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- I . BAYERISCHES· I - "I ' , ' ,\ »; ' ..... J~UCH.··, .. , I ~ , ':,.'! , . E,U, R , J I . · -,· "VOLKSK ,E·, ..' -, -1995 I ' , J ,I . r I I / \ - . , cl' " .f ," " / , ( . I I , ~MÜNCHEN 1995 " , I Gabor Tüskes - Eva Knapp Der ungarische Atlas Marianus Eine charakteristische und zugleich seltene Gat- Entstehung und Drucklegung tung unter den Publikationstypen der geistlichen Literatur des 17. Jahrhunderts stellt der sog. Atlas Im schriftstellerischen Werk des Paul Esterhäzy Marianus, eine Sammlung von Erzählungen über zeichnete sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre Ursprung und Geschichte der besonders verehr- eine neue dichterische Zielsetzung ab, die zum Er- ten Mariendarstellungen, dar. Zu den berühmte- scheinen einer neuer Gattung führte. Sie richtete sten Vertretern dieser Gattung gehört das umfang- sich, im Gegensatz zu den früheren literarischen reiche Werk des Münchner Jesuiten Wilhelm Versuchen des Fürsten, auf die Erarbeitung eines Gumppenberg, das seit 1655 in mehreren Varian- Werkes in ungarischer Sprache, das von Anfang an ten verlegt wurde, mit seinem Titel sich auf die zur Drucklegung bestimmt war und in repräsenta- Bezeichnung der Gattung auswirkte und durch tiver Form herausgegeben werden sollte. Das seine zahlreichen Auflagen, Übersetzungen und Buch erschien 1690 in Nagyszombat (Tyrnau, Bearbeitungen einen bedeutenden Einfluß auf die Trnava) und enthält die mit Kupferstichen illu- Entwicklung der Frömmigkeit in Mitteleuropa strierte Geschichte von insgesamt 117, zum größ- ausübte. Obwohl Gumppenbergs Werk in der ten Teil europäischen, darunter mehreren ungari- Fachliteratur, vor allem im Zusammenhang mit schen sowie einigen außereuropäischen Marienbil- der Geschichte der Frömmigkeit und insbesonde- dern und -statuen. Laut der Widmung an den Le- re des Wallfahrtswesens im Barockzeitalter bis ser gab Esterhäzy das Buch zur Verbreitung der heute oft zitiert wird, stehen eine Untersuchung Herrlichkeit Mariä, "der ewigen Königin Un- der Entstehungs- und Wirkungs geschichte des garns", sowie "zum Trost und Heil der Ungari- Werkes sowie die Bestimmung seiner Charakteri- schen Nation, besonders der wahren frommen stika hinsichtlich Inhalt, Aufbau und Gattung Herzen" heraus. Im weiteren spricht er über die nach wie vor aus. "vielfachen ketzerischen Verirrungen" der Nation; Unter den Übersetzungen des Gumppenberg- das zeugt von der gegenreformatorischen Absicht sehen Werkes in die verschiedenen National- des Unternehmens. Auf dem Titelblatt wird nach sprachen nimmt die von Fürst Paul Esterhäzy dem Namen Esterhazys der 1687 erteilte Reichs- (1635-1713), dem Palatin Ungarns, erarbeitete fürstentitel vor dem Palatins titel genannt - das Adaptation einen besonderen Platz ein. Paul deutet darauf hin, daß das Werk von der politi- Esterhazy war einer der tatkräftigsten Mäzene im schen Laufbahn seines Verfassers nicht ganz unab- Kreis des ungarischen Hochadels des 17. Jahrhun- hängig ist. derts. Sein Hof in Kismarton (Eisenstadt) gehörte Auf die Entstehungszeit findet man im Buch nur zu den Zentren künstlerischen und musikalischen vereinzelte und indirekte Hinweise. "Es ist bereits Lebens in Westungarn, neben seiner politischen seit geräumiger Zeit, daß ich dies mein Vorhaben Laufbahn betätigte sich der Fürst als Laienkorn- zu verwirklichen gedenke", schreibt Esterhazy in ponist, -poet und -schriftsteller und übte sich ak- der Widmung. Ein Teil der aktuellen Zeitangaben tiv in den verschiedenen Gattungen der geistli- im Text ist nur von ungefährer Genauigkeit, so et- chen Literatur der Gegenreformation. Vor und wa beim Bild von Goa (215).1 Ein anderer Teil der nach der Vertreibung der Türken aus Ungarn Hinweise bezeichnet echte Termini post quem. (1686) spielte er eine wichtige Rolle in der Wie- Aus der Beschreibung von Fertö (Boldogasszony, derbelebung des religiösen Lebens des Landes, Frauenkirchen) erfahren wir zum Beispiel, daß insbesondere der Marienverehrung und der Wall- Esterhäzy 1661 zum ersten Mal die Statue dort fahrten. Sein repräsentatives Buch, das Gumppen- hintragen ließ (69). Bei der Statue von Loreto bergs Werk frei und in individueller Auffassung (Maria Loretto) bemerkt er, Anna julia Esterhäzy als Hauptquelle benützt und all diese Bestrebun- sei seine ältere Schwester "gewesen", sie war also gen in sich vereinigt, hat zur mitteleuropäischen bereits tot (79). julia Esterhazy ist am 20. Januar Wirkungsgeschichte des Originals wesentlich bei- 1669 gestorben, die entsprechende Stelle kann also getragen. erst danach entstanden sein. Die dem Erschei- 35 nungsjahr am nächsten stehenden Zeitangaben Jahren zu Papier gebracht waren, erst in der zwei- weisen auf die Zeit nach 1683 (die Türken haben ten Hälfte der 80er Jahre, zwischen 1687 und 1690 die Stadt Wien "zweimal" belagert, 102), bzw. auf erstellt wurden. 1687 hin (das Bild von Cameracum [Cambrai] Anhand der erhaltenen Handschriften läßt sich die wurde 1130 in der Trinitätskapelle aufgestellt, wo Arbeitsmethode Esterhäzys nachvollziehen. Dem- es bereits seit 557 Jahren verehrt wird, 139). Die nach machte er zuerst, meist aufgrund von Quel- Jahreszahl 1698 in der Eremitanumer (Einsiedel- len, kurze Aufzeichnungen in Latein über die Ge- ner) Beschreibung ist vermutlich als Erratum zu schichte der einzelnen Bilder. Diese Notizen wur- betrachten (96). den dann erweitert und in ungarischer Sprache Im handschriftlichen Nachