nicht häufig in einer Wahl- ist ein Stück zu wenig. Ein bisschen mehr muss es schon periode an. sein, wenn wir über Kinderrechte sprechen; sonst wäre es eine reine Mogelpackung. Wenn wir es tun, wenn wir jetzt über eine Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Kinderrechte beraten, (Beifall bei der FDP) dann sollten wir damit ein zweites Anliegen politisch Die Vorgespräche haben schon stattgefunden; sie ha- verknüpfen, das uns wichtig erscheint, nämlich die Ver- ben aber noch zu keiner Einigung geführt. Wir brauchen ankerung eines weiteren negativen Diskriminierungs- für eine Grundgesetzänderung nach Artikel 79 Absatz 2 merkmals in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz: die sexuelle Grundgesetz eine doppelte Zweidrittelmehrheit: in die- Identität. Das passt nach unserer Auffassung sehr gut sem Haus, also im Bundestag, und im Bundesrat. Da ist zusammen. Beide Dinge berühren den privatesten, den noch keine Kompromisslösung gefunden worden. Aber intimsten Bereich des Menschen, die Kinderrechte und wir werden konstruktiv an diesen Beratungen mitwirken. die sexuelle Identität der Menschen. Ich freue mich darauf, dass wir am Ende vielleicht doch Die Geschichte der Homosexuellen, der Bi-, Trans- noch eine Lösung finden – und Intersexuellen ist eine Geschichte der Benachteili- gung, Diskriminierung und Verfolgung. Deswegen ist Vizepräsident in Petra Pau: jetzt die Zeit gekommen, im Grundgesetz eindeutig klar- Kollege! zumachen, dass es wegen der sexuellen Identität keine Benachteiligung mehr geben darf. Stephan Thomae (FDP): (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – und Kinderrechte und ein neues Merkmal, die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der sexuelle Identität, im Grundgesetz verankern werden. Abg. Ulli Nissen [SPD]) Ich danke Ihnen. Dazu gibt es schon einen Gesetzentwurf der Grünen, der (Beifall bei der FDP) Linken und der FDP aus dem Jahr 2019. Wenn wir das jetzt nicht noch einmal beraten, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann wird es in dieser Wahlperiode nichts mehr Vizepräsident in Petra Pau: damit werden; das muss doch klar sein. Deswegen erwar- Das Wort hat der Kollege Norbert Müller für die Frak- te ich von Ihnen, Frau Ministerin, von der SPD und den tion Die Linke. 27956 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident in Petra Pau (A) (Beifall bei der LINKEN) (Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD]) (C)

Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Im Gegenteil: Wer Kinderrechte stärkt, der stärkt am Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Ende auch die Rechte von Eltern, und zwar als Abwehr- ren! Ja, heute hätte ein guter Tag für die Kinderrechte in rechte gegen einen übergriffigen Staat. Deutschland sein können. 31 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention und übrigens fast auf den (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Tag genau 20 Jahre, nachdem die PDS-Fraktion als erste BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fraktion hier im Deutschen Bundestag beantragt hat, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, hat sich Außerdem wollen Sie die Kinderrechte hinter das die Bundesregierung dazu durchgerungen, einen eigenen Wächteramt ins Grundgesetz schreiben. Diese Reihen- Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht, Kinderrechte im folge ist interessant hinsichtlich der Rechtsdogmatik. Grundgesetz zu verankern. Aber ich habe bewusst den Warum schreiben Sie die Kinderrechte hinter das Wäch- Konjunktiv gewählt; denn es ist kein guter Tag für die teramt? Das hat in der Konsequenz zur Folge, dass Kin- Kinderrechte in Deutschland. Der Gesetzentwurf, den derrechte nur dort wirken, wo das Wächteramt bereits Sie vorgelegt haben, liebe Bundesregierung, liebe Frau gegriffen hat. Das heißt, nur in der Situation, wenn ein Ministerin Lambrecht, trägt den Stempel der CDU/CSU, Kind zum Beispiel aus der Familie genommen wird, grei- die eigentlich keine Kinderrechte im Grundgesetz will. fen die Kinderrechte, aber nicht global. Warum haben Sie Dieser Stempel ist in erster Linie angstdurchsetzt. Das diese Stelle gewählt? Ich finde, Ihr Gesetzentwurf ist möchte ich Ihnen an Beispielen belegen. weniger als nichts. Liebe CDU/CSU-Fraktion, die Kinderrechte in der Frau Lambrecht, Sie haben den demokratischen Frak- UN-Kinderrechtskonvention sind im Wesentlichen in tionen im Haus Gesprächsbereitschaft angeboten. Des- drei Grundrechte aufgeteilt: in ein Recht auf Beteiligung, halb will ich zumindest mal transparent machen: Wir ein Recht auf Förderung und ein Recht auf Schutz. Und haben hier vor zwei Jahren einen Gesetzentwurf einge- die UN-Kinderrechtskonvention formuliert global, dass bracht. Dieser darf bis heute nicht in die Anhörung im das Kindeswohl ein vorrangig zu berücksichtigender Rechtsausschuss. Sie blockieren dies mit Ihrer Koali- Gesichtspunkt ist. Genau diese vier Aspekte haben Sie tionsmehrheit, genauso wie Sie es mit einem entsprech- nicht umgesetzt. enden Gesetzentwurf der Grünen machen. Sie haben die Sie wollen die Beteiligungsrechte von Kindern nicht Fraktion Die Linke, obwohl wir die Ersten waren, – stärken. Warum haben Sie eigentlich Angst davor, Kinder (B) zu beteiligen? Gerade das letzte Jahr hat doch gezeigt, Vizepräsident in Petra Pau: (D) wie wesentlich und wichtig es ist, dieses Grundrecht auf Kollege! Beteiligung festzuschreiben. Sie drücken sich davor. (Beifall bei der LINKEN) Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Sie wollen das Kindeswohl nicht als einen vorrangig – die hier die Verankerung von Kinderrechten im zu berücksichtigenden Gesichtspunkt festschreiben. Die Grundgesetz beantragt haben, aus den Verhandlungen UN-Kinderrechtskonvention besagt ja gar nicht, dass das geschmissen, weil die Unionsfraktion gesagt hat, mit Kindeswohl das Einzige sei, was zu berücksichtigen ist. den Linken rede sie nicht. Mir ist schleierhaft, wie Sie Nein, dort steht: ein vorrangig zu berücksichtigender so zu einer Zweidrittelmehrheit kommen wollen. Wir Gesichtspunkt. Warum wollen Sie das nicht? Warum ha- bieten ernsthaft an, über Kinderrechte im Grundgesetz ben Sie Angst davor, das Kindeswohl aufzuwerten? Der zu reden. Kollege Thomae hat zu Recht gesagt: Was Sie in Ihren Gesetzentwurf geschrieben haben, steht im Wesentlichen bereits im Grundgesetz. Der Rechtsstaat ist immer zu Vizepräsident in Petra Pau: angemessenem Handeln verpflichtet. Eine angemessene Kollege Müller, Sie müssen bitte zum Schluss kom- Berücksichtigung, was soll diese Formulierung im men. Grundgesetz? Das ist ja maximal nichts.

Und Sie haben Angst davor, dass die Elternrechte ge- Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): schmälert werden. Also das ist etwas, was ich inzwischen Aber dann müssen Sie die Fraktion der Linken auch überhaupt nicht mehr verstehe. Als Vater von drei Kin- ernst nehmen. dern sage ich Ihnen: Eltern sind, gerade wenn es um die Durchsetzung der Grundrechte ihrer Kinder geht, die ers- Vielen Dank. ten Fürsprecher. Eltern sind die, die die Rechte ihrer Kinder häufig durchsetzen müssen, und zwar gegenüber (Beifall bei der LINKEN) dem Staat. Die Erzählung, die ganz rechts offen aufge- macht wird und der Sie sich irrsinnigerweise in Teilen auch noch anschließen, geht ungefähr so: Wenn Kinder- Vizepräsident in Petra Pau: rechte gestärkt werden, entsteht in den Familien eine Art Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kolle- Bürgerkriegssituation. Der Staat greift zu und klaut die gin Deligöz das Wort. Kinder. – Das halte ich, ehrlich gesagt, für völlig irre. Das ist eine völlig irre Erzählung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27957

(A) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wir wollen, ist eine Klarstellung und Stärkung der (C) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in Zeiten Kinderrechte. Ich bin übrigens überzeugt davon, dass, der Pandemie, und unsere Kinder leiden. Ja, sie sind ver- wenn wir die Kinderrechte in diesem Land stärken, wir einsamt, sie sind unsicher, sie entwickeln Depressionen. damit auch die Elternrechte stärken, wenn die Eltern die Das Recht auf Bildung – – Rechte ihrer Kinder wahrnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vizepräsident in Petra Pau: sowie bei Abgeordneten der SPD und der Kollegin Deligöz, ich muss Sie unterbrechen. Für alle LINKEN) gilt die Anrede des Präsidiums. Da müssen wir sie doch unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch schwieriger Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): finde ich das, was die SPD macht. In Ihrem Wahlpro- Entschuldigung, Frau Präsidentin. Ich entschuldige gramm schreiben Sie, dass Sie „Kinderrechte auf Schutz, mich vielmals. Das war die Aufregung vor dieser Rede. Beteiligung und Förderung und den Vorrang des Kindes- wohls im Grundgesetz verankern“ werden. Das, was Sie Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! uns vorgelegt haben, ist aber das genaue Gegenteil. Wenn Ich setze an diesem Punkt an. Anne Lütkes vom Deut- Sie zu dem stehen, was Sie in Ihrem Wahlprogramm schen Kinderhilfswerk hat kürzlich gesagt, gerade in die- stehen haben, sind Sie aufseiten des Fortschritts. Dann ser Zeit zeige es sich, dass die Politik „ein einziges Desas- können Sie aber der Vorlage, die die Ministerin vorgelegt ter“ sei, was die Rechte von Kindern anbelangt. Gerade hat, auf keinen Fall zustimmen. jetzt, in der Pandemie, hätten Kinderrechte in der Ver- fassung einen Unterschied ausgemacht: in unserer Hal- Wir Grüne sind mit dabei, wenn es um konstruktive tung, in der Prioritätensetzung, in unserer Einstellung. Verhandlungen geht. Aber konstruktive Verhandlungen Das, was Sie, Frau Ministerin, uns hier aber vorgelegt müssen nach vorne zeigen und für den Fortschritt bei haben, ist – da zitiere ich den Deutschen Anwaltverein – der gesellschaftlichen Modernisierung stehen und nicht ein Danaergeschenk für Kinderrechte. für den Rückschritt. Dafür sind wir nicht zu haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch genau sagen, warum. Vizepräsident in Petra Pau: Erstens. Der Entwurf fällt bei der Berücksichtigung Das Wort hat die Kollegin Katja Mast für die SPD- des Kindeswohls sehr weit hinter dem zurück, was in Fraktion. (B) (D) diesem Land eigentlich schon erreicht und bestehendes (Beifall bei der SPD) Recht ist. Er fällt zurück hinter die UN-Kinderrechtskon- vention, zu der wir uns völkerrechtlich verpflichtet ha- Katja Mast (SPD): ben. Er fällt zurück hinter die EU-Grundrechtecharta. Er Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen fällt zurück hinter die Rechtsprechung des Bundesver- und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! fassungsgerichts. Ich bin davon überzeugt, die SPD ist davon überzeugt: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir brauchen Kinderrechte im Grundgesetz! sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Zweitens. Nahezu alle Kernelemente der UN-Kinder- Aber eins nach dem anderen. rechtskonvention, sei es der Kindeswille, sei es das Betei- Kindheit, was für eine tolle Zeit: Verstecken spielen, ligungsrecht, sei es der Schutz des Kindes, sei es das Ostereier suchen, Playmobil zum Leben erwecken und Recht auf Förderung, sei es die Kindesentwicklung, feh- das Durchsetzen des eigenen Willens mit dem Ziel, ge- len komplett in Ihrem Entwurf. Sie sind gar nicht erst hört zu werden, ernst genommen zu werden. Das erlebe enthalten. ich übrigens auch jeden Tag als Mutter von zwei Kindern. Drittens. Sie beschränken sich in mehreren Sätzen auf Wir alle wissen, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen eine überflüssige Wiederholung dessen, was sowieso sind. Sie benötigen gezielte Förderung und besonderen schon in unserer Verfassung steht. Das ist kein Fort- Schutz neben dem Gehörtwerden. Um das zu erreichen, schritt. In dem Moment, in dem wir die Einzelgesetze muss das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Und es ist weiterentwickeln, das aber nicht in der Verfassung nach- völlig klar – meine beiden Vorredner haben das auch vollziehen, ist es kein Fortschritt, sondern ein Rück- gesagt –: Wer Kinder stärkt, stärkt automatisch Familien; schritt. Deshalb reicht es nicht aus, das bestehende Recht denn dort leben die Kinder. zu wiederholen. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Um das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu rücken, sowie bei Abgeordneten der LINKEN) muss es endlich Verfassungsrang bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Kollege Frei, ich möchte hier feststellen: An das Dreieck „Kind, Eltern, Staat“ wollen auch wir nicht ran. Das bedeutet, dass sich alles staatliche Handeln, ob von Gerichten, von Verwaltungen oder von Parlamenten, am (Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU]) Kindeswohl orientieren muss, und zwar noch stärker, als 27958 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Katja Mast (A) es heute schon der Fall ist. Und der Vorschlag von Bun- Vizepräsident in Petra Pau: (C) desjustizministerin Christine Lambrecht garantiert genau Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin das. Danke dafür! das Wort. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Grundgesetzänderung hat konkrete und nachhal- tige Auswirkungen. Es entstehen zwar nicht sofort mehr Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU): Spielplätze und bessere Schulwege, und auch die Kinder- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und armut wird nicht auf einen Schlag beseitigt, aber wir Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere dürfen nicht vergessen, was unser Ziel ist. Unser Ziel Gesellschaft und unsere Grundansichten sind nicht starr, ist, Deutschland zum kinderfreundlichsten Land in Euro- sondern verändern sich. Auch das Grundgesetz wurde pa zu machen. immer wieder angepasst, seit 1949 mehr als einmal pro (Beifall bei der SPD – Norbert Müller [Pots- Jahr. Das ist lebendige Demokratie, und auf diese Elasti- dam] [DIE LINKE]: Das ist aber noch ein lan- zität, zu der auch ein Stück Widerstand gegenüber Moden ger Weg!) gehört, können wir stolz sein. Natürlich helfen da konkrete Gesetze – das wurde Warum brauchen wir ein Kindergrundrecht? Weil Kin- schon gesagt – wie das Gute-KiTa-Gesetz, das Starke- der, Minderjährige für unsere Gesellschaft von elementa- Familien-Gesetz, die große Reform der Kinder- und rer Bedeutung sind. Sie sind nicht eh da, wie man früher Jugendhilfe, die hoffentlich nächste Woche im Bundestag gedacht hat, und sie sind kein Anhängsel; sie sind sys- beraten und beschlossen werden wird, oder ein Corona- temrelevant. Deshalb dürfen wir nicht hinnehmen, dass Aufhol-Paket für Kinder und Jugendliche im Nachtrags- bis heute Kinder weder ausreichend geschützt noch ange- hört werden, wenn es um ihr Wohlergehen geht. Übri- haushalt in Höhe von 2 Milliarden Euro. Aber der funda- mentale Wandel wird erst durch Kinderrechte im Grund- gens: Ohne soziale Kontakte und ohne Schule werden gesetz kommen; denn nur so werden sie zum Maßstab junge Menschen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. staatlichen Handelns, immer und überall, nur so rückt Wir müssen uns schon fragen, ob wir das in der Pandemie genügend beachten. Wir können das jedenfalls nicht der Wert Kindeswohl in den zentralen Wertekanon unse- rer Gesellschaft, in das Grundgesetz, und außerdem – allein den Eltern überlassen. Legislative, Exekutive, alle nicht zu vergessen – ist das Grundgesetz immer Bezugs- Ebenen sind gefragt. punkt für viele gesellschaftspolitische Debatten und da- (Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD]) mit auch immer Bezugspunkt für sozialen Fortschritt. Dass Kinder alle Grundrechte beanspruchen dürfen, Diese Zielgröße muss das Kindeswohl im Grundgesetz (B) musste uns das Bundesverfassungsgericht seit 1968 (D) sein. mehrfach ins Stammbuch schreiben. Man kann das in (Beifall bei der SPD) den 154 Bänden der Entscheidungen suchen, oder man schreibt es eben doch an die richtige Stelle ins Grund- Genau aus diesen Gründen haben wir Sozialdemokra- gesetz, wo es von jedem gefunden und dann auch beach- tinnen und Sozialdemokraten das Thema groß gemacht tet werden kann. und auf die Agenda gesetzt. Und deshalb wünsche ich mir, dass wir im Sinne der Kinder zusammenkommen, (Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD]) wir alle. Diese Chance ist historisch. Sie wird so schnell Worum geht es uns dabei im Einzelnen? Erstens. Pfle- nicht wiederkommen. Schaffen wir es nicht, bleiben die ge und Erziehung sind Recht und Pflicht der Eltern. Sie Türen lange verschlossen. haben die Erstverantwortung für ihre Kinder; das betonen Die SPD wird jeder Verbesserung an diesem Entwurf – wir in dem Entwurf nochmals und stärken damit das jeder Verbesserung! – im Sinne der Kinder und ihrer Elternrecht. Familien zustimmen. Aber es geht nicht mit der SPD Zweitens. Kinder sind in ihren Rechten und in ihrer allein. Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit in Bundes- eigenen Entwicklung zu achten und zu schützen. Selbst- tag und Bundesrat. Also brauchen wir neben uns die verständlich? Nein, das müssen wir manchen Eltern CDU/CSU, Die Linke, die FDP und die Grünen, um im bis heute, aber vor allem auch vielen staatlichen Stellen Bund und in den Ländern die entsprechenden Mehrheiten hinter die Ohren schreiben. Ich will weder übergriffige zu bekommen. Eltern noch einen übergriffigen Staat. Wir stärken die Kinder, ohne sie dem Staat auszuliefern, und natürlich Vizepräsident in Petra Pau: stärken wir damit auch Familien. Kollegin Mast. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Drittens. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu Katja Mast (SPD): berücksichtigen. Jeden Tag sorgen Eltern als Treuhänder Ich bin sofort fertig. – Ich setze meine Hoffnungen auf für das Wohl ihrer Kinder. Der Staat als Wächter muss die Brückenbauerinnen und Brückenbauer in all diesen das Wohl erst ermitteln; denn jedes Kind ist einzigartig. Fraktionen, in all diesen Parteien. Lassen Sie uns diese „Angemessen“ heißt deshalb, das Wohl des Kindes zu historische Chance nutzen, für unsere Kinder und für ihre berücksichtigen – nicht ausschließlich, aber auch nicht Familien! nachrangig. Mehr verlangt übrigens auch die UN-Kinder- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina rechtskonvention nicht. Damit verpflichten wir besonders Margarethe Wiesmann [CDU/CSU]) den Staat zur Sorgfalt; das ist wichtig. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27959

Bettina Margarethe Wiesmann (A) Viertens. Kinder müssen rechtliches Gehör finden. Sie rechte in das Grundgesetz, und das, obwohl es aussage- (C) können sich kaum selber auf Artikel 103 Grundgesetz kräftige Gutachten im Bundestag und darüber hinaus berufen. Staat und Justiz müssen Wege finden, um Kinder gibt, die sich im Ergebnis dagegen aussprechen. in Rechtssachen immer zu achten. In dieser Wahlperiode haben wir dazu viel auf den Weg gebracht, aber wir sind Es geht den Verfechtern einer solchen Änderung lang- noch nicht am Ziel. Werden Kinder richtig beachtet, fristig um etwas ganz anderes: Es ist der Aufbau eines wenn sich Eltern scheiden lassen, wenn sie Jugendhilfe- Gegensatzes zwischen den natürlichen Rechten der El- verfahren unterliegen, wenn sie missbraucht, misshandelt tern im Rahmen ihrer familiären Hoheit und den längst worden sind? Wir wissen das seit Langem, aber es dauert vorhandenen Rechten der Kinder. Dass Ihre Grund- zu lange. Deshalb erhöhen wir mit dieser Grundge- gesetzänderung durch und durch unehrlich ist, lässt sich setzänderung den Schutz und die Beteiligung der Kinder auch noch viel plakativer zeigen. Ich zitiere aus einer in eigener Sache. bunten und für Kinder und Schulen bestimmten Veröf- fentlichung dieses Deutschen Bundestages. Darin ist Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Regierungskom- ganz kindgerecht die aktuelle Rechtslage beschrieben, promiss weist einen klugen Weg. Kompromisse sind und was Grundschulkinder verstehen, muss doch nie- Errungenschaften aus vertiefter Debatte und der Bereit- mand der Bundesregierung erklären: Jedes Kind hat das schaft, aufeinander zuzugehen. Recht auf Schutz vor körperlicher, seelischer und sexuel- ler Gewalt, auf Bildung, auf Mitsprache in seinen Ange- Vizepräsident : legenheiten, auf Fürsorge, auf Ernährung und darauf, zu Bitte kommen Sie zum Schluss, Frau Kollegin. sagen, was es denkt. – Was Sie demnächst hier beschlie- ßen wollen, ist überflüssig, und es birgt entgegen aller Beteuerungen die Gefahr einer schrittweisen Verände- Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU): rung des materiellen Rechts in diesem Land. Das ist ein Wesenskern unserer Ordnung. Ich danke deshalb dem Koalitionspartner für die Bereitschaft Liebe Union, wenn Sie glauben, dass die grünen Sozia- bisher, und ich ermuntere Grüne, FDP und gern auch listen es Ihnen in einer zukünftigen Koalition danken die Linken, auf die Koalition zuzugehen. werden, dass Sie ganz freiwillig und wiederholt im vorauseilenden Gehorsam die bürgerliche Grundlage un- seres Zusammenlebens entreißen, dann, meine Damen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: und Herren, haben Sie sich gründlich getäuscht. Jetzt, bitte. Herzlichen Dank.

(B) Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU): (D) Ihre Gesetzentwürfe lassen das zu. Ein guter Kompro- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: miss wird realen Missständen abhelfen. Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Petry. – Letzter Redner in dieser Debatte wird der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion sein. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin Wiesmann, bitte. (Beifall bei der CDU/CSU)

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU): Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Es müssen auch die Zurückhaltenden unter uns diese Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Verantwortung wahrnehmen. Ich für meinen Teil werde ren! Ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ist stets jeden weiter loben, der dazu beiträgt, und ich bedanke etwas Besonderes, zumal wenn es sich um den Grund- mich. rechtsteil handelt. Mit insgesamt vier Sätzen sollen Kin- derrechte im Grundgesetz festgeschrieben werden. Für (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- eine Gesellschaft, deren Zukunftsmusik Kinderlachen ordneten der SPD) sein muss, ist das ein wichtiger Moment. Es geht um die Anerkennung der Grundrechtsberechtigung von Kin- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dern, um das Kindeswohlprinzip, um Anhörungsrechte Gut. Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Nächste und um die Klarstellung, dass die Elternrechte unberührt Rednerin ist die fraktionslose Kollegin Dr. Frauke Petry. bleiben. Jetzt mag mancher einwenden: Das ist doch materiell Dr. Frauke Petry (fraktionslos): bereits im Grundgesetz geregelt. – Das stimmt auch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Verfassungsrechtlich wird der Kern von Artikel 6 nicht Herren! Heute ist es also so weit: Die Union lässt sich von angetastet. Aber es ist eine wichtige und notwendige den sozialistischen Vordenkern aller linken Lager dazu Klarstellung. Das Kindeswohlprinzip ist bereits jetzt drängen, eine völlig unnötige Änderung des Grundgeset- wesensbestimmender Teil des Schutzes von Ehe und zes in Gang zu setzen. Das Niveau dieser Debatte zu einer Familie, und Kinder – das ist mir wichtig zu betonen – juristisch komplexen Frage strotzt jedoch – das darf ich stehen bei den Eltern. Ihre Gemeinschaft, die Familie, ist sagen – von banalen und peinlichen Beteuerungen, die vom Staat geschützt. Die UN-Kinderrechtskonvention keiner fachlichen Beurteilung standhalten. Sie beantra- stellt das klar und gilt in Deutschland im Range eines gen die ausdrückliche Aufnahme sogenannter Kinder- Bundesgesetzes. 27960 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Volker Ullrich (A) Die Frage ist: Ist diese Änderung also nur Symbol- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des (C) politik? Darauf muss es zwei Antworten geben. Zum Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- einen: Im Verfassungsstaat sind auch Symbole wichtig. ziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Symbole drücken Haltungen und Wertentscheidungen Abgeordneten Susanne Ferschl, Matthias W. aus. Also ist die Verankerung von Kinderrechten ein Birkwald, Fabio De Masi, weiterer Abgeord- Symbol dafür, welchen Raum wir dem Schutz von Kin- neter und der Fraktion DIE LINKE dern in unserer Verfassungsordnung zuschreiben. Gesetzlichen Mindestlohn in einmaligem Aber es ist mehr. Es ist auch die notwendige Klarstel- Schritt auf 12 Euro erhöhen lung, dass das Wohl von Kindern einen besonderen Rang Drucksachen 19/20030, 19/22296 im Grundgesetz einnehmen wird. Das stärkt nicht den Staat, sondern das stärkt Kinder und Familien; das ist c) Beratung der Beschlussempfehlung und des das wichtige Signal. Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Anja ordneten der SPD) Hajduk, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Es ist auch eine konsequente Rechtsentwicklung. In weiterer Abgeordneter und der Fraktion Grundgesetzdebatten wurde zweimal erwogen, Kinder- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rechte aufzunehmen: bereits 1948 und 1993. Beide Mindestlohn erhöhen, durchsetzen und Male hat man sich dagegen entschieden. die Mindestlohnkommission reformieren (Zuruf von der LINKEN: Wer ist „man“?) Drucksachen 19/22554, 19/28481 Jetzt sind wir weiter. Wir haben in den letzten Jahren eine Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Rechtsentwicklung verfolgt, die die Rechte von Kindern beschlossen. stärker in den Mittelpunkt gestellt hat: das Recht auf Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, den Platz- gewaltfreie Erziehung seit dem Jahr 2000 und die unein- wechsel zügig vorzunehmen. Das gilt auch für die Ver- geschränkte Geltung der UN-Kinderrechtskonvention treter der Freien Demokratischen Fraktion. Bei den seit 2011. Linken sind es ja nicht so viele, die wechseln müssen; Kinderrechte sind also ein verfassungspolitisch wichti- bei den Grünen ist das auch so. ges Zeichen. Sie sind auch realpolitisch wichtig, weil wir (Zuruf von der LINKEN: Na, na, na! Bei euch!) im Augenblick eine Zeit erleben, in der es Kinder beson- ders schwer haben, in der Familien leiden. Wir werden – Gut, ich nehme das zurück. (B) (D) mit diesem Gesetz nicht die Folgen von Corona bekämp- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- fen; aber wir senden ein starkes Symbol: dass Kinder nerin der Kollegin Susanne Ferschl, Fraktion Die Linke, einen besonderen Schutz im Grundgesetz genießen. Des- das Wort. wegen bitte ich um konstruktive Beratungen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Susanne Ferschl (DIE LINKE): Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin- Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Mit diesen nen und Kollegen! Auf Antrag meiner Fraktion diskutie- Worten schließe ich die Aussprache zu den Tagesord- ren wir heute erneut über den zu niedrigen Mindestlohn. nungspunkten 13 a und b sowie Zusatzpunkt 2. Und ja, ich kenne Ihre Leier: Löhne werden von den Sozialpartnern festgelegt und nicht von der Politik. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 19/28138 und 19/28440 an die in ( [CDU/CSU]: Richtig!) der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- Aber an eines will ich Sie mal erinnern: Dass Men- gen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Ich schen von ihrer Hände Arbeit nicht mehr leben können, sehe, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. ist die Folge politischer Entscheidungen in diesem Haus. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 c Niedriglöhne sind schließlich nicht vom Himmel gefal- auf: len. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften geschwächt. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartz IV hat sie diszipliniert, und so konnten sie der Susanne Ferschl, Pascal Meiser, Lorenz Tarifflucht der Arbeitgeber kaum etwas entgegensetzen. Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und Deswegen ist die Tarifbindung im freien Fall, und des- der Fraktion DIE LINKE wegen ist eine gesetzliche Lohnuntergrenze überhaupt Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur erst notwendig geworden. Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen (Beifall bei der LINKEN) Drucksache 19/27319 Und um eines klarzustellen: Solange in diesem Parlament Überweisungsvorschlag: diese Entscheidungen nicht korrigiert werden, werden Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) wir uns nicht davon abhalten lassen, den zu niedrigen Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Mindestlohn immer und immer wieder zu problematisie- Haushaltsausschuss ren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27961

Susanne Ferschl (A) (Beifall bei der LINKEN) Deshalb ist, war und bleibt es richtig, dass wir auch in (C) Mittlerweile haben sich die Wohlfahrtsverbände, der Deutschland eine Lohnuntergrenze, einen Mindestlohn DGB, die Grünen und auch die SPD unserer Forderung beschlossen und eingeführt haben. Als Union bekennen nach 12 Euro Mindestlohn angeschlossen. Die Minister wir uns auch voll und ganz dazu, dass wir das zusammen Heil und Scholz stellen ihn jetzt für 2022 in Aussicht. In mit den Sozialdemokraten hinbekommen haben. Vielen Aussicht stellen ist als Teil der Regierung allerdings zu Dank! wenig. Bevor Sie sich jetzt wieder aufregen: Ich weiß, das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Problem der SPD in dieser Regierung heißt Union. – Da der SPD) waren einige mehr damit beschäftigt, sich Hunderttau- Nun ist es so: Löhne werden nicht im Deutschen Bun- sende Euros in die eigene Tasche zu schaufeln, anstatt destag verhandelt, sondern zum Erfolg der sozialen den Beschäftigten armutsfeste Löhne zu garantieren. Marktwirtschaft gehört, dass starke Gewerkschaften und (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- starke Arbeitgeberverbände miteinander gute Tarifpolitik neten der SPD) betreiben und gute Löhne vereinbaren. Überall da, wo die Lächerliche 10 Cent Mindestlohnerhöhung haben die Tarifbindung stimmt, haben wir auch hohe Löhne. Des- Kolleginnen und Kollegen bekommen. Wenn es nach wegen war es richtig, dass wir beim Konzept des Min- einigen in der Union gegangen wäre, dann hätte es sogar destlohns entschieden haben: Wir wollen das Gleiche eine Reduzierung gegeben. Wie verkommen muss ein beim Mindestlohn einführen, nämlich eine paritätisch Wertekompass da sein! aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern besetzte Kommission mit einem neutralen Vorsitzenden, die den (Beifall bei der LINKEN) Mindestlohn festlegt, autonom und ohne politischen Ein- Und als wäre das nicht schon beschämend genug, ak- fluss. Der Bundesarbeitsminister – den ich begrüße – hat zeptiert die Bundesregierung auch noch, dass die Men- anschließend nur die Möglichkeit, entweder den schen um den mickrigen Mindestlohn von 9,60 Euro Beschluss der Mindestlohnkommission eins zu eins in geprellt werden. 2,4 Millionen Beschäftigte waren zuletzt eine Rechtsverordnung umzusetzen oder gar keinen Min- Opfer von Mindestlohnbetrug. Dass Sie dieser kriminel- destlohn zu machen. Einfluss nehmen kann er nicht. Ich len Energie einiger Arbeitgeber seit Jahren keinen Riegel finde, das ist das richtige, gute und probate Mittel, um vorschieben, ist keine Fahrlässigkeit, das grenzt mittler- einen Mindestlohn zu machen. Das sollten wir nicht zer- weile an Vorsatz, und damit muss Schluss sein. stören. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein Mindestlohn von 12 Euro stützt Wirtschaft und (B) (D) Konjunktur und kommt überwiegend Frauen in den sys- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: temrelevanten Berufen zugute. Und er mildert die gra- Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage vierenden Lohnunterschiede zwischen Ost und West ab. des Kollegen Birkwald? Sie können doch keinem mehr erzählen, dass über 30 Jah- re nach der Wiedervereinigung die Kolleginnen und Kol- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): legen in Ostdeutschland pro Jahr über 7 000 Euro weni- Bitte schön. ger an Gehalt haben als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege Birkwald, bitte, Sie haben das Wort. Deswegen: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Es ist Zeit für einen Mindestlohn von 12 Euro. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kol- lege Weiß, dass Sie die Zwischenbemerkung zulassen. (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege Weiß, Sie haben eben, obwohl meine Kolle- gin Ferschl zu Beginn ihrer Rede den Sachverhalt deut- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: lich gemacht hat, wiederholt behauptet, wir wollten Löh- Vielen Dank, Frau Kollegin Ferschl. – Nächster Red- ne politisch festlegen. ner ist der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich halte hier fest: Das ist nicht so. Der jetzige Mindestlohnmechanismus funktioniert Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): auch so, wie wir das fordern: Ein gesetzlicher Mindest- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! lohn ist einmal politisch festgelegt worden, und danach Meine Damen und Herren! Unanständiges Lohndumping schlägt die Mindestlohnkommission nach ihrer Ge- passt nicht zu einer sozialen Marktwirtschaft. Die Kon- schäftsordnung frei, ohne politischen Einfluss, die Min- kurrenz zwischen Unternehmen sollte über gute Produk- destlohnerhöhungen vor. – Meine Fraktion Die Linke te, gute Qualität, Innovationen stattfinden, aber nicht über schlägt vor – und das nicht erst seit heute, gestern oder Lohndrückerei. vorgestern, sondern seit Jahren, seit es unsere Fraktion (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und unsere Partei gibt –, den gesetzlichen Mindestlohn ordneten der SPD, der FDP und der LINKEN) politisch gesetzt einmalig auf 12 Euro anzuheben – die- 27962 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Matthias W. Birkwald (A) sen Vorschlag haben wir bereits 2016 gemacht; es wäre Wir wollen der Mindestlohnkommission diesen Gestal- (C) jetzt vielleicht an der Zeit, gleich 13 Euro zu nehmen –, tungsspielraum erhalten. Ich behaupte, ein politisch fest- und danach soll die Mindestlohnkommission entschei- gelegter Mindestlohn ist nicht besser als der der Mindest- den. Deswegen brauchen wir für diese Kommission lohnkommission. Ihnen geht es nur um eines: Sie sind eine Geschäftsordnung, die sie nicht knebelt, sondern traurig, dass Sie kein Wahlkampfthema mehr haben. ihr die Möglichkeiten gibt, die wir brauchen. Das ist der- zeit nicht der Fall. Darüber können Sie mit Mitgliedern (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Mindestlohnkommission sprechen. neten der FDP – Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Das Bei- spiel für die Mindestlohnkommission, wie wir Linken sie Jetzt möchte die Frau Kollegin Müller-Gemmeke Sie uns vorstellen, haben wir aus England. Da gibt es die auch noch beehren. Equal Pay Commission. Da funktioniert das gut. Ich kann uns allen nur empfehlen, auch mal nach links und Vizepräsident Wolfgang Kubicki: rechts und über den Kanal zu gucken. Lassen Sie uns den Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Aber das ist Mindestlohn einmal anheben, jetzt auf 12 Euro, und dann auch die letzte Zwischenfrage bei diesem Redner. danach soll die Kommission entscheiden.

Ich danke Ihnen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Kollege Weiß, ich muss jetzt einfach noch mal nachfragen, weil Sie ja Vizepräsident Wolfgang Kubicki: behaupten, dass es keine Vorgaben gibt und die Mindest- Herr Kollege Weiß, Sie haben jetzt genau die gleiche lohnkommission ganz frei entscheiden kann. Geben Sie Zeit, um zu antworten. Das war ja keine Frage und keine mir recht, dass im Mindestlohngesetz festgeschrieben Kurzintervention, sondern eher eine eigene Rede; aber wurde, dass die Anpassung des Mindestlohns sich an bitte. Die drei Minuten haben Sie jetzt zusätzlich. der Tarifentwicklung orientieren muss? Geben Sie mir recht, dass das im Mindestlohngesetz steht und dass genau das im Endeffekt dazu führt, dass eben die Min- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): destlohnkommission nicht frei entscheiden kann? Danke schön, Herr Präsident. – Herr Kollege Birkwald, die Mindestlohnkommission ist frei in ihrer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) Entscheidung. Wenn die Mindestlohnkommission sich sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (D) eine Geschäftsordnung gibt, ist das ihre Entscheidung. Weder die Bundesregierung noch der Deutsche Bundes- tag haben der Mindestlohnkommission eine Geschäfts- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): ordnung gegeben. Um es klar zu sagen: Was Sie hier Frau Kollegin Müller-Gemmeke, zum Abschluss der vortragen, stimmt einfach nicht. Die Kommission ist frei. Debatte, wenn ich wieder in meinem Büro bin, schicke ich Ihnen das Gesetz zum Lesen zu. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Das Zweite ist: Das, was Sie beantragen und auch die GRÜNEN]: Das ist nicht Ihr Ernst, oder? – Grünen beantragen, ist nichts anderes als der Versuch, die Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mindestlohnkommission auszutricksen und per Gesetz NEN) einen Mindestlohn festzulegen. Jetzt muss ich mal ganz klar sagen: So, wie Sie das machen, ist das meines Erach- – Ja, Entschuldigung, im Gesetz steht nirgends, aber auch tens eine massive Misstrauenserklärung gegen die Ge- nirgends: Die Mindestlohnkommission muss sich an der werkschaften in Deutschland. zurückliegenden Lohn- und Tarifentwicklung orientie- ren. „Muss“ steht da nirgends. (Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Nein! – Weiterer Zuruf: Sie for- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE dern jetzt auch 12 Euro!) GRÜNEN]: Ich habe „soll“ gesagt!) Die Grünen beschweren sich auch noch, dass die Min- Sie soll verschiedene Kriterien berücksichtigen, aber ein destlohnkommission alle zwei Jahre den Mindestlohn „muss“ gibt es nicht. festlegt. Entschuldigung, die Mindestlohnkommission hat in ihrem letzten Beschluss eine Steigerung in Halb- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE jahrestranchen vereinbart, und so ist das auch durch die GRÜNEN]: Ich habe nicht von „muss“ gere- Rechtsverordnung in Kraft gesetzt worden. Das zeigt: det!) Die Mindestlohnkommission hat einen breiten Gestal- – Doch, Sie haben von „muss“ gesprochen. tungsspielraum. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ GRÜNEN]: Nein, habe ich nicht!) DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage) Herr Präsident, wann gibt es das Protokoll? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27963

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ich fände es gut, wenn in so einer Debatte genau auf (C) Herr Kollege Weiß, Frau Müller-Gemmeke, ich möch- diese zentrale Frage Antworten gegeben würden. Dazu te mich in den Streit zwischen Ihnen beiden nicht ein- steht in den Anträgen der Grünen und der Linken gar mischen, aber den können Sie auch außerhalb des Plenar- nichts. Deswegen muss ich sagen: Mangelhaft! Wir wol- saals weiter fortsetzen. len nicht ein Volk von Mindestlöhnern werden. Wir wol- len Aufstieg durch Arbeit und Bildung für alle Menschen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des in Deutschland möglich machen, vor allem für alle jun- Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]) gen Menschen. Das sollte unsere Anstrengung sein für Ich finde, Herr Kollege Weiß, Sie beantworten jetzt die die kommenden Jahre. Frage, und dann fahren Sie in Ihrer normalen Rede fort; (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. denn wir haben noch mehr auf der Tagesordnung. Birkwald [DIE LINKE]: 10 Millionen haben weniger als 13 Euro die Stunde! 10 Millionen Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Menschen!) Also, ich halte fest: Ein „muss“ gibt es nicht. Es gibt Zu Recht wird darauf hingewiesen: Ein Mindestlohn verschiedene Kriterien, die im Gesetz ganz allgemein funktioniert nur, wenn er auch kontrolliert wird; d’ac- beschrieben sind. Letztendlich ist die Mindestlohnkom- cord. Deswegen haben wir zum Beispiel die Zahl der mission frei in ihrer Entscheidung. Ich finde das auch Ausbildungsplätze für diejenigen, die in die Finanzkon- richtig. trolle Schwarzarbeit gehen, verdoppelt: Die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter dort werden ja nicht als solche (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE geboren; sie müssen erst ausgebildet werden. GRÜNEN]: Falsche Antwort!) Wir werden vor allem im kommenden Jahr eine große Das sind freie Sozialpartner, Gewerkschaften, Arbeitge- Zahl zusätzlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ber, die miteinander verhandeln. Wir sollten ihnen poli- fertig ausgebildet sind, bei der Finanzkontrolle Schwarz- tisch nicht ins Handwerk pfuschen. arbeit einstellen können, sodass diese, wie es von den (Beifall bei der CDU/CSU) Verantwortlichen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit be- reits geschildert wird, ab nächstem Jahr erhebliche Jetzt will ich aber auf die viel zentralere Frage zu Raumprobleme haben wird, die dann der Finanzminister – sprechen kommen. Es ist ja nicht unser politischer dafür ist nicht der Arbeitsminister zuständig – lösen kann Wunsch, dass wir ein Volk von Mindestlöhnern werden, und lösen sollte. sondern die Frage ist: Warum bekennen sich die Union Also Ja zur Kontrolle, Ja zur Erhöhung der Ausbil- und seit dem Godesberger Programm auch die Sozial- (B) dungszahlen, Ja zu mehr Einstellungen! Wir brauchen (D) demokraten zur sozialen Marktwirtschaft? Weil wir die nicht angemahnt zu werden. Wir machen das. Auch die Kernaussage von Ludwig Erhard „Wohlstand für alle“ Kontrolle gehört zum guten Mindestlohn dazu. tatsächlich für möglichst alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland möglich machen wollen, sprich: sozialer (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Aufstieg durch Bildung und Arbeit. Deswegen kann Min- GRÜNEN]: Funktioniert nur nicht! Über 2 Mil- destlohn höchstens etwas sein, was man vorübergehend lionen verdienen weniger als den Mindest- bezieht, aber es kann nicht sozusagen die Lebensperspek- lohn!) tive sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin zuver- Der neue Armuts- und Reichtumsbericht, den das Bun- sichtlich, dass wir mit der gut aufgestellten Mindestlohn- desministerium für Arbeit und Soziales aufgrund diverser kommission und mit einer aktivierenden Arbeitsmarkt- Studien hat verfassen lassen, zeigt ja sehr deutlich, dass politik auch in Zukunft dafür sorgen, dass es eine klare dieses Versprechen auch funktioniert; denn etwa ein Drit- Grenze für Lohndumping in Deutschland gibt, dass aber tel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor verlässt die- auch aus dem Mindestlohn heraus ein Aufstieg zu guter sen Niedriglohnsektor bereits nach einem Jahr. Über die Beschäftigung und zu guten Löhnen möglich wird. Hälfte schafft das nach drei Jahren. Vielen Dank. Das zeigt: Sie bekommen den Mindestlohn eine kurze (Beifall bei der CDU/CSU) Zeit, aber nicht zeit ihres Lebens; das ist auch richtig so. Ich finde, da sind wir schon gut. Aber ich will auch Vizepräsident Wolfgang Kubicki: betonen: Da könnten wir noch besser werden, dass also Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als nächstem Red- sozialer Aufstieg durch Bildung und Arbeit für möglichst ner erteile ich das Wort dem Kollegen Uwe Witt, AfD- alle Mitbürgerinnen und Mitbürger Realität wird. Fraktion. Deswegen, glaube ich, wird es unsere politische Auf- (Beifall bei der AfD) gabe sein, da noch mehr Dynamik reinzubringen, näm- lich durch eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik, durch mehr Angebote in der Qualifizierung, durch Fort- und Uwe Witt (AfD): Weiterbildung. Also, unser Motto ist: Raus aus dem Min- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! destlohn – das ist unser Ziel – und nicht im Mindestlohn Liebe Zuschauer! In der sozialen Marktwirtschaft im Sin- verharren! ne von Ludwig Erhard herrscht aus gutem Grund Tarif- autonomie. Und in Bereichen, wo es keine Tarifbindung (Beifall bei der CDU/CSU) gibt, wird die Entlohnung individuell ausgehandelt. Wir 27964 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Uwe Witt (A) Alternativen stehen zum Mindestlohn ohne Wenn und Wir Alternativen sind der Meinung: Ihre Anträge sind (C) Aber und stellen uns gegen jede Form von prekären genau das, was wir in und nach diesem Dauerlockdown Arbeitsverhältnissen. nicht gebrauchen können. Arbeit muss sich wieder loh- nen. Diese Forderung von uns Alternativen ist umzuset- Der Mindestlohn muss aber eine gewisse Verhältnis- zen. Aber Ihr Weg über einen staatlich verordneten Min- mäßigkeit bewahren. Es darf nicht sein, dass ein staatlich destlohn ist definitiv der falsche. festgelegter Mindestlohn höher angesetzt wird als ein unter freien Tarifpartnern ausgehandelter Lohn in der Verantwortlich dafür, dass Menschen kein Auskom- untersten Tarifgruppe. Daher gibt es seit einigen Jahren men mit ihrem Einkommen in diesen prekären Beschäfti- die Mindestlohnkommission – wie Herr Kollege Weiß gungsverhältnissen haben ist, letztendlich die Regierung. vorhin minutenlang ausgeführt hat –, die eine hervorra- Denn wir haben hier in Deutschland nicht nur die höchste gende Arbeit leistet. Es wäre zwar wünschenswerter, dass Abgabenlast der Welt und die höchsten Strompreise für wir in der sozialen Marktwirtschaft auf ein derartiges Endverbraucher, Kontrollorgan verzichten könnten, aber nach der Agen- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- da 2010, die die SPD nachhaltig verkorkst hat, blieb ja NIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar keine andere Möglichkeit. nicht!) (Beifall bei der AfD) sondern die Regierung schröpft auch kleine Erwerbstäti- ge bis aufs Blut, sodass sich viele ernsthaft die Frage Nach sechs Jahren beschäftigen sich nun zwei Fraktio- stellen: Wozu soll ich überhaupt arbeiten gehen, wenn nen hier im Hohen Haus, die offenbar soziale Marktwirt- ich bei Hartz-IV-Bezug das Gleiche bekomme? schaft bis heute nicht verstanden haben, mit der Erhö- hung des Mindestlohnes auf 12 Euro. Doch was (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE bedeutet die Erhöhung des Mindestlohns für Arbeitneh- GRÜNEN]: Das stimmt einfach alles nicht!) mer und was für Arbeitgeber? Machen wir doch einfach Daher müssen wir Ihre unausgereiften Anträge leider mal die Rechnung auf. Ein Mitarbeiter, Steuerklasse I, komplett ablehnen. verdient bei aktuellem Mindestlohn bei 40 Stunden in Danke schön. der Woche und 9,50 Euro 1 645 Euro brutto im Monat. Ihm bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben (Beifall bei der AfD – [DIE 1 215 Euro netto; das ergibt einen Nettostundenlohn von LINKE]: Hoffentlich haben das viele gehört 7 Euro. Den Arbeitgeber kostet dieser Mitarbeiter und wählen Sie jetzt nicht mehr!) 2 200 Euro, sprich also knapp 13 Euro brutto pro Stunde. (B) Bei Ihrer Forderung erhöht sich der Nettostundenlohn Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (D) für den Arbeitnehmer lediglich um 1,44 Euro; für den Vielen Dank, Herr Kollege Witt. – Als Nächster hat das Unternehmer verteuern sich die Kosten für den Mitarbei- Wort der Kollege Bernd Rützel, SPD-Fraktion. ter auf gut 16 Euro pro Stunde. Diese Kosten müssen eins (Beifall bei der SPD) zu eins auf die Dienstleistung oder das Produkt aufge- schlagen werden. Bernd Rützel (SPD): (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- falsch!) be Kollegen! Die Einführung des gesetzlichen, flächen- deckenden Mindestlohnes war und ist ein Meilenstein für Ein Wahlgeschenk der Linken und Grünen, das sich nicht unser Land. nur als Potemkin’sches Dorf entpuppt, sondern Sie errei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) chen damit das Gegenteil dessen, was Sie eigentlich möchten. Denn gerade in den Branchen, die aktuell durch Millionen Menschen profitieren von diesem Mindest- die Zwangsmaßnahmen der Regierung mit dem Rücken lohn, und alle Schwarzmalereien der Gegnerinnen und zur Wand stehen, wird in der Regel der Mindestlohn Gegner haben sich nicht bewahrheitet. gezahlt – das wissen Sie alle –: Gastronomie, Hotellerie, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und Einzelhandel, Veranstaltungs- und Schaustellergewerbe, des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn um nur einige zu nennen. Eine Mindestlohnerhöhung [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wird ausschließlich die klein- und mittelständischen Un- ternehmen treffen. Ja, es war ein langer, es war ein harter Weg. Es waren viele Jahre Kampf und Einsatz gemeinsam mit den Ge- Ich kann Ihnen sagen: Statt Beschäftigten mehr Netto werkschaften, bis wir 2014 hier in diesem Haus den Min- vom Brutto zu geben, was ihnen wirklich guttun würde, destlohn beschließen und einführen konnten. Ich bin allen sorgen Sie mit dieser Erhöhung des Mindestlohns für dankbar, die dabei mitgemacht haben und auch zuge- einen massiven Stellenabbau. Einige Dienstleistungen stimmt haben. Die Chance haben Sie von der Linken, wird man so verteuert nicht mehr anbieten können, und die heute den Antrag einbringen, damals verpasst. die Unternehmen werden vom Markt verschwinden. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Du Aber vielleicht ist dies genau das, was Sie wirklich beab- weißt genau, warum, Bernd! Weil euer Min- sichtigen. destlohn zu niedrig war!) (Widerspruch der Abg. Beate Müller- Aber wir machen uns nichts vor: Immer mehr Men- Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schen arbeiten viel – – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27965

Bernd Rützel (A) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ohne nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, weder (C) uns wäre er gar nicht gekommen! Wir haben der Zuschlag für Nachtarbeit – da ist es ja schon der Fall – schon 1995 dafür gekämpft!) noch alle anderen Erschwerniszulagen. – Ich bin froh, dass wir euch, lieber , an Bei den Kontrollen haben wir vieles auf den Weg ge- unserer Seite haben im Kampf für einen guten Mindest- bracht; aber da können wir auch noch vieles deutlich ver- lohn, für eine Erhöhung. bessern. Ich will auch sagen: Im Zeichen der Pandemie Das, was ihr im Antrag beschreibt, ist ja im Grunde finden die Kontrollen im Moment schleppend oder fast nicht verkehrt. gar nicht statt. Das muss sich einfach verbessern. Den Spielraum haben wir geschaffen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach!) Da ist ja vieles drin, was auch wir – , Olaf Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Scholz – in unserem Eckpunktepapier längst vorgelegt Herr Kollege Rützel, erlauben Sie eine Zwischenfrage haben; aber darauf kommen wir noch. des Kollegen Dehm? Ich will sagen: Immer mehr Menschen – das dürfen wir doch an dieser Stelle nicht verkennen, da dürfen wir nicht Bernd Rützel (SPD): wegblicken; man muss den Blickwinkel ändern und auf Ja, bitte. diejenigen blicken, die arbeiten, und das sind ganz viele Menschen – arbeiten viel und immer mehr, bekommen aber immer weniger. In der Pandemie haben wir doch Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): gesehen, dass diejenigen, auf die es am meisten an- Vielen Dank. – Kollege Rützel, lieber Bernd, vieles ist kommt, oft diejenigen sind, bei denen am wenigsten an- sympathisch. Vielleicht versteigt sich die SPD irgend- kommt. Das ist doch ein Problem. Deswegen dürfen wir wann noch zu der Größe, zuzugeben, dass die Idee des hier nicht zuschauen; wir müssen handeln. Mindestlohns, der erste Vorschlag, einen Mindestlohn Wir als Sozialdemokraten sagen: Die Mindestlohn- einzuführen, aus den Reihen der Linken kam kommission ist genau richtig – da gehört es hin –; sie (Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD]) ist paritätisch besetzt, die Gewerkschaften und die Arbeitgebenden sind dabei. Aber wir sehen doch jetzt und wir die Erfinder des Mindestlohns sind. auch, dass die Kommission den Mindestlohn nach sieben (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Aber warum habt Jahren um insgesamt 1 Euro erhöht hat, von 8,50 Euro auf ihr dann nicht zugestimmt!) 9,50 Euro. Ist das nicht ein bisschen wenig? (B) (D) (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Aber man sollte sich ja nicht rechthaberisch auf den Meri- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE ten ausruhen, sondern auf die Zukunft blicken. GRÜNEN) Du hast ja eben den Kollegen Witt von der AfD mit Müssen wir nicht überlegen, wie wir ein neues Instru- seiner Argumentation gehört, der vorgerechnet hat, wie ment einbauen können, Peter Weiß? Wir wollen diese kleine und mittlere Unternehmer – von den Konzernen, Mindestlohnkommission behalten – ja! –; aber müssen von denen die AfD ja gelegentlich auch Spenden kassiert, ihr mehr Spielraum einräumen. Sie muss auch überlegen, hat er wenig gesprochen; man verschanzt sich ja hier wie hoch die Armutsgefährdung ist, und braucht einfach immer gerne hinter den kleinen und mittelständischen mehr Spielraum, damit es besser läuft. Unternehmern – bei jeder Erhöhung des Mindestlohns leiden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ (Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]) DIE GRÜNEN]) Die Frage ist natürlich dann, ob es überhaupt eine Min- Denn Arbeit hat doch ihren Wert, und dieser Wert muss destlohnerhöhung geben kann, bei der diese Argumenta- sich im Mindestlohn widerspiegeln, liebe Kolleginnen tion, die etwas demagogisch klingt, nicht angewendet und Kollegen. werden könnte. (Beifall der Abg. Katja Mast [SPD]) Ich wollte dich fragen: Kommt dir nicht auch die Argu- Wir haben heute zu Beginn der Debatte schon von zwei mentation, wie sie eben von der AfD vorgetragen worden Redenden gehört, dass es ein langer Kampf war, den ist – du bist ja schon lange im Parlament, du hast ja schon Mindestlohn zu bekommen. Ein genauso langer Kampf, lange diese Diskussion miterlebt –, so vor wie gelegent- genauso so dicke Bretter sind es auch, wenn es jetzt liche Argumentationen des Arbeitgeberflügels der CDU, darum geht, den Mindestlohn zu erhöhen. Das haben des Arbeitgeberflügels der Grünen und des Arbeitgeberf- wir festgestellt. Ich will an dieser Stelle schon sagen, lügels der FDP? liebe Union, lieber Koalitionspartner: Ich glaube, in dem Punkt kommen wir nicht mehr zusammen. – Wenn Bernd Rützel (SPD): es anders ist, freue ich mich darüber; dann machen wir Lieber Kollege Dehm, lieber Diether, die Argumenta- das auch noch vor der Sommerpause. Aber ich glaube, tion meines Vorredners von der AfD war so absurd, dass dass wir hier einfach einen Dissens haben. Die SPD hat ich gar nicht darauf eingegangen bin. in ihr Wahlprogramm geschrieben:12 Euro Mindestlohn brauchen wir mindestens, und die Zuschläge dürfen auch (Beifall bei der SPD) 27966 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Bernd Rützel (A) Aber ich will jetzt an dieser Stelle sagen: Wenn das, was Bernd Rützel (SPD): (C) der Vorredner beschrieben hat, der Fall wäre, dann müss- Da bin ich froh. ten wir ja mit dem Mindestlohn deutlich runtergehen – auf 3 Euro, auf 2 Euro –, und am Ende des Tages müsste Norbert Kleinwächter (AfD): man sogar noch Geld mitbringen – so wie es früher ein- Wir haben auch im Wahlprogramm stehen, dass wir mal war –, einen Mindestlohn unterstützen, aber nur deswegen, (Uwe Witt [AfD]: Sie haben nicht zugehört, weil es wegen der aktuellen politischen Situation und Herr Kollege!) der verkorksten Agenda-2010-Politik der SPD und der Grünen damals – so wie es mein Kollege Witt vorhin um es abzugeben, damit man überhaupt arbeiten darf. gesagt hat – nötig ist. Das kann doch nicht die Idee sein. Warum geben Sie eigentlich nicht zu, dass ein wesent- Die Idee muss sein, eine Wertschöpfung hinzubekom- licher Teil des Problems bei den Menschen, die niedrige men, Teil der Wertschöpfung zu sein; denn Arbeit hat Einkommen erhalten, die Tatsache ist, dass erstens die ihren Wert. Wenn ich ein Geschäftsmodell habe, das da- Sozialversicherungsbeiträge viel zu hoch sind, zweitens rauf aufbaut, dass das Ganze nur dann funktioniert, wenn die Steuern viel zu hoch sind und drittens die Währung der Stundenlohn 2 Euro oder 3 Euro beträgt, dann ist das viel zu instabil ist, als dass hieraus eine echte Wertschöp- kein Geschäftsmodell; dann ist das eine Ausbeutung. So fung gewonnen werden könnte? was brauchen wir nicht. Herr Witt hat Ihnen gerade vorhin vorgerechnet, was (Beifall bei der SPD und der LINKEN) für die Arbeitgeber auch nur die geringste Erhöhung von Von daher ist das natürlich keine Argumentation. Löhnen bedeutet. Viele Arbeitgeber machen das, weil sie gutes Personal wollen. Das ist übrigens ein weiteres Ich will an dieser Stelle sagen – das gehört noch zur Argument dagegen, dass es zu Stundenlöhnen von 2 bis Antwort dazu, was die Redezeit betrifft –: 3 Euro kommen könnte: Auf einem wirklich freien (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Markt – aber davon sind Sie als Sozialisten ja ganz weit CDU/CSU) weg – würde so einen Job niemand annehmen. Das gehört nämlich auch dazu: Arbeiternehmer-, Arbeitgebersuche. Wir haben ja auch vieles im Bereich des Midilohnes gemacht, also für diejenigen, die über 450 Euro, aber Wesentliche Punkte sind, dass wir die Sozialversiche- weniger als 1 300 Euro verdienen. Das sind nämlich oft rungsbeiträge ein bisschen runterkriegen müssen, dass diejenigen, die ohnehin keine Steuern zahlen. Was wollen wir auch steuerlich entlasten müssen, damit von dem, wir da mit Steuerersparnis machen? Wir erstatten Sozial- was der Arbeitgeber zu bezahlen hat, auch möglichst (B) (D) versicherungsbeiträge. Das hilft den Menschen richtig in viel bei dem Arbeitnehmer ankommt, der die Leistung der Tasche, ohne dass die Leistungen dadurch geringer erbringt. werden. Das heißt, da ist vieles für diejenigen auf den Weg gebracht worden, die im Niedriglohnbereich arbei- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ten. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. (Beifall der Abg. [Wetzlar] [SPD]) Norbert Kleinwächter (AfD): Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Währung wie- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: der etwas wert ist. Warum treten Sie nicht aus dem Euro Herr Kollege Rützel, wir haben eine weitere Zwischen- aus? frage, und zwar aus der AfD-Fraktion. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Rützel (SPD): Ja. Das wäre das wesentliche Element, um wieder Wert- schöpfung zu haben. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee!) Vielen Dank. (Beifall des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das ist alles seine Redezeit. Alles gut. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege Rützel, bevor Sie antworten: Vielleicht Norbert Kleinwächter (AfD): sollten wir uns darauf verständigen, dass Zwischenfragen Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Fragen sein sollten und dass auch Kurzinterventionen so Rützel, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulas- gehalten werden sollten, dass es keine weiteren Reden sen. Aber da muss ich jetzt doch reingrätschen, wenn Sie sind. behaupten, die AfD stünde für Stundenlöhne von 2 oder (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das 3 Euro. Das ist einfach nicht wahr. steht nicht in der Geschäftsordnung! Nach (Beifall des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD] – § 27 der Geschäftsordnung sind Bemerkungen Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: D-Mark!) möglich!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27967

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Das gilt nicht nur für Sie, Herr Kleinwächter, sondern für Zum Schluss will ich sagen, liebe Kolleginnen und (C) alle Beteiligten hier. Weitere Reden zu halten, in Zwi- Kollegen: Wenn wir über den Mindestlohn reden, dann schenfragen gekleidet, ist nicht der Sinn der Veranstal- dürfen wir ihn nicht nur alleine betrachten. Mindestlohn tung. ist gut – 12 Euro, 13 Euro –; aber er ist immer noch nicht so gut wie ein Tariflohn. Herr Kollege Rützel, Sie haben jetzt das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Bernd Rützel (SPD): LINKEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜND- Ich habe Ihr Statement genau verfolgt und habe drei NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten nicht nur Fragen rausgehört. darüber reden, sondern es auch mal machen!) Erstens – was immer der Fall ist –: Sie wollen aus dem Deswegen müssen wir in Zukunft, wenn öffentliche Auf- Euro raus. – Ich glaube, dass der Euro stabil ist und dass träge vom Bund, von den Ländern, von den Kommunen – der Euro stabiler ist, als die D-Mark jetzt im Moment auch im Pflegebereich – vergeben werden, sicherstellen, wäre. dass Versorgungsverträge nur noch dort abgeschlossen werden, wo Tarifbindung gilt und Mindestlöhne gezahlt (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]) werden. Denn wer Vollzeit arbeitet, der muss von seinem Lohn anständig leben können. – Das hat nicht die Linke Und kein Mensch kommt mehr auf die Idee, dass wir erfunden, lieber Matthias Zimmer, das hat, glaube ich, heute noch mal die D-Mark einführen. Das ist der erste schon Papst Leo XIII. vor 100 oder wie viel Jahren ge- Punkt. sagt: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Herr Kollege, kommen Sie jetzt zum Schluss. Zinsen! – Zuruf von der AfD: Sparen!) Der zweite Punkt ist, dass Sie gesagt haben, die Bernd Rützel (SPD): Steuern müssten runtergehen. Diejenigen, über die wir Ein rechtschaffener Arbeiter muss sich und seine hier sprechen, haben kein Problem damit, dass sie hohe Familie von seinem Lohn ernähren können. – Darum Steuern zahlen müssen. Die haben ein Problem damit, geht es und um nichts anderes. dass sie nichts in der Tasche haben, weil so wenig Lohn da ist. Vielen Dank. (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei der SPD) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Also hilft es denen nicht, wenn man die Steuern senkt. Ich Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sage: Alle sollen dankbar sein, dass wir alle viele Steuern Vielen Dank, Herr Kollege Rützel. zahlen können. Dann ist auch viel in der Lohntüte drin- nen. (Zurufe von der LINKEN: Genau! – Uijuijui! – Heiterkeit) Den ersten Punkt habe ich jetzt vergessen. – Was war der erste Punkt? – Keine Ekstase hier, bitte. (Josephine Ortleb [SPD]: Egal!) Nächster Redner ist der Kollege Carl-Julius Cronenberg, FDP-Fraktion. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der FDP) Ob Sie zur Kenntnis nehmen wollen, dass auch die AfD einen Mindestlohn will, der nicht bei zwei Euro liegt. Carl-Julius Cronenberg (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die (Lachen bei Abgeordneten der SPD) erfahrenen Kolleginnen und Kollegen unter Ihnen mögen sich erinnern: Die FDP hat die Einführung des gesetzli- Bernd Rützel (SPD): chen Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2014, sagen Das habe ich ja schon gut gefunden, dass Sie das nicht wir, eher kritisch begleitet. Umso mehr dürfen Sie sich wollen. Aber als Ihre Argumentation habe ich gehört, heute freuen, wenn ich hier zu Protokoll gebe: Der deut- dass es nicht weiter nach oben gehen darf. Deswegen ist sche Mindestlohn ist aus Sicht der FDP ein Erfolg. es natürlich Unsinn, dass festgestellt wird, dass Sie jetzt nicht für Stundenlöhne von 2 Euro sind. Ich weiß gar (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nicht, ob überhaupt jemand hier im Raum für 2 Euro neten der FDP, der CDU/CSU und der SPD – Stundenlohn ist, die es übrigens vor dem Mindestlohn Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gab. – Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen ordentlich beant- NEN]: Dann kann er ja steigen!) wortet. – Freuen wir uns, dass viele Menschen pro Stunde mehr (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des verdienen und insgesamt die Beschäftigung weiter zuge- Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]) nommen hat, zumindest bis Corona. 27968 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Carl-Julius Cronenberg (A) Der deutsche Mindestlohn ist deshalb ein Erfolg, weil und Kanzlerkandidat Olaf Scholz haben Anfang März (C) sich die Politik nach dem Startschuss zurückgezogen hat in ihrem Eckpunktepapier ganz ähnliche Pläne formu- und die Lohnfestsetzung da gelassen hat, wo sie hinge- liert. Das ist kein Zufall. hört, nämlich bei den Sozialpartnern. Es ist auch kein Zufall, dass wir hier eine so muntere (Beifall bei der FDP) Debatte erleben. Wir sind im Wahlkampf. In fünf Mona- ten wird gewählt. Just in der Coronazeit, wo Hundert- Ich frage mich ernsthaft: Warum wollen Sie jetzt – in tausende um ihren Job bangen, läuten Sie den Wahlkampf bester sozialromantischer Absicht vielleicht, aber auf ein und fordern das, was Gift für den Arbeitsmarkt ist: Teufel komm raus – genau die Leitplanken abschaffen, einen Überbietungswettlauf um den Mindestlohn. Das die zu diesem Erfolg geführt haben? lassen wir nicht zu. Die Unabhängigkeit der Mindest- Nun sagen Sie als Antragsteller: Der Mindestlohn lohnkommission ist der Garant für die Stabilität am schützt aber nicht vor Armut. – Da hilft ein Blick in Arbeitsmarkt, genau wie die Unabhängigkeit der EZB den sechsten Armutsbericht: Zeiten niedriger Einkom- Garant für die Stabilität des Euro ist. Daran sollten wir men sind Übergangsphasen. Nach einem Jahr ist ein Drit- festhalten. tel der Geringverdiener wieder raus, nach drei Jahren fast Herr Präsident, wenn mir vor fünf Jahren jemand pro- die Hälfte; Peter Weiß hat dazu ausgeführt. Aufstieg ist phezeit hätte, dass ich mal Gralshüter des deutschen Min- möglich und findet auch statt. Insgesamt hat sich die destlohngesetzes sein würde, hätte ich ihn für verrückt Armut in Deutschland seit 2005 praktisch halbiert. erklärt. Ich nehme die Rolle gerne an, aber wünsche mir Nicht der intervenierende Staat schützt vor Armut, ein bisschen mehr Unterstützung von den Sozialdemo- sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Aufschwung kraten. und Wachstum. Das ist unser Job: Aufschwung und (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Matthias Wachstum sicherstellen. Dann gibt es weniger Armut. W. Birkwald [DIE LINKE]) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Vielleicht zielen die Antragsteller auch auf diejenigen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ab, die als armutsgefährdet gelten. Die Quote ist in den Vielen Dank, Herr Kollege Cronenberg. – Kollege letzten Jahren in etwa gleich geblieben, ja; aber das liegt Birkwald, man darf auch noch dazulernen; so ist das daran, dass alle Einkommensklassen gleichermaßen vom nicht. Aufschwung profitiert haben. Da jammert man nicht, da (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Klar!) freut man sich für alle, die profitiert haben, auch die (B) niedrigen Einkommen. Die Flut hebt eben alle Boote. Als nächste Rednerin hat die Kollegin Beate Müller- (D) Gemmeke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Übrigens: Wer sich für die Auswirkungen eines angeb- lich armutsfesten Mindestlohns interessiert, der braucht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht lange suchen. Ein Blick nach Frankreich genügt. Der dortige Mindestlohn beträgt knapp 1 500 Euro im Monat. Gleichzeitig ist aber die Arbeitslosigkeit mehr Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- als doppelt so hoch wie in Deutschland, und zwar mit NEN): einer verfestigten hohen Arbeitslosigkeit gerade junger Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- Menschen. Das halte ich für unsozial. Bienvenue in der gen! Sehr geehrter Herr Minister, schön, dass Sie heute Welt politisch festgesetzter Lohnuntergrenzen! mit dabei sind. Entgegen allen düsteren Prophezeiungen gab es durch den Mindestlohn eben keine negativen (Beifall bei der FDP) Effekte – im Gegenteil: nur positive. Der Niedriglohnbe- reich wurde ein Stück weit kleiner, die Zufriedenheit der Wir Freien Demokraten setzen dagegen auf das Auf- Beschäftigten hat sich erhöht, und der aktuelle Evalua- stiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft, den Auf- tionsbericht bestätigt: Der Mindestlohn ist und bleibt stieg aus eigener Kraft. Schaffen wir Bildungsgerechtig- wichtig. keit, verbessern wir Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fördern wir Start-ups und Selbstständigkeit! Das hilft ge- Gleichzeitig zeigt der Bericht auch Probleme bei der gen beides: gegen Arbeitslosigkeit und gegen Armut. Durchsetzung. Die Fraktion Die Linke greift das mit sehr detaillierten Forderungen auf. Der Antrag heute ist also Ich wiederhole mich: Der deutsche Mindestlohn ist ein richtig gut, weil er konkret und ausführlich ist. Erfolg. Bei seiner Einführung stand zu Recht der Kampf gegen Lohndumping im Zentrum; Peter Weiß hat dazu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeführt. und bei der LINKEN) Drei Gefahren sollten damals gebannt werden: erstens Auch wir Grünen fordern mit unserem Antrag, über erhöhte Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten, den heute abgestimmt wird, dass der Mindestlohn auf zweitens Eingriffe in die Tarifautonomie mit allen Ver- 12 Euro angehoben wird. Diese Erhöhung ist notwendig, werfungen beim Lohnabstandsgebot, drittens ein politi- weil der Mindestlohn auf sehr niedrigem Niveau gestartet scher Mindestlohnüberbietungswettbewerb in Wahljah- ist. Jetzt geht es darum, rund 10 Millionen Beschäftigte, ren. Mit den Forderungen von Linken und Grünen von denen viele als systemrelevant gelten, über die würden genau diese Gefahren nicht gebannt, sondern Armutsschwelle zu heben. Das ist einfach eine Frage geradezu heraufbeschworen. Übrigens: Minister Heil der Gerechtigkeit. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27969

Beate Müller-Gemmeke (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): (C) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der fran- zösische Dominikaner Jean Baptiste Lacordaire hat ein- Wichtig ist aber auch, dass wir Grünen weiterhin zur mal gesagt, dass es im Verhältnis von Starken und Schwa- Mindestlohnkommission stehen. Wir wollen sie aber wei- chen die Freiheit ist, die unterdrückt, und das Gesetz, das terentwickeln und ihr mehr Spielräume ermöglichen. Die befreit. Das ist ein sehr wahres Wort, und das war auch Höhe des Mindestlohns darf sich nicht weiter allein an der Grund, warum wir 2014 den Mindestlohn eingeführt der Tarifentwicklung orientieren, sondern der Mindest- haben: weil wir immer mehr zu der Erkenntnis gekom- lohn muss tatsächlich vor Armut schützen. Und das wol- men sind, dass auf dem Arbeitsmarkt die Möglichkeit len wir festschreiben; denn der Schutz vor Armut ist kollektiven Handelns von Arbeitnehmern abnimmt und zentral. Nur so können wir beispielsweise den Zusam- Gestaltungen von Arbeitsbedingungen zunehmen, die wir menhalt in der Gesellschaft stärken. schlicht und einfach als unanständig empfinden. Deswe- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gen brauchte es einen gesetzlichen Mindestlohn, und ich SES 90/DIE GRÜNEN) bin froh, dass der organisierte Liberalismus durch Herrn Ganz wichtig ist: Der Mindestlohn muss natürlich auch Cronenberg das mittlerweile auch so sieht. durchgesetzt werden, und deshalb muss der Mindestlohn (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) auch ausreichend kontrolliert werden. Zwei Vorausset- Es ist ja auch völlig klar: Es gibt im „Der Wohlstand der zungen sind dafür wichtig: Nationen“ von Adam Smith ja auch schon den Hinweis Erstens. Die Arbeitszeit muss ausreichend dokumen- auf den gerechten Lohn, und ein guter Liberaler sollte so tiert werden, und zwar nicht nur die Dauer, sondern auch was natürlich immer präsent haben. die tatsächlichen Arbeitszeiten, also Beginn und Ende der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Arbeitszeit. Lieber Bernd Rützel, es war richtig, was du eben ge- Zweitens. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit braucht sagt hast, nämlich dass es damals ein Meilenstein gewe- endlich ausreichend Personal. Hier haben wir gerade erst sen ist. Es ist ein Meilenstein in zweierlei Hinsicht gewe- die Zahlen abgefragt, und die sind fatal. 1 600 neue Stel- sen: len wurden für die Kontrolle des Mindestlohns verspro- chen. Jetzt, sechs Jahre später, sind zwar die Planstellen Der erste Punkt ist der Schutz der Arbeitnehmer. Es ist da, aber mittlerweile sind 2 000 der Stellen überhaupt ganz klar, dass wir nicht weiter in Niedriglohnbereiche nicht besetzt. Das ist ein trauriger Negativrekord, und abrutschen, die unanständig sind, und dass Lohndumping das ist einfach nicht akzeptabel. nicht zu einem Geschäftsmodell wird. Peter Weiß hat (B) eben gesagt: Der Wettbewerb muss organisiert werden (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über Innovation, über gute Produkte, über guten Service, Der Mindestlohn ist wichtig, aber er ist nur die unterste über gute Dienstleistung, aber nicht über die Fähigkeit, Haltelinie. Echte Lohngerechtigkeit geht am besten mit den Lohn zu drücken. Deswegen war das Mindestlohn- guten Tarifverträgen. Deshalb sollte die Tarifbindung gesetz eine notwendige, eine subsidiäre Maßnahme, die endlich gestärkt werden; ein Stichwort ist beispielsweise tatsächlich ein Meilenstein gewesen ist, was den Schutz „Bundestariftreuegesetz“. Kollege Weiß und Kollege der Arbeitnehmer angeht. Rützel, es reicht einfach nicht, immer nur über Tarifbin- Darüber hinaus gab es noch einen zweiten Punkt – und dung und Tarifverträge zu reden. Sie müssen hier endlich damit komme ich jetzt zu dem Dissens, der uns ein biss- handeln und die Tarifbindung endlich stärken. chen prägt –: Das Mindestlohngesetz schützt ja auch die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anständigen Unternehmer vor den unanständigen. Ich und bei der LINKEN) erinnere mich sehr gut daran, dass in meiner Heimatstadt Frankfurt der damalige Handwerkskammerpräsident ge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sagt hat: Wir brauchen den Mindestlohn, damit unsere anständigen Handwerksmeister wettbewerbsfähig blei- Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss. ben.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) NEN): Das ist der ganz entscheidende Punkt. Wir müssen an vielen Stellen ansetzen. Ein höherer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Mindestlohn, der tatsächlich vor Armut schützt, wäre der Abg. Ulli Nissen [SPD]) zumindest ein Anfang. Im Mindestlohngesetz steht ja auch der Passus drin, Vielen Dank. dass die Frage des Mindestlohns zu entscheiden ist an- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hand eines Mindestschutzes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist das, was ich zuerst gesagt habe –, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: um – das ist das Zweite – faire und funktionierende Wett- bewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. – Als nicht zu gefährden. Deswegen haben wir uns damals für nächster Redner hat das Wort der Kollege Professor den Mindestlohn entschieden als ein ordnungspolitisches Matthias Zimmer, CDU/CSU-Fraktion. Instrument zur Regulierung des Wettbewerbs. Das ord- (Beifall bei der CDU/CSU) nungspolitische Instrument zur Regulierung des Wettbe- 27970 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Matthias Zimmer (A) werbs war etwas einfacher als sozusagen der gerechte kein grüner Hipster oder Ökofantast. Der Mindestlohn- (C) Lohn nach der katholischen Soziallehre, den wir Leo XIII. empfänger ist nicht Ihre normale Klientel. Aber was tut verdanken. Denn der gerechte Lohn geht weit darüber man nicht alles für eine Wählerstimme! hinaus. Die Grünen und die Linken wollen jetzt den Mindest- Ich kann mich gut erinnern: Wir waren damals in Lon- lohn auf 12 Euro erhöhen, um den Niedriglohnsektor auf- don bei der Low Pay Commission, bei der Mindestlohn- zuwerten. Ich möchte Sie mal daran erinnern, warum wir kommission, und haben uns dort diese ganzen Dinge ein- überhaupt so einen starken Niedriglohnsektor haben. Als mal erklären lassen. Die Leute dort haben sehr deutlich Sie noch den Kellner unter Ihrem Koch Kanzler Schröder gesagt: Das, was wir als Mindestlohn machen, ist tatsäch- gespielt haben, da hat man doch mit Ihrer Zustimmung lich eine ordnungspolitische Maßnahme. Das ist jetzt zur Hartz-IV-Reform überhaupt erst dafür gesorgt, dass kein Living Wage, also kein lebensstandarderhaltender der Niedriglohnsektor ausgebaut wurde. Oder was glau- Lohn, sondern es ist sozusagen ein ordnungspolitisches ben Sie, wo die vielen prekären Beschäftigungsverhält- Modell. Wir sind damals damit gut gefahren, weil wir nisse herkommen? gesagt haben: Wir beschränken uns darauf. – Ich kann mich erinnern, dass auch einige Vertreterinnen und Ver- (Beifall bei der AfD) treter der Grünen mit dabei gewesen sind. Die waren von Sich jetzt hinzustellen und einen Abbau des Niedriglohn- der Argumentation der britischen Kollegen damals aus- sektors zu fordern und den guten Samariter zu spielen, gesprochen angetan. Ich halte sie nach wie vor für richtig. das nenne ich scheinheilig. Ich halte nach wie vor auch für richtig, dass wir als Ich sage Ihnen eins – auch wenn es Die Linke nicht Gesetzgeber diese ganze Angelegenheit nicht neu auf- wissen will –: Ich bin auch für eine Anhebung des Min- rollen. Wir haben damals im Jahr 2014 einen Mindest- destlohns. Ich bin sogar dafür, dass den Menschen mehr lohn von 8,50 Euro akzeptiert, weil die Gewerkschaft als 12 Euro pro Stunde gezahlt wird; denn die Menschen 8,50 Euro wollte, und 8,50 Euro war in etwa der Lohn, sollen auch von ihrem Einkommen leben können. Ich will den es branchenübergreifend in der Zeitarbeit gab; darun- keine Aufstocker, die von drei Minijobs gleichzeitig nur ter wollten wir nicht gehen. Aber jetzt als Parlament, mit Ach und Krach leben können. Aber alles hat seine nachdem wir 2014 fest zugesagt haben: „Die Politik Zeit. mischt sich da nicht ein“, den Mindestlohn erneut festzu- legen, halte ich für gefährlich, halte ich für falsch. Denn Die Mindestlohnkommission hat dafür gesorgt, dass wer würde uns dann glauben, dass wir das nicht ein drittes wir dieses Jahr den Mindestlohn gleich zweimal erhöhen. oder ein viertes Mal machen würden? Jetzt wollen Sie mehr. Ich frage Sie: Wie sollen denn all (B) die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Zeiten (D) Ich habe nichts dagegen, dass der Mindestlohn auf der Krise noch höhere Lohn- und Lohnnebenkosten tra- 12 Euro steigt. Aber das soll bitte die Mindestlohnkom- gen? Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche mission machen, nicht das deutsche Parlament. greifen, nicht einmal und nicht zweimal. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der AfD) GRÜNEN]: Aber dann musst du auch das Min- destlohngesetz verändern! Sonst passiert das Was Sie vorhaben, führt unweigerlich zu noch mehr nie!) Insolvenzen und garantiert nicht zu mehr Wohlstand. Das ist der richtige Weg, und deswegen lehnen wir den Ich sage Ihnen: „Gegeneinander statt miteinander“ Antrag der Grünen ab. führt in der Beschäftigungspolitik zu nichts. Anstatt alles über Gesetze und Verbote zu regeln, müssen wir uns was Herzlichen Dank. Besseres überlegen. Zum Beispiel: Geben wir den Be- (Beifall bei der CDU/CSU) triebsräten in den Unternehmen, die nicht unter einen Tarifvertrag fallen, Tariffähigkeit. Dann können die Be- triebsparteien ihren eigenen, höheren Mindestlohn ver- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: einbaren, und wer keinen Betriebsrat besitzt, der fällt Vielen Dank, Herr Kollege Zimmer. – Nächster Redner unter das Mindestlohngesetz. ist der Kollege Jürgen Pohl, AfD-Fraktion. (Zuruf von der SPD: Sie haben keine Ahnung!) (Beifall bei der AfD) – Danke. – Wir von der AfD, der neuen Volkspartei,

Jürgen Pohl (AfD): (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- Herren auf den Rängen und zu Hause an den Geräten! NISSES 90/DIE GRÜNEN) Werte Kollegen! In Zeiten von Corona meint jeder, dass wollen einen Wohlstandslohn, der für ein menschenwür- das Füllhorn ausgeschüttet werden soll, und da sind diges Leben reicht. Wir wollen aber auch Arbeitsplätze in natürlich die Kollegen von den Linken und den Grünen Deutschland sichern. ganz vorne mit dabei. In einem Wahlkampfjahr wird dann auch gerne mal die Liebe zum kleinen Arbeiternehmer neu entdeckt. Aber ich sage Ihnen eins, liebe Grüne: Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Der klassische Mindestlohnempfänger ist nun wahrlich Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27971

(A) Jürgen Pohl (AfD): So bestimmen die sechs Mitglieder der paritätisch besetz- (C) Und das geht nicht, wenn man rein populistische For- ten und dafür zuständigen unabhängigen Mindestlohn- derungen wie unsere Linken und Grünen stellt kommission seine Höhe auf Basis von Gutachten, For- schungsaufträgen, Stellungnahmen und Workshops. (Lachen der Abg. Beate Müller-Gemmeke Insgesamt sind seit Gründung der Kommission circa [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) 30 Gutachten in Auftrag gegeben und erstellt worden. und damit unweigerlich in die nächste Krise geht. Der Mindestlohn ist eines der am besten kontrollierten Instrumente des Arbeitsmarktes. Bei ihm haben wir ein Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gutes wissenschaftliches Fundament, auf dem wir weitere Herr Kollege Pohl. Verbesserungen vorschlagen und wagen können, ohne dass es wieder zu Wellen der Empörung kommt. Natür- lich wollen wir in Zukunft einen armutsfesten Mindest- Jürgen Pohl (AfD): lohn, Aus diesen Gründen lehnen wir die Anträge ab. (Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD]) (Beifall bei der AfD) der sich am besten am Medianlohn orientiert. Das muss unser nächster Schritt sein. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Meine Damen und Herren, um dieses Ziel zu erreichen, Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege sind einige Verbesserungen notwendig. Lassen Sie mich Michael Gerdes, SPD-Fraktion. hier nur drei nennen. (Beifall bei der SPD) Eine ist die Erweiterung der Prüfparamenter für die Festsetzung des Mindestlohns. Hier wollen wir mehr Michael Gerdes (SPD): Spielräume öffnen und die Armutsgefährdung als weitere Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Prüfvorgabe festlegen. Minister Heil! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu- Darüber hinaus gehören – das hat Bernd Rützel schon nächst einmal muss ich mich fragen: Herr Pohl, in wel- gesagt – Feiertags-, Sonntagszuschläge, die Schmutzzu- cher Welt leben Sie eigentlich? lage und andere Erschwerniszulagen ausgezahlt und nicht (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von mehr auf den Mindestlohn angerechnet. Warum dürfen der SPD: In einer braunen!) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Mindest- lohn erhalten, nicht von diesen Zulagen profitieren? Das (B) Aber jetzt zum Thema. Der aktuelle Mindestlohn kann doch, bitte schön, nicht wahr sein. (D) beträgt seit Januar dieses Jahres 9,50 Euro je Zeitstunde. (Beifall bei der SPD) Das ist bereits die dritte Anpassung. Sie fällt coronabe- dingt nicht so hoch aus wie zunächst beabsichtigt. Schließlich wollen wir den Mindestlohn besser durch- setzen. Immer noch gibt es Arbeitnehmerinnen und Und ja, Sie haben recht: Das ist zu wenig, zu wenig, Arbeitnehmer, die nicht ausreichend über die Höhe infor- um nicht in Armut zu leben, zu wenig für eine armutsfeste miert sind. Hier wollen wir nachsteuern und die aktuell Rente. Aber die Höhe des Mindestlohns und dessen vor- geltenden Mindestlöhne verpflichtend in den Arbeitsver- sichtige Anpassung legen wir hier nicht fest. Ich kann trag schreiben lassen. Selbstverständlich müssen Arbeit- mich sehr genau daran erinnern, wie groß die Proteste geberinnen und Arbeitgeber darüber hinaus ihre Arbeit- gegen die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes nehmer und Arbeitnehmerinnen über jede weitere waren, die im Übrigen bei starker Enthaltung der Linken Erhöhung des Mindestlohnes schriftlich informieren. erfolgte. Aber auch das sage ich hier: Mir wäre es am liebsten, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wir müssten gar nicht über Mindestlöhne reden. Ich Ergebnis sehen wir ja jetzt!) möchte tariflich geschützte, gute Arbeitsplätze. Daran Damals ging die Welt unter, auch wenn das heute viel- lassen Sie uns gemeinsam arbeiten, leicht keiner mehr wahrhaben will. Prognostiziert wurden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Szenarien von Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung der CDU/CSU) von Unternehmen ins Ausland und diverse Bürokratie- übrigens getreu dem Motto des DGB: Würde hat ihren monster durch überbordende Kontrollen zur Einhaltung Preis – Arbeit hat ihren Preis. des Mindestlohnes. Diese Märchenstunde setzt die AfD heute hier fort. Herzlichen Dank und Glück auf! Eingetroffen ist von alledem nichts. Im Gegenteil: Der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Mindestlohn ist ein Erfolg und hat gezeigt, dass auch die der CDU/CSU) Wirtschaft durch steigende Binnennachfrage profitiert. Nur, dass er überhaupt durchgesetzt werden konnte, liegt Vizepräsident Wolfgang Kubicki: daran, dass er mit Bedacht und Vorsicht auf Grundlage Vielen Dank, Herr Kollege Gerdes. – Nächster Redner der Tarifentwicklung und der Abwägung konjunktureller ist der Kollege Pascal Kober, FDP-Fraktion. Faktoren eingeführt wurde. (Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Zimmer (Beifall bei Abgeordneten der SPD) [CDU/CSU], an den Abg. Pascal Kober 27972 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) [FDP] gewandt: Du hast den Mindestlohn Jobcenter betreuten Langzeitarbeitslosen von einer beruf- (C) damals abgelehnt! – Heiterkeit bei Abgeordne- lichen Qualifizierung profitieren können, dann ist etwas ten der CDU/CSU und der SPD) falsch in diesem Land. Hier müssten Sie ansetzen. Das wäre der richtige Weg. Pascal Kober (FDP): (Beifall bei der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier zwei Anträge der Linken Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, unterstüt- und einen Antrag der Grünen, in denen gefordert wird, zen Sie da die Ambitionen und die Motivation Ihres dass die Höhe des Mindestlohnes politisch festgesetzt Arbeitsministers! Das wäre wirklich Politik für eine wird. nachhaltige Armutsbekämpfung. Das ist jedenfalls der Weg, den wir als Freie Demokraten gehen: die Menschen (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE stark machen, die Durchlässigkeit in unserer Gesellschaft GRÜNEN]: Einmalig!) verbessern, dass die Menschen aufsteigen können. Das ist Wir glauben, das ist der falsche Weg. Überhaupt niemand es, was wir hier in diesem Land brauchen, und das ist es, hat etwas gegen höhere Löhne; das ist überhaupt gar wofür wir als Freie Demokraten stehen. keine Frage. Aber wir glauben, dass die Höhe des Min- Vielen Dank. destlohns mitberücksichtigen muss, ob der Arbeitsplatz nach der Erhöhung noch zur Verfügung steht oder ob er (Beifall bei der FDP) dann nicht vielleicht verloren gegangen ist. Denn was hilft der beste Lohn, wenn man gar keinen Arbeitsplatz Vizepräsident Wolfgang Kubicki: hat, liebe Kolleginnen und Kollegen? Vielen Dank, Herr Kollege Kober. – Nächste Rednerin (Beifall bei der FDP) ist die Kollegin Sabine Zimmermann, Fraktion Die Lin- Uns geht es um nachhaltige Armutsbekämpfung. Die ke. gelingt nicht mit politisch festgesetzten Löhnen. Die (Beifall bei der LINKEN) zentrale Aufgabe im Sozialstaat muss ja sein, dass Men- schen den Einstieg in Arbeit schaffen, aber dass sie dann, Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): wenn die Arbeit gering entlohnt ist, möglichst schnell Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- auch den Aufstieg in besser entlohnte Tätigkeiten finden. ren! Zurzeit arbeiten in Deutschland rund 1,5 Millionen Dass der Aufstieg gelingt, dass soziale Durchlässigkeit in Beschäftigte zum Mindestlohn. Das sind im Monat unserem Land besser wird, 1 647 Euro brutto. Netto sind das bei einem Alleinstehen- (B) (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!) den rund 1 200 Euro, und wenn man in Teilzeit arbeitet, (D) ist die sozialpolitische Aufgabe. Darüber sollten wir in ist es noch weniger. diesem Land diskutieren. Was kann sich ein arbeitender Mensch für diesen Min- (Beifall bei der FDP) destlohn leisten? Ein Dach über den Kopf? Schwierig, zumal in Großstädten oft 40 bis 50 Prozent des Einkom- Da ist es schon bemerkenswert, liebe Kolleginnen und mens für die Miete draufgehen. Ein Auto, weil man auf Kollegen, dass alle anderen Fraktionen hier gestern dem Land wohnt und vielleicht zur Arbeit fahren muss? einem Antrag der FDP die Zustimmung verweigert ha- Hier kommen dann noch Sprit, Reparaturen und auch ben. Worum ging es? Es ging darum, den Kindern aus Versicherungen obendrauf. , Kleidung, eine neue sozial benachteiligten Familien mit einem Sonderpro- Waschmaschine? Und schon ist man wieder im Dispo. gramm unter die Arme zu greifen, damit sie dem digitalen In Deutschland arbeiten insgesamt 8 Millionen Menschen Unterricht beim Homeschooling besser folgen können. im Niedriglohnbereich; sie müssen den Groschen dreimal Alle anderen Fraktionen haben das abgelehnt oder sich umdrehen. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein- enthalten. Das ist der falsche Weg. 68 Prozent der Eltern fach höhere Löhne in Deutschland! aus sozial benachteiligten Familien sagen, sie machten sich Sorgen um die Bildungszukunft ihrer Kinder. Diesen (Beifall bei der LINKEN) Hilferuf haben Sie einfach überhört, und das ist nicht in Auch Ihr Mindestlohn ist auf der einen Seite nicht Ordnung. Wir brauchen eine Stärkung der Kinder als niedrig genug, um die Hartz-IV-Leistungen zu bekom- ersten Einstieg in ein System der nachhaltigen Armutsbe- men, und auf der anderen Seite nicht hoch genug, um kämpfung. von harter Arbeit leben zu können. Deshalb brauchen (Beifall bei der FDP) wir eine stärkere Tarifbindung in Deutschland und eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sozialpolitische Verständnis in diesem Haus darf doch nicht ewig sein, (Beifall bei der LINKEN) dass man hier einen Euro mehr gibt oder da einen Euro Und es reicht nicht, wenn die Grünen fordern, der mehr gibt. Es geht darum, dass wir die Menschen stärken, Mindestlohn solle in Schritten auf 12 Euro erhöht wer- dass wir sie befähigen, ihren Weg durch ihr Berufsleben den. Wenn der letzte Schritt getan ist, dann sind die zu gehen, dass sie aufsteigen können in besser entlohnte 12 Euro schon wieder viel zu niedrig. Deshalb fordert Tätigkeiten. Das fängt bei der Schule an, aber das geht Die Linke: Den Mindestlohn sofort rauf auf 12 Euro! dann natürlich weiter, lieber Herr Bundesminister, bei der Nur so kann es gehen, meine Damen und Herren. Förderung durch die Jobcenter und die Bundesagentur für Arbeit. Wenn aktuell nicht einmal 1,5 Prozent der im (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27973

Sabine Zimmermann (Zwickau) (A) Natürlich kommt von der Union, der FDP, der AfD und schrieben. Aber wenn es in Deutschland Menschen gibt, (C) auch von Arbeitgeberverbänden immer wieder – auch die alleinstehend sind, Vollzeit erwerbstätig sind und An- heute – dasselbe Lied: Die Arbeitgeber können die höhe- spruch auf Arbeitslosengeld II, Hartz IV, haben, die zum ren Löhne nicht zahlen, Jobcenter müssen und ihr Einkommen aufstocken müs- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das hat sen, dann zeigt das, dass der Mindestlohn in Deutschland keiner gesagt!) zu niedrig ist und angehoben werden muss. und es werden Arbeitsplätze wegfallen. – Was für ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unsinn! Schon bei der Einführung des Mindestlohns und bei der LINKEN sowie des Abg. Bernd sind keine Arbeitsplätze in nennenswerter Größenord- Rützel [SPD]) nung weggefallen. Auch das Geld ist nachweislich da; Ich will, gerade als Arbeitsökonom, noch mal was zu die Produktivität wächst. Doch dieser Zuwachs, den die den ökonomischen Effekten sagen, die ein Mindestlohn Beschäftigten erarbeiten, kommt nicht in Form von hat. Ein Mindestlohn erhöht das Arbeitsangebot. Ein Lohnerhöhungen an, und das ist ungerecht. Mindestlohn erhöht die Bereitschaft, effektiver zu sein; (Beifall bei der LINKEN) „Effizienzlöhne“ heißt das in der ökonomischen Theorie. Ein Mindestlohn erhöht die Produktivität – früher nannte Die Summe aus Arbeitsproduktivität und Inflationsrate man so was mal „Produktivitätspeitsche“ –, kann also die ist in den letzten fünf Jahren um 13 Prozent gestiegen, der produktiven Prozesse im Unternehmen verstärken. Und gesetzliche Mindestlohn allerdings nur um 10 Prozent, er erhöht – die Kollegin Zimmermann hat darauf hinge- und das von einem Niveau von 8,50 Euro aus. Meine wiesen – die Nachfrage. Das kann, insbesondere wenn Damen und Herren, das ist Lohndumping made in Ger- man in einer konjunkturell schwierigen Zeit ist wie jetzt many. In dieser traurigen Disziplin sind wir leider Spit- und die Konjunktur dann anspringt, einen zusätzlichen zenklasse. Ich würde lieber sehen, wenn wir in Deutsch- Schub geben. Auch das ist ein positiver Effekt eines stei- land Europameister beim Mindestlohn wären. genden Mindestlohns. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gerade jetzt, in der Wirtschaftskrise, ist der richtige Dem steht natürlich gegenüber, dass ein Mindestlohn Zeitpunkt für einen höheren Mindestlohn. Die Menschen auch Kosten im Unternehmen verursacht, und das muss brauchen einfach mehr Geld in der Tasche. Dann können abgewogen werden. Deswegen sagen wir Grüne – das sie mehr kaufen, und wenn sie mehr kaufen, dann wird haben wir von Anfang an gesagt –: Die Mindestlohnkom- die Konjunktur angeschoben, und das schafft auch Ar- mission muss über die Höhe des Mindestlohns entschei- beitsplätze. Nur so kann es gehen. All das kostet keinen den. – Deswegen sind wir nach wie vor auch für die (B) Cent, – Mindestlohnkommission. Das ist völlig richtig, weil es (D) schwierige Prozesse sind und wir auch die Wissenschaft Vizepräsident Wolfgang Kubicki: noch stärken wollen; denn es geht dabei nicht nur um die Frau Kollegin. Interessen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, sondern dieser Abwägungsprozess muss auch wissen- Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): schaftlich begleitet werden. Deswegen wollen wir in die- – ein wirksames Konjunkturprogramm zum Nulltarif. ser Kommission auch Wissenschaftlerinnen und Wissen- Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD, grei- schaftler mit Stimmrecht haben, die mitentscheiden fen Sie zu! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Wir brau- können, wie hoch der Mindestlohn am Ende sein wird. chen einen höheren Mindestlohn. Aber wir sagen, dass die Politik an einer Stelle auch Danke schön. Vorgaben machen können muss, und das betrifft die Fra- ge der Armut. Deswegen wollen wir das Ziel des Schut- (Beifall bei der LINKEN) zes vor Armut als zusätzliches – nicht als alleiniges, aber als zusätzliches – Kriterium ins Mindestlohngesetz Vizepräsident Wolfgang Kubicki: schreiben. Wir finden, dass die Politik da durchaus Vor- Vielen Dank, Frau Kollegin Zimmermann. – Als näch- gaben machen kann; denn wenn Menschen Vollzeit ster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang erwerbstätig, alleinstehend sind und dann noch aufsto- Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen. cken müssen, dann müssen wir doch dafür sorgen, dass der Mindestlohn vor Armut schützt. Das ist wirklich das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mindeste. Vielen Dank. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sehr geehrter Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe sowie bei Abgeordneten der SPD und der Kolleginnen und Kollegen! Matthias Zimmer hat recht, LINKEN) wenn er sagt – das war auch genau richtig argumentiert –, dass der Mindestlohn in erster Linie ein ordnungspoliti- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sches Instrument ist, um auf der einen Seite Dumping- Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Strengmann-Kuhn. löhne zu verhindern und auf der anderen Seite faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Insofern ist es (Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU] begibt sich ein Mittel der sozialen Marktwirtschaft; sehr richtig be- zum Rednerpult) 27974 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) – Darf ich das noch kurz sagen? Nächster Redner ist der Auftrag der Mindestlohnkommission dahin gehend zu (C) Kollege Uwe Schummer, CDU/CSU-Fraktion. erweitern, dass wir sagen: Neben der Lohnhöhe – der Deckel ist in der Geschäftsordnung ja schon weg –, die (Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der in der Mindestlohnkommission miteinander vereinbart CDU/CSU) werden kann, macht die Mindestlohnkommission auch Vorschläge, wie die Tarifbindung in den Branchen, bei- Uwe Schummer (CDU/CSU): spielsweise im Pflegebereich, gestärkt werden kann. – Ich hatte mich da oben aufgerufen gesehen; aber Sie Das ist die Zielsetzung; denn letztendlich ist die Mindest- sind der Chef im Hause. lohnkommission Hilfe zur Selbsthilfe zur Erreichung der Tarifautonomie. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Aber Sie wissen, dass der sitzungsleitende Präsident Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE] meldet sich oder die sitzungsleitende Präsidentin aufruft und nicht zu einer Zwischenfrage) die Tafel. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Uwe Schummer (CDU/CSU): Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Verehrter Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Liebe Fraktion Die Linke? Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Bernd Rützel! Zunächst einmal: Ja, es war in der Tat Papst Leo XIII., Uwe Schummer (CDU/CSU): der 1891 in „Rerum novarum“, dem ersten sozialen Welt- Lassen Sie uns das gerne im Anschluss machen. Ich rundschreiben, sinngemäß forderte, dass ein Teil der denke, wir werden das Thema noch öfter miteinander Familie so viel verdienen müsse, dass davon die gesamte diskutieren. Familie, unabhängig von der Zahl der Köpfe, ernährt werden kann und ein Sparpfennig überbleibt – allerdings Uns ist wichtig, dass die Tarifautonomie gestärkt wird. nicht nur als ein Auftrag an die tarifliche Politik, sondern Da ist ein Ansatz die Stärkung der betrieblichen Mitbe- auch als ein gesellschaftlicher Auftrag, dass mit diesem stimmung. Da, wo es Betriebsräte gibt, beträgt die Tarif- familiengerechten Lohn die Vermögensbildung in Arbeit- bindung 78 Prozent. Da, wo es keine Betriebsräte gibt, nehmerhand geleistet werden kann. Von daher ist der liegt die tarifliche Bindung nur noch bei 25 Prozent. Des- Grundsatz „Faire Arbeit und gute Löhne“ auch in der halb ist es wichtig, dass wir jetzt ein Betriebsrätemoder- DNA der Christdemokraten und der Christlich-Sozialen nisierungsgesetz entwickeln; enthalten. (B) (Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD]) (D) Wir haben aber auch die Tarifautonomie. „Autonomie“ denn damit können wir in der Nahrungskette betriebliche kommt aus dem Griechischen und bedeutet „nach eige- Mitbestimmung, Tarifautonomie und tarifliche Löhne nen Gesetzen leben“. Aus guten Gründen haben wir die insgesamt stärken. Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften beauftragt, Ich denke, die Antwort auf die soziale Frage und die diese eigenen Gesetze der Arbeitskonditionen miteinan- Frage der besten Löhne sollte sein – wie in Österreich der zu verhandeln; der Staat hält sich hier weitgehend oder in Dänemark –, nicht einen gesetzlichen Mindest- raus. lohn immer wieder neu politisch anzupassen, sondern die Jetzt fordern Sie vonseiten der Grünen und der Linken, Tarifbindung massiv zu stärken, sie wieder über 90 Pro- dass wir zum zweiten Mal, aber nur einmalig den Min- zent zu bringen. Das könnte gut eine Aufgabe der Min- destlohn gesetzlich festlegen. Ich kann Ihnen nur sagen: destlohnkommission sein. Es ist auch eine Aufgabe, die Wenn wir das zum zweiten Mal einmalig machen, dann wir gemeinsam haben. kommt auch das dritte, das vierte und das fünfte Mal. (Beifall bei der CDU/CSU) (Zurufe von der LINKEN) Dann gibt es eben keine Tarifautonomie. Die Frage ist Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ja auch: Warum eine politisch festgelegte Grenze von Vielen Dank, Herr Kollege Schummer. 12 Euro oder auch von 15 oder 20 Euro? Es ist so, dass (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU], an den beispielsweise der tarifliche Mindestlohn in der Bauwirt- Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD] gewandt: schaft 15 Euro beträgt. Selbst in Dänemark, wo es die Erst warten, bis du aufgerufen wirst!) Tarifautonomie gibt, zahlt man für die Schlachtung bei Tönnies 19 bis 20 Euro. Nächster Redner ist der Kollege Matthias Bartke, SPD- Fraktion. Das heißt, unser Ziel ist doch, dass wir über das sub- sidiäre Instrument der Mindestlohnkommission mit Ge- (Beifall bei der SPD) werkschaften, Arbeitgeberverbänden, begleitet von der Wissenschaft und mit einem neutralen Vorsitzenden Dr. Matthias Bartke (SPD): Tarifautonomie nachbilden, dass wir sie im Grunde be- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- auftragen, sich wieder abzuschaffen, indem wir eine ber Herr Minister! Herr Cronenberg, ich habe mich sehr Tarifbindung von weit über 90 Prozent erreichen, so über Ihre Rede gefreut; denn Sie haben in Ihrer Rede den wie das in Österreich und in Dänemark der Fall ist. Las- Mindestlohn als eine Erfolgsgeschichte bezeichnet. Das sen Sie uns gerne miteinander darüber diskutieren, den hat die FDP ja nicht immer so gesehen. Ich erinnere Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27975

Dr. Matthias Bartke (A) Zeiten, als die FDP den Mindestlohn als einen Jobkiller Zweite Aufgabe für das nächste Schuljahr: Lücken (C) bezeichnet hat. Sie hätten schon damals auf uns hören müssen geschlossen werden. – Viel zu vielen Beschäftig- sollen. Ich finde, Sie sollten sowieso grundsätzlich ten wird ihr verdienter Lohn vorenthalten. Wenn Arbeit- mehr auf uns hören. geber Kost und Logis auf den Mindestlohn ungerechtfer- tigt anrechnen oder Arbeitsstunden mit Gutscheinen oder (Beifall bei der SPD) Sachleistungen abgelten, dann geht das gar nicht.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das größte Einfallstor für die Umgehung des Mindest- lohns ist aber die fehlende Erfassung der Arbeitszeit. Da Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des werden die Rüstzeiten oder die Nacharbeiten nicht kor- Kollegen Pascal Kober? rekt aufgeschrieben, da gelten die Fahrtzeiten bei Leer- fahrten ohne Fahrgäste nicht als Arbeitszeit und, und, Dr. Matthias Bartke (SPD): und. Im Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischbran- Nein, ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen. che haben wir es eindeutig geregelt: Die Arbeitszeit ist tagesaktuell elektronisch und manipulationssicher aufzu- (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU) zeichnen. – Was jetzt schon in Schlachthöfen gilt, muss Am vergangenen 1. Januar feierte der Mindestlohn möglichst schnell auch in anderen Betrieben durchgesetzt seinen sechsten Geburtstag. Liebe Kolleginnen und Kol- werden. Jede Arbeitsstunde zählt. legen, mit sechs Jahren kommt man in die Schule. Und wer in die Schule geht, will wachsen und sich weiterent- (Beifall bei der SPD) wickeln. Das zeigt uns die Mindestlohnevaluierung. Der Plan von Hubertus Heil und Olaf Scholz für die (Zuruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger Weiterentwicklung des Mindestlohns erstreckt sich aber [FDP]) nicht nur auf die Regelungen zum Mindestlohn selbst. Wir denken Mindestlohn und Sozialpartnerschaft immer Der Mindestlohn muss sich weiterentwickeln, damit er zusammen. Sie sind ein Team mit einem Ziel: Respekt für einmal das wird, was er sein soll: ein Zeichen des Res- gute Arbeit. pekts für Arbeit in unserem Land. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Dritte Aufgabe für das erste Schuljahr des Mindest- Olaf Scholz und Minister Heil haben nun den Lehrplan lohns: die Schaffung eines Bundestariftreuegesetzes. – für das erste Schuljahr des Mindestlohns vorgelegt: Aufträge, die aus Steuermitteln gezahlt werden, müssen (B) Erste Aufgabe für das nächste Schuljahr: Der Min- gute Arbeit garantieren. Öffentliche Aufträge des Bun- (D) destlohn muss armutssicher werden. – Aktuell beträgt er des, der Länder und der Kommunen dürfen nur noch an 9,50 Euro. Jeder Vierte in unserem Land arbeitet zu Auftragnehmer vergeben werden, die ihren Beschäftigten einem Lohn von unter 12 Euro. Die Evaluation zeigt, tarifvertragliche Entlohnungsbedingungen gewähren. dass der Mindestlohn hinter der allgemeinen Lohnent- Alle Arbeitnehmer/-innen, die bei dem öffentlichen Auf- wicklung zurückbleibt. Um den Anschluss zur Mitte zu trag eingesetzt werden, sollen einen Anspruch auf diese halten, muss er schneller steigen. Die SPD ist daher da- Entlohnungsbedingungen bekommen, einen einklagba- von überzeugt: Wer Vollzeit arbeitet, muss davon leben ren Anspruch auf gute Löhne. können. Der Lohn muss armutsfest sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD) Mit einem Vergabemindestlohn von 12 Euro wollen wir Ich habe von Uwe Schummer und Bernd Rützel gelernt: zunächst einmal dafür sorgen, dass diejenigen angemes- Das hat auch schon Papst Pius so gesehen. Nein, Papst sen entlohnt werden, deren Aufträge aus Steuermitteln Leo XIII. war es – Entschuldigung; man merkt, ich bin gezahlt werden. nicht ganz bibelfest. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Das bedeutet zwei Dinge: Der Lohn muss bei Vollzeit- kräften nicht mehr durch zusätzliche Sozialtransfers auf- gestockt werden, und er ist hoch genug, um eine Rente Dr. Matthias Bartke (SPD): oberhalb der Grundsicherung zu gewährleisten. – Be- Mit dem Bundestariftreuegesetz wollen wir endlich für rücksichtigt man dies, landen wir bei einem Mindestlohn faire Verhältnisse sorgen. von 12 Euro. Wir planen daher, ein neues Kriterium ins Mindestlohngesetz aufzunehmen, das die Mindestlohn- Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Lehrplan für kommission bei der Findung beachten muss: Sie soll die weitere Entwicklung des Mindestlohns hat noch viele sich stärker an der Armutsgefährdung orientierten. weitere Aspekte. Ich freue mich auf die Beratungen im Klassenzimmer – Entschuldigung: im Ausschusssaal. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Ich danke Ihnen. Und das, lieber Matthias Zimmer, ist keine politische (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Festsetzung. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]) 27976 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE (C) Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bartke. – Letzter Red- LINKE]) ner in dieser Debatte ist der Kollege Peter Aumer, CDU/ Mit Ihrer klugscheißerischen Art – Entschuldigung – CSU-Fraktion. kommen Sie auch nicht immer weiter. Sie können die (Beifall bei der CDU/CSU) Zahlen schwarz auf weiß lesen; (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihre Peter Aumer (CDU/CSU): Zahlen sind falsch!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ich habe mir die nämlich aus dem Bericht so aufgeschrie- Kollegen! Normalerweise wundere ich mich über Reden ben. der Linken eigentlich immer. Über die Rede, die Sie, Frau Ferschl, gehalten haben, habe ich mich geärgert, vor (Beifall des Abg. Stefan Müller [Erlangen] allem über einen Satz. Dass Sie der CDU/CSU-Fraktion [CDU/CSU]) einen verkommenen Wertekompass vorwerfen, finde ich Zur Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, echt unterirdisch. gehört auch – darüber sollten wir im Moment vielleicht mehr reden als über alles anderes –, dass durch Kurzar- (Zurufe von der LINKEN) beit erstmals seit 2007 der Nominallohn zurückgegangen Was würde man über die Linken sagen, wenn man Ver- ist. Das ist ein Thema, über das wir uns mal intensiver fehlungen Einzelner über das Große und Ganze stellt? austauschen sollten. Denn es betrifft viele Menschen in Liebe Frau Ferschl, das zeigt, glaube ich, auch, wie Sie diesem Land, gerade in den Bereichen, die durch die denken und wie Sie ticken. Dies einer Fraktion vorzu- Coronaschließungen betroffen sind: im Beherbergungs- werfen, die über 70 Jahre dieses Land geprägt hat und bereich, im Luftfahrtbereich, bei den Reisebüros, bei den es mit einem klaren Kurs und einem klaren Wertekom- Gastronomen und im Einzelhandel. pass gestaltet hat, das kann man, glaube ich, so nicht tun. (Zuruf des Abg. Susanne Ferschl [DIE LIN- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Klar! KE]) Franz Josef Strauß war da ein gutes Beispiel Frau Ferschl, auch diese Leute verdienen Geld, und darü- für! Ja! – Weitere Zurufe von der LINKEN – ber müssen wir auch einmal reden. Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Jetzt zu Ihren Anträgen. Es ist Aufgabe der Opposition, Haustür!) alles schlechtzureden. Kann vielleicht sein, muss aber nicht sein. Seit Einführung des Mindestlohns, meine – Können wir lassen. (B) sehr geehrten Damen und Herren, steigen die Reallöhne (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) im Niedriglohnbereich. 2019 profitierten knapp 2 Millio- nen Menschen vom Anstieg des Mindestlohns. Die An- Zum Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren. zahl der Jobs im Mindestlohnbereich ist seit 2015 gestie- Erneut sind Anträge der Linken und Grünen zum Thema gen. Peter Weiß hat gesagt: Es ist Ziel unserer Politik, „gesetzlicher Mindestlohn“ auf der Tagesordnung. Ich dass die Menschen nicht im Mindestlohnbereich bleiben, habe das Gefühl: Je näher der Bundestagswahlkampf sondern dass sie rauskommen und gute Löhne erhalten. kommt, umso intensiver wird die Antragsdichte zu diesen Themen. – Das bietet aber auch uns die Chance, einmal (Beifall des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] aufzuzeigen, was in den letzten Jahren in diesem Land [CDU/CSU]) alles passiert ist. Zum gesetzlichen Mindestlohn, meine sehr geehrten Ich möchte den Blick ein bisschen weiten, weg vom Damen und Herren, allgemein: Das war – wir haben es Mindestlohn hin zum grundsätzlichen Thema, über das heute schon öfter gehört – die richtige Entscheidung, fast wir reden, nämlich die Lohnentwicklung in diesem Land. von allen Fraktionen so mitgetragen. Klar ist, dass die Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind ein Menschen von ihrer Arbeit leben müssen, und zwar Land, das einen der höchsten Bruttostundenlöhne im gan- über dem Existenzminimum. Der Mechanismus, der fest- zen Euro-Raum hat. Wir sind ein Hochlohnland. gelegt worden ist, mit der Mindestlohnkommission Ent- scheidungen zu treffen, ist auch der richtige Weg. Wir (Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Stimmt doch müssen uns nur die Anträge noch ein bisschen intensiver gar nicht!) anschauen. Von den Linken und auch von den Grünen hat Der durchschnittliche Stundenlohn in Deutschland, mei- keiner angesprochen, was eigentlich das Ziel ist. ne sehr geehrten Damen und Herren, liegt zurzeit bei 24,78 Euro, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ent- Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des schuldigung? Das ist hanebüchener Unsinn! – Kollegen Pascal Kober? Weitere Zurufe von der LINKEN) Peter Aumer (CDU/CSU): angestiegen seit 2007 um 29,5 Prozent. Die Zahlen, sehr Ja, gerne. geehrter Herr Birkwald, sind aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der aktuell erar- beitet wird. Wenn Sie den Textentwurf gelesen haben, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dann kennen Sie die Zahlen. Das verlängert auch Ihre Redezeit. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27977

(A) Pascal Kober (FDP): Sie den Mut hätten, dann hätten wir auch darüber reden (C) Lieber Kollege Aumer, vielen Dank, dass Sie die Frage können. Das hat eigentlich keiner in den Reden wirklich zulassen. Sie sind jetzt in Ihrer zweiten Legislaturperiode angesprochen. Aus unserer Sicht ist diese Forderung hier. Insofern waren Sie während der 17. Wahlperiode nicht akzeptabel, weil wir uns genau dann von dem Ord- noch nicht Mitglied dieses Hauses. Ich frage Sie: Haben nungsprinzip entfernen, das vorhin von den Kollegen die Kollegen Peter Weiß, Dr. Matthias Zimmer, Paul angesprochen worden ist, also weg von der sozialen Lehrieder und andere, die damals schon dabei waren, Marktwirtschaft hin zu einem sozialpolitischen Prinzip. Ihnen eigentlich berichtet, dass zum Beispiel der FDP- (Zurufe der Abg. Susanne Ferschl [DIE LIN- Landesverband Schleswig-Holstein oder der FDP-Lan- KE]) desverband Baden-Württemberg ein Mindestlohnmodell beschlossen hatten, noch vor der Union? Und haben Sie Eine solche Lohnfindung ist in unserer sozialen Markt- Ihnen berichtet, dass das Wahlprogramm der FDP 2013 wirtschaft nicht die Aufgabe. auch ein Modell für einen Mindestlohn enthalten hat? Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: (Zurufe von der SPD) Wir wollen das System beibehalten. Wir wollen eine starke Mindestlohnkommission, die frei arbeitet. Wir Das wollte ich im Hinblick auf zukünftige Debatten nur wollen keine Belastung des Arbeitsmarktes mit zusätzli- mal fragen, chen Mechanismen zur Findung des Mindestlohns, wir (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sehr gut!) wollen keine Aufhebung der Tarifautonomie – das ist damit zumindest dann das Protokoll über die Geschehnis- vorhin angesprochen worden –, wir wollen, dass auch se und den Ablauf der Ereignisse korrekt ist. die Gewerkschaften eine Rolle spielen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Don- Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren: nerwetter! Die FDP war schon immer für den Ich bitte Sie, immer das Große und Ganze zu sehen. Wir Mindestlohn!) sind in diesem Land in einer sehr schwierigen Phase. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Wir brau- chen eine starke soziale Marktwirtschaft, eine starke Peter Aumer (CDU/CSU): Wirtschaft. Nur eine starke Wirtschaft kann auch gute Lieber Herr Kollege Kober, ich war in besagter Wahl- Löhne und feste Arbeitsplätze sichern. periode auch im Deutschen Bundestag. Ich denke mal, es ist gut, wenn auch Sie das sozialpolitische Gewissen ent- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. deckt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir (B) der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE brauchen auch Arbeit, von der die Menschen (D) GRÜNEN) leben können!) Ja, und wenn Sie der Zeit voraus gewesen wären, dann hätten wir auch entsprechende Gesetze beschlossen; denn Vizepräsident Wolfgang Kubicki: es gab damals eine schwarz-gelbe Regierung, die sich mit Vielen Dank, Herr Kollege Aumer. – Damit schließe solchen Themen hätte auseinandersetzen können. Ich ich die Aussprache. glaube, dass man die Ernsthaftigkeit dieses Themas nicht Tagesordnungspunkt 14 a kommt nun zur Abstim- kleinreden darf. Unsere Aufgabe muss sein, dafür zu sor- mung. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage gen, dass den Menschen ein Lohn zukommt, von dem sie auf Drucksache 19/27319 an die in der Tagesordnung gut leben können, aber auch die Mechanismen unserer aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere sozialen Marktwirtschaft nicht aus dem Blick zu verlie- Überweisungsvorschläge? – Das sehe ich nicht. Dann ren. verfahren wir wie vorgeschlagen. Ich komme zurück auf meine Einschätzung zu den Tagesordnungspunkt 14 b. Beschlussempfehlung des Anträgen von Linken und Grünen. Das Kernziel von Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der den Linken und den Grünen ist – Sie haben es nur nicht Fraktion Die Linke mit dem Titel „Gesetzlicher Mindest- so formuliert; der Herr Birkwald hat es ein kleines biss- lohn in einmaligem Schritt auf 12 Euro erhöhen“. Der chen angedeutet –: Ja, eigentlich wollen wir ja nur Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf 12 Euro, aber 13 Euro wäre der richtige Mindestlohn. Drucksache 19/22296, den Antrag der Fraktion Die Linke (Zurufe von der LINKEN) auf Drucksache 19/20030 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Genau das ist der Punkt. Wir können nicht einfach sagen: Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung Wir fangen jetzt wieder von vorne an, zwar wurde der bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ge- Mindestlohn auf 12 Euro festgesetzt, aber wir machen gen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stim- dann 13 Euro. Denn das wäre tatsächlich die politische men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Einflussnahme, die wir nicht wollen. Tagesordnungspunkt 14 c. Beschlussempfehlung des (Zuruf der Abg. Susanne Ferschl [DIE LIN- Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der KE]) Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Mindest- Das andere große Ziel, das Sie in Ihren Anträgen durch lohn erhöhen, durchsetzen und die Mindestlohnkommis- die Blume aufzeigen, ist, dass man den Mindestlohn in sion reformieren“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Zukunft an das Medianeinkommen koppeln soll. Wenn Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/28481, den An- 27978 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache f) Erste Beratung des von der Bundesregierung (C) 19/22554 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält die Bereitstellung flächendeckender sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung bei Enthal- Schnellladeinfrastruktur für reine Batte- tung der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Frak- rieelektrofahrzeuge (Schnellladegesetz – tion von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der SchnellLG) übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Drucksache 19/28184

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 37 a bis 37 i, 37 k Überweisungsvorschlag: bis 37 u, 37 w, 37 x, 37 z bis 37 cc und 37 ee sowie Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Zusatzpunkte 3 a bis 3 e auf: Haushaltsausschuss g) Erste Beratung des von der Bundesregierung 37 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung nationaler Regelungen an die Durchführung der Verordnung (EU) Durchführungsverordnung (EU) 2019/947 2019/816 sowie zur Änderung weiterer der Kommission vom 24. Mai 2019 über Vorschriften die Vorschriften und Verfahren für den Drucksachen 19/27432, 19/28140 Betrieb unbemannter Luftfahrzeuge Überweisungsvorschlag: Drucksache 19/28179 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Inneres und Heimat Überweisungsvorschlag: Ausschuss Digitale Agenda Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Haushaltsausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz b) Erste Beratung des von der Bundesregierung h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur eingebrachten Entwurfs eines Vierten Ge- Weiterentwicklung der Treibhausgasmin- setzes zur Änderung des Binnenschiff- derungs-Quote fahrtsaufgabengesetzes Drucksachen 19/27435, 19/28183 Drucksache 19/28125

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie i) Erste Beratung des von der Bundesregierung (B) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (D) Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung zes zur Änderung des Chemikaliengeset- zes – Bekämpfung des illegalen Handels c) Erste Beratung des von der Bundesregierung mit fluorierten Treibhausgasen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie Drucksache 19/28181 (DiRUG) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Drucksache 19/28177 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Überweisungsvorschlag: k) Erste Beratung des von der Bundesregierung Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss Digitale Agenda Zusammenführung von Krebsregisterda- Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO ten d) Erste Beratung des von der Bundesregierung Drucksache 19/28185 eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Überweisungsvorschlag: Vereinheitlichung des Stiftungsrechts Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 19/28173 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) l) Erste Beratung des von der Bundesregierung Ausschuss für Kultur und Medien eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Ausschuss Digitale Agenda dem Protokoll vom 15. Dezember 2020 e) Erste Beratung des von der Bundesregierung zur Änderung des Abkommens vom eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 29. November 1996 zwischen der Bundes- Änderung gebührenrechtlicher und weite- republik Deutschland und der Republik rer Vorschriften über das Befahren der Estland zur Vermeidung der Doppelbe- Bundeswasserstraßen durch die Schiff- steuerung auf dem Gebiet der Steuern fahrt vom Einkommen und vom Vermögen Drucksache 19/28176 Drucksache 19/28117

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Finanzausschuss Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27979

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) m) Erste Beratung des von der Bundesregierung Soziale Elternschaft rechtlich absichern (C) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. Oktober 2020 Drucksache 19/20864 zur Änderung des Abkommens vom Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) 17. November 2011 zwischen der Bundes- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend republik Deutschland und dem Fürsten- tum Liechtenstein zur Vermeidung der s) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doppelbesteuerung und der Steuerver- Dr. Gero Clemens Hocker, Frank Sitta, kürzung auf dem Gebiet der Steuern Carina Konrad, weiterer Abgeordneter und vom Einkommen und vom Vermögen der Fraktion der FDP Drucksache 19/28116 Ergebnisorientierten Insektenschutz mit Landwirten umsetzen Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Drucksache 19/26779 n) Erste Beratung des von der Bundesregierung Überweisungsvorschlag: eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Ge- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) setzes zur Änderung des Steuerbeamten- Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- Ausbildungsgesetzes schätzung Drucksache 19/28167 t) Beratung des Antrags der Abgeordneten Überweisungsvorschlag: Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer, Finanzausschuss Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordne- o) Erste Beratung des von der Bundesregierung ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu GRÜNEN dem Protokoll vom 31. Mai 2001 gegen Die gesundheitliche Versorgung von Men- die unerlaubte Herstellung von Feuerwaf- schen mit Behinderungen unverzüglich fen, deren Teilen und Komponenten und menschenrechtskonform gestalten Munition sowie gegen den unerlaubten Handel damit in Ergänzung des Überein- Drucksache 19/27874 kommens der Vereinten Nationen gegen Überweisungsvorschlag: die grenzüberschreitende organisierte Ausschuss für Gesundheit (f) Kriminalität Ausschuss für Arbeit und Soziales (B) (D) (VN-Feuerwaffenprotokoll) u) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulle Drucksache 19/28119 Schauws, Sven Lehmann, Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Bundesweite Studie – Sorgerechtsentzug Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe bei und Diskriminierung von Müttern p) Erste Beratung des von der Bundesregierung mit lesbischen Beziehungen und ihren eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kindern Einführung eines elektronischen Identi- Drucksache 19/27878 tätsnachweises mit einem mobilen Endge- Überweisungsvorschlag: rät Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 19/28169 Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) w) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Ausschuss Digitale Agenda Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO der Fraktion der AfD q) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge- Kurzzeitpflegeplätze in Krankenhäusern setzes zur Änderung des Finanz- und Per- bundesweit einrichten – Krankenhauss- sonalstatistikgesetzes tandorte erhalten und stärken Drucksache 19/28165 Drucksache 19/28458

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Inneres und Heimat Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Finanzausschuss Haushaltsausschuss r) Beratung des Antrags der Abgeordneten x) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Dörner, Katja Keul, Ulle Schauws, Pascal Kober, Carl-Julius Cronenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Michael Theurer, weiterer Abgeordneter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP 27980 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Kommunale Schlachthöfe erhalten – Ver- Eigenverantwortliche Altersvorsorge (C) lässliche Rahmenbedingungen schaffen erleichtern – Selbstbestimmte freiwillige Zahlungen in die gesetzliche Rentenversi- Drucksache 19/28356 cherung ermöglichen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Drucksache 19/28463 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Überweisungsvorschlag: z) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzausschuss Renata Alt, Michael Georg Link, Thomas Haushaltsausschuss Hacker, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP ZP 3 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Wagner, Dr. Bettina Hoffmann, Die europäische Perspektive der Länder Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und des Westbalkans engagiert und realistisch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorantreiben Fluglärm mindern, die Menschen in den Drucksache 19/28357 Flughafenregionen besser schützen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Drucksache 19/27211 Auswärtiger Ausschuss Überweisungsvorschlag: aa) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Tabea Rößner, Luise Amtsberg, Canan Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta Katharina Dassler, Katja Suding, Faire-Verbraucherverträge-Gesetz drin- Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter gend nachbessern und der Fraktion der FDP Drucksache 19/28442 Digitale Angebote für gering Literalisierte Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Drucksache 19/28438 Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- (B) bb) Beratung des Antrags der Abgeordneten schätzung (f) (D) Joana Cotar, Uwe Schulz, Dr. Michael Ausschuss für Arbeit und Soziales Espendiller, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Fraktion der AfD c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Digitalisierung der Polizeien und das Bun- Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Katja desprogramm Polizei 2020 zur politischen Suding, Grigorios Aggelidis, weiterer Abge- Chefsache erklären und unverzüglich ordneter und der Fraktion der FDP umsetzen Begabtenförderung und Stipendienkultur Drucksache 19/27852 stärken Überweisungsvorschlag: Drucksache 19/28439 Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- cc) Beratung des Antrags der Abgeordneten schätzung (f) Stephan Protschka, Andreas Bleck, Karsten Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Hilse, weiterer Abgeordneter und der Frak- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend tion der AfD Haushaltsausschuss Wissenschaftlich fundierter Insekten- d) Beratung des Antrags der Abgeordneten schutz statt hektischem Aktionismus – Dr. Lukas Köhler, Frank Sitta, Grigorios Deutsche Landwirte vor unverhältnismä- Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der ßigen neuen Belastungen schützen Fraktion der FDP Drucksache 19/28457 Keine Bilanzfälschung beim Klimaschutz im Verkehr – Erneuerbare-Energien- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Richtlinie RED II technologieneutral um- Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft setzen Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 19/28437 ee) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Schielke-Ziesing, Jürgen Pohl, Jörg Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Schneider, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Wirtschaft und Energie Fraktion der AfD Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27981

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- (C) , Harald Ebner, Renate ses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus- Künast, weiterer Abgeordneter und der Frak- schuss) tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 19/28503 Schweinehaltung mit Außenklimakontakt bei Afrikanischer Schweinepest und Hüh- Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz emp- nermobilstallhaltung während der Geflü- fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf gelpest sicherstellen Drucksache 19/28503, den Gesetzentwurf der Fraktion Drucksache 19/28443 Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/13552 abzu- lehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- Überweisungsvorschlag: stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist dieser Gesetz- Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten entwurf gegen die Stimmen der Fraktionen Bündnis 90/ Verfahren ohne Debatte. Die Grünen und Die Linke mit den Stimmen der übrigen Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an Fraktionen des Hauses abgelehnt. Damit entfällt nach die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. überweisen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das erkenne ich nicht. Dann verfahren wir wie vorge- Tagesordnungspunkt 38 c: schlagen. Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 d und richts des Ausschusses für Recht und Verbrau- 38 f bis 38 u sowie Zusatzpunkt 4 auf. Es handelt sich um cherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aus- Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, sprache vorgesehen ist. Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zunächst Tagesordnungspunkt 38 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Zeitpunkt des Versorgungsausgleiches anpas- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- sen setzes zur Änderung des Versorgungsaus- Drucksachen 19/17793, 19/28503 gleichsrechts Drucksache 19/26838 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Be- schlussempfehlung auf Drucksache 19/28503, den An- (B) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- (D) trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache ses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus- 19/17793 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- schuss) empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Drucksache 19/28503 sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen die Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz emp- Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Grünen bei Enthaltung der Fraktion FDP mit den Stim- Drucksache 19/28503, den Gesetzentwurf der Bundesre- men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. gierung auf Drucksache 19/26838 anzunehmen. Ich bitte Tagesordnungspunkt 38 d: diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des tungen: keine. Dann ist dieser Gesetzentwurf gegen die von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen der wurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung übrigen Fraktionen des Hauses in zweiter Beratung ange- vom 17. Dezember 2020 zur Änderung der nommen. am 25. November 1986 unterzeichneten Dritte Beratung Vereinbarung über die Bereitstellung und den Betrieb von Flugsicherungseinrichtungen und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem und -diensten durch EUROCONTROL in der Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Bezirkskontrollzentrale Maastricht (Maas- Gegenstimmen? – Enthaltungen: keine. Dann ist dieser tricht Vereinbarung) Gesetzentwurf in dritter Lesung gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Drucksache 19/27524 nen des Hauses angenommen. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Tagesordnungspunkt 38 b: ses für Verkehr und digitale Infrastruktur Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- (15. Ausschuss) neten Katja Keul, Luise Amtsberg, Canan Bayram, weiteren Abgeordneten und der Frak- Drucksache 19/28479 tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ver- empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache sorgungsausgleichsgesetzes 19/28479, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 19/13552 Drucksache 19/27524 anzunehmen. 27982 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Zweite Beratung Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- (C) und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem lung auf Drucksache 19/28520, den Antrag der Fraktion Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – der FDP auf Drucksache 19/23104 abzulehnen. Wer Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? – Wer enthält stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt sich? – Dann ist dieser Gesetzentwurf gegen die Stimmen dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschluss- der AfD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen Die empfehlung gegen die Stimmen der Fraktionen der FDP Linken und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen und der AfD bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 38 f: Tagesordnungspunkt 38 i: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Inneres und Heimat Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales Filiz Polat, Dr. Konstantin von Notz, Kai (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Pascal Kober, Michael Theurer, Jens Beeck, wei- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ausbildungsprogramme für Imame und isla- Digitale Lernförderung von Kindern in der mische Religionsbedienstete in Deutschland Grundsicherung schaffen fördern Drucksachen 19/27806, 19/28482 Drucksachen 19/6102, 19/25176 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 19/28482, den Antrag der Fraktion lung auf Drucksache 19/25176, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/27806 abzulehnen. Wer Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/6102 abzu- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschluss- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist empfehlung gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der Frak- Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ tionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit den Die Grünen mit den Stimmen der anderen Fraktionen Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- des Hauses angenommen. men. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peti- Tagesordnungspunkt 38 g: tionsausschusses, Tagesordnungspunkte 38 j bis 38 u. (B) (D) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Tagesordnungspunkt 38 j: richts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Dr. Achim Kessler, Susanne Ferschl, Matthias tionsausschusses (2. Ausschuss) W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Sammelübersicht 836 zu Petitionen Fraktion DIE LINKE Drucksache 19/27906 Hinterbliebene entlasten – Totenscheine durch die gesetzliche Krankenkasse finanzieren Es handelt sich um 110 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Gegenstim- Drucksachen 19/8274, 19/25827 men: auch keine. Dann ist diese Sammelübersicht ein- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- stimmig angenommen. lung auf Drucksache 19/25827, den Antrag der Fraktion Tagesordnungspunkt 38 k: Die Linke auf Drucksache 19/8274 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist diese Be- tionsausschusses (2. Ausschuss) schlussempfehlung gegen die Stimmen der Fraktion Die Sammelübersicht 837 zu Petitionen Linke mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hau- ses angenommen. Drucksache 19/27907 Tagesordnungspunkt 38 h: Es handelt sich um 109 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Ich sehe, das ist einstimmig so angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Bildung, Forschung Tagesordnungspunkt 38 l: und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jens tionsausschusses (2. Ausschuss) Brandenburg (Rhein-Neckar), Dr. h. c. Thomas Sattelberger, Katja Suding, weiterer Abgeordne- Sammelübersicht 838 zu Petitionen ter und der Fraktion der FDP Drucksache 19/27908 Deutsch-schweizerischen Bildungs- und For- Es handelt sich um 69 Petitionen. Wer stimmt dafür? – schungsaustausch stärken Auch hier sehe ich, die Sammelübersicht 838 ist einstim- Drucksachen 19/23104, 19/28520 mig angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27983

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Tagesordnungspunkt 38 m: Sammelübersicht 844 zu Petitionen (C) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Drucksache 19/27914 tionsausschusses (2. Ausschuss) Es handelt sich um 2 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Sammelübersicht 839 zu Petitionen Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist Drucksache 19/27909 diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der AfD- Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Es handelt sich hier um 18 Petitionen. Wer stimmt Hauses angenommen. dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Tagesordnungspunkt 38 s: Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktio- tionsausschusses (2. Ausschuss) nen des Hauses angenommen. Sammelübersicht 845 zu Petitionen Tagesordnungspunkt 38 n: Drucksache 19/27915 Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuss) Es handelt sich um 10 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist Sammelübersicht 840 zu Petitionen diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktio- Drucksache 19/27910 nen von AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit den Es handelt sich um 9 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist men. diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der AfD- Tagesordnungspunkt 38 t: Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 38 o: Sammelübersicht 846 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuss) Drucksache 19/27916 Sammelübersicht 841 zu Petitionen Es handelt sich hierbei um 35 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Drucksache 19/27911 Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der (B) Es handelt sich um 6 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Fraktionen von AfD, FDP und Die Linke mit den Stim- (D) Ich sehe, das ist einstimmig der Fall. Dann ist die Sam- men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. melübersicht 841 einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 38 u: Tagesordnungspunkt 38 p: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuss) tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 847 zu Petitionen Sammelübersicht 842 zu Petitionen Drucksache 19/27917 Drucksache 19/27912 45 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage- Es handelt sich um 3 Petitionen. Wer stimmt dafür? – gen? – Dann ist diese Sammelübersicht mit den Stimmen Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi- diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktio- tionsfraktionen bei keinen Enthaltungen trotzdem ange- nen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stim- nommen. men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Zusatzpunkt 4: Tagesordnungspunkt 38 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- tionsausschusses (2. Ausschuss) schusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Sammelübersicht 843 zu Petitionen zu dem Streitverfahren vor dem Bundesver- Drucksache 19/27913 fassungsgericht 2 BvR 547/21 Es handelt sich um 10 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Drucksache 19/28500 Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktio- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- nen FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen mit den lung auf Drucksache 19/28500, dem Streitverfahren bei- Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- zutreten. men. Mir ist mitgeteilt worden, dass das Wort für eine Erklä- Tagesordnungspunkt 38 r: rung zur Abstimmung gewünscht wird. Das Wort hat der Kollege Albrecht Glaser. Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses (2. Ausschuss) (Beifall bei der AfD) 27984 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Albrecht Glaser (AfD): die europäischen Verträge die beanspruchte Kompe- (C) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- tenz zur Schuldenfinanzierung der EU nicht herge- ren! Die AfD-Fraktion wird sich bei dieser Abstimmung ben. enthalten. Das Kreditaufnahmeverbot der EU wird durchbrochen. Unter dem Schutz der Coronakrise versucht die Euro- kratie, die EU in eine Haftungs- und Schuldenunion Die Budgethoheit des Bundestages wird über Jahr- umzuwandeln. Dazu bricht sie EU-Recht und versucht, zehnte hinaus in unvorhersehbarer Weise eingeschränkt, dies listenreich zu verbergen. Es geht um viel Geld und Artikel 79 III. damit um viel Macht. Der Plan wurde bereits im Frühjahr Ein Eckpfeiler der EU, das Verbot der Haftung der EU- 2020 ausgeheckt, als noch niemand den Verlauf der Coro- Mitgliedstaaten untereinander, wird eingerissen, Arti- nakrise vorhersehen konnte. kel 125 AEUV. – Ich komme zum Schluss, Herr Präsi- Am 24. März hat der Bundestag nach einer verkürzten dent. Debatte mit großer Mehrheit dem sogenannten EU- Die gesamte Struktur des Stabilitäts- und Wachstums- Eigenmittelbeschluss zugestimmt. Damit wird der Kom- pakts der EU wird zum Einsturz gebracht. mission erlaubt, „erstmals“ in der Geschichte der EU erhebliche Mittel „am Kapitalmarkt aufzunehmen“ – Dies alles sind auch Ultra-vires-Akte, welche unsere über 800 Milliarden Euro –, so schreibt es der Bundes- Verfassung verletzen. Aus diesem Grund hat die AfD- rechnungshof, und großteils schenkweise an die Mit- Fraktion im Deutschen Bundestag am Karsamstag eine gliedstaaten zu verteilen. Und es geht um Zugriffsrechte Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. der EU auf 4 Billionen Euro Haushaltsmittel der Mit- gliedstaaten. Herzlichen Dank. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der AfD) GRÜNEN]: Quatsch! Das ist doch falsch, was Sie erzählen!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Dies sei nur „vorübergehend“ – gemeint sind damit die Vielen Dank, Herr Kollege Glaser. nächsten 38 Jahre. Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Der Bundesrat hat eilig durch Umstellung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/28500? – Wer Tagesordnung am 25. März die Entscheidung des Bun- stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Be- destages bestätigt. Man darf annehmen, dass der Herr schlussempfehlung bei Enthaltung der Fraktion der AfD (B) Bundespräsident noch am darauffolgenden Wochenende mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses (D) die Entscheidung ausgefertigt hätte, wenn ihm nicht das angenommen. Bundesverfassungsgericht auf Antrag von mehr als Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a bis 15 h auf. Es 2 000 Angehörigen der echten Zivilgesellschaft dies handelt sich um weitere Wahlen zu Gremien. Diese Wah- untersagt hätte. len werden wir mittels Handzeichen durchführen. Der Kredit der EU soll für Zwecke verwendet werden, die nahezu nichts mit der Coronakrise zu tun haben. Es ist Tagesordnungspunkt 15 a: nach Aussage der EU-Kommission „das größte Konjunk- Wahlvorschlag der Fraktion der AfD turpaket aller Zeiten“ – Zitat –; man kann diesen Begriff auch abkürzen. Die Tilgung des Kredits soll ab 2028 Wahl eines Mitglieds des Kuratoriums der erfolgen. Der amtierende Finanzminister hat damit also „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden nichts mehr zu tun. Sofern andere EU-Mitgliedstaaten Europas“ ihre Tilgungsleistungen nicht erbringen oder erklären, Drucksache 19/27278 dass sie hierzu nicht imstande seien, kann die Kommis- sion andere Staaten ersatzweise zur Leistungserbringung Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt heranziehen – für Deutschland ein maximales Haftungs- dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist dieser Wahl- risiko von 770 Milliarden Euro. vorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. (Zuruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Tagesordnungspunkt 15 b: Wir stehen … vor der größten Weichenstellung in Wahlvorschlag der Fraktion der AfD der Geschichte der Europäischen Union seit Einfüh- rung des Euro. Es ist … die teuerste Veränderung Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der und … auch der größte Bruch vertraglicher Ver- „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ pflichtungen. Drucksache 19/27279 So schreibt es der angesehene Europarechtler Professor Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt Herdegen. Er schreibt auch: dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist auch dieser Noch vor einem Jahr herrschte nicht nur in der Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion Rechtswissenschaft, sondern auch in den meisten mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses europäischen Hauptstädten die Ansicht vor, dass abgelehnt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27985

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Tagesordnungspunkt 15 c: Wer stimmt für den Wahlvorschlag der Fraktion der (C) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD AfD auf Drucksache 19/27284? – Wer stimmt dagegen? – Wiederum keine Enthaltungen. Dann ist auch dieser Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses Drucksache 19/27280 abgelehnt. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt Tagesordnungspunkt 15 h: dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist auch dieser Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion Wahl eines Mitglieds des Stiftungsrates der mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses „Stiftung Haus der kleinen Forscher“ abgelehnt. Drucksache 19/27285 Tagesordnungspunkt 15 d: Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt Wahlvorschlag der Fraktion der AfD dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist auch dieser Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der Wahlvorschlag gegen die Stimmen der Fraktion der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und AfD mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses Zukunft“ abgelehnt. Drucksache 19/27281 Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a bis 16 c auf: Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt a) – Zweite und dritte Beratung des von den dagegen? – Wiederum keine Enthaltungen. Dann stelle Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- ich fest, dass dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen brachten Entwurfs eines Gesetzes zur der AfD-Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Errichtung der Bundesstiftung Gleich- nen des Hauses abgelehnt wurde. stellung Tagesordnungspunkt 15 e: Drucksache 19/27839 Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates der Frauen und Jugend (13. Ausschuss) „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gemäß § 19 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Drucksache 19/28521 (B) Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Deut- – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- (D) sches Historisches Museum“ schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 19/27282 Drucksache 19/28522 Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- dagegen? – Wiederum keine Enthaltungen. Dann ist auch desregierung dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD-Frak- tion mit den übrigen Stimmen des Hauses abgelehnt. Ressortübergreifende Gleichstellungsstra- tegie der Bundesregierung Tagesordnungspunkt 15 f: Drucksache 19/21550 Wahlvorschlag der Fraktion der AfD c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Wahl eines vom Deutschen Bundestag zu be- Berichts des Ausschusses für Kultur und nennenden Mitgliedes des Kuratoriums des Medien (22. Ausschuss) Deutschen Instituts für Menschenrechte ge- mäß § 6 Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Geset- – zu dem Antrag der Abgeordneten Simone zes über die Rechtsstellung und Aufgaben des Barrientos, Dr. Petra Sitte, Doris Deutschen Instituts für Menschenrechte Achelwilm, weiterer Abgeordneter und (DIMRG) der Fraktion DIE LINKE Kulturarbeit fair, divers und geschlech- Drucksache 19/27283 tergerecht gestalten Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt – zu dem Antrag der Abgeordneten Erhard dagegen? – Enthaltungen: keine. Dann ist dieser Wahl- Grundl, Ulle Schauws, Tabea Rößner, vorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den weiterer Abgeordneter und der Fraktion Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tagesordnungspunkt 15 g: Eine Quote für die Kunst – Geschlech- Wahlvorschlag der Fraktion der AfD tergerechtigkeit in Kultur und Medien Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates der Drucksachen 19/26873, 19/26888, „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dikta- 19/28355 tur“ Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Drucksache 19/27284 beschlossen. 27986 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Es gibt keinen Platzwechsel. Dann eröffne ich die Aus- scheidungsträger/-innen, die vielen gleichstellungspoliti- (C) sprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin schen Verbände, die Wissenschaft, aber auch die Wirt- Josephine Ortleb, SPD-Fraktion, das Wort. schaft, die letztendlich auch in hohem Maße von vollständiger Gleichstellung profitieren wird. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Josephine Ortleb (SPD): Ob beim jährlich stattfindenden Gleichstellungstag oder Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und bei der Zusammenarbeit innerhalb der Stiftung: Die Stif- Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Von der ers- tung wird all diese Akteure und Akteurinnen mit ihrem ten Idee bis zum tatsächlichen Gesetz vergeht in der unterschiedlichen Wissen und Blickwinkeln zusammen- Regel viel Zeit. Eine politikwissenschaftliche Theorie bringen und den Dialog untereinander fördern. verortet diese Zeitspanne bei ganzen 30 Jahren. Schne- ckentempo statt Turbo – davon ist insbesondere die Nach diesem Prinzip haben wir auch den Aufbau und Gleichstellung in Deutschland leider bis heute geprägt. das Profil der Stiftung angelegt: Der Stiftungsrat und der Dabei verursacht die Ungleichbehandlung der Ge- -beirat sind zum Beispiel bei der inhaltlichen Ausgestal- schlechter immer noch extreme Diskriminierung in unse- tung der Stiftungsarbeit eng miteinander verwoben. Der rer Gesellschaft. Das nehmen meine Fraktion und ich Stiftungsbeirat wird eine unüberhörbare Stimme bei der nicht länger hin. inhaltlichen Ausrichtung der Stiftung sein. Das heißt zum Beispiel, es wird kein Arbeitsprogramm ohne die Ein- (Beifall bei der SPD) beziehung der Expertise des Stiftungsbeirates geben. Mit der Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung Die Stiftung wird auch eine Beratungsfunktion haben. werden wir Gleichstellung beschleunigen und für sie Dabei wird sie eine Strahlkraft in die Politik entfalten. einen echten Turbo einschalten. Ich bin froh, dass wir Da sind wir uns sicher. für die Gründung der Stiftung keine 30 Jahre gebraucht (Beifall bei der SPD) haben, sondern es an dieser Stelle deutlich schneller ging. Am Anfang des Prozesses stand eine gemeinsame Idee: Sie wird zentral da wirken, wo die ganzheitliche, ressort- die Errichtung einer starken Institution, die der strukturel- übergreifende Betrachtung und Umsetzung der Gleich- len Benachteiligung von Frauen eine strukturelle Antwort stellungspolitik des Bundes stattfindet; denn sie soll unter entgegensetzt. So haben schon früh Verbände, Initiativen, anderem die Geschäftsstelle für die Gleichstellungsbe- Stiftungen, Gewerkschaften und kommunale Gleichstel- richte und die Erarbeitung der Gleichstellungsstrategie lungsbeauftragte ihre Anforderungen und Erwartungen der Bundesregierung – und die erste behandeln wir heute an unsere Stiftung formuliert und an uns herangetragen. hier mit – übernehmen. (B) (D) Als Koalitionsfraktionen haben wir uns schon vor über Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Stiftung hat einem Jahr auf den Weg gemacht, viel diskutiert, viel das Potenzial und die Kraft, langfristig den Kulturwandel politisch verhandelt und diese Idee nach und nach mit für eine geschlechtergerechte Gesellschaft herbeizufüh- Leben gefüllt. Vielen Dank an das Ministerium und die ren. Ich bitte hier nochmals um breite Zustimmung, um Ministerin – sie kommt gerade – und insbesondere an diese wirklich sehr gute Idee gemeinsam Wirklichkeit , Daniela Behrens und ihr Team, die diesen werden zu lassen. Weg begleitet und unterstützt haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir haben es am Ende geschafft, eine tragbare Stiftung der CDU/CSU) auf die Beine zu stellen, die eine starke innere Verfasst- heit hat und die durch den Haushalt für die nächsten Jahre abgesichert ist. Für uns ist klar: Das ist ein Anfang. Die Vizepräsident in : Stiftung muss dann aber auch weiter anwachsen. Vielen Dank. – Das Wort geht an Thomas Ehrhorn von der AfD-Fraktion. Unsere Idee wird heute zu einem tatsächlichen Gesetz. Sie wird Wirklichkeit, und sie wird wirklich einen Mehr- (Beifall bei der AfD) wert für die Gleichstellung in Deutschland bringen. Die- ser Einschätzung sind auch die Sachverständigen am Thomas Ehrhorn (AfD): Montag in der Anhörung gefolgt. Diesen Mehrwert bringt Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei auf- uns die Stiftung durch verschiedene Ansätze. Sie wird einanderfolgende Plenarwochen, zweimal dasselbe De- Wissen bereitstellen und beraten, unterstützen und ver- battenthema: Bundesstiftung Gleichstellung – heute er- netzen, sie wird neue Impulse setzen und Gleichstellung weitert um rot-grüne Quotenträume. Falls jemand daran mehr Sichtbarkeit verleihen. Dieser Vernetzungscharak- denken sollte, es hätte sich seit dem letzten Mal irgend- ter und das Bereitstellen und Bündeln von Wissen ist etwas geändert: Nein, ich muss Sie enttäuschen, wir sind insbesondere für die kleinen Verbände und die Kommu- noch immer dagegen. nen in der Fläche extrem wichtig. Das haben wir auch am Montag gehört. Für mich stellt sich allerdings eine andere Frage: Soll ich wirklich noch einmal darauf hinweisen, Wir verstehen die Stiftung auch als Bindeglied zwi- schen all denen, die wir für eine echte tatsächliche (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem Gleichstellung brauchen. Das sind die politischen Ent- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27987

Thomas Ehrhorn (A) dass gerade Hunderttausende von Gewerbetreibenden in für sie abschaffen wird. Man überlegt, ob man nicht auch (C) unserem Land im Begriff sind, Leistungsverweigerern ein bedingungsloses Grundein- (Ulli Nissen [SPD]: Man muss nicht reden!) kommen zahlen könnte. Und wenn in den Vereinigten Staaten ein Schwarzer erschossen wird, entdeckt man ihre Existenzen zu verlieren, während dieser Bundesre- über Nacht auch in der deutschen Polizei strukturellen gierung offenkundig nichts Besseres einfällt, als zwei- Rassismus. stellige Millionenbeträge für feministische Ideologiepro- jekte aus dem Fenster zu werfen? Ja, und diejenigen, die nach so viel verständnisvollem Einsatz für ihre ureigenen Interessen noch immer nicht (Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordne- bereit sind, mitzusingen im roten Chor der Blöden, denen ten der SPD und der LINKEN – Erhard Grundl kann man ja immer noch einreden, dass wir übermorgen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein alle sterben werden, wenn nicht grüne Heilsbringer und Schmarren!) die kleine Greta höchstselbst dafür sorgen, dass wir not- Soll ich wirklich noch einmal erklären, dass die im falls auch im nationalen Alleingang mit dem Autofahren Grundgesetz garantierte Chancengleichheit nicht überall aufhören und über Nacht alle unsere Kraftwerke abstel- und immer automatisch zur 50-prozentigen Parität führen len. kann? Die Stellen bei der Müllabfuhr sind ja auch nicht (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Daran sieht mit 50-prozentiger Parität mit Frauen besetzt. man schon, dass Sie das Thema gar nicht ver- (Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- stehen!) NEN]: So ein Quatsch! – Zuruf von der SPD: Nein, meine Damen und Herren, es wird Zeit, zu Sie reden Müll!) begreifen, dass es nicht um Umweltschutz geht, nicht Aber ich glaube, diese Debatte führt uns hier nicht um Minderheiten, nicht um Frauenrechte, und bei der weiter. Lohnender ist es, einmal darüber zu sprechen, gewünschten Masseneinwanderung geht es auch nicht welches die versteckte Agenda linker Politik ist, um die um Humanismus – es geht um kulturmarxistische Dekon- es hier wirklich geht. Und auch wenn sich die heutige struktion und Spaltung der Gesellschaft, um Zerschla- CDU diesen Realitäten verweigert, tatsächlich geht es gung von funktionierenden Strukturen um Dekonstruktion der Gesellschaft. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des GRÜNEN]: Thema!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und konservativen Werten, um auf den Trümmern die Es geht um gesellschaftlichen Umbau, es geht roten Ideo- neue sozialistische Utopie aufzubauen. (B) logen und grünen Rattenfängern darum, die Bevölkerung (D) zu täuschen, (Zuruf von der SPD: Oi, oi, oi!) (Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir wünschen uns für unser Land etwas anderes. NEN]: Wer hat Ihnen den Quatsch aufgeschrie- Unser Motto ist: „Deutschland. Aber normal.“ Denn wir ben?) sind die Partei der arbeitenden Menschen. Vertuschung der eigentlichen Absichten durch geschick- Vielen Dank. tes Framing. (Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. Erhard (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Bettina Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stark-Watzinger [FDP]: Das können Sie am Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) besten!) Meine Damen und Herren, auch ohne allzu große poli- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: tische Vorbildung Das Wort geht an Nadine Schön von der CDU/CSU- Fraktion. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir sind hier im Deutschen Bundestag!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und sollte für jeden erkennbar sein, wie linke Politik funk- der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Dr. Franziska tioniert: Man sucht sich irgendeine gesellschaftliche Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt Gruppe, gerne auch Minderheiten, denen man einreden aber wieder Qualität!) kann, die böse Gesellschaft, vertreten durch den alten weißen Mann, würde ihnen ihre gottgegebenen Rechte Nadine Schön (CDU/CSU): vorenthalten. – Warum tut man das? Weil man längst Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und erkannt hat, dass die Arbeiterklasse für marxistischen Kolleginnen! Kollege Ehrhorn von der AfD, wovor ha- Klassenkampf nicht zu gewinnen und für Sozialismus ben Sie Angst? nicht zu begeistern ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (Beifall bei der AfD) SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- Deshalb sollen es nun andere sein, die den Weg in die NISSES 90/DIE GRÜNEN) neue Gesellschaft bahnen. Ob schwul, divers oder queer, Wovor haben Sie Angst, wenn Sie tatsächlich die Ein- man fordert für sie eine Ehe für alle, man fordert Inklu- führung einer Gleichstellungsstiftung für mehr Gleichbe- sion für Sonderschüler, fabuliert von angeblichen struk- rechtigung von Frauen und Männern hinstellen als den turellen Benachteiligungen von Frauen, die man natürlich Versuch der Dekonstruktion der Gesellschaft? 27988 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Nadine Schön (A) ( [AfD]: „Gleichberechti- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: (C) gung“ ist nicht „Gleichstellung“!) Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage Also da muss wirklich viel Angst mitschwingen. Ich sage des Abgeordneten Münz? Ihnen aber: Sie brauchen keine Angst zu haben! Uns geht es mit dieser Stiftung um eines: um die Verwirklichung Nadine Schön (CDU/CSU): unseres Verfassungsauftrages. Ja, sehr gerne. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Dr. Franziska Brantner Volker Münz (AfD): [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, Frau Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz: Frauen und Männer sind Kollegin Schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. gleichberechtigt. Und – immer weiterlesen; lernt man Kollegin Schön, ist Ihnen bekannt, dass es einen Unter- schon im Jurastudium –: schied gibt zwischen Chancengleichheit und Ergebnis- Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der gleichheit? Wir leben doch in einem Land, in dem Frauen Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Bundeskanzlerin werden können, Verteidigungsministe- wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. rin werden können. Wer hindert Frauen daran, sich zu bewerben? Wer hindert sie daran? Ich kann das nicht Und genau darum geht es auch bei dieser Stiftung. erkennen. (Dietmar Friedhoff [AfD]: Gleichberechtigung Wir haben nicht in allen Fällen Ergebnisgleichheit, ist keine Gleichstellung! – Martin Reichardt aber das ist auch nicht erforderlich. Im Grundgesetz steht [AfD]: War die Verfassung vorher nicht in „Gleichberechtigung“ und nicht „Gleichstellung“. Bitte Kraft? Wie lange arbeiten Sie schon daran?) nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass es ein Unter- So steht es in unserem Grundgesetz, und das ist der Ver- schied ist und dass es auf die Chancengleichheit an- fassungsauftrag, den wir auch als Politikerinnen und Poli- kommt und nicht auf die Ergebnisgleichheit. tiker haben. (Dietmar Friedhoff [AfD]: Da steht „Gleich- Nadine Schön (CDU/CSU): berechtigung“, nicht „Gleichstellung“!) Sehr geehrter Herr Kollege, da gebe ich Ihnen sogar recht. Auch wir wollen und fordern keine Ergebnisgleich- – Tatsächlich, da steht „Gleichberechtigung“. heit. Aber wir fordern, dass das, was auf dem Papier steht, Und jetzt sagen Sie: Es ist doch alles gut, Frauen kön- nämlich eine Gleichberechtigung, auch in der Realität (B) nen doch Astronautinnen werden und Bundeskanzlerin, Wirklichkeit werden kann. (D) Frauen dürfen auch Vorständin werden. – Aber auf einen weiblichen Vorstand in einem börsennotierten Unterneh- (Dietmar Friedhoff [AfD]: In der Tagesord- men kommen neun Männer, auf eine Bürgermeisterin nung steht: „Bundesstifung Gleichstellung“!) neun männliche Bürgermeister. Und wenn es so ist, dass tatsächlich weiterhin 90 Prozent (Volker Münz [AfD]: Wer hindert die Frauen der Führungspositionen von Männern besetzt sind, wenn daran, sich zu bewerben? – Martin Reichardt es so ist, dass Frauen halb so viel Rente bekommen wie [AfD]: Wie viele weibliche Müllmänner kom- Männer, men auf einen männlichen Müllmann?) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Wir haben eine Rentenlücke von 45 Prozent. „Pech ge- falsch! Das ist falsch, Frau Kollegin!) habt“, sagen Sie, „Pech gehabt; dann haben die Frauen dann haben wir offensichtlich ein Problem beim Thema halt nur halb so viel Rente im Alter wie die Männer – sie Gleichberechtigung, dann müssen wir die Strukturen so hätten doch die Möglichkeit, mehr zu verdienen.“ Liebe ändern, dass das, was auf dem Papier steht, auch in der Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie haben diesen Wirklichkeit als Ziel erreicht wird. Deshalb brauchen wir Gleichberechtigungsauftrag aus unserer Verfassung völ- nicht über Begrifflichkeiten zu streiten. Unser Ziel ist, lig falsch verstanden. Unser Auftrag ist, Strukturen zu dass Frauen gleiche Rechte haben und die auch durch- schaffen, damit das, was im Grundgesetz auf Papier steht, setzen können. auch Wirklichkeit wird; das ist unser Auftrag, und da können Sie sich gerne noch eine Lehrstunde abholen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir können das über Gesetze machen. Aber als Union sagen wir auch: Wir wollen das nicht alles über Gesetze Und diesen Auftrag können wir auf vielerlei Art und machen; wir glauben nicht, dass es gut ist, jedes gesell- Weise verwirklichen, zum einen durch Gesetze. Ja, das schaftliche Problem durch ein Gesetz zu lösen; wir glau- machen wir. Wir schaffen Rahmenbedingungen, damit ben nicht, dass man alles vorschreiben, regeln und regu- das gelingt, etwa beim Thema „Mehr Frauen in Füh- lieren kann. rungspositionen“, was wir gerade beraten, oder auch durch das Elterngeld oder beim Ausbau der Kitabetreu- Wir sind der Meinung, dass es besser ist, Vorbilder zu ung. All das machen wir, um Rahmenbedingungen zu schaffen, voneinander zu lernen, dass es besser ist, die schaffen, manchmal aber auch, wie beim Führungsposi- Probleme zu verstehen, zu schauen: Wo sind denn genau tionen-Gesetz, durch ganz konkrete Vorgaben. die Hindernisse, die dazu führen, dass Frauen eben nicht Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27989

Nadine Schön (A) in die Vorstandsetagen kommen? Woran liegt es, dass die Männern erreichen können. Ich freue mich auch über (C) Rente so ungleich verteilt ist? Woran liegt es, dass die die Idee, auf Bundesebene eine Stelle dafür einzurichten. Bezahlungen so unterschiedlich sind? Allerdings möchte ich ausdrücklich sagen, dass ich die- Wenn wir verstanden haben, wo die tiefer gehenden sen Meilenstein gerne viel ausführlicher mit Ihnen disku- Probleme liegen, können wir auch verschiedene tiert hätte. Dann hätten wir die Chance gehabt, tatsächlich Lösungswege suchen. Es gibt tolle Modelle, wo man einen neuen Impuls für dieses Land, für unsere Gesell- sieht, dass Kinder nicht mit Stereotypen groß werden schaft zu setzen und einen echten Kulturwandel einzu- müssen. Es gibt tolle Netzwerke, denen es gelingt, Struk- leiten. turen zu ändern und aufzubrechen. Es gibt Studien, die Wir als FDP hätten uns gewünscht: mehr Kreativität sehr genau belegen, warum es gläserne Decken in Unter- und weniger Schema F; mehr Innovationskraft und we- nehmen gibt, und Modelle, wie man sie überwindet. niger Selbstzweck; mehr Zukunftsvisionen und klarere Als Mutter von zwei Jungen sage ich auch: Lasst uns Ziele statt einfach nur blind drauflos. Für uns als Freie nicht nur von den Mädchen und Frauen reden, es geht Demokraten ist nämlich ganz klar: Wir starten bei der auch um die Jungen und Männer. Auch diese leiden unter Grundüberzeugung. Eine geschlechtergerechte Gesell- Stereotypen. Wir brauchen mehr Männer in Kitas. Und schaft ist effizienter, agiler und zukunftsfähiger. wir brauchen mehr Männer, die Kind und Karriere ver- (Beifall bei der FDP) einbaren können; denn das wünschen sich Männer genau- Wir Liberale setzen auf die Vielfalt in unserer Gesell- so wie Frauen. schaft, auf verschiedene Perspektiven und Talente. Wie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zum Beispiel Seeyda. Sie ist gut ausgebildet, will und der SPD) kann als Mutter weiterhin als Ärztin arbeiten und in der Und mit dieser Stiftung wollen wir genau das transpa- Klinik aufsteigen; denn sie teilt sich die Aufgaben mit rent machen. Wir schaffen damit zum ersten Mal auf der ihrem Mann, und das ganz selbstverständlich. Oder Bundesebene eine Struktur, die sich wissenschaftlich Lena. Sie programmiert Apps, weil sie in der Schule fundiert Fragen der gerechten Partizipation von Frauen neben den Fremdsprachen auch Coding gelernt hat. Wir und Männern widmet, die sich vorhandene Konzepte an- haben also ein breites Wissen über erfolgreiche Frauen schaut und sie weiterträgt, die Kompetenzen in der und darüber, dass wir gelebte Gleichberechtigung nur Gleichstellungspolitik bündelt und es schafft, dass man miteinander gestalten können. voneinander lernt. Dieses Wissen gilt es stärker zu kommunizieren und Nicht alles mit Gesetzen lösen, nicht alles regulieren hinauszutragen in unsere Gesellschaft mit ganz neuen und regeln, sondern Vorbilder schaffen, voneinander Narrativen. Denn wussten Sie schon, dass eine Frau die (B) (D) lernen, die Kreativität unseres Landes nutzen, um die Solarenergie maßgeblich nutzbar gemacht hat? Ja, es war gesellschaftlichen Probleme anzugehen, das ist unsere die Biophysikerin Maria Telkes. Oder wussten Sie, dass Herangehensweise an das Thema. Wir unterstützen die viele Väter gerne mehr Elternzeit nehmen würden? Ich Bundesstiftung Gleichstellung sehr, weil sie genau das finde das wunderbar! Deshalb machen wir es möglich, schaffen soll. machen wir es selbstverständlich. Anerkennung statt Ausgrenzung für mehr Zeit für die Familie. Solche Vor- Ich wünsche mir, dass wir nicht nur die bekannten bilder braucht unser Land! Themen wie „Frauen in Führungspositionen“ und „glei- che Bezahlung“ angehen, sondern uns in dieser Stiftung (Beifall bei der FDP) auch mit den Fragen beschäftigen, welche neuen Heraus- Deutschland verschläft hier einmal mehr den Fort- forderungen auf uns zukommen, wie wir es schaffen, dass schritt, wenn wir nicht endlich begreifen, worauf es tat- Frauen die digitale Welt von morgen mitgestalten. Das ist sächlich ankommt: Echte Verwicklungschancen gelingen ein moderner Auftrag, der an diese Stiftung geht. Deshalb nur mit innovativen Ansätzen. Denken wir also neu! Den- bin ich froh, dass wir sie heute auf den Weg bringen. ken wir um! Denken wir daran, dass auch das Design Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass einer Bundesstiftung ganz anders sein kann; denn wir wir heute diese Stiftung in zweiter und dritter Lesung leben im 21. Jahrhundert. hoffentlich mit einer großen Mehrheit in diesem Haus Die Lust auf Veränderung muss sichtbar werden, mei- beschließen werden. ne Damen und Herren. Wie Sie schon wissen: Dazu be- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) darf es eines echten Innovationsinkubators für mehr Experimentierräume und Pilotprojekte, für Vernetzung und voneinander Lernen, für Signale der Transformation. Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Diesen Spirit, diesen Geist hätte auch der Gesetzentwurf Vielen Dank. – Das Wort hat Nicole Bauer von der atmen können. Dann hätten wir hier und heute auch zu- FDP-Fraktion. stimmen können. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP)

Nicole Bauer (FDP): Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Danke. – Das Wort hat Doris Achelwilm von der Frak- wir heute einmal wieder darüber sprechen, wie wir in tion Die Linke. Zukunft mehr Chancenverwirklichung von Frauen und (Beifall bei der LINKEN) 27990 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Doris Achelwilm (DIE LINKE): dem Lehrbuch, wie man Frauen deckelt und eine Männer- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! quote versteckt! Das Gleichstellungsverständnis hinter Selbstverständlich – auch wir als Linke sind dafür, dass diesem Dreh lässt tief blicken. Gleichstellungspolitik hier ausgebaut wird. Der vor Wir hoffen, dass diese neue Stiftung besser läuft als der Kurzem veröffentlichte weltweite Gender Gap Report Weg dahin, und werden uns weiter dafür starkmachen. 2021 über die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen fiel ja wieder nicht so ruhmreich aus. Deutschland Vielen Dank! hat besonders mit geschlechtergerechten Einkommen (Beifall bei der LINKEN – Stefan Keuter und Renten ein dickes Problem. Wenn die Bundesstiftung [AfD]: Wovor haben Sie denn Angst bei dieser künftig dazu beiträgt, dass der Rückstau im Gleichstel- Männerquote?) lungsbereich erfolgreich weniger wird, dann ist das gut und nötig. Aber der Weisheit letzter Schluss ist das Stif- tungskonzept noch nicht. Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Danke sehr. – Das Wort hat Ulle Schauws von der (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jahrzehntelang haben organisierte Frauen und Verbän- de so eine Vernetzungsstelle bei der Regierung gefordert. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In anderen Ländern Europas arbeiten vergleichbare Ein- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- richtungen teils seit den 80er-Jahren. Dass hierzulande ren! Wird, was lange währt, nun endlich gut? Nein, leider derweil wenig passierte, damit mag die jetzige GroKo gilt dieses Sprichwort für unser heutiges Thema nicht. nur bedingt zu tun haben, aber sie holt Versäumtes auch Jetzt, wo die so lange erwartete Bundesstiftung Gleich- kein Stück weit ein. Und dass der Beschluss zur Gleich- stellung endlich kommt, auf den letzten Koalitionsdrü- stellungsstiftung dafür auf den letzten Metern dieser cker, werden Sie hektisch und beratungsresistent. Sie Wahlperiode besonders zackig über die Bühne gehen peitschen das Verfahren in drei Tagen durch, anstatt einer musste, das macht die Sache nicht besser. guten Idee die bestmögliche fachliche Überarbeitung zu (Beifall bei der LINKEN) gönnen. Nach langem Stillstand so kurzfristig dieses Gesetz Bei der Anhörung am Montag haben Sie Hausaufga- durchzuziehen, das zeitlich kaum bearbeitet werden ben aufbekommen, und die haben Sie nicht gemacht. Die konnte, aber eigentlich noch verbessert werden muss – vielen Verbände sind enttäuscht; wir sind enttäuscht. Wir das passt nur für die GroKo super zusammen. hätten dieser Stiftung gerne aus voller Überzeugung zu- (B) gestimmt, aber, Kolleginnen und Kollegen, nach der gest- (D) Was alles inhaltlich halbgar bleibt, dazu drei Punkte: rigen Ausschusssitzung sind eklatante Schwachstellen im Erstens. Die Handlungskompetenzen der Stiftung sind Gesetz geblieben. Das können wir Grüne so leider wirk- zu weich formuliert. Institutionen haben machtpolitische lich nicht mittragen. Bedeutung. Es gibt dauerhafte Ressourcen, und diese (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sollten nicht nur dem Frauenministerium dienstleistend zuarbeiten, sondern Einfluss nehmen, indem Gesetzesfol- Wir wollen nicht, dass die Stiftung zum verlängerten gen gleichstellungspolitisch bewertet und gesteuert wer- Arm des Frauenministeriums wird, und wir wollen keine den. Leider sind solche Ziele nicht definiert. verfassungswidrige Vorgabe. Aber genau das ist trotz Ihres Änderungsantrages zur Besetzung des Direktori- Zweitens sollten die Organe der Stiftung, der Rat und ums immer noch der Fall. Der Deutsche Juristinnenbund der Beirat, unabhängiger aufgestellt sein. Es wäre ein hat in der Anhörung darauf hingewiesen, dass eine Män- wichtiges Signal, dass der Stiftungsrat nicht nur aus nerquote für das Direktorium verfassungswidrig ist. Quo- Ministerin und Abgeordneten besteht, sondern Sachver- ten kann es nur für strukturell benachteiligte Gruppen stand aus der Praxis und Wissenschaft in seine Mitte auf- geben. Das sollte das BMFSFJ eigentlich wissen. nimmt. Das muss spätestens in der nächsten Legislatur nachgeholt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Jetzt haben Sie die binäre Besetzung für das Direkto- rium aufgehoben – richtig so –, aber die faktische Män- Drittens. Das interessante Direktorium. In der An- nerquote bleibt immer noch eine Option. Für die Beset- hörung gab es scharfe Kritik, weil der Gesetzentwurf zung der anderen Gremien bleibt die Diskriminierung für für die Stiftungsleitung eine Doppelspitze Frau-Mann „divers“. Ich verstehe nicht, wieso Sie das nicht besser vorsieht. 50:50-Parität ist hier nämlich nichts besonders machen. Fortschrittliches, sondern eine Männerquote in einer Domäne, in der nicht zufällig viele Frauen arbeiten, son- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dern aus Frauenkämpfen heraus. Auf den richtigen Hin- sowie der Abg. Doris Achelwilm [DIE LIN- weis von Sachverständigen, dass die vorgesehene Pro- KE]) Männer-Parität nicht nur politisch falsch, sondern wohl Und das ginge wirklich leicht: Sie müssten erstens für das auch verfassungswidrig ist, wurde jetzt mit einem Ände- Direktorium vorgeben, dass dieses mindestens mit einer rungsantrag der GroKo so reagiert, dass die Doppelspitze Frau besetzt werden muss. Das wäre nicht nur verfas- aus – ich zitiere – „zwei Personen unterschiedlichen Ge- sungsgemäß, das wäre auch geboten. Sie müssten zwei- schlechts“ bestehen soll, „darunter eine Frau“. Neues aus tens die Erfahrung und Expertise der Zivilgesellschaft in Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27991

Ulle Schauws (A) die Stiftung holen, und zwar in den Stiftungsrat. Die von Vermögensverteilung, die ungleichen Einkommen und (C) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und von Ver- Renten an. Es geht um das Verhältnis der Arbeit: Wen bänden ehrenamtlich geleistete Arbeit muss entsprechend findet man in welchen Branchen, und wie werden Belas- entschädigt werden. tungen und Können anerkannt und bewertet? Es geht Drittens. Die Stiftung muss unabhängig, intersektional auch um das Verhältnis der Zeit: Wer arbeitet eigentlich und finanziell gut ausgestattet arbeiten können. Teilzeit, und warum sind dort die Stundenentgelte niedri- ger? Wer arbeitet in unbezahlter Sorgearbeit und wie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) viel? Im europäischen Vergleich sind die meisten Gleichstel- Macht, Geld, Arbeit und Zeit: Es geht darum, das lungsinstitute in Europa deutlich besser ausgestattet. Das alles – und noch viel mehr – künftig qualifiziert in einem ist mit dieser Vorgabe tatsächlich ein Armutszeugnis. Haus zu erfassen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Das Die Vorschläge sind wichtig. Sie sind vor allen Dingen ist tatsächlich, wie es der Deutsche Frauenrat formuliert, auch machbar. Sie wären ein guter Start für dieses so fundamental. Darum bringen wir den Gesetzentwurf heu- wichtige Projekt, auf das so viele Verbände seit drei Jah- te auf den Weg. ren warten. Dieses Gesetz ist leider kein guter Start. Wir (Beifall bei der SPD) Grüne bedauern das außerordentlich. Die Zimmer des Hauses werden von Zeit zu Zeit Vielen Dank. renoviert werden, wenn neue, andere Fragestellungen aufkommen. Die Pandemie werden wir überwinden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und wenn wir sie überwunden haben und uns umschauen, werden wir sehen, dass die Gleichberechtigung zwischen Vizepräsident in Dagmar Ziegler: den Geschlechtern immer noch nicht hergestellt ist. Und Vielen Dank. – Das Wort geht an Leni Breymaier von dann werden alle, die willig sind, denen das Thema am der SPD-Fraktion. Herzen liegt, sich freuen, dass es diese Stiftung gibt. (Beifall bei der SPD) Mit diesem Haus, mit dieser Stiftung stärken wir alle, die sich für Gleichstellung starkmachen. Ich danke allen, die aktiv daran gearbeitet und das verhandelt haben. Ich Leni Breymaier (SPD): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und nenne unsere Kollegin Josephine Ortleb, die Ministerin, Herren! Ja, mitten in der dritten Welle der Pandemie ist die Staatssekretärin und Silvia Breher. Es ist einfach für die Frauen in Deutschland heute ein Tag der Freude. großartig, wie ihr das zustande gebracht habt. Vielen Wir beschließen heute die Bundesstiftung Gleichstellung. Dank dafür. Ich freue mich und wünsche all denen, die (B) in der Stiftung arbeiten werden, ganz gutes Gelingen. (D) Dieses künftige Haus der Gleichstellung kann und Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. wird unter seinem Dach Heimat der gleichstellungspoliti- schen Kompetenzen in Deutschland sein. In einem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zimmer soll die Gleichstellungsstrategie des Bundes ein- der CDU/CSU) ziehen. Künftige Gleichstellungsberichte können aus dem Werkraum des Hauses kommen. Das geballte Wis- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: sen zur Gleichstellungspolitik kann vom Wohnzimmer Vielen Dank. – Zum Abschluss der Debatte spricht dieses Hauses aus transferiert werden, ist der Öffentlich- Silvia Breher von der CDU/CSU-Fraktion. keit, der Politik, Gleichstellungsbeauftragten, Verbänden, Gewerkschaften und allen, die am Thema arbeiten, (Beifall bei der CDU/CSU) zugänglich. Wie hätte ich mir als Frauensekretärin meiner Gewerkschaft ein solches Haus gewünscht. Silvia Breher (CDU/CSU): (Martin Reichardt [AfD]: Hätten Sie sich mal Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen lieber für ordentliche Löhne eingesetzt! Das und Kollegen! Trotz aller Bedenken, die von Ihnen geäu- hätte den Frauen mehr geholfen!) ßert wurden: Heute ist ein guter Tag; denn wir bringen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, mit diesem Gesetz Wie hätten wir uns in den örtlichen Frauenvereinen, im die Bundesstiftung Gleichstellung auf den Weg. Ich Kreisfrauenrat, in Landesfrauenräten – in all den Zusam- möchte mich bei meinen Kollegen Nadine Schön und menhängen, in denen frauenpolitisch gearbeitet wird – für die gemeinsame Arbeit bedanken, gefreut, wenn wir ein solches Haus gehabt hätten, wo beim Ministerium und der Ministerin und natürlich auch die Kompetenz gebündelt wird. bei den Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Danke, (Beifall bei der SPD) dass wir das so gut und einvernehmlich auf den Weg bekommen haben; dass alles so gut gelingt wie in diesem Ja, das Ziel ist die Gleichberechtigung – das hat Ihnen Fall, können wir weiß Gott nicht immer von uns behaup- Frau Professorin Pfarr am Montag in der Anhörung ja ten. fein erklärt –; Gleichstellung ist der Weg. Bei Gleichstel- lung geht es immer um das Verhältnis zwischen Frauen (Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/ und Männern, und zwar ganz konkret. Es geht um das DIE GRÜNEN]) Verhältnis der Macht: Schauen wir uns die Zusammen- Über den Gesetzentwurf haben wir in der vergangenen setzung der Parlamente und Führungspositionen an. Es Sitzungswoche schon gesprochen. Deswegen, glaube ich, geht um das Verhältnis des Geldes: Schauen wir uns die müssen wir heute nicht mehr über alle Inhalte sprechen. 27992 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Silvia Breher (A) Allerdings möchte ich doch noch mal auf eines eingehen: Uns als Fraktion war es auch wichtig, dass wir eine (C) Gleichstellung ist nicht Gleichmacherei. Gleichstellung schlanke, eine effiziente Stiftung bekommen und wir als heißt für mich und für uns nicht, dass es eine Ergebnis- Fraktionen dieses Hauses eng mit dem Stiftungsrat gleichheit gibt; das heißt es auch per Definition nicht. Die zusammenarbeiten werden. Die Zivilgesellschaft ist Professorin Pfarr vom Deutschen Juristinnenbund hat es auch eingebunden, und zwar durch den Stiftungsbeirat. in der Anhörung ausführlich erklärt: Gleichstellungspoli- Dort ist genau die Schnittstelle – vom Stiftungsbeirat in tik ist der Weg zur Erfüllung unseres Auftrages in Arti- den Stiftungsrat –, um die inhaltliche Arbeit mit der Zivil- kel 3 Grundgesetz. gesellschaft zu vernetzen. Dafür haben wir uns eingesetzt und das entsprechend aufgebaut. Dazu gibt es eben die (Beifall bei der CDU/CSU) Möglichkeit, die entsprechenden Fachbeiräte zu berufen. Sie ist der Weg zur Gleichberechtigung. Das haben wirk- Auch da haben wir in der Anhörung bereits wesentliche lich alle verstanden, nur die Kollegen von der AfD nicht. interessante Ideen entwickelt, die zeigen, was wichtig ist, was erste Arbeitsschwerpunkte sind. Diese werden wir (Martin Reichardt [AfD]: Es gibt einen Unter- entsprechend auf den Weg bringen. schied zwischen Gleichstellung und -berechti- gung!) Die Anhörung hat auch ergeben: Wir haben bereits Das ist schon komisch; denn Ihr Kollege Herr Ehrhorn eine gut aufgestellte Gleichstellungs- und Genderfor- hat zehn Minuten lang die Professorin befragt – zehn schung in Deutschland. Es war also richtig, im Rahmen Minuten nur zu diesem Thema –, und sie hat es Ihnen dieser Stiftung nicht einen Forschungsschwerpunkt zu erklärt, immer wieder. Aber anscheinend verstehen Sie es setzen. Die Entwicklung der Ideen aus der Forschung nicht. heraus, die Zurverfügungstellung der Forschungsergeb- nisse sollen Schwerpunkte dieser Stiftung sein. Ich darf Sie kurz erinnern: Wir haben seit 2015 ein Bundesgleichstellungsgesetz. Wir haben eine gemeinsa- Was uns – letzter Punkt – noch wichtig war: dass wir me Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung, und die Hoheit über die Bundesmittel hier im Parlament wir haben deutschlandweit Gleichstellungsbeauftragte; behalten, dass dieses Parlament über die Bundesmittel das wissen Sie. für die Stiftung immer wieder neu entscheiden wird. Ein Antrag von Ihnen in der Vergangenheit bestand Am Ende darf ich noch einmal sagen: Dies ist ein guter darin, die Position der Gleichstellungsbeauftragten auch Tag für die Gleichstellungspolitik in Deutschland – für mit einem Mann zu besetzen. Das ist dann aber auch die Frauen, aber auch für die Männer in Deutschland. schon alles, was Ihrer Fraktion zu diesem Thema einfällt. Trotz aller Kritik bitte ich um Ihre Zustimmung zu die- sem wichtigen Schritt und unserem wirklich guten Pro- (B) (Martin Reichardt [AfD]: Ist aber richtig!) jekt in dieser Legislatur. (D) Das ist schon bemerkenswert, aber eigentlich auch nicht, Vielen Dank. wenn man in Ihre Reihen guckt. Wenn ich Ihre Zwischen- rufe so höre, dann denke ich manchmal: Wenn alle Men- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schen nur dann reden würden, wenn sie wirklich was zu sagen haben, dann würde mancher die Sprache verlieren. Vizepräsident in Dagmar Ziegler: (Martin Reichardt [AfD]: Dann wären Sie ja Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. schon gegangen! Da haben Sie recht! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dann wäre es Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak- sehr still in diesem Hause!) tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzent- wurf zur Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung. Jeder in Deutschland muss die gleichen Chancen im Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Leben haben, gleiche Chancen auf ein selbstbestimmtes empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache Leben, gleiche Chancen, sich zu verwirklichen. Aber das 19/28521, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ haben wir in Deutschland noch nicht erreicht. Männer CSU und SPD auf Drucksache 19/27839 in der Aus- und Frauen haben eben nicht immer die gleichen Verwir- schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die klichungschancen; das haben uns die Sachverständigen dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen einvernehmlich alle noch einmal bestätigt. wollen, um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Was wünschen die Engagierten sich in diesem Be- der SPD, der CDU/CSU. Gibt es Gegenstimmen? – Das reich? Sie wünschen sich Informationen, Beratung, Ver- ist die Fraktion der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Fraktio- netzung ihrer Organisationen, weil es oft ehrenamtliche nen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Der Arbeit ist und sie einfach keinen Zugriff auf diese Infor- Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenom- mationen haben. Deswegen wird ein wesentlicher Bau- men. stein unserer Stiftung die Information, die Beratung und Dritte Beratung die Vernetzung der Kommunen, die Vernetzung von Bund und Ländern, aber auch von Zivilgesellschaft, Wis- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem senschaft und Wirtschaft sein. Mir persönlich war es auch Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – wichtig, einen besonderen Blick auf den ländlichen Raum Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist zu richten und dort die gleichstellungspolitischen Unter- der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen schiede zwischen Stadt und Land noch mal genauer zu die Stimmen der AfD bei Enthaltung der FDP, der Frak- betrachten. tion Die Linke und der Grünen angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27993

Vizepräsident in Dagmar Ziegler (A) Es liegt eine Erklärung zur Abstimmung nach § 31 Die Lage auf dem Boden unserer Meere ist alarmie- (C) der Geschäftsordnung zu diesem Tagesordnungspunkt rend. Seit Jahren verschließen wir die Augen vor dem, vor.1) was sich tief in unserer Nord- und unserer Ostsee abspielt. Wir müssen jetzt handeln, die Munition rostet Tagesordnungspunkt 16 b. Die Unterrichtung durch vor sich hin und vergiftet bereits heute die Umwelt. Auch die Bundesregierung über ihre ressortübergreifende für Menschen bestehen Gefahren, zum Beispiel durch Gleichstellungsstrategie auf Drucksache 19/21550 wurde angeschwemmte Schadstoffe. Es gibt auch die Sorge, zur Kenntnis genommen. dass zukünftig Giftstoffe durch Fisch in unsere Nah- Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und rungskette gelangen können. Wir müssen diese ökologi- Medien auf Drucksache 19/28355. Der Ausschuss emp- sche Katastrophe endlich ernst nehmen. Wir haben es im fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die wahrsten Sinne des Wortes mit einer tickenden Zeitbom- Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf be zu tun. Drucksache 19/26873 mit dem Titel „Kulturarbeit fair, divers und geschlechtergerecht gestalten“. Wer stimmt Mit der Gefahr lässt der Bund die Länder bislang wei- für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Fraktio- testgehend allein. Man hat fast den Eindruck, in Berlin nen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD. Wer stimmt gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn. Kampfmittelbeseiti- dagegen? – Fraktion Die Linke, Fraktion Bündnis 90/ gung ist ja Ländersache. – Daher brauchen wir endlich Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Bewegung. Wir fordern die Regierung heute dazu auf, Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. endlich das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh- (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen DIE GRÜNEN) auf Drucksache 19/26888 mit dem Titel „Eine Quote für Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, Politik ist dafür die Kunst – Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und da, Probleme frühzeitig zu lösen und nicht mit viel größ- Medien“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – erem Aufwand zu reagieren, wenn es bereits zu spät ist. Das sind die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD. Gegenprobe! – Fraktionen Die Linke und Bünd- (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ nis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Sehe ich DIE GRÜNEN) nicht. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Unsere Meere sind wichtige Ökosysteme, die es zu schüt- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: zen gilt. Wir reden hier von einer der größten, wenn nicht Beratung des Antrags der Fraktionen FDP und sogar der größten Herausforderung, die uns in unseren (B) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Meeren in den nächsten Jahren bevorsteht. Die Aufgabe (D) und der Aufwand sind gewaltig. Deshalb müssen wir jetzt Munitionsaltlasten in den Meeren bergen und massiv in Forschung und Organisation von Bergung und umweltverträglich vernichten Vernichtung der Munitionsaltlasten investieren. Das sind Drucksache 19/26339 wir nicht nur unserer Bevölkerung, nein, das sind wir auch unserer Umwelt schuldig. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Ausschuss für Wirtschaft und Energie Verteidigungsausschuss DIE GRÜNEN) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten fordern wir, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln. Für beschlossen. die gute Zusammenarbeit möchte ich mich in aller Form Ich eröffne die Aussprache, wenn der Platzwechsel – hier herzlich bedanken. hoffentlich schnell – erfolgt ist. Die noch Stehenden bitte ich, sich zu entscheiden: sich zu setzen oder zu gehen. (Beifall bei der FDP) Das gilt für SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU. Wir müssen jetzt alle zuständigen Ministerien mit den Einige Abgeordnete sind hier einfach zu viel am Platz. – Ländern an einen Tisch bringen. In Kooperation mit den Vielen Dank. bestehenden Forschungseinrichtungen muss ein ge- Olaf in der Beek eröffnet die Aussprache. meinsamer Plan entwickelt werden. Und vor allen Din- gen muss der Bund seiner finanziellen Verantwortung (Beifall bei der FDP) gerecht werden. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird uns das Problem über den Kopf wachsen. Das würde noch Olaf in der Beek (FDP): viel mehr Geld, aber auch die Gesundheit von Menschen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- kosten und das ökologische Gleichgewicht unserer Meere legen! Stellen Sie sich vor: Ein Güterzug mit 30 000 Wag- ins Wanken bringen. gons, rund 375 Kilometer lang, rollt an Ihnen vorbei. Wir verfügen jetzt schon über starke Forschungsein- Oder mit anderen Worten: 1,6 Millionen Tonnen. So richtungen an verschiedenen Standorten in ganz Nord- viel versenkte Munition liegt Schätzungen zufolge auf deutschland. Mehrmals konnte ich mir ein Bild vor Ort dem Grund der Nord- und der Ostsee. machen. Ich bin beeindruckt von dem Einsatz unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Lassen Sie 1) Anlage 7 uns in einem gemeinsamen, vom Bund koordinierten 27994 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Olaf in der Beek (A) Kraftakt diese Expertise verstärken. Wir müssen die der Gefahrenabwehr in wesentlichen Teilen bei unseren (C) Basis schaffen, um unsere Meere Stück für Stück von Bundesländern. Hierbei erfahren sie aber – im Gegensatz diesen tickenden Zeitbomben zu befreien. zu dem, was der Kollege der FDP gesagt hat – durchaus (Beifall bei der FDP, der SPD und dem die Unterstützung des Bundes mit Übernahme – Stand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) heute – von bis zu 50 Prozent der Kosten. Auch weltweit wird diese Expertise gefragt sein; denn Aber natürlich kommt auch die Bundesregierung ihrer Munitionsbelastung in Meeren ist kein deutsches Pro- Verantwortung nach. Das tut sie vor allem in der Zusam- blem, sondern ein weltweites Phänomen. So können menarbeit mit den Ländern: ob in der Bund/Länder- auch andere Staaten und vor allen Dingen die Weltmeere Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee oder auch regel- von deutscher Expertise profitieren. mäßig in den Konferenzen unserer Umweltminister. Die Bundesregierung fördert und unterstützt seit Jahren For- Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns einen schung sowie technische und organisatorische Entwick- großen Schritt für unsere Meere tun und dieses wichtige lungen zur Erfassung und Bergung von Munitionsresten Projekt endlich gemeinsam angehen. Lassen Sie uns über in unseren Meeren. Wir sind dabei weltweit führend. Ob alle Fraktionen hinweg ein Zeichen setzen. Es liegt an uns im UDEMM-Projekt oder auf internationaler Ebene bei allen, jetzt den entscheidenden Schritt in die richtige DAIMON und DAIMON 2: Der Bund trägt hierzu eine Richtung zu gehen. Nicht nur die Menschen in den Küs- Menge bei, auch finanziell. tenregionen unseres Landes, nein, auch die Bewohner des Meeres und die Umwelt werden es uns danken. Wir Im Einzelfall übernimmt der Bund auch Kosten bei der freuen uns auf die zielführenden Debatten im Ausschuss. Gefahrenabschätzung und bei der Kampfmittelbeseiti- gung, soweit der Schiffsverkehr gefährdet ist oder eigene Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Baumaßnahmen durchgeführt werden müssen. Zudem (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ werden Aktivitäten der Kampfmittelräumdienste der DIE GRÜNEN) Länder durch unsere Wasserstraßen- und Schifffahrtsver- waltung unterstützt. Man kann nun wirklich nicht sagen, dass sich der Bund bei diesem Thema vollkommen Vizepräsident in Dagmar Ziegler: heraushält. Vielen Dank. – Das Wort geht an Astrid Damerow von der CDU/CSU-Fraktion. Ebenfalls zu kurz kommt in Ihrem Antrag unserer Ansicht nach die internationale Dimension dieses Prob- (Beifall bei der CDU/CSU) lems. Auf diplomatischem Wege war Deutschland bisher Vorreiter und wird es auch in Zukunft sein, um auch das (B) Astrid Damerow (CDU/CSU): Problembewusstsein bei den Anrainern am Leben zu (D) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! erhalten, vor allem im Ostseeraum, aber durchaus auch 1,6 Millionen Tonnen Altmunition alleine in deutscher im Nordseeraum. Ein gemeinsames Problembewusstsein Nord- und Ostsee, ausgesetzt der fortschreitenden Korro- wird immer die Grundlage für einen länderübergreifen- sion und vor allem in der Nordsee natürlich den Gezeiten, den Lösungsansatz sein. Ganz aktuell hat Deutschland ob als Beifang in der Fischerei, als Schadstoff aus Abbau- den Vorsitz der HELCOM, und die Munitionslast im produkten in Fischen und Muscheln, als explosives Hin- Meer ist hier zu einem Schwerpunktthema erklärt wor- dernis für den Ausbau und die Entwicklung von Häfen, den. Schifffahrtsrouten, Pipelines, Kabeltrassen oder Off- Ich möchte auch darauf hinweisen – Sie wissen das –, shorewindparks oder als fälschlicherweise wie Bernstein dass meine Fraktion und unser Koalitionspartner aktuell anmutender Strandfund – Altmunitionsreste sind ein in der Abstimmung eines Antrages zu genau diesem The- erhebliches Umweltproblem und ein leider durchaus ma sind. Es gab dazu auch Gespräche mit Ihnen. Hier war auch schwer einzugrenzendes Sicherheitsrisiko für der Kollege Peter Stein maßgeblicher Initiator, der hierzu Mensch und nicht zuletzt auch für die Natur in unseren nachher noch sprechen wird. Sie sehen also: Das Problem Meeren. Dazu kommt: Bergung und Vernichtung sind ist bei uns durchaus erkannt. Die Bundesregierung hat in aufwendig und sehr kompliziert. den letzten Jahren dieses Thema ständig auf ihrer Agenda Verehrte Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und der gehabt. FDP, die Intention und die Zielrichtung Ihres Antrages (Olaf in der Beek [FDP]: Dann machen Sie es teilen wir ja durchaus; es hat ja dazu im Vorfeld schon doch!) Gespräche gegeben. Auch uns ist die Größe der Muni- tionsmengen vollkommen klar. Wir alle, wie Sie auch, Diese Darstellung, das wäre nicht so, möchte ich nun wissen, dass die Problemlösung ein Marathon ist. Im wirklich zurückweisen. Aber selbstverständlich müssen Gegensatz zu Ihnen will ich aber darauf hinweisen, dass wir noch mehr wissen. Die Wissenschaft schreitet voran, wir und die Bundesregierung sich schon sehr lange in die technologische Entwicklung schreitet voran. Wir diesem Marathon befinden, und das auch sehr aktiv. müssen all dies zusammenbringen. Deshalb möchte ich hier auch noch mal appellieren: Ich glaube, wir sind alle Die Komplexität, das immense Gefahrenpotenzial, die nicht so weit voneinander entfernt, was die Inhalte unse- unabsehbaren Kosten, aber auch die Fülle an betroffenen rer Anträge anbelangt, und zuständigen Institutionen und Ressorts verlangen auch in Zukunft einen verantwortungsvollen sachlichen (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umgang mit der gesamten Thematik. In Deutschland als Deshalb wollten wir ja einen Antrag mit Ihnen föderalem Staat liegt die Hauptzuständigkeit im Rahmen zusammen machen!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27995

Astrid Damerow (A) Da die Länder hier auch eine wesentliche Zuständig- – Ja, ist ja gut. – Im Zeitraum von 2004 bis 2012 wurden (C) keit haben und wir sehr unterschiedliche Länderregierun- 19 Unfälle – keine Toten – mit chemischen Kampfstof- gen haben, bin ich sehr gespannt auf die Diskussionen in fen, die Bezug auf alle Versenkungsgebiete der heute ver- unseren Ausschüssen und freue mich darauf, wenn wir botenen Kampfmittel haben, gemeldet. Das ist nicht viel, Ihren Antrag und, wenn wir es hinbekommen, dann auch aber es ist nicht nichts. unseren Antrag gemeinsam in den Ausschüssen diskutie- Dazu kommen die Einflüsse auf Flora und Fauna, die ren können und damit für das Thema und im Sinne der noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Im Übrigen hätten Menschen und auch der Umwelt einen Schritt weiter- die Antragsteller, wenn ihnen das Thema wirklich am kommen. Herzen läge, dem Haushaltsantrag der Linken zur Finan- Ganz herzlichen Dank. zierung der Beseitigung von Kampfmitteln aus den Anrainermeeren zustimmen können. Aber im Gegensatz (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. zur AfD, die grundsätzlich nach fachlicher Analyse ent- Frank Schwabe [SPD]) scheidet (Beifall des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]) Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Vielen Dank. – Das Wort hat Karsten Hilse von der und diesem Antrag im Ausschuss zustimmte, geht es bei AfD-Fraktion. den Magenta-Sozialisten und den grünen Kommunisten nur um Ideologie. (Beifall bei der AfD) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ha- ben Sie noch nie gehört! Keine Ahnung! Von Karsten Hilse (AfD): nichts!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Es gibt keine Stunde null in der Geschichte, Bevor ich zur abschließenden Bewertung dieses noch dazu in einer Geschichte, die besonders unsere ver- Antrags komme, noch eine kurze Zwischenbemerkung gangenen 150 Jahre europäischer Geschichte betreffen. für Sie. Liebe Landsleute und alle, für die Freiheit und Aus Ihrem Antrag allerdings ist ersichtlich, dass Ihnen Demokratie nicht nur hohle Phrasen sind: Mit dem Infek- der „Qualitätsleitfaden Offshore-Kampfmittel: Studien tionsschutzgesetz vom 18. November wurde die andau- zu Infrastruktur und Ressourcenmanagement“ völlig ernde Freiheitsberaubung und der permanente Ausnah- unbekannt ist und ähnliche fundierte Hinweise zur Besei- mezustand in Gesetzesform gegossen und damit die tigung von Kampfmittelaltlasten von Ihnen nicht gelesen freiheitlich-demokratische Grundordnung in großen Tei- len ausgehebelt. (B) und/oder fachlich nicht erfasst worden sind. (D) Russland, wie die USA ein Spezialist für die Produk- (Frank Schwabe [SPD]: Ah!) tion und Beseitigung von einfachen und speziellen Am nächsten Mittwoch soll hier an diesem geschichts- Kampfmitteln und Partner sowie Akteur in Europa, trächtigen Ort der nächste Schlag gegen die wichtigsten wird durch eine politisch gewollt hochgezüchtete Russ- Säulen unserer Demokratie erfolgen: die Gewaltentei- landphobie ins Abseits gestellt. Anstatt eigene nationale lung und das Föderalismusprinzip. Kompetenzzentren aufzubauen, sollten Sie die Zusam- menarbeit mit amerikanischen und vor allem russischen (Frank Schwabe [SPD]: Zur Sache!) Fachleuten suchen, wenigstens bei der Munition mit che- Wenn die neuerliche Verschärfung des Infektionsschutz- mischen Kampfstoffen, von denen zumindest für die gesetzes durchgeht, geht alle Macht nicht mehr vom Vol- Umwelt wahrscheinlich die größten Gefahren ausgehen. ke und seinen Vertretern aus, sondern von der Kanzlerin (Beifall bei der AfD) und ihren Helfershelfern. Im Rahmen des 1997 in Kraft getretenen internationa- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE len Chemiewaffenübereinkommens hat Russland im Ge- GRÜNEN]: Zur Sache!) gensatz zu den Amerikanern die Vernichtung seiner eige- Machen Sie, liebe Landsleute, Ihren Abgeordneten un- nen Kampfgase im Jahr 2017 abgeschlossen und hat missverständlich klar, was Sie von der Quasiabschaffung somit einen großen Erfahrungsschatz. Sie betonen selbst, unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hal- dass die Zeit drängt. Deshalb sollte keine Zeit vergeudet ten. werden, um, wie man so schön sagt, das Fahrrad nicht zweimal zu erfinden. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Hier geht es vor allem um die von den Russen in den Sie, werte Kollegen, gehen Sie in sich! Verhindern wir Gebieten Gotland und Bornholm versenkten deutschen diesen Staatsstreich! Beutekampfstoffe wie Adamsit, arsenhaltige Kampfstof- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE fe und Chlora- – Chloracetophenon in einem Umfang von GRÜNEN]: Hallo!) circa 9 000 Tonnen. Nehmen wir dieses Gesetz gemäß § 20 Absatz 3 der Ge- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schäftsordnung wieder von der Tagesordnung und werfen NEN]: Sie haben keine Ahnung! – Frank es dorthin, wo es hingehört, sonst werden Sie bald so wie Schwabe [SPD]: Wenigstens Ihre Mitarbeiter die, über deren Altlasten wir heute sprechen, auf Selbi- haben es gelesen!) gem landen: auf dem Müllhaufen der Geschichte. 27996 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Karsten Hilse (A) Wir freuen uns natürlich auf die Beratung zum hier die insbesondere von den Alliierten nach dem Zweiten (C) eingebrachten Antrag im Ausschuss und vor allem auf Weltkrieg in der Nord- und Ostsee verklappt worden sind, das vereinbarte öffentliche Fachgespräch. vermeintlich auf Nimmerwiedersehen. Aber es war nicht Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. auf Nimmerwiedersehen, sondern wir sehen das Ganze wieder, und zwar nicht nur wegen der Gefahr von Ver- (Beifall bei der AfD – Dr. Marie-Agnes Strack- brennungen am Strand, sondern auch wegen der Explo- Zimmermann [FDP]: Sie haben wohl lang sionsgefahr und dadurch, dass TNT-Sprengstoff freige- genug unter Wasser getaucht, oder? – Kordula setzt wird, der giftig ist, der krebserregend ist, der Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: erbgutverändernd ist. Wir reden über chemische Stoffe, Reine Propaganda ist das! Rechtsradikale Pro- die freigesetzt werden können und als Klumpen zum Bei- paganda!) spiel in Fischernetzen hängen bleiben können. Das sind chemische Kampfstoffe, Hautkampfstoffe, Nerven- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: kampfstoffe, Lungenkampfstoffe und arsenhaltige Ver- Ich möchte es heute für den Verlauf der restlichen bindungen. Das macht schon so ein bisschen die Drama- Sitzung nur einmal sagen müssen: dass wir nach der Ge- tik deutlich. schäftsordnung, auf die Sie sich gerade bezogen haben, Deswegen werden diese Kampfmittel nicht weitere möglichst in der Sache zum Thema reden und zu den 70 Jahre da unten in Nord- und Ostsee bleiben, jedenfalls Themen, die Sie ansprechen wollen, dann zu dem Zeit- nicht, ohne dass wir uns diesem Thema umfassend wid- punkt, wo es angezeigt ist. – Vielen Dank. men. Wir haben heute schon eine ganze Reihe von toxi- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) kologischen Studien. Wir sehen, welche Auswirkungen Frank Schwabe von der SPD-Fraktion hat das Wort. das Ganze auf die Meeresumwelt hat. Wir beobachten in manchen Bereichen eine gesteigerte Zahl von Fischtumo- (Beifall bei der SPD) ren. Es besteht eben die große Gefahr, dass das Ganze in die Nahrungskette gelangt und damit am Ende auch auf Frank Schwabe (SPD): den Tisch von Menschen, von Konsumentinnen und Kon- Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! sumenten. 5. August 2019, 14.57 Uhr, „Ostsee-Zeitung“: „Akute Brandgefahr: Badegast findet Phosphor – Strand von Das Ganze ist ein kompliziertes Thema. Es ist nicht Graal-Müritz geräumt“. Das liegt daran, dass das nach trivial, das Ganze zu heben, gerade auch in dieser Grö- oben kommt, was mittlerweile seit über 70 Jahren dort ßenordnung; aber es ist möglich, dieses Problem anzu- in den Meeren, in der Nordsee und in der Ostsee, versenkt gehen. Das ist auch bei einer gemeinsamen Veranstaltung (B) war. und in vielen gemeinsamen Diskussionen, die wir dazu (D) hatten, deutlich geworden. Wir haben Kapazitäten, wir Versenkt waren auch das Wissen über das, was dort haben deutsche Unternehmen, die in dem Bereich unter- verklappt wurde, und die Debatte darüber. Ich finde, es wegs sind, die am Ende helfen können, die Munition zu ist das Verdienst der Umweltverbände, der Zivilgesell- heben. In der Tat ist es dann auch eine gute Gelegenheit, schaft, aber auch von Abgeordneten dieses Deutschen mit gutem Beispiel voranzugehen und am Ende die Un- Bundestages, bei uns vor allen Dingen von Johann ternehmen in die Situation zu versetzen, dass sie in ande- Saathoff, der gleich noch spricht, Susanne Mittag und ren Teilen der Welt helfen können. vielen anderen, aber auch – das will ich ausdrücklich sagen – von Abgeordneten fast aller Fraktionen, die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sich konstruktiv an solchen Debatten beteiligen, dass sie dieses Thema aufgeworfen haben Wir können es also heben, wir können sprengen, und wir können das Ganze entsorgen. (Zuruf der Abg. Judith Skudelny [FDP]) und nach gemeinsamen Lösungen für Deutschland Wir alle fordern gemeinsam – es wäre auch gut, wenn suchen – für das, was uns direkt betrifft –, aber eben wir das hier fraktionsübergreifend durch Beschlüsse auch, weil nun mal Meere nicht an Landesgrenzen deutlich machen könnten –, dass wir weiterhin aufklären, haltmachen, Impulse für die internationale Debatte im dass wir forschen, dass wir – ganz wichtig – am Ende Rahmen der HELCOM – das betrifft die Ostseeanrainer- auch Übereinkünfte zwischen dem Bund und den Län- staaten – und der OSPAR – das betrifft die Nordseeanrai- dern hinsichtlich der Kosten des Hebens und des Entsor- nerstaaten – gesetzt und die Debatte konstruktiv vorange- gens erzielen und dass wir die internationale Kooperation bracht haben. Es waren die Kollegen Peter Stein und weiter vorantreiben. Es ist ein ernstes Thema; aber es ist Johannes Schraps, die im Rahmen von OSPAR insbeson- ein Thema, bei dem wir Umwelt, Wirtschaft und Unter- dere darauf Wert gelegt haben, dass wir diese Debatte nehmen zusammendenken und zusammenbringen kön- wirklich übergreifend führen. Wir haben ja auch entspre- nen, und es ist etwas, was wir fraktionsübergreifend auf chende Veranstaltungen gehabt und Diskussionen dazu den Weg gebracht haben. Ich glaube, das kann uns auch länderübergreifend geführt. gemeinsam ein bisschen stolz machen. Wir reden in der Tat über 1,6 Millionen Tonnen Muni- Vielen Dank. tionsaltlasten. Es ist gerade schon ein Vergleich genannt worden; man könnte es, um mal eine Vorstellung davon (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zu haben, auch mit dem Gewicht des Eiffelturms verglei- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- chen: Das wären 158 Eiffeltürme. Es geht um Altlasten, SES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27997

(A) Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Deutschland verkauft Waffen und Munition in alle Welt (C) Danke sehr. – Das Wort hat Ralph Lenkert von der und liefert später die Technik und das Know-how für die Fraktion Die Linke. Beseitigung. (Beifall bei der LINKEN) (Zuruf von der FDP: Hä?) Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher: So weit haben Sie nicht gedacht. – Die Lösung des Altlastenprob- Ralph Lenkert (DIE LINKE): lems ist uns wichtiger als Ihre Motivation. Auch Die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol- Linke will diese Altlasten schleunigst beseitigen. legen! In den deutschen Nord- und Ostseegebieten liegen, wie schon gehört, 1,6 Millionen Tonnen Minen, Spreng- (Beifall bei der LINKEN) stoffe und auch Giftgase. Durch Korrosion gelangen Treten wir also gemeinsam dafür ein, dass der Bund ent- Spreng-, Brand- und Giftstoffe in die Meere, in Hering, sprechende Forschung finanziert und sich an Bergung Dorsch, Miesmuschel oder Krabben. Mit jedem Jahr und Vernichtung der Altmunition beteiligt, egal ob die wird die Bergung schwerer. Es wachsen die Gefahren Granaten, Minen oder Bomben aus alliierten oder deut- für Umwelt, Wirtschaft, Tourismus und Fischerei. Bei schen Beständen stammen. Peenemünde auf Usedom liegen in der Ostsee noch 10 000 Spreng-, Brand- und Phosphorbomben, die bei (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: den Bombardierungen 1943 ihr Ziel verfehlten. An den Oder russischen!) Usedomer Stränden gab es durch weißen Phosphor – Und als Vorsorge gegen noch mehr Waffenentsorgung im sieht aus wie Bernstein – allein in den letzten zehn Jahren Meer schlagen wir vor: Abrüstung und den Stopp aller sieben Schwerverletzte mit Phosphorverbrennungen. Waffenexporte. Nach Kriegsende ließen die Alliierten Bomben, Muni- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes tion und Giftgasgranaten im Meer versenken. Verlegte Strack-Zimmermann [FDP]: Sie gehören auch Seeminen außerhalb von Schifffahrtslinien blieben oft abgerüstet! Wer hat denn die Rede geschrie- intakt. Notwendig wäre, die gefährlichen Kriegsüberreste ben? – Gegenruf des Abg. Matthias W. schnell zu bergen und zu beseitigen. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wissen nicht mal, dass die Russen zu den Alliierten gehörten! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Peinlich!) NIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD]) Vizepräsident in Dagmar Ziegler: (B) Aber dies scheitert oft an der Frage: Wer soll bezahlen? Vielen Dank. – Das Wort hat Steffi Lemke von der (D) Der Bund zahlt bei ehemals deutschen Bomben und Waf- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. fen. Sind es alliierte, also britische, amerikanische oder sowjetische, Kriegsüberreste, müssen die betroffenen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bundesländer ran. Deutschland hat die verbrecherischen Kriege verursacht. Für Die Linke muss die Bundesrepu- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): blik Deutschland deshalb für alle Folgen haften. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1,6 Millionen Tonnen Munitionsaltlasten – die (Beifall bei der LINKEN) Zahl ist mehrfach genannt worden – plus 5 000 Tonnen Die Linke fordert seit Jahren einen Entsorgungsfonds chemische Substanzen, die noch hinzuzurechnen sind – für alle Kriegsaltlasten, den der Bund jährlich mit min- das ist eine für die wenigsten von uns wirklich plastisch destens 50 Millionen Euro ausstatten soll. Jetzt fordert vorstellbare Menge. Das ist auch der Hauptgrund, warum auch die FDP zusammen mit den Grünen, dieses Problem die Bundesländer, die Anrainerstaaten dieses Problem anzugehen. Aber beim Lesen des Antrages beschleicht definitiv nicht alleine bewältigen können. Die schiere mich ein ungutes Gefühl. Der FDP geht es in vielen Menge ist so groß – wenn wir das aufgrund ihrer forma- Punkten um ein attraktives neues Geschäftsfeld für die len Zuständigkeit allein bei den Bundesländern belassen, Wirtschaft. wird es in der erforderlichen Zeit keine Problemlösung geben. Und die Zeit ist eben nicht unendlich; denn durch (Widerspruch bei der FDP) die Zersetzung der Kampfmittel – die Gezeiten sind genannt worden, Korrosion ist genannt worden – existiert Mit Fördermitteln sollen Forschung und Bereitstellung eine sehr bedrohliche Situation für die Ostsee, für die von Technik und Technologien zur Beseitigung dieser Nordsee, und wir reden hier im Moment nur über die militärischen Altlasten unterstützt werden, deutschen Gewässer. Deshalb muss schnell gehandelt (Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack- werden, es muss unideologisch gehandelt werden, es Zimmermann [FDP]) muss an einer praktischen Lösung orientiert gehandelt werden, und die Länder brauchen die Unterstützung des als zukünftiger Exportschlager für die deutsche Industrie. Bundes. Kolleginnen und Kollegen, da Sie aber ein Verbot von Waffenexporten ablehnen, entstände ein makabrer Wirt- Wir hatten im letzten Jahr dazu ein parlamentarisches schaftskreislauf: Frühstück; die Kollegen, die dabei gewesen sind, werden sich noch erinnern. Einer der anwesenden Unternehmer, (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: der sich mit der Räumung dieser Kampfmittel beschäf- Was?) tigte, sagte: Tolle Sache, dass ihr Abgeordneten das hier 27998 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Steffi Lemke (A) gemacht habt, aber es wird wieder nichts passieren; so Wir können nicht sagen: Für Kampfmittelbeseitigung (C) geht das schon seit 20 Jahren. – Das will ich nicht als sind halt nun mal die Länder zuständig. – Wir reden über Endpunkt in dieser Legislaturperiode für dieses Thema 1,6 Millionen Tonnen, und wir reden hier auch nicht stehen lassen. Deshalb bin ich dem Kollegen in der Beek über da mal einen Blindgänger, dort eine nicht hochge- sehr dankbar, dass wir – FDP und Grüne arbeiten ja jetzt gangene Granate oder Bombe, sondern wir reden über die nicht jeden Tag zusammen – diesen gemeinsamen Antrag Versenkungsgebiete in den deutschen Meeren, wo, um machen konnten. Wir hatten uns um einen interfraktion- damals die Truppen schnell zu entwaffnen, diese Sub- ellen bemüht, gemeinsam mit der Koalition. Das ist an stanzen, diese Granaten und Bomben, in rauen Mengen, der Union gescheitert. in enormer Vielfalt versenkt worden sind. Niemand weiß genau, wo was liegt, außer in einzelnen Gebieten, die Aber deshalb, Frau Damerow, habe ich in der Tat die unter anderem GEOMAR inzwischen kartiert hat, sodass Erwartungshaltung, dass es, wenn Sie jetzt als Koalition wir diese Kenntnisse haben. Aber das ist nicht das, was einen eigenen Antrag vorlegen, zu substanziellen Wei- normalerweise ein Landeskampfmittelbeseitigungsdienst chenstellungen kommt, damit endlich mehr als bisher macht. praktisch gehandelt wird. Es wird zu wenig geborgen, und es ist nach wie vor zu Deshalb erwarte ich gemeinsam mit Ihrer Fraktion, wenig kartiert. Aber das Hauptproblem ist, dass im dass der Bund stärker in die Mitverantwortung geht. Moment nicht praktisch herausgeholt wird und sich das Das wird definitiv eine Aufgabe für die nächste Bundes- Zeitfenster dafür schließt. Deshalb haben wir einen An- regierung sein, wer auch immer diese dann stellen wird. trag mit einem umfassenden Forderungskatalog vorge- Aber wir dürfen Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vor- legt; ich kann ihn hier aufgrund der knappen Redezeit pommern und Bremen damit nicht länger alleine lassen. nicht vortragen. Aber das Wichtigste ist, zwischen Bund und Ländern eine gemeinsame Strategie zur praktischen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Räumung zu entwickeln, dafür auch das Prozessmanage- SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf ment der Länder zu unterstützen und in die finanzielle von der FDP: Und Niedersachsen!) Mitverantwortung zu gehen. – Und Niedersachsen. – Das dürfen wir in der Tat nicht weiter zulassen; deshalb unser gemeinsamer Antrag. Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Christoph (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hoffmann? und bei der FDP)

(B) Ich will auch nicht, dass das, was im Sommer 2019 (D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): geschehen ist, als der Bund ja gehandelt hat – ich muss Bitte sehr. das jetzt zynischerweise als Handeln beschreiben –, als die Bundeswehr im Rahmen eines NATO-Manövers Dr. Christoph Hoffmann (FDP): Munition unter dem vorgeschobenen Argument der Vielen Dank für die Ausführungen. Sie haben ja gerade Sicherung von Schifffahrtsrouten gesprengt hat, unter eben kritisiert, dass bisher nichts passiert. dem Bruch von Naturschutzrecht und mit der Folge einer Vielzahl von toten Schweinswalen, wieder geschieht. Das sagt sich so dahin; aber für den Schweinswal hat Deutsch- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): land eine besondere Schutzverantwortung. Und ich bin Zu wenig! fest davon überzeugt, dass die Bundesregierung, dass die Bundeswehr, dass die Marine einen besseren Beitrag zur Bergung dieser Munitionsaltlasten leisten kann, als Dr. Christoph Hoffmann (FDP): dort wider das Naturschutzrecht zu sprengen, mit kata- Würden Sie mir zustimmen, dass vielleicht die bishe- strophalen Folgen für den Naturschutz. rige Beteiligung des Bundes in finanzieller und organisa- torischer Hinsicht viel zu gering war, um das Problem Deshalb lassen Sie uns das gerne fraktionsübergreifend wirklich zu lösen? Denn für die Bundesländer, wie Sie gemeinsam weiter konstruktiv anpacken und die nächste sagen, wäre es ja ein Riesenbrocken. Und es ist völlig Bundesregierung – wie gesagt, wer auch immer sie stel- klar, dass ich mich mit Blick auf meinen Landeshaushalt len wird – bei diesem Thema weitertreiben, damit etwas nicht freiwillig in eine solche Sache hineinstürze. Also, passiert. da müsste doch eigentlich ein bisschen mehr vom Bund kommen als die bisherigen 50 Prozent, oder? Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Da gebe ich Ihnen recht, lieber Kollege, und stimme Ihnen voll und ganz zu. Ich will nicht sagen, dass nichts passiert ist. Damit würden wir ja die Anstrengungen der Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Bundesländer und auch die zu geringen Anstrengungen Danke sehr. – Das Wort geht an Peter Stein von der des Bundes negieren, und das will ich nicht tun. Aber CDU/CSU-Fraktion. angesichts der schieren Menge und des sich schließenden Zeitfensters ist es definitiv zu wenig. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 27999

(A) Peter Stein (Rostock) (CDU/CSU): ein Finanzierungspaket, das eine faire Aufteilung bein- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! haltet, und es sollte auch die Europäische Union mit ins Ich bin auch Mitglied der Ostseeparlamentarierkonferenz Boot. und dort seit November 2019 Berichterstatter für Muni- tionsaltlasten. Ich danke an dieser Stelle meinem SPD- Und spätestens hier stoßen wir an Grenzen des national Kollegen Johannes Schraps ganz herzlich für die kolle- Machbaren; denn beispielsweise das, was im Bornholmer giale und, so möchte ich sagen, freundschaftliche Unter- Becken liegt, haben nicht die Dänen da hineingeschmis- stützung meiner Arbeit. sen. Baltische Staaten leiden unter erheblichen Belastun- gen, die auch auf sowjetische Hinterlassenschaften Es ist mir gelungen, im August 2020 einen national zurückzuführen sind. Auch nach dem Weltkrieg wurde und international beachteten Zwischenbericht der Ostsee- belastendes Material entsorgt: von Alliierten, von der parlamentarierkonferenz vorzulegen. Damit ist eine neue NVA, der Roten Armee und anderen. Dazu kommen ver- politische Dynamik ausgelöst worden, worüber wir, glau- senkte Schiffe und die Vermüllungen der Neuzeit. be ich, sehr froh sein können. Wir befinden uns aktuell kurz vor der Einbringung Das Wissen, das heute vorhanden ist, resultiert nicht eines umfassenden Koalitionsantrages, an dem intensiv zuletzt aus Auswertungen militärischer Daten. Ich wie- gearbeitet wurde. Wir haben eine thematische Besetzung derhole daher hier und heute das, was ich bereits bei der während der Nationalen Maritimen Konferenz geplant. Vorstellung des Zwischenberichts in der Ostseeparlamen- Das Europaparlament befasst sich aktiv mit dem Thema, tarierkonferenz gefordert habe: Ich bitte die russischen und letztlich werde ich im August meinen Abschlussbe- Freunde dringend um Auswertung ihrer Kriegs- und richt der Ostseeparlamentarierkonferenz vorlegen. Nachkriegsdokumentationen und um das Zur-Verfü- gung-Stellen der Ergebnisse im Dienste der Wissenschaft Ich freue mich darüber, liebe Kollegen von den Grünen und der gemeinsamen Sache, insbesondere in der Ostsee. und der FDP, dass ich sehr viele meiner Gedanken und Positionen aus dem Zwischenbericht in Ihrem Antrag Das Problem kann nur international gelöst werden. wiederfinde. Offenbar hat Sie das motiviert – spät, aber Aber wir müssen eigene Schritte einleiten und an der nicht zu spät –, mit in diese Thematik einzusteigen; Spitze der internationalen Lösungen stehen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das ist unanständig, was Sie da gerade ma- So viele Berichte! chen! Das wissen Sie!) Ich schlage daher seit Längerem neben der Startfinanzie- denn jahrelang steckte man fest. Insbesondere die Ver- rung über einen freiwilligen Geberfonds in Höhe von teilung der Zuständigkeiten und der Finanzierung der 500 Millionen Euro unter dem Dach der HELCOM die (B) nationalen Maßnahmen zwischen Bund und Ländern (D) Initiierung eines Pilotprojektes vor, mit dem Munition führte bisher nicht zu einer der bedrohlichen Situation auf hoher See geborgen und unschädlich gemacht werden angemessenen Abarbeitung des Problems. Zwar haben kann. die Bund-Länder-Arbeitsgruppen immer wieder Be- schlüsse gefasst und Vorschläge unterbreitet, aber umge- Die maritimen Technologien gibt es bereits; wir müs- setzt oder politisch weitergetragen wurde zu wenig. sen sie zur Anwendung bringen. Dadurch wird sich für (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: die maritime Wirtschaft und unsere Forscher und Ent- Sie sind doch in der Regierung!) wickler ein neuer Geschäftsbereich ergeben; denn welt- weit gibt es zahlreiche Munitionsversenkungsgebiete. Richtig ist dabei: Der Bund hat nicht alles an sich zu Fürs Erste haben wir vor unserer eigenen Haustür, vor ziehen, aber er hat stärker als bisher zu organisieren. unserer eigenen Küste, jedoch genug zu tun. (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ja, da macht mal hinne!) Wir wissen, dass wir jetzt endlich in größerem Maß- stab anfangen müssen, wir wissen, dass das viel Geld Denn angesichts der gewaltigen Mengen an Munitions- kosten wird. Daher macht es sehr viel Sinn, die damit altlasten ist das Problem in unseren nordeuropäischen verbundene Wertschöpfung nicht aus den Augen zu ver- Meeren nicht nur national oder regional zu lösen, nein, lieren. Es ist selbstverständlich in der kurzen, direkten es hat eine internationale, eine europäische Dimension. Betrachtung ein Umweltthema. Aber gelöst kriegen wir Und es ist auch bei Weitem nicht nur ein umweltpoliti- es nur, indem wir die Entsorgung des Mülls in einem sches Thema. Es betrifft auch die Bereiche der militär- maritim-industriellen Maßstab hochskalieren und damit ischen Zuständigkeiten, der maritimen Wirtschaft wie schneller, sicherer, nachhaltiger und kostengünstiger ma- beispielsweise der Fischerei, des Tourismus oder die chen. Offshore-Wirtschaft und die Schifffahrt. Es ist ein Thema der Innen- und der Außenpolitik, und es braucht den Und ich wundere mich sehr, dass dies nicht viel deutli- kompletten Baukasten von Forschung und Entwicklung. cher zur Zielrichtung der FDP geworden ist und dieser Antrag jetzt im Umweltausschuss beraten wird. Wir haben gerade in den letzten drei Jahren einen erheblichen Wissensschub erfahren. Wir wissen um die (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gefahren, die von Giftstoffen wie Senfgas oder TNT aus- Die kümmern sich halt um die Bewahrung der gehen. Wir kennen die Dimension der notwendigen Schöpfung! – Dr. Marie-Agnes Strack- Finanzierungen, und das geht natürlich über die Möglich- Zimmermann [FDP]: Sind Sie jetzt lösungsori- keiten einzelner Bundesländer hinaus. Da brauchen wir entiert, oder was?) 28000 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Peter Stein (Rostock) (A) Aber wir können uns sowohl im Umweltausschuss als Ich habe selber in Borkum gesehen, was für ein riesiger (C) auch nach der Einbringung unseres Antrages in anderen Explosionspilz dabei entsteht. Aber das sollten wir ver- Ausschüssen auf eine interessante Befassung freuen. Und meiden. So darf man Munitionsaltlasten nicht beseitigen. ich freue mich über die gemeinsame Zielstellung, die wir ja eigentlich haben. Ich könnte mir vorstellen, dass wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch bei einer gemeinsamen Zeitschiene landen können. der CDU/CSU und des Abg. Olaf in der Beek Das sehen wir, wenn wir die abschließenden Beratungen [FDP]) der Anträge hier in diesem Parlament hinter uns gebracht Wir müssen einen anderen Weg finden, zum Beispiel haben. über schwimmende Entsorgungsplattformen. Herzlichen Dank. Es gibt eine starke Verunsicherung der Menschen an (Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting- der Küste, und zwar nicht nur der Gäste, sondern auch der Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wis- Einheimischen. Wenn man sich etwa freut, ein Stück sen schon noch, an wem es lag, oder? – Bernstein gefunden zu haben, dann ist man gut beraten, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: das erst mal auf den trockenen Strand zu werfen. Denn Hauptsache, wir haben darüber gesprochen!) wenn Phosphor trocken wird, fängt es an zu brennen. Das sollte besser nicht in der eigenen Tasche passieren, son- dern am besten auf dem Strand. Natürlich ist auch die Vizepräsident in Dagmar Ziegler: Fischerei davon betroffen, die ein wichtiger Wirtschafts- Vielen Dank. – Das Wort geht an Johann Saathoff von zweig für uns ist. der SPD-Fraktion. Der Antrag der Grünen und der FDP enthält wirklich (Beifall bei der SPD) gute Ansätze. Was mir besonders gefällt, ist der Ansatz, eine umfassende Strategie für die vollständige Beseiti- Johann Saathoff (SPD): gung zu entwickeln und nicht nur die Beseitigung an Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Stellen, wo gerade eine Kabeltrasse oder Schifffahrtswe- Kollegen! Ja, ich bin froh, dass wir heute über dieses ge betroffen sind. wichtige Thema sprechen und wir aller Voraussicht nach nicht nur heute, sondern wahrscheinlich in kurzer (Beifall bei der SPD und der FDP sowie der Zeit erneut eine Debatte dazu haben werden, hoffentlich Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wieder zu prominenter Zeit und nicht irgendwann in der NEN]) Nacht, wie wir es schon mal gemacht haben. Eventuell muss man bei der Finanzierung darüber (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nachdenken, ob die Beseitigung von Munitionsaltlasten (D) nicht auch ein Teil der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- Wir wollen alle miteinander keine giftigen Stoffe im rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ ist. Da- Meer haben, keine giftigen Stoffe in der Nordsee und in bei ist allerdings wichtig, dass wir den Mittelansatz für der Ostsee. Und es gibt Handlungsbedarf; das dürfen wir den eigentlichen Küstenschutz dann erhöhen. feststellen. Dieser ist definitiv vorhanden. Und wir tragen eine gewisse Verantwortung, eine Verantwortung, die Vordringlich könnte man meinen, es geht um Meeres- vielleicht in den letzten Dekaden in Deutschland auch schutz. Aber es geht auch um Industriepolitik; ganz klar. nicht wahrgenommen worden ist. Wir sind in einer Situa- Es gibt erste Konzepte von Industrie und Wissenschaft. tion – das will ich ganz deutlich sagen –, in der dieses Global ist ja leider die Beseitigung von Munition in Mee- Zuständigkeitskleinklein zwischen Bund und Land von ren tatsächlich auch ein Markt. Der Bund sollte aus mei- den Bürgerinnen und Bürgern einfach nicht mehr nach- ner Sicht helfen und Industriepolitik und Naturschutz vollzogen werden kann. Dagegen müssen wir arbeiten. miteinander verbinden, zum Beispiel über eine Bund- Länder-Stiftung, zum Beispiel über eine Bundesanstalt. (Beifall bei der SPD) In Ostfriesland würde man sagen: „Keen Schiet un Strunt Es ist auch so, dass man das Handeln nach dem Motto up Meeresgrund“, oder – wie ich anfangs schon sagte –: „Liegen lassen ist billiger oder besser“ einfach nieman- Wir wollen keine giftigen Stoffe im Meer haben. dem erklären kann. Wir müssen uns mit dieser Sache Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. auseinandersetzen. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜND- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Marie- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Agnes Strack-Zimmermann [FDP] und Ralph ten der CDU/CSU) Lenkert [DIE LINKE])

Meine Heimat ist Ostfriesland. Ostfriesland ist geprägt Vizepräsident in Dagmar Ziegler: von Küste, Inseln, Wattenmeer, von einem hohen Schutz- Vielen Dank, auch für die Übersetzung. – Ich schließe status, also Nationalparkstatus. Es ist – zumindest teil- die Aussprache. weise – Biosphärenreservat. Dazu kommen noch viele andere Schutzstatus. Aber gleichzeitig liegen über 1 Mil- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf lion Tonnen Munitionsaltlasten im Wattenmeer herum; Drucksache 19/26339 an die in der Tagesordnung aufge- mein Kollege Frank Schwabe hat eindrücklich darauf führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- hingewiesen. Es ist aus meiner Sicht schon interessant, weisungsvorschläge? – Das sehe ich nicht. Dann verfah- zuzusehen, wenn Munitionsaltlasten gesprengt werden. ren wir so. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28001

Vizepräsident in Dagmar Ziegler (A) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf: Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz gleichen (C) wir die Regelungen aus dem Medizinprodukte-EU- a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Anpassungsgesetz für die beiden EU-Verordnungen zur desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zulassung von Medizinprodukten und In-vitro-Dia- Gesetzes zur Änderung des Medizinpro- gnostika an nationales Recht an. Damit werden hohe dukterecht-Durchführungsgesetzes und Standards für die Qualität und Sicherheit von Medi- weiterer Gesetze zinprodukten und ein hohes Maß an Sicherheit und Ge- Drucksache 19/26942 sundheitsschutz für Patientinnen und Patienten in allen Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Mitgliedstaaten erreicht. Medizinprodukte sollen die Ge- schusses für Gesundheit (14. Ausschuss) sundheit der Patientinnen und Patienten verbessern. Wer in Deutschland beispielsweise eine Insulinpumpe oder Drucksache 19/28517 einen Herzschrittmacher erhält, muss sich darauf verlas- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des sen können, dass das Risiko ihres Einsatzes so gering wie Berichts des Ausschusses für Gesundheit nur möglich ist. (14. Ausschuss) Meine Damen und Herren, insgesamt müssen mehr als – zu dem Antrag der Abgeordneten 500 000 Produkte nach der sogenannten MDR-Richtlinie Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, neu zertifiziert werden. Wer sich mit diesem komplexen Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordne- Markt beschäftigt, musste und muss erkennen, dass sich ter und der Fraktion der FDP die Umsetzung nach wie vor als ausgesprochen holprig erweist. Nicht nur müssen mehr Medizinprodukte aus Anpassungen der Coronavirus-Test- allen Risikoklassen ein bestimmtes, strengeres Zulas- strategie für das Jahr 2021 sungsverfahren durchlaufen; auch die Benannten Stellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula benötigen eine neue Akkreditierung. Stand heute stehen Schulz-Asche, Dr. , für diese wichtigen Zulassungsverfahren nur 20 Benannte Maria Klein-Schmeink, weiterer Abge- Stellen zur Verfügung. Es sollen einmal 40 werden. ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ Diese Situation wird nahezu zwangsläufig dazu füh- DIE GRÜNEN ren, auch andere Wege zu beschreiten. Daher wird es Kapazitäten für Schnelltests massiv im Interesse der Patientengesundheit zukünftig notwen- ausbauen, Selbstanwendung erlauben dig, dass die zuständigen Bundesoberbehörden wesent- und Public-Health-Screenings ermögli- lich häufiger als bisher Sonderzulassungen erteilen. Es (B) chen ist insbesondere bei Medizinprodukten für seltene Er- (D) krankungen mit einer erhöhten Anzahl von Anträgen Drucksachen 19/26189, 19/25705, auf Sonderzulassungen zu rechnen. Sonderzulassungen 19/28517 zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Bevölkerung können und sollen auch genutzt werden. beschlossen. Meine Damen und Herren, auch die deutsche Gesund- Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an heitswirtschaft im Bereich der Medizinprodukte steht vor Dietrich Monstadt von der CDU/CSU-Fraktion. einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung. Die gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung des BMWi (Beifall bei der CDU/CSU) zeigt, dass im Jahr 2019 mit circa 370 Milliarden Euro rund 12 Prozent der Bruttowertschöpfung durch die Ge- Dietrich Monstadt (CDU/CSU): sundheitswirtschaft generiert wurden. 2019 betrug die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Summe deutscher Exporte allein im Bereich der Medizin- Liebe Kollegen! Verehrte Damen! Meine Herren! Heute technik circa 131 Milliarden Euro. 93 Prozent – das sind beraten wir abschließend den Entwurf eines Medizinpro- Zahlen aus dem Jahr 2017 – der deutschen Hersteller sind dukterecht-Durchführungsgesetzes. Mit diesem Gesetz- kleine oder mittelständische Unternehmen. Auf diese entwurf werden wir vor allem Vorschriften im Medizin- Situation werden die beiden EU-Verordnungen zur Zulas- produkte- EU-Anpassungsgesetz vom 28. April 2020 an sung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika die Verschiebung des Geltungsbeginns der EU-Medizin- direkte, nachhaltige Auswirkungen haben. Dass wir mit produkte-Verordnung vom 26. Mai 2020 nachvollziehen. diesem Gesetz und dem gesetzten Rechtsrahmen die Das ist zugegebenermaßen eine sehr spröde Materie. Rechtssicherheit für alle Betroffenen wie auch für die Hersteller schaffen, halte ich für eine entscheidende Ziel- Meine Damen und Herren, aufgrund der Covid-19- richtung, die insbesondere und nachhaltig Arbeitsplätze Pandemie wurde der Geltungsbeginn dieser Verordnung sichert. kurzfristig um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 verschoben. Die damalige Initiative fand ausdrückliche Zustimmung Meine Damen und Herren, den Benannten Stellen fällt und Unterstützung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. nach der derzeitigen Regelung unter anderem die Auf- Darüber hinaus haben wir spezielle Regelungen zur gabe zu, die technische Dokumentation sowie das Pro- Marktüberwachung von Medizinprodukten im Fernab- dukt selbst zu prüfen und das Qualitätsmanagementsys- satz sowie zur Risikobewertung von Medizinprodukten, tem zu überwachen. Bisher nicht in den Aufgabenbereich die im Eigentum von Patientinnen und Patienten stehen, der Benannten Stellen fällt die Aufgabe, bestimmte Ge- in diesen Gesetzentwurf mit aufgenommen. sundheitseinrichtungen sowie externe Aufbereiter zu zer- 28002 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dietrich Monstadt (A) tifizieren und zu überwachen, und zwar die Einrichtun- den, ebenso zusätzliche Änderungen, die zu einer weite- (C) gen, die die Aufbereitungen von Medizinprodukten und ren Verbesserung der Versorgung und Anwendungssi- Einmalprodukten durchführen. Über einen umgesetzten cherheit beitragen werden. Änderungsantrag stellen wir nunmehr klar, dass künftig Dennoch gibt es Defizite, die bei der öffentlichen diese Benannten Stellen auch für solche Zertifizierungen Anhörung im März dieses Jahres deutlich benannt, aber zuständig sind. leider nicht korrigiert wurden. So lässt der Entwurf bei Meine Damen und Herren, besonders hervorheben der Umsetzbarkeit und leider auch der Patientensicher- möchte ich die Änderung des § 72 dieses Gesetzes. Ins- heit Fragen offen, wo es um die Einwilligung beim direk- besondere bei implantierbaren Produkten sind die für ten Patientenkontakt geht oder um Fälle, wo es wegen der eine Risikobewertung notwendigen Untersuchungen in Zuständigkeit verschiedener Landesbehörden zu unter- der Regel nicht zerstörungsfrei möglich. Produkte, die schiedlichen Auffassungen kommen könnte. Deshalb im Eigentum von Patientinnen und Patienten stehen, werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetz- können deshalb zukünftig nur mit vorheriger Einwilli- entwurf enthalten. gung an den Hersteller oder die zuständige Bundesober- behörde für derartige zerstörende Untersuchungen über- Kommen wir nun zum Antrag der FDP. Hier wird in geben werden. Vorher ist über die möglichen rechtlichen der Tat ein wirkungsvoller Schutz der Risikogruppen Folgen einer zerstörenden Untersuchung des Medizin- gefordert, um aus den Einschränkungen der Grundrechte produktes aufzuklären. Die Aufklärung und Einholung herauszukommen. Ein wichtiger Ansatz ist auch der der Einwilligung obliegen dem Hersteller oder der geforderte Bürokratieabbau unter Nutzung der heutigen zuständigen Bundesoberbehörde, die auf das Eigentum technischen Möglichkeiten. In der geforderten Präven- zugreifen wollen. Für die Geltendmachung von Scha- tions- und Teststrategie erkennen wir letztendlich die For- densersatzansprüchen sind vor zerstörenden Untersu- derung unserer Fraktion aus dem Februar 2020 wieder. chungen entsprechende Fotodokumentationen im Sinne Reichlich spät, liebe FDP, aber dennoch besser als gar einer Beweissicherung zu erstellen. Diese müssen den nicht. Patientinnen und Patienten im Anschluss zur Verfügung (Beifall bei der AfD) gestellt werden. Das ist ein großer Schritt hin zu mehr Patientensicherheit in diesem Bereich. Doch dann, meine Damen und Herren, wird es holprig. Die FDP-Teststrategie der Selbst- und Schnelltests sowie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) der besonderen Schulung wird nicht klar herausgearbeitet Meine Damen und Herren, die Änderung des Medizin- und ist daher auch, ehrlich gesagt, nicht richtig erkennbar. produkterecht-Durchführungsgesetzes wird mehr Sicher- Deshalb enthalten wir uns auch hier. (B) heit für Patientinnen und Patienten bringen, hohe Stan- Zum Antrag der Grünen ist insgesamt eigentlich nicht (D) dards der Qualität sichern, Rechtssicherheit für kleine mehr viel zu sagen, da er sich – ein Erguss der grenzen- und mittelständische Unternehmen und einen fairen losen Begeisterung für Schnell- und Selbsttests – nach Wettbewerb mit den Krankenkassen für die Leistungser- der öffentlichen Anhörung von Experten de facto selbst bringer für Hilfsmittel ermöglichen. Ich werbe um Zu- erledigt hatte. Zum Beispiel äußern sich die Deutsche stimmung zu diesem Gesetzentwurf. Die Anträge von Gesellschaft für Public Health, die Arbeitsgemeinschaft FDP und Grünen lehnen wir ab. der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaf- Herzlichen Dank. ten und auch die Virologin Professor Protzer eher sehr kritisch zu diesem Antrag. Neben einem Mangel an (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Effekten für die Pandemiekontrolle und Problemen durch Martina Stamm-Fibich [SPD] – Kordula konzeptionelle Datenverzerrung insbesondere bei Tests Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: von symptomlosen Personen können diese Tests auf- Ohne Begründung!) grund von schlechter Sensitivität und Spezifität nicht an die PCR-Testungen heranreichen. Vizepräsident in Dagmar Ziegler: (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Robby Schlund GRÜNEN]: Sagt auch keiner!) von der AfD-Fraktion. Nach all dem ist es eher verwunderlich und erstaunlich, (Beifall bei der AfD) dass Sie diesen Antrag nicht zurückgezogen haben. Nichtsdestotrotz vertrauen wir, die AfD, eher den Mein- Dr. Robby Schlund (AfD): ungen der Experten als Ihnen und lehnen demzufolge Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Der diesen überflüssigen Antrag ab. Schutz der Risikogruppen steht für uns – das haben wir hier schon mehrfach deutlich gemacht – an allererster Vielen Dank. Stelle. Das ist das Alpha und Omega und natürlich die (Beifall bei der AfD) Mutter aller Fragen im Pandemiemanagement. Aber nicht nur dort, sondern auch im Medizinproduk- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: terecht geht es vor allem auch um die älteren Menschen Danke sehr. – Das Wort geht an Martina Stamm-Fibich unter uns, die geschützt sein müssen. Deshalb müsste von der SPD-Fraktion. man dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition sogar zustimmen, da viele kluge Regelungen eingearbeitet wur- (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28003

(A) Martina Stamm-Fibich (SPD): Neben dem Gesetzentwurf beraten wir heute auch (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- noch zwei Oppositionsanträge zum Thema Coronatest- nen und Kollegen! Ich sage es noch mal – der Kollege strategie. Seit der Veröffentlichung dieser beiden Anträge Monstadt hat es schon erwähnt –: Wir beraten heute in im Januar hat sich bereits vieles getan. In den vergange- zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf zur Än- nen Wochen und Monaten hat die Koalition Maßnahmen derung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgeset- ergriffen, um das Potenzial der Antigenschnelltests für zes – ein wunderbarer Titel, den man sich noch mal auf die Bekämpfung der Pandemie nutzbar zu machen. So der Zunge zergehen lassen kann. Damit nehmen wir die hat das BfArM bereits 31 Antigenschnelltests zur Selbst- Anpassungen vor, die durch die Verschiebung des anwendung zugelassen. Seit dem 8. März übernehmen Anwendungsstarts der Medical Device Regulation not- wir zudem beispielsweise die Kosten für die regelmäßi- wendig geworden ist. Durch den Gesetzentwurf werden gen Testungen von Bürgerinnen und Bürgern mit dem einige wichtige Übergangsvorschriften der jetzigen sogenannten Point-of-Care-Antigentest. Situation angepasst. (Beifall bei der SPD) Darüber hinaus schärfen wir die Regelungen zu Mel- Dieser Bürgertest ist eine wichtige Maßnahme zur Ein- deverpflichtungen von Prüfern gegenüber den Sponsoren dämmung der pandemischen Lage. Darüber hinaus finan- von klinischen Prüfungen und konkretisieren die Verfah- ziert die GKV Antigenschnelltests für Mitarbeiter sowie rensregelung für die Risikobewertung von Medizinpro- für die Besucher in stationären und ambulanten medizin- dukten, die sich im Eigentum der Patientinnen und ischen Einrichtungen sowie in der Pflege. Patienten befinden. So dürfen explantierte Medizinpro- dukte nur noch dann von den Herstellen analysiert wer- Um das Infektionsrisiko in den Schulen zu senken, den, wenn die betroffenen Patientinnen und Patienten fordert die SPD in den laufenden Beratungen zum Vierten dazu ihr Einverständnis geben. Vor der Einholung der Bevölkerungsschutzgesetz die Einführung einer allge- Einwilligung müssen die Patientinnen und Patienten zu- meinen Testpflicht für Schülerinnen und Schüler. Gleich- dem über die möglichen rechtlichen Folgen einer zerstör- zeitig wollen wir alle Unternehmen zu einem regulären enden Untersuchung des Medizinprodukts aufgeklärt Coronatestangebot für ihre Beschäftigten verpflichten. werden. (Beifall bei der SPD) Bisher kam es immer wieder vor, dass potenziell feh- Was die Beschaffung der Schnelltests angeht, sehen lerhafte Medizinprodukte ohne Einverständniserklärung wir aktuell keine Probleme. Die Bundesregierung hat der Patientinnen und Patienten nach der Entfernung im sich für das Jahr 2021 knapp über 1,1 Milliarden Testkits Rahmen einer Risikobewertung zerstörend untersucht gesichert. Daneben können Schnelltests auch unmittelbar (B) oder verworfen worden sind. Damit war es den Betroffe- auf dem Markt bestellt werden, um den Bedarf zu (D) nen praktisch unmöglich, potenzielle Fehler am Produkt decken. – Aus den genannten Gründen werden wir beide nachzuweisen. Dieser Nachweis ist aber wichtig, wenn Anträge ablehnen. die Betroffenen ihre Ansprüche etwa vor Gericht durch- Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der schwierigen setzen wollen. Durch die Neuregelung geben wir den Situation, in der wir alle sind, sollten wir alle dafür wer- Betroffenen also endlich die tatsächliche Hoheit über ben, dass wir aus dieser schwierigen Lage kommen. Ich die Medizinprodukte, die sich in ihrem Eigentum befin- glaube, an den Tests liegt es nicht mehr. Ich glaube, dass den. Die Sicherung der Eigentumsrechte stellt einen das Impfen wirklich gut Fahrt aufnimmt. Ich wünsche wichtigen Beitrag zur Stärkung der Patientenrechte in uns, dass wir diese schwierige Zeit, die wir vor uns haben, Deutschland dar. alle miteinander gut überstehen. (Beifall bei der SPD) In diesem Sinne: Herzlichen Dank fürs Zuhören. Weiterhin regeln wir mit dem Gesetz die Zuständigkei- (Beifall bei der SPD) ten für die Marktüberwachung von im Internet angebote- nen Medizinprodukten aus Drittstaaten. Die neue Zustän- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: digkeitsregelung soll eine Lücke schließen für diejenigen Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Wieland Fälle, in denen kein Hersteller oder Bevollmächtigter in Schinnenburg von der FDP-Fraktion. der Europäischen Union vorhanden ist, sondern vielmehr ein Produkt aus Drittstaaten im Fernabsatz angeboten (Beifall bei der FDP) wird. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wichtiger Beitrag zur Risikoabwehr und zum Schutz der Dr. Wieland Schinnenburg (FDP): Patientinnen und Patienten in Deutschland. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht unter diesem Tagesordnungspunkt um zwei Dinge – das (Beifall bei der SPD) wurde hier schon gesagt –: zum einen um einen Gesetz- Insgesamt zielt der Gesetzentwurf darauf ab, einen entwurf zum Medizinprodukterecht und zum anderen um reibungslosen, funktionierenden Binnenmarkt für Medi- die Schnelltests. zinprodukte zu schaffen und die Etablierung von hohen Zum Gesetzentwurf ist zu sagen: Es geht in der Tat in Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizin- erster Linie um eine Anpassung deutscher Gesetzesvor- produkten zu gewährleisten. Ich denke, es ist unstrittig, schriften infolge der Verschiebung des Inkrafttretens der dass wir diesem Ziel heute einen großen Schritt näher Medizinprodukte-Verordnung. Das ist im Grunde genom- kommen. men richtig. Die Verschiebung war richtig, und die An- 28004 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Wieland Schinnenburg (A) passung ist ebenfalls richtig. Allerdings ist es so – das Der vierte Punkt. Herr Minister Spahn – wir hatten das (C) muss ich den Kollegen von der Koalition deutlich ins Thema gestern hier in der Fragestunde; da waren Sie Stammbuch schreiben –, dass die Anhörung ergeben nicht dabei –, es wurde wieder zugegeben, dass eben hat, dass bei Ihren Vorschlägen an zwei Punkten Nach- nicht gesichert ist, dass 1 Milliarde Tests zur Verfügung besserungsbedarf besteht, den Sie leider nicht erfüllt ha- stehen. Sie haben nur ein Memorandum ohne jede Ver- ben: bindlichkeit beschlossen. Es ist nicht gesichert, dass wir 1 Milliarde Schnelltests bekommen. Auch hier besteht Der erste Punkt betrifft die Verfahrensordnung bei dringender Nachbesserungsbedarf. Medizinprodukten, die auf mögliche Risiken geprüft werden sollen und im Eigentum des Patienten stehen. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der Antrag der Die Vorschriften, die Sie dazu vorgesehen haben, wurden FDP-Fraktion ist nach wie vor hochaktuell. Ich bitte um in der Anhörung sehr stark kritisiert. Zustimmung. Der zweite Punkt, der ebenfalls kritisiert wurde, betraf Vielen Dank. die Frage, welche Behörde für die Überwachung des (Beifall bei der FDP) Marktangebots von Medizinprodukten aus Drittstaaten im Internet zuständig ist. Hier sehen Sie eine Überwa- chung durch die Länder vor. Wir und auch viele Experten Vizepräsident in Dagmar Ziegler: hätten es vorgezogen, wenn es eine bundeseinheitliche Danke sehr. – Das Wort geht an Harald Weinberg von Regelung gegeben hätte. der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Diese beiden Punkte haben Sie leider nicht aufgenom- men; deshalb können wir uns zu dem Gesetzentwurf, obwohl er an sich in die richtige Richtung geht, leider Harald Weinberg (DIE LINKE): nur enthalten. Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- legen! Das Thema Medizinprodukte begleitet uns – Nun zum Antrag der FDP-Fraktion. Hier wurde gesagt: mich – schon seit einer ganzen Weile und ist ein weites Na ja, der ist von Januar, also schon ein bisschen her. – Feld: Es reicht von einfachen Verbandsmitteln über Leider ist es so, dass unser Antrag immer noch hoch- Schutzausrüstungen und Schutzmasken, die ja auch hier aktuell ist. Es gibt nach wie vor dringenden Handlungs- im Haus schon für einige Aufregung gesorgt haben, bedarf bei der Teststrategie. Darum ist der allergrößte Teil der Forderungen in unserem Antrag weiter dringend (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zu erforderlich. Lassen Sie mich vier Punkte erwähnen: Recht!) (B) (D) Da sind zunächst einmal die Gesundheitsämter. Es bis hin zu komplizierten und invasiven Medizinproduk- kann doch nicht sein, dass nach einem Jahr Pandemie ten wie Herzschrittmachern, Implantaten oder künstli- immer noch gesagt wird: Für das Wochenende und für chen Gelenken usw. usf. Weil es eine solche breite Palette Feiertage haben wir nicht so sichere Daten; das geht ir- gibt, sind Medizinprodukte in entsprechende Risikoklas- gendwie nicht. – Meine Damen und Herren, das ist uner- sen eingeteilt. Die Zulassung dieser Produkte muss ge- träglich. Wir als FDP-Fraktion fordern 24/7-Dienst der nauen Regeln folgen, und die Überwachung der Anwen- Gesundheitsämter und der Labore sowie die bundesweit dung hat hohe Priorität. Für Die Linke steht in dieser flächendeckende Einführung und Nutzung der Systeme Diskussion immer die Sicherheit der Patientinnen und DEMIS und SORMAS; sonst geht hier gar nichts, meine Patienten an erste Stelle. Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP) Der vorliegende Gesetzentwurf – wir haben es jetzt schon ein paarmal gehört – dient vor allem dazu, Der zweite Punkt: die Sequenzierung. Ja, die wird bei die Übergangsvorschriften des Medizinprodukterecht- über 10 Prozent der Proben durchgeführt; es wird aber Durchführungsgesetzes an die Verschiebung des Gel- nur auf die bereits bekannten Mutationen getestet. Min- tungsbeginns der neuen Medizinprodukte-Verordnung destens genauso wichtig ist, auch danach zu suchen, ob es anzupassen und die Fristen entsprechend um ein Jahr zu neue Mutationen gibt, die vielleicht künftig Handlungs- verschieben. Die Regelungen vollziehen europäische bedarf herbeiführen. Darum fordern wir, dass auch Entwicklungen nach und führen an einigen Stellen sinn- danach gesucht wird und dass Proben von Geimpften volle Präzisierungen ein. So weit, so technisch; so weit, und bereits Genesenen ebenfalls wenigstens ab und zu so gut. einer sequenzierenden Untersuchung unterzogen werden. Auch da besteht weiter dringender Handlungsbedarf. Es hätte an dieser Stelle aber die Gelegenheit gegeben, das Gesetz zu nutzen, um die vielen Baustellen, die es im Der dritte Punkt betrifft – schöner Begriff – die Task- Medizinprodukterecht noch gibt, anzupacken. Da haben force Testlogistik. Das ist ein hochtrabender Begriff für wir aber in der gesamten Diskussion um die Nutzen-Risi- ein teures und ineffizientes Kaffeekränzchen von zwei ko-Bewertung vor allen Dingen von Medizinprodukten Ministern. Wir haben die Bundesregierung gefragt: Die höherer Risikoklassen in der EU erlebt, dass die Bundes- Bundesregierung weiß nicht einmal, welcher Bedarf bei regierung eher auf der Bremse als auf dem Gas steht. Eine den Bundesbehörden besteht. Wer nicht einmal das weiß, Zulassung durch eine Behörde vergleichbar der FDA in hat noch einiges zu tun. Auch da besteht Nachbesse- den Vereinigten Staaten gibt es nicht, nicht einmal für rungsbedarf. Hochrisikoprodukte. Stattdessen werden benannte Stel- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28005

Harald Weinberg (A) len – das ist auch schon angesprochen worden – mit der auch hier in Deutschland. Dieser Gesetzentwurf ist ein (C) Überwachung beauftragt. In Deutschland sind das nach gutes Beispiel dafür, wie notwendig die Europäische wie vor überwiegend Privatunternehmen. Union gerade für die Patientensicherheit ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Bundesinstitut (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für Arzneimittel und Medizinprodukte müssen Risikoe- Auch wenn wir noch Verbesserungsbedarf sehen, ins- reignisse bei Medizinprodukten gemeldet werden. Und besondere eine verpflichtende Haftpflicht für Anwender, da zeigt sich, über was für eine wachsende Dimension Betreiber und Hersteller von Medizinprodukten, und wir eigentlich reden: In 2008 gab es rund 4 800 solcher auch bei den zertifizierten Benannten Stellen noch viel Meldungen, in 2017 waren es über 14 000 solcher Mel- Luft nach oben ist, werden wir Grüne diesem Gesetzent- dungen. Die Zahl hat sich mehr als verdreifacht. Das wurf heute zustimmen. unterstreicht deutlich, wie dringend mehr Sorgfalt bei der Zulassung und eine Überprüfung der Anwendungen In der aktuellen Coronapandemie mit den eskalieren- geboten sind. den Infektionszahlen, mit den vollen Intensivbetten, mit den ewigen Lockdown-Schleifen ist es dringend notwen- (Beifall bei der LINKEN) dig, Antigenschnelltests natürlich nicht als einziges, aber als wichtiges strategisches Werkzeug in die Pandemiebe- Vielen ist noch der Skandal um die Brustimplantate in kämpfung zu integrieren. Es geht derzeit – derzeit! – Erinnerung, die mit Industriesilikon befüllt waren und nicht um das Motto „Teste dich frei!“, sondern um mehr auch nicht dicht hielten. Das war ein bewusst krimineller Sicherheit für alle. Antigenschnelltests sind kein Allheil- Akt eines Herstellers, der allerdings auch das unzurei- mittel, aber regelmäßig – mehrfach wöchentlich – und chende Zulassungs- und Überwachungssystem ausnutzen flächendeckend eingesetzt ermöglichen sie, Infektions- konnte. Das hat damals den Anstoß gegeben für eine herde frühzeitig aufzuspüren und Infektionsketten recht- Neufassung der Medizinprodukte-Verordnung auf EU- zeitig zu unterbrechen. Für eine erfolgreiche Teststrategie Ebene. Mit der besonders herstellerfreundlichen Haltung braucht es unter anderem eine Testpflicht für Arbeitneh- der Bundesregierung blieb diese Verordnung allerdings mer/-innen und Unternehmer bei Präsenzarbeit, eine hinter dem Notwendigen zurück. Testpflicht in Schulen und Kitas, eine Senkung der Preise Vor zehn Jahren kommentierte der damalige Leiter der für die frei verkäuflichen Tests und fortlaufende Informa- Device Section der FDA, Dr. Shuren, die niedrigen tions- und Mobilisierungskampagnen; denn wir müssen Marktzugangsvoraussetzungen für Hochrisikomedizin- die Menschen beim Testen mitnehmen. produkte in der EU ziemlich zynisch: Wir benutzen US- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bürger nicht als Versuchskaninchen. – Inzwischen hat (B) sich da etwas verbessert, aber aus unserer Sicht bei Meine Damen und Herren, wir sind in einer sehr erns- (D) Weitem nicht genug, um der Sicherheit der Patientinnen ten Situation; dessen müssen wir uns wirklich bewusst und Patienten den Rang zu geben, der ihr gebührt. sein. Wir werden alle Mittel nutzen müssen: vom Testen über das Impfen, über verbesserte Aufklärungskampag- Hier hätte es die Chance gegeben, mehr als eine ein- nen bis hin zur Unterstützung der vielen Menschen, die fache Anpassung vorzunehmen. Sie wurde jedoch nicht seit einem Jahr unter dieser Pandemie leiden, wie wir genutzt oder konnte nicht genutzt werden; das weiß ich übrigens auch. Wir wissen, worüber wir reden; aber wir nicht. Es kann ja auch sein, dass die Koalitionäre da im wissen auch, dass es Menschen in diesem Land gibt, Streit waren; keine Ahnung. Deshalb können wir uns an denen es noch bei Weitem schlechter geht als uns. dieser Stelle allerdings nur enthalten. Wir als Bundestag haben die Aufgabe und die Ver- Vielen Dank. pflichtung, dafür zu sorgen, dass wir alle wieder zu einem guten, gemeinsamen Leben zurückkommen können. (Beifall bei der LINKEN) Dazu trägt die Testpflicht bei. Dazu tragen aber auch wir alle hier durch die weitere Einhaltung der AHA-Re- Vizepräsident in Dagmar Ziegler: geln und vor allem auch durch gute Gesetze bei, die den Danke sehr. – Das Wort hat Kordula Schulz-Asche von Rahmen dafür schaffen, wieder mehr Freiheiten und eine der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. bessere Pandemiebekämpfung zu ermöglichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir müssen jetzt handeln – das ist das Entscheidende –, und wir müssen alle zusammen handeln. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf mit dem etwas sperri- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. gen Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes und wei- sowie bei Abgeordneten der SPD) terer Gesetze“ wird endlich – wie auch europaweit – die Patientensicherheit verbessert. Es ist eine überfällige Reaktion auf die sogenannten Brustimplantatskandale Vizepräsident in Dagmar Ziegler: und andere Skandale. Unter den Folgen dieser Brustim- Danke sehr. – Das Wort geht an Stephan Pilsinger von plantatskandale leiden immer noch sehr viele Frauen, der CDU/CSU-Fraktion. 28006 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident in Dagmar Ziegler (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Damen und Herren, Schnelltests helfen den Menschen, (C) die jetzt erkranken, aktuell nichts. Einzig und allein mit- Stephan Pilsinger (CDU/CSU): hilfe von strikten Kontaktbeschränkungen und einem Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich höre massiven Herunterfahren der Mobilität können wir die von den Kolleginnen und Kollegen der FDP immer wie- Lage jetzt noch einigermaßen unter Kontrolle bekom- der, man könne jetzt mit Hygiene- und Testkonzepten men. öffnen und Lockerungen ermöglichen. In diesem Zusam- Schauen Sie doch einfach mal zu unseren Nachbarn menhang muss ich Ihnen heute ganz ehrlich sagen: Was nach Österreich; das Land haben Sie in den vergangenen Sie in dieser Woche mit Ihrer Blockade des Vierten Debatten doch immer wieder als Musterbeispiel in Bevölkerungsschutzgesetzes abliefern, Sachen Schnelltests und Öffnungen herangezogen. Die (Zurufe von der FDP: Oh!) 7-Tage-Inzidenz lag hier Ende März bereits bei über 250 und hat die Regierung angesichts überfüllter Inten- ist wirklich ein Armutszeugnis und verzögert mutwillig sivstationen zum Handeln gezwungen. Das sollte uns ein die dringend notwendige und sogar von Ihnen geforderte mahnendes Beispiel sein! Öffnungen sind aktuell völlig Kontrolle des Bundestags über die Coronaschutzmaßnah- fehl am Platz, auch mit regelmäßigen Schnelltestungen. men. (Zuruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus (Widerspruch bei der FDP) [FDP]) Meine Damen und Herren, diese Verzögerung – da ma- Zum Abschluss möchte ich noch mal allen Beteiligten chen wir uns nichts vor – wird Menschenleben kosten! danken, die an den Beratungen zum vorliegenden Gesetz- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Fragen entwurf der Bundesregierung mitgewirkt haben. Aus Sie doch mal in Ihrer eigenen Fraktion nach!) meiner Sicht war die Verschiebung des Inkrafttretens der MDR vom Mai 2020 auf Mai 2021 absolut notwen- Aber zurück zu den Anträgen. Ja, gezielte Schnelltests dig. Das waren wir den Medizinprodukteherstellern sind ein gutes und wichtiges Instrument in der Pandemie- schuldig, die uns in dieser Pandemie stets zur Seite bekämpfung, aber sie sind auch ungenau, erst recht bei gestanden haben. Mit dem nun eingebrachten Gesetzent- asymptomatischen Patienten. Bei entsprechend niedrigen wurf werden die noch ausstehenden Anpassungen in Inzidenzzahlen können wir gerne noch mal über das Tes- allen betroffenen Gesetzen vorgenommen. Aus diesem ten sprechen. Aber in dieser Phase der Pandemie ständig Grund bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. darüber zu diskutieren, verunsichert die Menschen. Vielen Dank. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Diskus- (B) sionen verunsichern die Menschen? Was ist (Beifall bei der CDU/CSU) (D) denn das?) Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Was wir jetzt brauchen, sind einzig und allein absolut konsequente Kontaktbeschränkungen. Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Ich betone noch einmal: Die neue Virusvariante ist Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- weitaus ansteckender als der bisherige Wildtyp. Das ha- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung ben auch neue Studien im „Lancet“ bestätigt. Aktuell des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes und infizieren sich jede Woche knapp 122 000 Menschen weiterer Gesetze. Der Ausschuss für Gesundheit emp- mit dem Coronavirus, über 90 Prozent davon mit der fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung ansteckenderen Variante. Selbst mit einer konservativ auf Drucksache 19/28517, den Gesetzentwurf der Bun- gerechneten Hospitalisierungsrate von 11 Prozent sind desregierung auf Drucksache 19/26942 in der Ausschuss- das über 13 000 Schwerstkranke wöchentlich. Ich kann fassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- an dieser Stelle nur ausdrücklich davor warnen, die setzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, aktuelle Situation zu unterschätzen. Wir haben es mit um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen SPD, einer ganz neuen Pandemie zu tun, einer Pandemie mit Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU. Wer stimmt dage- einem deutlich ansteckenderen und damit deutlich gen? – Sehe ich niemanden. Gibt es Enthaltungen? – Das gefährlicheren Virus. sind die Fraktionen Die Linke, der FDP und der AfD. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenom- Die Auswirkungen spüren vor allem die Kliniken. Vie- men. le Intensivstationen arbeiten am absoluten Kapazitätsli- mit. Die Patienten werden jünger. Die durchschnittliche Dritte Beratung Liegedauer hat sich im Gegensatz zum Frühjahr und Win- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem ter noch einmal deutlich verlängert, und zwar nicht nur Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – weil, die neue Virusvariante gefährlicher ist als die bishe- Das sind die Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, rige, sondern schlicht und einfach, weil die jüngeren CDU/CSU. Wer stimmt dagegen? – Sehe ich niemanden. Menschen den Kampf gegen das Virus vielleicht erst Enthaltungen? – Fraktion Die Linke, FDP und AfD. Der nach zwei statt schon nach einer Woche verlieren. Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen. Die Situation ist dramatisch. Da machen wir uns nichts Tagesordnungspunkt 18 b. Wir setzen die Abstimmung vor. Manche Parteien im Deutschen Bundestag machen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ge- immer noch konsequent Stimmung gegen den Lock- sundheit auf Drucksache 19/28517 fort. Der Ausschuss down. Ich halte ihn für unausweichlich. Und nein, meine empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28007

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler (A) die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf setzung der europäischen Covered-Bonds-Richtlinie in (C) Drucksache 19/26189 mit dem Titel „Anpassungen der nationales Recht beschließen. Das ist, glaube ich, ein Coronavirus-Teststrategie für das Jahr 2021“. Wer stimmt Lächeln wert. für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Fraktio- Damit mir am Ende meiner Rede dafür nicht wieder die nen von SPD und CDU/CSU. Wer stimmt dagegen? – Zeit davonläuft, der Dank dieses Mal gleich zu Beginn: Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Er gilt den zahlreichen Sachverständigen, die in den bei- FDP. Wer enthält sich? – Fraktion Die Linke und die den Anhörungen wichtige Aspekte angesprochen haben; AfD. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. zum Teil konnten wir die in den Beratungen für die Ge- Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp- setze noch mitberücksichtigen. Und ich möchte mich sehr fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- herzlich für die wirklich gute und ausgesprochen faire tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/25705 und sehr zielgerichtete Zusammenarbeit im parlamentari- mit dem Titel „Kapazitäten für Schnelltests massiv aus- schen Prozess bedanken: beim BMF mit Frau Staatssek- bauen, Selbstanwendung erlauben und Public-Health- retärin Ryglewski und dem gesamten Mitarbeiterinnen- Screenings ermöglichen“. Wer stimmt für diese Be- stab, insbesondere bei meinem Berichterstatterkollegen schlussempfehlung? – Das sind die Fraktionen von Sepp Müller aus der Unionsfraktion, aber auch bei den SPD, CDU/CSU und AfD. Gegenprobe! – Das ist die Berichterstattern der Opposition für das konstruktive Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Miteinander und natürlich auch bei den zuständigen Fraktion Die Linke und FDP. Die Beschlussempfehlung Fraktionsreferenten; denn nur so war es möglich, beide ist damit angenommen. Gesetze in wirklich sehr kurzer Zeit in den Berichterstat- tergesprächen zum Abschluss zu bringen. Dafür ganz Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf: herzlichen Dank! a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie Kommen wir nun zu den eigentlichen Gesetzen. Bei (EU) 2019/2162 des Europäischen Parla- beiden setzen wir europäische Richtlinien in nationales ments und des Rates vom 27. November Recht um. Beim ersten Gesetz geht es um die Beaufsich- 2019 über die Emission gedeckter Schuld- tigung von Wertpapierinstituten; die war bei uns bisher verschreibungen und die öffentliche Auf- im Kreditwesengesetz geregelt. Die Regelungen des sicht über gedeckte Schuldverschreibun- KWG wurden jedoch insbesondere den Geschäftsmodel- gen len kleiner und mittlerer Wertpapierinstitute nicht ge- (CBD-Umsetzungsgesetz) recht, und sie waren vor allen Dingen auch nicht speziell (B) (D) Drucksache 19/26927 auf die unterschiedlichen Risikoprofile der Wertpapie- rinstitute ausgelegt. Die Risiken von Wertpapierinstituten Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- unterscheiden sich deutlich von denen, die beispielsweise nanzausschusses (7. Ausschuss) Kreditinstitute eingehen; denn anders als Kreditinstitute nehmen sie keine Einlagen entgegen und haben auch kein Drucksache 19/28483 Portfolio an Privatkunden- oder Unternehmenskrediten. b) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Dieser Unterschied soll daher im Aufsichtsrahmen klarer desregierung eingebrachten Entwurfs eines zum Ausdruck kommen, und dafür schaffen wir mit dem Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie Gesetz nun ein spezifisches Aufsichtssystem. (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU]) Drucksache 19/26929 Damit bewahren wir nicht nur die allgemeine Finanzsta- Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- bilität, sondern wir gewährleisten vor allem eine passen- nanzausschusses (7. Ausschuss) de Beaufsichtigung, insbesondere für die etwa 720 klei- Drucksache 19/28480 nen und mittleren Wertpapierinstitute in Deutschland, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten beschlossen. Das zweite Gesetz ist das CBD-Umsetzungsgesetz, die Umsetzung der Covered Bonds Directive in deutsches Ich eröffne die Aussprache, und es beginnt Johannes Recht. Bislang existierten in den EU-Mitgliedstaaten Schraps von der SPD-Fraktion. zahlreiche unterschiedlich ausgestaltete Regelungen über sogenannte Covered Bonds, also über gedeckte (Beifall bei der SPD) Schuldverschreibungen, die durch Deckungswerte wie zum Beispiel Grundpfandrechte oder auch durch öffent- Johannes Schraps (SPD): liche Anleihen besichert sind. Viele dieser Produkte, wie Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen zum Beispiel der deutsche Pfandbrief, verfügen mindes- und Kollegen! Heute kann man wirklich mit einem tens über eine jahrzehntelange, manche sprechen sogar Lächeln unter der Mund-Nase-Bedeckung hier vorne von einer Jahrhunderte alten Tradition, in jedem Fall ans Rednerpult gehen; denn wir werden heute das Gesetz eine lange und stabile Tradition. Bei aller Stabilität und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Tradition in diesem Instrument hat die Unterschiedlich- Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten und die Um- keit der Regeln bisher eine grenzüberschreitende Ver- 28008 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Johannes Schraps (A) marktung von gedeckten Schuldverschreibungen stark Stefan Keuter (AfD): (C) verhindert. Durch die Richtlinie und ihre nationale Um- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und setzung werden die Anforderungen an Pfandbriefe jetzt Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Der Deut- in zentralen Punkten europäisch harmonisiert, und das sche Bundestag darf wie so häufig EU-Richtlinien in erleichtert dann natürlich auch den grenzüberschreiten- nationales Recht einarbeiten. Ich halte diese Art der den Vertrieb von Pfandbriefen. Gesetzgebung für problematisch, und ich sage Ihnen auch gerne, warum. Die EU-Bürokraten diktieren uns Zusätzlich wird mit dem Gesetz nun auch in Deutsch- generell in ihren Richtlinien und Verordnungen, was land die Möglichkeit einer gesetzlichen Fälligkeitsver- wir hier mit relativ wenig Ermessensspielraum umzuset- schiebung bei der Abwicklung von Deckungswerten ein- zen haben. Eine offene Debatte über die richtigen Lösun- geführt. Das heißt, im Falle einer Insolvenz einer gen, die richtigen Formulierungen findet auf nationaler Pfandbriefbank können Fälligkeiten von Verbindlichkei- Ebene gar nicht mehr statt. Dabei ist es doch im Sinne der ten in Zukunft um maximal zwölf Monate nach hinten Väter unseres Grundgesetzes, dass gerade auch in geschoben werden. Dadurch kann die Liquidität bei der Deutschland Entscheidungsfindungen demokratisch mit Verwertung des Deckungsvermögens, das hinter den entsprechender Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden Pfandbriefen steht, deutlich leichter gewährleistet wer- sollen. den. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sepp (Johannes Schraps [SPD]: Deswegen reden wir Müller [CDU/CSU]) hier darüber!) Um auch der digitalen Entwicklung Rechnung zu tra- Zum ersten Thema. Die EU möchte die Wertpapierins- gen, heben wir mit dem Gesetz auch das bisherige titute, also Maklerfirmen und andere Wertpapierdienst- Schriftformerfordernis für elektronisch geführte leister, nach EU-einheitlichen Kriterien beaufsichtigen Deckungsregister auf. Wir ermöglichen stattdessen eine und kontrollieren. Brauchen wir das? Ich sage Ihnen: elektronische Zustimmung des Treuhänders – zahlreiche Nein, das brauchen wir nicht! Die EU macht Vorgaben Fortschritte also, die eine Zustimmung zum Gesetz leicht zur Geschäftsorganisation und zu Anzeigepflichten; die machen sollten, verehrte Kolleginnen und Kollegen. EU macht Vorschriften zu internen Unternehmensführun- Die Umsetzung europäischen Rechts in nationales gen; die EU macht Vorschriften zur Vergütungspolitik, Recht klingt immer nach einer kleinen Stellschraube, mischt sich also in die Gehaltsstrukturen der Wertpapier- weil durch die europäischen Richtlinien natürlich schon firmen ein. Brauchen wir das? Ich sage Ihnen: Nein, das ein Rahmen vorgegeben ist. Das sollten wir an dieser brauchen wir nicht! (B) Stelle aber nicht unterschätzen; denn neben diesen (D) beschriebenen praktischen Umsetzungsvorteilen, die ich Nach der öffentlichen Anhörung hier im Bundestag eben schon aufgeführt habe, wird mit den Richtlinien waren die Beamten des Bundesfinanzministeriums sehr zugleich die Kapitalmarktunion weiter vertieft. Das zeigt fleißig und haben ihre teils erheblichen Erkenntnisge- aus unserer Sicht genau in die richtige Richtung. winne noch in sieben sogenannte Umdrucke eingearbei- tet. Auch wenn hier der Versuch unternommen wird, den (Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU]) Grund der bürokratischen Gängelung etwas zu differen- zieren, nach Größe und Geschäftsmodell, so sehen wir Neben der Kapitalmarktunion, der Vollendung der doch erheblichen bürokratischen Mehraufwand auf die Bankenunion, stehen wir als SPD zusätzlich auch für Institute zukommen. Einen größeren Mehrwert für die eine mutige Planung einer echten europäischen Fiskal- Kunden können wir im Gegenzug nicht erkennen. union, (Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] Das zweite Thema betrifft unsere deutschen Pfandbrie- [SPD]) fe mit ihrer inzwischen 252-jährigen Geschichte: ein absolutes deutsches Qualitätsprodukt am Kapitalmarkt, die wir in den kommenden Jahren auch weiter vorantrei- insbesondere international und bei institutionellen Anle- ben wollen. gern geschätzt. Viele Länder Europas haben versucht, die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Pfandbriefe zu kopieren; oft versucht, nie erreicht, könnte man sagen. Das Standing und der Nimbus des deutschen Eine krisenfeste EU muss fiskalpolitisch handlungsfähig Pfandbriefs sind unerreichbar. Das erkennt man insbe- sein. Nur dann kommen wir in Europa zu mehr Resilienz sondere, wenn man sich die Refinanzierungskonditionen in Krisenzeiten und somit letztlich auch zu mehr europä- anschaut. Der Vorteil am Kapitalmarkt, insbesondere bei ischer Einheit. Liquiditätseinständen bei der Immobilienfinanzierung in Ich werbe um Zustimmung für die Gesetze und bedan- Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit, ist unerreicht. Der ke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Verband deutscher Pfandbriefbanken zeigte sich in der Anhörung stolz, dass man deutsche Standards auf europä- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ische Wettbewerber übertragen konnte.

Vizepräsident in Dagmar Ziegler: (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Eben!) Vielen Dank. – Das Wort hat Stefan Keuter von der AfD-Fraktion. Das mag ja vielleicht im Sinne, Herr de Maizière, dieses Verbandes liegen, seinen Einfluss auf Europa auszuwei- (Beifall bei der AfD) ten – am deutschen Wesen soll die Welt genesen –; aber Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28009

Stefan Keuter (A) ich sage Ihnen: Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass dieser ische Union. Und was gut für die Europäische Union ist, (C) deutsche Wettbewerbsvorteil zugunsten der europä- das ist gut für unseren Wirtschaftsraum und für die Men- ischen, ausländischen Anbieter zunichtegemacht wird. schen, die hier leben. Alles, was Deutschland stark macht, wird von der EU (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- geschliffen, so auch hier. Der Pfandbrief wird zu einer neten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: europäisch gedeckten Schuldverschreibung. Das deut- Haben wir schon so oft erlebt!) sche Premiumprodukt darf sich wenigstens noch mit Nun kann man sich dieses Spezialgesetz noch einmal dem Zusatz „Premium“ schmücken. Jetzt soll in den ganz genau anschauen. Dann sieht man, dass wir bei den Anlagebedingungen festgeschrieben werden, dass Pfand- Regelungen zu den Wertpapierunternehmen noch sieben briefe im Insolvenzfall der Pfandbriefbank erst verspätet Änderungen vorgenommen haben, was kritisiert wurde. zurückgezahlt werden sollen. Dies mag zunächst logisch Ich halte nichts davon, Nachhilfe zu geben. Aber man erscheinen, führt aber im Kern dazu, dass eine verspätete sollte schon wissen, was der Unterschied zwischen einer Rückzahlung immer noch als fristgerecht gilt; das wird in europäischen Richtlinie und einer europäischen Verord- den Emissionsbedingungen so festgeschrieben. Ich fürch- nung ist. Bei der europäischen Richtlinie haben wir als te, dass das dem Grundvertrauen in den Pfandbrief scha- deutscher Gesetzgeber bei der Umsetzung in nationales det. Recht immer noch die Möglichkeit, Änderungen vorzu- Die strittigen Themen der Gebäudeversicherungen und nehmen. Es waren nicht die Beamten des Finanzminis- der Erleichterung der elektronischen Deckungsregister- teriums, sondern es waren die fleißigen Koalitionäre, die führung wurden nachgebessert. Vor dem Hintergrund sieben Umdrucke anhand der Expertenmeinungen vorge- der Verpflichtung der Umsetzung der EU-Richtlinie führt nommen haben, um bei den Regelungen zu Wertpapier- eine Ablehnung zu größerem Schaden. Deshalb werden unternehmen proportional richtige Maßnahmen auf den wir uns zu beiden Gesetzentwürfen enthalten. Weg zu bringen. Das ist Demokratie: die Menschen zu hören, die Hinweise aufzunehmen und diese dann im Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. parlamentarischen Verfahren umzusetzen. Das, was Sie (Beifall bei der AfD) wollen, ist keine Demokratie. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: ordneten der SPD) Danke sehr. – Das Wort geht an Sepp Müller von der Für die Kapitalmarktunion, den Schengenraum für CDU/CSU-Fraktion. Finanzunternehmen, ist wichtig, dass in Spanien die glei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. chen Regeln gelten wie in Tschechien. Es wird aber noch (B) (D) Johannes Schraps [SPD]) wichtiger werden, dass wir da auch europäisch mehr Tempo hinkriegen. Dann können wir im Detail streiten, Sepp Müller (CDU/CSU): ob Richtlinien, bei denen wir noch Spielraum haben, um Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und national Einfluss zu nehmen, wirklich der richtige Weg Herren! Liebe Kollegen! Es ist ein kleiner Schritt hin zu sind oder ob Verordnungen der richtige Weg wären, um den beiden jetzt vorliegenden Gesetzentwürfen, und es ist gleiche Standards innerhalb der Europäischen Union zu ein großer Schritt für die Kapitalmarktunion. Warum setzen. brauchen wir die Kapitalmarktunion? Die Kapitalmarkt- Für uns ist eines wichtig – das gilt für uns alle, und da union – das unterscheidet uns von der Union vom Vor- sollten wir selbstkritisch in den Spiegel schauen –: Wenn redner von Rechtsaußen – vollendet das, was mit dem Richtlinien durch das Europäische Parlament auf den Schengenraum auf den Weg gebracht wurde: weg von Weg gebracht werden, liebe Frau Staatssekretärin, dann den Grenzen innerhalb der Europäischen Union beim erwarten wir als Unionsfraktion, dass diese Richtlinien freien Warenwirtschaftsverkehr, weg von den Grenzen hier auch zeitnah umgesetzt werden und wir ein entspre- im Finanzverkehr! Es müssen gleiche Spielregeln inner- chendes Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen. halb Europas gelten, nicht nur im Wirtschaftsraum, son- Wir brauchen die Kapitalmarktunion; diese stärkt unsere dern auch im Finanzraum, und dafür legen wir heute den Wirtschaft in Europa. Grundstein. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Abschließend: Meine sehr geehrten Damen und Her- Wenn der Vorredner kritisiert, dass wir deutsche Pre- ren, die Gesetzentwürfe, die von der Bundesregierung miumprodukte demnächst auf europäischer Ebene auch eingebracht wurden, sind gut. Wir haben beide Gesetz- „Premium“ nennen, dann läuft etwas schief. Der Frak- entwürfe noch besser gemacht. Wir werden im Bereich tionsvorsitzende von Rechtsaußen bezieht sich immer der Pfandbriefe, im Derivatebereich – das ist auch dem wieder auf Friedrich den Großen. Dieser war es, der Ausschussbericht zu entnehmen – den Spielraum, den den deutschen Pfandbrief auf den Weg gebracht hat. unsere Finanzaufsicht hat, klar und deutlich regeln. Das soll auf den Weg gebracht werden. Wir haben uns auch – (Stefan Keuter [AfD]: Den deutschen Pfand- ein Dank geht an den Kollegen Johannes Schraps – im brief!) Bereich der Digitalisierung noch einmal bewegt. Es Wenn wir den deutschen Pfandbrief jetzt europäisieren reicht nämlich nicht aus, alles wie bei Friedrich dem und den Premium-Zusatz dazugeben, dann ist das nicht Großen mit Papier zu hinterlegen, sondern es ist wichtig, nur gut für Deutschland, nein, das ist gut für die Europä- dass wir hier digitalisiert unterwegs sind. Das konnten 28010 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Sepp Müller (A) wir erreichen. Sie sehen also: Das Herz der Demokratie in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) Deutschland schlägt im deutschen Parlament. Das ist der CDU/CSU und der SPD) Demokratie. Wir haben etwas Gutes auf den Weg ge- bracht. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Vizepräsident in : (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vielen Dank, Frank Schäffler. – Der nächste Redner: ordneten der SPD) für die Fraktion Die Linke Jörg Cezanne. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident in Claudia Roth: Vielen Dank, Sepp Müller. – Schönen guten Tag, liebe Jörg Cezanne (DIE LINKE): Kolleginnen und Kollegen. Nächster Redner: für die Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben FDP-Fraktion Frank Schäffler. es schon gehört: Wir beraten zwei Gesetzentwürfe, mit denen europäisches Recht in deutsches Recht umgesetzt (Beifall bei der FDP) wird. Es geht um gedeckte Schuldverschreibungen, den deutschen Pfandbrief, und die Aufsicht über Finanzinsti- Frank Schäffler (FDP): tute, die keine Bankgeschäfte anbieten, sondern mit Wert- Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- papieren handeln. Dabei werden gemeinsame Qualitäts- legen! Die beiden zur Abstimmung stehenden Gesetzent- standards geschaffen und einige vernünftige Regelungen, würfe greifen das wichtige Ziel auf, die Kapitalmarkt- zum Beispiel zur Offenlegung von Klimarisiken, einge- union in Europa voranzubringen; mein Vorredner hat führt. So weit, so unspektakulär. Wir werden uns enthal- das schon gesagt. Das begrüßen wir als Freie Demokraten ten. ausdrücklich. Eine Vertiefung der Kapitalmarktunion Worüber ich reden möchte, ist aber: Was steckt denn führt zu günstigeren Finanzierungen für europäische Un- hinter dieser Strategie zur Vereinheitlichung von Finanz- ternehmen und grenzüberschreitende Risikoteilungen. produkten? Es geht eben erklärtermaßen nicht darum, Der Grundgedanke der Proportionalität im Gesetz zur sicherere Finanzinstrumente zu schaffen. Es geht nicht Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten ist an sich darum, weniger spekulative, besser durchschaubare ebenfalls begrüßenswert. Die Regelungen sind so ange- Finanzprodukte zu erreichen. Das Ziel ist ein anderes: legt, dass die Intensität der Beaufsichtigung durch die Die einheitlichen Standards sollen die Konkurrenz zwi- BaFin proportional zur Größe der Wertpapierinstitute schen den Anbietern verschärfen, den Markt vergrößern ausfällt. Die regulatorischen Anforderungen im Finanz- und dadurch weitere und angeblich bessere und billigere Finanzinstrumente schaffen. Die Europäische Union (B) markt sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Insbe- (D) sondere kleinere Finanzdienstleister, von welchen nur nennt das „Kapitalmarktunion“. So weit zur Theorie. geringe Risiken ausgehen und für die die Komplexität Ganz praktisch versprechen sich aber Bundesregierung der Finanzmarktregulierung eine enorme Kostenbelas- und die deutschen Banken, dass sich mit den neuen tung darstellt, können so ein wenig entlastet werden. Gesetzen deutsche Pfandbriefe künftig in Luxemburg, Zwar wird mit den vorliegenden Regelungen die über- Dublin, Rom und dem Rest der EU besser verkaufen wiegende Mehrheit dieser Unternehmen künftig als lassen. Geht diese Rechnung auf, dann werden dadurch „Kleine Wertpapierinstitute“ eingestuft und deren Pflich- die Refinanzierungsbedingungen zum Beispiel für Im- tenumfang bleibt weiterhin gering; dennoch müssen sich mobilienfinanzierungen in Deutschland günstiger, wäh- alle Wertpapierinstitute und damit eben auch die Kleinen rend gedeckte Schuldverschreibungen anderer Länder mit diesen neuen komplexen Regelwerken auseinander- möglicherweise schwerer absetzbar, also teurer werden. setzen und entsprechende Umsetzungsprozesse einleiten. Was also in der Theorie als Verbesserung für alle ange- Der erhebliche Aufwand, den dies verursachen wird, ist kündigt wird, ergibt am Ende einen Nutzen, der ungleich gerade in einer Zeit, in der viele Unternehmen ohnehin verteilt ist und ökonomisch nicht wünschenswerte Folgen um ihre Existenz kämpfen, unangemessen. Deshalb wer- hat. Das halten wir für falsch. den wir uns zu diesem Gesetzentwurf enthalten. (Beifall bei der LINKEN) Dem zweiten Gesetzentwurf, der Covered-Bonds-Har- Bei den derzeit steigenden Immobilienpreisen in monisierung, werden wir am Ende zustimmen, weil wir Deutschland zum Beispiel brauchen wir keine billigeren glauben – das ist schon vielfach gesagt worden; auch der Immobilienkredite für große Wohnungskonzerne. Denen Verweis auf Friedrich den Großen vor 252 Jahren ist würde es damit noch leichter gemacht, noch mehr Woh- richtig und notwendig und muss hier noch mal betont nungen aufzukaufen. Das würde die Häuserpreise in werden –, dass das ein Premiumprodukt ist, mit dem Deutschland eher noch antreiben – eigentlich kein anstre- wir eine hohe Sicherheit schaffen für diejenigen, die benswertes Ziel, oder? dort investieren. Gleichzeitig ist es eine wichtige Quelle für den Wohnungsbau, für die Finanzierung von Projek- (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ten. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zustim- Das ist echt Quatsch!) men. Wir halten den Gesetzentwurf auch durch die Ver- Und für die Länder der europäischen Peripherie würde besserungen, die im Verfahren noch erreicht wurden, die Finanzierung eher schwerer und teurer, weil die Kon- indem wichtige Anregungen der Branche mit aufgenom- kurrenz aus Deutschland weiter wächst – auch kein men wurden, für zustimmungsfähig. anstrebenswertes Ziel. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28011

Jörg Cezanne (A) Die ganze Konkurrenzlogik des EU-Binnenmarktes chancen zu identifizieren. Von dem besseren Rendite- (C) führt eben nicht und schon gar nicht automatisch zu so- Risiko-Verhältnis werden am Ende vor allem auch Anle- zialem und ökonomischem Ausgleich zwischen wirt- gerinnen und Anleger profitieren. schaftlich starken und schwachen Mitgliedstaaten. Sie treibt unter Umständen sogar Ungleichheit und Konflikte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) voran. Statt weiterer Kapitalmarktuniongesetze sollten Damit diese europäischen Vorgaben in Deutschland wir lieber die Finanzmärkte begrenzen und entschleuni- verlässlich, ohne übermäßige Kosten zu verursachen, gen, zum Beispiel mit einer Finanztransaktionsteuer, die umgesetzt werden können, muss sich hier aber noch eini- schon lange überfällig ist. ges tun. Das haben auch die Sachverständigen in der Vielen Dank. Anhörung deutlich gemacht. Bislang sind die Finanz- akteure bei Nachhaltigkeitsdaten vor allem auf die sehr (Beifall bei der LINKEN) wenigen Ratingagenturen angewiesen, die derzeit den Markt unter sich aufteilen. Oft besteht nur ein geringer Vizepräsident in Claudia Roth: Zusammenhang zwischen den Ratings verschiedener Agenturen. Um dieses Datenproblem anzugehen, braucht Vielen Dank, Jörg Cezanne. – Nächste Rednerin: für es dringend eine Ausweitung und Standardisierung der Bündnis 90/Die Grünen Lisa Paus. nichtfinanziellen Berichterstattung, wie es übrigens (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch vom Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregie- rung vorgeschlagen wird. Wir unterstützen das, meine Damen und Herren. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stim- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men heute über Gesetzentwürfe zur nationalen Umset- sowie bei Abgeordneten der SPD und der zung zweier europäischer Richtlinien ab; das wurde CDU/CSU) schon erwähnt. Wir begrüßen das Zustandekommen Besonders eklatant ist die Nachhaltigkeitsdatenlücke ganz außerordentlich. im Gebäudebereich. So sind in der Immobilienwerter- Mit der sogenannten Covered-Bonds-Richtlinie wer- mittlungsverordnung zwar die energetischen Eigenschaf- den erstmals eine einheitliche Definition und gemein- ten eines Gebäudes als ein Faktor zur Berechnung seines same europäische Mindeststandards für gedeckte Wertes aufgezählt. In der Praxis scheitert die Berücksich- Schuldverschreibungen – auf Deutsch: den guten alten tigung aber oft schlichtweg daran, dass es vor allem bei Pfandbrief – geschaffen. Das sichert zum einen das Bestandsgebäuden an Information über deren energeti- (B) hohe Schutzniveau des deutschen Pfandbriefes, der vor sche Qualität fehlt. Hier kann und muss die Einführung (D) allem im Immobilienmarkt eine wichtige Finanzierungs- eines elektronischen Gebäudeenergieausweiskatasters funktion erfüllt, jetzt auch europaweit und verhilft zum Abhilfe schaffen. Von daher gilt: Nach der Reform ist anderen der gesamten EU zu einem homogeneren und vor der Reform. Weiteres liegt vor uns. transparenteren Covered-Bonds-Markt. Und das ist bes- Herzlichen Dank. ser, Herr Cezanne. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident in Claudia Roth: Vielen Dank, Lisa Paus. – Nächster Redner: für die Auch mit der Richtlinie über die Beaufsichtigung von SPD-Fraktion Lothar Binding. Wertpapierinstituten wird ein neues europäisches Regel- werk geschaffen, das den bisherigen Flickenteppich aus (Beifall bei der SPD) nationalen Einzelvorschriften überwindet. Man kann das auch so pathetisch formulieren wie Herr Müller; wir ma- chen das aber einmal ein bisschen kleiner. Ich glaube Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): nämlich, dass es noch mehr Schritte gibt, die man unter- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nehmen muss. Besonders erfreulich aber ist, dass Wert- Man muss sagen: Das ist ja eine einigermaßen harmoni- papierfirmen künftig – auch auf Druck der Grünen im sche Diskussion. Bis auf ein paar Ausnahmen ähneln sich Europäischen Parlament – ihre Anlagestrategie transpa- die Reden sehr stark. renter machen müssen. Beispielsweise müssen Wertpa- Ich will das mit einer einleitenden Frage garnieren: pierfirmen zukünftig ihr Abstimmungsverhalten auf Brauchen wir eigentlich Investitionen in Frankreich? Hauptversammlungen offenlegen. Brauchen wir Investitionen in Spanien? Gibt es eigentlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einen Export nach Europa? Sind unsere Konzerne eigent- lich in der Welt und in Europa oder nur in Deutschland Vor allem aber müssen Wertpapierfirmen von nun an unterwegs? – Soweit ich weiß, gehen 60 Prozent unseres darüber berichten, wie sie mit Umwelt-, Sozial- und Un- gesamten Exports nach Europa. Sogar der kleinere Mit- ternehmensführungsrisiken umgehen. Das hilft, potenzi- telstand ist in Europa unterwegs. Alle engagieren sich in elle Portfoliobedrohungen zu erkennen, beispielsweise vielen Mitgliedstaaten. Jetzt stellen wir uns mal einen wenn die Kohlenstoffblase platzt. Die Berichtspflicht ist Moment vor, wir hätten nur unseren Nationalstaat, nur aber auch ein wichtiges Instrument, um neue Geschäfts- den nationalen Bankenplatz, nur den nationalen Finanz- 28012 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Lothar Binding (Heidelberg) (A) platz, nur nationale Fiskalpolitik! Was würde dann pas- Vizepräsident in Claudia Roth: (C) sieren? Es ist völlig klar: Das wäre die nationale Ersti- Vielen Dank, Lothar Binding. – Der letzte Redner in ckung von Deutschland. Wer will das? dieser sehr lehrreichen und zeitlich sehr punktgenauen Debatte – das will ich einmal sagen; alle halten sich an (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die Redezeit – ist Sebastian Brehm für die CDU/CSU- Fraktion. Das Ziel sind – ich sage das mit Blick auf Jörg (Beifall bei der CDU/CSU) Cezanne – einheitliche Standards, und ich meine, das ist gut. Wenn die Standards einheitlich sind, gelten sie über- Sebastian Brehm (CDU/CSU): all, auch in den ärmeren Ländern. Wenn die einheitlichen Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- Standards die nationalen ablösen, könnte das allen helfen, legen! Wir haben schon eine sehr inhaltliche Debatte über wenn es halbwegs fair zugeht. Und diese Sicherheit – und die beiden Gesetzentwürfe zur Umsetzung der EU-Richt- um dieses Produkt geht es – hilft auch der sozialen linien geführt, die heute beschlossen werden. Sicherheit. Ich glaube, das, was wir heute machen, ist kein Export des Pfandbriefs nach Europa, sondern ein Es geht zum einen um die Umsetzung der EU-Richt- europäischer Import des deutschen Pfandbriefs, weil linie zur Emission gedeckter Schuldverschreibungen. Es man gemerkt hat, dass er überall fehlt. Er ist die sicherste reicht also nicht nur ein Papier mit einer Zahl drauf, Möglichkeit zur Finanzierung von Produkten und Projek- sondern es muss selbstverständlich noch etwas dahinter- ten. Jeder, der wissen will, ob das funktioniert, schaut stehen, damit es Pfandbriefe sind, sogenannte Covered nach Deutschland und sagt: Da funktioniert er schon Bonds. sehr lange gut. – Die besonderen Regeln, die wir haben, (Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] helfen ganz Europa. Johannes Schraps hat erklärt, warum [SPD]) das Verständnis „Europa importiert den deutschen Pfand- brief“ so gut ist für die gesamte Situation. Die Richtlinie sieht eine prinzipienbasierte Mindest- harmonisierung vor. Vielleicht ist die Debatte deswegen Das Schöne ist: Wir sind wirklich auf dem Weg zur heute auch so harmonisch. Prinzipienbasiert heißt, dass Bankenunion. Wir sind wirklich auf dem Weg zur Kapi- wesentliche Strukturmerkmale der Produkte und Min- talmarktunion. Das bedeutet: Gleiches soll gleich behan- destanforderungen an den Anlegerschutz vorgegeben delt werden. Die Aufsicht, die Produkte, der Sicherheits- werden, aber die Mitgliedstaaten trotzdem noch Spiel- begriff, die Geldbeschaffung für Investitionen, all das raum für nationale Spezifika haben. spielt dabei eine wichtige Rolle. (B) Das deutsche Pfandbriefgesetz steht schon überwie- (D) gend im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie. Inso- Wenn wir hier von Covered Bonds sprechen, weiß fern sind nur punktuell kleinere Änderungen vorzuneh- keiner, was das ist. Jedenfalls fragen viele, mit denen men. Dadurch werden der Export, der Verkauf und der ich gesprochen habe: Geht das auch auf Deutsch? – Vertrieb von deutschen Pfandbriefen im Ausland erleich- Wenn ich dann antworte: „Schuldverschreibungen“, sa- tert. Das ist sehr erfreulich; denn – das ist heute mehrmals gen sie: Oh, sehr interessant. – Manche reden auch von erwähnt worden – der deutsche Pfandbrief ist ein Export- Anleihen, Rentenpapieren, Obligationen. Das ist alles das schlager seit der preußischen Hypotheken- und Konkurs- Gleiche. Du schreibst einen Betrag auf ein Papier und ordnung 1722. bekommst dafür Geld. Derjenige, der das Geld nimmt, hat jetzt natürlich einen Kredit und muss sich verpflich- (Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU]) ten, ihn zurückzuzahlen. Ist das jetzt sicher oder unsi- Es ist also etwas Grundsolides und Bewährtes, das wir cher? Gebe ich mein Geld einem Schluri, bekomme ich nach Europa geben. Dass die AfD kritisiert, dass wir es vielleicht nie zurück und bin dann traurig. Also ist es deutsche Standards in Europa umsetzen, zeigt, dass sie gut, etwas anderes zu machen. Ich gehe dann zu einer den Gesetzentwurf offenbar nicht gelesen hat; denn es ist Pfandbriefbank und kaufe einen Pfandbrief. Der ist so etwas Positives, wenn wir unsere grundsoliden Standards gut besichert, dass die Bank einen Pool bilden muss, in Europa umsetzen. der sogar im Insolvenzfall der Bank nicht angegriffen werden kann, der also die Insolvenz dieser Bank über- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dauert und diese schuldrechtliche Beziehung besichert. Wie immer gilt auch hier – das ist nichts Außerge- wöhnliches –: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wie es eingebracht wurde. Es wurden ja fleißig Umdrucke erstellt und einzelne wichtige Punkte geändert, zur Digi- Wenn diese Sicherheit exportiert wird, haben wir etwas talisierung, zur Rückwirkung; so soll es keine Rückwir- sehr Gutes für Europa gemacht. Ich bin froh, dass es diese kung von Offenlegungspflichten geben, keinen unver- Richtlinie gibt und wir sie in dieser Weise umsetzen. hältnismäßig hohen Aufwand für die Pfandbriefbanken. Herr Kollege Keuter, Sie hätten da durchaus mitarbeiten Schönen Dank. können. Aber es ist immer das Gleiche: Man stellt sich hin und motzt, macht dann aber keine Arbeit. – Das ist ganz normale parlamentarische Arbeit. Man kann Sie nur (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dazu ermuntern, sich in den entsprechenden Ausschüssen der CDU/CSU) zu Wort zu melden, was Sie bislang nicht tun. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28013

Sebastian Brehm (A) (Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU]) Die Grünen, der CDU/CSU und der FDP. Enthalten ha- (C) ben sich die Fraktionen der AfD und der Linken. Es gab Mit dem zweiten Gesetzentwurf, den wir heute eben- keine Gegenstimmen. falls beschließen, wird die Aufsicht für die Wertpapier- institute neu geregelt. Bislang war es so, dass die Institute Dritte Beratung vom Bankenaufsichtsrecht, also vom Kreditwesengesetz, und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem umfasst wurden. Die Wertpapierinstitute haben aber ganz Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – spezifische und ganz anders gelagerte Risiken. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- Dieses Format ist für die Aufsicht nicht ausreichend. entwurf ist angenommen. Zustimmung kam von den Deswegen wird es jetzt ein neues Wertpapierinstitutsge- Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/ setz geben, mit dem genau diese Trennung vom Banken- CSU und FDP. Gegenstimmen gab es keine. Enthalten aufsichtsrecht vollzogen wird. Damit wollen wir die haben sich die Fraktionen der AfD und der Linken. Finanzstabilität stärken, absolut richtig, und die Finanz- Tagesordnungspunkt 19 b. Abstimmung über den von aufsicht für diese Unternehmen noch zielgenauer ausrich- der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur ten. Deswegen betreffen die neuen Regelungen die Auf- Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die sicht über Wertpapierinstitute, die keine Banken sind, Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten. Der Finanz- sondern ausschließlich Wertpapierdienstleistungen vor- ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf nehmen. Hierdurch wird für 750 kleinere und mittlere Drucksache 19/28480, den Gesetzentwurf der Bundesre- Wertpapierinstitute eine einfache Systematik geschaffen. gierung auf Drucksache 19/26929 in der Ausschussfas- Es könnte übrigens Vorbild für viele andere Aufsichten sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- sein, dass wir hier proportional vorgehen, nach der Risi- entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um koanfälligkeit der einzelnen Geschäftsmodelle und nach das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält der Größe der jeweiligen Institute. Je nachdem, wie groß sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung und wie risikoanfällig ein Institut ist, wird geprüft, ob die angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen der Anforderungen an das Anfangskapital, an die Geschäfts- CDU/CSU, von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. organisation und bestimmte Anzeigepflichten, ob die Gegenstimmen gab es keine. Enthalten haben sich die Aufsichtsbefugnisse im Hinblick auf die Solvenz der Fraktionen der Linken, der FDP und der AfD. Wertpapierinstitute sowie die Eigenkapital- und Liquidi- Dritte Beratung tätsanforderungen, ob die Regelungen zur Vergütung von und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Vorständen und bestimmten Mitarbeitern erfüllt sind. Ich Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – glaube, das wäre auch Vorbild für die Bankenaufsicht, (B) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- (D) dass man also große Banken nicht wie eine kleine Raiff- entwurf ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktio- eisenbank oder eine Sparkasse prüft, sondern auch da nen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU/ Proportionalität ansetzt. CSU. Gegenstimmen gab es keine. Enthalten haben sich Das sind zwei gute Gesetzentwürfe, und ich hoffe, dass die Fraktionen der Linken, der FDP und der AfD. es breite Zustimmung dafür geben wird. Ich denke, man Vielen herzlichen Dank; ich habe wirklich einiges kann diese beiden Gesetzentwürfe heute guten Gewissens gelernt. verabschieden. (Heiterkeit – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/ Herzlichen Dank. DIE GRÜNEN]: Gern geschehen! – Sebastian (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Brehm [CDU/CSU]: Wenn wir einmal etwas Dr. Jens Zimmermann [SPD]) helfen können, gerne! – Steffi Lemke [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wiederholen! Wir fragen das ab!) Vizepräsident in Claudia Roth: – Nee, wiederholen tue ich es nicht. Vielen Dank, Sebastian Brehm. – Damit schließe ich die Aussprache. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a bis 20 c auf: Tagesordnungspunkt 19 a. Wir kommen zur Abstim- a) Beratung der Beschlussempfehlung und des mung über den von der Bundesregierung eingebrachten Berichts des Ausschusses für Inneres und Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie des Europä- Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der ischen Parlaments und des Rates vom 27. November Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Ulle 2019 über die Emission gedeckter Schuldverschreibun- Schauws, Renate Künast, weiterer Abgeord- gen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuld- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE verschreibungen. Der Finanzausschuss empfiehlt in sei- GRÜNEN ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/28483, den Hasskriminalität und andere Formen von Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache Gewalt gegen Frauen endlich erfassen und 19/26927 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte wirksam bekämpfen diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas- sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer Drucksachen 19/24382, 19/27471 stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des wurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Zuge- Berichts des Ausschusses für Inneres und stimmt haben die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/ Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der 28014 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident in Claudia Roth (A) Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Das sind jetzt natürlich nicht die Zahlen der Vereinten (C) Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Nationen. Aber man kann das schon vergleichen, im per- weiterer Abgeordneter und der Fraktion sönlichen Gespräch mit Kollegen. Die bekommen auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zuschriften. Aber wenn man sie fragt: „Ging es da irgendwo einmal um dich persönlich, um dein Ausse- Für aussagekräftige Dunkelfeld-Opfer- hen?“, oder: „Wurdest du im Netz auch sexuell beläs- befragungen tigt?“, dann antworten sie meistens: „Nein, das ist nicht Drucksachen 19/5894, 19/27888 der Fall“. Das ist etwas, was uns allen so geht. Vielleicht sind wir als Politikerinnen – leider – an der einen oder c) Beratung der Beschlussempfehlung und des anderen Stelle abgehärtet. Aber es kann nicht sein, dass Berichts des Ausschusses für Recht und Ver- wir das einfach hinnehmen. Deswegen müssen wir tätig braucherschutz (6. Ausschuss) werden. – zu dem Antrag der Abgeordneten Gyde Straftaten aus Frauenhass stehen häufig auch im Jensen, Nicole Bauer, Alexander Graf Zusammenhang mit ideologischen Phänomenen. Wir be- Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und obachten ganz oft, dass der Hass auf Feminismus durch der Fraktion der FDP antisemitische, durch rassistische Ideologeme flankiert Frauenrechte im digitalen Raum schüt- wird. Dafür gibt es verschiedene Beispiele, wie die zen und geschlechterspezifische digitale frauenfeindliche Incel-Bewegung. Wir sehen: Frauenhass Straftaten stärker bekämpfen ist Menschenhass. Er geht uns alle an, und bricht der Damm, bricht er für uns alle. Es gibt ihn in vielen Aus- – zu dem Antrag der Abgeordneten Anke prägungen: Es ist die Androhung von Straftaten in sozia- Domscheit-Berg, Cornelia Möhring, len Netzwerken, es ist Cyberstalking, das sogenannte Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter Doxing. Das heißt, Frauen werden viel zu häufig Opfer und der Fraktion DIE LINKE von Missachtung, von Hass und Gewalt. Unser Leben ist digital. Virtuelle Gewalt ist Gewalt im Hier und Jetzt. Das Digitale Gewalt gegen Frauen ist unerträglich. Es ist wahnsinnig viel Leid unterwegs. Drucksachen 19/27185, 19/25351, Deswegen wird das von uns als Bundesregierung mit 19/28518 aller Macht bekämpft. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- Wir haben in den vergangenen Monaten viel auf den schlossen. Weg gebracht: das Gesetz zur Bekämpfung des Rechts- (B) extremismus und der Hasskriminalität, das Netzwerk- (D) Ich warte, bis die Kolleginnen und Kollegen die Plätze durchsetzungsgesetz. Wir haben eine neu geschaffene getauscht bzw. die Plätze eingenommen haben. – Damit Zentralstelle beim Bundeskriminalamt. Wir haben den eröffne ich die Debatte. Gesetzentwurf zur Änderung des § 238. Das bereits Das Wort hat für die Bundesregierung Staatsministerin erwähnte Doxing wird dazu führen, dass das Verbreiten Dorothee Bär. personenbezogener Daten mit dem Gesetz zur Strafbar- keit der Verbreitung von Feindeslisten unter Strafe ge- (Beifall bei der CDU/CSU) stellt wird. Zu einem ganz wichtigen Punkt komme ich beim The- Dorothee Bär, Staatsministerin bei der Bundeskanz- ma Kriminalstatistik. Mir ist es persönlich sehr wichtig, lerin: dass wir Gewalt gegen Frauen, frauenfeindliche Strafta- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ten in den polizeilichen Statistiken künftig besser erfas- Kollegen! Auf einen Mann kommen 27 Frauen, die von sen, besser auswerten. Ich bin sehr froh, dass wir uns dazu digitaler Gewalt betroffen sind, zumindest laut einer Stu- ganz klar bekannt haben. Der Bundesinnenminister – die aus dem Jahr 2015 der Breitbandkommission für digi- dafür bin ich sehr dankbar – hat bereits seine Zustimmung tale Entwicklung der Vereinten Nationen. Ich bin mir angekündigt und auch schon Gespräche mit den für die sicher, dass wir davon ausgehen können und müssen, Datenerhebung zuständigen Ländern geführt. dass das Bild im Jahr 2021 noch bedrückender ist. Warum Ich setze sehr stark auf die Innenministerkonferenz können wir davon ausgehen? Weil ich mir sicher bin, dass vom 16. bis 18. Juni dieses Jahres und darauf, dass das wir alle hier, die wir als Frauen im Parlament sind, das Ganze da endlich angegangen und umgesetzt wird, weil fast täglich erleben. nur wer Frauenfeindlichkeit als eigene Rubrik in der Kri- Ich habe das erst heute wieder den ganzen Tag erlebt. minalstatistik führt, schafft es, frauenfeindliche Strafta- Ich war gestern in zwei Talkshows. Danach bekommt ten zu benennen und zu zeigen, dass das eben kein ver- man viele Rückmeldungen. Man bekommt viel Lob, decktes Phänomen mehr ist. aber natürlich auch viel Kritik. Die Kritik, gerade wenn (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) sie von Männern kommt, ist selten neutral, dass man also sagt, man habe eine andere Meinung, man stimme eben Wenn wir Frauenfeindlichkeit in der Kriminalstatistik nicht überein. Bei fast jeder E-Mail ist irgendetwas erfassen, dann erhalten wir hinsichtlich dieser Straftaten Sexualisiertes dabei: was das Aussehen betrifft, was das auch genauere Informationen zu Opfern, Tätern, aber Auftreten betrifft, was die Kleidung betrifft, manchmal auch ganz bestimmten Merkmalen. Das heißt, wenn wir sogar die Sprache; selten geht es um die Inhalte. genau hinschauen, können wir etwas ändern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28015

Staatsministerin Dorothee Bär bei der Bundeskanzlerin (A) Abschließend, Frau Präsidentin: Natürlich wäre es bei Die Grünen sprechen von der – Zitat – „Gefährdung (C) fast allen Gesetzen am besten, wir bräuchten sie gar nicht. von Frauen durch das … familiäre Umfeld“. Familie ist Das entspricht aber leider nicht der Lebensrealität. Solan- für Sie nicht ein Ort von Nähe und Identität, sondern ein ge das weiterhin der Fall ist, werden wir alles dafür tun, Hort der Gewalt. damit dieser Hass nicht weiter in die Gesellschaft wirkt, (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und ich bin mir sicher, dass wir fraktionsübergreifend NEN]: Seien Sie doch mal realitätsnah! einen hoffentlich relativ großen Konsens hinbekommen, Unfassbar!) wenn auch das Belästigen von Frauen, das falsche Hinter- herschreien und die Pöbeleien von einigen als Kavaliers- So rechtfertigen Sie dann auch, dass das familiäre delikte bezeichnet werden. Umfeld – Zitat – „in den Blick genommen werden“ muss. Sie wollen Familien überwachen, kontrollieren (Beifall bei der CDU/CSU) und bevormunden.

Vizepräsident in Claudia Roth: (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ein Unsinn!) Vielen Dank, Dorothee Bär. – Nächste Rednerin für die AfD-Fraktion: Beatrix von Storch. Und da Sie grundsätzlich keine Kritik vertragen, wol- len Sie die legitime Kritik an Ihrer radikalfeministischen (Beifall bei der AfD) Agenda kriminalisieren.

Beatrix von Storch (AfD): (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den An- Deswegen stellen Sie in Ihrem Antrag Antifeminismus trag der Grünen zur Hasskriminalität lehnen wir trotz auf eine Stufe mit Antisemitismus. Deutschland anno einiger richtiger Ansätze ab. Es geht Ihnen ersichtlich 2021! So wollen Sie den Feminismus unangreifbar ma- allein darum, Ihre radikalfeministische, familienfeindli- chen. Ihnen geht es nicht um den Schutz der Frauen vor che, antiwestliche Ideologie durch die Hintertür durchzu- Gewalt, setzen. (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Aber (Beifall bei der AfD) euch!) In dieser Ideologie sind alle Männer potenzielle Täter. Ihnen geht es um den Schutz Ihrer Ideologie vor anderen Die Familie ist ein Hort der Gewalt und unsere christlich Meinungen. geprägte europäische Kultur eine Herrschaft des Patriar- chats. Nichts könnte falscher sein. Ebenso läuft es bei der Hasskriminalität. Andere Werte (B) diffamieren Sie als Hass. Wer die kulturelle Identität be- (D) (Zuruf von der LINKEN: Ha, ha!) wahren will, ist ein Rassist, wer sich gegen die Ehe für Die Auswertung der WHO über häusliche Gewalt in alle ausspricht, ist homophob, und wer die Gleichstel- 48 Staaten kam zu dem Ergebnis, dass die Gewalt in nicht lungspolitik ablehnt, ist ein Frauenfeind. westlichen Ländern zehnmal höher ist als in unseren ( [SPD]: Selten so viel westlichen Staaten, und der Psychologe Steven Pinker Unsinn gehört!) stellt einen massiven Rückgang der Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahrzehnten in Europa und Nordamerika Unter Gewalt verstehen Sie nicht nur Gewalt, sondern fest. Der grüne Hass auf unsere Kultur und auf die Fami- digitale Gewalt: Tweets, Kommentare und Meinungsäu- lien macht Sie blind für diesen Erfolg. ßerungen. – Da landen wir dann direkt bei der Istanbul- Konvention. Darin wird Gewalt gegen Frauen unter ande- (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- rem als eine – Zitat – „Form der Diskriminierung … ver- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal in den standen …, die zu … wirtschaftlichen Schäden oder Lei- Spiegel geguckt heute Morgen? Da war der den bei Frauen führen oder führen können …“. Eine Frau Hass! Sie sollten den Antrag zumindest lesen nicht in den Vorstand zu wählen, ist nach dieser geltenden und ordentlich zitieren!) Definition bereits Gewaltanwendung. Der Antragstext bezeichnet stattdessen die Lage in Der Antragstext stellt die Verbindung von rechtsextre- Deutschland als „Femizid“. Der Begriff kommt aus mem Gedankengut zu Frauenhass her. Lateinamerika. In der mexikanischen Grenzregion wur- den in den 90er-Jahren Hunderte Frauen (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Von Storch Seit an Seit mit Erdogan!) (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Katho- lisch übrigens!) Die Verbindung von Islam und Frauenhass existiert für Sie natürlich nicht. Sie malen die Gefahr frauenfeindli- entführt, gefoltert und enthauptet. Dass die Grünen diese cher Internetfreaks, der Incels, an die Wand, aber schwei- grauenhaften Verbrechen mit der Lage in Deutschland gen über muslimische Ehrenmorde. Gewalt gegen vergleichen, Frauen, die nicht zu Ihrer radikalfeministischen Ideologie (Mechthild Rawert [SPD]: Hier in Berlin jeden passt, ist Ihnen vollkommen egal. dritten Tag!) (Beifall bei der AfD – Mechthild Rawert ist ungeheuerlich. Allein dadurch ist der Antrag schon [SPD]: Sie müssten sich schämen, so was über- vollkommen disqualifiziert. haupt zu sagen!) (Beifall bei der AfD) – Genau, das ist schäbig; Sie sagen es selbst. 28016 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Beatrix von Storch (A) (Mechthild Rawert [SPD]: Schämen! Scham!) auch mal vor Ort informieren. Bei Beratungsstellen, (C) Gruppierungen und auch bei der Polizei passiert aller- Dieser Hassantrag ist Teil des grünen Kulturkampfes. hand. Die Grünen wollen Deutschland mit Radikalfeminismus und Gender kaputtmachen. Wir wollen Deutschland, aber 120 Millionen Euro sind von unserer Familienministe- normal. rin Franziska Giffey für Frauenhäuser und Projekte zur Verfügung gestellt worden. Das ist ja wohl keine Kleinig- (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- keit. Dazu kommen Hilfen, wie zum Beispiel durch die NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Gewalt ge- Initiative „Stärker als Gewalt“, die Opferschutzplattform gen Frauen ist bei Ihnen normal, ja? Das war „hilfe-info.de“ oder die Aktion „Zuhause nicht sicher?“. die ganze Rede! Da zog sich das durch! Schö- Trotzdem ist es richtig, sich immer wieder ändernde nes normales Deutschland der AfD! – Gegen- Erkenntnisse zu gewinnen und entsprechend darauf zu ruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]: Wenn reagieren – sei es hier im Bund, aber auch in den Ländern Sie sich aufregen, war die Rede gut!) und in den Kommunen vor Ort. Kennen Sie Incels? Das ist ja eben schon mal ange- Vizepräsidentin Claudia Roth: sprochen worden. Danke schön, Frau von Storch. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Susanne Mittag. (Beatrix von Storch [AfD]: Von mir!) (Beifall bei der SPD) – Nicht nur. – Das sind sich radikalisierende Frauenhas- ser im Netz. Susanne Mittag (SPD): (Mechthild Rawert [SPD]: Ja!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Sehr Stellen Sie sich vor, was das für ein Gewaltpotenzial ist, geehrte Damen und Herren! Wir kommen mal wieder zur was unter Umständen noch freigesetzt wird! Erschre- Versachlichung; das hilft ja immer. ckend. (Lachen des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]) (Beifall bei der SPD – Mechthild Rawert Herzlichen Dank erst mal für die Anträge. Wir haben [SPD]: Hanau! Ich kann nur sagen: Hanau!) damit die Möglichkeit, über ein in der Öffentlichkeit Aber auch in der realen Welt hat sich die Bandbreite oftmals unterschätztes Thema zu sprechen, um festzu- verändert – von Stalking, Misshandlungen, psychischer stellen, was sich schon verbessert hat, aber auch was Gewalt bis zu Folter und Mord. Auch das gibt es noch. noch fehlt – und das nicht nur am 8. März, dem Inter- Die Zeiten der Pandemie verschärfen die Lage noch, und (B) nationalen Frauentag, oder am 25. November, dem Inter- die tatsächlichen Ausmaße werden erst nach und nach (D) nationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen deutlich. Es gab allein 20 Prozent mehr Anrufe im April Frauen, sondern auch mal, wie heute, zwischendurch. letzten Jahres, zu Anfang der Pandemie. Was das für Gewalt gegen Frauen war ein Anlass, warum ich vor Beratung und Begleitung bedeutet, kann sich jeder vor- Jahren überhaupt in die Politik gegangen bin. Als Polizei- stellen. Das ist in diesen Zeiten fast gar nicht möglich. beamtin nicht zu wissen, wohin mit Frauen und Kindern, Es ist schon erwähnt worden: Die Polizeiliche Krimi- die nachts von Männern durchgeprügelt werden, war der nalstatistik ist schon angepasst und soll auch noch weiter Anlass, sich mit vielen anderen zusammen um ein angepasst werden. Das allerdings, Herr Mayer vom Frauenhaus zu kümmern, das es auch heute noch gibt – Innenministerium, könnte noch ein bisschen befeuert wie im ganzen Land – und leider immer noch notwendig werden. ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es läuft eine Hell- und Dunkelfeldbefragung im Rah- Seither hat sich aber einiges verbessert: in der Gesetz- men des periodischen Sicherheitsberichtes, gebung – dazu wird meine Kollegin gleich was sagen –, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung – Gewalt gegen- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- über Frauen und Kindern ist richtigerweise strafbar, sie NEN]: Wann denn?) ist nicht mehr akzeptabel, wie früher; wer die Augen und auch dieser Bericht muss vom Innenministerium zumacht, macht sich mitschuldig, und das ist unent- noch vor der Sommerpause vorgestellt werden. schuldbar, aber leider noch nicht bei allen angekommen –, (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) NEN]: Ah!) und im Bereich der Unterstützung, Hilfe, von Schutz und Da bin ich ganz optimistisch. Ein Zwischenbericht hin- Information – sei es mit finanzieller Hilfe, mit Beratung, sichtlich dieser Hell- und Dunkelfeldforschung, Herr mit Begleitung oder mit Organisationsunterstützung. Mayer – Herr Seehofer ist ja gerade nicht da –, wird Den Eindruck zu erwecken, dass der tatsächliche Um- hoffentlich dabei sein. fang der Gewalt weitgehend unbekannt ist, schadet den Auch die Bundesländer sind nach dem Beschluss der laufenden Projekten, ignoriert die Erfolge und gering- IMK, der Innenministerkonferenz – im Antrag erwähnt –, schätzt die Arbeit der vielen Menschen, die die Betroffe- an dem Thema dran, und ein Ergebnis steht noch aus. Sie nen begleiten und stützen – manchmal über Jahre, im sagen schon jetzt, es wird nicht reichen. Wir finden, wir Stillen und im Hintergrund. Man muss sich da vielleicht sollten erst mal die Ergebnisse der fachlich und wissen- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28017

Susanne Mittag (A) schaftlich erstellten Expertise abwarten und dann bewer- Denn die PKS – das wissen Sie – erfasst eben nur Straf- (C) ten, ob das ausreicht oder ob noch mehr dazukommen taten, die bereits aktenkundig sind. Wir haben ja gerade muss. auch von der Staatsministerin gehört, dass es um weit mehr geht, nämlich um Opfer von Gewalt, die sich viel- Zu der in Ihrem weiteren Antrag aufgeführten von der leicht nicht trauen, eine Anzeige zu stellen. Das heißt, für Bundesregierung vernachlässigten Behebung von Miss- die Politik hat die PKS keine maßgebliche weitere Aus- ständen: Sie sagen selbst, zuständig seien die Länder. sagekraft für ein Handeln. Deswegen brauchen wir eine Dann sollen sich die Länder auch darum kümmern. Sie Dunkelfeldstudie, die dann auch gesetzgeberisch wir- haben einen Ministerpräsidenten; die Grünen sind auch kungsvoll reagieren lässt. über die Landesregierungen mit ihrer Beteiligung dabei. Ich finde, in der nächsten IMK wäre das mal zu organi- sieren. (Beifall bei der FDP Dr. Irene Mihalic [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht auch in un- Trotzdem können wir auf Bundesebene hier noch aller- serem Antrag!) hand tun, das sei überhaupt nicht hintenangestellt. Eines ist klar: Das ist kein Nischenthema. Frauen und Kinder insgesamt sind die Mehrheit der Bevölkerung. Zu Ihrem zweiten Antrag, liebe Grüne, zur besseren Dunkelfeldforschung. Wir teilen Ihr Anliegen. Allerdings (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maik wird der bundesweite Viktimisierungssurvey bereits in Beermann [CDU/CSU]) großen Teilen in der Form, wie Sie es ja auch in Ihrem Antrag fordern, geschrieben. Deswegen verweise ich Vizepräsidentin Claudia Roth: noch mal auf den dringend benötigten Periodischen Sicherheitsbericht, wie er übrigens auch im Koalitions- Vielen Dank, Susanne Mittag. – Nächste Rednerin: für vertrag 2017 vereinbart wurde. Seitdem ist aber nichts die FDP-Fraktion Gyde Jensen. passiert. Wir sagen Ihnen ganz ehrlich: Wenn hier kurz (Beifall bei der FDP) vor knapp, vor Ende der Legislaturperiode, noch ein Dokument auf den Tisch kommt, das vielleicht diese Überschrift hat, dann ist das doch ein bisschen dürftig. Gyde Jensen (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst mal möchte ich bemerken, dass sich (Beifall bei der FDP) drei Fraktionen – darunter keine von der Regierungsko- alition – tatsächlich mit dem Thema „Gewalt und Hass- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Freien Demo- (B) kriminalität gegen Frauen“ in den Anträgen, die uns heu- kraten sehen den blinden Fleck bei der Bundesregierung (D) te vorliegen, intensiv beschäftigt haben. Ob im digitalen beim Thema geschlechterbezogene Straftaten vor allem oder im analogen Raum, gerade im vergangenen Jahr im digitalen Bereich. Wir müssen Frauen endlich in die haben wir gesehen – das hat die Pandemie uns noch Lage versetzen, sich gegen Angriffe und Persönlichkeits- mal als Stresstest und unter dem Brennglas vor Augen verletzungen im Netz besser und effektiver verteidigen geführt und offengelegt –, wo die Schwächen beim zu können. Deswegen fordern wir schon seit Langem Schutz von Frauen vor Gewalt vor allen Dingen liegen. einen zivilrechtlichen Anspruch gegen Plattformbetrei- Meine Kolleginnen Nicole Bauer und Katja Suding ha- ber, wie ihn schon die Kollegen und ben dazu bereits im November letzten Jahres einen An- in unserem Antrag gegen Rechtsextre- trag eingebracht, in dem sie fordern, ein bundesweites mismus gefordert haben. Betroffene müssen in die Lage Onlineregister für freie Frauenhausplätze auf den Weg versetzt werden, eine richterliche Anordnung gegenüber zu bringen, niedrigschwellige Beratungsangebote endlich einer Plattform erwirken zu können, mit der sie die Spei- umzusetzen und Anzeigeverfahren zu schaffen. cherung und die Herausgabe von Daten, die dann zu der Identifikation des Schädigers notwendig sind, durch den (Beifall bei der FDP) Provider verlangen können. Ein offensichtliches Problem zu lösen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat für uns Freie Demokraten höhere Prio- (Beifall bei der FDP) rität als nur darüber zu sprechen, wie wir noch weitere Daten über dieses offensichtlich bestehende Problem sammeln. Ein zweiter wichtiger Punkt – dann komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin –: Der Bund sollte in Zusam- Damit komme ich zum ersten Antrag der Grünen. Ihr menarbeit mit den Ländern darauf hinwirken, dass so- gewählter Ansatz ist aus unserer Sicht nicht zielführend. genannte Cyberambulanzen flächendeckend auf den In unseren Augen ist die Polizeiliche Kriminalstatistik Weg gebracht werden. Dort können Betroffene unter- nämlich nicht der Ort für eine bessere Erfassung von stützt werden, schon bevor sie eine Anzeige stellen. Daten über Gewalt gegen Frauen. Wir brauchen dringend Genau das – die Sicherung von möglichst gerichtsfesten einen regelmäßigen, mindestens einmal in der Legislatur digitalen Beweisen – ist, glaube ich, wichtig, um der stattfindenden, periodischen Sicherheitsbericht mit einer Sache tatsächlich auf den Grund zu gehen. echten Dunkelfeldforschung, um dieses Deliktfeld über- haupt besser verstehen zu können. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der FDP) Frau Kollegin, jetzt sind Sie deutlich drüber. 28018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Gyde Jensen (FDP): sehr viel, um Frauen und Mädchen wirksamer zu schüt- (C) Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir zen. Meine Fraktion fordert daher in ihrem Antrag mehr freuen uns, wenn die Bundesregierung vielleicht den Informationen, eine Erweiterung der Polizeilichen Krimi- Modus Operandi übernimmt, diese Punkte in ihr Gesetz nalstatistik, um die Formen digitaler Gewalt zu erfassen, mit aufnimmt und dann ihren Namen drüberschreibt; aber auch mehr Forschung, vor allem im Dunkelfeld. Es denn am Ende geht es um die Betroffenen. braucht mehr Unterstützung für Betroffene durch besser Herzlichen Dank. ausgestattete, aber auch besser qualifizierte Beratungs- stellen. Und natürlich braucht es Spezialistinnen und Spe- (Beifall bei der FDP) zialisten bei Polizei und Justiz. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Es darf nie wieder vorkommen, wie hier in Berlin leider Frau Kollegin, ich danke Ihnen für Ihre Rede. – Nächs- öfter, dass Opfer an die Sittenpolizei verwiesen werden, te Rednerin: für die Fraktion Die Linke Anke Domscheit- weil der Mann die intimen Fotos seiner Ex ins Netz ge- Berg. stellt hat und man bei der Polizei meinte, es gehe ja (Beifall bei der LINKEN) irgendwie um Sex. Herr Amthor, das ist übrigens eine spannende Debatte, Auch das Strafrecht muss wirksamer werden. Aktuell die wir gerade haben. Vielleicht interessiert Sie das werden nicht einmal 2 Prozent der angezeigten Stalker auch. – Er hört nicht zu, sehen Sie. – Ich rede mit Ihnen, verurteilt. Und last, but not least braucht es auch eine Herr Amthor. Wir sind gerade in einer spannenden De- Änderung der Impressumspflicht, der Pflicht, eine Privat- batte, möglicherweise interessieren Sie sich dafür. Das adresse, zum Beispiel auf Blogs, zu veröffentlichen, die wäre gar nicht schlecht, wenn Sie sich jetzt mal aufs insbesondere Aktivistinnen und Aktivisten und Journalis- Zuhören konzentrieren würden. tinnen und Journalisten gefährdet. Da erwarte ich einen (Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebene, wo [SPD]: Typisch Mann!) die Grundlage für die Impressumspflicht gerade jetzt neu verhandelt wird. Das forderte im Übrigen auch der Sach- verständige der CDU/CSU bei der Anhörung. Allerdings Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE): haben Sie, laut Ihrer Antwort auf meine schriftliche Fra- Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- ge, nicht vor, das zu tun, und das ist inakzeptabel. legen! Sehr geehrter Herr Amthor! (Beifall bei der LINKEN) (Heiterkeit) (B) Die Linksfraktion fordert: Lassen Sie die Opfer nicht (D) Heute debattieren wir über drei Anträge von drei demo- länger im Stich! Schützen Sie Frauen und Mädchen bes- kratischen Oppositionsfraktionen zum Thema „Digitale ser vor digitaler Gewalt! Was zu tun ist, steht umfassend Gewalt gegen Frauen und Mädchen“, Herr Amthor. Das in unserem Antrag der Linksfraktion. zeigt: Das Thema hat deutlich höhere Relevanz in diesem Hause bekommen – außer bei Herrn Amthor. Im Übrigen haben Informationen zu Schwanger- schaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren. § 219a Die Bundesregierung allerdings ignoriert seit Jahren gehört abgeschafft, immer noch. viele Formen digitaler Gewalt, die Frauen und Mädchen in Deutschland auszuhalten haben. 2018 hat die Bundes- Vielen Dank. regierung auf meine Kleine Anfrage zu digitaler Gewalt (Beifall bei der LINKEN) noch geantwortet, dass ihr das Ausmaß völlig unbekannt sei, da es ja keine Kriminalstatistiken gibt, die das erfas- sen, obwohl die Istanbul-Konvention das vorschreibt. Sie Vizepräsidentin Claudia Roth: schrieb mir auch, dass digitale Gewalt gegen Frauen ja Vielen Dank, Anke Domscheit-Berg. – Nächste Red- kein Cybercrime sei, weil es keine Angriffe gegen infor- nerin: für Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Irene Mihalic. mationstechnische Systeme oder Daten gibt. Das ist aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) falsch. Digitale Gewalt ist auch, wenn Männer auf den Smartphones ihrer Ex eine Spyware, Spionagesoftware, Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): installieren, um ihre Bewegungen zu verfolgen oder ihre Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Nachrichten zu lesen. Liebe Kollegen! Jeden dritten Tag bringt ein Mann seine Immerhin hat der anhaltende Druck der Opposition – Partnerin oder Ex-Partnerin um. Nach dem, was Frau von auch meiner Fraktion – dazu geführt, dass die Bundesre- Storch gerade gesagt hat, findet die AfD das wohl normal. gierung nun endlich eine Gesetzesänderung zum Thema Dass aber das eigene Zuhause für Frauen damit zum Stalking vorgelegt hat – genau an dem Tag übrigens, an gefährlichsten Ort auf der Welt wird, darf niemals Nor- dem hier endlich eine Anhörung zu digitaler Gewalt statt- malität werden, meine Damen und Herren. fand. Anderthalb Jahre habe ich mich mit meiner Frak- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, tion dafür eingesetzt. bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der (Beifall bei der LINKEN) LINKEN) Es gibt nun – hoffentlich bald – eine effektivere Straf- Gewalt gegen Frauen ist eine massive Gefahr für die verfolgung bei widerrechtlicher Verbreitung intimer innere Sicherheit, und dagegen müssen wir dringend Bilder und bei digitalem Stalking. Aber es fehlt noch etwas tun. Da ist es völlig unverständlich, dass Hassstraf- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28019

Dr. Irene Mihalic (A) taten gegen Frauen in der Statistik zur politisch motivier- Veröffentlichung privater Adressen spielen nicht nur bei (C) ten Kriminalität noch nicht einmal gesondert erfasst wer- Partnerschaftsgewalt eine Rolle. Frauen werden immer den, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Da wieder Opfer rechter Hasskampagnen, die massive Aus- hilft es nicht, zu sagen: Das müsste man mal irgendwie wirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Ich ändern. – Sie stellen die Regierung, Sie können einen möchte hier als Beispiel den Fall von Jasmina Kuhnke solchen Missstand einfach beseitigen und zeigen, dass nennen, gegen die von Rechtsextremisten und Rassisten Ihnen die betroffenen Frauen in diesem Zusammenhang ein wahres Feuer aus Hass, Hetze und Gewaltandrohun- nicht egal sind. gen eröffnet wurde, sodass sie sich jetzt sogar gezwungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sah, mit ihren Kindern aus der eigenen Wohnung zu flie- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) hen. Wenn der Bundesinnenminister, wie er heute öffentlich Solche Szenarien muss der Rechtsstaat sehr viel früher gesagt hat, dazu mit den Ländern schon im Gespräch ist, erkennen und mit angemessenen Maßnahmen eingreifen, dann verstehe ich nicht, warum Sie unseren Antrag, der meine Damen und Herren. genau dieses Anliegen unterstützt, im Innenausschuss mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Begründung abgelehnt haben, dass eine Verbesserung sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP der Datenlage angeblich gar nicht nötig sei. Frau Bär, da und der LINKEN) war leider nicht viel mit parteiübergreifendem Konsens, Hier hinken wir in der Analyse, in der Gefahrenabwehr ganz im Gegenteil. und in der Strafverfolgung noch meilenweit den Erforder- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nissen hinterher. Wir müssen den Kampf gerade auch Meine Damen und Herren, wir müssen endlich damit gegen digitale Gewalt an Frauen endlich konsequent auf- aufhören, Gewalt gegen Frauen als tragische Beziehungs- nehmen. Außerdem müssen wir gemeinsam mit den Län- taten und Familientragödien zu verharmlosen, wenn es dern Sonderdezernate für Hasskriminalität bei den ört- eigentlich Hassverbrechen und Femizide sind. lichen Staatsanwaltschaften schaffen, Frauenhäuser und Frauennotrufe ausbauen und die Mitarbeiterinnen gezielt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „digitale Gewalt“ schulen. und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) Die Bedrohungslagen von Frauen sind komplex wie die Maßnahmen dagegen; aber man muss auch mal Es geht um Tötungen von Frauen aufgrund ihres anfangen, etwas dagegen zu tun. Anfangen können wir, Geschlechts. Und wenn dieses Kriminalitätsphänomen indem wir endlich Licht in das Dunkelfeld der Hass- und im Dunkeln bleibt, dann werden wir es auch nicht ange- Gewaltkriminalität gegen Frauen bringen. (B) messen bekämpfen können. Mit Blick auf Partnerschafts- (D) gewalt fordern wir deshalb die Bundesregierung auf, sich Ganz herzlichen Dank. im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür einzuset- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zen, auch die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik zu ver- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) bessern. Wir müssen erfassen, zu welchem Zeitpunkt partnerschaftliche Gewalt stattfindet: während der Part- Vizepräsidentin Claudia Roth: nerschaft, im Trennungsprozess oder nach einer Tren- nung. Das ist ganz entscheidend, auch mit Blick auf mög- Vielen Dank, Dr. Irene Mihalic. – Nächster Redner: für liche Präventionsstrategien. die CDU/CSU-Fraktion Axel Müller. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU) sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Axel Müller (CDU/CSU): Und wir brauchen endlich eine echte Opferstatistik, die Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alter, Geschlecht und Tatmittel genau aufschlüsselt, ge- Jetzt bin ich der erste Mann in dieser Redeschlacht. Es nauso wie regelmäßige unabhängige Berichte über die ist nicht einfach. objektive und subjektive kriminalitätsbezogene Sicher- heit von Frauen in Deutschland; denn wissenschaftliche (Beifall der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU] Untersuchungen zeigen uns, dass sich über 30 Prozent und Mechthild Rawert [SPD] – Mechthild der Frauen in Deutschland nachts auf der Straße nicht Rawert [SPD]: Gleichstellung ist alles!) sicher fühlen. Ich finde, das kann uns nicht ruhig schlafen Ich möchte mit einem Zitat anfangen: „Ich habe mich lassen. Wir müssen endlich mehr für die objektive und benutzt und beschmutzt gefühlt.“ Das hat eine junge Frau subjektive Sicherheit von Frauen tun, statt uns in taten- im vergangenen Jahr in der Lokalzeitung meiner Heimat loser Betroffenheit zu ergehen, meine Damen und Her- erwähnt. Sie wurde von anderen darauf hingewiesen, ren. dass von ihrer Facebook-Seite ein Bild zweckentfremdet (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auf einer Pornoseite eingestellt wurde. In kürzester sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zeit waren es 2 500 Nutzer, die dieses Bild angeklickt Mit einer Verbesserung der Datenlage allein ist es hatten. selbstverständlich noch nicht getan. Die Gewalt gegen Gewalt gegen Frauen geschieht körperlich, sexuell, Frauen bricht sich längst auch in der digitalen Welt psychisch durch Drohungen, Ankündigungen, Unter- Bahn; darüber haben wir eben viel gehört. Stalking, Hass- drucksetzungen oder, wie wir gehört haben, digital. Digi- botschaften, das Verbreiten privater Fotos und auch die tale Erscheinungsformen der Gewalt sind beispielsweise, 28020 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Axel Müller (A) wie wir es auch schon gehört haben, das herabwürdigen- Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) de Bloßstellen im Internet oder das Ausspähen von Herr Müller, Sie sind deutlich über der Zeit. Frauen in ihrem Bewegungsradius oder in ihren sozialen Kontakten. Axel Müller (CDU/CSU): Alle vier vorgelegten Anträge – zwei von Bündnis 90/ Eine kurze Anmerkung zu den Spezialzuständigkeiten, Die Grünen, einer von der FDP und einer von der die Sie gefordert haben: Mit mehr Personal geht es besser Linken – stellen Forderungen auf oder beklagen Defizite als mit der Verlagerung. im legislativen, exekutiven oder judikativen Bereich. Viele Forderungen davon haben wir schon erfüllt. Nicht Ungeachtet – das möchte ich zum Schluss sagen – der alle machen aus meiner Sicht Sinn. Drei kurze Anmer- Ernsthaftigkeit des Problems, dem wir gemeinsam fort- kungen: während hier den Kampf ansagen müssen, erscheinen mir Ihre Lösungsansätze dafür nicht geeignet. Deshalb leh- Erstens. In dieser Legislaturperiode – das haben wir nen wir sie ab. auch schon gehört – wurde unter Federführung des zuständigen Bundesfamilienministeriums das Bundes- Danke schön. programm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ auf (Beifall bei der CDU/CSU) den Weg gebracht, das erhebliche Bezuschussungen von Frauenhäusern oder Fachberatungsstellen mit sich bringt. Zusätzlich gibt es das Projekt „Schutz vor digitaler Ge- Vizepräsidentin Claudia Roth: walt“ in Kooperation von Bund und Ländern. Und es Vielen Dank, Axel Müller. – Nächste Rednerin: für die wurde im Familienministerium ein runder Tisch gebildet SPD-Fraktion Mechthild Rawert. unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände; (Beifall bei der SPD) denn das Phänomen spielt sich vor Ort ab. Hier muss es die entsprechend tragfähigen Strukturen geben. In vielen unserer Wahlkreise gibt es solche Strukturen. Bei mir im Mechthild Rawert (SPD): Wahlkreis ist das seit mehreren Jahrzehnten der Verein Normal. Normal ist doch: Die Würde des Menschen ist Brennessel e. V. unantastbar. Normal ist: Frauenrechte sind Menschen- rechte. Normal ist, sich gegen Gewalt auszusprechen, Zweitens. Die Koalition hat in dieser Legislaturperiode deutlich Flagge gezeigt und das scharfe Schwert des (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Strafrechts genutzt: Unbefugte Eingriffe in den privaten SES 90/DIE GRÜNEN) Bereich oder intimen Bereich – § 201a und § 184k StGB – gegen die Tatsache, dass Menschen vergewaltigt, sexuell (B) werden mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet. missbraucht oder auch im digitalen Netz verunglimpft (D) Gerne hätten wir beim Gesetz zur Bekämpfung des werden. Das ist Normalität! Abnormalität ist genau das Rechtsextremismus und der Hasskriminalität die Unter- andere, nämlich das Produkt einer Scham-Partei; damit stützung der heutigen Antragsteller gehabt. Sie haben das verstanden wird: S – C – H – A – M-Partei. aber bei der für eine effektivere Verfolgung erforderli- chen Bestandsdatenauskunft Ihre Zustimmung leider ver- (Sebastian Münzenmaier [AfD]: Sind Sie weigert. besoffen?) (Zuruf von der FDP: Sie haben eine verfas- Ich möchte aber auch sagen: Wir haben jetzt häufiger sungswidrige Version vorgelegt! gehört, dass die Oppositionsparteien sich diesem Thema Drittens haben wir mit den genannten Regelungen im zuwenden, so als ob wir als SPD, als Regierungspartei in Strafrecht auch die Grundlage für die von Ihnen geforder- der Form noch nichts getan hätten. ten statistischen Erfassungen in künftigen Kriminalstatis- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tiken geschaffen; denn diese Delikte werden leider – „lei- NEN]: Ja, haben sie auch noch nicht!) der“, weil es sie immer noch gibt – darin auftauchen. Schon heute werden die Opfer nach dem Geschlecht Dem ist nicht so. erfasst. Die von Ihnen geforderten immer weiter gehen- (Beifall der Abg. [SPD]) den Verfeinerungen der Kriminalstatistik sorgen aus mei- ner persönlichen Sicht nicht für mehr Klarheit. Das ist Zum Beispiel – ich wollte es eigentlich nicht aufzählen, eine Statistik, nicht mehr und nicht weniger. Es ist kein aber Sie haben es zu häufig gesagt, sodass ich darauf kriminologisches Werk. Diese Verfeinerungen würden unbedingt eingehen muss –: Wir können mittlerweile für einen Verlust des Überblicks sorgen. längst online Strafanzeigen stellen. Es geht darum, dass Betroffene von Straftaten unter www.hilfe-info.de die (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Adressen von Hilfseinrichtungen bekommen, dass sich NEN]: Nein!) Opfer von digitaler Gewalt direkt dorthin wenden kön- Schlussendlich hat das Bundesinnenministerium eine nen, unter anderem an die Meldestelle „respect!“ oder an Prüfung zugesagt – das haben wir mehrfach gehört –, um die Beratungsstelle „HateAid“, dass Aufklärungsarbeit gemeinsam mit den Bundesländern frauenfeindliche betrieben wird. Straftaten noch sichtbarer zu machen. Diese gilt es aus Wir haben auch das Bundesförderprogramm „Gemein- meiner Sicht abzuwarten. sam gegen Gewalt an Frauen“ durchgesetzt. Wir haben (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- uns mit dem Thema Datenerfassung – ich will jetzt gar NEN]: Sie ducken sich weg!) nicht näher auf die Kriminalstatistik eingehen – längst Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28021

Mechthild Rawert (A) befasst. Wir sehen natürlich auch, dass es hier eine wei- te ich bei dieser Thematik für dringend angeraten. Wir (C) tere Differenzierung und vor allen Dingen eine Sichtbar- brauchen hier auch eine europakonforme Speicherung keit geben muss. von Verbindungsdaten. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir haben das Verbot von Upskirting durchgesetzt. Es (Beifall bei der CDU/CSU) gibt die Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Cyber- Wenn man diesen Rufen aus den Ermittlungsbehörden crime. Vor allen Dingen ist es ja nicht nur mit einzelnen nicht nachkommt, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, Projekten getan, sondern tatsächlich brauchen wir neue machen wir hier im politischen Raum Fehler. gesetzliche Strukturen. Deswegen möchte ich im Hin- blick auf die Onlineplattformen auf den Gesetzentwurf Ich möchte noch auf ein anderes Thema eingehen, weil zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und ich selbst drei kleine Töchter habe: Das Thema sexueller auf andere aktuelle Verordnungen verweisen. Kindesmissbrauch ist etwas so Widerwärtiges. Ich glau- be, es ist das Widerwärtigste, was es überhaupt gibt. Auch Ich sage Ihnen eins: Es freut mich, dass es normal ist, das ist Gewalt gegen junge Körper. dass sich Opposition, die SPD und selbstverständlich auch die Union dagegen wenden und wir gemeinsam (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- etwas tun wollen. Das ist eine gute Normalität. ordneten der SPD und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage das ganz deutlich: Es gibt im Internet, im Darknet, ein Pädophi- Denn ist es doch verwerflich, dass mittlerweile zuneh- lenhandbuch. Solange wir es nicht schaffen, unsere mend mehr Frauen – häufig sind es ja junge Frauen –, Ermittlungsbehörden erstens so auszustatten, dass sie etwa Politikerinnen oder Aktivistinnen, digital verfolgt diejenigen, die eine solche widerwärtige Anleitung im werden. Oder es ist so, dass Expartner bzw. Expartnerin- Internet hochladen, dingfest machen können, aber zwei- nen in privaten Beziehungen Cyberstalking machen. Die tens auch diejenigen, die es runterladen, nachverfolgen Täter verstecken sich hinter Anonymität. Das ist nicht können, so lange haben wir ein Problem. zulässig. Und eines ist klar: Wir werden laut bleiben und gegen ihre Form von Abnormalität vorgehen. Frau Präsidentin, bitte noch einen Halbsatz zu diesem Thema, weil es mir wirklich wichtig ist. Wir haben gera- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- de das Gesetz gegen sexuellen Kindesmissbrauch ver- NEN]: Und unserem Antrag zustimmen! schärft. Das ist nun kein Vergehen mehr; das ist ein Ver- Super!) brechen. Das war ein wichtiger Schritt. Wir haben Danke schön. Kindersexpuppen verboten. Aber solange, wie gesagt, ein Pädophilenhandbuch im Internet immer noch vorhan- (B) (Beifall bei der SPD) den ist und runtergeladen werden kann, haben wir ein (D) großes Problem. Denn das ist der Beginn von sexueller Vizepräsidentin Claudia Roth: Gewalt gegen die Jüngsten in unserer Gesellschaft. Vielen Dank, Mechthild Rawert. – Der letzte Redner, Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. der jetzt schnell reden muss: für die CDU/CSU-Fraktion Maik Beermann. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth: Maik Beermann (CDU/CSU): Vielen Dank, Maik Beermann. – Damit schließe ich die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Aussprache. Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Frauen und Mädchen sich aus dem digitalen Tagesordnungspunkt 20 a. Wir kommen zur Be- Raum zurückziehen, weil sie beleidigt, bedroht, diskrimi- schlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Hei- niert werden und die Strafverfolgung zu oft im Sande mat zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit verläuft, dann läuft bei uns im Staat so richtig was schief, dem Titel „Hasskriminalität und andere Formen von Ge- liebe Kolleginnen und Kollegen. walt gegen Frauen endlich erfassen und wirksam bekämpfen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- Wir müssen unsere Strafverfolgungsbehörden besser schlussempfehlung auf Drucksache 19/27471, den An- ausstatten. Das ist personell wichtig, das ist aber auch trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache technisch wichtig. Täter lassen sich meist nur ermitteln, 19/24382 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- wenn man eben die IP-Adresse kennt. Aber auch gene- empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält rell: Ein Vergewaltigungstäter, der manchmal mit einer sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Bewährungsstrafe davonkommt, stärkt nicht gerade die Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD, der CDU/ Rechte von Frauen, liebe Kolleginnen und Kollegen. CSU und der AfD. Dagegengestimmt haben die Fraktio- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Enthalten hat sich die Fraktion der FDP. Ich habe auch mehrfach mit dem BKA gesprochen und kann unserem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des Tagesordnungspunkt 20 b. Beschlussempfehlung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Herrn Rörig, wirklich nur Ausschusses für Inneres und Heimat zum Antrag der vollkommen zustimmen: Wir brauchen ein gut ausbalan- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Für aus- ciertes Verhältnis von Kinder- und Datenschutz. Das hal- sagekräftige Dunkelfeld-Opferbefragungen“. 28022 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (Unruhe bei der AfD) c) Beratung der Beschlussempfehlung und des (C) Berichts des Ausschusses für Umwelt, Natur- – Das ist echt nervig. Können Sie Ihre Gespräche nicht schutz und nukleare Sicherheit (16. Aus- draußen führen? Das ist wirklich anstrengend. – Danke schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten schön. – Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- Dr. Bettina Hoffmann, Tabea Rößner, Dieter empfehlung auf Drucksache 19/27888, den Antrag der Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19/5894 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Elektroschrott – Wertstoffkreisläufe sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. schließen Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD, der CDU/ Drucksachen 19/16412, 19/24622 CSU, der FDP und der AfD, dagegengestimmt hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und enthalten hat sich d) Beratung der Beschlussempfehlung und des die Fraktion Die Linke. Berichts des Ausschusses für Recht und Ver- braucherschutz (6. Ausschuss) zu dem An- Tagesordnungspunkt 20 c. Beschlussempfehlung des trag der Abgeordneten Tabea Rößner, Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz auf Druck- Dr. Bettina Hoffmann, Dr. Konstantin von sache 19/28518. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch- Notz, weiterer Abgeordneter und der Frak- stabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/27185 Elektroschrott reduzieren – Recht auf mit dem Titel „Frauenrechte im digitalen Raum schützen Reparatur und geschlechterspezifische digitale Straftaten stärker bekämpfen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Drucksachen 19/16419, 19/28519 lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt ha- beschlossen. – Ich warte, bis die Kollegen und Kollegin- ben die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der AfD, nen Platz genommen haben. dagegengestimmt haben die Fraktionen der FDP und der Linken, und enthalten hat sich die Fraktion Bündnis 90/ Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Bun- Die Grünen. desregierung der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold. Wir fahren fort im Tagesordnungspunkt 20 c. Weiter- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Björn hin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe b seiner Simon [CDU/CSU]) Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der (B) (D) Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/25351 mit dem Titel „Digitale Gewalt gegen Frauen“. Wer stimmt für Florian Pronold, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – ministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicher- Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ange- heit: nommen. Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD, der Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und CDU/CSU und der AfD, dagegengestimmt haben die Kollegen! Worum geht es heute? Es geht um 2,4 Tonnen Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, und Gold, 26 Tonnen Silber, 382 Tonnen Kobalt, 876 Tonnen enthalten hat sich die Fraktion der FDP. Kupfer. Die liegen in deutschen Schubladen in Form von 100 Millionen nicht genutzten Handys. Und wir reden Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 d auf: heute nicht nur über die Ressourcen und Rohstoffe, die in den nicht genutzten Handys liegen, sondern wir a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- reden über alle Elektrogeräte, die zu Hause friedlich desregierung eingebrachten Entwurfs eines schlummern, nicht mehr genutzt werden und auch nicht Ersten Gesetzes zur Änderung des Elekt- dazu benutzt werden, um Ressourcen zu sparen, zu ro- und Elektronikgerätegesetzes schonen und sinnvoll mit den Grenzen unseres Planeten Drucksache 19/26971 und den darauf vorhandenen Ressourcen umzugehen. Wir wollen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Beitrag dazu leisten, dass wir das Stück für Stück besser schusses für Umwelt, Naturschutz und nuk- machen. leare Sicherheit (16. Ausschuss) Und wie soll das passieren? Die EU hat eine Vorgabe, Drucksache 19/28508 wie hoch die Sammelquote bei Altelektrogeräten sein soll. Die verfehlen wir. Das muss sich ändern. Ein Bau- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten stein dafür ist, dass wir die Sammelstrukturen deutlich Judith Skudelny, Frank Sitta, Grigorios verdichten. Das bedeutet, dass wir ergänzend zu den Re- Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der gelungen, die wir schon getroffen haben, zusätzliche Fraktion der FDP Möglichkeiten schaffen, was die Möglichkeiten zur Elektro- und Elektronikgeräte effizienter Rückgabe von Elektroaltgeräten angeht. Das betrifft nutzen – Langlebigkeit, Reparatur, zum Beispiel die großen Lebensmitteleinzelhändler, die Sammlung und Recycling verbessern auch sehr viele Elektrogeräte anbieten. Hier wird nun klargestellt, dass sie sie entsprechend auch zurückneh- Drucksache 19/28429 men müssen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28023

Parl. Staatssekretär Florian Pronold (A) Wichtig ist aber, dass sich das nicht nur auf Einzel- gibt es einen breiten Konsens, dass dieses Ziel richtig ist. (C) händler bezieht, sondern dass es sich auch auf den Keinen breiten Konsens gibt es darüber, welcher Weg zu Onlinehandel bezieht. Das ist eine ganz entscheidende diesem Ziel richtig ist. Frage. Wer zukünftig einen Elektrorasenmäher bestellt, Die AfD möchte jedenfalls die Abfallwirtschaft in eine kann gleichzeitig seinen alten zurückgeben, das heißt, er echte Kreislaufwirtschaft überführen. Dazu gehört es muss mit abgeholt werden. Das, glaube ich, ist vielen auch, Ressourcen so lange wie möglich im Umlauf zu Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht bewusst. halten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der (Judith Skudelny [FDP]: Das gilt aber für die schlichten Tatsache, dass die Ressourcen der Erde end- Kleingeräte nicht!) lich sind. Eine Kreislaufwirtschaft trägt damit sowohl zu einer modernen Umweltpolitik als auch zu einer ent- Wir haben auch beim Onlinehandel festgestellt, dass es spannenden Außenpolitik bei. Denn geostrategische durchaus nicht ganz so einfach zu finden ist, wie man Konflikte sind häufig auch Verteilungskämpfe um Res- diese Rückgabe organisieren kann. Da haben wir schon sourcen. gesetzlich nachgesteuert, und das machen wir auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Doch kommen wir auf den Gesetzentwurf der Bundes- regierung zu sprechen. Dieser hat wenige Stärken und (Beifall bei der SPD) viele Schwächen. Wir befürworten die Einführung eines Wichtig ist auch noch, sehr geehrte Damen und Herren, einheitlichen Logos für Sammelstellen, damit die Ver- dass wir zusätzlich für Drittanbieter aus dem Ausland und braucher diese besser identifizieren können. Wir be- Plattformen mit Standorten außerhalb der Europäischen fürworten, dass auch der Onlinehandel stärker in die Union eine Verpflichtung einführen, eine Rücknahme Pflicht genommen wird, und wir befürworten die Erhö- von Elektrogeräten hier im Inland durch Beauftragte zu hung der Zahl der Sammelstellen. organisieren, sodass nicht auf einmal zwar eine Rück- Allerdings möchte die Bundesregierung die Zahl der gabeverpflichtung besteht, aber sie nicht erfüllt werden Sammelstellen dadurch erhöhen, dass neben Elektro- und kann, weil man denjenigen nicht erreicht, der es ur- Elektronikgerätehändlern auch Lebensmittelhändler zu sprünglich in Verkehr gebracht hat. Sammelstellen umfunktioniert werden. Letzteres halten Ganz wichtig in dem ganzen Kontext ist natürlich, dass wir jedoch durchaus für problematisch. wir auch die Lebensdauer verlängern: Viele Elektrogeräte (Beifall bei der AfD) könnten weiter genutzt werden; aber es ist aus ökonomi- schen Gründen heute oft viel einfacher, sie wegzuwerfen. Lebensmittelhändler sollen bei einem Kauf eines neuen Es kommt auch vor, dass die Wiederverwertung nicht Geräts nicht nur das alte Gerät – das wäre noch in Ord- (B) ordentlich vorbereitet wird. Viele Kommunen machen nung –, sondern auch grundsätzlich von jedem Gerätetyp (D) das in Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Einrichtun- mit einer maximalen äußeren Abmessung von 25 Zenti- gen. Und Reparieren ist besser als Recyceln. Auch diesen metern bis zu drei Geräte zurücknehmen müssen. Grundsatz wollen wir mit dem vorliegenden Entwurf Lebensmittelhändler haben jedoch eine andere Lagerlo- stärken. gistik als Elektro- und Elektronikgerätehändler. Diese Regelung stellt die Lebensmittelhändler also vor eine Der Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft wird aber große Herausforderung. nicht nur das sein, was wir in diesem Gesetz regeln, sondern auch das, worauf wir uns auf europäischer Ebene Zudem schwächt die Bundesregierung mit ihrem Ge- konzentrieren: dass wir das Produktdesign verbessern, setzentwurf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. dass Reparierbarkeit, Wiederverwertung einfacher wird, Zertifizierte Erstbehandlungsanlagen können Elektro- dass Nachhaltigkeit, die wir auch im Bereich der Elektro- und Elektronikaltgeräte freiwillig zurücknehmen. Sie tre- altgeräte brauchen, zu einem entscheidenden Kriterium ten damit in direkte Konkurrenz zu den kommunalen beim Produktdesign der Zukunft wird. Es ist kein Abfall, Wertstoffhöfen. Das Problem dabei: Gewerbliche Samm- es sind im wahrsten Sinne des Wortes Gold- und Silber- ler können sich entscheiden, welche Altgeräte sie zurück- schätze, die dort gelagert werden, und wir alle müssen sie nehmen. Sie sind also nicht verpflichtet, alle Gerätetypen heben. zurückzunehmen, sie sind nicht verpflichtet, die freiwil- lige Rücknahme über einen längeren Zeitraum aufrecht- Herzlichen Dank. zuerhalten. Die kommunalen Wertstoffhöfe haben hinge- (Beifall bei der SPD) gen ein ganz anderes Selbstverständnis. Sie sind in der Abfallwirtschaft der Fels in der Brandung. Vizepräsidentin Claudia Roth: Diese Regelung führt also zur Rosinenpickerei. Vielen Dank, Florian Pronold. – Nächster Redner: für Gewerbliche Sammler werden sich die Gerätetypen aus- die AfD-Fraktion Andreas Bleck. suchen, mit denen sich bei der Verwertung Gewinne erzielen lassen. Die Gerätetypen, deren Entsorgung (Beifall bei der AfD) kaum bzw. keine Gewinne erzielt, verbleiben hingegen bei den kommunalen Wertstoffhöfen. Da die Kommunen Andreas Bleck (AfD): jedoch auf die Gewinne durch die Verwertung angewie- Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kol- sen sind, um die Abfallgebühren ihrer Bürger ausgegli- legen! Mit der Novelle zum Elektro- und Elektronikgerä- chen zu gestalten, werden – wieder einmal – Gewinne tegesetz möchte die Bundesregierung die Sammelquote privatisiert und Verluste sozialisiert. Das lehnen wir ent- von 65 Prozent erreichen. In der Politik und Wirtschaft schieden ab. 28024 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Andreas Bleck (A) (Beifall bei der AfD) Kern der Novelle ist die Steigerung der Sammelmen- (C) gen sowie die Stärkung und Vorbereitung zur Wiederver- Die Parallelstruktur von kommunalen Wertstoffhöfen auf wendung von Elektroaltgeräten in Deutschland. Für uns der einen Seite und gewerblichen Sammlern auf der an- als Union ist klar: Um die Sammelmengen signifikant zu deren Seite erschwert zudem die Überwachung der steigern, ist es unabdingbar, die Endverbraucher, also die Abfallströme und begünstigt die illegale Entsorgung. Bürgerinnen und Bürger, besser über die Möglichkeiten Wir haben bereits bei der Novelle zum Batteriegesetz zur Entsorgung zu informieren und die Praxistauglichkeit hier im Deutschen Bundestag kritisiert, dass bei der Erhö- zu verbessern. Daher sehen wir auch die Einrichtung neu- hung der Sammelquote vor allem die Hersteller und Ver- er Rücknahmestellen als notwendig an. käufer, nicht jedoch die Verbraucher in die Pflicht ge- Wir sind fest davon überzeugt, dass die Ausweitung nommen werden. Um die Sammelquote sowohl bei von Annahmestellen, die sowieso schon regelmäßig zur Altbatterien als auch bei Elektro- und Elektronikaltgerä- Deckung des täglichen Bedarfs aufgesucht werden, zu ten zu erhöhen, sollte auch ein Pfand in Erwägung gezo- höheren Sammelmengen führen wird. Das betrifft jetzt gen werden. Dies wäre die beste Möglichkeit, die Sam- natürlich nicht den kleinen Schreibwarenladen um die melquote von 65 Prozent auch tatsächlich zu erreichen. Ecke oder den sogenannten Tante-Emma-Laden. Es Ob dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingt, kommt jedoch zu einer erweiterten Rücknahmepflicht bezweifeln wir. Wir lehnen ihn daher ab. des Handels; das ist klar. Vielen Dank. Das birgt auch gewisse Herausforderungen, wie es jetzt schon gesagt wurde. Aus diesem Grund haben wir (Beifall bei der AfD) uns ganz bewusst auf eine Ladengröße von mindestens 400 Quadratmeter Verkaufsfläche bei Elektronikfach- Vizepräsidentin Claudia Roth: märkten und mindestens 800 Quadratmeter Gesamtver- Vielen Dank, Andreas Bleck. – Nächster Redner: für kaufsfläche im Lebensmitteleinzelhandel verständigt und die CDU/CSU-Fraktion Björn Simon. die verpflichtende Rücknahme auch ohne Neukauf eines Gerätes auf eine Kantenlänge zurückzunehmender Gerä- (Beifall bei der CDU/CSU) te von maximal 25 Zentimetern und maximal drei Altge- räte pro Geräteart beschränkt. Björn Simon (CDU/CSU): Damit wollen wir verhindern, dass der stationäre Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Handel zukünftig alleine das gesamte Aufkommen von Ausgediente Elektrogeräte enthalten neben wertvollen Elektroaltgeräten, die heutzutage auch immer mehr im (B) Rohstoffen ebenso gefährliche Schadstoffe und haben Onlinehandel erworben werden, stemmen muss. Viele (D) deswegen in der Restmülltonne und in der Umwelt nichts elektronische Produkte, die wir online bestellen, kommen verloren. mittlerweile aus Asien, besonders aus China, und nehmen den Weg über den europäischen Binnenmarkt. Der Kunde Eigentlich ist das ja auch jedem bewusst. Die Frage merkt in der Regel gar nichts davon: Online bestellt, an lautet daher: Wieso funktioniert die fachgerechte Entsor- die Haustür geliefert und zur Verfügung gestellt, ganz gung von Elektroaltgeräten in vielen Fällen nicht? Klar einfach. ist: Am Ende des Lebenszyklus eines Elektrogerätes ste- hen, zumindest geplant, die Wiederverwendung oder das Alle Hersteller von Elektrogeräten, ob in Deutschland, Recycling. Das ist notwendig, um Rohstoffe für neue Europa oder international, die ihre Waren in Deutschland Produkte zu gewinnen, ohne sie unter zumeist menschen- vertreiben, sind dabei bereits heute zur Registrierung rechtswidrigen oder auch umweltfeindlichen Bedingun- ihrer Elektrogeräte bei der Stiftung Elektro-Altgeräte gen als Primärrohstoffe erneut gewinnen zu müssen. Register, EAR, verpflichtet. Ein Blick in die Praxis macht aber auch deutlich, dass vor allem ausländische Anbieter Allein im Jahr 2019 sind weltweit 53,6 Millionen Ton- dieser Pflicht bis heute oft nicht nachkommen und ihre nen Elektroschrott angefallen. Das hat der „Global E- Waren über elektronische Marktplätze und Vorführplatt- waste Monitor 2020“ festgestellt: eine Zunahme von formen auf dem deutschen Markt anbieten. Mit der Elektroschrott um ein Fünftel der Gesamtmenge in nur Novelle nehmen wir daher diese elektronischen Markt- fünf Jahren. Zwar liegt die Recyclingquote von Metallen plätze verstärkt in die Pflicht, mit klaren Regeln das im Elektroschrottbereich in Deutschland bei über 95 Pro- Anbieten von nicht registrierten Waren zu unterbinden. zent – das klingt erst mal beachtlich –; dem Erfolg steht allerdings eine traurige Wahrheit gegenüber: stagnieren- Eine weitere Veränderung, die mit der Novelle einher- de, verhältnismäßig niedrige Sammelmengen. gehen wird, ist, dass neben den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern sowie den bereits angesprochenen Um diese negative Entwicklung in Deutschland umzu- Vertreibern und Herstellern zukünftig auch zertifizierten kehren, trat 2015 das Elektro- und Elektronikgerätegesetz Erstbehandlungsanlagen die Möglichkeit eingeräumt in Kraft. Damit hat die Bundesregierung bereits damals wird, Elektroaltgeräte direkt vom Endnutzer annehmen eine gute Grundlage für die erfolgreiche Sammlung und zu können. Auch durch diese Ausweitung des Angebotes Verwertung von Elektroaltgeräten geschaffen. Mit der für Verbraucherinnen und Verbraucher zur kostenlosen heute zu beschließenden Novelle werden wir das Elekt- Rückgabe versprechen wir uns eine Steigerung der Sam- roG ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft weiterentwi- melmengen. Dass diese Neuregelung vor allem bei den ckeln und an die heute vorherrschenden Gegebenheiten öffentlichen Entsorgungsträgern zu Vorbehalten führt, anpassen. können wir durchaus nachvollziehen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28025

Björn Simon (A) (Andreas Bleck [AfD]: Ja, das stimmt!) men. Auch künftig wird es schwierig sein, die Sammel- (C) quoten zu erreichen. Gerade deswegen sollten wir alles Daher ist es uns ein Anliegen, die Bundesregierung in das, was möglich ist, tun. Allerdings glauben wir nicht, diesem Zusammenhang aufzufordern, die Wirkung der dass der vorliegende Gesetzentwurf, der im Ziel richtig Einbeziehung von zertifizierten Erstbehandlungsanlagen ist, dabei den richtigen Weg geht. auf die Rücknahmestrukturen für Elektro- und Elektro- nikaltgeräte nach zwei Jahren genau zu evaluieren und Da möchte ich vorneweg eins sagen: Da geht es bei- dabei ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen spielsweise um die vielfach angesprochene Reparierbar- bei Sammelmengen der öffentlich-rechtlichen Entsor- keit. Natürlich ist es wichtig, dass wir Dinge lange nutzen gungsträger zu legen. und auch reparieren können. Die EU gibt aber vor, dass Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum die Hersteller die Wiederverwendung von Elektro- und Schluss noch einmal betonen: Kern der Novelle des Elektronikaltgeräten nicht durch Konstruktions- und Her- ElektroG ist es, ein noch engeres Sammelnetz für Elek- stellungsprozesse verhindern. Die deutsche Bundesregie- trogeräte aufzubauen. Wenn wir die Sammelmengen stei- rung und Sie als CDU/CSU- und SPD-Fraktion, als gern wollen – das ist das große Ziel –, müssen wir die Regierungsfraktionen, geben aber vor, dass mit ver- Verbraucherinnen und Verbraucher mitnehmen. Wir müs- brauchsüblichen Werkzeugen die Reparierbarkeit herge- sen sie sensibilisieren, ihre alten Fernseher, ausgediente stellt wird. Kaffeemaschinen, das defekte Handy dem richtigen Ent- sorgungsweg und dem anschließenden Recycling zu- Da klammern Sie jegliche Neuerung aus. Innovatio- zuführen. So schaffen wir es, wertvolle Rohstoffe in nen, die auf Klebstoff basieren, beispielsweise bei den unserem Wirtschaftskreislauf zu erhalten und die Kreis- elektrischen Zahnbürsten, die die Sicherheit im Bad ge- laufwirtschaft in Deutschland weiter zu stärken. Der Par- währleisten, die durch Wasserdichtigkeit und Staubfes- lamentarische Staatssekretär hat es noch mal gesagt: tigkeit Mobilfunkhandys funktionsfähig machen und die Reparieren ist besser als Recycling; aber Recycling ist deren Lebensdauer um 24 Prozent verlängert haben, all doch besser als die Entsorgung im Restmüll. dies können deutsche Hersteller nach diesem Gesetzent- wurf gar nicht mehr realisieren, und das in einem EU- Herzlichen Dank. Binnenmarkt, wo jegliche Importe von anders hergestell- (Beifall bei der CDU/CSU) ten Waren problemlos möglich sind. Hier hätten wir es richtig gefunden, Sie hätten sich auf die EU verlassen, sich an die EU-Regelungen gehalten, sie eins zu eins Vizepräsidentin Claudia Roth: umgesetzt und keinen nationalen Alleingang versucht. Vielen Dank, Björn Simon. – Nächste Rednerin: für die (B) FDP-Fraktion Judith Skudelny. (Beifall bei der FDP) (D) (Beifall bei der FDP) Ein weiterer Punkt, den ich schwierig finde, ist tatsäch- lich das Thema Lebensmitteleinzelhandel. Hier haben Sie Judith Skudelny (FDP): ein kleines Steinchen draufgelegt. Sie haben gesagt, der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vor- Lebensmitteleinzelhandel solle künftig für das Einsam- liegende Gesetzentwurf soll das Recycling von Elektro- meln von Elektroaltgeräten zuständig sein. Es mag sein, geräten und vor allem auch Verbraucherinnen und Ver- dass dies nur ein kleiner Punkt ist. Aber wir sehen, dass braucher stärken. Beide Ziele sind notwendig und richtig. tatsächlich hier noch weitere Punkte im Verpackungsge- Wir haben ja gesehen: In den letzten Jahren haben wir die setz als weitere Erschwernisse vorhanden sind. Wenn wir von der EU vorgegebenen Sammelquoten, die wir uns wollen, dass die wohnortnahe Nahversorgung funktio- auch vorgenommenen hatten, jedes Jahr nicht erreicht. niert, dann dürfen wir es den kleinen und mittelständi- Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir heute und schen Unternehmen nicht immer schwerer machen. hier einen funktionierenden Gesetzentwurf vorgelegt be- kommen. (Beifall bei der FDP) Vorneweg möchte ich bemerken, dass es auch künftig Hier müssen wir dafür sorgen, dass Gerechtigkeit schwierig sein wird, die gesetzten Sammelziele zu errei- herrscht, auch im Onlinehandel, und zwar deutlich weni- chen. Das liegt aber schlicht und ergreifend daran, dass ger bürokratisch, als Sie es gemacht haben. wir in der Gesellschaft immer mehr elektrische Geräte benutzen, von der Zahnbürste über Geräte für das Lesen Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist im bis hin zu jeglichem Gartengerät; aber auch in Home- Ziel richtig, in der Umsetzung schlecht, und deswegen schooling und Homeoffice werden immer mehr Elektro- können wir leider nur Ihren Zielen, aber nicht diesem geräte verwandt. Die Sammelquote bezieht sich immer Gesetzentwurf zustimmen. auf die drei vorangehenden Jahre. 65 Prozent der in dieser Zeit herausgegebenen Geräte sollen wieder eingesam- (Beifall bei der FDP) melt werden. Blöderweise ist sogar die EU der Meinung, dass die Vizepräsidentin Claudia Roth: Mindestprodukthaltbarkeit fünf Jahre beträgt. Mindes- Danke schön, Judith Skudelny. – Nächster Redner: für tens solange müssen nämlich auch Ersatzteile vorgehal- die Fraktion Die Linke Ralph Lenkert. ten werden. Insofern passen die gesetzlichen Regelungen der unterschiedlichen EU-Richtlinien nicht ganz zusam- (Beifall bei der LINKEN) 28026 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Hersteller und Händler müssen fürs Sammeln und Ent- (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol- sorgen der Altgeräte eine Entsorgungsabgabe zahlen, legen! Kurz vor Toresschluss überarbeitet die Koalition auch Amazon und Alibaba. das Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Das ist überfäl- lig, damit die Bilder aus Afrika mit illegal entsorgtem (Beifall bei der LINKEN) deutschen Elektronikschrott verschwinden und die Erfas- Wir fordern eine Pfandpflicht für alle Elektrogeräte, für sungsquote endlich von 41 auf mindestens 65 Prozent Batterien und Akkus. steigt. Es ist notwendig, dass Onlinehändler wie Amazon oder Alibaba endlich die Kosten für die Entsorgung ihrer (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Produkte übernehmen und der unlautere Wettbewerb zum Die Einnahmen aus Wiederverwendung und Recycling Nachteil des örtlichen Handels endet. Es ist unabdingbar, müssen an die Kommunen zur Senkung der Müllgebüh- die Haltbarkeit, Reparier- und Upgradebarkeit von Hand- ren gehen. ys, Kaffeemaschinen oder allen anderen Elektro- und Elektronikgeräten zu verbessern – (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist der wirksamste Weg gegen illegale Müllentsor- gung und zur Reduzierung des Ressourcenverbrauches. zum Ressourcen- und Klimaschutz und für unsere Geld- So erfüllt man Quoten und schont die Geldbeutel der beutel. Menschen. So funktioniert linke soziale Umweltpolitik. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Unverzichtbar sind auch Vorgaben, damit beschädigte Lithium-Ionen-Akkus nicht mehr Müllfahrzeuge oder Vizepräsidentin Claudia Roth: Lager in Brand setzen. Danke schön, Ralph Lenkert. – Nächste Rednerin: für Liebe Bürgerinnen und Bürger, wer glaubt, dass dieser Bündnis 90/Die Grünen Dr. Bettina Hoffmann. Gesetzentwurf die aufgezählten Probleme löst, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Die Koalition (Beifall bei der CDU/CSU) erlaubt Händlern und Herstellern, eigene Rücknahmesys- teme aufzubauen, oder sie benennen einen Beauftragten, Dr. Bettina Hoffmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der gegen eine Ablassgebühr die Verwertung und Ent- NEN): sorgung der Altgeräte organisieren soll bzw. sollte, oder Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- Verwertungsbetriebe können Geräte selbst zurückneh- gen! Von der Waschmaschine bis zum Smartphone – (B) men. Wenn all diese Wege nicht klappen, dann müssen der Berg an Elektroschrott wächst und wächst. Das ist (D) kommunale Wertstoffhöfe einspringen. Das ist doch nicht an sich schon ein Problem. Aber noch schlimmer ist: Ihr Ernst! Mehr als jedes zweite Altgerät in Deutschland wird falsch (Andreas Bleck [AfD]: Ja!) entsorgt, landet im Hausmüll oder wird illegal exportiert. Bei der Sammlung hängt Deutschland weit zurück. Statt Schon heute können Behörden nicht wirksam kontrol- der EU-Vorgabe von 65 Prozent sind es deutschlandweit lieren. Die neuen Entsorgungswege machen Kontrollen nur 43 Prozent. fast unmöglich und öffnen illegaler Entsorgung Tür und Tor. Es gibt drei zentrale Handlungsfelder – in keinem kommt die Bundesregierung nennenswert voran –: (Andreas Bleck [AfD]: Das stimmt!) Erstens. Am besten ist der Elektroschrott, der gar nicht Die Onlinegiganten werden sich weiterhin drücken kön- erst entsteht. Doch Anreize für langlebiges Produktde- nen, und die Quoten werden so nicht erfüllt. sign und Reparierbarkeit im Entwurf: Fehlanzeige! Mit diesem Gesetz schädigen Sie auch noch die Kom- Warum nicht an der Stellschraube Gewährleistungs- munen. Denn die privaten Verwerter sammeln nur Altge- pflicht drehen? Es wäre ein Segen für die Verbraucher- räte, mit denen Geld zu verdienen ist. Macht man mit innen und Verbraucher und für die Umwelt, wenn Geräte einer Entsorgung Verlust, dann müssen die Kommunen erst nach minimal vier Jahren kaputtgehen oder bis dahin ran, und die Müllgebühren steigen. Das lehnt die Linke kostenlos repariert werden könnten. ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Das EU-Recht sieht diesen Spielraum explizit vor, und Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren schlägt meine Länder wie Schweden nutzen ihn auch. Nichts hindert Linksfraktion wirksame Schritte für bessere Erfassung, uns daran, das in Deutschland auch zu tun. Aber die Wiederverwendung und Verwertung von Elektro- und GroKo bleibt hier völlig ambitionslos. Elektronikgeräten vor. Zur Erinnerung noch mal unsere Zweitens. Die Rückgabe muss einfach sein. Die Rück- Vorschläge: Die Verantwortung für Erfassung und Ver- gabe eines alten Elektrogerätes muss genauso einfach wertung von allen Altgeräten haben prinzipiell kommu- sein wie der Kauf eines neuen Gerätes. Dazu braucht es nale Entsorger. Die Hersteller werden gesetzlich zu län- ein flächendeckendes und verbraucherfreundliches Rück- geren garantierten Nutzungszeiten, zu Reparier – und gabenetz. Richtig: Auch Supermärkte und Discounter Upgradebarkeit verpflichtet. müssen Altgeräte jetzt zurücknehmen. Diese Regelung (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) ist längst überfällig. Doch warum gilt die Rücknahme- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28027

Dr. Bettina Hoffmann (A) pflicht nur für große Supermärkte? Was ist mit den Dro- Was machen wir mit diesem Gesetz? Wir stärken die (C) gerien? Warum greift die dauerhafte Rücknahmepflicht Sammlung. Wir schaffen mehr Sammelstellen. Das ist nur für kleine Geräte? gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher, weil es einfach ist, die Elektrogeräte zurückzugeben. Wir neh- (Judith Skudelny [FDP]: Weil kein Mensch sei- men auch den Onlinehandel, der sich teilweise aus der ne Waschmaschine mit in den Supermarkt ganzen Sache so ein bisschen rausgezogen hat, stärker in nimmt!) die Pflicht. Aber – und ich bin sehr froh, dass Herr Simon Die Große Koalition schafft hier mal wieder ein Wirr- das gerade gesagt hat – wir haben auch von vornherein warr, das kein Mensch versteht, und das macht es nicht darauf hingewiesen, dass es durchaus Probleme geben leichter. kann bei der ganzen Geschichte. Wenn jetzt also zum Beispiel Erstbehandlungsanlagen miteinbezogen werden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dann müssen wir schauen, ob es zu Rosinenpickerei Die Schweiz macht uns vor, wie es geht. Dort gilt: Wer kommt, wir müssen schauen, ob die Wertstoffhöfe wirk- Elektrogeräte verkauft, muss den Schrott auch zurück- lich noch planen können; denn es ist wichtig für die nehmen. – Das ist eine einfache, klare Regelung. Kommunen, dass sie planen können. Die Wertstoffhöfe – Drittens. Wertvolle Rohstoffe – Gold, Silber, Kupfer das haben wir heute schon mehrfach gehört – sind ein und Lithium – müssen ihren Weg zurück in den Kreislauf ganz wichtiger Teil bei der Entsorgung von Elektroaltge- finden. Dazu brauchen wir mehr und hochwertiges Re- räten. Deswegen war es wichtig, dass Sie das gerade eben cycling. Doch die Realität sieht anders aus. Wir haben es gesagt und unsere Anregung aufgenommen haben, dass gehört: Rund 200 Millionen Handys voller Ressourcen nach zwei Jahren das Ganze evaluiert werden muss und verstauben in deutschen Schubladen. Diesen Schatz müs- wir eben hinschauen, was wirklich passiert, um gegebe- sen wir heben. Deshalb fordern wir Grüne für Smartpho- nenfalls gegenzusteuern, wenn es eben nicht funktioniert. nes und Tablets ein Pfand in Höhe von 25 Euro. Das wäre (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ein guter Anreiz für die Rückgabe. Ich persönlich – das ist eine Forderung, die ich hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schön öfter gestellt habe – wäre auch für Pfandsysteme Mein Fazit heute: Neuerdings sind ja alle begeistert gewesen, für die Kreislaufwirtschaft. Mit dem neuen Gesetz hätte (Beifall des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) die GroKo dann auch einen echten Sprung in diese Rich- tung machen können. Das hat sie verpasst. So verliert sowohl bei den Elektrogeräten als auch bei den Batterien. Deutschland den Anschluss an seine Nachbarn. Der Ge- Ich glaube, um ein hochwertiges Recycling sicherzustel- (B) setzentwurf ist aus unserer Sicht unzureichend. Daher len, ist es wichtig, dass die Geräte wirklich zurückkom- (D) werden wir in der nächsten Legislaturperiode dieses The- men und nicht irgendwo landen. Da spielt das Pfand ma noch mal engagiert angehen. natürlich eine große Rolle. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der beste Abfall ist der, der gar nicht entsteht. Des- wegen stärken wir mit dieser Änderung des ElektroG Vizepräsidentin Claudia Roth: die Wiederverwendung – Frau Hoffmann, das kam gera- Vielen Dank, Dr. Bettina Hoffmann. – Nächster Red- de nicht ganz so deutlich rüber; deswegen sage ich das ner: für die SPD-Fraktion Michael Thews. noch mal – an vielen Stellen, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD) Allerdings muss man sagen: Es gibt auch Entwicklun- gen auf europäischer Ebene, die ich ganz hervorragend finde; deswegen nenne ich sie einfach mal: Die Ökode- Michael Thews (SPD): sign-Richtlinie sieht zum Beispiel vor, dass jetzt für be- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen stimmte Gerätegruppen sieben Jahre Ersatzteile verfüg- und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! bar sein müssen, dass es nur 15 Tage dauern darf, bis die 850 000 Tonnen Elektroaltgeräte sammeln wir jedes Ersatzteile vor Ort sind, und dass Reparaturanleitungen Jahr – eine Riesenmenge, aber noch nicht genug, wie im Internet veröffentlicht werden müssen. wir gerade gehört haben, weil wir die Sammelziele auf EU-Ebene nicht erreichen. Warum tun wir das über- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) haupt? In einer Tonne Elektroschrott können bis zu Ich finde das eine tolle Entwicklung. Genau diesen Weg 250 Gramm Gold enthalten sein. Das klingt nicht nach müssen wir weitergehen, auch für weitere Gerätegrup- viel. Aber wenn man weiß, dass in einer Tonne Golderz pen. Das würde ich mir wünschen. nur 5 Gramm Gold enthalten sind, dann weiß man, dass man beim Recycling von Elektroschrott zum einen sehr (Beifall bei der SPD) viel für die Ökologie tut, die Umwelt schont, aber zum Es gibt natürlich auch andere Dinge – die kamen auch anderen auch sehr viel Energie spart. Das heißt, der öko- bei der Anhörung zur Sprache –, die uns helfen, die logische Fußabdruck des Recyclingmaterials ist viel bes- Reparierbarkeit, die Langlebigkeit von Geräten zu ver- ser als der des Primärmaterials. Daher wollen wir hin zu bessern. Das ist einmal die Entnehmbarkeit von Akkus. einem hochwertigen Recycling. Wir haben ein großes Gejammer gehört, warum das bei (Beifall bei der SPD) bestimmten Gerätegruppen nicht geht. Ich sage mal von 28028 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Michael Thews (A) meiner Seite – ich bin ja Ingenieur –: Wenn man da ein sorgen können müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir (C) bisschen Fantasie und ein bisschen Innovation reinsteckt, eine sachgerechte Entsorgung haben und eine verbesserte dann können die Akkus entnehmbar sein. Sammel- und Recyclingstruktur aufbauen; denn je leich- ter es ist, Elektrogeräte zurückzugeben, umso mehr (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der kommt auch zurück. Daher ist es auch wichtig – mein Abg. Dr. [BÜNDNIS 90/DIE Kollege von der SPD hat es angesprochen –, dass man GRÜNEN]) in zwei Jahren nachsieht, wie es sich entwickelt, um bei Das würde ja auch, sage ich mal, für die Langlebigkeit Fehlentwicklungen noch nachbessern zu können. eine große Rolle spielen; das wissen wir alle. Wir wissen, Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie dass oft der Akku der Knackpunkt bei der Nutzung der wird es nicht überraschen, aber wir haben es auch ge- Geräte ist. merkt, dass die Sammelquote nicht stimmt, und deswe- Eine modulare Bauweise könnte man machen. Oft ist gen haben wir bei diesem Gesetz nachgebessert. Ihr An- es ja so, dass das nächste Handy nur eine bessere Kamera trag ist in dem Fall so überflüssig wie fünf Runden im hat; den Rest könnte man durchaus noch weiter benutzen. Kreisverkehr, Auch modulare Bauweisen wären also sinnvoll. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Ganz wichtig finde ich auch, dass die Verbraucherin- und der SPD) nen und Verbraucher über die Geräte, die sie kaufen, informiert werden: Wie langlebig sind die eigentlich? weil, wie gesagt, wir es selber gemerkt haben und nach- Gegebenenfalls muss es dann eine längere Gewährleis- bessern. tung geben. Was die Reparierbarkeit betrifft: Das ist ein anderes Nur so können wir Elektroschrott in Zukunft stärker Thema, das wir vielleicht anderweitig lösen müssen. vermeiden, können auch eine echte Kreislaufwirtschaft (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) installieren, und das ist ja unser gemeinsames Ziel. Was aber uns wichtig ist: dass wir das Thema Nach- Vielen Dank für Ihr Interesse. haltigkeit ernst nehmen, nicht nur die Ökologie. Nach- haltigkeit heißt ja letztendlich, dass wir drei Säulen in (Beifall bei der SPD) Einklang bringen müssen: Das sind die Ökologie, die Ökonomie, aber auch die soziale Gerechtigkeit oder der Vizepräsidentin Claudia Roth: soziale Ausgleich. Das ist, glaube ich, wichtig. Darum Vielen Dank, Michael Thews. – Der letzte Redner in kann man Klimaschutz nicht nur über Ökologie denken, dieser Debatte: Michael Kießling für die CDU/CSU- sondern wir müssen die Leute mitnehmen und abholen. (B) Fraktion. In diesem Fall hilft es natürlich auch, wenn wir ihnen ein (D) (Beifall bei der CDU/CSU) entsprechendes Angebot machen, dass die Leute ihre Geräte zurückbringen können. Michael Kießling (CDU/CSU): Unterm Strich heißt das: Erstens. Wir handeln und Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ermöglichen, dass mehr Elektrogeräte einen nachhaltigen Kollegen! Wir haben es gehört: Die Verkaufszahlen von Weg finden und dass die Ressourcen zurückgebracht wer- Elektro- und Elektronikgeräten sind stark gestiegen und den, damit sie wiederverwendet werden. steigen weiterhin. 2 Millionen Tonnen wurden im Zweitens. Wir wollen die Umwelt schonen, indem wir Jahr 2018 in Verkehr gebracht. Wir haben es vorher ge- die Schadstoffe nicht über den Hausmüll entsorgen, son- hört: Nur knapp 43 Prozent gehen zurück, werden in die dern wir wollen sie wirklich zielgerichtet über die Pro- Sammelstellen gegeben und können dem Recycling dukte zurückbekommen und sie auch zielgerichtet ent- zugeführt werden. sorgen. Jeder von uns weiß, wie schnelllebig Elektrogeräte Nachhaltigkeit, meine Damen und Herren, gehört für sind. Schauen wir zum Beispiel Mobilfunkverträge an, uns zum Selbstverständnis. Daran werden wir uns auch nach denen man alle zwei Jahre ein neues Handy be- weiterhin messen lassen. Nur so können wir gemeinsam kommt! Diese Schnelllebigkeit sorgt dafür, dass Ressour- die Zukunft gestalten: wenn wir die Leute mitnehmen bei cen verbraucht werden. Wichtig für uns ist natürlich, dass dem technologischen, aber natürlich auch bei dem öko- die Ressourcen wieder zurückgewonnen werden können, logischen Ansatz und indem wir entsprechende Möglich- weil gerade diese Altgeräte Kunststoffe, Edelmetalle und keiten schaffen, Materialien und die Kreislaufwirtschaft Metalle enthalten, die wir dringend für unsere heimische weiter zu verbessern. Industrie brauchen, weil wir selber diese Rohstoffe bei Wir arbeiten daran. Ich bin gespannt, wie in der nächs- uns in Deutschland nicht haben. Wir wissen teilweise, ten Legislaturperiode die Konstellationen sind. Aber für wie die Gewinnung in anderen Ländern funktioniert. Deswegen ist es wichtig, einmal aus ökologischer Sicht, uns, CDU und CSU, gehört es zum Selbstverständnis, dass wir im Bereich der Nachhaltigkeit weiterkommen aber auch aus der Sicht des Ressourcensparens, dass wir wollen. diese Stoffe wiedergewinnen. Ich bedanke mich und wünsche Ihnen noch einen Wir haben zwei Themen. Einmal müssen wir die Stoffe schönen Abend. recyceln, sodass wir sie dem Kreislauf wieder zuführen können. Das andere ist, dass wir die Schwermetalle usw., (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- die in diesen Geräten vorhanden sind, entsprechend ent- ordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28029

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Drucksache 19/28519, den Antrag der Fraktion Bünd- (C) Vielen Dank, Michael Kießling. – Damit schließe ich nis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/16419 abzulehnen. die Aussprache. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Be- Tagesordnungspunkt 21 a. Wir kommen zur Abstim- schlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben mung über den von der Bundesregierung eingebrachten die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der Gesetzentwurf zur Änderung des Elektro- und Elektro- AfD. Dagegengestimmt haben die Fraktionen von Bünd- nikgerätegesetzes. Der Ausschuss für Umwelt, Natur- nis 90/Die Grünen und der Linken. schutz und nukleare Sicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/28508, den Ge- Nächster Tagesordnungspunkt, nächstes Thema. – setzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a, 22 b und 37 v 19/26971 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte sowie Zusatzpunkt 5 auf: diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas- sung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Wer 22 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Der Gesetz- Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) entwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. André Zugestimmt haben die Fraktionen von CDU/CSU und Hahn, Sören Pellmann, Thomas Lutze, wei- SPD. Dagegengestimmt haben die Fraktionen der terer Abgeordneter und der Fraktion DIE Linken, von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und der LINKE AfD. Dritter Goldener Plan Sport – 10 Mal eine Dritte Beratung Milliarde für Sportstätten in Deutschland und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Drucksachen 19/20035, 19/28498 Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Manche Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) haben sich nicht beteiligt. Der Gesetzentwurf ist ange- zu dem Antrag der Abgeordneten Britta nommen. Zugestimmt haben die Fraktionen von SPD Katharina Dassler, Stephan Thomae, und CDU/CSU. Dagegengestimmt haben die Fraktionen Reginald Hanke, weiterer Abgeordneter und von AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. der Fraktion der FDP Tagesordnungspunkt 21 b. Abstimmung über den An- Erhalt der Breitensportlandschaft in Pan- trag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/28429 mit demiezeiten dem Titel „Elektro- und Elektronikgeräte effizienter nut- (B) zen – Langlebigkeit, Reparatur, Sammlung und Recyc- Drucksachen 19/25245, 19/28497 (D) ling verbessern“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist richts des Sportausschusses (5. Ausschuss) zu abgelehnt. Zugestimmt hat die Fraktion der FDP. Dage- dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, gengestimmt haben die Fraktionen der Linken, der SPD, Erhard Grundl, Dr. Konstantin von Notz, weiterer von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU/CSU. Enthal- Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ ten hat sich die Fraktion der AfD. DIE GRÜNEN Tagesordnungspunkt 21 c. Beschlussempfehlung des Transparenzportal für die Spitzensportförde- Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare rung des Bundes einrichten Sicherheit zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Drucksachen 19/26528, 19/28499 nen mit dem Titel „Elektroschrott – Wertstoffkreisläufe schließen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- 37 v) Beratung des Antrags der Abgeordneten empfehlung auf Drucksache 19/24622, den Antrag der Mariana Iris Harder-Kühnel, Jörn König, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache Andreas Mrosek, weiterer Abgeordneter 19/16412 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- und der Fraktion der AfD empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Gewährleistung des Vereinssports für sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Kinder und Jugendliche und Ermögli- Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD, der CDU/ chung von Senioren-Gruppengymnastik CSU, der AfD und der FDP. Dagegengestimmt hat die während Corona Fraktion vom Bündnis 90/Die Grünen, und enthalten hat sich die Fraktion der Linken. Drucksache 19/28446 Überweisungsvorschlag: (Unruhe) Sportausschuss (f) – Darf ich auch Herrn Lenkert um Ruhe bitten? Wir Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend müssen uns hier konzentrieren. Es ist wirklich nicht so Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten ganz einfach. beschlossen worden. Tagesordnungspunkt 21 d. Beschlussempfehlung des Wenn die Kollegen und Kolleginnen Platz genommen Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum An- haben, gebe ich dem ersten Redner das Wort. – Ich will trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel warten, Herr Gienger, bis ein bissel Ruhe eingekehrt ist. – „Elektroschrott reduzieren – Recht auf Reparatur“. Der Würden Sie bitte Platz nehmen oder die Gespräche drau- Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf ßen weiterführen? 28030 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Dann eröffne ich die Debatte. Der erste Redner: für die stehen, und zwar mit unserem Programm „Coronahilfen (C) CDU/CSU-Fraktion Eberhard Gienger. Profisport“, mit dem wir für die Jahre 2020 und 2021 jeweils 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um (Beifall bei der CDU/CSU) die schwierige Zeit der Bundesligavereine in unterschied- lichen Sportarten zu überbrücken. Eberhard Gienger (CDU/CSU): (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der gestrigen Anhörung des Sportausschusses zum Kin- Neben dem Bundesinnenministerium sind aber auch der- und Jugendsportbericht ist wieder einmal klar viele andere Ressorts mit involviert. Sie haben dafür geworden, wie stark gerade Kinder und Jugendliche unter gesorgt, dass die Vereine und Verbände Zugang zu den den Einschränkungen leiden. Deswegen setzen wir uns Wirtschaftshilfen oder auch zu Kurzarbeitergeld erhalten. bei den gerade laufenden Beratungen um das neue Infek- Das Familienministerium hat zum Beispiel kurzfristig tionsschutzgesetz für differenzierte Ausnahmen im Sport 100 Millionen Euro für das „Sonderprogramm Kinder- von Kindern und Jugendlichen ein. Denn die lange feh- und Jugendbildung“ bereitgestellt. lenden Bewegungsangebote in Vereinen und Schulen ver- Meine Damen und Herren, in den kommenden Wochen stärken die bekannten Probleme wie Übergewicht, und Monaten werden wir aber vor allem unseren Blick in schlechte Kondition, schlechte Koordination; von den die Zukunft richten. Nach der vorherigen Kampagne der psychologischen, pädagogischen und sozialen Wirkun- Bundesregierung #WirBleibenZuhause würde mir jetzt gen des Sports will ich gar nicht reden. eine Kampagne gefallen, die Benny Folkmann, der zwei- Deshalb braucht es eine starke Initiative für einen te Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, gestern im schnellen Neustart im Sportverein wie auch im Schul- Sportausschuss mit einem Arbeitstitel, würde ich mal sport. Es ist an der Zeit, dass wir bald die tägliche Sport- sagen, formuliert hat. stunde einführen, und zwar, wie ich finde, so schnell wie (Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Guter möglich. Sobald das Infektionsgeschehen nachlässt und Mann!) mehr Menschen geimpft sind, müssen wir buchstäblich wieder in Bewegung kommen. Schule, Verein und Er hat gesagt: Gestalten wir zusammen ein bewegungsf- Breitensportler brauchen dazu natürlich auch attraktive reundliches Land! – Daran sollten wir uns orientieren. und gute Sportstätten. Viele der hier verantwortlichen Ich danke Ihnen. Bundesländer und Kommunen haben über Jahre deutlich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- zu wenig investiert. Das hat vielerorts zu maroden Turn- ordneten der SPD) hallen, veralteten Sportanlagen und nicht zuletzt auch zur (B) Schließung von Schwimmbädern geführt. (D) Vizepräsidentin Claudia Roth: Obwohl die Bundesländer hier in der Verantwortung Vielen Dank, Eberhard Gienger. – Nächster Redner: stehen, hat die Bundesregierung diverse Förderprograme für die AfD-Fraktion Jörn König. aufgelegt, um dem Sanierungsstau entgegenzuwirken, so zum Beispiel den Investitionspakt Sport mit 150 Millio- (Beifall bei der AfD) nen Euro, das BMI-Sanierungsprogramm Sport mit 600 Millionen Euro für drei Jahre, das Kommunalinvesti- Jörn König (AfD): tionsförderungsgesetz mit 3,5 Milliarden Euro in den Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Jahren 2015 bis 2020 und die Bundeshilfen für die Städte- Liebe Zuschauer auf den Tribünen und an den Bildschir- bauförderung in Höhe von 790 Millionen Euro aus dem men! Die Linke hat einen Antrag vorgelegt, Jahre 2018. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Guter An- Um in Zukunft zielgerichtet, nachhaltig und bedarfs- trag!) orientiert investieren zu können, brauchen wir zudem dessen Kerninhalt ist, zehn Jahre lang je 1 Milliarde Euro einen digitalen Sportstättenatlas. Es braucht ein genaues in Sportstätten zu investieren. Das ist eine gute Idee. Eine Lagebild, um auf sich wandelnde Sportnachfragen und drastische Erhöhung des Sportetats auf 1 Milliarde Euro neue Trends reagieren zu können. Neben den Hilfen des fordern wir, seitdem wir in den Deutschen Bundestag Bundes braucht es aber vor allem auch ein deutlich stär- eingezogen sind. keres Engagement der zuständigen Länder und Kommu- nen. So war ich doch einigermaßen überrascht, als in der (Beifall bei der AfD) Anhörung des Sportausschusses zum Thema Sportstätten Werte Kollegen, machen Sie bitte ein Kreuz in den der zuständige Minister Holter aus Thüringen auf die Kalender; denn es geschehen noch Zeichen und Wunder: Nachfrage, wie er sich denn die Verteilung der Mittel Die Linke kann ideologiefreie Sachpolitik, und die AfD zwischen Bund und Ländern vorstelle, gesagt hat: 90 Pro- stimmt zu. zent Finanzierung durch den Bund. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Guter Mann! – der CDU/CSU]: Hufeisen!) Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Es musste sozusagen der Notfallmodus aktiviert werden, Das ist Wunschdenken und meines Erachtens nicht ernst um die Versäumnisse der letzten 30 Jahre zu korrigieren – gemeint, zumal die Länder bei den Coronahilfen für Ver- ein Versagen, welches die folgenden vier Fraktionen zu eine und Verbände gut geholfen haben. Wir werden verantworten haben: SPD, CDU/CSU, FDP und die Grü- jedenfalls verlässlich an der Seite des deutschen Sports nen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28031

Jörn König (A) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) ( [SPD]: Was? Vitamin D?) (C) Jeder von Ihnen hat in den letzten 30 Jahren mal im Bund Auch hier bitten wir um Zustimmung. In diesem Sinne: regiert. Das Ergebnis: Bis 2017 sanken die Bundesausga- Liegestütze statt Lockdown! ben für den Sport auf unter 0,05 Prozent des Gesamtetats. Vielen Dank. Wir reden hier von 50 Cent bei 1 000 Euro Gesamtausga- ben. Sie, die Sportpolitiker aller regierenden Parteien, (Beifall bei der AfD) haben geschlafen und damit versagt. (Beifall bei der AfD) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege König. Die Kulturpolitiker haben in derselben Zeit einen Staats- minister auf Bundesebene mit inzwischen 370 Mitarbei- (Jörn König [AfD]: Ach, Frau Präsidentin!) tern erhalten. Der Bundesetat für Kultur ist fünfmal so – Sie können mich auch mit Frau Präsidentin anreden, hoch wie der für den Sport. wenn Ihnen das gefällt. Ich bin da völlig schmerzfrei. Die Bundesländer aber haben genauso versagt. Im Jahr (Jörn König [AfD]: Nein! Ich wundere mich 2005 haben die Kommunen 72,6 Prozent der Gesamt- nur, dass Sie gewechselt haben! – Zuruf von ausgaben für den Sport getragen; im Jahr 2015 waren es der AfD: Präsidentenwechsel!) schon 83,2 Prozent aller Sportausgaben. Was haben Bund Aber die Anreden „Herr Präsident“ und „Frau Präsiden- und Länder also gemacht? Sie haben die Kommunen tin“ sollte die AfD beherzigen. alleingelassen und den Sport vernachlässigt. Nächster Redner ist der Kollege Mahmut Özdemir, Sie, verehrte Damen, Herren und Diverse von den SPD-Fraktion. regierenden und ehemals regierenden Parteien, haben heute eine einmalige Chance und auch Pflicht: Sie kön- (Beifall bei der SPD) nen Ihr Versagen reparieren, indem Sie diesem Anliegen zustimmen. Es ist leider eine notwendige Sonderrepara- Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): turaktion – so lange, bis die Kommunen wieder so ent- Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- lastet werden, dass sie ihre Sportstätten gemäß dem föde- legen! Ich weiß nicht, ob der nachfolgende Ausspruch ralen Prinzip wieder selbst bauen und instand halten eines Kabarettisten ausgerechnet für den Kollegen König können. gemacht worden ist, aber die schwierigste Turnübung ist Werte SPD, CDU/CSU, FDP und Grüne, zeigen Sie immer noch, sich selbst auf den Arm zu nehmen. bitte den Bürgern da draußen, dass dieses Parlament (Andreas Bleck [AfD]: Ja, dann legen Sie los!) (B) noch in der Lage ist, konstruktive Sachpolitik zu machen! (D) Die Opposition schafft das tatsächlich mit einigen Anträ- Korrigieren Sie Ihre Fehler in der Vergangenheit, und gen, die wir heute hier vorliegen haben. Wir schauen auf investieren Sie endlich in Sportstätten! Luftschlösser. (Beifall bei der AfD) Die Linken fordern in Ihrem Antrag einen Goldenen Plan Nummer drei, weil ihnen selber nichts anderes dazu Es geht hier um Sport; da ist auch der nicht vorhandene einfällt, als einfach zehnmal 1 Milliarde Euro zu fordern. Fraktionszwang einfach überflüssig. Ich werde Ihnen gleich zeigen, wie man das richtig Für alle, die meinen, die 10 Milliarden Euro seien viel macht. Geld: Der DOSB und der Deutsche Städte- und Ge- (Lachen des Abg. Andreas Bleck [AfD]) meindebund haben den Investitionsstau sogar auf 31 Mil- liarden Euro beziffert. Außerdem: Viel Geld ist in Zeiten Die FDP will den Erhalt der Breitensportlandschaft ha- der EZB-Gelddruckerei relativ. Die Gesamtausgaben des ben, Bundes werden in diesen zehn Jahren bei über 4 Billionen (Karsten Hilse [AfD]: Kalauer!) Euro liegen. Die Kosten für die Sportstätten entsprechen also mickrigen 0,25 Prozent der Gesamtausgaben. Das ist und die Grünen reden von Transparenz – klingt auch ein Vierhundertstel. Werte Kollegen, ein reiches Land immer gut. Letztendlich: Geld, Erhalt, Transparenzporta- schultert solche Peanuts doch mit links. le allein sind nicht das, was unser Sportdeutschland braucht. Es braucht Zuverlässigkeit, es braucht Disziplin, (Beifall bei der AfD) und es braucht vor allen Dingen eines: Respekt vor den Den FDP-Antrag unterstützt die AfD im Wesentlichen, Sportlerinnen und Sportlern. Ich erkläre Ihnen das. zumal wir bereits vor einem Jahr den Antrag „Corona ins (Beifall bei der SPD) Abseits stellen“ mit ähnlichen Inhalten gestellt haben. Zehnmal 1 Milliarde Euro bei einem Investitionsstau Wir haben die Anliegen auch in Briefen an die Sport- in Höhe von, wie Sie selber sagen, 31 Milliarden Euro, minister der Länder adressiert. klingt, finde ich, gut gebrüllt, ist aber viel heiße Luft. Unsere eigenen AfD-Anträge zum Themenbereich Zuverlässigkeit geht folgendermaßen: Aus Programmen „Öffnen der Fitnessstudios und des Vereinssports“ sind zur Sanierung kommunaler Einrichtungen 200 Millionen in Coronazeiten notwendiger denn je. Sport ist Teil der Euro für 105 Projekte in 2020, weitere Gelder im Rahmen Lösung und stärkt das Immunsystem, dazu weitere Pro- eines Nachtragshaushaltes in Höhe von 600 Millionen phylaxe wie Vitamin D im Winterhalbjahr, und wir kön- Euro für 2021 und das folgende Jahr. Es ist nicht alles nen gestärkt die Covid-Krankheit besiegen. Gold, was glänzt. Deshalb reden wir hier auch von einem 28032 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) Investitionspakt Sportstätten 2020/2021 in Höhe von Überbrückungshilfen –, geäußert hat. Jetzt komme ich (C) 325 Millionen Euro. Wenn man die ganzen Verpflich- zu meinem Schlagwort „Disziplin“: Wir haben nicht nur tungsermächtigungen für diese Programme zusammen- Programme aufgelegt, wir hatten auch den Mut und die zieht, dann kommen wir schon auf eine Summe von Traute, Programme, die nicht richtig laufen, weiter anzu- 1 Milliarde Euro, die Sie im Übrigen fordern und die stoßen. Die Umsetzung beim Projektträger Jülich ist zum wir, wenn wir weiter regieren, natürlich auch weiter ver- Beispiel immer wieder mal in der Kritik gewesen. Da stetigen würden. haben wir nachgearbeitet, da sind wir dran. Diese Diszip- Beim Städtebau haben wir 790 Millionen Euro für die lin würde ich mir, ehrlich gesagt, auch vom Bundeswirt- Anlagen verbucht, damit wir Sportstätten sportartenunab- schaftsministerium wünschen, hängig auch in die Quartiere, in die Stadtteile integrieren (Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Ach Gott!) können, das im April immer noch von Novemberhilfen redet. (Dagmar Freitag [SPD]: Sehr gut!) Während das Bundesfinanzministerium Hilfen in Milliar- denhöhe auflegt, verhält sich das Bundeswirtschaftsmi- damit sie nah bei den Menschen, nah bei den Kindern und nisterium immer noch wie eine Sparkasse, die einen Kre- Jugendlichen sind, damit sie fußläufig erreichbar sind. dit für ein undurchsichtiges Start-up gewähren soll, Dafür haben wir als Sozialdemokraten in der Regierung obwohl die Hilfen auf der Straße liegen. dieses Städtebauförderungsprogramm mit aufgelegt und mit unterstützt. Darauf kann man stolz sein. Ich würde mir wünschen, dass wir die Ausgabereste von Coronahilfen dafür verwenden, dass wir miteinander (Beifall bei der SPD) die Sportallianz Deutschland schmieden. Das Bundesin- Die Anhörung im Sportausschuss vergangene Woche nenministerium als Sportministerium ist da schon auf zur Förderung des Bundes von kommunalen Sportstätten einem guten Weg. Ich würde mir wünschen, dass sich hat sehr deutlich gezeigt, dass die Gleichwertigkeit der das Bundesministerium für Gesundheit dazugesellt, da- Lebensverhältnisse in diesem Land auch im Hinblick auf mit wir diese Sportallianz Deutschland miteinander den Sport nicht gewährleistet ist. Sie reden über 31 Mil- schmieden können, um fit aus der Krise zu kommen, liarden Euro Investitionsstau und wollen das mit 10 Mil- um wieder rausgehen zu können, wir also Sport und Ge- liarden Euro auflösen, sundheit verzahnen. Dafür müsste sich ein Gesundheits- minister auch mal die Reden hier im Parlament anhören (Jörn König [AfD]: Doch nur vom Bund, Herr und einsehen, dass Sport und Gesundheit eine Einheit Özdemir!) sind sehen aber nicht, dass die kommunalen Kassenkredite – (Dagmar Freitag [SPD]: Sehr richtig!) (B) 51 Milliarden Euro alleine in Nordrhein-Westfalen, (D) 13 Milliarden Euro in Bayern – in der Summe bundesweit und eben keine Widersprüche. Diese Ansicht lag bei- über 100 Milliarden Euro betragen. Ich frage mich, wie spielsweise dem zugrunde, was er bei der Krankenkas- das eigentlich alles gehen soll, wenn wir nicht die kom- sen-Werbemaßnahmen-Verordnung gerne gehabt hätte, munalen Investitionseinheiten wieder ertüchtigen, wenn wodurch dann Milliarden Euro aus dem deutschen Sport wir nicht die Kommunen in die Lage versetzen, das zu herausgezogen worden wären. Das geht so nicht, Herr tun, wofür sie eigentlich da sind: kommunale Daseinsvor- Spahn! sorge zu betreiben für Jugend, für Sport, für Kultur. (Beifall bei der SPD) Da muss man auch sehen: Ein Altschuldenfonds, der Die Realität ist: Unsere Kinder haben einen Bewe- so, wie Olaf Scholz ihn vorschlägt, allerdings von Nord- gungsmangel. Aber es sind nicht nur die Kinder, es sind rhein-Westfalen ablehnt wird, ist genau das richtige Mit- auch die Seniorinnen und Senioren, die auf ihren Reha- tel. Ein Altschuldenfonds, der unsere kommunalen Inves- sport warten, der möglicherweise mit guten Lüftungskon- titionseinheiten wieder auf die Schiene setzt, um in Sport, zepten tatsächlich möglich wäre. Wir als SPD-Bundes- Jugend und Kultur zu investieren, ist der richtige Weg. tagsfraktion setzen uns dafür ein und wollen erreichen, (Beifall bei der SPD) dass der Sport draußen wieder möglich ist, dass Indivi- dualsport und Breitensport nicht irgendwelchen Regelun- gen untergepflügt werden. Wir wollen vielmehr, dass Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Kinder und Jugendliche inzidenzunabhängig draußen Herr Kollege Özdemir, erlauben Sie eine Zwischen- kontaktlos wieder Sport treiben können. Das ist keine frage des Kollegen Dr. Hahn? Altersfrage, das ist eine pädagogische Frage. Man kann dem Kind in der Kita, dem Schulkind, aber auch dem Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): Jugendlichen erzählen, dass er im Freien Sport machen Ich würde gerne noch im Zusammenhang vortragen, soll, dabei aber Abstand halten soll. bitte. Wir müssen die Kinder wieder rausholen aus den Woh- Breitensport – wichtiges Thema. Wir haben für den nungen, wo sie mit drei Geschwistern zusammensitzen, Breitensport Programme aufgelegt. Kollege Gienger hat fünf, sechs Stunden lang Homeschooling machen und am das gerade in vielfältiger Hinsicht dargelegt, und ich bin Ende des Tages auf ihre Inlineskates, ihr Skateboard froh, dass sich die Union in vielen Punkten, zu denen sie gucken und Mutter und Vater ihnen sagen müssen: Das bislang beim Thema Sport in der Öffentlichkeit stumm geht jetzt gerade nicht. Du darfst einmal um den Block war – zum Beispiel im Hinblick auf Kinder und Jugend- spazieren gehen, aber du darfst keinen Sport treiben. – liche, Sport draußen und bei den sportartunabhängigen Das geht so nicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28033

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) (Beifall bei der SPD – Dr. Rainer Kraft [AfD]: ganz gerne überreicht; aber Investitionen in Sportinfra- (C) Ja, wer hat es denn gemacht?) strukturen wie Hallenbäder, Schulsporthallen, die ja auch Schließlich – um auf die Grünen noch mal zu sprechen von unseren Vereinen genutzt werden, bleiben in dem zu kommen – zum Transparenzportal. Das ist eine gute notwendigen Umfang aus. Sache; es klingt auch gut. Aber richtig geht es folgender- (Jörn König [AfD]: Wo sie recht hat, hat sie maßen: Athleten Deutschland ist eine Institution, auf die recht!) man sehr stolz sein kann, wie ich finde. Wir haben mit einer Förderung dieser Athletenvertretung dafür gesorgt, Ich erinnere an die Petition der DLRG, die sich für die dass wir mehr Transparenz in die Sportfachverbände und verfallenen Hallenbäder starkgemacht hat. Hunderte von auch ein Stück weit in den DOSB bekommen. Wir sehen Kindern, meine Damen und Herren, können heute nicht so, wie die Verteilung ist, und sorgen mit Sportlern, mit mehr schwimmen. Das ist eine Katastrophe! Ich erinnere Sportlerinnen dafür, dass die Mittel auch an die richtigen auch – Ebse Gienger, du weißt es – an die in Vergessen- Stellen kommen. Dies gelingt nur, wenn wir die Werte heit geratenen vereinseigenen Sportstätten. Diese Vereine des Grundgesetzes am Ende des Tages auch leben und haben sich im Freiburger Kreis organisiert, und sie erfah- mündige Athletinnen und Athleten haben, die ihre Mei- ren keinerlei öffentliche Unterstützung bei Instandhal- nung nicht hinterm Berg halten, sondern damit rausge- tung und Modernisierung, und seien es auch nur günstige hen. Deshalb muss man – jetzt neigt sich meine Redezeit Kredite. überraschend dem Ende zu – eine solche Organisation weiter in die Lage versetzen, diese Transparenz zu unter- Breitensport, meine Damen und Herren, so habe ich stützen und auf den Weg zu bringen. manchmal den Eindruck, wird auf Sparflamme betrieben, anstatt die starke Bedeutung für die geistige und auch Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Die Anträge körperliche Gesundheit zu erkennen und den Sport ent- der Opposition lehnen wir natürlich ab. sprechend umfangreich zu unterstützen. Umso enttäusch- (Beifall bei der SPD) ender ist es, dass die bisher angebotenen Hilfen für den Sport in der Pandemie bei Weitem nicht ausreichend waren. Wir Freie Demokraten haben bereits im Dezember Vizepräsident Wolfgang Kubicki: 2020 – das wissen auch die Damen und Herren von der Vielen Dank, Herr Kollege Özdemir, auch für die GroKo im Sportausschuss – vier Handlungsbereiche auf- Beachtung der roten Ampel. Es ist nicht üblich in diesem gezeigt, die jetzt im Verlauf der Pandemie endlich konti- Haus, aber immerhin. nuierlich verfolgt werden müssten. (Heiterkeit – Mahmut Özdemir [Duisburg] (Beifall bei der FDP) (B) [SPD]: Wenn Sie sich auch mal an eine Ampel (D) halten würden! – Heiterkeit) Wir benötigen – das wissen Sie alle – ein kurzfristiges – Ich kann Ihnen immer wieder sagen: Wenn die Ampel Handeln des Bundes zusammen mit Ländern und Kom- auf Gelb springt, dann fahre ich los. munen, um den Breitensport finanziell nicht im Regen stehen zu lassen. (Heiterkeit) Wir brauchen die Förderung der Vereine bei Schaffung Nächste Rednerin ist die Kollegin , FDP- und Ausbau von digitalen Angeboten; hierzu gehört auch Fraktion. E-Sport. Im Moment sind ja auch kontaktlose Sportarten (Beifall bei der FDP) möglich. Dann muss der Goldene Plan der Sportstättensanierung Britta Katharina Dassler (FDP): mehr Geld erhalten und an die neuen Herausforderungen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! angepasst werden. Eigentlich ist es viel zu spät, erst heute über Sport, Sport- stätten, Breitensport in der Pandemie zu sprechen. Es (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Eberhard zeigt sich hier genau wie in der Bildung, dass die Länder Gienger [CDU/CSU]) und die Bundesregierung die Bedeutung des Sports für Körper und für Geist für uns alle komplett falsch einge- Wir benötigen auch ganz klar umrissene Forschungs- schätzt haben. Es muss doch alles getan werden, um die aufträge zur Identifikation von Covid-19-Infektionsket- Breitensportlandschaft gerade jetzt in der Pandemie tat- ten. Kinder und Jugendliche, meine Damen und Herren, kräftig zu unterstützen und um den Breitensport auch für sind doch die Verlierer der Pandemie; Eberhard, du hast die Zeit nach der Pandemie zu erhalten. es gesagt. Es braucht verstärkte Anstrengungen, um Bewegungsangebote zu machen, dort, wo Kinder und (Beifall bei der FDP) Jugendliche sind: Kitas, Schulen, Sportvereine und kom- Die größeren Sportvereine in der Fläche sind doch munale Jugendpflege. Dazu haben wir diese Woche auch längst ins Straucheln geraten und kommen wegen Mit- wieder einen Antrag eingebracht. Meine Damen und Her- gliederschwund und nicht bezahlbarer Fixkosten längst ren, wir müssen den Sport differenziert betrachten: – an ihre Grenzen. Teilweise habe ich den Eindruck, dass (Beifall bei der FDP) der Breitensport, aber manchmal auch der Spitzensport, ein bisschen ein Nischendasein in unserer Politik ein- nimmt. Pokale, meine Damen und Herren, werden von Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ihnen allen, von allen Politikern im Wahlkreis immer Bitte kommen Sie zum Schluss. 28034 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Britta Katharina Dassler (FDP): sie kommt übrigens nicht von uns, sondern vom DOSB (C) – keine automatischen Verbote, sondern wir müssen prü- und von den Kommunalverbänden, also auch keine Erfin- fen, wie wir Sport an der frischen Luft ermöglichen kön- dung, sondern leider Realität. Aufgrund von Finanznöten nen, auch in Kleinstgruppen. sind immer weniger Städte und Gemeinden in der Lage, ihre Bäder zu sanieren und zu betreiben. Jedes Jahr wer- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: den in Deutschland etwa 100 Bäder geschlossen. Das alles hat natürlich auch Folgen, für den Schwimmunter- Frau Kollegin, bitte. richt, der an vielen Schulen gar nicht mehr angeboten werden kann. Rund 60 Prozent der zehnjährigen Kinder Britta Katharina Dassler (FDP): können nicht sicher oder gar nicht schwimmen. Das ist Moment, ich habe es gleich. – Zu den anderen Anträ- aus meiner Sicht ein erschreckender Befund. gen. Antrag der Linken: wichtig, richtig, wünschenswert, haushaltspolitisch unseriös – keine Unterstützung. An- Auch bei Sporthallen und Sportplätzen sieht es nicht trag der Grünen: volle Unterstützung. besser aus. Sie sind teilweise nur noch unter unzumutba- ren Bedingungen nutzbar, manche müssten eigentlich Meine Damen und Herren, zum Schluss: Unsere Wirt- baupolizeilich gesperrt werden. schaft strauchelt angesichts der großen Pandemiebelas- tungen. Lassen Sie die Menschen nicht auch noch im (Dagmar Freitag [SPD]: Was haben die Länder Sport allein! in der Zeit gemacht?) Fehlende energetische Sanierungen treiben die Betriebs- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: kosten nach oben, und die fehlende Barrierefreiheit im Jetzt haben Sie noch einen Satz. überwiegenden Teil aller Sportstätten sorgt dafür, dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht gleichberechtigt Britta Katharina Dassler (FDP): Sport treiben können wie Menschen ohne Behinderun- Lassen Sie sie nicht straucheln, sondern geistig und gen. körperlich fit den Langstreckenlauf der Pandemiebewäl- Die gestrige Anhörung im Sportausschuss zum Vierten tigung absolvieren! Unterstützen Sie deshalb bitte unse- Kinder- und Jugendsportbericht wie auch die Anhörung ren Antrag. zur Situation der Sportstätten in den Kommunen – beide Vielen Dank. fanden im Übrigen auf Antrag der Linken statt – haben sehr deutlich gemacht, dass das Schwarze-Peter-Spiel (Beifall bei der FDP) zwischen Bund und Ländern, Frau Freitag, bei dem die (B) Verantwortung immer wieder auf Kommunen und Länder (D) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: abgeschoben wird, uns alle nicht weiterbringt. Wir haben Frau Kollegin Dassler, ich weiß zwar nicht, was es gemeinsam einfach die Verpflichtung, die Sportstätten in bedeutet, dass Sie dauernd ihren Finger heben; aber Deutschland zu verbessern; und das hat leider auch der mein Finger zeigt auf die Uhr. Bund sträflich vernachlässigt. (Britta Katharina Dassler [FDP]: Drei Minuten (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. sind zu wenig!) Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] – Jörn König [AfD]: Recht hat er!) – Dafür kann ich ja nichts; das müssen Sie Ihrer Fraktion erklären. Mein Gott! Für die Anwendung der Redezeit Zudem, meine Damen und Herren, gibt es eine erheb- bin ich nicht verantwortlich. Ich bin nur für die Einhal- liche soziale Schieflage; denn Einkommensschwächere tung der Redezeiten verantwortlich. und deren Kinder sind laut Statistik deutlich weniger schwimmfähig, sie sind seltener Mitglied in einem Sport- Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Frak- verein und weisen deutlich größere Bewegungsdefizite tion Die Linke. und gesundheitliche Probleme auf als im Bundesdurch- (Beifall bei der LINKEN) schnitt. Hier müssen wir kurzfristig gegensteuern, und der Verweis auf die 15 Euro monatlich aus dem Bildungs- Dr. André Hahn (DIE LINKE): und Teilhabepaket reicht nicht. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am (Beifall bei der LINKEN) 7. Dezember 2019 versprach Innenminister Seehofer auf der Mitgliederversammlung des DOSB einen dritten Deshalb, meine Damen und Herren, auch der Vorschlag Goldenen Plan Sportstätten; das ist also keine Erfindung im Antrag der Linken, das Zehnmal-1-Milliarde-Pro- der Linken. Hoffnungen keimten auf bei Ländern und gramm zu verknüpfen mit der kostenfreien Zurverfü- Kommunen sowie vor allem bei den vielen Sportverbän- gungstellung der Sportstätten für Sportvereine, wie es den und Vereinen. Alle warteten darauf, dass Seehofer bereits in Thüringen mit dem neuen Sportfördergesetz liefert. Als ein halbes Jahr lang nichts geschah, hat Die umgesetzt wurde. Linke im Juni 2020 mit dem vorliegenden Antrag einen In der öffentlichen Anhörung des Sportausschusses eigenen Vorschlag unterbreitet. zum Thema „Förderung von Sportstätten in Kommunen“ Der über die Jahre aufgelaufene Sanierungsbedarf bei am 24. März machten alle zehn Sachverständigen deut- Sportstätten und Schwimmbädern wird auf rund 31 Mil- lich, dass der derzeitige Beitrag des Bundes angesichts liarden Euro geschätzt. Die Zahl wurde schon genannt; des tatsächlichen Sanierungsbedarfs völlig unzureichend Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28035

Dr. André Hahn (A) ist, und sie, wenn sie mit abstimmen dürften, dem vor- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) liegenden Antrag der Linken zustimmen würden. Die Nächster Redner ist der Kollege Erhard Grundl, Bünd- AfD braucht dafür also überhaupt niemand. nis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, meine Damen und Herren, es gab die Aufstockung beim Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ sowie beim Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- „Investitionsplan Sportstätten“ – Kollege Gienger hat da- ren! Herr Kollege Gienger, ich gebe Ihnen ausdrücklich rauf hingewiesen –; aber diese Bundesprogramme erset- recht: Die sogenannte Coronanotbremse muss natürlich zen keineswegs den erforderlichen mehrjährigen Golde- der positiven Bedeutung des Sports im Außenbereich nen Plan Sport, den Herr Seehofer versprochen hat. Rechnung tragen. Ich hoffe, das wird auch von Ihrer Die Coronapandemie hat auch spürbare Auswirkungen Fraktion insgesamt so gesehen. auf den Sport. Am stärksten leiden darunter die Kinder Aber nicht nur Corona bedroht den Breitensport. Es und Jugendlichen. Das fast durchgängige Verbot von sind auch die maroden Sportstätten landauf, landab. Ja, Schul- und Vereinssport, gerade im Freien, halten wir wir haben einen Sanierungsstau aufgetürmt, der unsere für völlig unangemessen und kontraproduktiv. Hier Breitensportinfrastruktur in erheblichem Maße bedroht. muss das Infektionsschutzgesetz dringend korrigiert wer- Das darf uns nicht ruhen lassen. Das Ziel, das die Linke den. hier verfolgt, ist richtig, aber es greift zu kurz. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Cem Um unsere Sportstätteninfrastruktur wirklich fit ma- Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) chen zu können, braucht es detaillierte und belastbare Herr Kollege Gienger und Herr Özdemir, wir werden Erhebungen, die uns nicht vorliegen. Es braucht etwa in der nächsten Woche sehen, was aus Ihren Versprechun- die Wiedereinführung der länderübergreifenden Sport- gen geworden ist. Worte allein nützen nichts, wir brau- stättenstatistik. Wir müssen wissen, wo der Bedarf am chen Taten. größten ist. Ein Goldener Plan muss Antworten geben, wie die Kommunen ihre Sportstätten erhalten können und (Uwe Schulz [AfD]: Sie können ja die 10 Mil- welche sozialen Kriterien wir verfolgen. Die Sportstätten liarden aus dem DDR-Vermögen einbringen! der Zukunft müssen natürlich umweltverträglich und 10 Milliarden aus der DDR haben Sie doch!) multifunktional sein. Und die zunehmende Begeisterung Zum Schluss, Herr Präsident. für Joggen, Wandern und Radfahren zeigt: Auch der Be- darf an nicht normierten Sportstätten nimmt zu. (B) (D) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Kollege, jetzt wirklich zum Schluss kommen! All dem muss unsere Sportstättenförderung in Zukunft Rechnung tragen. Wir müssen den Paradigmenwechsel Dr. André Hahn (DIE LINKE): angehen. Der Antrag der Grünen hätte eine eigenständige Debatte zur Transparenz der Spitzensportförderung verdient. Wir (Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜND- werden hier zustimmen, das weiter im Blick behalten, NIS 90/DIE GRÜNEN]) und wir werden auch sehen, ob die Grünen, sollten sie All das kann ich in Ihrem Antrag leider nicht erkennen. denn in der nächsten Regierung sein, ihre eigenen Vor- Warum es das Bundesinnenministerium auch in dieser schläge in der kommenden Wahlperiode umsetzen. Wahlperiode nicht geschafft hat, einen digitalen Sport- stättenatlas auf den Weg zu bringen, bleibt sein eigenes Vizepräsident Wolfgang Kubicki: goldenes Geheimnis. Herr Kollege, jetzt müssen Sie zum Schluss kommen. (Dagmar Freitag [SPD]: Der ist auf dem Weg! – Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Das Dr. André Hahn (DIE LINKE): ist auch Sache der Länder!) Der Antrag der FDP – ja, Herr Präsident; ich rede ja vom Antrag der FDP, letzter Satz – Die Vergabe der Bundesmittel für die Förderung der Sportstätten läuft vielerorts doch so ab, dass der Abge- ordnete der Regierungsfraktion den Förderbescheid wie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: eine Monstranz durch den Wahlkreis trägt, aber dieses Das ist nicht mein Problem. alte Kahrs-Prinzip „Wenn jeder ganz fest an sich selber denkt, dann ist am Ende auch an alle gedacht“ hat bundes- Dr. André Hahn (DIE LINKE): weit zu diesem unglaublichen Sanierungsstau von 31 Mil- – alles klar –, der auch in der Coronapandemie mehr für liarden Euro geführt. den Breitensport tun will, ist nicht schlecht, es fehlt aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die soziale Dimension auf die Betroffenen. Deshalb kön- nen wir uns da nur der Stimme enthalten. Diese Kirchturmpolitik hat sich selbst überlebt und ist untauglich, den Vereinssport in der Breite zu sichern Herzlichen Dank. und die Herausforderungen anzugehen. Und das müssen (Beifall bei der LINKEN) wir ändern. 28036 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Erhard Grundl (A) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Deswegen bin ich der festen Auffassung, dass wir die (C) SES 90/DIE GRÜNEN) Zahlen in der Coronapandemie jetzt schnell runterbrin- gen müssen, damit wir dann nachhaltig für alle auch Transparenz ist entscheidend – gerade da, wo es um die wieder Sport ermöglichen können. Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger geht; denn es kann nicht sein, dass wir im olympischen Zyklus mehr als Dabei spielen natürlich Sportstätten eine ganz große 1 Milliarde Euro ausgeben und weder die Bevölkerung Rolle; dazu liegt hier ein Antrag der Linksfraktion vor. noch der Deutsche Bundestag die derzeitige Vergabepra- Wir haben 231 000 Sportanlagen insgesamt in Deutsch- xis in der Spitzensportförderung wirklich kontrollieren land. Aber wenn man sich diesen Antrag anschaut, muss und nachvollziehen können. Aktuell gibt es lediglich man schon sagen: Wir müssen auseinanderhalten, wer in Pauschalangaben. Es gibt keine Aufschlüsselung von Deutschland für was zuständig ist. Wenn ich hier Stich- Ausgaben für Personal, Lehrgänge und Olympiavorberei- worte lese wie „Breitensport“, „kommunale Sportstät- tung. Auch der Sportbericht der Bundesregierung, der ten“, „Schwimmbäder“, „Sportunterricht“, dann ist nun alle vier Jahre veröffentlicht wird, enthält keine Einzel- mal klar, dass dafür nicht der Deutsche Bundestag und auflistungen. CDU, CSU und SPD bleiben damit immer der Bund, sondern die Länder und Kommunen zuständig noch hinter den Vorgaben des Bundesrechnungshofes aus sind. dem Jahr 2014 zurück. Das ist nicht hinnehmbar. (Dagmar Freitag [SPD]: Genau so ist es!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Darauf müssen wir auch immer wieder hinweisen. Es geht darum, die Spitzensportförderung des Bundes (Abg. Britta Katharina Dassler [FDP] meldet transparent zu machen. Folgen Sie unserem Antrag! sich zu einer Zwischenfrage) Schaffen Sie ein Transparenzportal! Legen Sie einen jährlichen Sportförderbericht vor! Richten Sie die seit Wenn wir in eine Debatte kommen, dass die Allzustän- 2001 nicht mehr erhobene Sportstättenstatistik von digkeit des Bundes immer wieder betont wird, werden am Bund und Ländern wieder ein! Eine moderne Sportförde- Schluss immer weniger Mittel für die Dinge zur Verfü- rung braucht eine transparente Darstellung. Nur so ge- gung stehen, für die wir wirklich zuständig sind. winnen wir auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Frau Dassler hat sich gemeldet. Strukturen des Spitzensports. Vielen Dank. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, aber ich habe die Frage nicht zugelassen, wie Sie gerade gemerkt haben. (B) (D) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Grundl. – Letzter Redner in dieser Johannes Steiniger (CDU/CSU): Debatte ist der Kollege Johannes Steiniger, CDU/CSU- Ach, schade! Sie wollte mich bestimmt darauf hinwei- Fraktion. sen, dass wir natürlich trotzdem eine gewisse Verantwor- tung haben. Aber, Frau Dassler, die FDP hat eine tragen- (Beifall bei der CDU/CSU) de Rolle in der Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz, wo ich herkomme. Wenn man mal das, was Rheinland-Pfalz Johannes Steiniger (CDU/CSU): für die Vereine in der Coronakrise tut, mit dem vergleicht, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und was beispielsweise in Nordrhein-Westfalen passiert, das, Kollegen! In den letzten 14 Monaten haben wir während CDU-geführt, ein 300-Millionen-Euro-Sportstättenför- der Coronapandemie insbesondere am Brandenburger derprogramm aufgelegt hat, dann muss man einfach sa- Tor immer wieder verschiedene Gruppen gesehen, die gen: Rheinland-Pfalz unter Dreyer und auch unter Volker auf ihre spezifische Situation aufmerksam gemacht ha- Wissing versagt an dieser Stelle einfach völlig. ben. Es waren die Schausteller, es war die Veranstal- (Beifall bei der CDU/CSU) tungswirtschaft, es war die Gastronomie. Wir haben diese Themen auch hier im Plenum des Deutschen Bundestags Deswegen: Herzlichen Dank, dass Sie mir sozusagen immer wieder aufgenommen. Ich muss Ihnen ehrlich sa- durch Ihre Meldung die Gelegenheit gegeben haben, an gen: Die Themen des Sports kamen mir in den letzten dieser Stelle darauf hinzuweisen. 14 Monaten etwas zu kurz, auch hier in der politischen Unsere Aufgabe – ich war gerade bei der Arbeitsauf- Debatte. teilung – Natürlich haben wir auch im Sport hohe Schäden, so- (Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wohl finanzielle Schäden – da können wir mit Entschä- NEN]: Nein, du warst bei Malu Dreyer!) digungen viel tun – als auch – und das darf man nicht unterschätzen – Schäden im ideellen Bereich: Ehrenamt- ist eben der Spitzen- und Leistungssport. Wenn man sich liche, die derzeit in ihren Vereinen nicht arbeiten können, mal die Haushalte der letzten drei, vier Jahre anschaut, Kinder und Jugendliche, über die wir heute schon viel lieber Staatssekretär Stephan Mayer, dann muss man sa- gesprochen haben, die ihrem Sport nicht nachgehen kön- gen: Es ist doch beeindruckend, was das Innen- und nen. Ich glaube, die Bekämpfung dieser ideellen Schäden Sportministerium gemeinsam mit dieser Großen Koali- wird sehr viel schwieriger sein als die der finanziellen. tion für den Spitzen- und Leistungssport in Deutschland in den letzten Jahren erreicht hat. Das muss man an der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stelle auch sagen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28037

Johannes Steiniger (A) (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn König [AfD]: stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese (C) Das ist doch nur, weil die Opposition Druck Beschlussempfehlung bei Enthaltung der Fraktionen gemacht hat! Vorher habt ihr runtergefahren!) von FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen Wenn man sich aber anschaut – Eberhard Gienger hat der Fraktionen der AfD und der Linken mit den Stimmen darauf hingewiesen –, was wir an Förderung und auch an der Koalitionsfraktionen angenommen. Entschädigungen für Vereine im semi- und professionel- Tagesordnungspunkt 22 b. Beschlussempfehlung des len Bereich gemacht haben, dann kann man, auch wenn Sportausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP man ein bisschen über die November- und Dezemberhilfe mit dem Titel „Erhalt der Breitensportlandschaft in Pan- schimpft, feststellen: Die Hilfen, die für die Vereine ge- demiezeiten“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- leistet wurden, waren unbürokratisch, sie waren schnell schlussempfehlung auf Drucksache 19/28497, den An- und kamen direkt bei den Vereinen an. Ich sage Ihnen trag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/25245 ganz ehrlich: Wir haben hier viele Vereine davor bewahrt, abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- dass es sie in Zukunft nicht mehr gibt. lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Zum Thema Sportstätten. Natürlich müssen wir hier Dann ist diese Beschlussempfehlung bei Enthaltung der auch etwas tun. Der Bund übernimmt ja auch Verantwor- Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktionen tung. Die verschiedenen Redner haben ja auf die Pro- von AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stim- gramme hingewiesen. Herr Grundl, dann müssen Sie men der Koalitionsfraktionen angenommen. halt mal ein bisschen in Ihrem Wahlkreis unterwegs Zusatzpunkt 5. Beschlussempfehlung des Sportaus- sein, mit den Vereinen sprechen und die Sportstätten schusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die besuchen. Wir sind das als direkt gewählte Abgeordnete Grünen mit dem Titel „Transparenzportal für die Spitzen- der Großen Koalition. sportförderung des Bundes einrichten“. Der Ausschuss (Jörn König [AfD]: Das ist ja ziemlich arro- empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache gant!) 19/28499, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen auf Drucksache 19/26528 abzulehnen. Wer stimmt Wir sind sehr intensiv im Gespräch und setzen dann auch für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage- durch, dass die Förderung bei uns in der Region entspre- gen? – Enthaltungen: keine. Dann ist diese Beschluss- chend ankommt. empfehlung gegen die Stimmen von FDP, Die Linke, (Beifall bei der CDU/CSU – Erhard Grundl Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können Fraktionen des Hauses angenommen. mich gerne besuchen! – Frank Sitta [FDP]: Ge- Tagesordnungspunkt 37 v. Interfraktionell wird Über- (B) wählt sind wir alle!) weisung der Vorlage auf Drucksache 19/28446 an die in (D) In diesem Sinne kann man sagen: Wir müssen gucken, der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- dass wir jetzt gut durch die Coronakrise kommen, dass gen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das wir die Zahlen jetzt schnell senken, dass wir es durch sehe und höre ich nicht. Dann verfahren wir wie vorge- Impfen und Testen schaffen, zu mehr Freiheiten zu kom- schlagen. men. Aber es bringt, glaube ich, nichts, wenn wir in eine Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Jo-Jo-Situation geraten, in der die Zahlen immer wieder runter- und hochgehen; denn das würde dazu führen, dass – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- wir noch relativ lange Zeit keinen oder nur sehr, sehr desregierung eingebrachten Entwurfs eines eingeschränkt Sport machen können; und das möchte Gesetzes zur Änderung des Bundesfern- ich nicht. Deswegen dieser Appell an uns in dieser wich- straßengesetzes und des Gesetzes über tigen Woche. Kreuzungen von Eisenbahnen und Stra- ßen By the way, die Anträge lehnen wir natürlich ab. Und die letzten zehn Sekunden schenke ich uns herzlich gern. Drucksache 19/27660 Herzlichen Dank. Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr und digitale Infrastruk- (Beifall bei der CDU/CSU) tur (15. Ausschuss) Drucksache 19/28511 Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege Steiniger. – Damit schließe – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- ich die Aussprache. schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Wir kommen zur Abstimmung. Drucksache 19/28512 Zunächst Tagesordnungspunkt 22 a. Beschlussemp- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten fehlung des Sportausschusses zu dem Antrag der Frak- beschlossen. – Der Platzwechsel ist einigermaßen zügig tion Die Linke mit dem Titel „Dritter Goldener Plan vorgenommen worden. Sport – 10 mal eine Milliarde für Sportstätten in Deutsch- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- land“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- ner dem Parlamentarischen Staatssekretär Steffen Bilger fehlung auf Drucksache 19/28498, den Antrag der Frak- für die Bundesregierung das Wort. tion Die Linke auf Drucksache 19/20035 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer (Beifall bei der CDU/CSU) 28038 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Steffen Bilger, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- gen, können diese in Zukunft vom Bund gefördert wer- (C) nister für Verkehr und digitale Infrastruktur: den. Also einmal mehr: Rückenwind für den Radverkehr, Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und meine Damen und Herren. Kollegen! Wir beraten heute über ein Gesetz, das auch Kommunenentlastungs- und Radverkehrsförderungsge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) setz heißen könnte; denn genau dafür sorgt dieses Gesetz. Aber der Gesetzentwurf umfasst noch einen weiteren Zudem sorgt es für Rechtssicherheit. bedeutsamen Bereich. Ich gebe zu, jetzt wird es noch einmal etwas kompliziert, aber es geht um die rechts- Ziel der Novellierung ist es, durch die Entlastung der sichere Fortführung und Beendigung von Genehmi- Kommunen von Finanzierungsbeiträgen nach dem Bun- gungsverfahren für die Bundesfernstraßenprojekte. Da- desfernstraßengesetz und dem Eisenbahnkreuzungsge- mit bin ich also nach der Kommunenentlastung, nach setz Investitionen in die Infrastruktur für den Radverkehr der Radverkehrsförderung schon beim Thema Rechtssi- sowie in das Schienennetz zu beschleunigen. Einmal cherheit angelangt. mehr tun wir also etwas, um bei Planung und Bau von Infrastruktur in diesem Land schneller voranzukommen. Konkret geht es um die Planfeststellungs- oder Plan- Es ist gut, dass sich die Koalition dieses Ziel gesetzt hat genehmigungsverfahren, die die Länder vor dem 1. Januar und im Laufe der Legislaturperiode schon viel dafür er- 2021, also dem Stichtag für die Reform der Bundesfern- reicht hat. straßenverwaltung, eingeleitet haben. Hier ist gesetzlich vorgesehen, dass diese Verfahren von den Ländern fort- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) geführt werden, und dabei soll es auch bleiben. Das im Oktober 2018 neu errichtete Fernstraßen-Bundesamt ist Worum geht es aber heute konkret? Oft schon gab es somit in diesen Fällen nicht die zuständige Anhörungs- vor Ort gute Ideen, etwas für die Mobilität zu tun, wenn und Planfeststellungsbehörde, sondern es ist ausschließ- ohnehin eine Baumaßnahme auf einer Bundesfernstraße lich für die Verfahren, die nach dem 1. Januar 2021 ein- anstand, die mit einer kommunalen Straße kreuzt. Aber geleitet wurden bzw. werden, zuständig. Vielleicht zur wenn die Kommune die Finanzierung nicht stemmen Erläuterung für alle, die sich nicht jeden Tag mit der Ver- konnte oder wollte, wurden die guten Ideen nie umge- kehrspolitik beschäftigen: Seit dem 1. Januar dieses Jah- setzt. Da setzen wir an. res hat der Bund mit seiner Autobahn GmbH die komp- Um Kommunen zu entlasten, wird im Bundesfernstra- lette Verantwortung für die Autobahn übernommen. ßengesetz ein sogenannter Vorteilsausgleich vorgesehen. Zuvor waren die Länder für Planung und Bau zuständig. Dadurch erhalten Kommunen zukünftig die Möglichkeit, Aber nun zur konkreten Problematik. Vor Fertigstel- im Rahmen von Ersatzinvestitionen oder Ausbauplanung (B) lung eines Vorhabens kann ein Planergänzungsverfahren (D) des Bundes eigene Ausbauplanungen zu realisieren. Bei notwendig werden, das sich auf ein Planfeststellungsver- Maßnahmen an Bahnübergängen im Zuge nichtbundes- fahren bezieht, das vor dem 1. Januar 2021 durch ein eigener Eisenbahnen übernehmen nun die Länder zur Land eingeleitet wurde. Dann soll das Land und nicht Beschleunigung von Investitionen in das Schienennetz das ansonsten bei den neuen Projekten zuständige Fern- die Kostenanteile der Kommunen, also einmal mehr straßen-Bundesamt für das Planergänzungsverfahren eine Entlastung der Kommunen. Da die Kommunen von zuständig sein, auch wenn dieses Verfahren erst nach den Kosten entlastet werden, können auch mehr Bahn- dem 1. Januar 2021 eingeleitet wird. Mit der Gesetzesän- übergänge schneller beseitigt werden. derung wird somit die bestehende Zuständigkeit zwi- Ein weiterer Vorteil der ganzen Änderungen: Wir leis- schen Bund und Ländern nicht neu verteilt, sie wird ten damit auch einen wichtigen Beitrag zur Verkehrs- lediglich rechtssicherer als bisher ausgestaltet. Auch der sicherheit. Dazu kommt, dass Verwaltungsabläufe bei Klageweg und der Rechtsschutz bleiben unangetastet. der Abwicklung von Baumaßnahmen an Eisenbahnkreu- Eine ähnliche Regelung sehen wir für einen anderen zungen vereinfacht werden, um Investitionen in das Fall vor. Auch hier will ich zunächst etwas dazu erläutern. Schienennetz zu beschleunigen. Zudem ist eine Rechts- Bereits nach dem geltenden Fernstraßen-Bundesamt- verordnung vorgesehen, deren Regelung dazu dient, Ver- Errichtungsgesetz können die Länder entscheiden, dass waltungsaufwand zu reduzieren und den Aufwand der auch nach dem 1. Januar 2021 die nach Landesrecht zu- Kreuzungsbeteiligten für Planung und Baudurchführung ständige Behörde Anhörungs- und Planfeststellungsbe- angemessener zu vergüten. Das klingt sicherlich alles hörde für den Bau oder die Änderung von Bundesauto- etwas abstrakt, es wird aber den Kommunen ihren Ein- bahnen bleibt. Vier Bundesländer haben davon bisher satz für eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur vor Ort Gebrauch gemacht: Bayern, Baden-Württemberg, Hes- erleichtern. sen und Hamburg. Diese Option bezieht sich aber nach der geltenden Gesetzeslage ausschließlich auf die Bun- Sehr konkret wird es bei der Radverkehrsförderung im desautobahnen in den Ländern, in denen aufgrund eines Eisenbahnkreuzungsgesetz. Werden Bahnstrecken still- entsprechenden Antrags nach dem Grundgesetz die Bun- gelegt oder Straßen eingezogen, werden künftig Rück- desstraßen in der Baulast des Bundes in Bundesverwal- bauverpflichtungen des Eigentümers vertraglich an die tung geführt werden. Kommune übertragen. Diese Möglichkeit wird geschaf- fen, um Nachnutzungen zum Beispiel zur Stärkung des Auch das muss ich, glaube ich, erläutern: Neben den Radverkehrs zu vereinfachen. Dadurch können schneller Autobahnen gibt es auch die Möglichkeit, die Verantwor- attraktive Fahrradwege entstehen. Wenn Kommunen tung für die Bundesstraßen an den Bund zu übertragen. beim Neubau von Eisenbahnkreuzungen Radwege anle- Auch von dieser Möglichkeit haben mehrere Bundeslän- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28039

Parl. Staatssekretär Steffen Bilger (A) der Gebrauch gemacht. Also für diese Länder soll die Staatssekretär hat es schon gesagt. Dafür gibt es die Auto- (C) Möglichkeit geschaffen werden, dass auch für die Bun- bahn GmbH, über die der Bundesrechnungshof jüngst desstraßen weiter die nach Landesrecht zuständige Be- einen sehr kritischen Bericht verfasst hat: Schlechte Pla- hörde Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde bleibt. nung, überzogene Gehälter, hohe Mietkosten sind we- Das setzt nach der Verfassung eine einfachgesetzliche sentliche Stichworte. Und immense Ausgaben sind ange- Regelung voraus. Diese wird nun geschaffen, soweit es fallen für Berater, die das Verkehrsministerium für dieses die Bundesstraßen in Bundesverwaltung betrifft. Für die Verfahren angeheuert hat. Bundesautobahn gibt es sie bereits. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von Also: Wir schaffen mit dem Gesetzentwurf einerseits der AfD: Kennen wir doch!) Rechtsklarheit, andererseits aber auch einen weiteren Baustein zur finanziellen Entlastung der Kommunen Auch diese teuren Berater entdeckten nicht, dass aus und für eine bessere Fahrradinfrastruktur. rechtlichen Gründen viele Fernstraßenprojekte bei einer anderen Gesellschaft bleiben müssen, nämlich bei der Ich danke herzlich für die bisherige konstruktive Bera- DEGES, die eigentlich rasch Teil der Autobahn GmbH tung im Bundestag und Bundesrat und bitte Sie, diesen werden sollte. wichtigen Gesetzentwurf zu unterstützen. Und jetzt bekommen wir eine Gesetzesänderung auf Vielen Dank. den Tisch, die in ähnlicher Weise Korrekturen vornimmt – (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) der Zusammenhang ist offensichtlich –, (Beifall bei der AfD) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Als nächster Red- nämlich bei der Abgrenzung zwischen der Bundesver- ner hat das Wort der Kollege Wolfgang Wiehle, AfD- waltung durch das Fernstraßen-Bundesamt und Projek- Fraktion. ten, die in der Verwaltung der Länder bleiben. (Beifall bei der AfD) Jetzt frage ich Sie – und damit meine ich vor allem das Verkehrsministerium und die Kollegen aus den Koali- Wolfgang Wiehle (AfD): tionsfraktionen –, wie man denn als Parlamentarier oder Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- Fraktion binnen 48 Stunden prüfen soll, ob diese kom- gen! Wir verhandeln heute Abend ein Paket von Ge- plexe seitenlange Änderung – die rechtliche Komplexität setzesänderungen zur Verkehrspolitik, die in einem Man- hat der Herr Staatssekretär dargelegt – ihre Richtigkeit hat? (B) telgesetz zusammengefasst sind. Eine davon ist sehr (D) kurzfristig unter diesen Mantel geschlüpft, und darüber (Zuruf des Abg. Detlef Müller [Chemnitz] wird noch zu sprechen sein. [SPD]) Im Mittelpunkt stehen Kreuzungen kommunaler Stra- Auf meine Frage, ob das, was wir vorgelegt bekommen ßen mit Eisenbahnlinien und Bundesfernstraßen. Kommt haben, denn nun die endgültige Fassung ist, hat mir das es zu einer Baumaßnahme durch den Bund, kann die Ministerium in der Ausschusssitzung gestern jedenfalls betroffene Stadt oder Gemeinde die Situation nutzen, keine Antwort gegeben. um ihre kreuzende Straße beispielsweise um einen Rad- weg zu erweitern. In so einem Fall hat bislang die Kom- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) mune einen finanziellen Nachteil durch ihr eigenes Umbauinteresse. Dass dadurch manche sinnvollen Pro- So sollen alle Fraktionen blind darauf vertrauen, dass jekte unterbleiben, kann man sich vorstellen. Wenn das diese Ausarbeitung – vielleicht wieder aus der Feder der jetzt durch eine Neuregelung geändert wird, findet das Ministeriumsberater? – korrekt ist. Die Zielsetzung, hier auch die Zustimmung der AfD-Fraktion. Fehler zu bereinigen, stelle ich überhaupt nicht infrage, sondern begrüße ich sehr. Aber so, meine Damen und (Beifall bei der AfD) Herren, kann man mit dem Parlament doch nicht umge- Dass bei der Teilung der Kosten künftig auf Fiktivent- hen! würfe verzichtet wird, also auf Pläne, die nur zur Kosten- (Beifall bei der AfD) berechnung gemacht werden, begrüßen wir sehr. Eine solche Vereinfachung für die Verwaltung sollte Schule Eine Zustimmung der AfD-Fraktion können Sie unter machen und vom Ansatz her auch auf andere Bereiche diesen Umständen nicht wirklich erwarten. übertragen werden. Dem Bürger wird hierbei wahr- scheinlich als Allererstes das deutsche Steuerrecht ein- (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem fallen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Lachen bei Abgeordneten der FDP) (Beifall bei der AfD) Wenn wir uns jetzt nur enthalten, begreifen Sie das bitte Seit Dienstagabend, also gerade einmal seit 48 Stun- als Anerkennung für die Erleichterungen bei Kreuzungen den, liegt ein Änderungsantrag der Koalition vor, der mit mit kommunalen Straßen. Ich fordere aber alle Kollegen Straßenkreuzungen null und nichts zu tun hat, vielmehr aus diesem Hause auf, solche Hauruckaktionen wie den dient er der Änderung des Fernstraßen-Bundesamt- Änderungsantrag vom Dienstag künftig zurückzuweisen. Errichtungsgesetzes. Seit Anfang des Jahres verwaltet der Bund seine Fernstraßen nun weitgehend selbst. Herr (Beifall bei der AfD) 28040 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Uns als SPD ist es besonders wichtig, zu unterstreichen: (C) Vielen Dank, Herr Kollege Wiehle. – Als nächster Es kann nicht sein, dass insbesondere in Kommunen, wo Redner hat das Wort der Kollege Mathias Stein, SPD- ganz viele Millionäre wohnen, die Straßen, die Gehwege, Fraktion. die Fahrradwege glänzen. Wir brauchen in allen Kommu- nen ein hervorragendes Mobilitätssystem aus Fahrradwe- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gen, Gehwegen, Straßen und natürlich auch Schienen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mathias Stein (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Natürlich müssen wir die Verkehrsträger im Auge ha- Kollegen! Heute Abend behandeln wir ein etwas sperr- ben. Im Vordergrund der Verkehrspolitik muss aber der iges Thema. Der Staatssekretär hat ja versucht, uns – als Mensch sein, der sein Mobilitätsbedürfnis abbildet. Dafür Dozent sozusagen – deutlich zu machen, um welche müssen wir alle – vom Kleinkind bis zum Ü80-Senior, Komplexität es geht: Es geht um Kreuzungsrecht in der der mit dem Rollator unterwegs ist – im Blick haben; alle Verkehrspolitik. Das hört sich natürlich erst einmal nicht brauchen ein modernes Verkehrssystem, ob das die Bahn besonders sexy an, aber es ist, glaube ich, ein Element, ist, ob das der Bus ist oder ein anderes Verkehrsmittel. das Maßnahmen zum Umbau und zur Sanierung unserer Dafür packen wir an. Infrastruktur tatsächlich bis jetzt da behindert, wo kom- Die Gesetzesänderung, die wir jetzt vorgelegt haben, munale Straßen auf Bundesstraßen oder auf Schienenwe- ist ein Baustein dafür, und es müssen noch viele andere ge treffen. Bausteine folgen. Das werden wir, glaube ich, in der Wer ein bisschen Praxis hat, gewinnt immer wieder nächsten Wahlperiode noch einmal kräftiger machen – einmal den Eindruck – Herr Präsident, entschuldigen mit einem Bundeskanzler Olaf Scholz. Sie; Sie sind ja Jurist –, dass bei manchen Baumaßnah- Vielen Dank. men mehr Juristen als Techniker und Handwerker tätig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss sich (Beifall bei der SPD) ändern! Wir haben mit diesem Gesetz einen kleinen Bau- stein dazu geleistet. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wir packen das an. Gerade im Bereich des Radver- Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Ich gebe zu, dass kehrs ist das, glaube ich, besonders wichtig; denn an ich mich als Jurist mit Kreuzungen bisher nur im Rahmen vielen Stellen ist es tatsächlich so gewesen, dass kommu- von Unfällen beschäftigt habe. Ich habe gesehen, dass Sie naler Straßenbau bei Fahrradwegen unterblieben ist, weil im Wasserbau sind. Wenn ich darüber nachdenke, was (B) Kommunen nicht in der Lage waren, diesen Anteil tat- beim Kanaltunnel in Rendsburg gerade passiert, dann (D) sächlich zu leisten. Es ist gut, dass wir an dieser Stelle ist nicht der Eindruck bei mir entstanden, dass, wenn etwas tun. man nur Techniker und Ingenieure ranlässt, es trotzdem zu einem guten Ende kommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Heiterkeit – Mathias Stein [SPD]: Da waren auch Juristen dabei!) Pro Baumaßnahme – wir haben das einmal durchge- rechnet – sind das 200 000 Euro Entlastung; 10 Millionen – Ja, aber nicht beim Bauen. Euro stellen wir dafür bereit. Ich bin froh, dass wir in (Mathias Stein [SPD]: Nein, beim Behindern!) dieser Wahlperiode mit der Koalition aus CDU/CSU und SPD und mit unserem Parlamentskreis Fahrrad es – Okay. geschafft haben, das Fahrrad aus der Nische der Ver- (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) kehrspolitik herauszuholen. Das Fahrrad ist nicht nur, tatsächlich, ein Element von Kultur oder Freizeitbewe- Nächster Redner ist der Kollege Torsten Herbst, FDP- gung, sondern es ist ein selbstbewusstes Verkehrsmittel Fraktion. geworden. Wir haben dazu beigetragen, dass wir dort (Beifall bei der FDP) ganz, ganz viel investieren. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes honorieren Torsten Herbst (FDP): das auch. 2020 sind über 5 Millionen Fahrräder verkauft Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- worden; das ist deutlich mehr, als die Automobilindustrie ren! Ja, der Kanzlerwunsch von Herrn Stein, vielleicht an Neufahrzeugen tatsächlich auch umsetzen konnte. sollten Sie ein bisschen entspannter da reingehen; denn Dafür brauchen wir eine gute Infrastruktur. Dafür brau- wenn man überzogene Erwartungen hat, wird man fürch- chen wir auch klare Zuständigkeiten. Wir packen das an. terlich enttäuscht, und diese Enttäuschung wollen wir Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wol- Ihnen ersparen. len wir da natürlich auch noch mehr: Wir wollen in der (Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Das kennen neuen Wahlperiode das modernste Mobilitätssystem Sie gut!) Europas haben. Dazu gehören natürlich auch moderne Verkehrswege, auf denen viele moderne Fahrräder tat- Wir beraten heute wieder einmal über ein Gesetz aus sächlich unterwegs sind. der Kategorie Planungsbeschleunigung; es ist mittlerwei- le das fünfte Gesetz dieser Art. Man könnte auch sagen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der Nachholbedarf ist offenbar riesig. Wir begrüßen aber Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28041

Torsten Herbst (A) als Freie Demokraten diese Verbesserungen, und wir wer- (Beifall bei der LINKEN) (C) den auch diesem Gesetz wie den anderen Planungsbe- schleunigungsgesetzen zustimmen. Kerstin Kassner (DIE LINKE): (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU/CSU) Gestatten Sie, dass ich mich dem Thema von der kom- munalpolitischen Seite etwas nähere. 960 000 Kilometer Wir halten es insbesondere für sinnvoll, dass wir die Kommunen finanziell entlasten, damit diese eher ihre umfasst das Straßennetz in Deutschland. Davon sind zwei Drittel in kommunaler Hand. Daran sieht man schon, wie eigenen Baumaßnahmen realisieren können. Es ist auch groß die Aufgabe und die Last für die Kommunen sind. durchaus positiv, dass es deutlich einfachere Verfahren gibt, um die Kosten aufzuteilen. Das erleichtert hoffent- Das Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und lich das Bauen, schafft mehr Tempo für die Verkehrs- Straßen hat den Kommunen lange Zeit tief in die Tasche infrastruktur. Und wenn auch die Radwege profitieren, gegriffen und – die Vorredner haben das schon gesagt – dann ist das keine schlechte Maßnahme, sondern ein auch manches wichtige Vorhaben aufgrund der Haus- positives Signal. Es gibt alle Gründe, das so zu versuchen haltslage einfach unmöglich gemacht. Deshalb ist es und das heute auch so zu beschließen. gut, dass wir heute hier darüber reden, wie das zukünftig (Beifall bei der FDP) anders sein soll. Mit jedem neuen Gesetz bekommt man allerdings auch Wir haben schon seit vergangenem Jahr die Regelung, den Eindruck, dass sich die Koalition oft sehr schwer tut dass Maßnahmen an Bahntrassen und den sich daran und sich oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner befindlichen Eisenbahnkreuzungen von den Kommunen einigt. Denn, wenn wir ehrlich sind, die meisten dieser nicht mehr mit 30 Prozent bezuschusst werden müssen. Regelungen hätten wir auch schon vor zwei Jahren be- Das ist gut so. Heute kommen die nichtbundeseigenen schließen können; dann wären sie schon in Kraft getreten Bahnen dazu. Man wird die Kommunen jetzt also grund- und wir hätten eine deutlichere Beschleunigungswirkung sätzlich von dieser Last befreien. erreicht. Schade, dass das manchmal so lange dauert! Ich sage aber auch, das ist eigentlich viel zu spät. Diese Ich sage Ihnen auch, warum wir uns nicht zurückleh- Forderung haben wir und andere hier im Hohen Haus nen sollten. Wenn wir uns beim Verkehrswegebau in schon in vielen Legislaturperioden gestellt. Wir haben Deutschland umschauen, dann müssen wir feststellen: das das letzte Mal in der vergangenen Legislaturperiode Wir sind immer noch viel, viel zu langsam. Ich möchte gemacht – Drucksache 18/3051. Wir hätten den Kommu- hier nur einmal ein Beispiel – aus meinem Bundesland, nen viele Gelder ersparen können. Immer, wenn der Bun- destag die entsprechende Stelle im Haushalt mit etwa 40 (B) aus Sachsen – schildern: Die Bahnstrecke Dresden–Leip- (D) zig war die erste deutsche Fernbahnverbindung. Gebaut bis 50 Millionen Euro pro Jahr bewertet hat, war das auch wurde, vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung, unge- ein Signal an die Kommunen, ebenfalls so viel Geld auf- fähr drei Jahre lang, von 1836 bis 1839. Raten Sie einmal, bringen zu müssen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, und wie lange derzeit der Ausbau der gleichen Strecke auf das ist gut so. eine Maximalgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometer (Beifall bei der LINKEN) dauert; ich nehme Tipps entgegen. – 22 Jahre sind es bisher, und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, Ein weiterer Punkt, der uns freut, ist die Tatsache, dass es werden weitere zehn Jahre folgen, mindestens. Das, auf diese Art und Weise mehr für die Radwege getan meine Damen und Herren, kann uns als viertgrößte wird. Das Thema Radwege ist tatsächlich wichtig. Viele Industrienation der Welt wirklich nicht zufriedenstellen. Menschen haben für sich das Rad als Verkehrsmittel ihrer Wahl entdeckt. Das ist ja auch gut für die Gesundheit, die (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Mathias Umwelt und – ich bin auch Tourismuspolitikern – natür- Stein [SPD]) lich auch für den Tourismus. Deshalb freuen wir uns Das ist ein Tempo, das peinlich ist, das unseren Standards darüber, dass die Kommunen hier auf diese Art und längst nicht mehr entspricht und wo wir uns Gedanken Weise entlastet werden. Dass die Länder vergessen wur- machen müssen, wie wir es erreichen, dass wir nicht den, hat die Koalition in ihrem Änderungsantrag Gott sei immer weiter zurückfallen im Vergleich zu den Schnells- Dank geheilt. Darauf hätte die Regierung vielleicht aber ten in der Welt, aber auch im Vergleich zu unseren euro- auch selber kommen können. päischen Nachbarn. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir werden als Fraktion der Freien Demokraten auch Der dritte Punkt betrifft die Finanzen für die Straßen- in der nächsten Legislaturperiode für eine Beschleuni- und Eisenbahnbrücken. Wenn man von oben draufsieht, gung von Planung und Bau von Verkehrswegen kämpfen, denkt man, dass der Anteil gleich bleibt. Wenn man sich und ich sage mal: Egal wer dann Minister ist, wir werden das aber genauer anguckt, dann sieht man, dass die auf alle Fälle Druck machen. – Wir freuen uns auf die betroffene Kommune, die für eine Straßenbrücke auf- weiteren Debatten zu diesem Thema. kommen muss, eben doch viel Geld aufzubringen hat. (Beifall bei der FDP) Hier würden wir uns Regelungen vorstellen können, wonach die Kommunen auch an dieser Stelle dauerhaft Vizepräsident Wolfgang Kubicki: entlastet werden. Das fordern wir von der Regierung. Hier muss man noch etwas nachbessern. Vielen Dank, Herr Kollege Herbst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke. Vielen Dank. 28042 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Kerstin Kassner (A) (Beifall bei der LINKEN) Erhöhung der Verkehrssicherheit an, beispielsweise mehr (C) Mittel für die Radverkehrsinfrastruktur und eine Be- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: schleunigung des Mittelabflusses, Vielen Dank, Frau Kollegin Kassner. – Als nächster (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Redner erhält das Wort der Kollege Matthias Gastel, Bündnis 90/Die Grünen. mehr Tempo-30-Zonen für die Erhöhung der Verkehrs- sicherheit – nur wo man sich sicher fühlt, fährt man auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mit dem Fahrrad – und Verkehrssicherheitszonen, in die Lkws nur mit einem Assistenzsystem einfahren können. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz allem Handlungsbedarf in Bezug auf die Infra- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- struktur und die Verlagerung von Gütern auf die Schiene be Kollegen! Eisenbahnkreuzungsgesetz: Das klingt jetzt stimmen wir dem Eisenbahnkreuzungsgesetz zu. nicht furchtbar spannend. Wir hätten uns für eine Debatte Abfeiern kann sich die Koalition damit nicht. Es bleibt hier noch spannendere und noch wichtigere Themen mit immer noch viel zu viel liegen – sowohl für die Bahn als zentraler Bedeutung vorstellen können, bei denen viel zu auch fürs Fahrrad. Packen Sie bitte diese Dinge an! wenig vorangeht und sich deswegen eine Debatte gelohnt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hätte. Beispiel 1. Die Infrastrukturmisere. Nach wie vor geht Vizepräsident Wolfgang Kubicki: es einseitig um Straße vor Schiene. Seit 2011 wurden Vielen Dank, Herr Kollege Gastel. – Nächster Redner sechsmal mehr Straßen als Schienenwege gebaut. Dabei ist der Kollege Gero Storjohann, CDU/CSU-Fraktion. ist Deutschland doch ausreichend mit Straßen versorgt, während wir über 100 Mittelzentren in Deutschland mit (Beifall bei der CDU/CSU) Millionen von Einwohnerinnen und Einwohnern haben, die keinen Bahnanschluss besitzen. Gero Storjohann (CDU/CSU): Beispiel 2. Schrumpfender Verkehrsanteil des Güter- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und verkehrs auf der Schiene. 2017 lag der Anteil noch bei Kollegen! Vorweg, Herr Gastel – wir hatten ja heute 19,6 Prozent, 2020 lag er bei 17,5 Prozent. Das ist ein Morgen schon die Diskussion über die Eisenbahninfra- Minus von 2,1 Prozentpunkten und ein erheblicher struktur –: Die Fehmarnbeltquerung kommt – das wird Schrumpfungsprozess, der noch stärker gewesen wäre, einen richtigen Pusch geben, was die Kilometerzahl des hätte es nicht die Senkung der Trassenpreise gegeben. Schienenverkehrs angeht –, und die Fehmarnsundbrücke (B) wird für den Radverkehr freigeschaltet werden. Das sind (D) Hier – bei der Infrastruktur und bei der Verlagerung tolle Nachrichten aus Schleswig-Holstein. Nehmen Sie des Güterverkehrs auf die Schiene – haben wir erhebli- das bitte zur Kenntnis! chen Handlungsbedarf. Das wären auch Themen, die hier diskutiert werden müssten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir verabschieden heute die Änderung des Bundes- Wir reden jetzt aber über das Eisenbahnkreuzungsge- fernstraßengesetzes sowie die Änderung des Gesetzes setz. Die Kommunen sollen vollständig von den Kosten über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen. Hier ist für die Sanierung, den Umbau und auch die Beseitigung schon sehr richtig ausgeführt worden, dass das heute ein von Bahnübergängen befreit werden. Das ist gut so; das guter Tag für den Radverkehr ist, und deswegen sprechen ist richtig so. Wir stimmen da gerne zu. wir Radverkehrspolitiker heute auch alle – bis auf Herrn Gelbhaar. Wir freuen uns, dass hier wichtige Dinge auf (Michael Donth [CDU/CSU]: Oh!) den Weg gebracht worden sind. Bundesweit über 11 000 höhengleiche Bahnübergänge Es ist schwer zu bemessen, was es bedeutet, wenn der stellen natürlich ein Unfallrisiko dar, und es gibt auch Bund Kreuzungen, Überquerungen und Unterführungen Situationen, in denen die Bahnen ausgebremst werden, baut und die Kommunen in dem Zuge auch gefordert weil sie einfach langsam fahren müssen, da die Sicherung werden, und inwieweit dort Planungen und Umsetzungen nicht so hoch ist, als wenn ein Bahnübergang eben gar verhindert werden, weil zum Beispiel eine Kommune in nicht vorhanden oder zumindest voll beschrankt ist. diesem Fall überfordert wäre, einen Radweg zu bauen, obwohl es vernünftig wäre. Die Bundesregierung erwartet sich von dieser Geset- zesänderung deutlich schnellere Umsetzungen von Bau- Diesen Bremsklotz wollen wir heute mit dieser Geset- maßnahmen. Wir werden sehen, ob das zutrifft. Wir hof- zesänderung wegschlagen, und das wird auch richtig fen, dass es zutrifft, wissen tun wir es nicht. Wir sind uns Nachhall geben. Das ist nicht sofort messbar, das ist da nicht ganz so sicher, wie Sie sich das offenbar sind. auch nicht unbedingt sofort in Euro zu messen, aber das ist ein wichtiges Signal an die Kommunen: Überlegt Mit der neuen Förderregelung soll die Stärkung des euch, rechtzeitig in die Planungen einzusteigen; denn es Radverkehrs erreicht werden. Wir werden sehen, was lohnt sich für den Radverkehr. auch dies in der Praxis tatsächlich bewirken wird. Für den Radverkehr mahnen wir allerdings entscheidendere (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und und wichtigere Fördermaßnahmen bzw. Maßnahmen zur der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28043

Gero Storjohann (A) Also: Müssen Kreuzungsbauwerke im Zuge von Bun- Es ist hier auch darauf hingewiesen worden, dass bei (C) desfernstraßen erhaltungsbedingt erneuert werden, sind Stilllegung und Einziehung von Verkehrswegen Radwe- die Aufwendungen bisher vollständig vom Baulastträger ge geschaffen werden können und dass zweckmäßige der nachgeordneten Straße zu tragen. Das kann der Kreis Nachnutzungen ermöglicht werden müssen. Alles das sein, das kann die Kommune sein. Die sind häufig über- ist jetzt erfolgt, und deshalb lässt sich insgesamt sagen: rascht, dass plötzlich gebaut werden soll, und sind sich Diese Änderung löst einen Bremsklotz bei der Radweg- meistens auch nicht einig, ob sie so viel Geld in die Hand planung und gibt einen kräftigen Schub für einen wichti- nehmen sollen. Deswegen werden Radwege zuweilen bei gen Mobilitätssektor. Ich bitte aus vollem Herzen um Querungen von Autobahnen, von Bundesstraßen nicht Zustimmung. An alle Fraktionen, die noch Bedenken ha- errichtet, und das macht durchaus Sinn. Unsere D-Routen ben: Machen Sie mit beim Radverkehr! Das ist ein gutes in Deutschland brauchen manches Mal einen Lücken- Signal an alle. schluss über solche großen Hindernisse wie Autobahnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hier haben wir die Möglichkeit, einen Radweg dort anzu- flanschen, wo schon landwirtschaftliche Fahrwege sind – eine wunderbare Sache. Ich freue mich, dass das auf den Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Weg gebracht worden ist. Vielen Dank, Kollege Storjohann. – Als letzter Redner erhält das Wort der Kollege Detlef Müller, SPD-Fraktion. Wir haben ja Erfahrung: bei den Wasserstraßen und mit dem Eisenbahnkreuzungsgesetz. Dort haben wir nämlich (Beifall bei der SPD) die Änderung zugunsten der kommunalen Baulastträger bereits vorgenommen. Aufgrund dieser guten Erfahrung Detlef Müller (Chemnitz) (SPD): machen wir das jetzt auch bei den Bundesfernstraßen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wiehle, wissen Sie eigentlich, wie oft wir am Dienstag Es ist so, dass wir eine attraktive Infrastruktur für den in den Fraktionen sitzen und über auf der Tagesordnung Radverkehr errichten müssen; denn nur so können wir stehende AfD-Anträge beraten sollen, die bis dato noch das Gesamtverkehrsaufkommen dort steigern und so gar nicht eingereicht worden sind? Sie können sich also einen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten. Ein flächen- Ihre Krokodilstränen wegen der Kurzfristigkeit des deckendes Radverkehrsnetz aufzubauen, wird durch Änderungsantrags wirklich verkneifen. kreuzende Bundesfernstraßen und Eisenbahnstrecken im- mer wieder vor große Herausforderungen gestellt. Rad- (Beifall bei der SPD und der LINKEN) verkehrstechnisch wurden die Kommunen deshalb im- Meine Damen und Herren, gerade in einer Woche, in mer vor die Frage gestellt, ob sie dabei mitmachen oder der über große und durchaus auch kontroverse Themen (B) nicht. zu diskutieren ist, ist es doch auch mal schön, dass wir in (D) Sachthemen wie in diesen komplizierten von heute Wir haben dem eigentlichen Gesetzentwurf weitere weitgehende Einigkeit über Fraktions- und Koalitions- Änderungen angefügt. grenzen hinweg erzielen können. Bereits in den Als Vorsitzender des Eisenbahninfrastrukturbeirates Ausschussberatungen hat sich das für die Novelle des bei der Bundesnetzagentur möchte ich auch auf die Än- Bundesfernstraßen- und Eisenbahnkreuzungsgesetzes derung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes eingehen. Wir gezeigt. haben eine neue gesetzliche Zweckbestimmung in der Es ist natürlich absolut zu begrüßen, dass wir an dieser Förderbestimmung im Eisenbahnkreuzungsgesetz vorge- Stelle vor allem die Kommunen entlasten und sie, wenn sehen, nämlich den Bau und Ausbau kommunaler Rad- es um die Errichtung von Kreuzungsbauwerken geht, wege; damit ist eine wesentliche Ergänzung des Förder- auch finanziell wirklich besserstellen; denn viel zu oft zwecks, der bisher ausschließlich auf die Erhöhung der ist in diesem Bermudadreieck der Zuständigkeiten – Verkehrssicherheit abzielte, erfolgt. Für gemeinsame von Bund, Ländern und Kommunen, von bundeseigenen Ausbauprojekte unter Beteiligung einer Eisenbahn des Eisenbahnen, nichtbundeseigenen Eisenbahnen und den Bundes und einer Bundesfernstraße sind zur Verwal- verschiedenen Baulastträgern – eben nicht klar, wie sich tungsvereinfachung die Herstellungskosten von nun an die einzelnen Finanzierungsströme bei Investitionsmaß- hälftig zwischen Bund und Land zu teilen, wenn die nahmen ausgestalten: Wer bezahlt was? Hier schafft der Änderungen beider Beteiligter die Erneuerung des Bau- vorliegende Gesetzentwurf Abhilfe. Damit trägt er auch werks zur Folge haben. dazu bei, dass wir Investitionsmaßnahmen in die Infra- struktur vereinfachen und entbürokratisieren können. Bei Maßnahmen an Bahnübergängen bei nichtbundes- eigenen Eisenbahnen übernehmen die Länder die bishe- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gero rigen Kostenanteile der Kommunen. Dass wir die Länder Storjohann [CDU/CSU]) mit eingebunden haben, ist neu. Es ist nicht allein eine Es besteht ja weitgehend Einigkeit, es ist auch alles Bundesgesetzgebung, der die Länder nur zustimmen, gesagt. Herr Präsident, wir haben 15 Minuten Verspä- sondern die Länder sind jetzt auch in die Pflicht genom- tung. Als Lokomotivführer bin ich immer daran interes- men worden – ein weiterer wichtiger Meilenstein –, und siert, Verspätungen wieder reinzuholen. Deswegen bitte ich kann mir auch vorstellen, dass so etwas dann auch ich um Zustimmung. länger dauert. Vielen Dank. (Beifall der Abg. Veronika Bellmann [CDU/ (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie CSU]) bei Abgeordneten der LINKEN) 28044 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Mediator angegangen ist. Es ging um Konflikte auf kom- (C) Herzlichen Dank, Herr Kollege. Das ist ja ausgespro- munaler Ebene, manche von ihnen von höchster Brisanz, chen vorbildlich. – Damit schließe ich die Aussprache. weil Todesdrohungen gegen Menschen im Hintergrund stets eine Rolle gespielt haben. Er bringt regelmäßig Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- kommunale und religiöse Entscheidungsträger und ande- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur re lokale Interessengruppen an den Tisch, um Probleme Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und des Geset- zu klären, bevor sie unlösbar werden. zes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen. Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur emp- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Konflikte, die ich fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache in Kenia gesehen habe, sind dafür geeignet, durch über- 19/28511, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf regionale Interessengruppen – politische Parteien oder Drucksache 19/27660 in der Ausschussfassung anzuneh- auch Terrororganisationen oder andere Gruppen – instru- men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der mentalisiert zu werden. Wenn man sie nicht vorher im Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- Keim erstickt hat, gewaltfrei gelöst hat, können sie sich chen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann schnell zu einem Flächenbrand ausweiten. Dann entsteht stelle ich fest, dass bei Enthaltung der AfD-Fraktion die- Gewalt in einem Ausmaß, dass sie nicht wieder einge- ser Gesetzentwurf in der zweiten Lesung mit den Stim- fangen werden kann. Wir müssen an solche Konflikte ran, men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen bevor es zu Auseinandersetzungen kommt, wurde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dritte Beratung wie wir sie beispielsweise leider jetzt in Kamerun oder und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem schon seit Jahren in Südsudan sehen. Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben; ich lege großen Wert darauf. – Wer stimmt dagegen? – Friedensmediation ist viel mehr als eine Afghanistan- Wer enthält sich? – Dann stelle ich fest, dass bei Ent- Konferenz in Doha oder eine Libyen-Konferenz in Ber- haltung der AfD-Fraktion der Gesetzentwurf in dritter lin. Die sind auch wichtig, gar keine Frage. Dass die Lesung mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Bundesrepublik bei diesen Initiativen als Organisatorin Hauses angenommen wurde. oder Hauptakteurin wahrgenommen wurde, war richtig, geschieht aber viel zu selten. Wir brauchen mehr davon. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ottmar (B) von Holtz, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Doch im Sinne der zivilen Krisenprävention spielt die (D) weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Musik auf den gesellschaftlichen Ebenen unterhalb der NIS 90/DIE GRÜNEN verantwortlichen Regierung, also auf den sogenannten Track-2- und Track-3-Ebenen. Das Potenzial zum Aus- Friedensmediation als festen Bestandteil deut- bau einer solchen Friedensmediation ist in Deutschland scher Außenpolitik verankern und deutlich riesig. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir diese aus- ausbauen bauen, finanziell, personell und strukturell im Amt und in Drucksache 19/26238 den Botschaften, dann können wir noch viel mehr von Überweisungsvorschlag: diesem Potenzial profitieren. Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Es ist immer wieder die Rede von einer neuen Verant- beschlossen. – Wenn wir zügig den Platzwechsel vorneh- wortung, die Deutschland in der Welt übernehmen müsse. men, können wir auch etwas Zeit einsparen. – Auch die Viele auch hier im Haus denken dann als Erstes an Mili- Rudelbildung bei der CDU/CSU-Fraktion und den Freien tärausgaben. Dabei könnte Deutschland im Bereich der Demokraten kann sich auflösen. Friedensmediation eine Vorreiterrolle einnehmen und Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem damit einen unverzichtbaren Beitrag zu Frieden und Redner dem Kollegen Ottmar von Holtz, Bündnis 90/Die Sicherheit in der Welt leisten. Bevor Sie, Kollege von Grünen, das Wort. Marschall, oder vielleicht auch Sie, Frau Dr. De Ridder, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sich gleich hierhinstellen und sagen: „Machen wir doch schon“, sage ich: Natürlich, das erkennen wir auch an. Im Bereich Friedensmediation passiert viel, und es wird auch Ottmar von Holtz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): viel Geld zur Verfügung gestellt. Aber stellen Sie mal das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Geld, das wir für Einsätze der Bundeswehr und für die Jahr, kurz vor Corona, habe ich die Arbeit eines keniani- Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr zur Verfügung stel- schen Friedensmediators in Mombasa aus nächster Nähe len, dem Geld, das wir für Friedensmediation zur Verfü- kennenlernen können. Ich habe ihn, dank eines Pro- gung stellen, gegenüber. Dann werden Sie wissen, wovon gramms im zivilen Friedensdienst, für ein paar Tage auf ich rede. seine Stationen in seiner Region begleitet. Ich habe sehen können, mit welch einer hohen Professionalität er zahl- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reiche und vor allem höchst unterschiedliche Themen als sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28045

Ottmar von Holtz (A) Es wird Zeit, dass auch die Öffentlichkeit jenseits der mühungen im Konflikt in der Ostukraine als Aufgabe (C) Fachcommunity mitbekommt, was Deutschland hier leis- gestellt hat, kann ich nur sagen: Ohne eine glaubwürdige ten kann, dass sie akzeptiert, dass gewaltfreie Konflikt- militärische Stärke auch von unserer Seite – das kann bearbeitung Geld kostet. man ja auch an den Truppenbewegungen und den Aggressionen Russlands an der Ostgrenze der Ukraine In unserem Antrag zeigen wir viele, sogar einfache sehen – haben wir überhaupt keine Chance, hier eine Schritte auf, wie wir die deutsche Friedensmediation glaubwürdige und auf Augenhöhe befindliche Friedens- auf den Stand bringen können, der ihrem Potenzial ent- mediation in diesem Sinne auf den Weg zu bringen. – spricht. Wir müssen noch vieles tun. Wir müssen endlich Insofern gehört schon beides zusammen. über das Zuwendungsrecht und die Haushaltspraxis reden, die im Moment nicht den Friedensprojekten ge- recht werden kann, über die Anerkennung der Rolle von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frauen in Friedensprozessen, über Kapazitätsausbau und Wissensmanagement im Auswärtigen Amt, in den Bot- Ich will aber noch auf etwas anderes eingehen, was aus schaften und in den Ländern vor Ort, über Öffentlich- meiner Sicht in Ihrem Antrag zu kurz kommt, aber nach keitsarbeit für die Friedensarbeit und vieles mehr. meiner Erfahrung eine große Rolle spielt. Sie haben ja auch ziviles Engagement angesprochen, Kollege von Der Antrag liegt Ihnen ja vor. Er ist im Netz zu finden. Holtz. Schauen Sie mal: Das sind langfristige Prozesse, Den muss und kann ich, auch aus Zeitgründen, hier gar in denen auch zivile Einrichtungen tiefe Erfahrungen nicht vorlesen. Ich freue mich auf die Debatte heute und sammeln. Die sollten wir stützen. Ich denke zum Beispiel auf die Beratung im Ausschuss. an SantʼEgidio in Rom, die, wie manchen erinnerlich ist, Danke. ja den Friedensprozess in Mosambik auf den Weg ge- bracht haben mit dem Friedensvertrag von 1992. Trotz- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem flammen dort immer wieder auch lange schon erlo- sowie des Abg. Josip Juratovic [SPD]) schen geglaubte oder erloschen gehoffte Konflikte von Neuem auf. Da müssen wir Unterstützung reinbringen, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dass solche jahrzehntelang gewachsene Expertise in die- Vielen Dank, Herr Kollege von Holtz. – Nächster Red- sen Einrichtungen gestärkt wird. Ich denke auch zurück ner ist der Kollege Matern von Marschall, CDU/CSU- an die erfolgreichen Bemühungen des Heiligen Stuhls im Fraktion. Friedensprozess mit der FARC in Kolumbien. Auch hier sehen wir einen sehr, sehr erfolgreichen Einsatz, der aber (Beifall bei der CDU/CSU) natürlich auch nur auf lange Sicht wirkt. (B) (D) Matern von Marschall (CDU/CSU): Was ich sagen will: Europäisch besser koordinieren Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen hilft vielleicht, dass wir nicht allzu sehr unseren eigenen und Kollegen! Kollege von Holtz, danke für Ihre Ausfüh- Beamtenapparat, wie Ihre Vorschläge das vorsehen, noch rungen, die sich zum Teil auf den Antrag bezogen haben, weiter aufblähen, sondern dass wir gemeinsam die euro- aber nicht ausschließlich. Wenn ich den Antrag lese, dann päische Effizienz stärken und auch die der Außenvertre- entdecke ich vor allen Dingen eine schier endlose Fülle tung der Europäischen Kommission. Das ist der erste von Forderungen nach Schaffung neuer Stellen. Ob das Punkt gewesen. der Kreativität letzter Schluss ist, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Der zweite Punkt ist, dass wir auch auf militärische Stärke setzen müssen, wenn wir gegenüber schwierigen Warum sage ich das? Wir haben einen Europäischen Partnern glaubwürdig sein wollen. Auswärtigen Dienst mit 3 500 Mitarbeitern. Meine Auf- fassung ist, dass sehr wohl diese von Ihnen skizzierten Und der dritte Punkt ist: Lassen Sie uns zivilgesell- Bemühungen um eine Stärkung von Friedenmediationen schaftliche, auch kirchliche Einrichtungen, die langfristi- von Bedeutung sind, dass wir aber in der Europäischen ges Engagement zeigen, auch in Zukunft stützen. Union arbeitsteilig vorgehen müssen und unsere Fähig- keiten und Möglichkeiten durch Berücksichtigung der Herzlichen Dank. speziellen Kenntnisse und der gewachsenen Traditionen einzelner Mitgliedstaaten besser und koordinierter zum Einsatz bringen können. Das wäre jedenfalls mein Anlie- (Beifall bei der CDU/CSU – Ottmar von Holtz gen zur besseren Effizienz des Einsatzes unserer gemein- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sage ich samen Fähigkeiten. nicht Nein, Herr Kollege! – Gegenruf der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Aber nur Zum Zweiten beklagen Sie in diesem Antrag wiede- beim dritten Punkt, oder?) rum bzw. erneut die 2-Prozent-Zielmarke, die wir ge- meinsam in der NATO verabredet haben. Das ist keine unbekannte Kritik. Ich will Ihnen dazu vielleicht nur sa- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gen: In der Mediation gibt es ja sehr unterschiedliche Vielen Dank, Herr Kollege von Marschall. – Als näch- Ansätze, auch solche, die man leider Gottes, will ich ster Redner erhält das Wort der Kollege Paul Viktor mal sagen, als machtbasiert bezeichnet. Wenn ich mir Podolay, AfD-Fraktion. vor Augen führe, wie die Situation der Trilateralen Kon- taktgruppe sich heute darstellt, die sich Vermittlungsbe- (Beifall bei der AfD) 28046 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Paul Viktor Podolay (AfD): ( [SPD]: Na bravo! – (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist ren! Die Grünen haben uns einen Antrag vorgelegt, des- noch nicht aufgefallen! – Zurufe von der sen Inhalte aus den Fingern gesaugt sind. Das Thema LINKEN) lautet Friedensmeditation, Es zählen in der Friedenspolitik wie auch in anderen (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Mediation, Bereichen unseres Lebens das Leistungsprinzip und nicht Meditation!) eine berechtigte Arbeitsteilung aufgrund der Fähigkeiten ein Konzept, das aus grün-linken akademischen Kreisen des einzelnen Menschen, unabhängig von ihrem Ge- stammt. Das sind ebenjene Kreise, die häufig an der schlecht. politischen Realität vorbeitheoretisieren, mit der Wirk- (Gabriele Katzmarek [SPD]: AfD-Frauen kann lichkeit aber nichts zu tun haben. man ja nicht fragen! Es sind ja mal wieder kei- Frieden ist selbstverständlich das gewünschte Ziel jeg- ne da von denen!) licher staatlicher Außenpolitik. Deutschland als ein Land Wenn man sich die Forderungen in diesem Antrag mitten in Europa hat ein starkes Interesse an einer nach- anschaut, versteht man, wozu dieses grüne Gelaber in haltigen Friedenssicherung auf dem Kontinent und der Wirklichkeit gedacht ist. Es belastet den Steuerzahler gesamten Welt. Meine Damen und Herren, um den Frie- mit noch höheren Ausgaben, stockt noch mehr Personal den zu sichern, sind die dafür notwendigen Mechanismen im Auswärtigen Amt auf und bezweckt die Eröffnung bereits im Rahmen der Organisation für Sicherheit und von neuen Vertretungen in Krisen- und Konfliktländern. Zusammenarbeit in Europa vorhanden. Die OSZE erwäh- Wollen Sie damit Jobs für Ihre Parteianhänger in der nen Sie in Ihrem Antrag jedoch nur ein einziges Mal. möglichen künftigen Regierung beschaffen? Das lehnt Damit lassen Sie eine bereits real existierende Sicher- die AfD kategorisch ab. heitsarchitektur außer Acht. Der OSZE-Sicherheitsansatz baut auf einem umfassenden Satz an vertrauens- und (Beifall bei der AfD) sicherheitsbildenden Maßnahmen auf. Dieser Satz be- trifft vor allem und gerade Bereiche wie Rüstungskon- Was wir brauchen, ist eine Professionalisierung des trolle und zivile Krisenprävention. Und, meine Damen Auswärtigen Amtes, das in der Lage ist, und Herren der Grünen, dafür existiert bereits ein (Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) bewährtes Instrument: diplomatische Vermittlung. Es macht deshalb keinen Sinn, das Fahrrad neu erfinden zu durch unseren Staat bestimmte und gemeinsam mit unse- wollen, nur im Gewande des Begriffs der Friedensmedi- ren internationalen Partnern abgestimmte Vermittlungs- (B) tation, aktionen in Konfliktgebieten aufzunehmen und durchzu- (D) führen. Wir lehnen den Antrag ab. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Mediation!) Vielen Dank. der nur dazu dient, Ihre links-grüne Ideologie zu bedienen und zahlreiche Einmischungen in Angelegenheiten ande- (Beifall bei der AfD – Ottmar von Holtz rer Staaten zu rechtfertigen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hoffe ich!) (Beifall bei der AfD)

Die Antragsteller nutzen diese Initiative außerdem Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dazu, zum x-ten Mal ihren grünen Sexismus zur Schau Vielen Dank, Herr Kollege Podolay. – Nächste Redne- zu stellen. rin ist die Kollegin Dr. Daniela De Ridder, SPD-Fraktion. (Lachen des Abg. Ottmar von Holtz [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD) Sie geben kund, Männer seien von Natur aus scheinbar kriegerisch und gewaltaffin, Dr. Daniela De Ridder (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, genau so!) Kollegen! Gestern Abend wurden wir von Außenminis- indem Sie sich auf die Prävention und Lösung von Kon- ter und Verteidigungsministerin Kramp- flikten besonders durch Frauen konzentrieren. Nur so Karrenbauer informiert, dass der Abzug der deutschen lässt sich die sogenannte Schlüsselrolle von Frauen in Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan bereits bis Ihrem Antrag verstehen. Mitte August abgeschlossen sein könnte. Kein einfaches Unterfangen! Die Islamische Republik Afghanistan wird (Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beherrscht vom Terror der Taliban und von Korruption. NEN]: Haben Sie so viel Angst vor Frauen?) Wir alle sind jedoch in größter Sorge, wie die erreichten Ist das der gendertransformative Ansatz der grünen neuen Fortschritte für die Zivilbevölkerung, allen voran die Welt? Lage von Frauen und Mädchen, erhalten und stabilisiert werden können. (Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wo kommt denn das her?) Mein Beispiel Afghanistan soll zeigen: Frieden geht nicht ohne Friedensmediation, Herr Podolay. Die AfD tritt für eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28047

Dr. Daniela De Ridder (A) Da geht es nicht um Meditation, wie Sie fälschlicher- Dr. Daniela De Ridder (SPD): (C) weise gesagt haben – da sagt auch keiner „Om“ –, son- – von Verfassungsorganen und Verfassungsreformen dern es geht um intensive Verhandlungen und Gespräche. und – nicht zu vergessen – Entwaffnung und Reintegra- Mein Beispiel soll zeigen: Es kann alles nicht gelingen, tion, Extremismusprävention und Deradikalisierung so- wenn man nicht auf Friedensmediation setzt – nicht in wie Migrationsmanagement. Schade, lieber Ottmar von Afghanistan und auch nicht anderswo, liebe Kolleginnen Holtz, dass dies im vorliegenden Antrag nur peripher und Kollegen. Erwähnung findet. (Zurufe von der AfD) Vielen Dank. Der vielleicht wichtigste Bestandteil der Friedensme- (Beifall bei der SPD) diation ist es, verlorengegangenes Vertrauen zwischen Kontrahentinnen und Kontrahenten, die durch tiefgehen- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: de ökonomische, soziale, kulturelle, ethnische oder reli- Vielen Dank, Frau Kollegin De Ridder. Das Präsidium giöse Gräben getrennt werden, wiederherzustellen. Das ist heute gnädig und zieht der SPD keine Minute ab. – geht nur Schritt für Schritt, mit großer Empathie und noch Nächste Rednerin ist die Kollegin Renata Alt, FDP-Frak- größerer Kultursensibilität, liebe Kolleginnen und Kol- tion. legen. (Beifall bei der FDP) Mediation Support ist seit vielen Jahren ein zentraler Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik. Die Bundesregie- rung engagiert sich nicht nur, lieber Ottmar von Holtz, in Renata Alt (FDP): Afghanistan, sondern, ja, beispielsweise auch in Libyen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und In der Tat, ich erinnere an die Berlin-Konferenz. Aber die Kollegen! Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Kriege Bundesregierung ist auch im Jemen engagiert, hier etwa, weltweit einen traurigen Höhepunkt erreicht; ein Grund indem sie die Berghof Foundation unterstützt, oder auch mehr, die Kapazitäten der Bundesregierung für die Frie- in Uganda mit finanzieller Flankierung der Exposure- densmediation auszubauen. Herr von Holtz, in Ihrem An- Projekte. Wie gut! trag finden sich viele wichtige Vorschläge, aber uns sind sie zu technisch. Für uns Freie Demokraten ist klar: Die Allein im Jahr 2020 finanzierte das Auswärtige Amt Friedensmediation muss auf höchster politischer Ebene mehr als 30 Projekte im Bereich Mediation und Dialog, unterstützt werden. und es investierte dabei rund 10 Millionen Euro. Hinzu kommt im Übrigen die Unterstützung der VN-Friedens- In der Ukraine tobt seit sieben Jahren ein gewaltsamer Krieg. Dieser droht gerade jetzt sogar zu eskalieren. Ge- (B) politik mit weiteren 10 Millionen Euro. Längst gibt es (D) auch – das wird im Antrag erwähnt – ein Aus- und Fort- rade hier, in unserer direkten europäischen Nachbar- bildungsprogramm für Diplomatinnen und Diplomaten schaft, brauchen wir jetzt eine Friedensmediation. und ein eigenes Personalkonzept. Die Leitlinien „Krisen (Beifall bei der FDP) verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ sind dabei im Übrigen der Kompass. Wo war bisher die Mediationsoffensive der Bundesre- gierung, Herr Staatsminister Roth? Ist die Gründung Zivile Konfliktbearbeitung und Friedenskonsolidie- einer Fake-Umweltstiftung ein Bestandteil Ihrer Frie- rung haben vor allem aber dann Aussicht auf Erfolg, densmediation? Die Bundesregierung muss ihr ganzes wenn sie multilateral und multidimensional angelegt politisches Gewicht in die Waagschale werfen. Sie muss sind und wenn gesellschaftliche Akteure und vor allem zwischen den Konfliktparteien unermüdlich vermitteln. konfliktvermittelnde Kräfte aus den Konfliktregionen Nur so kommen wir einer dauerhaften Friedenslösung zusammenwirken. näher. Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktvorsor- Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die ge: Dazu gehören neben der Mediation auch der nationale Grünen, Sie fordern mehr Frauenbeteiligung in Friedens- Dialog und die Vergangenheitsbewältigung, die die Ver- prozessen. Sie selbst haben aber keine einzige Frau in den söhnungsarbeit erst möglich machen. So betrachtet ist dafür relevanten Ausschüssen. Friedensmediation immer der erste wirkungsvolle An- gang in einem langwierigen und häufig schmerzlichen (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]) Prozess der Friedenssicherung und der Stabilisierung. Das macht Ihre Forderung schon ziemlich unglaubwür- Sie kann aber ohne die Stärkung, lieber Ottmar von Holtz, dig. staatlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen nicht nachhaltig genug wirken. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Deshalb muss Friedensmediation immer auch in 2021 werden Frauen noch immer an den Rand Rechtsstaatsförderung und justizielle Zusammenarbeit gedrängt, bei internationalen Gesprächen auf Sofas ge- eingebettet sein – umso mehr, je fragiler die Staatlich- setzt und als Staffage behandelt. keits- und Governance-Strukturen der jeweiligen Post- Statt Stärke und Einheit zu demonstrieren, offenbart konfliktländer sind. Dazu zählen die Beratung – die Europäische Union leider nur ihre Schwächen. Ja, Frauen müssen stärker in Mediationsprozesse ein- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gebunden werden: Nur 6 Prozent der Mediatoren waren Kommen Sie bitte zum Schluss. laut UNO weiblich. Entscheidend für uns ist aber nicht, 28048 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Renata Alt (A) wie viele Frauen am Verhandlungstisch sitzen. Entschei- Auch in vielen afrikanischen Ländern, wo die EU-Staaten (C) dend ist, welchen Einfluss Frauen auf Friedensprozesse die Militärs korrupter und gewalttätiger Regierungen un- haben. Dieser Ansatz fehlt in Ihrem Antrag komplett. terstützen, dürfte es schwer sein, eine unparteiische Rolle (Beifall bei der FDP) einzunehmen. Sie fordern, den Beitrag für Frieden und Sicherheit zu (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) erhöhen, aber auf die Erhöhung der Verteidigungsausga- Deswegen erscheint es mir am geeignetsten, auf einen ben auf 2 Prozent zu verzichten. Dadurch würde Deutsch- Ausbau der Kapazitäten in der UNO und in der OSZE land seinen internationalen Verpflichtungen nicht nach- hinzuwirken. Dafür braucht es aber auch Geld. Der Kol- kommen. Damit wäre Deutschland kein verlässlicher lege von der CDU/CSU hat ja deutlich gemacht, dass Sie Bündnispartner mehr. eher kein Geld zur Verfügung stellen wollen. Wir müssen Meine Damen und Herren, Deutschland braucht eine zum Beispiel die UN Mediation Support Unit finanziell außenpolitische Gesamtstrategie. Friedensmediation handlungsfähig machen. Es ist doch beschämend, dass muss ein Teil davon sein. sie keine eigenen finanziellen Mittel aus Pflichtbeiträgen erhält, sondern für jede halbe Stelle bei den Mitgliedslän- (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]) dern betteln gehen muss. Das geht doch überhaupt nicht. Staatsminister Roth, das Image Deutschlands als Media- (Beifall bei der LINKEN) tor in Friedensprozessen muss deutlich besser werden. Sehr wichtig finde ich auch die Forderung unter Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir zu. Punkt 4, den besseren Austausch mit Expertinnen und (Beifall bei der FDP) Experten aus den Ländern des Globalen Südens zu suchen. Das Ziel muss doch sein, einen globalen, inter- nationalen Pool an Expertinnen und Experten aufzu- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: bauen, die aus den unterschiedlichsten Weltregionen Vielen Dank, Frau Kollegin Alt. – Nächste Rednerin ist kommen. die Kollegin Kathrin Vogler, Fraktion Die Linke. Bedanken möchte ich mich auch für Punkt 12, wo die (Beifall bei der LINKEN) Grünen einen Vorschlag aufgreifen, den ich mal gemacht habe, nämlich Politikerinnen und Politiker gezielt für Kathrin Vogler (DIE LINKE): Friedensmediationen zu schulen. Das hätte einen doppelt Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und positiven Effekt: Erstens streiten wir uns hier die ganze Kollegen! Meine Herren! Die Grünen haben uns mit die- Zeit über extrem unterschiedliche, teilweise gegensätz- sem Antrag ja einen ganzen Strauß von Vorschlägen vor- (B) liche Interessen und bringen gewisse Erfahrungen mit. (D) gelegt, mit Überlegungen, wie Deutschland im Bereich Zweitens würde es den Kolleginnen und Kollegen aus der Friedensmediation mehr tun und besser werden kann. den Regierungsfraktionen ermöglichen, mal die Erfah- Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. rung zu machen, dass Frieden nicht das Ziel ist, sondern Mediation, also die unparteiische Streitschlichtung, ist der Weg. ein anerkanntes und äußerst wirksames Instrument in der Konfliktbearbeitung. Deswegen ist sie geeignet, gewalt- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: samen Auseinandersetzungen vorzubeugen oder sie eben Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. mit einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zu beenden. Wichtig dabei ist, dass Mediatorinnen und Mediatoren wirklich unabhängig und unparteiisch sind. Sie sollen Kathrin Vogler (DIE LINKE): Den Kollegen von ganz rechts spendieren wir mal vor allem den Raum schaffen, in dem Kriegsparteien selbst tragfähige Lösungen und tragfähige Vereinbarun- einen Kurs in Meditation. Dann lernen Sie was über den Unterschied. gen für ihr weiteres Zusammenleben aushandeln können. Das ist die Voraussetzung für nachhaltige Friedenspro- (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) zesse. Deswegen unterstützt Die Linke alle Bemühungen, Ich bedanke mich. die Friedensmediation auszubauen, zu qualifizieren und zu einem zentralen Bestandteil deutscher Außenpolitik (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. René weiterzuentwickeln. Röspel [SPD]) (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Mich treibt allerdings die Frage um, ob Personen aus Vielen Dank, Frau Kollegin Vogler. – Nächste Redne- Deutschland und der EU wirklich in jedem Fall die geeig- rin ist die Kollegin Gisela Manderla, CDU/CSU-Frak- netsten Akteure in der Friedensmediation sind, tion. (Karsten Hilse [AfD]: Akteurinnen!) (Beifall bei der CDU/CSU) weil Deutschland und die EU ja in vielen Konflikten auf der Welt Partei sind. Eine EU-Mediationsmission in Gisela Manderla (CDU/CSU): Venezuela wäre beispielsweise nach der einseitigen Par- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit teinahme für den Putschpräsidenten Guaidó meiner Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen – auch Ansicht nach überhaupt nicht glaubwürdig. wenn Sie es nicht hören wollen –, tragen Sie Eulen (Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) nach Athen; denn bereits seit zwei Jahrzehnten befasst Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28049

Gisela Manderla (A) sich Deutschland mit diesem überaus wichtigen Thema, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) und in dieser Zeit ist das Konzept der Friedensmediation Vielen Dank, Frau Kollegin Manderla. – Vorletzter zu einem unersetzbaren Bestandteil unserer Außenpolitik Redner in dieser Debatte ist der Kollege Josip Juratovic, geworden. SPD-Fraktion.

(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]) (Beifall bei der SPD)

Deutschland genießt heute weltweites Ansehen als ehr- Josip Juratovic (SPD): licher Vermittler und Makler und nutzt dies effektiv, um Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- sich für tragfähige politische Lösungen und Transforma- legen! Vor dem Hintergrund unserer Geschichte sind wir tionsansätze in Krisenländern einzusetzen. Dies tut uns darin einig, dass das wirtschaftliche und geopoliti- Deutschland zum Beispiel auch in Afghanistan – um sche Gewicht der Bundesrepublik heute eine globale Ver- ein brandaktuelles Beispiel zu nennen. Dort wirkt ein antwortung mit sich bringt. Wir müssen uns für mehr Expertenteam der deutschen Berghof-Stiftung in enger einsetzen als nur für unser eigenes nationales Vorankom- Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt an den überaus men. schwierigen Friedensverhandlungen mit. Besonders in diesem Fall wird klar, dass mit der aktuell getroffenen Willy Brandt hat es einmal als seinen wesentlichen Entscheidung der USA zum Truppenabzug das Thema Erfolg bezeichnet, dass – ich zitiere – „der Name unseres der humanitären Hilfe und der Friedensmediation in Landes, Deutschland also, und der Begriff des Friedens Afghanistan zukünftig noch immense Bedeutung haben wieder in einem Atemzug genannt werden können.“ wird. (Beifall bei der SPD) Unbestritten muss Mediation in einer Welt, in der kom- Auf dieses Erbe gilt es zu bauen – als ein Land, das aktiv plexe Gegenwartskonflikte stetig zunehmen, immer das sein Gewicht und hart erarbeitetes Vertrauen zur fried- Mittel der ersten Wahl sein; denn nur sie vermag es, die lichen Konfliktlösung in der Welt einsetzt. Das ist deut- Interaktion von Konfliktparteien menschlicher zu ma- sche Staatsräson. chen und Wege zu finden, Konflikte zu bearbeiten oder Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Grund sie vielleicht sogar zu verhindern. Dass Sie im Gegenzug hat die Bundesregierung 2017 auf sozialdemokratische wieder einmal den Verteidigungshaushalt kürzen möch- Initiative die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte ten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie es im bewältigen, Frieden fördern“ verabschiedet. Damit haben Vorwort Ihres Antrags anmerken, dürfte keine Überra- wir systematisch die weit verstreuten Erfahrungen der schung für uns sein. Dennoch ist dieser Vorstoß unange- Ministerien und Zivilgesellschaft in den Themenfeldern (B) messen; denn es kann nicht die Frage sein, ob Deutsch- Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform, Vergan- (D) land das eine auf Kosten des anderen tun sollte. Wir als genheitsarbeit und auch Mediation zusammengebracht wichtiges und wirtschaftsstarkes Land in der Mitte Euro- und daraus klare Strategien und außenpolitische Instru- pas müssen vielmehr beides tun. Indem wir vermehrte mente entwickelt. Beispielhaft zu nennen ist hier das Anstrengungen im Bereich der Friedensmediation mit ressortübergreifende Konzept zur gemeinsamen Analyse einem erhöhten Engagement in der Verteidigung verbin- und abgestimmten Planung sowie die Arbeitsgruppe Kri- den, werden wir unserer großen Verantwortung gerecht. senfrüherkennung. Worauf will ich hinaus, meine Damen und Herren? Auch auf der europäischen Ebene und im Rahmen der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat haben (Zuruf: Frage ich mich auch!) wir unser Engagement intensiviert, Netzwerke geknüpft und den Austausch von Expertise vorangetrieben. Einen Der Instrumentenkasten in der Außenpolitik muss viel- großen Erfolg stellt hierbei das jüngst in Berlin gegrün- seitig bestückt sein, mit allen Mitteln, die einem Staat zur dete Europäische Kompetenzzentrum für Ziviles Krisen- Verfügung stehen. Gerade weil Mediation die Bereit- management dar. schaft aller Konfliktparteien zum Dialog voraussetzt, müssen in diesem Instrumentenkasten ebenfalls Werk- Natürlich gibt es noch viel zu tun. So wird die Klima- zeuge enthalten sein, die auch dann für Frieden sorgen krise immer mehr zum Konflikttreiber, und die Pandemie können, wenn diese Bereitschaft eben nicht vorhanden hat dem Thema globale Gesundheit eine neue Relevanz ist. auch in diesem Bereich verliehen. Ende März hat das Auswärtige Amt deshalb nun einen ersten Umsetzungs- (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Nee, da haben bericht zu den Leitlinien veröffentlicht. Am kommenden Sie aber was falsch verstanden! Das hat mit Montag werden wir diesen im Unterausschuss „Zivile Mediation nichts zu tun!) Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ diskutieren. Dazu werden wir auch die Exper- Fakt ist: Die Bundesregierung ist in fast allen Bereichen, tise des zivilgesellschaftlichen Beirats einbeziehen. Das in denen dieser Antrag Aktivitäten fordert, bereits aktiv ist natürlich kein Selbstzweck. Stattdessen sollte der und auf dem richtigen Weg. Deshalb ist dieser Antrag Umsetzungsbericht Ausgangspunkt für einen umfassen- abzulehnen. den Prozess sein, in dem wir Nachbesserungsbedarf und Potenzial zur Weiterentwicklung unseres Engagements Vielen Dank. festlegen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 28050 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Josip Juratovic (A) Daraus werden wir konkrete Schritte für die nächsten Vertrauen der Konfliktparteien genießen. Solche Initiati- (C) vier Jahre ableiten. Der vorliegende Antrag stellt dazu ven müssen wir weiter kräftig unterstützen und in Zu- sicherlich einen konstruktiven Beitrag dar, in dem auch kunft sicher auch institutionell mehr fördern. viel Richtiges steckt. Ich halte es aber für wenig weise, In einem zentralen Punkt muss ich den Antrag der diesem umfassenden Dialog- und Debattenprozess zum Grünen aber entschieden zurückweisen: jetzigen Zeitpunkt vorzugreifen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Aha!) (Beifall bei der SPD) Friedensmediation und Verteidigungsausgaben gegenei- nander aufwiegen, das wollen wir nicht. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall der Abg. Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor ich den letzten [CDU/CSU]) Redner in dieser Debatte aufrufe: Ich sehe mit großem Sie schreiben, dass Deutschland statt der Erhöhung der Wohlwollen das Bemühen der Geschäftsführer, das Sit- Verteidigungsausgaben auf das 2-Prozent-Ziel der NATO zungsende noch vor Mitternacht herbeizuführen. Lassen eine Vorreiterrolle im Zivilen einnehmen soll. Frieden Sie nicht nach in Ihren Bemühungen! entsteht aber nicht durch Reden alleine, sondern eben (Heiterkeit) auch durch militärische Stärke. Wir brauchen beides. Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Thomas (Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Erndl, CDU/CSU-Fraktion. Deshalb ist der Antrag abzulehnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Erndl (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Kollegen! Ich bin dankbar, dass wir heute ein Thema Vielen Dank, Herr Kollege Erndl. – Damit schließe ich besprechen können, das in der öffentlichen Wahrneh- die Aussprache. mung nicht so präsent ist, und zwar die Frage, wie wir weltweit mehr Frieden durch Dialog fördern können; Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf denn Friedensmediation, also die Vermittlung zwischen Drucksache 19/26238 an die in der Tagesordnung aufge- Konfliktparteien, ist natürlich ein wichtiges Instrument führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- (B) unserer Außenpolitik. weisungsvorschläge? – Ich sehe und höre solche nicht. (D) Dann verfahren wir wie vorgeschlagen. Kriegsparteien zusammenführen, Konflikte befrieden, Stabilität durch Gespräche fördern – das sind wichtige Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a und 25 b auf: und erstrebenswerte Ziele, und als Deutschland genießen a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung wir weltweit hohes Ansehen und Vertrauen, eine solche des von der Bundesregierung eingebrachten Rolle übernehmen zu können. Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- Anders als die Grünen aber suggerieren, haben wir das kommen Nr. 169 der Internationalen Feld der Friedensmediation in den vergangenen Jahren Arbeitsorganisation vom 27. Juni 1989 schon gut bestellt. Wir fördern nicht nur Initiativen wie über eingeborene und in Stämmen leben- die der Vereinten Nationen, sondern haben mit dem Zent- de Völker in unabhängigen Ländern rum für Internationale Friedenseinsätze ein eigenes wich- Drucksache 19/26834 tiges Instrument. Dazu bilden wir auch junge Diplomatin- nen und Diplomaten im Bereich Mediation aus. Das sind Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- sehr gute Ansätze, die jetzt natürlich weiterentwickelt schusses für Arbeit und Soziales (11. Aus- werden sollten. schuss) Drucksache 19/27894 Wir müssen dabei aber vor allem strategisch an die Sache herangehen und Felder identifizieren, auf denen b) Beratung der Beschlussempfehlung und des unser Mediationseinsatz auch für unsere Interessen von Berichts des Ausschusses für Menschenrech- zentraler Bedeutung ist. te und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Margarete (Matern von Marschall [CDU/CSU]: Richtig!) Bause, Kai Gehring, Filiz Polat, weiterer Ab- Afghanistan ist dafür ein herausragendes Beispiel. Wir geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ wollen und wir brauchen ein Abkommen zwischen der DIE GRÜNEN afghanischen Regierung und den Taliban, einen Zu- Rechte indigener Völker stärken – ILO- kunftsrahmen für dieses Land. Und da ist es gut, dass Konvention 169 ratifizieren – Koalitions- wir den Prozess nicht nur von Regierungsseite diploma- vertrag umsetzen tisch stark unterstützen, sondern dass zum Beispiel auch die Berghof Foundation die Verhandlungen eng begleitet. Drucksachen 19/14107, 19/27024 Es ist fundamental wichtig, dass wir solche unabhängigen Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Organisationen mit großer Sachkenntnis haben, die das beschlossen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28051

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- verbindlich schützt. Was heißt das konkret? Das betrifft (C) nerin der Frau Parlamentarischen Staatssekretärin die Gleichberechtigung, den Schutz vor Diskriminierung Kerstin Griese für die Bundesregierung das Wort. und grundlegende wirtschaftliche, soziale und kulturelle (Beifall bei der SPD) Rechte. Darüber hinaus garantiert es – das ist die Grund- lage für die Geltendmachung jeglicher Rechte – das Selbstbestimmungsrecht und umfassende partizipative Kerstin Griese, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Rechte zur Stärkung der lokalen Selbstbestimmung indi- minister für Arbeit und Soziales: gener Völker. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Das Übereinkommen betrifft rund 5 000 indigene Deutsche Bundestag berät und beschließt heute das Völker in etwa 90 Staaten. Wir sprechen hier von welt- Gesetz zu dem Übereinkommen Nummer 169 der Inter- weit mehr als 370 Millionen Menschen. Sie stellen rund nationalen Arbeitsorganisation vom 27. Juni 1989 über 5 Prozent der Weltbevölkerung, gleichzeitig aber 15 Pro- eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unab- zent der in Armut lebenden Menschen; denn indigene hängigen Staaten. Völker sind häufig weitgehend vom politischen, wirt- schaftlichen und kulturellen Leben ihres Landes ausge- Mit diesem Gesetz zur Ratifikation des ILO-Überein- schlossen. Eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der kommens Nummer 169 setzen wir nicht nur einen Auf- Agenda 2030 der Vereinten Nationen kann jedoch nur trag aus dem Koalitionsvertrag um. Das Übereinkommen gelingen, wenn indigene Völker selbstbestimmt an allen zu ratifizieren, ist zugleich eine Forderung aus einer breit sie betreffenden Entscheidungen partizipieren können, verankerten gesellschaftlichen Debatte. Und was mir be- vor allem bei Entscheidungen, die Landrechte, natürliche sonders wichtig ist: Wir werden dieses Gesetz hoffentlich Ressourcen und Umwelt, rechtliche Gleichstellung, poli- und endlich in einem großen Konsens aller demokrati- tische Teilhabe und Selbstverwaltung betreffen. schen Fraktionen im Deutschen Bundestag beschließen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, sich mit Deshalb danke ich den Regierungsfraktionen von Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf dem Aufruf CDU/CSU und SPD, aber auch den Oppositionsfraktio- zum weltweiten Schutz indigener Völker anzuschließen; nen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. denn diese Völker verdienen unsere Solidarität. Sie haben Nach langjährigen Diskussionen, immerhin über einige ein Recht darauf. Legislaturperioden hinweg, wird es heute Abend gelin- Vielen Dank. (B) gen, mit der Ratifikation des ILO-Übereinkommens (D) Nummer 169 ein einhelliges und deutliches Signal an (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU die internationale Staatengemeinschaft zu senden: Rich- sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack- tet eure Augen auf die indigenen Völker, respektiert und Zimmermann [FDP]) schützt ihre Rechte! (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ich möchte aber auch ausdrücklich den herausragen- Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Nächster Redner den Beitrag der Zivilgesellschaft würdigen. Ein sehr ist der Kollege René Springer, AfD-Fraktion. breiter Kreis von zivilgesellschaftlichen Gruppen hat (Beifall bei der AfD) sich in dem Bündnis „Koordinationskreis ILO 169“ zusammengeschlossen. Deshalb hier auch mein herzli- René Springer (AfD): cher Dank an die engagierte Zivilgesellschaft, die ohne Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Frage entscheidend zu dem heutigen Erfolg beigetragen ren! Wir debattieren hier und heute einen Gesetzentwurf hat. der Bundesregierung und einen Antrag der Grünen, mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten denen das Ziel verfolgt wird, ein Übereinkommen der der CDU/CSU) Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 1989 Die Ratifikation ist ein bedeutender Beitrag. Auch zum Schutz der Rechte von eingeborenen Stämmen und Deutschland als ein Land, in dem keine indigenen Be- Völkern zu ratifizieren. Mit der Ratifikation würde sich völkerungsgruppen leben, kann zum Schutz indigener Deutschland verpflichten, hier lebende eingeborene Menschen weltweit etwas leisten. Denn internationale Völker und Stämme hinsichtlich Lebensweise, wirt- Normen, allen voran internationale Menschenrechtsüber- schaftlicher Entwicklung, Werten, Gepflogenheiten, einkommen, sind nichts weniger als die Grundfesten Identität, Sprache und Religion zu schützen. Was fällt einer menschenwürdigen Welt und einer menschenwür- auf? Wenn wir das fürs deutsche Volke fordern, dann digen Globalisierung. Und es wird immer wichtiger, die- kommt die Nazikeule. se Grundpfeiler zu verteidigen; das sehen wir täglich. (Beifall bei der AfD) Deshalb ist für uns klar: Internationale Menschenrechts- Was fällt noch auf? Die Staatssekretärin hat es ja ge- normen stehen nicht zur Disposition. rade gesagt: Es gibt in Deutschland gar keine indigenen Wir solidarisieren uns und stellen uns hinter das Über- Völker. Das steht auch im Gesetzentwurf: „Auf dem einkommen 169 als die einzige internationale Norm, die Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland leben Rechte indigener Völker umfassend und vor allem rechts- keine Bevölkerungsgruppen im Sinne des“ Übereinkom- 28052 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

René Springer (A) mens. Und: „Die Kriterien … können auch in Zukunft (Beifall bei der AfD) (C) von keiner Bevölkerungsgruppe in Deutschland erfüllt Wir als Alternative für Deutschland lieben unser Land. werden.“ Ein Gesetz, das vorgibt, etwas zu schützen, Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf und den Antrag das es bei uns gar nicht gibt, brauchen wir nicht. Des- der Grünen ab. wegen lehnen wir es als AfD-Fraktion auch ab. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aber auch aus einem weiteren Grund ab. Denn wenn er durchkommt, können deutsche Unternehmen und sogar der deutsche Staat Vizepräsident Wolfgang Kubicki: selbst vor ein internationales Gericht gezerrt und verklagt Vielen Dank, Herr Kollege Springer. – Als nächster werden. Im Gesetzentwurf heißt es dazu: „Dieses ratifi- Redner hat das Wort der Kollege Martin Patzelt, CDU/ kationsinhärente Restrisiko ist völkerrechtlich nicht CSU-Fraktion. wirksam einhegbar.“ (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Dass nun ausgerechnet die CDU/CSU-Fraktion diesen des Abg. Frank Schwabe [SPD]) Gesetzentwurf mitträgt, verwundert ein wenig. Entweder haben Sie den Gesetzentwurf nicht richtig gelesen oder Martin Patzelt (CDU/CSU): die Risiken einfach nicht erkannt. Sie hätten hellhörig Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr werden müssen, wenn Sie feststellen, dass nach 31 Jahren Springer, es ist so schade, dass Sie und Ihre Partei nicht nur 23 Staaten auf dieser Welt dieses Übereinkommen begreifen, dass wir in einer Weltgemeinschaft leben, die ratifiziert haben. Und Sie hätten alarmiert sein müssen, immer mehr zusammenwächst, und dass wir nur dann in wenn Sie feststellen, dass die Grünen 2006, 2010, 2011, Glück und Frieden leben können, wenn wir diese Ge- 2015 und heute die Ratifikation fordern. Da muss etwas meinschaft tatsächlich hüten und pflegen. faul sein. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem (Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordne- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – [AfD]: Ja! Steinigung ist auch in Deutschland Frank Schwabe [SPD]: Vergessen Sie bitte die super!) SPD nicht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Präambel des „Globalistische Politik der Grünen“ und „Volk“, das passt ILO-Übereinkommens 169 wird eine traurige Bilanz nicht zusammen. gezogen: Die indigenen Völker der Erde seien nicht in (B) (D) (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des der Lage, „ihre grundlegenden Menschenrechte im glei- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen Umfang auszuüben wie die übrige Bevölkerung der Staaten, in denen sie leben, und dass ihre Gesetze, Werte, Damit komme ich zum Grünen-Antrag. Es verwundert Bräuche und Perspektiven oft ausgehöhlt worden sind“. schon, dass Sie sich jetzt für den Schutz indigener Völker Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war 1989, und es ist in aller Welt einsetzen, aber fürs eigene Volk nur Ver- eigentlich eine Schande für uns alle, dass sich seit dieser achtung empfinden. Zeit bis heute so wenig daran geändert hat. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des Die Indigenen machen 5 Prozent der Weltbevölkerung, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) aber 15 Prozent der in Armut lebenden Menschen aus. Das ILO-Übereinkommen 169 ist das einzige internatio- Da möchte ich einmal an den Grünen-Politiker aus Ham- nale Vertragswerk, das einen umfassenden und rechtsver- burg erinnern, der die Deutschen als „Köterrasse“ bindlichen Schutz der Rechte indigener Völker statuiert. bezeichnet hat, an den Grünen-Bundesvorsitzenden, der Deswegen ist die Entscheidung der Bundesregierung, das Vaterlandsliebe „stets zum Kotzen“ fand und mit Abkommen zu ratifizieren, richtig, und wir werden es Deutschland noch nie etwas anfangen konnte, und an hoffentlich alle breit unterstützen. die afghanisch-stämmige Grünen-Politikerin Miene Waziri, die bedauert, dass Deutschland im Zweiten Welt- (Karsten Hilse [AfD]: Nein, werden wir nicht! – krieg nicht völlig zerstört wurde. Gegenruf der Abg. Dr. [DIE LINKE]: Um euch geht es nicht! – Weiterer Meine Damen und Herren von den Grünen, das pasch- Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek tunische Volk im Grenzgebiet Afghanistans und Pakis- [SPD]: Das interessiert doch gar nicht!) tans entspricht den Kriterien dieses Übereinkommens. In diesem Volk haben Mädchen keinen Zugang zu Bil- Es stimmt: Die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 dung, Homosexuelle werden ermordet und Frauen gestei- durch Deutschland wird keine direkte Verbesserung der nigt. Das ist für Sie gut und schützenswert. Auf der an- Lage der Indigenen bewirken. Aber die Ratifizierung ist deren Seite haben wir den deutschen Staat, der über das mehr als nur ein Symbol für die Achtung und für die deutsche Staatsvolk konstituiert wird, wo es Bildung für Einhaltung der Rechte dieser Menschen und Völker. alle gibt, wo die Sexualität frei ausgelebt werden kann Wir als Parlamentarier und die Bundesregierung müssen und wo Frauen gleiche Rechte haben wie die Männer. die Ratifizierung zum Anlass nehmen, auf unsere Partner Das ist für Sie schlecht und verachtenswert. Meine Da- in der ganzen Welt, vor allen Dingen aber in Europa Ein- men und Herren, das ist nicht normal. Normal ist, sein fluss zu nehmen, um mehr Staaten zu einer Unterschrift Land zu lieben. unter dieses Abkommen zu bewegen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28053

Martin Patzelt (A) Die niedrige bisherige Beteiligung von 23 der insge- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) samt 187 Mitgliedstaaten der ILO verdeutlicht, wie wich- Vielen Dank, Kollege Patzelt. – Der nächste Redner für tig die Ratifizierung und die Diskussion darüber ist. Die die FDP-Fraktion ist der Kollege Carl-Julius Cronenberg. Bundesregierung und die EU-Kommission tun bereits viel, um die Lage indigener Bevölkerungsgruppen vor (Beifall bei der FDP) allem in Asien und Südamerika zu verbessern. Diese positive Rolle gilt es auszubauen. Dabei spielen das Sorg- Carl-Julius Cronenberg (FDP): faltspflichtengesetz und die Handelsverträge der EU eine Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wichtige Rolle. geht um fundamentale Rechte für 350 Millionen indigene Menschen rund um den Globus. Vielleicht warten diese Schätzungen gehen davon aus, dass 60 Prozent der Menschen nicht unbedingt darauf, dass nach 30 Jahren Ressourcen und Rohstoffe unserer Erde – 60 Prozent, noch der eine oder andere Staat die ILO-Konvention 169 liebe Kolleginnen und Kollegen – in den von den Indige- ratifiziert. Aber sie warten darauf, dass die Mitglieder der nen bewohnten Gebieten liegen. Dabei geht es nicht um Mehrheitsgesellschaft ihnen endlich mit Respekt und eine verklärende Naturromantik. Es geht auch nicht um Toleranz begegnen. Sonderrechte. Wofür wir eintreten, ist, dass auch die Indi- genen Bildung, Arbeitsplätze und Infrastruktur bekom- (Beifall bei der FDP) men. Aber sie sollen selbstbestimmt – und das ist das Und sie erwarten, dass ihre Rechte auf Bewahrung von Kernelement des ILO-Übereinkommens – über ihr Leben Identität und Kultur endlich geachtet und wirksam ge- entscheiden können. schützt werden. Diese Anliegen unterstützen die Freien Demokraten. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf Indigene Bevölkerungsgruppen sind keine passiven zu. Betreuungsobjekte der Menschenrechtspolitik. Indigene Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger kämp- (Beifall bei der FDP) fen weltweit Tag für Tag für ihre Rechte, so auch die Leider haben indigene Völker bis heute allzu oft das Menschenrechtsverteidigerin Renalyn Tejero auf den Gegenteil von Respekt und Anerkennung erfahren, näm- Philippinen, die seit drei Wochen von der Polizei festge- lich Assimilierung und Vertreibung. Bleiben wir realis- halten wird. Sie ist eine indigene Lumad-Manobo. Sie ist tisch: Auch in Staaten, die schon längst die Konvention nur für ihre Rechte eingetreten, ohne Gewalt. Oder Ber- ratifiziert haben, werden ILO-Rechte unvermindert mit nardo Caal, ein Indigener der Q’eqchi-Gemeinschaften, Füßen getreten, so zum Beispiel im Amazonasbecken. der 2018 in Guatemala wegen Widerstandes gegen ein Dabei ist klar: Indigene bewahren die Grundlagen ihres Wasserkraftprojekt auf indigenem Land zu sieben Jahren Lebensraums; sie holzen den Regenwald nicht ab. Des- (B) Gefängnis verurteilt wurde. halb ist es auch in unserem Interesse, sie als unverzicht- (D) bare Partner bei Umwelt- und Klimaschutz anzusehen, Wir dürfen heute Abend auch die zahllosen Tibeter und liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Kollege Springer. Uiguren in chinesischer Haft nicht vergessen. Besonders erwähnen möchte noch ich den Jesuitenpater Stan Swa- Herr Kollege Springer, Sie haben gegen das Gesetz my in Indien, der jahrzehntelang für die Rechte der indi- argumentiert, dass es in Deutschland keine betroffene genen Adivasi eintrat. Dieser 83-jährige Mann leidet an Bevölkerungsgruppe gibt. Ja, dem ist so. Es ist auch Parkinson und ist aufgrund einer hanebüchenen Terroris- gut, dass die Konvention den Grundgedanken der Sub- musanklage seit Oktober in Haft, und zwar in Indien. Das sidiarität achtet. Dennoch ist es wichtig, sie zu ratifizie- wäre ein passender Anlass, von Indien die Unterzeich- ren. Wie sonst könnte die Bundesregierung ihre Anliegen nung des ILO-Übereinkommens und die Freilassung vor Ort adressieren? Herr Kollege Springer, die Ratifika- von Pater Swamy zu fordern. tion ist deshalb auch eine Frage der Glaubwürdigkeit deutscher Außen- und Menschenrechtspolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, indigene Volksgrup- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten pen spielen auch eine bemerkenswerte Rolle im Kampf der SPD) gegen Klimawandel und Abholzung. Laut einer Studie der Welternährungsorganisation werden deutlich weniger Die Unterscheidung zwischen indigenen Völkern und Flächen abgeholzt, wo indigene Bevölkerungsgruppen ethnischen Minderheiten ist nicht immer trennscharf. Die Landrechte innehaben. Unterdrückung ethnischer Minderheiten ist von der Kon- vention nicht erfasst. Die Situation der Uiguren in Xin- Mit einem breiten Konsens für die Ratifizierung kön- jiang zeigt, dass dort genau die Assimilation zwangswei- nen wir ein wichtiges Signal geben. Ausbildung, Gesund- se durchgeführt wird, die die Konvention bei Indigenen heit und Bildung sind kein Privileg, auch nicht für Indi- verhindern will. Daher muss gelten: Das richtige Prinzip gene. Den Schutz der eigenen Sprache, Kultur und der Nichteinmischung ist nicht zu verwechseln mit dem Religion muss man sich nicht verdienen. Und das Welt- falschen Prinzip der stillschweigenden Billigung. kulturerbe, das ist auch unser aller Erbe. (Beifall bei der FDP) Ich danke Ihnen. Noch eines sollte die Bundesregierung nicht verwech- seln, bitte: die Verantwortung dafür, universelle Men- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- schenrechte durchzusetzen, liegt in erster Linie beim neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Staat. Es ist die Aufgabe der Regierung, Missstände GRÜNEN) anzusprechen, Aktionspläne zu vereinbaren, notfalls 28054 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Carl-Julius Cronenberg (A) Konditionalitäten zu verhandeln und dort, wo es passt, reicht die bloße Ratifizierung der ILO 169 nicht. Die (C) auch die Unternehmen mit einzubinden. Es kann nicht Bundesregierung muss das Selbstbestimmungsrecht indi- sein, dass die Regierung sich diese Woche für die Ratifi- gener Völker wirklich ernst nehmen. kation des ILO-Übereinkommens feiert und schon nächs- (Beifall bei der LINKEN) te Woche die harte Kärrnerarbeit, vor Ort Menschenrech- te durchzusetzen, an die Unternehmen wegdelegiert, Eine Messlatte dafür ist der Naturschutz. Deutschland meine sehr verehrten Damen und Herren. unterstützt das globale Ziel, die unter Naturschutz stehen- de Fläche in den kommenden zehn Jahren zu verdoppeln, (Beifall bei der FDP) und hat dazu einen eigenen Fonds gegründet, der mit 80 Millionen Euro ausgestattet ist. Zentrale Partner sind Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: der WWF und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die Geld und Schutzgebiete verwalten sollen. Indigene Kommen Sie bitte zum Ende. kommen in der Initiative nicht vor. Dabei sind sie es, die ihre natürlichen Lebensräume besonders gut bewah- Carl-Julius Cronenberg (FDP): ren – Socio Bosque im Amazonas lebt es vor. Doch leider Die Ratifikation ist nicht die Ziellinie im Kampf für die erleben Indigene in Afrika und Asien Schutzgebiete oft Rechte indigener Völker, sondern der Startblock. Wir als Bedrohung. Unter Berufung auf ein höheres Gut, den gehen heute mit und freuen uns darauf, nach der nächsten Naturschutz, werden sie entrechtet, vertrieben und getö- Bundestagswahl das Ziel „Menschenrechte weltweit“ in tet. Das muss ein Ende haben. Regierungspolitik umzusetzen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP) Indigene Führer fürchten, dass die massive Auswei- tung von Schutzgebieten für sie in eine Katastrophe, den größten Landraub der Geschichte, münden könnte. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Greenpeace warnt eindringlich vor einer Ausweitung Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Abge- eines autoritären Festungsnaturschutzes. Die ILO 169 ordnete Eva-Maria Schreiber. ernst nehmen heißt, diese Sorgen ernst zu nehmen. Die Bundesregierung muss Indigene zu ihren zentralen Part- (Beifall bei der LINKEN) nern machen, und das nicht nur, wenn es um die Lösung der globalen Umweltkrise geht, sondern generell in der Eva-Maria Schreiber (DIE LINKE): Entwicklungszusammenarbeit. Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- (B) (D) gen! In Kolumbien werden Mitglieder des Volkes der Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Nutabe wegen eines gigantischen Wasserkraftwerks Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss. von ihrem Land vertrieben, ihre politischen Führer von Todesschwadronen verfolgt. In der Demokratischen Republik Kongo verlieren indigene Batwa durch die Eva-Maria Schreiber (DIE LINKE): Ansonsten bleibt die Ratifizierung der ILO 169 leere Gründung eines Nationalparks ihre Existenzgrundlage Symbolpolitik. und werden von Parkwächtern geschlagen, vergewaltigt, ermordet. In Paraguay kämpfen die Sawhoyamaxa seit (Beifall bei der LINKEN) Jahrzehnten für ihr traditionelles Land, das sich ein deut- scher Rinderzüchter angeeignet hat. Weltweit werden die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Rechte indigener Gemeinschaften mit Füßen getreten; ihr Vielen Dank, Frau Kollegin Schreiber. – Die nächste Leben ist vielfach in Gefahr. Deswegen ist es wichtig, Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordnete dass die Bundesregierung endlich die Konvention 169 Margarete Bause. der International Labour Organization ratifiziert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Margarete Bause (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): NEN]) Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vorgestern Danach müssen Staaten die Rechte indigener Völker hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights respektieren, wie das Recht auf ihr angestammtes Land Watch erneut Alarm geschlagen. Es geht um Landraub und das Recht der Mitbestimmung in allen Angelegen- und schwerste Umweltzerstörung in der Region des Tapa- heiten, die sie betreffen. Leider ignoriert Deutschland das jós-Flusses in Brasilien. Es geht um kriminelle Gewalt viel zu oft. Das Wasserkraftwerk in Kolumbien wird von gegen die indigene Gemeinschaft der Munduruku. Es der IPEX-Bank finanziert, einer Tochtergesellschaft der geht um die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundla- staatlichen KfW. Die kongolesische Nationalparkbehörde gen und den Angriff auf ihre verbrieften Rechte, auf ihre und die Parkwächter beziehen einen beträchtlichen Teil Gesundheit und ihre Sicherheit, und das alles mit Unter- ihrer Einnahmen von der Bundesregierung. Das deutsch- stützung und Billigung der brasilianischen Regierung. paraguayische Investitionsschutzabkommen hat lange Die Rechte von Indigenen weltweit zu stärken, ist das verhindert, dass indigene Gemeinden ihre legitimen Ziel der ILO-Konvention 169, deren Ratifizierung heute Landrechte durchsetzen konnten. Wenn Deutschland ein hier endlich ansteht. Endlich, weil dieses Übereinkom- Vorbild bei der Umsetzung indigener Rechte sein will, men schon vor 30 Jahren in Kraft getreten ist. Endlich, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28055

Margarete Bause (A) weil diese Koalition sich jahrelang nicht darauf verstän- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank (C) digen konnte. Die Konvention zum Schutz der Rechte Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU]) Indigener betrifft etwa 370 Millionen Menschen in gut 90 Staaten. Sie leben in Regionen, in denen rund zwei Drittel der weltweit stark nachgefragten Ressourcen vor- Frank Schwabe (SPD): kommen: Wasser, seltene Erden, aber auch Erdöl und Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Zu recht Gas. Sie werden diskriminiert, ausgebeutet, unterdrückt. später Stunde schreibt der Deutsche Bundestag heute Ge- Viele von ihnen werden ermordet, weil sie nicht weichen schichte, weil nämlich die Bundesrepublik Deutschland wollen und weil sie für ihre Rechte kämpfen. 24. Vertragsstaat der ILO 169, des Übereinkommens zum Schutz der indigenen Bevölkerung, wird. Jahrelang wurde diese Konvention auch von Kollegin- nen und Kollegen hier im Bundestag als reine Symbol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) politik abgetan, Tenor: Das betrifft uns hier ja eh nicht. – Doch, es betrifft uns! Wir setzen damit eine von drei zentralen Forderungen der SPD im Bereich der wirtschaftlichen, kulturellen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sozialen Rechte aus dem Koalitionsvertrag um. Das Lie- Wenn Brasiliens rechtsextremer Präsident Bolsonaro ferkettengesetz kommt in Kürze, und die Ratifizierung Indigene mit Tieren gleichsetzt und sie zur Jagd freigibt, des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt ist auch verab- dann geht uns das was an. redet; da blockiert noch der Bundesinnenminister. Ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN finde – wir haben ja noch ein bisschen Zeit, ein paar sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Monate –, dass auch das umgesetzt werden muss. Wenn in ihren Gebieten Regenwald zerstört wird für den (Beifall bei der SPD) Abbau von Soja, das auch zu uns geliefert wird, dann geht uns das was an. Wenn Ökosysteme vernichtet werden, Wir reden über 370 Millionen Menschen indigener von denen unser aller Klima- und Artenvielfalt abhängig Bevölkerungsgruppen, über etwa 5 000 Kulturen aus ist, dann geht uns das was an. Wenn deutsche Gro- etwa 90 Staaten. Es geht eben nicht darum, irgendwelche ßkonzerne Staudämme in Brasilien, Kolumbien oder Menschenrechtsverletzungen zu legitimieren, sondern es anderswo zertifizieren oder versichern, die dann zu geht darum, Lebensweisen vor Landraub, vor der Abhol- Umweltkatastrophen mit Tausenden von Opfern führen, zung des Waldes, vor der Entziehung der Lebensgrundla- dann geht uns das entschieden etwas an, und dann sind gen, vor Umweltzerstörung – zum Beispiel durch Berg- wir hier in der Verantwortung. bau – und vor Vertreibungen zu schützen. Das ist das Ziel der ILO 169, und es ist absolut schützens- und unter- (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stützenswert. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Konvention sieht vor, dass indigene Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten meinschaften, auf deren Boden Großprojekte durch Drit- der CDU/CSU und der Abg. Margarete Bause te entstehen sollen, konsultiert werden müssen. Das hat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) zum Beispiel auch Auswirkungen auf unsere Außenwirt- Es hat lange gedauert – es ist gesagt worden: seit 1989, schaftsförderung. Wenn die Bundesregierung künftig also viel zu lange –, bis wir da mitmachen. Die Frage, ob über die Vergabe von Hermesbürgschaften entscheidet, es in unserem Land Indigene gibt oder nicht, ist gar nicht dann bietet ILO 169 dafür den Maßstab. die zentrale Frage, sondern wir finden, dass Indigene (Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜND- geschützt werden müssen, egal wo sie sind; übrigens NIS 90/DIE GRÜNEN]) auch, wenn sie in Deutschland wären. Aber jetzt geht es Auch im Lieferkettengesetz muss diese Konvention ver- darum, den Multilateralismus international aus Deutsch- ankert werden; denn unternehmerische Sorgfaltspflichten land heraus zu stärken. Das ist etwas, was sich besonders gelten auch für den Schutz von Indigenen. der Bundesaußenminister zur Aufgabe gemacht hat. Es ist ein Stück weit ein Geschenk und eine Unterstützung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN derjenigen, die sich leidenschaftlich für den Schutz indi- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gener Bevölkerungen einsetzen. Kolleginnen und Kollegen, bisher haben nur 23 Staaten Ich erinnere mich daran, dass vor zwei Jahren die dieses wichtige Übereinkommen ratifiziert, und deshalb damalige Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen ist es auch unsere Aufgabe, für mehr internationale Aner- Vicky Tauli-Corpuz von den Philippinen hier im Deut- kennung zu werben. Auch damit stärken wir die Men- schen Bundestag war und von uns eingefordert, uns schenrechte weltweit. darum gebeten hat, diese Ratifizierung vorzunehmen. Vielen Dank. Der jetzige Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen ist José Francisco Calí Tzay, der ehemalige Botschafter (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Guatemala hier in Deutschland. Er entstammt dem sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Volk der Cakchiquel, und auch er ist jemand, der sich leidenschaftlich für den Schutz von Indigenen einsetzt. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Deswegen sage ich: Das ist ein Stück weit ein Geschenk, Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion der Kolle- eine Unterstützung und sollte entsprechend genutzt wer- ge Frank Schwabe. den, um der ILO 169 neues Leben einzuhauchen. 28056 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Frank Schwabe (A) Leider – das ist gesagt worden – gibt es bisher nur Auf den allgemeinen Stand der Dinge sind meine Vor- (C) 23 Vertragsstaaten. Das sind vor allen Dingen lateiname- redner immer wieder eingegangen; ich will nicht alles rikanische Staaten. Allerdings kommt jetzt mit Deutsch- davon wiederholen. 1989 wurde das Übereinkommen land der sechste europäische Staat dazu; 2018 hat Luxem- beschlossen, 1991 ist es in Kraft getreten. Dennoch haben burg ratifiziert. Ich hoffe jedenfalls, dass daraus auch eine erst 23 der 187 ILO-Mitgliedstaaten das Übereinkommen neue Dynamik entstehen kann, um dieses Abkommen ratifiziert, ganz überwiegend lateinamerikanische Staa- entsprechend mit Leben zu füllen. Das ist fundamental ten, auch weil ein beachtlicher Bevölkerungsteil dort wichtig, weil es die Antwort darauf ist, was an Menschen- indigener Herkunft ist. In Europa haben es – die Länder rechtsverletzungen weltweit begangen wird, zum Bei- haben Sie jetzt mehrfach gehört – Norwegen und Däne- spiel von Herrn Duterte an 15 Millionen Indigenen auf mark, weil in ihrem Staatsgebiet Bevölkerungsgruppen den Philippinen, aber eben – es ist gerade genannt wor- im Sinne des Übereinkommens leben, sowie die Nieder- den – auch in Brasilien von Präsident Bolsonaro. lande, Spanien und vor Kurzem Luxemburg ratifiziert. Deutschland setzt einen Kontrapunkt zu dieser men- Wenn wir international in dieser Geschwindigkeit weiter- schenrechtswidrigen Politik, die von Herrn Bolsonaro machen würden, dann bräuchten wir noch 170 Jahre, bis betrieben wird, der mit dem Umgang mit Covid-19, mit alle Staaten das Übereinkommen unterzeichnet haben. dem Abbrennen des Amazonas am Ende sein eigenes Da sieht man, wie langwierig wir leider unterwegs waren. Land und die ganze Welt in Brand setzt. Von Covid-19 Warum hat es bei uns so lange gedauert? Es kam mehr- besonders betroffen sind 162 indigene Völker in Brasi- fach zur Sprache: Bei uns leben keine Gruppen, die unter lien, und wir erleben eine besonders ausgeprägte Kinder- dieses Übereinkommen fallen. Bei der Anerkennung be- sterblichkeit bei den Yanomami; es ist wirklich schreck- stimmter Rechte, die in dem Übereinkommen verankert lich. sind, bestand die Gefahr, dass sie deutschen Gesetzen widersprechen würden; das konnte glücklicherweise end- Deswegen – noch einmal – ist heute ein historischer lich ausgeräumt werden. Und es gab einige Bedenken Tag. Deutschland stärkt die ILO 169. Wir stärken damit von deutschen Unternehmen, dass sich ihnen daraus den Multilateralismus, und wir stärken das Leben von Nachteile ergeben würden. Da bin ich als Menschen- Millionen Menschen weltweit. Das schaffen wir hier im rechtler umgekehrter Ansicht. Deutschen Bundestag in großer Breite. Ich glaube, das ist auch etwas, was jedenfalls über die letzten Jahre gelun- Was erhoffen wir uns davon, das Übereinkommen zu gen ist, so schwierig es war. Ich sage jedenfalls herzlichen ratifizieren? Die außenpolitische Position Deutschlands Dank dafür! in Bezug auf die Rechte indigener Völker zu stärken, die allgemeinen menschenrechtlichen und klimapoliti- schen – und damit auch uns betreffenden – Ziele Deutsch- (B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der lands zu fördern – unsere Ziele –, eine positive Signal- CDU/CSU) wirkung – das hat auch mein Vorredner schon gesagt – insbesondere an die Industrienationen zu senden, es eben- falls zu ratifizieren, und damit den Schutz der indigenen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Völker international zu stärken. Vielen Dank, Kollege Schwabe. – Der letzte Redner zu TOP 25 ist der Abgeordnete Frank Heinrich, CDU/CSU- ILO 169 und Klimaschutz mit Relevanz für uns alle: Fraktion. Wenn indigene Völker ihr Land verlieren, zerstört dies ihre Gesellschaften und macht ihre Angehörigen oft anfälliger für gravierende soziale Schwierigkeiten bis (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hin zu schweren Krankheiten. Das Übereinkommen hilft aber nicht nur indigenen Völkern; es hilft, wie mehrere Vorredner gesagt haben, tatsächlich uns allen. Es spielt Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): eine Schlüsselrolle beim weltweiten Schutz der Wälder, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und indem es jenen Menschen die Kontrolle über ihr Land Kollegen! Ich kann mich nahtlos der kleinen Gratulation zurückgibt, die sich seit Generationen darum gekümmert an das Parlament anschließen, dass wir diese Ratifizie- haben. Ein hoher Anteil – mein Kollege Patzelt hat das rung heute so vornehmen dürfen. Frank Schwabe hat in vorhin erwähnt – der weltweit verbliebenen Regenwälder seiner Rede davon gesprochen, dass es lange, lange, viel und Biodiversität entfällt auf Regionen, auf das Land zu lange gedauert hat. Aber ich freue mich riesig, dass ich dieser indigenen Völker. Und jetzt werden die Landrechte heute sprechen darf, weil ich beiden Ausschüssen ange- indigener Völker anerkannt und wertgeschätzt. Das höre, die in den letzten zehn Jahren fast jährlich über ermöglicht ihnen eine Zukunft und schützt die Wälder, dieses Thema diskutiert haben: dem Ausschuss für Arbeit in denen sie leben. und Soziales auf der einen Seite – wir haben die Staats- sekretärin gehört – und dem Ausschuss für Menschen- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) rechte und humanitäre Hilfe auf der anderen Seite. In Ein kleines Beispiel. Wir haben viel von den Wäldern beiden hat es eine gravierende Bedeutung. Wir dürfen gehört, die, wenn man an das Klima denkt, ja doch mit damit klar Stellung beziehen und international ein Zei- uns zu tun haben. Zitat: „Land ist unser Leben und unser chen setzen. Ich möchte kurz daran erinnern, dass wir uns Blut. Ohne den Wald können wir nicht überleben“, so ein die Ratifikation ja auch als Aufgabe im Koalitionsvertrag Angehöriger der Penan, einer indigenen Volksgruppe von vorgenommen haben. Da können wir jetzt einen Haken etwa 10 000 Mitgliedern auf der Insel Borneo. Inzwi- dran machen. schen leben nur noch wenige Hundert dieser Penan auf Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28057

Frank Heinrich (Chemnitz) (A) ihre traditionelle nomadische Lebensweise im tropischen Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: (C) Regenwald. Die Wälder der Penan werden durch das Zweite Beratung und Schlussabstimmung des immer tiefere Eindringen von Holzfirmen in den unbe- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- rührten Regenwald bedroht. Gerade noch 10 Prozent der wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Urwälder Sarawaks – ein malaysischer Bundesstaat auf des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen Borneo – gelten als einigermaßen intakt. Diese Restge- ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz biete liegen vor allem im Territorium der Penan. Die und Dienstleistungen bei Fußballspielen und nomadisch lebenden Penan sind vom Regenwald abhän- anderen Sportveranstaltungen gig. Sie sind angewiesen auf die in ihm vorkommenden Wildtiere, Sagopalmen und anderen Pflanzen, die zur Drucksachen 19/27413, 19/28127 Herstellung für ihre Naturmedizin gebraucht werden. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Eine Ausrottung des Regenwaldes bedeutet das Ver- ses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) schwinden dieser Volksgruppe. Bis heute kämpfen sie um die Anerkennung ihrer Landrechte und die Beendi- Drucksache 19/28507 gung dieser Waldzerstörung, die wir mit verantworten. Es Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten ist ein guter Tag für sie, für uns und von uns. beschlossen. Um ein Zitat von Staatssekretärin Griese vom Anfang Ich eröffne die Aussprache, und es beginnt als erster der Debatte zu gebrauchen: „Richtet eure Augen auf die Redner der Abgeordnete Michael Brand, CDU/CSU- indigenen Völker … und ihre Rechte!“ – Für sie und für Fraktion. uns alle. (Beifall bei der CDU/CSU) Danke, dass wir die Debatte hier haben durften. Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie inhaltliche Thema des Gesetzentwurfs lautet: Wir wollen der Abg. Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE mit modernen polizeilichen Mitteln verhindern, dass GRÜNEN]) Sportveranstaltungen in Deutschland und Europa von gewaltbereiten Hooligans und anderen Extremisten Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: dazu missbraucht werden, ihre eigenen, teils sehr bruta- Vielen Dank, Kollege Heinrich. – Ich schließe die Aus- len Spiele zu spielen. – Wir reden natürlich ganz über- sprache zu diesem Tagesordnungspunkt. wiegend über den Fußball. Sie alle wissen, dass der Deut- (B) sche Fußball-Bund, die UEFA und andere gemeinsam mit (D) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- den staatlichen Behörden der jeweiligen Länder und in desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Über- europäischer Zusammenarbeit darum bemüht sind, dieses einkommen Nummer 169 der Internationalen Arbeitsor- Gewaltpotenzial Schritt für Schritt zu reduzieren und in ganisation über eingeborene und in Stämmen lebende den Griff zu bekommen. Völker in unabhängigen Ländern. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussemp- Dazu gehören natürlich einheitliche Standards unter fehlung auf Drucksache 19/27894, den Gesetzentwurf den Vertragsstaaten des Europarats, die dann auch für der Bundesregierung auf Drucksache 19/26834 anzuneh- alle gelten, um sichere, angenehme und einladende Sport- men. veranstaltungen zu ermöglichen. Das tun wir als Bundes- republik Deutschland im Übrigen schon seit Langem. Es Zweite Beratung handelt sich hier also um die Umsetzung eines Überein- kommens, dessen Inhalt in Deutschland schon lange Pra- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem xis ist. Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Für die Akteure und auch die Agitatoren solcher Ge- Das sind alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD-Frak- walt gibt es die digitale Speicherung, damit bei und auch tion. Wer stimmt dagegen? – Die AfD-Fraktion stimmt vor künftigen Gelegenheiten, sprich: Sportveranstaltun- dagegen. Enthaltungen? – Keine. Der Gesetzentwurf ist gen – wie etwa große Fußballspiele – Gefährder präven- damit angenommen. tiv angesprochen und notfalls schon im Vorfeld aus dem Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- Verkehr gezogen werden können. Das stoppt mögliche ses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Gewalttaten und verhindert Gefährdungen der Gesund- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem heit von ganz normalen, friedlichen Fußballfans und an- Titel „Rechte indigener Völker stärken – ILO-Konven- deren Sportbegeisterten. tion 169 ratifizieren – Koalitionsvertrag umsetzen“. Der Dabei gibt es aktuell ein Missverständnis, so möchte Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf ich es nennen. Das Missverständnis besteht darin, dass Drucksache 19/27024, den Antrag der Fraktion Bünd- man den Kurzschluss zieht, dass wegen der derzeitigen nis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/14107 abzulehnen. flächendeckenden Absagen von Großveranstaltungen – Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – CDU/CSU, also Sportveranstaltungen –, und insbesondere des Aus- SPD und AfD stimmen für die Beschlussempfehlung des tragens von Fußballspielen ohne Zuschauer im Stadion, Ausschusses. Wer stimmt dagegen? – Grüne und Linke. das Problem der Hooligans und damit das Thema der Enthaltung? – Die FDP-Fraktion. Die Beschlussempfeh- Speicherung der Daten von gefährlichen Akteuren sozu- lung ist damit angenommen. sagen entfallen müssten und überflüssig wären. Das ist 28058 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Michael Brand (Fulda) (A) nicht der Fall. Denn auch jetzt, in der Pandemie, kommen der gestrigen Sportausschusssitzung ausdrücklich bestä- (C) je nach Attraktivität, auch je nach Rivalität der Fan- tigt. Es hat uns sehr erleichtert, dass zum Beispiel Aser- gruppen durchaus Hunderte oder sogar mehr „Fans“ baidschan nicht an Daten deutscher Bürger herankommt, außerhalb des Stadions zusammen, in dem das Spiel wo doch die CDU so herzliche und vor allem lukrative dann stattfindet. Weil das so ist, gibt es natürlich auch Beziehungen nach Aserbaidschan pflegt. die Fortschreibung der Datenbank mit solchen Personen, Erschütternd bei der ganzen Sache ist aber das Ver- die entweder selbst Akteure waren oder eben im Zusam- waltungshandeln. Im Juli 2016 wurde das Übereinkom- menhang mit rechtswidrigen Aktivitäten identifiziert und men unterschrieben, und nach nur vier Jahren wird das deren Personalien festgestellt wurden. Abkommen kurz vor dem Ende der Fristen in den Deut- Wichtig ist: Bei der Erfassung in der Datei gibt es schen Bundestag eingebracht. Das ist schon eine tolle mehrere Abstufungen, also auch Differenzierungen. Die Verbesserung; denn für das Vorgängerabkommen haben datenschutzrechtlichen Bestimmungen werden bei uns die Bundesregierungen insgesamt 20 Jahre gebraucht. und in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit genau Wolfgang Schäuble würde also sagen: Wir sind auf einem beachtet. Insoweit bleibt Rechtsstaatlichkeit bei dieser guten Weg. – Wir sagen, dass so etwas die teilweise Prävention gegen mögliche Gewalttäter natürlich abge- Unfähigkeit der Verwaltung zeigt, politische Signale sichert und gewahrt. und Formalien zeitnah umzusetzen. In der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage (Beifall bei der AfD) zu Eintragungen in die Datei „Gewalttäter Sport“ zwi- schen März und Dezember 2020 hat sich dann auch Die Zuarbeit, die das BMI machen musste, bestand in vier gezeigt, dass die Aktivität gewalttätiger Akteure trotz Seiten, also eine Seite pro Jahr. Das ist, wie gesagt, eine Pandemie nicht gänzlich gestoppt hat. Die meisten Ein- reife Leistung. tragungen in die Datei „Gewalttäter Sport“ erfolgten auf- Schön sind auch ein paar Details aus dem Briefwech- grund von Landfriedensbruch. Das ist keine Bagatelle. sel. Nach vier Jahren Verzug ist der Gesetzentwurf bereits Die 404 Fälle dieser Kategorie zeigen, dass es doch nötig am 12. Februar 2021 dem Bundesrat als besonders eilbe- ist, auch während der Pandemie solche Veranstaltungen dürftig zugeleitet worden. Trotz dieser besonderen Eil- abzusichern. Im Übrigen gibt es fast 100 Fälle von be- bedürftigkeit hat es noch mal knapp vier Wochen sonders schwerem Landfriedensbruch; das ist die zweit- gedauert, bis das Bundeskanzleramt am 9. März 2021 stärkste Kategorie. diesen Gesetzentwurf auch dem Bundestag zugeleitet Insgesamt begrüßt die CDU/CSU, dass der Bundestag hat. Werte Kollegen, kann man alles so machen, sollte das entsprechende Übereinkommen des Europarates aus man aber nicht. Selbst in solchen Kleinigkeiten zeigt (B) dem Jahr 2016 in das Gesamtgefüge dieser Präventions- sich die Unfähigkeit des BMI und des Bundeskanzler- (D) arbeit einfügt und die entsprechenden gesetzlichen Rege- amtes – trotz eines Stellenaufwuchses von 280 Mitarbei- lungen für Deutschland beschließt. Ich bitte herzlich um tern im Kanzleramt und 739 Stellen im Innenministe- Ihre Zustimmung. rium. Was bekommt der Bürger dafür? Impfchaos und Endlos-Lockdown. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU) Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Das Schlimms- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: te an einem dreiwöchigen Lockdown sind die ersten Vielen Dank, Kollege Michael Brand. – Für die AfD- sechs Monate. Fraktion macht sich bereit der Abgeordnete Jörn König. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bitte schön, Sie haben das Wort. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Jörn König (AfD): Vielen Dank, Kollege König. – Der nächste Redner ist Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! der Kollege Mahmut Özdemir für die SPD-Fraktion. Liebe Zuschauer auf den Tribünen und an den Bildschir- men! Heute geht es um einen Gesetzentwurf der Bundes- (Beifall bei der SPD) regierung, der vor allem ein politisches Signal ist. Der Europarat aus 48 Staaten hat ein Übereinkommen verab- Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): schiedet, mit dem die Sicherheit von Sportveranstaltun- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und gen länderübergreifend gewährleistet werden kann und Kollegen! Zu so später Stunde ist das die zweite sport- soll. Praktische Auswirkungen sind nicht vorhanden, da politische Debatte an diesem Abend. Sportgroßveranstal- auf diesem Gebiet Deutschland bereits seit Langem im tungen, Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen Sinne der Übereinkunft handelt. Wir werden daher hier brauchen Sicherheit. Es ist gut, dass wir hier über ein natürlich zustimmen. Vertragsgesetz reden. Wir haben gerade gehört, die Bun- Auch kritische Punkte wie eine eventuelle Weitergabe desregierung habe so lange gebraucht, um ein solches personenbezogener Daten deutscher Bürger an andere Vertragsgesetz umzusetzen. Das hängt auch damit zu- Staaten unterliegen der deutschen Gesetzgebung und sammen, dass wir hier in Deutschland ein hohes Maß hier auch der DSGVO. Dies hat Staatssekretär Mayer in an Datenschutz, ein hohes Maß an Sicherheit und auch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28059

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) ein hohes Maß an Verkehrssicherheit unserer Veranstal- gegen rechtsradikale Fans, zum Beispiel HooNaRa, Hoo- (C) tungen vom Sport über die Kultur bis zu Bürgerfesten ligans, Nazis und Rassisten. Menschen mit solch einer haben, und das ist auch gut so. Gesinnung dürfen nicht ins Stadion – leider ist das vor- gekommen; wir erinnern uns an die Trauerfeiern in den (Beifall bei der SPD) Fanblocks in Chemnitz und auch Cottbus, teilweise mit Alle Handelnden wollen sportlichen Erfolg; sie wollen europäischer Solidarität bis nach Prag –; sie dürfen nicht Vergnügen, Erlebnisse, berufliche und wirtschaftliche im Fanblock stehen, und sie dürfen erst recht nicht einen Vorteile. Sicherheit ist dabei ein Versprechen des Staates. Ordnungsdienst bei diesem Verein organisieren. Das Vorschriften, Kontrollen und auch Einsatzkräfte garantie- müssen wir strategisch genau betrachten, unter Einbezie- ren, dass jedes erlaubte Risiko nur so viele Auflagen hung aller Sicherheitsbehörden, auch mit dem Bundes- erhält wie notwendig. So konnte mein Vater – vielleicht amt für Verfassungsschutz, liebe Kolleginnen und Kol- hört er jetzt zu auf der Arbeit oder hat gerade Pause – mit legen. mir ins Wedaustadion zum MSV Duisburg gehen. (Beifall bei der SPD) (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wo spielen die jetzt?) Wir brauchen einen konsequenten Umgang mit Gewalttätern, eine Nulltoleranzpolitik. Wer einmal im Wir sind gemeinsam hingefahren, mal mit Bus und Bahn, Stadion gewalttätig gewesen ist, darf nie wieder ein Sta- mal mit dem Auto; wir standen im Stadion dicht an dicht dion von innen sehen. Das ist meine persönliche Über- mit Ultras, mit Familien und haben gemeinsam den MSV zeugung. Wir müssen auch unterbinden, dass sich Fang- Duisburg angefeuert und sind dann von Polizisten, von ruppen „zufällig“ oder, besser gesagt, geplantermaßen an Ordnern durch die Menschenmenge auch wieder sicher Bahnhöfen treffen, um wechselseitig Körperverletzungen nach Hause geleitet worden. Das einzig Risikobehaftete auszutauschen, landläufig auch als Schlägereien unter an einem besonderen Tag, an den ich mich erinnere, war Hooligans bekannt, während andere, Familien, Reisende, die Beichte daheim, als der kleine Mahmut, der den Eck- Studierende, Schülerinnen und Schüler oder auch stoß aus nächster Nähe verfolgen wollte, seinem Vater Wochenendreisende, den Bahnhof in Frieden nutzen wol- abhandenkam und dann vom Stadionsprecher ausgerufen len. Das geht nicht. Auch da müssen wir mit unseren worden ist. Dass ein Vater nach dem Spiel sein Kind Polizeikräften entsprechend vor Ort sein. suchen muss, ist das einzige Risiko in einem deutschen Fußballstadion. Unser Versprechen ist: Wir wollen staatliche Sicher- heit auf Kosten der Allgemeinheit, soweit es der Allge- (Beifall des Abg. Timon Gremmels [SPD]) meinheit dient. Wir wollen aber Kostentragung dort, wo Mit diesem Abkommen verbessern wir die Zusammen- auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielt werden, (B) arbeit und die polizeilichen Strategien, Einsatzkräfte zu damit von der Familie bis zu den Fans und den Ultras (D) schulen und die Vernetzung von Polizeikräften, Rettungs- im Stadion alle gemeinsam ihren Verein anfeuern und kräften, aber auch privaten Kräften herzustellen. Eine das sportliche Großereignis sportartunabhängig genießen präzise Einschätzung des Risikos ist hierbei wichtig und können. notwendig. Das erreichen wir, indem wir bestmögliche Ich bitte um Zustimmung zu dem Vertragsgesetz und Informationsaustausche nach dem höchsten Sicherheits- wünsche noch einen schönen Abend, liebe Kolleginnen standard und dem höchsten Datenschutz gewährleisten. und Kollegen. Ich habe gerade dargestellt, dass unsere Sportgroßver- Vielen Dank. anstaltungen neben dem gesellschaftlichen Nebeneinan- der schon ein hohes Maß an Sicherheit genießen. Aber (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wir stehen auch hier vor Herausforderungen, und diese der CDU/CSU) Herausforderungen möchte ich kurz aufzeigen. Im Zusammenhang mit Hochrisikospielen werden die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Sicherheitskosten immer mal wieder diskutiert. Ein höhe- Vielen Dank, Kollege Özdemir. – Die nächste Redne- res Risiko, das vom Staat abgedeckt wird, während rin: für die FDP-Fraktion die Kollegin Britta Dassler. Gewinne und Umsätze privatisiert werden, lehnen wir als SPD allerdings ab. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Britta Katharina Dassler (FDP): Wir sehen, dass das Land Bremen hier einen besonderen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da- Weg gegangen ist, nämlich Vereinen zusätzliche Sicher- mit der Sport im Vordergrund stehen kann, muss die heitskosten über Gebühren in Rechnung zu stellen. Ich Sicherheit bei Sportveranstaltungen gewährleistet sein. finde, das ist grundsätzlich ein gangbarer Weg, der der- Das bedeutet: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass zeit auch richterlich geprüft wird. Vom Bundesverwal- Schutz und Hilfe für Zuschauer in den Stadien jederzeit tungsgericht ist schon ein grundsätzlich positives Signal und überall sichergestellt sind. erfolgt; eine bundesverfassungsgerichtliche Rechtspre- chung hierzu steht allerdings noch aus. Ich hatte als Kind, lieber Mahmut, mit meinem Papa eine Dauerkarte für Borussia Mönchengladbach. Damals Ich komme zum Thema „Rechtsextremismus im Fan- war alles friedlich; block“. Ich finde, hier ist der Informationsaustausch be- sonders wichtig, gerade auch im Hinblick auf den Kampf (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Na ja!) 28060 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Britta Katharina Dassler (A) doch heute ist die Zeit anders. Denken wir an die Gewalt Recht. Das erste Abkommen zu diesem Thema wurde (C) in Fußballstadien, so stellen wir fest: Im Rahmen inter- 1985 im Europarat verabschiedet und satte 20 Jahre spä- nationaler Wettbewerbe gibt es neben gewaltbereiten ter in innerstaatliches Recht in Deutschland übertragen. Gruppen auch immer wieder Fälle von fragwürdigen So lange dauerte es bei keinem anderen Land in Europa. Polizeieinsätzen gegen friedliche Fans. Internationale Auch das Folgeabkommen des Europarates über einen Sportgroßveranstaltungen benötigen deshalb dringend ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienst- ein Sicherheitsupdate. leistungen bei Fußballspielen und anderen Sportverans- Die Freien Demokraten begrüßen die im Gesetzent- taltungen vom Juli 2016 ist schon in 20 Staaten in Kraft wurf vorgelegte und angestrebte Verbesserung in Bezug getreten. Auf meine Frage im Sportausschuss, warum das auf eine grenzübergreifende Vernetzung nationaler in Deutschland so lange dauert, erwiderte das BMI, dass Sicherheitsbehörden sowie polizeiliche Einsatzstrate- das Gesetz rechtlich und für die praktische Arbeit ohne gien, die nicht nur effektiv, sondern auch verhältnismäßig Bedeutung sei, es ginge lediglich um ein politisches Sig- sein müssen. Der nun zur Abstimmung stehende Gesetz- nal gegenüber dem Europarat. Reden wir also heute über entwurf, den wir als Mitgliedstaat der EU als Vertragsge- ein unnützes Gesetz? setz ratifizieren müssen, erhöht allerdings nicht nur die Die zweite Merkwürdigkeit besteht im Gesetzge- Regelungsdichte; er erhöht vor allen Dingen auch die bungsverfahren selbst. Die Bundesregierung übergibt Kontrolldichte. Besonders hervorzuheben ist hierbei den Gesetzentwurf an das Parlament und verweist auf Artikel 11, der vorsieht, nationale Fußballinformations- die Eilbedürftigkeit, unter anderem mit der aus meiner stellen der Polizei einzurichten, um personenbezogene Sicht kuriosen Begründung, dass die Fußball-Europa- Daten auszutauschen. meisterschaft bevorstehe. Diese Europameisterschaft Wir erinnern uns: Im Europarat sind aber auch Dritt- sollte eigentlich 2020 stattfinden. Durch Corona erfolgte staaten wie Russland, Türkei, Kasachstan und Aserbaid- die Verschiebung auf Juni 2021. Warum kam der Gesetz- schan vertreten. Diese Länder haben oftmals ein anderes entwurf also nicht ein Jahr früher, wenn es so dringlich Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. gewesen ist? Wenn Die Linke nicht auf einer Debatte Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Wenn bestanden hätte, wäre dies alles lautlos durchgegangen. ein Austausch personenbezogener Daten unter Vertrags- Die dritte Merkwürdigkeit betrifft den Artikel 11 des staaten stattfindet, müssen vorher klare Regelungen gel- Übereinkommens, also die internationale Zusammenar- ten, wie und in welchem Ausmaß Daten gesammelt und beit von staatlichen Sicherheitsbehörden und privaten übermittelt werden. Sicherheitsunternehmen einschließlich des Austausches (Beifall bei der FDP) von Daten, zum Beispiel über potenzielle Gewalttäter. Hier geht es dann auch um die zu Recht heftig umstrittene (B) Ich komme zum Schluss. Wir Freie Demokraten stim- Datei „Gewalttäter Sport“ der Zentralen Informations- (D) men diesem Gesetzentwurf zu, weil laut Aussage von stelle Sporteinsätze. Wie problematisch diese polizeiliche Ihnen, Herr Staatssekretär Mayer, im Innenausschuss – Datenbank ist, wurde bereits in verschiedenen Kleinen mir haben Sie es gestern im Sportausschuss auch noch Anfragen der Linken und der Grünen deutlich. Angeblich einmal erklärt – sichergestellt ist, dass datenschutzrecht- soll es ja keine Übermittlung von Daten zu Personen an liche Grundprinzipien wie Transparenz, Datenminimie- ausländische Behörden gegeben haben. Laut dem Über- rung und Speicherfristen eingehalten werden. Sie haben einkommen ist dies aber möglich. auch gesagt: Grundlage sind immer schon bestehende bilaterale und multilaterale Polizeiverträge. Wir entschei- Mein Fazit: Gegen mehr Sicherheit, Service und Erleb- den in Deutschland immer selber, an wen wir welche nisqualität für die Besucherinnen und Besucher interna- Daten weitergeben. tionaler Sportveranstaltungen gibt es aus Sicht der Linken nichts einzuwenden, erst recht nicht, wenn auch Insofern gibt es Zustimmung von unserer Seite. Wir die Belange der im Umfeld der Veranstaltungen lebenden Freie Demokraten begleiten diesen Prozess konstruktiv. Menschen angemessen berücksichtigt werden. Vieles in Die letzten sechs Sekunden schenke ich Ihnen. – Vie- diesem Übereinkommen ist sinnvoll; aber es bleiben Fra- len Dank. gen, die nicht hinreichend geklärt sind. Deshalb wird sich Die Linke bei der Abstimmung über diesen Gesetzent- (Beifall bei der FDP) wurf der Stimme enthalten. Gestatten Sie mir abschließend zwei Anmerkungen zu Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: aktuellen Fragen, die durchaus auch etwas mit dem hier Vielen Dank; darüber freuen sich alle. – Der nächste zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf zu tun haben. Redner ist der Abgeordnete Dr. André Hahn für die Frak- Zum einen halte ich das Vorhaben der UEFA hinsichtlich tion Die Linke. der geplanten Fußball-Europameisterschaft, in zwei (Beifall bei der LINKEN) Monaten Spiele in zwölf Staaten und mit Beteiligung von Zuschauern in den Stadien durchzuführen, ange- sichts der aktuellen Coronalage für abenteuerlich. Das Dr. André Hahn (DIE LINKE): Gesetz ist offenbar kein geeignetes Instrument, um diesen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor- Wahnsinn zu stoppen. liegende Gesetzentwurf ist in mehrerlei Hinsicht merk- würdig, erstens hinsichtlich der Zeiträume von der Ver- abschiedung eines Übereinkommens im Europarat bis zur Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Inkraftsetzung dieses Übereinkommens in nationales Herr Kollege. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28061

(A) Dr. André Hahn (DIE LINKE): dien ist bei Weitem noch nicht gegeben. Fans werden (C) Ja, Herr Präsident. – Letztlich glaube ich, wir dürfen immer noch von der Polizei in ihrer Bewegungs- und nicht länger kritiklos zusehen, wie aus Profitgier und Reisefreiheit bei An- und Abreise zu Fußballspielen ein- ohne Rücksicht auf die bestehenden Fußballstrukturen geschränkt, und die Polizei sammelt weiterhin viel zu und die Gesundheit der Sportler immer mehr europäische viele Daten von Fußballfans in der sogenannten Datei Wettbewerbe im Profifußball aufgebläht oder gar neu „Gewalttäter Sport“; das wurde schon angesprochen. erfunden werden, für deren Sicherheit dann der Steuer- Selbst während der Geisterspiele, bei denen keine Fans zahler aufkommen soll. Hier muss endlich ein klares im Stadion sind, werden weiterhin Daten gesammelt, wie Stoppzeichen gesetzt werden. Auch deshalb können wir meine Anfragen dazu in den letzten Monaten gezeigt dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. haben. Das ist wirklich absurd. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Wir sehen also: Es ist weiterhin viel zu tun. Das Über- Die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist einkommen bringt die Debatten aber hoffentlich weiter die Kollegin Monika Lazar, Bündnis 90/Die Grünen. voran; denn Fußballfans sind nicht das Problem, sondern (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Teil der Lösung. Vielen Dank. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) begrüßen das Europaratsabkommen ausdrücklich. Es beinhaltet viele Verbesserungen. Deshalb werden wir Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: dem Gesetzentwurf auch zustimmen. Warum das so viele Vielen Dank, Monika Lazar. – Die Kollegen Josef Jahre gebraucht hat, fragen wir uns allerdings auch; es ist Oster und Artur Auernhammer geben ihre Reden zu Pro- von verschiedenen Vorrednerinnen und Vorrednern schon tokoll.1) Herzlichen Dank dafür! Der Beifall ist berech- angesprochen worden. Ich habe in den letzten Jahren tigt. mehrfach bei der Bundesregierung nachgefragt, wann er endlich in den Bundestag kommt. Im Juli letzten Jahres (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der erhielt auch ich die Antwort: Das liegt an Corona. – Ich SPD und der FDP) finde, das ist eine sehr seltsame Begründung, wenn man Wir kommen zur schon drei Jahre lang Zeit dafür hatte, in denen es noch (B) kein Corona gab. Aber was soll’s! Die Inhalte stimmen. zweiten Beratung (D) Mit dem Übereinkommen sollen Fußballspiele und und Schlussabstimmung über den von der Bundesre- andere Sportveranstaltungen noch sicherer gemacht wer- gierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Überein- den; das ist gut. Besonders herauszuheben ist der Service- kommen des Europarats vom 3. Juli 2016 über einen und Dienstleistungsansatz, der mit dem neuen Überein- ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienst- kommen gestärkt werden soll. Die Regierungen werden leistungen bei Fußballspielen und anderen Sportverans- explizit in die Pflicht genommen, die lokale Bevölkerung taltungen. Der Ausschuss für Inneres und Heimat emp- und auch Fanvertreter/-innen in eine proaktive und regel- fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache mäßige Kommunikation einzubinden, wenn es um die 19/28507, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Planung von Sportveranstaltungen geht. Man merkt den Drucksachen 19/27413 und 19/28127 anzunehmen. dem Papier an, dass Fanvertretungen wie Football Sup- Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen porters Europe angehört wurden und deren Anregungen wollen, sich zu erheben. – Es erheben sich die CDU/CSU, auch teilweise eingeflossen sind. Das Übereinkommen, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP und die AfD. über das wir heute abstimmen, ist also deutlich progressi- Wer stimmt dagegen? – Es erhebt sich niemand. Wer ver als das Vorgängerübereinkommen; das begrüßen wir. enthält sich? – Die Fraktion Die Linke. Der Gesetzent- wurf ist damit angenommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 j auf: Einige der Leitgedanken werden in Deutschland teil- weise schon umgesetzt. Mit den Fußballfanprojekten ha- Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- ben wir ja hierzulande schon vorbildliche Strukturen, die gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur auf Dialog zwischen allen Beteiligten im Fußball setzen. Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes Sie vermitteln zwischen Fans, Vereinen, Verbänden und Drucksache 19/28182 Polizei. Diese Erfahrungen sollten auch auf europäischer Ebene verstärkt genutzt werden. In Baden-Württemberg Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) zum Beispiel wurden die Stadionallianzen eingeführt und Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz die am Fußball beteiligten Akteure auf lokaler Ebene mit Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft einbezogen. Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Viele weitere Leitprinzipien des Übereinkommens Für die Aussprache ist wiederum eine Dauer von sind in Deutschland allerdings noch nicht umgesetzt, 30 Minuten beschlossen. auch wenn die Bundesregierung im Gesetzentwurf ande- res behauptet. Eine umfassende Barrierefreiheit der Sta- 1) Anlage 8 28062 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt für die Fraktion Ein Aspekt – das ist der Kern des Insektenschutzge- (C) der SPD der Abgeordnete Carsten Träger. setzes – ist das Thema Lichtverschmutzung. Lächeln Sie nicht! Mehr als die Hälfte der Insekten sind nachtaktiv. (Beifall bei der SPD) Für sie ist es von großer Bedeutung, in einem Land zu leben, das im Dunkeln leuchtet. Fliegen Sie einmal bei Carsten Träger (SPD): Dunkelheit über die Republik. Dann werden Sie sehen: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Dieses Land strahlt. Es gibt einige Flecken, zum Beispiel Kollegen! Spät diskutieren wir über das Insektenschutz- in Thüringen, dem grünen Herz der Republik, wo es gesetz – zu später Stunde und reichlich spät in dieser nachts noch ein bisschen dunkler ist; aber wir kümmern Legislaturperiode. Immerhin hatten wir dieses Thema uns ja um das ganze Land. Deswegen ist es gut und schon in den Koalitionsverhandlungen auf dem Tableau. richtig, dass wir die Maßnahmen ergreifen. Es war eine gute Entscheidung, ein kluger Beschluss Es geht auch noch um andere Themen wie die Biotop- dieser Koalition, dass sie dieses Thema adressieren will; ausweitung, das Verbot von Bioziden in streng geschütz- denn es ist ein Thema von großer Tragweite. ten Naturschutzgebieten und, was mich besonders freut, Manche sagen vielleicht: Insekten interessieren mich um Natur auf Zeit. nicht. – Ich will Sie nur mit einer einzigen Zahl lang- Ich bin froh, dass dieses Thema in diesem Moment weilen: 1 Million Arten sind vom Aussterben bedroht ganz offiziell das Parlament erreicht hat. Ich lade Sie oder bereits ausgestorben. Ein großer Teil davon sind alle herzlich ein: Lassen Sie uns dieses Thema anpacken. eben Insekten. Was es heißt, wenn Insekten aussterben, Lassen Sie es uns schnell behandeln und auch noch durch können wir in asiatischen Ländern sehen, wo schon heute den Bundesrat bringen. Dann kommt es vielleicht spät, Bestäubungsleistungen per Hand und Pinsel durchgeführt aber nicht zu spät. werden müssen. Es entsteht also auch ein volkswirt- schaftlicher Schaden, ein Schaden, den wir gemeinsam Herzlichen Dank. verhindern sollten. (Beifall bei der SPD) (Beifall des Abg. Timon Gremmels [SPD]) Spät diskutieren wir. Aber ich bedanke mich ganz aus- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: drücklich beim Bundesumweltministerium und bei der Für die AfD-Fraktion ist der nächste Redner der Abge- Ministerin Svenja Schulze, die dieses Thema zu ihrem ordnete Stephan Protschka. Thema gemacht hat und schon lange Gas gibt bei diesem (Beifall bei der AfD) (B) Thema. Leider mussten wir noch ein bisschen auf das (D) Landwirtschaftsministerium warten; denn es ist verein- bart, dass wir das Thema Insektenschutz in einem Insek- Stephan Protschka (AfD): tenschutzpaket behandeln. Das eine ist eben das Insekten- Habe die Ehre, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und schutzgesetz; die Hausaufgaben wurden beizeiten Kollegen! Gott zum Gruße, liebe Gäste im Hohen Hause gemacht, hier liegt die Zuständigkeit beim Umweltminis- und zu Hause am Fernseher! Zunächst einmal Dank an terium. Das andere ist die sogenannte Pflanzenschutzmit- die Landwirte, die gestern gegen dieses verfehlte Insek- telanwendungsverordnung. Hier hat es ein bisschen län- tenschutzgesetz und für ihre Existenz demonstriert ha- ger gedauert. Aber wir freuen uns, dass auch das jetzt ben. Haltet durch, liebe Bauern. Denkt dran: Bald sind erledigt ist. Wahlen. Die Anwendungsverordnung wird das Parlament übri- Ich möchte mich zuerst auf die von Ihnen beabsichtigte gens nicht erreichen. Darüber entscheidet die Ministerin Ausweitung des gesetzlichen Biotopschutzes konzentrie- im Kabinett mehr oder weniger allein, und das wird dann ren. Sie wollen mit Ihrem Gesetz die landwirtschaftliche noch mit dem Bundesrat abgestimmt werden. Deswegen, Nutzung von extensiv bis mittelintensiv bewirtschafte- liebe Landwirte, wenn es das nächste Mal zu einer Demo tem Grünland und von Streuobstwiesen gesetzlich stark geht, dann lenken Sie Ihre Traktoren doch bitte zum einschränken. zuständigen Landwirtschaftsministerium und protestie- ren da. Da ist die Kritik gut adressiert. Ich halte es auch (Rainer Spiering [SPD]: Es hat Vorteile, wenn für richtig, dass sich das zuständige Ministerium um die man gut ablesen kann!) Belange der Landwirtschaft kümmert; denn dort sitzen Dabei waren es die Bauern, die über die Jahrhunderte der Sachverstand und die Expertise. Mit seinem Fachver- diese Elemente unserer schönen Kulturlandschaft ständnis und mit seiner Weisheit wird es diese Republik geschaffen, erhalten und gepflegt haben. erfreuen. Was macht das Umweltministerium? Was macht das (Beifall bei der AfD) Insektenschutzgesetz? Darin werden die Aspekte behan- Diesen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentums- delt, die nicht mit der Landwirtschaft zu tun haben. Insek- rechte der Bauern lehnen wir ab und sagen deutlich in tensterben ist kein Problem, bei dem die Verantwortung Richtung der schwarz-roten Koalition: Finger weg vom allein bei der Landwirtschaft zu suchen ist. Nein, das ist Eigentum der deutschen Bauern! Staatliche Eigentums- ein gesamtgesellschaftliches Problem. Hier gibt es eine eingriffe sind hier völlig fehl am Platz. ganze Reihe von Aspekten, um die wir uns kümmern müssen. (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28063

Stephan Protschka (A) Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Alternative für (Lachen des Abg. Rainer Spiering [SPD] – (C) Deutschland räumt dem Artenschutz einen sehr, sehr Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP]) großen Stellenwert ein, aber Artenschutz ist nur gemein- sam mit der Landwirtschaft möglich und nicht gegen sie, – Ja, lassen Sie mich bitte schön ausreden. Dann erkläre ich es Ihnen ganz freundlich. Man muss nicht unbedingt (Christian Dürr [FDP]: Aber warum waren Sie schreien. Es geht auch in einer vernünftigen Sprache. dann für das Glyphosatverbot, Herr Kollege?) Aber anscheinend ist das bei der FDP nicht mehr mög- wie es die schwarz-rote Koalition macht. Wir setzen des- lich. halb bewusst auf Anreize anstatt auf Verbote. Die Frau Kollegin hat geschimpft, dass der ehemalige (Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP]) Landwirtschaftsminister Christian – jetzt habe ich den Namen vergessen – Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es gibt einige wenige wissenschaftliche Studien, die Indizien für einen (Zuruf von der SPD: Schmidt!) allgemeinen Insektenrückgang aufzeigen. – Schmidt – danke – das ohne Zustimmung der SPD (Christian Dürr [FDP]: Wie lächerlich ist das gemacht hat. Er hätte sich eigentlich enthalten müssen. denn?) Das hat die Kollegin Weidel kritisiert. Auch ich habe kritisiert, dass er das gemacht hat. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ganz Kein Aufruhr. Das Wort hat der Kollege Protschka. schönes Rumgeeiere, was Sie hier machen!) (Christian Dürr [FDP]: Darf ich eine Zwi- Sie können das gerne googeln. Das ist heute kein Pro- schenfrage stellen?) blem.

Stephan Protschka (AfD): (Christian Dürr [FDP]: Nein zu Glyphosat, hat Das Datenmaterial ist jedoch sehr dünn und nicht ohne sie gesagt!) Widersprüche. So hat das Deutsche Zentrum für integra- Das hat sie gepostet; das können Sie gerne googeln. Dann tive Biodiversitätsforschung beispielsweise erst kürzlich ist das auch entsprechend getan worden. – Danke schön. in einer Studie festgestellt, dass der Bestand bei Land- insekten zwar tendenziell rückläufig sei, beim Bestand an Wie Sie alle wissen, gibt es bislang auch überhaupt Süßwasserinsekten dafür Zuwächse zu verzeichnen sind. keine wissenschaftliche Forschung zu den Ursachen des Insektenrückgangs. Es ist noch völlig unbekannt, wel- (B) chen Einfluss die Landwirtschaft auf den vermeintlichen (D) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Insektenrückgang wirklich hat. Niemand der hier Anwe- Herr Kollege Protschka, der Kollege von der FDP senden kann wissen, ob die von Ihnen beabsichtigten Ver- möchte eine Zwischenfrage stellen. bote überhaupt einen positiven Einfluss auf die Insekten- populationen haben werden. Das ist Fakt, meine Damen Stephan Protschka (AfD): und Herren. Ja. Was wir jedoch ganz genau wissen, ist, dass die beab- sichtigten Auflagen und Verbote die deutschen Bauern Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: finanziell massiv belasten werden und zu erheblichen Bitte schön. Ertragsverlusten führen. Ihre geplanten Maßnahmen wer- den viele kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe Christian Dürr (FDP): zum Aufgeben zwingen. Außerdem werden wir künftig Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege noch mehr Lebensmittel als bisher aus Ländern importie- Protschka, da Sie gerade das Loblied auf die deutsche ren müssen, in denen Umweltschutz und Artenschutz in Landwirtschaft gesungen haben, würde ich gerne wissen, der Regel keine Rolle spielen. Wollen Sie das? Wir defi- warum Ihre Partei beim Thema Glyphosatverbot der Vor- nitiv nicht. reiter war. Ihre Fraktionsvorsitzende hat dazu Facebook- (Beifall bei der AfD) Posts gemacht. Sie waren derjenige, der sich im Aus- schuss dafür ausgesprochen hat. Inwiefern stehen Sie Wir fordern deshalb, dass vor allen von Ihnen beabsich- für die deutschen Landwirte, Herr Kollege Protschka? tigten Verboten eine solide wissenschaftliche Ursachen- Wenn Sie so etwas im Ausschuss sagen, so etwas posten forschung zum Insektenrückgang in Deutschland erfolgt, und dann eine solche Rede halten, dann passt das nicht die auch nicht landwirtschaftliche Ursachen berücksich- zusammen, Herr Kollege. tigt. Für uns ist klar, dass effektiver Artenschutz nur ge- meinsam mit wirtschaftlich starken bäuerlichen Fami- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lienbetrieben funktioniert. der CDU/CSU und des Abg. Rainer Spiering [SPD]) In diesem Sinne können wir Ihren Gesetzentwurf nur ablehnen; denn wir wollen Deutschland, aber normal. Stephan Protschka (AfD): Vielen Dank, meine Damen und Herren. Lieber Herr Kollege, ich würde Ihnen gerne zuerst ein- mal beibringen, lesen zu lernen. (Beifall bei der AfD) 28064 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael (C) Für die Fraktion der CDU/CSU ist der nächste Redner Theurer [FDP]: Das war toll! Gute Frage!) der Abgeordnete Dr. Klaus-Peter Schulze. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Schönen Dank für die Frage. – Bei uns werden die Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Abläufe so sein wie bisher immer: Wir werden eine Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mei- Anhörung haben – dazu hat auch Ihre Fraktion einen ne sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt sind sie Fachgutachter eingeladen –, und im Ergebnis dieser endlich angekommen, die Schaben, Flöhe, Läuse, Silber- Anhörung, die am kommenden Montag stattfindet, wer- fischchen, Motten. Sie alle sind im Deutschen Bundestag den wir uns mit dem Koalitionspartner zusammensetzen angekommen, aber Sie müssen jetzt nicht den Kammer- und überlegen, wie wir mit dem Entwurf, den die Regie- jäger bestellen; denn ich meine das im übertragenen Sin- rung eingebracht hat, weiter verfahren. Und ich glaube, ne. auch hier gilt das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetzent- wurf verlässt den Bundestag so, wie ihn die Regierung Ich wollte mit diesem Einstieg klarmachen, dass es eingebracht hat. Lassen Sie sich überraschen! nicht nur um Schmetterlinge, Käfer, Wildbienen und Hummeln geht, sondern um viel, viel mehr – der Kollege (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Träger ist ja darauf eingegangen –: Es gibt 30 Insekten- des Abg. Carsten Träger [SPD] – Dr. Gero ordnungen – oder 32; darüber streiten die Taxonomen – Clemens Hocker [FDP]: Ja, das machen und mehr als 1 Million Arten, 30 000 davon in Deutsch- wir! – Michael Theurer [FDP]: Das wollen land. Aber es ist in der Tat so, dass wir global gesehen und wir beim Bevölkerungsschutzgesetz mal se- auch hier in Europa einen deutlichen Rückgang haben. hen!) Es ist falsch, lieber Kollege Protschka, dass wir die Ursachen für diesen Rückgang nicht kennen; die sind Ein Thema ist also die Veränderung der Landschafts- bekannt. Schauen Sie in der Literatur nach! Da kann ich struktur. Da will ich Ihnen mal ein Beispiel nennen: In Ihnen viele Stellen zeigen. den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Rinder mit Weidezugang um 1 Million gesunken. Das entspricht Was wir aus meiner Sicht in der Diskussion falsch umgerechnet etwa einer Insektenbiomasse von 100 Mil- machen, ist, dass wir uns auf zu wenige Ursachen kon- lionen Kilogramm, die damit verloren gegangen sind. zentrieren. Es ist in der Tat so, dass die Landwirtschaft und der Pestizideinsatz eine Ursache sind, aber es gibt Ein weiteres Beispiel haben wir im Fachgespräch zur Auswirkung regenerativer Energien auf die Biodiversität (B) noch eine ganze Reihe andere. Ich möchte mal auf (D) zwei, drei Punkte eingehen. im vergangenen Monat im Umweltausschuss diskutiert. Frau von Haaren hat uns vorgerechnet, dass man mit Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: 100 Hektar Biogaspflanzen die gleiche Energiemenge schaffe wie mit 2 Hektar Photovoltaik. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Ja, bitte. Es war sicherlich richtig, in den 2000er-Jahren – als Rot- Grün an der Regierung war –, um das in die Gänge zu bringen, diesen Weg zu gehen. Aber wir müssen jetzt Dr. Gero Clemens Hocker (FDP): langsam – und das werden wir in dieser Legislatur natür- Vielen Dank, verehrter Herr Kollege Schulze, dass Sie lich nicht schaffen – aus diesem Bereich herauskommen, diese Zwischenfrage zulassen. um den Flächenentzug zu minimieren und zukünftig Nachdem es einen Kabinettsbeschluss zwischen Um- mehr Fläche zur Verfügung zu haben. Damit nimmt weltministerium und Landwirtschaftsministerium gege- auch der Druck auf die Intensivierung der Landwirtschaft ben hat, gab es einen Brief von der Kollegin Connemann weiter ab; damit könnten wir einen Beitrag leisten. und dem geschätzten Kollegen Stegemann an die Kol- legen der Fraktion; darin haben sie formuliert, dass dieser Einen dritten Punkt will ich noch ansprechen – das Kompromiss, der jetzt im Kabinett gefunden wurde, ja wird in der Diskussion völlig verkannt, obwohl die Worte noch im Deutschen Bundestag diskutiert werden müsse „Klimawandel“ und „Wetterveränderung“ ja ständig eine und zentrale Punkte so nicht mitgetragen werden könn- Rolle spielen –: Es ist bekannt, dass, in Mitteleuropa ten. Dieser Brief ist nun schon über zehn Wochen alt. zumindest, also auch in Deutschland, die Winter einen Deswegen möchte ich von Ihnen heute gerne wissen, entscheidenden Einfluss darauf haben, wie sich die Insek- welche konkreten Vorschläge tenpopulation im darauffolgenden Jahr entwickelt. Insek- ten, die in verschiedenen Stadien über den Winter kom- (Michael Theurer [FDP]: Genau!) men, werden von Ektoparasiten belegt. Wenn wir milde aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den letzten Winter haben, wie das in den letzten Jahren sehr häufig zehn Wochen formuliert worden sind und welche dieser war, werden diese Ektoparasiten nicht ausgemerzt. Die Punkte, die existenziell für die Zukunft der Landwirt- Folge ist, dass die Insektenpopulation im nächsten Jahr schaft in Deutschland sind, Eingang in den Gesetzent- deutlich geringer ist. Das hat Herr Reichholf in einer sehr wurf finden werden. guten, sehr umfangreichen Arbeit in Niederbayern von Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28065

Dr. Klaus-Peter Schulze (A) 2010 bis 2020 sehr gut analysiert. Da kann man auch Dieser Gesetzentwurf adressiert eine Ideologie und (C) noch zu anderen Fragen des Artenrückgangs bei den möchte den Pflanzenschutzmitteleinsatz, den integrierten Insekten nachlesen. Ackerbau, der heute in der Landwirtschaft Standard ist, unmöglich machen. Dass heute keine der beiden Minis- Es gibt also nicht nur die Studie in Krefeld, es gibt auch terinnen dieser Debatte beiwohnt, ist ein ganz schwaches andere Studien. Mit diesen Studien, meine sehr verehrten Bild Damen und Herren, haben wir eine gute Basis, auf der wir weitermachen können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD) Ich freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. bei so weitreichenden Einschränkungen, wie sie hier vor- Herzlichen Dank. gesehen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Statt die Befunde zu adressieren und hier Maßnahmen ordneten der SPD) vorzunehmen, um die Tierhaltung noch mal zu stärken, macht das Umweltministerium seit Jahren nichts anderes, als der Tierhaltung Steine in den Weg zu legen, sei es bei Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: der TA Luft für die Stallhaltung, sei es beim Wolfsma- Vielen Dank, Kollege Klaus-Peter Schulze. – Nächste nagement für die Weidehaltung. Man könnte noch viele Rednerin für die FDP-Fraktion ist die Kollegin Carina andere Dinge aufzählen, die zu tun wären. Stattdessen Konrad. werden in Zukunft auch noch die Regelungen für den (Beifall bei der FDP) integrierten Ackerbau verschärft. Das wird Existenzen in der Landwirtschaft ruinieren. Das wird die Nahrungs- mittelversorgung mit gesunden, regionalen Nahrungsmit- Carina Konrad (FDP): teln gefährden. Das machen wir Freien Demokraten nicht Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und mit. Kollegen! Täglich gehen 56 Hektar Flächen verloren; das entspricht 76 Fußballfeldern. Das sind Flächen, die dann (Beifall bei der FDP) weder für den Naturschutz noch für die Landwirtschaft Es ist bemerkenswert – das will ich hier ausdrücklich zur Verfügung stehen. Das sind fehlende Flächen, die die sagen –, dass zu dem Kabinettsbeschluss, dem Gesetzent- Spannung zwischen Ökologie und Ökonomie verschär- wurf, den wir hier heute diskutieren, von der Bundesland- fen. Und das sind fehlende Flächen für die Biodiversität, wirtschaftsministerin eine Protokollerklärung abgegeben für die Artenvielfalt und natürlich auch für die Insekten. wurde, in der sie quasi die Unfähigkeit der CDU/CSU (B) dokumentiert, in dem Gesetz wesentliche Veränderungen (D) Doch all das adressiert der vorliegende Gesetzentwurf herbeizuführen, die für einen Ausgleich zwischen Land- nicht, und das ist falsch. wirtschaft und Naturschutz sorgen. Das ist fatal. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ingrid (Beifall bei der FDP) Pahlmann [CDU/CSU]) Das zerstört Vertrauen, das zerstört Vertrauen in die Poli- Was wir sehen, was wir heute diskutieren, ist ein Gesetz- tik, das zerstört übrigens auch, einen Ausgleich zwischen entwurf, der sich wissenschaftlich auf ganz, ganz dünnem diesen wichtigen Schutzgütern zu finden. Es wird drama- Eis bewegt. Ich will Ihnen auch erklären, warum. Was tische Folgen für die Landwirtschaft haben, wenn dieser wissen wir über den Rückgang von Insekten? Wir wissen, Gesetzentwurf von der CDU/CSU so mitgetragen wird. dass die Entwicklung bei den Arten unterschiedlich ist. Es gibt Arten, die haben positive Trends, es gibt Arten, (Beifall bei der FDP) die haben negative Trends, und es gibt auch Arten, bei deren Entwicklung keine Veränderungen festzustellen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: sind. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der Abgeordnete Ralph Lenkert hat das Wort für die Fraktion Die Linke. Es gibt Entwicklungen bei der Insektenbiomasse – und das ist das, worauf der Gesetzentwurf fußt –, die nach- (Beifall bei der LINKEN) denklich machen, die dramatisch sind. Bei der Zahl der Schwebfliegen und der Zahl der Schlupfwespen wird von Ralph Lenkert (DIE LINKE): Rückgängen bis zu 90 Prozent, zum Teil 95 Prozent, ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- sprochen. Das ist dramatisch. gen! Seit Jahren wird das Insektenschutzgesetz angekün- Da muss man sich doch mal fragen, woran das liegt. digt. Jetzt wird fünf Sitzungswochen vor Ende der Wahl- Und wenn man sich anguckt, woran das liegen kann, dann periode eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes in sieht man, dass diese Arten eines gemeinsam haben: Sie den Bundestag eingebracht. Auf umfassenderen Insek- brauchen nämlich als Nistfläche, als Brutfläche Kot, tenschutz konnten sich Union und SPD jedoch nicht eini- Dung und Stallmist. In den Regionen, wo das untersucht gen, wegen der Union. wurde, ist die Tierhaltung signifikant zurückgegangen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, die sie existiert dort quasi nicht mehr. Aber auch diesen Union schon wieder! Immer dieselben!) Befund adressiert der Gesetzentwurf nicht. Insektenpopulationen schwanken stark; aber der Rück- (Beifall bei der FDP) gang in den letzten Jahren ist unübersehbar. 28066 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Ralph Lenkert (A) (Beifall bei der LINKEN) Fünftens fordern wir Regelungen, die sicherstellen, dass (C) Die Linke will wirksamen Insektenschutz, der die mög- importierte Landwirtschaftsprodukte dieselben Standards lichen Ursachen berücksichtigt und sie mit entsprechen- wie einheimische Produkte erfüllen. den Maßnahmen angeht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Und nicht zu vergessen: Die von uns seit Jahren gefor- derte Weidetierprämie führt zu mehr Schafen, Ziegen und Ein einseitiges Schwarzer-Peter-Spiel zulasten der Land- Rindern auf unseren Weiden, hilft Schäferinnen und wirtschaft lehnt Die Linke ab. Schäfern und Bäuerinnen und Bauern und den Insekten. (Beifall bei der LINKEN) Verschiedene Probleme zusammen zu lösen, das ist linke Seit 1964 ist bekannt, dass viele Insekten wie Bienen, soziale ökologische Politik. Wespen, Termiten, Heuschrecken sich auch am Erd- Vielen Dank. magnetfeld orientieren. Ob und wie schädlich künftige (Beifall bei der LINKEN – Michael Theurer Magnetfelder, verursacht von Hochspannungsleitungen, [FDP]: Den Sozialismus in seinem Lauf halten induktiven Ladestationen und Funkmasten, für Insekten weder Ochs noch Esel auf!) sind, wurde bisher nicht wissenschaftlich untersucht. Die Linke fordert entsprechende Forschung. Zur Vorsorge sollten elektromagnetische Felder so weit wie möglich Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: reduziert werden. Nächste Rednerin für Bündnis 90/Grüne ist die Kolle- gin Steffi Lemke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Redensart „wird angezogen wie die Motten vom Licht“ kennt fast jeder. Trotzdem wurde zunehmende Lichtverschmutzung – also immer mehr künstliche Be- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): leuchtung der Umwelt – lange ignoriert. Inzwischen ist Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und die schädliche Wirkung von Licht – wie von Straßenlam- Kollegen! Seinen Ausgang nahm die heute zu disku- pen oder Leuchtreklamen, insbesondere mit Blautönen – tierende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im auf Insekten unumstritten. Leider verweist der Entwurf Koalitionsvertrag der Großen Koalition, in dem der nur auf mögliche Verordnungen des Umweltministe- Insektenschutz versprochen wurde. 2018 wurde ein Eck- riums. Die Linke fordert konkrete Emissionsgrenzwerte punktepapier für ein Aktionsprogramm Insektenschutz und eine Beteiligung des Bundestages an Verordnungen verabschiedet. 2019 wurde das Aktionsprogramm Insek- gegen Lichtverschmutzung. tenschutz vom Kabinett verabschiedet. Ich habe das (B) damals gelobt. Wir waren in einer Situation, die fast (D) (Beifall bei der LINKEN) schon ein Stück weit Euphorie für Naturschützer gewesen Zunehmender Fahrzeugverkehr, die Zersiedelung der ist: Wir hatten Volksbegehren für mehr Insektenschutz. Landschaft, auch wachsende Betonflächen in den Städten Wir hatten eine Agrarministerin, die die Biene als sys- und die Schottergärten: All dies trägt zum Rückgang der temrelevant erkannt hatte. Und wir hatten eine Umwelt- Insekten bei. Wir fordern mehr öffentlichen Personen- und eine Agrarministerin, die sich Arm in Arm ablichten nahverkehr, Grünflächen statt Beton und ein Verbot die- ließen und eine neue Diskussionskultur zwischen diesen ser Schottergärten. beiden Häusern implementieren wollten. (Beifall bei der LINKEN) (Michael Theurer [FDP]: Das war die Frau Künast, ne?) Aber auch die Landwirtschaft muss ihren Anteil leis- ten. Riesige Felder mit Monokulturen, zu viel Pestizid- Das ist alles verdammt lange her. Wir hatten 2020 dann einsatz und geringe Fruchtvielfalt sind Probleme, die zum einen Referentenentwurf für einen Insektenschutz, dem Insektenschutz gelöst werden müssen. die Agrarministerin nicht zugestimmt hat. Und wir haben jetzt eine Rumpfgesetzesänderung, eine Änderung des Damit Landwirtinnen und Landwirte dies auch leisten BNatSchG, in dem von den ursprünglichen Versprechun- können, fordert Die Linke erstens faire Erzeugerpreise gen für mehr Insektenschutz so gut wie nichts enthalten für Landwirtschaftsprodukte, ist. (Beifall bei der LINKEN) Da muss ich Frau Klöckner vor Ihnen, Frau Konrad, zweitens die Kompensation von Einnahmeausfällen, die wirklich in Schutz nehmen: In diesem Gesetzentwurf, durch neue Umweltauflagen entstehen, den wir hier heute Abend diskutieren, ist nicht der Unter- gang der Landwirtschaft enthalten. Das wäre im Übrigen (Beifall bei der LINKEN) auch nicht mein Wunsch; ich vermute, von niemandem drittens eine neue GAP-Struktur, damit Betriebe keine hier im Haus. Einnahmen verlieren, wenn sie dauerhaft Hecken und Aber wir hatten als Opposition die Erwartung, dass die Grünstreifen auf Ackerland anlegen. Bundesregierung das Versprechen einlöst, wirklich einen (Beifall bei der LINKEN) Ausgleich zu schaffen zwischen Insektenschutz, Natur- schutz und der Landwirtschaft, sei es finanziell, sei es Viertens müssen Zahlungen für ehemals freiwillige Um- durch einen breit angelegten Dialog mit Wissenschaft, weltleistungen erhalten bleiben. mit Landwirten, mit dem Naturschutz. Nada, von all die- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) sen Sachen hat nichts stattgefunden. Sie haben diesen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28067

Steffi Lemke (A) Prozess versenkt. Wir haben jetzt die Pflanzenschutz- Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete (C) Anwendungsverordnung, die wahrscheinlich von der Rainer Spiering. CDU/CSU noch weiter verändert wird. Wir haben das (Beifall bei der SPD) Rumpfgesetz beim BNatSchG. Nichts von dem reicht, um tatsächlich den Insektenschutz zu gewährleisten, den wir brauchen. Trotzdem haben wir Bauernproteste. Rainer Spiering (SPD): Sie haben die Aussöhnung in diesem Prozess wirklich Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- komplett versemmelt, und das mache ich Ihnen für den gen! Ich glaube, es ist an der Zeit, einiges richtigzustel- gesellschaftspolitischen Bereich massiv zum Vorwurf. len. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kollegin Lemke, ich kann das, was Sie hier vorgetra- Was in diesem Gesetzentwurf fehlt, ist, dass er in gen haben, durchaus nachvollziehen. Zur Richtigstel- irgendeiner Form Regelungen für die Normallandschaft lung – das auch an die Kollegin Konrad, weil ich finde, trifft. Er beschäftigt sich mit Schutzgebieten und grenzt eine partielle Vergewaltigung von Wissenschaft gehört dort den Pestizideinsatz in geringem Umfang ein – es ist sich nicht –: Wenn man „agrarheute“ vom August 2020 nicht mal viel –, aber für die Normallandschaft regelt gelesen hat, dann hat man dort die deutsche Metastudie dieser Gesetzentwurf überhaupt nichts. Auch das, was zum Insektensterben mitgeteilt bekommen, und zwar ursprünglich mal dringestanden hat, der Refugialflächen- vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitäts- ansatz, ist aus dem Gesetzentwurf verschwunden. Für die forschung. Die haben Daten aus 166 Studien ausgewer- Nichtexperten: Das sind Rückzugsorte, Ausgleichsorte, tet – diese Daten kommen vornehmlich aus Europa und wo sich Insekten vermehren können und nicht durch Nordamerika – und festgestellt, dass wir per anno eine menschliche Eingriffe tangiert werden. Es wird von Öko- Abnahme der Insektenzahl von 0,91 Prozent haben. logen massiv eingefordert, dass wir diese Flächen haben. Selbst für jemanden, der in der Addition oder Multipli- kation schwach ist, ist relativ schnell auszurechnen, wie Im Wasserhaushaltsgesetz regeln Sie die Gewässer- lange es dauert, bis das Insektensterben dazu geführt hat, randstreifen in einem nicht hinreichenden Umfang. dass dieser Planet nachhaltig geschädigt worden ist, und Selbst bei der Lichtverschmutzung – ich habe mich über- ich finde, das darf man auch mal in so einer Diskussion zeugen lassen, dass es gut ist, das in diesem Gesetzent- sagen und akzeptieren. wurf zu regeln – springen Sie zu kurz, indem Sie den Betrieb von Himmelsstrahlern nicht über den gesamten (Beifall bei der SPD) Sommer untersagen, sondern einen Ausnahmemonat er- Immer die Fakten querreden hilft uns kein Stück weiter. möglichen. Völlig unverständlich! Zum Kollegen Protschka, den ich ja gestern vor dem (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburger Tor erlebt habe – auch nicht gerade zu (D) sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) meiner sonderlichen Freude –: Es wäre schon angenehm, Wenn ich mehr Redezeit hätte, könnte ich diese Auf- wenn er zwischen dem Insektenschutzgesetz, das wir hier zählung fortsetzen. heute Abend debattieren, und der Pflanzenschutzverord- nung unterscheiden könnte, was ihm offensichtlich über- haupt nicht gelingt. – Selbst den Landwirten ist gestern Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Nachmittag aufgefallen, dass der Herr Protschka von Ja, aber nur dann. einem Thema redet, das ihm offensichtlich überhaupt nicht zugänglich ist. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt drehen wir mal die Runde: Beim Insektenschutz- Aber die habe ich leider nicht, Herr Präsident. gesetz – und dann muss ich auch mal auf meine Lands- mannschaft hinweisen – ging es uns in Niedersachsen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auch darum, den Niedersächsischen Weg klarzumachen. Allerdings. Im Insektenschutzgesetz ist eine Länderöffnungsklausel geregelt und festgelegt. Das ist der Weg des Landes Nie- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dersachsen, der Vertragsnaturschutz beinhaltet, unter der Deshalb: Versuchen Sie wenigstens, jetzt noch zu ret- Regierung Weil ausgehandelt worden ist und sicherstellt, ten, was für den gesellschaftlichen Bereich zu retten ist, dass die Arbeit für den Vertragsnaturschutz entlohnt wird. und zerlegen Sie sich weder in der Koalition noch inner- Das ist der richtige Weg. Das Land Niedersachsen stellt halb der CDU/CSU weiter, wenn es um Naturschutz und dafür pro Jahr 120 Millionen Euro reine Landesmittel zur Landwirtschaft geht! Verfügung. Im Insektenschutzgesetz ist nachhaltig fest- gelegt, dass wir genau das tun können. Danke. Jetzt komme ich mal zur Pflanzenschutzverordnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist – auch noch mal zur Erklärung für Herrn Protschka – nicht die Aufgabe des Gesetzgebers hier Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: heute Abend, sondern das ist eine reinrassige Aufgabe Das ist das Problem, wenn man so viel Zwischenbeifall des Ministeriums. kriegt; das frisst Redezeit. Jetzt zum Ministerium. Irgendjemand hat hier eben (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rumgemault, dass weder die Staatssekretärin noch die Trotzdem schön!) Ministerin der SPD anwesend sind. Beide sind in Qua- 28068 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Rainer Spiering (A) rantäne. Ich hoffe, Frau Kollegin Konrad, dass Sie Ver- Beides gehört zwingend zusammen. Alleine können wir (C) ständnis dafür haben, dass die beiden Frauen ihrer Ver- das einfach nicht betrachten; denn Insektenschutz und antwortung gerecht werden. Landwirtschaft gehören und passen zusammen, und das ist entgegen einiger Reden heute ganz und gar kein (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Widerspruch. bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich hoffe, Sie würden das im Vergleichsfall auch tun. Insektenschutz und Landwirtschaft gehen nur zusam- men. Unsere Bäuerinnen und Bauern wollen das, und Bei der Pflanzenschutzverordnung wird die Ministerin unsere Bäuerinnen und Bauern können das, schon aus dafür sorgen müssen – da bin ich als Niedersachse übri- ganz eigenem Interesse. Das beweisen sie jeden Tag, gens auch im Wort –, dass der Niedersächsische Weg und das ganz freiwillig: offenbleibt. Jetzt teile ich Ihnen mal einige Dinge mit, wo das auch sichergestellt ist, weil die Ministerin das (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. tatsächlich auf Druck des Landes Niedersachsen mit rein- Karsten Hilse [AfD]) verhandelt hat: durch Agrarumweltmaßnahmen auf jedem vierten Hektar Verbot der Anwendung in Gebieten mit Bedeutung für in Deutschland, hinzu kommen Vertragsnaturschutz, Naturschätze. Einschränkungen beziehen sich von vorn- Kompensation und Landschaftselemente. 2020 waren herein nur auf bestimmte Pflanzenschutzmittel. Auf 1,4 Millionen Hektar im Greening. Alleine daraus erge- Ackerflächen gelten sie nur in Naturschutzgebieten. Der ben sich Blühstreifen, die in einer Breite von 5 Metern entscheidende Satz lautet: Auf Ackerflächen in FFH- zehnmal um unsere Erde gelegt werden könnten. Gebieten, die keine Naturschutzgebiete usw. sind, soll Darüber hinaus gibt es Länderinitiativen in Baden- ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel mittels freiwilliger Württemberg, in Bayern und in Niedersachsen; dort gibt Vereinbarung und Maßnahmen erreicht werden. – Das es den sogenannten Niedersächsischen Weg. heißt, der Weg des Landes Niedersachsen ist auch durch (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und in die Pflanzenschutzverordnung – also entlohnter Natur- Brandenburg!) schutz – gesichert. Gemeinsam, freiwillig und kooperativ: Das ist genau der ( [CDU/CSU]: Das ist richtige Ansatz. falsch!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben uns in dem entsprechenden Ministerium mehrfach abgesichert, dass dieser Weg gesichert ist, Für mich und für uns als CDU/CSU ist eines ganz (B) und die Abgeordneten des Landes Niedersachsen werden wichtig: dass diese Wege offenbleiben. Und Stand heute (D) ihren Teil dazu beitragen, dass die Ministerin für Ernäh- geht das nicht. rung und Landwirtschaft ihr Wort gegenüber dem Land (Rainer Spiering [SPD]: Doch!) Niedersachsen und dem Rest der Republik einhält. Minister Lies aus Niedersachsen, SPD, hat noch in der Herzlichen Dank. vergangenen Woche meine Kollegin Gitta Connemann (Beifall bei der SPD) angerufen und genau das gesagt. Beides haben wir aus Hannover – aus dem ML und aus dem MU – schriftlich. Deswegen brauchen wir Änderungen, und deswegen hat Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: unsere Ministerin Julia Klöckner eine Protokollerklärung Bitte immer schön die Maske wieder aufsetzen! abgegeben. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Aufsetzen! – Wir brauchen die gesetzliche Verankerung der Länder- Zurufe der AfD: Aufsetzen!) öffnungsklauseln. Die nächste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU) ist die Kollegin Silvia Breher. Wir brauchen die gesetzliche Verankerung und Priorisie- (Beifall bei der CDU/CSU) rung von kooperativen Lösungen. Wir brauchen die Sicherstellung des Ausgleichs und der Förderfähigkeit. Silvia Breher (CDU/CSU): Und auch in Schutzgebieten muss in Notfällen die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Anwendung von Pflanzenschutzmitteln möglich bleiben. beraten heute das Bundesnaturschutzgesetz. Insektenschutz ist wichtig. Der Insektenschutz ist den Landwirten wichtig; er ist uns allen wichtig. Aber es geht (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/ nicht ums Ob, es geht ums Wie. Lassen Sie uns alle CSU]) gemeinsam die Chance dieses Gesetzespaketes nutzen, Ein Insektenschutzgesetz gibt es nicht. Es gibt ein Insek- um den Konflikt, diesen Widerspruch zwischen Land- tenschutzpaket, zu dem das Bundesnaturschutzgesetz ge- wirtschaft, Umwelt und Insektenschutz, endlich aufzulö- hört, was wir aber nicht alleine betrachten dürfen; denn sen, damit wir zu einem Miteinander kommen, weg vom dazu gehört auch die Pflanzenschutz-Anwendungsver- Gegeneinander und grundsätzlich hin zu einem koopera- ordnung. tiven Ansatz von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/ Naturschutz. CSU]) (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28069

Silvia Breher (A) Dazu haben wir für Montag die Anhörung im Aus- auf solche Programme angewiesen. Es darf auf keinen (C) schuss verabredet, und ich freue mich nach dem Aus- Fall passieren, dass mit einer gesetzlichen Vorgabe diese schuss auf die parlamentarischen Verfahren. Denn auf Freiwilligkeit, diese Kooperation, ausgehebelt wird und eines können Sie sich verlassen, Frau Konrad: Wir wer- diese Zahlungen nicht mehr gewährleistet werden kön- den das Gesetz entgegen Ihrer Behauptung nicht einfach nen. durchwinken. Wir werden eine Anhörung durchführen, und auch im Bundesrat ist noch keine Entscheidung (Beifall bei der CDU/CSU) gefallen. Eins ist mir auch wichtig: Diese Programme müssen (Beifall bei der CDU/CSU) auch praktikabel sein, in der Praxis umsetzbar sein. Wir hatten in Bayern ja das Volksbegehren „Rettet die Bie- Das geschieht erst nach unseren Entscheidungen hier in nen“ – allseits bekannt. Auch andere Bundesländer haben diesem Haus in den kommenden Wochen. entsprechende Initiativen gestartet: Baden-Württemberg Vielen Dank. und auch Niedersachsen. Was unsere Bäuerinnen und Bauern am meisten aufregt, ist das Walzverbot mit einer (Beifall bei der CDU/CSU) fixen Terminvorgabe. Es gab mal den Begriff „Schwach- sinnstermine“. Wenn verboten wird, ab dem 1. April Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Grünland zu walzen, dann ist das zwar eine Vorgabe, Vielen Dank, Silvia Breher. – Der letzte Redner zu aber wenn im April auf der Wiese noch Schnee liegt, diesem Tagesordnungspunkt ist der Abgeordnete Artur dann hilft das auch nichts. Wir brauchen hier also mehr Auernhammer, CDU/CSU-Fraktion. Praktikabilität bei der Umsetzung. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb ist es mir besonders wichtig, dass in den anste- henden parlamentarischen Beratungen und in der Anhö- Artur Auernhammer (CDU/CSU): rung am Montag auch die Praxis zu Wort kommt, wir Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen Lösungen finden, die diese Praktikabilität in der landwirt- und Herren! Wer hat denn das größte Interesse am Arten- schaftlichen Produktion nach vorne stellen, und vor und Insektenschutz? Wer ist das? Das sind die Bäuerin- allem, dass die Freiwilligkeit, die Kooperationsfähigkeit nen und Bauern. unserer Bäuerinnen und Bauern gestärkt wird. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau so!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kein Bauer ohne Biene, keine Biene ohne Bauern, um es Die Vorgaben von Bayern, Baden-Württemberg und einfach auszudrücken. Niedersachsen sind hier gute Vorlagen für ganz Deutsch- (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) land. Hoffen wir, dass wir in der parlamentarischen Bera- tung auch dazu kommen. Jeder, der pflanzliche Produkte anbaut, braucht die Bestäubung seiner Pflanzen für die Fruchtausbildung. Danke schön. Ohne Fruchtausbildung gibt es keine Ernte, und ohne (Beifall bei der CDU/CSU) Ernte gibt es keine Lebensmittel. Also, Arten- und Insek- tenschutz sind auch für unsere Welternährung existen- ziell. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank, Artur Auernhammer. – Ich schließe die Gerade weil den Bäuerinnen und Bauern der Insekten- Aussprache. schutz so wichtig ist, engagieren sich sehr viele freiwillig für Arten- und Insektenschutz. Sie nehmen freiwillig an Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs Programmen teil. auf Drucksache 19/28182 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Lieber Kollege Spiering, ich lobe ausnahmsweise Nie- Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann dersachsen, wenn Sie hier 120 Millionen Euro bereitstel- verfahren wir so. len, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: aber Bayern kann es besser; Bayern kann 300 Millionen Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Euro bereitstellen. Das muss ich hier auch in aller Deut- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiter- lichkeit sagen. entwicklung des Ausländerzentralregisters (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/ Drucksache 19/28170 CSU] – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Überweisungsvorschlag: Wer mehr hat, kann mehr geben!) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz – Bitte keinen Neid! Es ist gut, wenn Bayern stärker wird Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO in Berlin. Auch hier ist wiederum eine Aussprache von 30 Minu- Ich will noch mal auf die Freiwilligkeit der bayeri- ten beschlossen. schen Bäuerinnen und Bauern hinweisen. Die Hälfte der Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat der Par- bayerischen Betriebe nimmt an solchen Programmen teil. lamentarische Staatssekretär Stephan Mayer. Diese Programme sind mittlerweile Teil des Einkom- mens. Gerade kleinbäuerlich strukturierte Betriebe sind (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 28070 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- griff auf diese Daten nimmt. Ich bin der festen Überzeu- (C) nister des Innern, für Bau und Heimat: gung, dass dies, was die Steuerung von Migration und Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin- auch die Aussagekraft der Migrationsstatistiken anbe- nen! Sehr geehrte Kollegen! Ich freue mich sehr, dass ich langt, ein sehr wichtiger Mehrwert ist. Ihnen heute den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Wie gesagt, die Datenqualität insgesamt wird durch Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters vor- dieses Gesetz erheblich erhöht, die Aussagekraft des stellen kann. Dieser Titel mutet ja auf den ersten Blick Ausländerzentralregisters wird deutlich erhöht. Deshalb zugegebenermaßen etwas technisch an, aber da trügt der darf ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Schein sehr deutlich; denn die praktische Relevanz dieses Haus, bitten, diesen Gesetzentwurf natürlich sehr akri- Gesetzes ist enorm. bisch, sehr ernsthaft zu überprüfen; aber, wie gesagt, es (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!) kommt aus meiner Sicht wirklich darauf an, dass wir mit dieser Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters Die Flüchtlings- und Migrationskrise hat uns sehr einen erheblichen Schritt nach vorne gehen, was den An- schonungslos vor Augen geführt, dass die Aussagekraft spruch anbelangt, eine professionelle und effektive Asyl- des heutigen Ausländerzentralregisters, mal vorsichtig und Migrationspolitik betreiben zu können, weil es ein- formuliert, sehr überschaubar und durchaus verbesse- fach so ist, dass die Inhalte des Ausländerzentralregisters rungsbedürftig ist. Das ist nicht die Schuld der über von ganz entscheidender Bedeutung für asyl- und aus- 550 Ausländerbehörden, die wir in Deutschland haben, länderrechtliche Verfahren und in der Folge auch für ent- sondern das liegt an der Struktur des jetzigen Ausländer- sprechende Entscheidungen sind. zentralregisters. Oftmals waren Personen, auch aufgrund von Umzug, doppelt gemeldet, sprich: Die Angaben Ich sage abschließend auch ganz deutlich: Es ist nicht waren doppelt verfügbar. Es war oftmals nicht registriert, zuletzt im Interesse beispielsweise auch der Asylantrag- dass Personen Deutschland mittlerweile wieder verlassen steller, dass der Zugriff der entsprechenden Behörden haben. Dafür waren die Daten von Personen, die sich schneller und sicherer vonstattengeht, um dann auch mittlerweile in Deutschland aufgehalten haben, im schnellere Entscheidungen zutage fördern zu können. Ausländerzentralregister nicht gespeichert. Es gab Inkon- Ich bitte um eine seriöse, intensive, aber auch zeitnahe sistenzen, es gab Redundanzen, es gab, wie gesagt, Dop- Befassung mit diesem Gesetzentwurf. plungen. Deshalb ist dieses Unterfangen, das Auslän- Herzlichen Dank. derzentralregister aussagefähiger und aussagekräftiger zu machen, aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Unter- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und fangen. der SPD) (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) der SPD) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank, Staatssekretär Stephan Mayer. – Für die Wir sind bei diesem Gesetzentwurf nach dem Motto AfD-Fraktion hat als Nächstes das Wort der Abgeordnete vorgegangen: Erst der Inhalt, dann die Paragrafen. Dr. Christian Wirth. Sprich: Wir haben sehr frühzeitig die Praktiker der Kom- munen und der Länder mit einbezogen – in Form von (Beifall bei der AfD) Arbeitsgruppen, in Form eines Gesetzgebungslabors – und diesen Gesetzentwurf, den ich Ihnen heute eben vor- Dr. Christian Wirth (AfD): stellen darf, weiterentwickelt. Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich bin ein optimisti- scher Mensch Ich bin der festen Überzeugung, dass mit dieser Wei- terentwicklung des Ausländerzentralregisters zu einem ( [CDU/CSU]: Was? Das ist zentralen Ausländerdateisystem für alle über 550 Aus- aber neu! Optimismus?) länderbehörden, für alle Behörden, die Zugriff auf das und fange ganz gern auch mal mit ein bisschen Lob an – Ausländerzentralregister haben, ein enormer Mehrwert selbst für die Bundesregierung; ich freue mich, wenn die geschaffen wird. Ein erheblicher Fortschritt wird sein, Bundesregierung auch mal dazulernt –: Im Großen und dass in Zukunft die Dokumente, beispielsweise ein Asyl- Ganzen ist dieses Gesetz mit Sicherheit nicht schlecht. bescheid, ein Urteil, aber auch der Scan eines Ausweises, Leider hat es mit dem Lernen viel zu lange gedauert. zentral digital gespeichert werden. Heute ist es so, dass Die massiven Formen von Sozial- und Asylbetrug, die häufig in Papierform Kopien von einer Ausländerbehörde unsere öffentlichen Kassen und Einwanderungssysteme zur nächsten geschickt werden müssen. Mit dieser zent- überlasten, waren schon länger bekannt, als im Jahre ralen digitalen Speicherung von wichtigen Originaldoku- 2015 unsere Grenzen überrannt wurden. Jetzt erst sind menten wird der Zugang deutlich erleichtert, vor allem Sie auf die innovative Idee gekommen, dass Behörde X auch beschleunigt. Gerade beispielsweise auch am und Behörde Y, die mit derselben Person zu tun haben, Wochenende oder außerhalb der normalen Öffnungszei- auf denselben Datenbestand zurückgreifen sollten. Es ten ist damit ein schnellerer Zugriff der entsprechenden freut uns, dass auch Sie jetzt erkannt haben, dass hier Behörden auf diesen zentralen Datenbestand möglich. nicht nur viel effizienter gearbeitet, sondern auch der Natürlich erfolgt dies unter hoher Achtung des Daten- massive Betrug mit Mehrfachidentitäten endlich be- schutzes. Sprich: Es dürfen nur befugte Personen Zugriff kämpft werden könnte. „Könnte“ aber nur; denn Ihr gan- nehmen auf das Ausländerzentralregister, und es wird zer hochtrabender Plan der Datenzentralisierung hängt an eben entsprechend auch gespeichert, wer konkreten Zu- einem Wort: „kann“. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28071

Dr. Christian Wirth (A) Ich zitiere § 8a: „Die Registerbehörde kann einen vom Bundesverwaltungsamt betriebene Datenbank, in (C) Abgleich in automatisierter Form … veranlassen“ – und der heute knapp 28 Millionen personenbezogene Daten- das natürlich nur bei konkretem Verdacht. Ja, aber genau sätze von Ausländerinnen und Ausländern gespeichert solch ein automatisierter Datenabgleich wäre ja geeignet, werden. Parallel existieren über 600 weitere dezentral um überhaupt erst einmal einen Verdachtsfall zu finden. geführte, unterschiedlich strukturierte Ausländerdaten- (Beifall bei der AfD) banken. Um belastbare Auskünfte erhalten zu können, macht es durchaus Sinn, das Ausländerzentralregister zu Dabei ist es egal, ob jemand in betrügerischer Absicht in einem zentralen Dateiensystem für alle Fachverfahren vier verschiedenen Bundesländern registriert ist oder ob auszubauen, welches andere Register perspektivisch jemand beim Übertragen eines Namens – vielleicht eines überflüssig macht. arabischen – einen Tippfehler gemacht hat. Ein regelmä- ßiger automatischer Datenabgleich auf rein maschineller (Beifall bei der SPD) Ebene, bei dem die verglichenen Daten sofort nach dem Vorgang wieder gelöscht werden, müsste hier eigentlich Ziel ist es, dass Daten nach dem One-only-Prinzip nur selbstverständlich sein und wäre auch datenschutzrecht- einmal erhoben, im Ausländerzentralregister gespeichert lich vertretbar. und von dort von Behörden oder Verwaltungen abgerufen Diese Kannbestimmung unterläuft einen ganz ent- werden können. Das soll helfen, die Arbeitsabläufe für scheidenden Zweck des Gesetzes. Gerade wenn § 8a so Verwaltungsbeamte zu verbessern, die Anliegen von bleibt, wie Sie es wollen, spielen Sie allen NGOs, Nichtdeutschen schneller zu klären und die Datenqualität Schleuserbanden und noch Schlimmeren in die Hände, zu verbessern. die es sich zur Aufgabe gemacht haben, es Betrügern zu ermöglichen, viele Steuergelder zu erlangen. Beratungen Von nun an sollen zusätzlich Daten, wie unter anderem bei der Angabe des Asylgrundes, zur Verzögerung von das Geburtsland, die ausländische Personenidentitäts- Verfahren und zur Verhinderung der Abschiebungen wür- nummer, der Doktorgrad, die Anschriften im Bundesge- den zumindest erschwert werden, wenn all diese Maß- biet, die Visumsverlängerung, Angaben zur Arbeits- und nahmen die oft entscheidende bestmögliche Aktenlage Ausbildungsvermittlung und zu Integrationskursen, ge- zur Grundlage hätten. speichert werden. Neu ist zudem die Speicherung von Asylbescheiden und gerichtlichen Entscheidungen im Bei all dieser Vorsicht fragt man sich natürlich, warum Volltext. Zukünftig werden das BAMF als Registerbe- Sie ausgerechnet etwas so Sensibles wie den Asylgrund hörde und die zuständige Ausländerbehörde bei einem innerhalb dieses Systems frei verfügbar machen. Bei Eintrag ins Register über einen Fortzug, eine Ausweisung einer Asylentscheidung interessiert die allermeisten Be- oder Abschiebung automatisch informiert. (B) hörden lediglich, ob Asyl gewährt wurde oder nicht. Asyl (D) aus einem Grund ist ja nicht weniger wert als aus einem Bisherige Gesetzgebungsverfahren mit hochpersön- anderen Grund. lichen Daten sind schon immer sehr kritisch von Da- Dank der kurzsichtigen Politik, die den Abholservice tenschützern begleitet worden. Wir alle erinnern uns im Mittelmeer und das Durchwinken an der Grenze sicherlich an die Diskussion zum Zweiten Datenaus- ermöglicht, begegnen in unserem Land wahrhaft Schutz- tauschverbesserungsgesetz im Jahr 2019 und die Aus- bedürftige regelmäßig ihren Folterern und Verfolgern. führungen des Bundesdatenschutzbeauftragten, Herrn Hinzu kommt die Verfolgung auch in unserem Land aus Professor Kelber. Auch die uns vorliegenden Stellung- religiösen oder persönlichen Gründen, die diese Betrof- nahmen von Verbänden, wie Caritas, der Paritätische fenen auch bei anderen Flüchtlingen aus demselben Land Wohlfahrtsverband, Ärzte der Welt oder auch netzpoli- mindestens unbeliebt machen oder stark gefährden, zum tik.org, enthalten Bedenken zum Gesetz. Ihre Mahnung Beispiel ein christlicher Glaube oder Homosexualität. an uns lautet, dass das Recht auf informationelle Selbst- bestimmung und die Grundsätze der Datensouveränität Asylgründe sollten zentral gespeichert, aber mit einer und Datensparsamkeit für alle hier lebenden Menschen gesonderten Hürde zum Datenabruf, die einen konkreten gelten. Parallel zur Erweiterung der zentralen Daten- und Verdacht voraussetzt, versehen werden. Das würde die- Zugriffsrechte müssten daher die Schutzvorschriften für sem Gesetz guttun und das Verfahren sicherer machen – Betroffene beachtet und die Transparenz verbessert wer- für alle Beteiligten. den. Das sollten wir im weiteren parlamentarischen Ver- Vielen Dank. fahren unbedingt berücksichtigen. (Beifall bei der AfD) Ich bedanke mich und freue mich auf die weitere Dis- kussion. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion ist die (Beifall bei der SPD) Abgeordnete Sylvia Lehmann. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank. – Der letzte Redner zu diesem Tages- Sylvia Lehmann (SPD): ordnungspunkt ist der Abgeordnete Helge Lindh, SPD- Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Fraktion. gen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Auslän- derzentralregister entstand in den 50er-Jahren. Es ist eine (Beifall bei der SPD) 28072 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Helge Lindh (SPD): Wenn wir uns die Realität in Ausländerbehörden angu- (C) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich cken, die Schwierigkeiten, dass AZR-Nummern mehr- wiederhole, was Herr Dr. Wirth gesagt hat – ich habe es fach vergeben werden, dass oft ohne Schuld der ausländ- richtig verstanden –: Er nannte Seenotrettung „Abholser- ischen Staatsangehörigen Aliasnamen vorhanden sind, vice im Mittelmeer“. Das ist wieder mal ein Klassiker aus was Termine verlangsamt, was Familienzusammenfüh- dem Wörterbuch des Unmenschen. Sie müssen mir mal rung de facto verhindert, dann sehen wir, dass es in der erklären, wie Sie das begründen können, wo Sie doch Praxis sehr, sehr viele ganz konkrete Gründe für ein zent- touristische Reisen nach Syrien unternehmen, sich gerne rales Register gibt, und zwar im Sinne der Behörden, aber mit Diktatoren treffen und dann noch für Fluchtursachen auch im Sinne der ausländischen Staatsangehörigen. sorgen und die bestärken. Deshalb seien Sie mal ganz Genau das, nichts anderes, sollte im Mittelpunkt unse- ruhig, wenn Sie solche Wörter verwenden! Es ist beschä- res Gesetzgebungsverfahrens stehen. Dann werden wir mend, so was in unserem Parlament hören zu müssen. das sein, was wir bisher nicht geschafft haben, nämlich (Beifall bei der SPD – Jörn König [AfD]: ein selbstbewusstes, unaufgeregtes, souveränes Einwan- Unmensch?) derungsland, das Flucht und Asyl selbstverständlich ak- zeptiert und nicht dämonisiert, wie die AfD. - „Unmensch“ war eine perfekte deskriptive Schilderung Ihres Handelns und Sprechens. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Jetzt kommen wir aber zum eigentlichen Sachverhalt des Tages. Das passt ganz gut, weil Die Linke ihre Rede zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll gegeben hat: Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Ich gehe das Ganze mal marxistisch an, Nach dieser marxistischen Betrachtung des Ausländer- zentralregisters schließe ich die Aussprache, da die (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE Reden der Abgeordneten Stephan Thomae, FDP, Ulla LINKE]) Jelpke, Die Linke, Luise Amtsberg, Bündnis 90/Die Grü- reduziert marxistisch, mit Überbau und Bewusstseinsfor- nen, Alexander Throm, CDU/CSU, und Detlef Seif, 1) men einerseits und Basis andererseits. – Man kann auch CDU/CSU, zu Protokoll gehen. das Ausländerzentralregister in diesem Sinne marxistisch Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs betrachten. Ordnen wir es ein mit drei Prinzipien: auf Drucksache 19/28170 an die in der Tagesordnung Das erste Prinzip ist Humanität; denn wir müssen bei aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es andere der Gesetzgebung darauf achten – bei aller Wertschät- Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann (B) zung von Effizienz –, dass es um vulnerable Daten verfahren wir wie vorgeschlagen. (D) geht, und peinlichst berücksichtigen, dass nicht etwa be- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: stimmte Daten in Herkunftsländer gehen können. Das ist Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- unsere Pflicht – auch aus humanitärer Verantwortung ge- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur intensi- genüber den Betroffenen. vierten erweiterten Sicherheitsüberprüfung Das zweite Prinzip, das hierauf anzuwenden ist, ist mit Sicherheitsermittlungen von Soldatinnen Politisierung; denn wir werden sicher auch noch darüber und Soldaten und zur Sicherheitsüberprüfung streiten. Das ist auch völlig in Ordnung, solange wir das von Reservistinnen und Reservisten im demokratischen Rahmen und eben nicht, wie eben von Drucksache 19/28126 der AfD vorgeführt, auf dem Rücken von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten tun und solange wir Überweisungsvorschlag: Verteidigungsausschuss (f) eben nicht das Ausländerzentralregister als Abschiebere- Ausschuss für Inneres und Heimat gister begreifen. Das ist ein fundamentales Missverständ- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz nis, und das ist mit der SPD nicht zu machen. Haushaltsausschuss Für die Aussprache sind erneut 30 Minuten beschlos- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sen. Ein drittes Prinzip. Ich nenne es mal Pragmatisierung Ich eröffne die Aussprache, und es beginnt die Bundes- oder Versachlichung. Diese Dämonisierung, in der jeder verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. – Ausländer – und der Tatbestand ist einfach nur „auslän- Frau Ministerin! dische Staatsangehörigkeit“, nicht mehr und nicht weni- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ger – als Gefährder und Bedrohung begriffen wird, ist, glaube ich, keine gute Grundlage für eine Reform des Ausländerzentralregisters. Selbstverständlich ist auch Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin Verklärung nicht sinnvoll; denn wir müssen in dem Fall der Verteidigung: auch Sicherheitsaspekte berücksichtigen, und das ist auch Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- legitim. Wir können das tun und haben das Recht dazu. ren Abgeordnete! Die Feinde der freiheitlich-demokra- Vor allem aber geht es darum – und das ist mein Appell –, tischen Grundordnung schlafen nicht, und wir, die wir dieses Ausländerzentralregister als Ausdruck eines sou- diese freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidi- veränen, unaufgeregten Staates, der selbstbewusst mit gen, tun es auch nicht. Deswegen ist es richtig, dass wir Migration umgeht, zu verstehen. Und da kommt jetzt abschließend die Basis ins Spiel. 1) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28073

Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (A) heute, auch zu einer etwas fortgeschritteneren Stunde, wenn wir die dort vorgeschlagenen Regelungen und (C) über die Änderung des Soldatengesetzes und des Reser- Instrumente schon hätten, 30 Prozent der als rechtsradikal vistengesetzes hier debattieren. erkannten Soldaten und Soldatinnen heute – Stand jetzt – sofort aus dem Dienst entfernen könnten. Auch das ist Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Änderun- etwas, über das man zumindest sehr ernsthaft nachdenken gen sind Teil eines Paketes an Maßnahmen im Kampf muss. gegen die Gegner unserer Verfasstheit und unserer Ver- fassung – und dies insbesondere in den Reihen der Bun- Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Gründ- deswehr. Die Bundeswehr ist eine Organisation, deren ung der Bundeswehr gilt: Der Soldat bzw. die Soldatin Soldatinnen und Soldaten – das sehen wir gerade in die- muss durch sein bzw. ihr gesamtes Verhalten für die Ein- sen Tagen – bereit sind, sich im Zweifel auch unter Ein- haltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung satz ihrer Gesundheit und ihres Lebens für ebendieses eintreten. Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Teil des Grundgesetz einzusetzen, und genau für diese Kamerad- Maßnahmenpaketes, mit dem wir dafür sorgen wollen, innen und Kameraden ist es wichtig und denen sind wir es dass dies unzweifelhaft der Fall ist und dass diejenigen schuldig, dass wir all diejenigen, die das anders sehen, gestärkt werden, die daran keinen Zweifel lassen, indem aus der Bundeswehr auch konsequent entfernen können wir diejenigen aus der Truppe entfernen, die nicht auf bzw. verhindern, dass die den Weg in die Bundeswehr dem Boden des Grundgesetzes stehen. finden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Worum geht es? Es geht darum, dass Soldaten und Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Der nächste Soldatinnen in Verwendungen mit besonders hohen Si- Redner ist für die Fraktion der AfD der Abgeordnete cherheitsanforderungen einer besonders strengen Sicher- Berengar Elsner von Gronow. heitsüberprüfung unterzogen werden. Dazu soll in (Beifall bei der AfD) Zukunft neben den bisherigen Überprüfungen eine zu- sätzliche eingeführt werden. Diese zusätzliche Überprü- fung ermöglicht es, neben der Befragung von Referenz- Berengar Elsner von Gronow (AfD): personen auch die entsprechende Recherche im Internet Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue durchzuführen, weil wir eben durch die jüngsten Fälle Gesetz soll ermöglichen, Soldaten grundsätzlichen, aber sehen, dass wir viele Hinweise etwa nur durch Chat- auch noch schärferen Sicherheitsüberprüfungen zu unter- (B) verläufe auch feststellen können. Deswegen ist dies ein ziehen. Die Regierung geht von Tausenden aktiven Sol- (D) wichtiger Punkt. daten und Reservisten aus, die sofort und dann jährlich einer solchen Überprüfung zu Millionenkosten unterzo- Ist das ein Zeichen des Misstrauens? Nein! Soldatin- gen werden müssten. nen und Soldaten in Verwendung mit besonders hohen Aber es ist hier sicherlich keine Frage des Geldes, Sicherheitsanforderungen sind in einem besonderen sondern eher die Frage, wo denn die Heerscharen an Maße darauf angewiesen, dass sie sich auf das Vertrauen neuen MAD-Mitarbeitern herkommen sollen, die das be- des Dienstherrn verlassen können. Deswegen muss bei arbeiten. Bereits jetzt dauert die Bearbeitung von Sicher- der Auswahl auch ein besonders strenger Maßstab ange- heitsüberprüfungen zum Teil viele Monate, und der Sta- legt werden. Diesem dient diese neue Regelung. pel der unbearbeiteten Vorgänge wird immer höher. Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Jetzt werden auch noch die Sichtung des Internets und Abgeordnete, zur Bundeswehr und zur Aufstellung für die der sozialen Netzwerke – immerhin, noch, keine Mes- die Zukunft gehört spätestens mit der Strategie der Reser- sengerdienste – zusätzlich neu aufgenommen. Man muss ve die Reserve als ein aktiver Bestandteil mit dazu. Sie zukünftig angeben, wann man welche sozialen Netzwer- nimmt eine immer wichtigere Rolle ein, und deshalb ke derzeit nutzt, und man muss den Namen, den man dort muss auch sie in die Betrachtung mit einbezogen werden. verwendet, angeben. Auch hier zeigt sich wieder einmal Wir schaffen eine neue Rechtsgrundlage für eine Beorde- der Wunsch des Staates nach dem gläsernen Bürger, nach rungssicherheitsüberprüfung im Reservistengesetz, damit dem hemmungslosen Zugriff auf seine Privatsphäre. Ein wir auch bei Reservedienstleistenden im Zweifel an der Begehren, dem wir uns als Partei der Freiheit deutlich Verfassungstreue zügig handeln können – auch dies eine entgegenstemmen! Erfahrung aus der Vergangenheit und eine Konsequenz, die wir ziehen. (Beifall bei der AfD) Zügig – ja, zügiger als bisher – wollen wir auch die Welche Soldaten von der intensivierten erweiterten erkannten Extremisten und – ich benenne das auch so Sicherheitsüberprüfung betroffen sein sollen, wird hier deutlich – Verfassungsfeinde aus der Bundeswehr entfer- bewusst vage gehalten. Dies soll erst zu einem späteren nen. Dazu dient ein weiteres Gesetz, das Gesetz zur Än- Zeitpunkt im Rahmen einer Rechtsverordnung festgelegt derung soldatenrechtlicher Vorschriften, das sich zurzeit werden – ohne Bundestag. Wie praktisch! Die Methode zu Recht in einer sehr intensiven Beratung in diesem schleift sich offenbar ein. Hohen Haus befindet. Bei all dem, was man zu diesem Liest man aber, auf welche Soldaten mit welchen Gesetzentwurf auch kritisch anmerken kann, will ich Fähigkeiten das Gesetz abzielt, wird offensichtlich: Ziel- trotzdem noch einmal darauf hinweisen, dass wir dann, gruppe ist wohl zuvörderst das KSK. Handelt es sich hier 28074 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Berengar Elsner von Gronow (A) also nicht eher um das neue KSK-Gesetz? Und wie will (Beifall bei der SPD) (C) man das umsetzen? Nach Wegfall der Wehrpflicht wur- den die Mitarbeiterkapazitäten massiv zusammenges- Dr. Fritz Felgentreu (SPD): trichen und reduziert. Bereits heute fehlen zahlreiche Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Mitarbeiter, um nur die derzeitigen Sicherheitsüberprü- Ministerin! Die Bundeswehr und die Soldatinnen und fungen bearbeiten zu können. Soldaten, die in ihr dienen, schützen die Sicherheit der Wie schnell glauben Sie die bereits bestehende Lücke Bundesrepublik Deutschland vor Bedrohungen durch auffüllen zu können, um den durch dieses Gesetz ent- auswärtige Feinde. Sie verfügen dazu über Waffen und stehenden Mehraufwand leisten zu können, und wo führt Fähigkeiten, die für jede Art von Zerstörungswerk ver- solch eine Aufstockung hin? Stehen dann am Ende noch wendet werden können, wenn sie in die falschen Hände mehr staatliche Kapazitäten zur Ausspähung und Über- geraten oder missbraucht werden. wachung seiner Bürger? Denn auch Soldaten sind Bür- Die Bundeswehr ist seit bald 70 Jahren die Armee des ger: Bürger in Uniform, nicht Bürger zweiter Klasse. demokratischen Rechtsstaats oder, wie man im 19. Jahr- (Beifall bei der AfD) hundert mit schönem, damals revolutionärem Pathos sag- te, der „freien Republik“. Sie verdient als Institution das Eigentlich handelt es sich hier ja um eine neue Stufe Vertrauen dieses Parlaments, des Parlaments, dem sie einer Sicherheitsüberprüfung. SÜ4 oder besser SÜ KSK? dient. Auch die Menschen, aus denen sie besteht, haben Wie, glauben Sie, werden die betroffenen Soldaten auf einen berechtigten Anspruch auf unser Vertrauen. diese neue Stufe der Sicherheitsüberprüfung reagieren? Denn Muslimen beispielsweise oder Linken wird seitens Dieser Vertrauensvorschuss, den wir gerne gewähren der Regierung ein Bekenntnis zu Demokratie nicht und den wir auch mit Stolz auf unsere Streitkräfte ver- „zugemutet“, weil man sie mit solch einer Forderung ja binden, darf uns aber nicht blind oder naiv machen. Was unter Generalverdacht stellen würde. Gegenüber unseren die Bundeswehr hat und was sie kann, macht sie auch zu Soldaten ist ein solcher Generalverdacht anscheinend einem attraktiven Ziel für die Feinde unseres Landes und aber zulässig. seiner bürgerlichen Freiheiten und Rechte. Die Unter- wanderung durch Spione und Extremisten gehört deshalb (Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: So ein Quatsch!) von jeher zu den Bedrohungen, vor denen die Bundes- Diese linke Doppelmoral lehnt die AfD-Fraktion ent- wehr sich schützen muss. Das ist – neben allgemeiner schieden ab. Wachsamkeit, die zu den Dienstpflichten aller, auch der zivilen, Bundeswehrangehörigen zählt – vor allem die (Beifall bei der AfD) Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes. Seine (B) Und was für Auswüchse Befragungen annehmen kön- Handlungsfähigkeit zu stärken, ist ein permanentes poli- (D) nen, mussten wir beim KSK erleben: stundenlange, teils tisches Ziel dieser Koalition, das wir nun schon in der hochnotpeinliche Befragungen, die eines freiheitlich-de- zweiten Legislaturperiode beharrlich und konsequent mokratischen Rechtsstaates unwürdig sind. Die MAD- verfolgen. Aktion nannte der ehemalige CDU-Verteidigungsminis- Diesem Ziel dient auch der vorliegende Gesetzent- ter und Staatsrechtler Rupert Scholz einen „Angriff auf wurf. Akuten Handlungsbedarf sehen wir auf zwei Fel- die Menschenwürde der einzelnen Soldaten“. dern: Angesichts des rechtlichen Vorgehens der Bundesre- Erstens geht es um Soldaten und Soldatinnen mit gierung im Rahmen von Corona muss man bedenkliche Fähigkeiten, die ihre Treue zur freiheitlich-demokra- Indizien dafür feststellen, dass sich unsere Regierung tischen Grundordnung in einem noch höheren Maße zunehmend vom Bürger und dem Ideal einer freiheitli- voraussetzen, als es für die Streitkräfte in ihrer ganzen chen Gesellschaft entfernt. Auch dieser Gesetzentwurf ist Breite gilt. Wer zum Beispiel als sogenannter Hacker im handwerklich schlecht gemacht, seine Motive sind frag- Cyberraum große Wirkung erzielen kann, wer sich auf würdig. Er ist Ausdruck des tiefen und zunehmenden Infiltration und Sabotage mit Sprengmitteln versteht, Misstrauens des Staates gegenüber seinen Soldaten und wer über besondere Kampftechniken gebietet, dem bringt seinen Bürgern, von denen er sich immer weiter entfernt. der Dienstherr ein besonderes Vertrauen entgegen. Umso Aber nicht der Vertrauensverlust des Staates in seine wichtiger ist es, sicherzustellen, dass dieses Vertrauen in Bürger ist in diesen Zeiten das Problem, sondern die jedem Einzelfall auch gerechtfertigt ist. Regierung: ein Staat, der auch gerade aktuell unter dem Dass es auch anders sein kann, hat uns der Fall eines Deckmantel der Coronamaßnahmen mit Freiheitsentzug, Unteroffiziers des Kommandos Spezialkräfte gelehrt, der Pfusch und Korruption dem Bürger immer weniger sich extremistisch radikalisiert und in seinem privaten Anlass gibt, ihm zu vertrauen. Regierung und Politik Garten ein Waffen- und Munitionsdepot angelegt hatte. müssten diese für unsere Demokratie schädliche Ent- Um Fällen wie diesem in Zukunft bestmöglich vorzubeu- wicklung dringend umkehren. Gesetze wie dieses sind gen, schafft der vorliegende Entwurf eine Rechtsgrund- dazu nicht geeignet. lage. Soldaten und Soldatinnen in besonders sicherheits- relevanten Verwendungen in Zukunft in regelmäßigen (Beifall bei der AfD) Abständen einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, ist das erklärte Ziel. Dabei wird der MAD Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: stets auch Dritte aus ihrem persönlichen Umfeld befragen Der nächste Redner für die Fraktion der SPD ist der und die Aktivitäten in sozialen Netzwerken nachvollzie- Abgeordnete Dr. Fritz Felgentreu. hen. Das ist fraglos eine empfindliche Verletzung der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28075

Dr. Fritz Felgentreu (A) Privatsphäre. Zu den anderen Opfern, die Soldatinnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) und Soldaten in so herausgehobener Verwendung brin- gen, kommt dieses noch dazu. Es erfordert eine große Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Identifikation mit der eigenen Aufgabe, sich auf solche Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Belastungen und solchen Verzicht einzulassen. Kollegen! Der Anlass für dieses Gesetz ist erst einmal ein Mir ist es deshalb doppelt wichtig, an dieser Stelle beunruhigender: Wir haben feststellen müssen, dass wir Ihnen allen für Ihren treuen Dienst zu danken. Ausdrück- im Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, der Ein- lich nehme ich an dieser Stelle die Soldaten und Soldatin- heit, in der die Soldaten mit den höchsten Fähigkeiten nen des Kommandos Spezialkräfte in meinen Dank mit ausgestattet sind, eine überdurchschnittliche Anzahl auf. rechtsextremer Vorfälle und rechtsextremer Verdachtsfäl- le haben. Wir haben das feststellen müssen, obwohl die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Soldaten des Kommandos Spezialkräfte die bisher höchs- der CDU/CSU und des Abg. Dr. Tobias te Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben. Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen ist es richtig, Sicherheitsüberprüfungen Seien Sie versichert: Was wir hier regeln wollen, ist kein häufiger durchzuführen und sie intensiver – ich will sa- Ausdruck unseres Misstrauens – es ist ein Gebot der Vor- gen: zeitgemäßer – zu gestalten. Deswegen will ich für sicht, das zwingend an all das anknüpfen muss, was sich meine Fraktion sagen: Auch wenn die Ausschussberatun- mit Ihren besonderen Fähigkeiten und Ihrem besonderen gen noch vor uns liegen, werden wir den vorliegenden Auftrag verbindet. Gesetzentwurf an dieser Stelle sehr wohlwollend beglei- Das zweite Handlungsfeld betrifft die Reserve. Die ten. vorgesehene Grundbeorderung für Zeit- und Berufssol- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) datinnen und -soldaten wird sich nachhaltig verändern. Es wird also beides geben: zahlreiche Reservistinnen Eine Sicherheitsüberprüfung, liebe Kolleginnen und und Reservisten, die direkt im Anschluss an ihr Wehrver- Kollegen, ist immer nur eine Punktaufnahme, eine Mo- hältnis in den Dienst zurückkehren, und solche, die das mentaufnahme; sie sagt etwas über die überprüfte Person erst nach längerer Pause im Zivilen tun. Sie alle sind ein aus zu dem Zeitpunkt, wo sie überprüft wird. Was zwi- Teil unserer Gesellschaft. Gesellschaftliche Strömungen schen zwei Überprüfungen geschieht, das entzieht sich in machen vor der Reserve nicht halt. In einer Zeit, in der vielen Fällen oft der Kenntnis der Sicherheitsbehörden. wir uns zunehmend mit Polarisierung und Radikalisie- Deswegen begrüßen wir grundsätzlich, dass in besonders rung durch Verschwörungstheorien, durch Populismus, sicherheitsrelevanten Bereichen nun dieses Intervall ver- kürzt wird. Wir halten das für einen geeigneten Schritt. (B) durch Islamismus und vor allem Rechtsextremismus aus- (D) einandersetzen müssen – nein, auch den Linksextremis- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mus nehme ich nicht aus; aber er stellt nach Einschätzung so gut wie aller Experten das weitaus geringere Problem Ich will aber an dieser Stelle eines auch deutlich ma- dar –, chen: Auch in einem kürzeren Intervall können Personen sich radikalisieren, können auf die schiefe Bahn geraten, ( [CDU/CSU]: Zurzeit!) können in falsche Gesellschaft geraten. Deswegen, liebe in einer solchen Zeit also können wir nicht einfach davon Kolleginnen und Kollegen, sage ich: Das beste Sicher- ausgehen, dass eine 10 oder 20 Jahre alte einfache Sicher- heitsnetz innerhalb der Bundeswehr sind all diejenigen heitsüberprüfung noch Aussagekraft darüber hat, ob ein Soldatinnen und Soldaten – und das ist der weitaus über- Reservist oder eine Reservistin weiterhin auf dem Boden wiegende Teil –, die tagtäglich ihren Dienst treu und auf ihres Diensteides und der freiheitlich-demokratischen dem Boden unserer Verfassung leisten, liebe Kolleginnen Grundordnung steht. Wir schaffen deswegen jetzt eine und Kollegen. Rechtsgrundlage dafür, diese einfache Sicherheitsprü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fung zu wiederholen, wenn Personen zu einer Wehrübung sowie der Abg. Henning Otte [CDU/CSU] herangezogen werden sollen und ihre letzte Überprüfung und Dr. Fritz Felgentreu [SPD]) länger als fünf Jahre zurückliegt. Es liegt in der Verantwortung dieser Soldatinnen und Beide Handlungsfelder sind richtig identifiziert. Die Soldaten, keine falsch verstandene Kameradschaft zu von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen pflegen, erscheinen sinnvoll und verhältnismäßig. Wir haben da- mit eine gute Grundlage für eine zügige, konstruktive (Henning Otte [CDU/CSU]: Ja!) Beratung im Verteidigungsausschuss. sondern hinzuschauen, wenn ihnen etwas auffällt, eine Ich danke Ihnen. Meldung an Vorgesetzte nicht irgendwie als Verrat oder Illoyalität zu empfinden, sondern als das, was notwendig (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ist, nämlich die Bundeswehr von dem Teil ihrer Ange- der CDU/CSU) hörigen – und das ist ein kleiner Teil, aber ein gefährli- cher Teil – zu reinigen, die ihren Diensteid gebrochen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: haben und in unseren Streitkräften nichts verloren haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielen Dank, Kollege Felgentreu. – Der nächste Red- ner für die Fraktion Bündnis 90/Grüne ist der Abgeord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nete Dr. Tobias Lindner. sowie bei Abgeordneten der SPD) 28076 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

Dr. Tobias Lindner (A) Und zuletzt: Die vorgeschlagene einfache Sicherheits- Grundordnung vereinbar sind. Das haben Fälle – Aus- (C) überprüfung für Reservistinnen und Reservisten begrü- nahmen – in der jüngeren Vergangenheit leider gezeigt. ßen wir ausdrücklich; denn in dem Moment, wo eine Ich möchte es noch einmal betonen: Das betrifft nicht den Reservistin oder ein Reservist zur Wehrübung herange- überwiegenden Teil unserer Soldaten und Reservisten. zogen wird, die Uniform wieder anzieht, Soldatin oder Ich stelle mich schützend vor unsere Soldaten und Reser- Soldat wie jeder andere dann auch in der soldatischen visten und halte meine Hand für ihre Verfassungstreue ins Gemeinschaft ist, darf für diese Person kein zweiter Stan- Feuer. dard, kein niedrigerer Standard gelten als für die diejeni- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gen Soldaten, die beim Eintritt in die Bundeswehr bereits heute schon sicherheitsüberprüft werden. Deswegen ist Es muss uns um die – wenigen – schwarzen Schafe ge- auch das ein geeigneter Schritt. hen, die wir frühzeitig identifizieren müssen, um Schaden für die Bundeswehr abzuwenden. Das gilt für Soldaten Wie gesagt: Wir werden den Gesetzentwurf sehr wohl- und das gilt für Reservisten. wollend begleiten. Gerade bei Reservisten ist es doch so, dass sie einem Herzlichen Dank. zivilen Beruf nachgehen und zu Wehrübungen herange- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zogen werden. Hier müssen wir diejenigen überprüfen, denen wir Aufgaben mit besonders hohen Sicherheits- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: anforderungen anvertrauen. Denn anders als bei Zeit- oder Berufssoldaten unterstehen die Reservisten nicht Vielen Dank, Tobias Lindner. – Der nächste Redner für permanent der Dienstaufsicht, die ein geeignetes Mittel die Fraktion der CDU/CSU ist der Abgeordnete Jens ist, um sich über einen langen Zeitraum ein umfassendes Lehmann. Bild von einem Soldaten zu verschaffen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir dafür die Grundlage. Ich möchte Ihnen mit zwei prakti- Jens Lehmann (CDU/CSU): schen Beispielen veranschaulichen, dass die Kritik daran Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor- mehr heiße Luft denn substanziell ist: liegende Entwurf eines Gesetzes zur intensivierten erwei- Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten, speziell von terten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlun- denen aus dem Verteidigungsausschuss, müssen sich in gen von Soldaten und zur Sicherheitsüberprüfung von Reservisten ist aus meiner Sicht ein Gesetzentwurf, der der Regel ebenfalls einer Sicherheitsüberprüfung, meist der Ü2, unterziehen. Nur so können sie uns Abgeordneten den Soldaten, den Reservisten und der Bundeswehr als bei der parlamentarischen Arbeit und dem Umgang mit (B) Dienstherr ein verlässliches gesetzliches Instrument an (D) die Hand gibt, um Sicherheitsüberprüfungen in beider- schutzbedürftigen Unterlagen unterstützen. Hieran gibt seitigem Interesse durchzuführen. es keinerlei Kritik. Das ist notwendig für die Arbeit; also ist eine Sicherheitsüberprüfung breiter Konsens. Eines möchte ich hier gleich klarstellen: Das ist kein Dies sollte auch für den vorliegenden Entwurf gelten. Generalverdacht gegen Soldaten oder Reservisten, dahin- Ein weiteres Beispiel: Einer meiner Mitarbeiter ist ter steckt kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber un- ebenfalls Reservist, der gelegentlich eine Reservedienst- seren Uniformträgern. Es dient vielmehr der Sicherheit für beide Parteien: für die Bundeswehr und für den Solda- leistung absolviert. Daher kann die Bundeswehr mei- ten bzw. Reservisten. nen Mitarbeiter mangels durchgängiger Dienstaufsicht schwerer beurteilen. Hier würde eine Sicherheitsüberprü- Ich möchte Ihnen hier auch erläutern, warum ich das so fung, die im Übrigen ja stattgefunden hat – ich erwähnte sehe. Meine Damen und Herren, die Sicherheitsüberprü- es gerade –, dem Reservisten Sicherheit geben, weil er bei fung dient dazu, herauszufinden, ob ein Bürger den hohen Bedarf sicherheitsempfindliche Aufgaben übernehmen Sicherheitsanforderungen, die der Bund an gewisse Auf- kann, und sie gäbe der Bundeswehr Sicherheit, weil sie gaben stellt, gerecht wird. Das ist mittlerweile in vielen einem überprüften Reservisten sensible Aufgaben über- Bereichen nötig. Sicherheitsaufgaben werden immer tragen kann. komplexer. Modernste Technik und Digitalisierung tun Werte Kollegen, selbst der Verband der Reservisten ihr Übriges. Das heißt für mich, dass die uns anvertraute Technik – ob Groß- oder Kleingerät – viel häufiger aus- unterstützt das Vorhaben. Mein geschätzter Kollege Sensburg hat bereits im vergangenen Jahr präzise gesagt – gespäht oder missbraucht werden kann. Schon heute kön- ich zitiere –: nen Sie mit einem Smartphone Fotos oder Videos in Echtzeit überall in die Welt senden. Das kann zu unserem Wir … Reservisten haben kein Problem damit, wenn Nachteil ausgenutzt werden. Deshalb müssen wir unser auch wir überprüft werden, wir unterstützen dies Personal, konkret unsere Soldaten, für die Schutzbedürf- sogar. tigkeit des Bundeswehrmaterials und die bei der Bundes- Meine Damen und Herren, daher bitte ich Sie um Zustim- wehr vermittelten Inhalte besonders sensibilisieren – und mung zu diesem Gesetzentwurf. überprüfen. Danke. In diesem Zusammenhang müssen wir genauer wissen, wen wir mit sensiblen Aufgaben beauftragen. Leider (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. gibt es Fälle, in denen Menschen Gedanken entwickeln, Dr. Fritz Felgentreu [SPD] – Henning Otte die nicht mehr mit unserer freiheitlich-demokratischen [CDU/CSU]: Sehr gute Rede!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28077-28080

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Mehraufwand zur Folge. Hier muss geprüft werden, ob (C) Vielen Dank, Kollege Lehmann. – Der nächste Redner: der Personalaufwuchs aufseiten des BAMAD und der für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Christian Bundeswehr auch ausreichend ist, um diese Forderungen Sauter. abzudecken. (Beifall bei der FDP) Es ist auch, zweitens, nicht konkretisiert, welcher Kreis der Personen genau nun von dieser gesetzlichen Christian Sauter (FDP): Regelung betroffen sein wird. Auch hier ist noch eine Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- Konkretisierung erforderlich. gen! Wir betrachten den heute vorliegenden Gesetzent- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) wurf vor dem Hintergrund von wiederholten Fällen von Extremismus in der Bundeswehr. Ganz sicher ist es rich- Drittens. Die Frage der Verhältnismäßigkeit muss auch tig, keine Form von Extremismus in der Truppe zu dul- gestellt werden. Die entstehenden Aufwendungen sind den, ganz gleich, ob es sich um Fälle von Rechtsextre- nicht unerheblich, nicht nur der finanzielle Aufwand in mismus, Islamismus, Linksextremismus oder weiteren Höhe von jährlich über 6 Millionen Euro, sondern insbe- Formen von Extremismus handelt. Der Jahresbericht sondere auch der bürokratische Aufwand sowie der Zeit- 2020 der Wehrbeauftragten hat wie schon der MAD- aufwand, welcher geleistet werden muss. Das wird aus Report für das Jahr 2019 die Zahl der Verdachtsfälle dem Gesetzentwurf auch deutlich. deutlich gemacht: Nach 477 Verdachtsfällen rechts wer- Gerade im Bereich der Reservisten – hier besonders den immerhin auch 48 Verdachtsfälle im Bereich Islamis- der unbeorderten – musste man sich in der Vergangenheit mus genannt. Daneben befinden sich in kleineren Antei- mit immer mehr bürokratischen Vorgängen auseinander- len weitere Extremismusvorwürfe. setzen. Das sieht man auch bei den Darstellungen im Wege zur Vermeidung bzw. zur Entfernung von Extre- vorliegenden Entwurf: bis zu drei Stunden je Sicherheits- misten aus der Bundeswehr unterstützen wir. Es ist überprüfung. Hier sehen wir noch Bedarf für Präzisie- selbstverständlich, dass es in nachgewiesenen Fällen kei- rungen, Vereinfachungen. ne weitere Verwendung in der Bundeswehr mehr geben Wir werden das konstruktiv begleiten und stimmen der darf. Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass ein Ver- Überweisung in den Ausschuss zu. dachtsfall noch kein nachgewiesenes Delikt ist. Zudem Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. zeigen die Zahlen, dass der ganz überwiegenden Mehr- heit der Soldaten und Reservisten keinerlei Verfehlungen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dieser Art vorzuwerfen sind – hier also kein Generalver- der CDU/CSU) (B) dacht. (D) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: der CDU/CSU) Vielen Dank. – Der Kollege Matthias Höhn gibt seine 1) Wege zur Identifizierung ebendieser Personenkreise Rede zu Protokoll; vielen Dank dafür! müssen gefunden werden. Die jüngsten Fälle haben (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – gezeigt, dass die 2017 eingeführte einfache Sicherheits- Matthias Höhn [DIE LINKE]: Gerne!) überprüfung nicht alle Fälle erfasst hat. Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun Lücken schließen. Einerseits sol- Ich schließe die Aussprache. len intensivere Sicherheitsüberprüfungen für Soldaten in Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs Verwendungen mit besonders hohen Sicherheitsanforde- auf Drucksache 19/28126 an die in der Tagesordnung rungen durchgeführt werden, andererseits sollen fortan aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere auch Reservisten von einfachen Überprüfungen erfasst Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann werden. verfahren wir so. Dieser Gesetzentwurf wirft jedoch auch Punkte auf, Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. die bei den eben genannten Regelungen nicht berücksich- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tigt wurden, zum Beispiel: tages auf morgen, Freitag, 16. April 2021, 9 Uhr, ein. Erstens. Alle Sicherheitsüberprüfungen werden durch den Militärischen Abschirmdienst durchgeführt. Bereits Die Sitzung ist geschlossen. 2017 hatte eine Ausweitung der Überprüfungen einen (Schluss: 23.15 Uhr)

1) Anlage 10

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28081

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Buchholz, Christine DIE LINKE Neumann, Christoph AfD Dahmen, Dr. Janosch BÜNDNIS 90/ Nüßlein, Dr. Georg fraktionslos DIE GRÜNEN Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ Esdar, Dr. Wiebke SPD DIE GRÜNEN Freihold, Brigitte DIE LINKE Özoğuz, Aydan SPD Frieser, Michael CDU/CSU Paschke, Markus SPD Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Pilger, Detlev SPD Gohlke, Nicole DIE LINKE Post, Florian SPD Hampel, Armin-Paulus AfD Remmers, Ingrid DIE LINKE Hebner, Martin AfD Rosemann, Dr. Martin SPD Helling-Plahr, Katrin FDP Schäfer (Saalstadt), Anita CDU/CSU Henke, Rudolf CDU/CSU Schimke, Jana CDU/CSU Herdt, Waldemar AfD Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD Herzog, Gustav SPD Siebert, Bernd CDU/CSU (B) (D) Höchst, Nicole AfD Steffel, Frank CDU/CSU Hoffmann, Alexander CDU/CSU Tauber, Dr. Peter CDU/CSU Kaiser, Elisabeth* SPD Tiemann, Dr. Dietlind CDU/CSU Kamann, Uwe fraktionslos Ullmann, Dr. Andrew FDP Kestner, Jens AfD Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kippels, Dr. Georg CDU/CSU Weber, Gabi SPD Komning, Enrico AfD Weeser, Sandra FDP Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Weidel, Dr. Alice AfD Lamers, Dr. Dr. h. c. Karl A. CDU/CSU Wetzel, Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Launert, Dr. Silke CDU/CSU Zdebel, Hubertus DIE LINKE Marwitz, Hans-Georg von CDU/CSU der

Miazga, Corinna AfD * aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes 28082 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Anlage 2 (C)

Ergebnis der Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten des Deutschen Bundestages (2. Wahlgang) (Tagesordnungspunkt 8) Abgegebene Stimmkarten: 638 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Dr. Harald Weyel 104 517 17 –

* Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich.

Anlage 3

Ergebnis der Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß § 10a Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung (Tagesordnungspunkt 9 a) Abgegebene Stimmkarten: 638 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Marcus Bühl 107 511 20 –

* Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich.

Anlage 4

Ergebnis der Wahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes (B) (D) (Tagesordnungspunkt 9 b) Abgegebene Stimmkarten: 638 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Albrecht Glaser 101 518 19 – Volker Münz 115 495 26 2

* Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich.

Anlage 5

Ergebnisse der Wahl von Mitgliedern des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (Tagesordnungspunkt 9 c ) Abgegebene Stimmkarten: 638 Ergebnis der Wahl eines ordentlichen Mitglieds Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Peter Boehringer 123 479 28 8

* Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich. Abgegebene Stimmkarten: 638 Ergebnis der Wahl eines stellvertretenden Mitglieds Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Dr. Birgit Malsack-Winkemann 106 507 24 1

* Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28083

(A) Anlage 6 (C)

Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an den Wahlen zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9 a bis c teilgenommen haben

CDU/CSU Michael Grosse-Brömer Erwin Rüddel Astrid Grotelüschen Dr. Dr. Markus Grübel Manfred Grund Dr. Wolfgang Schäuble Norbert Maria Altenkamp Dr. Jan-Marco Luczak Andreas Scheuer Philipp Amthor Monika Grütters Artur Auernhammer Fritz Güntzler Dr. Christian Schmidt (Fürth) Peter Aumer Karin Maag Dr. Dorothee Bär Patrick Schnieder Thomas Bareiß Dr. Thomas de Maizière Nadine Schön Gisela Manderla Maik Beermann Jürgen Hardt Dr. Dr. Klaus-Peter Schulze (Börde) Matern von Marschall Uwe Schummer Veronika Bellmann Dr. Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Detlef Seif Dr. André Berghegger Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Dr. Angela Merkel Mark Helfrich Dr. Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Marc Henrichmann Michelbach Björn Simon Steffen Bilger Dr. Dr. Dietrich Monstadt Jens Spahn Karsten Möring Michael Brand (Fulda) Dr. Elisabeth Motschmann Dr. Dr. Axel Müller (B) Dr. Dr. Gerd Müller (D) Hans-Jürgen Irmer Silvia Breher Sepp Müller Peter Stein (Rostock) Sebastian Brehm Carsten Müller (Braunschweig) Johannes Steiniger Stefan Müller (Erlangen) Christian Frhr. von Stetten Dr. Gitta Connemann Dr. Gero Storjohann Torbjörn Kartes Astrid Damerow Alexander Dobrindt Dr. Stefan Kaufmann Michael Donth Kristina Nordt Dr. Hermann-Josef Tebroke Marie-Luise Dött Hans-Jürgen Thies Michael Kießling Hansjörg Durz Florian Oßner Alexander Throm Thomas Erndl Josef Oster Dr. Dr. h. c. Bernd Fabritius Henning Otte Hermann Färber Dr. Volker Ullrich Enak Ferlemann Carsten Körber Martin Patzelt Axel E. Fischer (Karlsruhe- Dr. (Kleinsaara) Land) Alexander Krauß Stephan Pilsinger Dr. Dr. Christoph Ploß Thorsten Frei Dr. Günter Krings Dr. Johann David Wadephul Dr. Hans-Peter Friedrich Rüdiger Kruse (Hof) Maika Friemann-Jennert Dr. Roy Kühne Hans-Joachim Fuchtel Andreas G. Lämmel Alois Rainer Albert H. Weiler Ingo Gädechens Dr. Marcus Weinberg Dr. Ulrich Lange Eckhardt Rehberg (Hamburg) Jens Lehmann Dr. Eberhard Gienger Peter Weiß (Emmendingen) Ursula Groden-Kranich Dr. Johannes Röring Sabine Weiss (Wesel I) Hermann Gröhe Dr. Dr. Norbert Röttgen Klaus-Dieter Gröhler Antje Lezius 28084 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Annette Widmann-Mauz Frank Schwabe Norbert Kleinwächter (C) Bettina Margarethe Jörn König Wiesmann Dr. Rainer Kraft Klaus-Peter Willsch Dr. Bärbel Kofler Rainer Spiering Rüdiger Lucassen Elisabeth Winkelmeier- Becker -Emre Martina Stamm-Fibich Jens Maier Sonja Amalie Steffen Dr. Christine Lambrecht Mathias Stein Dr. Birgit Malsack- Christian Lange Winkemann Dr. Matthias Zimmer (Backnang) Andreas Mrosek Dr. Karl Lauterbach Michael Thews Hansjörg Müller SPD Sylvia Lehmann Markus Töns Volker Münz Helge Lindh Jan Ralf Nolte Carsten Träger Ingrid Arndt-Brauer Kirsten Lühmann Marja-Liisa Völlers Heiko Maas Paul Viktor Podolay Heike Baehrens Dirk Vöpel Isabel Mackensen Jürgen Pohl Ulrike Bahr Dr. Joe Weingarten Caren Marks Stephan Protschka Martin Reichardt Katja Mast Martin Erwin Renner Dr. Matthias Bartke Gülistan Yüksel Roman Johannes Reusch Sören Bartol Dagmar Ziegler Hilde Mattheis Ulrike Schielke-Ziesing Bärbel Bas Dr. Dr. Jens Zimmermann Dr. Robby Schlund Lothar Binding Jörg Schneider (Heidelberg) Uwe Schulz Dr. Susanne Mittag AfD Thomas Seitz Leni Breymaier Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. Detlev Spangenberg Siemtje Möller Dr. Dirk Spaniel Dr. Bettina Müller Andreas Bleck René Springer Detlef Müller (Chemnitz) Peter Boehringer Beatrix von Storch Dr. Daniela De Ridder Michelle Müntefering Stephan Brandner Dr. Harald Weyel Dr. Dr. Rolf Mützenich Jürgen Braun Wolfgang Wiehle (B) Ulli Nissen Marcus Bühl (D) Dr. Josephine Ortleb Matthias Büttner Dr. Christian Wirth Saskia Esken Mahmut Özdemir Tino Chrupalla Uwe Witt (Duisburg) Joana Cotar Dr. Dr. Dr. FDP (Minden) Ulrich Freese Berengar Elsner von Grigorios Aggelidis Florian Pronold Gronow Dagmar Freitag Renata Alt Michael Gerdes Dr. Michael Espendiller Christine Aschenberg- Dugnus Sönke Rix Timon Gremmels Dietmar Friedhoff Nicole Bauer Dennis Rohde Kerstin Griese Dr. Jens Beeck Michael Groß René Röspel Dr. Jens Brandenburg Uli Grötsch Dr. Dr. Götz Frömming (Rhein-Neckar) Michael Roth (Heringen) Dr. Alexander Gauland Rita Hagl-Kehl Susann Rüthrich Albrecht Glaser (Südpfalz) Bernd Rützel Franziska Gminder Sandra Bubendorfer-Licht Sebastian Hartmann Wilhelm von Gottberg Dr. Johann Saathoff Karlheinz Busen Hubertus Heil (Peine) Axel Schäfer (Bochum) Mariana Iris Harder- Carl-Julius Cronenberg Dr. Kühnel Britta Katharina Dassler Marianne Schieder Dr. Roland Hartwig Bijan Djir-Sarai Christian Dürr Dr. Barbara Hendricks Dr. Udo Theodor Hemmelgarn Gabriele Hiller-Ohm Martin Hess Dr. (Aachen) Dr. Heiko Heßenkemper Daniel Föst Dagmar Schmidt (Wetzlar) Karsten Hilse Otto Fricke Josip Juratovic Carsten Schneider (Erfurt) Thomas Hacker Thomas Jurk Johannes Schraps Dr. Reginald Hanke Leif-Erik Holm Fabian Jacobi Gabriele Katzmarek (Spandau) Stefan Keuter Torsten Herbst Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28085

(A) Sören Pellmann Uwe Kekeritz (C) Dr. Gero Clemens Hocker Dr. Katja Keul Manuel Höferlin Tobias Pflüger Sven-Christian Kindler Dr. Christoph Hoffmann Johannes Vogel (Olpe) Maria Klein-Schmeink Bernd Riexinger Sylvia Kotting-Uhl Eva-Maria Schreiber Christian Kühn (Tübingen) Olaf In der Beek Dr. Petra Sitte Renate Künast Gyde Jensen DIE LINKE Helin Monika Lazar Dr. Christian Jung Sven Lehmann Karsten Klein Doris Achelwilm Friedrich Straetmanns Steffi Lemke Dr. Simone Barrientos Dr. Kirsten Tackmann Dr. Tobias Lindner Daniela Kluckert Dr. Dietmar Bartsch Pascal Kober Lorenz Gösta Beutin Dr. Dr. Irene Mihalic Dr. Lukas Köhler Matthias W. Birkwald Alexander Ulrich Claudia Müller Carina Konrad -Förster Kathrin Vogler Beate Müller-Gemmeke Wolfgang Kubicki Dr. Dr. Ingrid Nestle Konstantin Kuhle Dr. Birke Bull-Bischoff Andreas Wagner Dr. Konstantin von Notz Jörg Cezanne Harald Weinberg Alexander Graf Sevim Dağdelen Cem Özdemir Lambsdorff Fabio De Masi Lisa Paus Dr. Diether Dehm Sabine Zimmermann Filiz Polat Anke Domscheit-Berg (Zwickau) Tabea Rößner Michael Georg Link Claudia Roth (Augsburg) (Heilbronn) Susanne Ferschl Dr. Manuela Rottmann Dr. BÜNDNIS 90/ Dr. André Hahn DIE GRÜNEN Corinna Rüffer Dr. Jürgen Martens Heike Hänsel Luise Amtsberg Alexander Müller Matthias Höhn Ulle Schauws Roman Müller-Böhm Annalena Baerbock Dr. Frank Müller-Rosentritt Ulla Jelpke Margarete Bause Stefan Schmidt Dr. Kerstin Kassner Dr. Charlotte Schneidewind- (Lausitz) Dr. Achim Kessler Hartnagel Matthias Nölke Canan Bayram (B) Kordula Schulz-Asche (D) Dr. Franziska Brantner Jan Korte Dr. Wolfgang Strengmann- Agnieszka Brugger Jutta Krellmann Dr. Kuhn Dr. h. c. Thomas Sattelberger Ekin Deligöz Christian Sauter Sabine Leidig Harald Ebner Markus Tressel Frank Schäffler Ralph Lenkert Matthias Gastel Jürgen Trittin Dr. Wieland Schinnenburg Kai Gehring Dr. Matthias Seestern-Pauly Dr. Gesine Lötzsch Stefan Gelbhaar Daniela Wagner Frank Sitta Thomas Lutze Katrin Göring-Eckardt Gerhard Zickenheiner Judith Skudelny Pascal Meiser Erhard Grundl Fraktionslos Dr. Anja Hajduk Marco Bülow Bettina Stark-Watzinger Cornelia Möhring Britta Haßelmann Dr. Marie-Agnes Strack- Dr. Bettina Hoffmann Norbert Müller (Potsdam) Zimmermann Dr. Anton Hofreiter Benjamin Strasser Zaklin Nastic Ottmar von Holtz Katja Suding Dr. Alexander S. Neu Dieter Janecek Dr. Frauke Petry Dr. Kirsten Kappert- Stephan Thomae Petra Pau Gonther Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt. 28086 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Anlage 7 politik in staatlich finanzierte ideologische Organisa- (C) tionseinheiten halte ich für nicht rechtsstaatskonform Erklärung nach § 31 GO und politisch nicht vertretbar. der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) Aus vorgenannten Gründen lehne ich den Gesetzent- zu der Abstimmung über den von den Fraktionen wurf zur Einrichtung einer Bundestiftung Gleichstellung der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf ab und werde im Plenum mit Nein votieren. eines Gesetzes zur Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung Anlage 8 (Tagesordnungspunkt 16 a) Zu Protokoll gegebene Reden Ich lehne die Einrichtung einer auf viele Jahre steuer- finanzierten vorparlamentarischen Opposition in Fragen zur Beratung des von der Bundesregierung einge- der Geschlechterpolitik grundsätzlich ab. brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- kommen des Europarats vom 3. Juli 2016 über Unser Grundgesetz fordert Gleichberechtigung, nicht einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz den ideologisch aufgeladenen Begriff der Gleichstellung. und Dienstleistungen bei Fußballspielen und ande- In Artikel 3 Absatz 2 GG heißt es: „Männer und Frauen ren Sportveranstaltungen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche (Tagesordnungspunkt 26) Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Die ideologische Begriffsverwirrung um Josef Oster (CDU/CSU): Der Sport hat eine große Gleichstellung statt Gleichberechtigung unterschlägt, Bedeutung für unser gesellschaftliches Zusammenleben. dass es sich bei Gleichberechtigung um die Gewährleis- Egal, ob aktiv oder als Zuschauer. Eine ganz besondere tung derselben Rechte für jeden handelt; Artikel 3 Rolle nimmt bei uns in Deutschland im Kanon der Sport- Absatz 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz arten der Fußball ein. Beinahe in jedem Dorf gibt es einen gleich.“ Gleichstellung bedeutet hingegen Ergebnis- Fußballverein. Auf viele übt der Fußball von klein an eine gleichheit. Das ist explizit nicht der Auftrag, den das besondere Faszination aus. Kein Wunder, dass der Deut- Grundgesetz stellt. Auch wenn es von Rot-Rot-Grün sche Fußball-Bund, DFB, mit mehr als 7 Millionen Mit- gelegentlich behauptet wird, stellt unsere Verfassung gliedern der größte nationale Sportverband der Welt ist nicht die Forderung auf, wir sollten Gleichberechtigung und die Spiele unserer Spitzenklubs Woche für Woche am von Frauen und Männern durch eine gleichstellende Fernseher, in der Kneipe und natürlich am liebsten in den (B) Plansprache erwirken oder durch eine außerparlamenta- Stadien verfolgt werden. Sport – ganz besonders der Fuß- (D) rische Beobachtungsstelle für Geschlechterfragen. Doch ball – verbindet uns alle. all das fördert die sogenannte Bundesstiftung Gleichstel- Das fällt gerade zurzeit besonders auf, da wir das ge- lung. meinsame Erleben sportlicher Ereignisse schmerzlich vermissen: Seit einem guten Jahr finden Fußballspiele Selbst wenn die Union bezüglich der Finanzierung die und andere Sportveranstaltungen ohne Publikum statt. utopische Forderung der SPD von 11,2 Millionen Euro Und auch nach einem Jahr kann ich mich nicht an leere jährlich, also 44,8 Millionen bis 2024 um 30 Millionen Tribünen und stille Stadien gewöhnen. Die sogenannten Euro auf 18,8 Millionen bis 2024 herunterverhandeln Geisterspiele machen eindrucksvoll deutlich, dass ohne konnte, bleibt die finanzielle Ausstattung dieser Stiftung Zuschauer dem Sport das Wichtigste fehlt: Emotionen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unverant- und die Leidenschaft. wortlich. Wenn die Zeit wiederkommt, in der wir gemeinsam in Es kann und darf nicht sein, dass die sogenannte Bun- Stadien unsere Mannschaften anfeuern können – und ich desstiftung Gleichstellung trotz pandemiebedingtem bin zuversichtlich, dass das schon in der nächsten Saison Schuldenberg lieber millionenfach Steuergeld für linke der Fall sein wird –, wenn wir die Gefahr der aktuellen Liebhaberprojekte ausgibt als für konkrete Unterstützung Pandemie erfolgreich eingedämmt haben werden, dann von Frauen und Familien vor Ort. Ich bin auch nicht soll nichts unsere Freude beim Stadionbesuch trüben. bereit, mit der Errichtung der Stiftung ein Einfallstor für Wir wollen unseren Lieblingsverein anfeuern und uns Parteien des links-grünen Spektrums zu öffnen. Ein Blick dabei willkommen und sicher fühlen. in das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen ist richtungsweisend. Dort wird verlangt, dass es nicht bei Und an diesem Punkt knüpft das Übereinkommen an, 18,8 Millionen Euro bis 2024 bleiben darf, damit eine über das wir heute reden. Mit dem Übereinkommen über weitere ideologische Institution mit Kontroll-, Sanktions- einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und und Verbotsbefugnis ausgebaut werden kann. Die Grünen Dienstleistungen bei Fußballspielen werden in ganz Eu- fordern unmissverständlich: „Mit einem Gender-Check ropa Sicherheitsstandards aktualisiert und überarbeitet. wollen wir prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz So wird eine noch bessere und effektivere Zusammenar- die Gleichberechtigung der Geschlechter voranbringt und beit aller beteiligten Akteure garantiert. dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingrei- In Deutschland läuft es bei der Sicherheit im Fußball fen. Die neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung schon sehr rund: Die Bundespolizei begleitet an- und werden wir zu einer effektiven Institution ausbauen.“ Das abreisende Fans in den Zügen und Bahnhöfen, Landes- Ausgliedern von Problemen der Frauen- und Familien- polizeien sorgen in der Umgebung der Stadien für einen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28087

(A) reibungslosen Ablauf, und die Veranstalter und Vereine heutige Gesetz bildet einen wichtigen Baustein für (C) garantieren in ihren Stadien ein sicheres und einladendes Sicherheit und Schutz bei Fußballspielen und anderen Umfeld. Alle Zahnräder greifen ineinander und garantie- Sportveranstaltungen. ren Sicherheit. Das ist gerade vor dem Hintergrund neuer und wach- Artur Auernhammer (CDU/CSU): Erst vor wenigen sender Gefahren wichtig: Der Vorgänger der heutigen Wochen hat die Bundesregierung im Sportausschuss die Übereinkunft wurde unter dem Eindruck der Massenpa- Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen vorge- nik im Brüsseler Heysel-Stadion von 1985 ins Leben stellt. In Deutschland merken wir immer wieder, welche gerufen. Damals starben nach Hooligan-Ausschreitungen besondere Begeisterung der Sport in uns allen hervorruft. 39 Menschen. Mit der Nationalen Strategie haben wir einen Weg geschaffen, Deutschland als einen führenden Standort Leider ist das Problem gewaltbereiter Fußballfans in für nachhaltige Sport-Events zu etablieren und weiterzu- den letzten Jahren eher größer als kleiner geworden: An entwickeln. Besonders in Zeiten von Corona merkt jeder jedem normalen Spieltag sind Tausende Polizisten im Einzelne, wie wichtig die Sportereignisse mit jubelnden Einsatz, um gewaltorientierte Randalierer in Schach zu Fans waren und auch immer noch sind. Wir merken auch, halten, um Hooligan-Gruppen an zuvor verabredeten wie sehr wir sie vermissen. Denn Sportereignisse verei- Schlägereien und Zerstörungsorgien zu hindern und nen die Gesellschaft, ob Groß oder Klein, ob national unbescholtene Fußballfans vor diesen Unruhestiftern zu oder regional, ob Alt oder Jung. Vor allem ist es der Fuß- schützen. ball, der Deutschland begeistert. Vom Sommermärchen Hinzu kommen neue Bedrohungen: So wächst seit Jah- bis hin zum Kreisligaspiel begeistert und mobilisiert er ren die Gefahr durch den internationalen Terrorismus. die Fans, und das nicht in kleinen Mengen. Auch sportliche Großereignisse sind ein denkbares Mit den Worten „Gemeinsam. Mehr. Wirkung.“ wird Angriffsziel für radikale Islamisten und andere Extremis- in der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen ten. Das hat beispielsweise der Anschlag auf den Mara- unser Ziel definiert. Das Übereinkommen des Europara- thon in Boston 2013 gezeigt. Um in Europa solche Szena- tes vom 3. Juli 2016 über einen ganzheitlichen Ansatz für rien so gut es geht zu verhindern, ist ein Übereinkommen Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspie- wie das, über das wir heute sprechen, so wichtig. len und anderen Sportveranstaltungen wird den drei Ansprüchen gerecht. Nicht nur bei der Erarbeitung des Ob Champions League oder Europameisterschaft: Der Vorgängerabkommens, sondern auch bei dieser Aktuali- Schutz der Zuschauer bei sportlichen Veranstaltungen hat sierung und Neuausrichtung der Verpflichtung kam oberste Priorität. Dafür brauchen wir eine starke europä- Deutschland eine sehr aktive Rolle zu. Wir konnten un- (B) ische Kooperation. Die einzelnen Nationalstaaten müssen (D) sere Erfahrungen nutzen und einbringen, um den Umfang untereinander zusammenarbeiten, und die Kooperation des alten Vertrages zu erweitern. Im Mittelpunkt des Ver- auf überstaatlicher Ebene muss lückenlos sein. Das ist trages stehen Sicherheit und Schutz. Zentral ist dabei, der Fall: Auch über das Übereinkommen hinaus garan- dass es einen ganzheitlichen Ansatz benötigt. tieren bilaterale Polizeiabkommen und europäische Be- hörden Sicherheit. Dabei denke ich natürlich vor allem an Damit bin ich bei unserem ersten Ziel angekommen: Europol. Das Europäische Polizeiamt leistet einen „Gemeinsam.“ Zusammenarbeit ist auf zwei Ebenen herausragenden Beitrag zur Sicherheit in Europa: Poli- wichtig: lokal und international. Aber auch diese beiden zeien aus allen Ländern Europas tauschen sich hier aus, Ebenen müssen miteinander verbunden werden. Zum bekämpfen grenzüberschreitende Kriminalität und koor- einen gibt es die Vielzahl sowohl staatlicher als auch pri- dinieren die Terrorismusabwehr. vater Akteure, die an der Ausrichtung einer Sportveran- staltung beteiligt sind. Gemeinsam werden sie in die Aber auch eine starke Bundespolizei ist wichtig. Hier Pflicht genommen, ihre Maßnahmen zu koordinieren. bin ich besonders froh, dass wir gerade am Bundespoli- Dafür bedarf es auch überregionaler Partnerschaften. zeigesetz arbeiten, das den Beamten auch im Bereich der Sicherheit von Fußballspielen neue Befugnisse einräumt: „Mehr.“: mehr Zusammenarbeit von Polizei, unseren Das eben von mir erwähnte Problem, dass gewaltbereite Notfall- und Rettungsdiensten und den Veranstaltern für Hooligans zu Spielen mit dem Zug anreisen, um dann am mehr Sicherheit, insbesondere im Umgang mit Men- Rande dieser Spiele Krawalle zu veranstalten, lösen wir schenmassen. Denn das bringt immer gewisse Risiken durch die neue Möglichkeit der Ausreiseuntersagung. So mit sich: teils gefährlicher Einsatz von Pyrotechnik, ver- verhindern wir, dass sich diese Unruhestifter überhaupt einzelt auch gewaltsame Ausschreitungen und leider erst auf den Weg machen. Das entlastet die Einsatzkräfte auch Diskriminierung. Dagegen muss mit wirksamen vor Ort und sorgt dafür, dass viele Gewalttaten gar nicht Maßnahmen vorgegangen werden. Das macht der Vertrag erst gesehen. möglich. Schlussendlich erzielen wir damit Wirkung. Sport-Events werden mit positivem, sicherem und ein- Abschließend lässt sich also zusammenfassen, dass wir ladendem Veranstaltungsumfeld dafür sorgen, dass bei der Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen Fans, Veranstalter und die breite Öffentlichkeit noch bes- und anderen Sportveranstaltungen zwei Dinge brauchen: sere Erfahrungen machen. Deutschland nimmt auch hier eine starke nationale Polizei – die wir in Deutschland mit wieder eine Vorreiterrolle ein. Die deutsche Rechtslage der Bundespolizei und den Landespolizeien haben – und beinhaltet die genannten Ziele und Maßnahmen bereits. eine starke europäische Kooperation. Die wird nicht nur Das ermöglicht weitere wertvolle Beiträge seitens durch Institutionen wie Europol gewährleistet. Auch das Deutschlands in einem Erfahrungsaustausch. 28088 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) Gerade auch im Hinblick auf die in München stattfind- nis des Dokuments in dem jeweiligen Einzelfall für die (C) enden Spiele der Fußball-EM 2021, die Leichtathletik- abrufende Behörde unerlässlich ist und weitere Informa- Europameisterschaften 2022 und im Besonderen die Fuß- tionen von der zuständigen Behörde nicht rechtzeitig zu ball-EM 2024, welche komplett in Deutschland stattfin- erlangen sind. det, stellt ein kooperativer Ansatz für Sicherheit und Schutz einen wichtigen Teil der Strategie dar. Daher soll- Zum Beispiel legt jemand bei einer Behörde einen aus- te dem Beitritt Deutschlands zum Übereinkommen des ländischen Ausweis vor, und später legt er bei einer an- Europarats von Saint-Denis vom 3. Juli 2016 zweifelsfrei deren Behörde einen ausländischen Ausweis vor. Zurzeit zugestimmt werden. muss jede Behörde selbst prüfen und entscheiden, ob der Ausweis echt ist. Das heißt, wenn die erste Behörde den Ausweis bereits hat prüfen lassen und er echt ist, dann Anlage 9 fängt die zweite Behörde trotzdem erst einmal wieder bei null an. Insgesamt ist das eine unnötige Belastung für die Zu Protokoll gegebene Reden Behörden und auch für den Betroffenen. zur Beratung des von der Bundesregierung einge- Zukünftig können die Behörden vorgelegte Ausweis- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterent- dokumente mit den gespeicherten Dokumenten und Prüf- wicklung des Ausländerzentralregisters zertifikaten abgleichen und auf eigene Echtheitsüberprü- (Tagesordnungspunkt 27) fungen verzichten. Das ist für alle ein Gewinn. Gerade an dieser Stelle möchte ich an den Fall Amri erinnern, der mit 15 weiteren Identitäten durch das Land zog! Und – Alexander Throm (CDU/CSU): Bei diesem Gesetz bei allem Verständnis für Datenschutzbelange –: Es geht geht es um Modernisierung, um mehr Effizienz und Qua- nicht um zusätzliche oder neue Daten oder gar um den lität. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, und Aufbau einer neuen Datenkrake. Nein, es geht darum, wir setzen es jetzt um, und zwar unter voller Beachtung Datenchaos zu vermeiden, bestehende Systeme besser des Datenschutzes. zu pflegen und effizienter zu nutzen. Die Schneckenpost An unterschiedlichen Stellen in diesem Land erheben zwischen den Behörden soll der Vergangenheit angehö- verschiedene Behörden von Bund, Ländern und Kommu- ren. nen Daten zu ausländer- oder asylrechtlichen Vorschrif- ten. Meistens geschieht das isoliert voneinander, und oft Alle fordern Digitalisierung, E-Government und digi- sind die Daten identisch; die Dateisysteme aber sind es tale Verwaltung. Und dann, wenn es kommt, ist der Auf- nicht. Das führt zu enormen Reibungsverlusten. Betrof- schrei groß, werden Bedenken formuliert. Da wird kriti- (B) fene müssen dieselben Daten mehrfach angeben. Doku- siert, dass das Geburtsland, ein möglicher Doktorgrad (D) mente müssen immer wieder mühsam neu angefordert und mögliche Visa oder absolvierte Integrationskurse und per Post versendet werden. Dieser Zustand soll been- zentral gespeichert werden sollen. Was ist an diesen det werden. Informationen schädlich? Weshalb sollte ein Visum für Ausländer- oder Sozialbehörden geheim sein? Und wenn Erstens. Daten, die bisher in über 600 dezentralen Aus- nach einer Namensänderung Zweifel an der Identität länderdateien vorgehalten werden, sollen an das zentrale bestehen und Polizeibehörden das dann mithilfe einer Register übermittelt und nur noch dort gespeichert und bereits bekannten ausländischen Personenidentitätsnum- automatisch synchronisiert werden. Das bedeutet ganz mer klären können, dann finde ich das gut und richtig. Es klar eine Entlastung für die Ausländerbehörden, das handelt sich schließlich um verbesserte Suchmöglichkei- BAMF und das Bundesverwaltungsamt. Denn diese müs- ten, nicht um Neuerfindungen. sen dann nur noch den eigenen Datenbestand pflegen. Das bedeutet mehr Effizienz und eine höhere Datenqua- Das alles geschieht doch auch nicht im luftleeren lität. Raum. Zuständig für die datenschutzrechtliche Kontrolle Zweitens. Alle beteiligten Behörden sollen für ihre ist der Bundesbeauftragte für Datenschutz. Zugriffe auf Arbeit auf denselben einheitlichen und aktuellen Daten- Daten und Unterlagen sind auch nicht „einfach so“ und bestand zugreifen können. für alle möglich. Meinen Sie ernsthaft, dass protokollierte Drittens. Es wird eine zentrale Dokumentenablage ge- Zugriffe von Behörden unsicherer sind als herumliegende ben. Das ist gedacht für Dokumente, die von den Men- Papierakten, bei denen sich niemals nachvollziehen schen sowieso bereits im Original vorgelegt wurden und lässt, wer etwas kopiert oder gelesen hat? Und alle im regelmäßig auch von anderen Behörden kurzfristig be- AZR gespeicherten Personen haben selbstverständlich nötigt werden. Es geht um einen sicheren Zugang für die Rechte nach der Datenschutz-Grundverordnung. die Behörden, die jetzt schon berechtigt sind, das jewei- Das sind Auskunft und gegebenenfalls Berichtigung, lige Dokument zu sehen. Das können Ausweis- und an- Löschung oder Sperrung der Daten. dere Identifikationsdokumente sein, aber auch der Asyl- Das BMI hat auf die Praktiker gehört und Länder und bescheid und gerichtliche Entscheidungen. Kommunen früh beteiligt. In einem Pilotprojekt, bei dem Da solche Dokumente besonders sensibel sein können, alle Länder vertreten waren, wurden durchdachte und dürfen Asylentscheidungen aber nur dann gespeichert praxistaugliche Lösungen entwickelt. Dies hat der Natio- werden, wenn besondere schutzwürdige Interessen des nale Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme beson- Betreffenden nicht entgegenstehen. Und die Dokumente ders herausgestellt. Danke an das BMI für die präzise und sind für eine Behörde auch nur abrufbar, wenn die Kennt- fundierte Arbeit. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28089

(A) Detlef Seif (CDU/CSU): Im Rahmen des Datenaus- dort einen Pool von Daten, die bereits heute im AZR (C) tauschverbesserungsgesetzes haben wir bereits eine äu- gespeichert sind, etwa Informationen über den Gesund- ßerst wichtige Änderung im Ausländerzentralregister heitszustand oder biometrische Daten wie Fotos und Fin- umgesetzt: Bei Asylantragstellern und Personen, die un- gerabdrücke. erlaubt eingereist sind oder sich unerlaubt in Deutschland Als FDP-Fraktion sehen wir die Reformbedürftigkeit aufhalten, werden jetzt biometrische Daten erhoben und des AZR. Doch hier ging offenbar Schnelligkeit vor zentral gespeichert – neben dem Lichtbild betrifft dies Gründlichkeit. Das zeigt sich bereits daran, dass die Frist Fingerabdruckdaten, Größe und Augenfarbe. Fälle, bei für Stellungnahmen zum Referentenentwurf gerade ein- denen Personen unter mehreren Aliasidentitäten Anträge mal vier Tage betragen hat. Ein Verfahren, das bei dieser stellen – das prominenteste und zugleich traurigste Bei- Bundesregierung leider keine Seltenheit ist, sondern in- spiel ist der islamistische Terrorist Anis Amri – sind nach zwischen zur Regelmäßigkeit wird. der erfolgten Umsetzung der Vorschrift in der Praxis jetzt ausgeschlossen. Eine Zentralisierung von Daten ist ohnehin nur dann sinnvoll, wenn die Datensätze bereinigt und aktuell sind. Die aktuelle getrennte Erhebung und Speicherung von An der Datenqualität des AZR bestehen ernsthafte Zwei- identischen Daten bei mehreren Ausländerbehörden birgt fel. Gleichzeitig birgt die Zentralisierung von Daten zusätzliche Fehlerquellen, die Verfügbarkeit der Daten Gefahren. Aus verfassungsrechtlicher Sicht besteht im- ist nicht sichergestellt. Beispiel: Nach Artikel 104 des mer die potenzielle Gefahr, dass Strukturen geschaffen Grundgesetzes darf die Polizei eine Person nicht länger werden, die eine Katalogisierung, also Persönlichkeits- als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in profile, zulassen. Und aus IT-Sicherheit-Sicht müssen Gewahrsam halten. Nicht alle Ausländerbehörden haben potenzielle Angreifer anders als bei einem dezentralen eine Notbesetzung über das Wochenende. Sollte der Da- Ansatz nur noch eine Mauer durchbrechen, bevor sie an tenbestand entscheidende Informationen enthalten, sind sämtliche Datensätze gelangen können. diese nicht verfügbar. Ein entsprechendes Sicherungssystem, das vor dem Dokumente, die bei einer Behörde bereits vorliegen, unbefugten Zugriff Dritter schützt, ist daher unerlässlich. müssen bei der anderen Behörde erneut ins System Um Missbrauch vorzubeugen, braucht es bei rund eingepflegt werden. Die Bearbeitung erfolgt zurzeit über- 100 000 zugriffsberechtigten Nutzern des AZR zudem wiegend händisch und im postalischen Versand, was auch eine vollständige Nachvollziehbarkeit von Zugrif- fehleranfällig ist und zusätzlichen Zeit- und Personalauf- fen durch eine externe Protokollierung. Dies sollte spä- wand verursacht. Verfahren werden unnötig in die Länge testens nach den mit „NSU 2.0“ unterzeichneten rechts- gezogen, Betroffene müssen jedes Mal aufs Neue Anga- extremen Drohschrieben Standard sein. ben machen und Dokumente vorlegen. Grundsätzlich ist (B) es deshalb zu begrüßen, wenn die Daten nur noch einmal Nach dem vorliegenden Entwurf kann zudem nicht (D) erhoben und zentral gespeichert werden und vor allem, ausgeschlossen werden, dass sensible Daten auch aus wenn wichtige Dokumente zentral verfügbar sind. Deutschland ohne Kenntnis der Betroffenen in ihre Her- kunftsländer gelangen und die betroffenen Personen oder Es hört sich gut an, dass nach Eingabe und Prüfung in ihre im Herkunftsland lebenden Angehörigen in Gefahr das Datensystem einer Ausländerbehörde die Synchroni- bringen können. Denn über die ausländische Personen- sation mit dem Zentralregister automatisiert erfolgen soll. identitätsnummer können Daten aus Deutschland mit de- Das funktioniert aber nur bei entsprechender einheitlicher nen aus dem Herkunftsland zusammengeführt werden. Soft- und Hardware und der geeigneten Schnittstellen- technik. Bei vielen Ausländerbehörden wird dies unprob- Auch bei der Speicherung von Asylentscheidungen im lematisch sein. Bei anderen ist aber noch viel Pionier- AZR sehen wir noch Klärungsbedarf. Die darin enthal- und Aufbauarbeit erforderlich. Das vorgesehene Round- tenen Daten, etwa politische Meinungen, religiöse oder Table-Format von Bund und Ländern wird nicht ausrei- weltanschauliche Überzeugungen, sind hochsensibel, chend sein. berühren intime Details und gehören nicht in jedermanns Hände. Bei der Herkulesaufgabe der Digitalisierung der Ver- waltungsarbeit und dem erreichten Umfang gemeinsamer Nachdem die Bundesregierung durch ihre überhastete Datenverbünde ist dringend zu empfehlen, dass Bund und Einbringung versäumt hat, die Kritik aus den Verbänden Länder über das eingesetzte Round-Table-Format hinaus- aufzugreifen, ist es nun Aufgabe des Deutschen Bundes- gehen und sich in einem gemeinsamen Digitalisierungs- tages, die Mängel am Gesetzentwurf auszumerzen. zentrum intensiv und vorrangig mit der Umsetzung be- fassen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Der Gesetzentwurf sieht vor, das Ausländerzentralregister zu einem „zentralen Stephan Thomae (FDP): Mit dem vorgelegten Ge- Ausländerdateisystem“ weiterzuentwickeln. Dieses Son- setzentwurf der Bundesregierung soll das Ausländer- derregister für Menschen ohne deutsche Staatsbürger- zentralregister (AZR) zum zentralen Dateisystem für schaft war schon immer fragwürdig, doch jetzt droht es alle ausländerrechtlichen Fachverfahren weiterentwickelt endgültig zur Mega-Datenkrake zu werden. werden. Nach dem Once-Only-Prinzip sollen künftig Künftig sollen im AZR auch Daten erfasst werden, die Asylbescheide, Gerichtsentscheidungen zu Verfahren, bislang dezentral bei den Ausländerbehörden gespeichert eingescannte Ausweise und andere Dokumente von in werden. Erfasst werden sollen außerdem Asylbescheide Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländern und Gerichtsentscheidungen in asyl- und ausländerrecht- an einem Ort zentral gespeichert werden. Sie ergänzen lichen Verfahren. Dies begründet die Bundesregierung 28090 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021

(A) mit einer besseren Datenqualität, schnelleren Bearbei- Trotz der erheblichen Ausweitung von Zugriffs- und (C) tungsprozessen und damit, dass Unterlagen aufgrund Nutzungsrechten findet sich auch in diesem Entwurf kei- der zentralen Speicherung und Abrufbarkeit für alle Be- ne Regelung, die dem Schutz der Betroffenen und ihrer hörden nicht mehr mehrfach eingereicht werden müssten. Daten dient. Im Gegenteil: Betroffene werden daten- Diese Ziele klingen erstmal nicht schlecht. Das Problem schutzrechtlich weiter zu Menschen zweiter Klasse de- ist, dass der Datenschutz auf der Strecke bleibt. gradiert. Schon seit Jahren beobachten wir, dass im AZR immer Es soll nun nach dem Willen der Bundesregierung die mehr Daten zentral gespeichert werden, auf die immer ausländische Personenstandsziffer gespeichert werden. mehr Behörden zugreifen können. Es fehlt aber an Diese Nummer ermöglicht die Erschließung von zahlrei- Schutzmechanismen, um Datenmissbrauch zu verhin- chen Datenbeständen im Herkunftsland. Es besteht das dern. Betroffene können die Erfassung und Verarbeitung Risiko, dass ohne Wissen oder Einwilligung der Betrof- ihrer Daten kaum kontrollieren. So lässt sich auch nicht fenen Daten aus dem Ausland erhoben oder dorthin über- überprüfen, ob einzelne Datenverarbeitungsprozesse mittelt werden. überhaupt erforderlich und verhältnismäßig sind. Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung ist die Ver- Besonders heikel ist die geplante Erweiterung um wendung solcher Ziffern nur „unter Wahrung geeigneter Daten zu Asylverfahren. Diese erhalten hochsensible Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Angaben zu politischen Einstellungen, religiösen Über- Person“ zulässig. Derartige Schutzvorkehrungen sieht zeugungen oder sexuellen Orientierungen. Solche Daten der vorliegende Entwurf aber nicht vor. haben an einem zentralen Speicherort mit automatischen Zugriffsmöglichkeiten wie dem AZR nichts verloren. Deswegen hat auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung Bauchschmerzen mit der Speicherung Ein Problem ist auch die Aufnahme der ausländischen der ausländischen Personenstandsziffer im AZR. Das Personenidentitätsnummer. Diese ermöglicht es, perso- geht aus der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zu dem nenbezogene Daten aus dem Herkunftsland und solche vorliegenden Gesetzentwurf hervor. Daraus geht eben- aus Deutschland zusammenzuführen. Nutzen könnten falls hervor, dass die Bundesregierung diese Bedenken diese Nummern alle öffentlichen Stellen, auch die Polizei einfach vom Tisch gewischt hat, und zwar ohne Argu- und die Geheimdienste. Hier sehe ich die große Gefahr, mente. Wozu haben Sie einen Bundesdatenschutzbeauf- dass sensible Daten, etwa aus dem Asylverfahren, ohne tragten, wenn Sie ihn bei solchen Fragen kategorisch Kenntnis der Betroffenen in die Hände der Behörden des ignorieren? Herkunftslandes gelangen. Sehenden Auges ein solches (B) Risiko einzugehen, ist unverantwortlich. Das AZR wirft ohnehin schon an vielen Stellen rechts- (D) staatliche Fragen auf. Es ist eher von Chaos denn von Die Koalition will das AZR zu einer Mega-Datenbank validen Daten geprägt. Dass nun auch noch Entschei- ausbauen, an deren verfassungs- und europarechtlichen dungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Zulässigkeit enorme Zweifel bestehen. Das Gegenteil in dieses Datenchaos aufgenommen werden sollen, hal- wäre richtig: ein Abbau dieses Datenungetüms. Für Men- ten wir für höchst problematisch. Es handelt sich bei schen ohne deutsche Staatsangehörigkeit muss das glei- BAMF-Bescheiden um Dokumente mit äußerst sensiblen che Recht auf Datenschutz gelten wie für deutsche Staats- Daten, in denen Fluchtgründe und Einzelheiten zur Ver- bürger! folgungssituation enthalten sind. Nicht zuletzt durch den großen Kreis der Zugriffsberechtigten besteht die Gefahr, dass diese Daten missbraucht werden oder an Unbefugte Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich – schlimmstenfalls an Behörden des Verfolgerstaates – habe ein Déjà-vu. Vor ziemlich genau zwei Jahren haben gelangen und möglicherweise auch Angehörige in den wir hier das Zweite Datenaustauschverbesserungsgesetz Fokus geraten. Dieses verheerende Risiko nimmt die diskutiert. Das enthielt damals schon viele sehr bedenk- Bundesregierung bewusst in Kauf, und das, obwohl es liche Änderungen – nach dem Motto „Viele Daten, aber keinen nachvollziehbaren Anlass für die Speicherung kein Schutz“. der BAMF-Bescheide gibt. Dieses zwei Jahre alte Gesetz ist noch nicht evaluiert, Die drei Grundprinzipien der Datenverarbeitung sind: und schon wird die dritte Novelle für das Ausländerzent- die Zweckbindung, das Transparenzgebot und vor allem ralregister vorgelegt. Ich könnte dieselben Fragen von die Datenminimierung. Von diesen Grundprinzipien ver- damals heute wieder stellen. Ich finde es unfassbar, dass abschiedet sich die Bundesregierung mit ihrem Gesetz- es die Bundesregierung scheinbar gar nicht interessiert, entwurf endgültig. Wir werden ihn ablehnen. ob das alte Gesetz überhaupt Wirkung entfaltet hat oder ob die massiven Eingriffe in das informationelle Selbst- bestimmungsrecht vielleicht doch nicht gerechtfertigt sind. Anlage 10

Es geht bei diesem Gesetzentwurf um das Ausländer- Zu Protokoll gegebene Rede zentralregister, eines der größten Register der öffentli- chen Verwaltung in Deutschland. Über 11 Millionen zur Beratung des von der Bundesregierung einge- Menschen sind dort erfasst, über 26 Millionen persön- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur intensivier- liche Datensätze. Zugreifen dürfen 14 000 Behörden. ten erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicher- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 221. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. April 2021 28091-28100

(A) heitsermittlungen von Soldatinnen und Soldaten Es besteht weiterer Handlungsbedarf im Kampf gegen (C) und zur Sicherheitsüberprüfung von Reservistin- Rechtsextremismus in der Bundeswehr und in den deut- nen und Reservisten schen Sicherheitsbehörden. Meine Fraktion fordert seit (Tagesordnungspunkt 28) Langem, dass die Bundesregierung hier entschlossener voranschreitet. Der „Maßnahmenkatalog des Kabinet- tausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus Matthias Höhn (DIE LINKE): Wir diskutieren heute und Rassismus“ von letztem November war ein richtiger einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Frage der Schritt. Doch die Regierung bleibt bei Nachfragen meiner intensivierten Sicherheitsüberprüfung von Soldaten und Fraktion zu den bisherigen Ergebnissen des Maßnahmen- Reservisten der Bundeswehr. Der Militärische Abschirm- katalogs vage. Es wird sich noch herausstellen, ob der dienst soll fortan Soldaten mit Verwendungen mit beson- Katalog effektiv Veränderung bringen wird oder ob er ders hohen Sicherheitsanforderungen zeitlich und inhalt- ein Papiertiger bleibt. lich intensiver überprüfen können. Auch bei Reservisten, die für den Dienst in der Bundeswehr herangezogen wer- Wegen der genannten Punkte ist es derzeit noch unklar, den, soll der MAD künftig eine einfache Sicherheitsüber- ob der vorliegende Gesetzentwurf zur intensivierten prüfung durchführen können. Sicherheitsüberprüfung tatsächlich ein effektives Mittel Die Linke unterstützt jedes Mittel, das effektiv gegen gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr werden Rechtsextremismus wirkt. Doch im vergangenen Jahr kann oder ob er wie ein Tropfen auf dem heißen Stein meldete der MAD ganze 14 Extremisten in der Bundes- verpuffen wird. wehr. Diese Zahl ist natürlich absurd. Kurz nach dieser Die Verteidigungsministerin hat letztes Jahr richtiger- Meldung des MAD hat die Verteidigungsministerin den weise eine Reihe an Schritten angekündigt, um die Spe- damaligen Behördenleiter öffentlichkeitswirksam entlas- zialkräfte der Bundeswehr zu reformieren. Dazu gehören sen. Dass das Problem innerhalb des Abschirmdienstes auch Maßnahmen, die bereits bei Personalgewinnung damit geklärt ist, bleibt jedoch anzuzweifeln. Denn jahre- und Einstellungsverfahren beginnen. Hier müssen wir lang hat der MAD sich mehr als Beschützer des Rufs der ansetzen; denn diese Maßnahmen sind mindestens genau- Bundeswehr gesehen als ein Dienst, der die realen Zu- so wichtig wie Sicherheitsüberprüfungen durch den stände in der Truppe darstellen sollte. Der Abschirm- Geheimdienst – wahrscheinlich sind sie sogar verlässli- dienst hat seine Aufgabe, Rechtsextremismus in der Bun- cher. deswehr aufzuklären, nicht ordentlich erfüllt. Man kann sich also schon fragen, inwieweit der MAD auch mehr Meine Fraktion ist bereit, sich konstruktiv in die Dis- Rechtsextreme finden würde, wenn er Soldaten und Re- kussion um dieses Gesetz einzubringen. Ich freue mich (B) servisten häufiger untersuchen würde. auf die Debatte in den Ausschüssen. (D) Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333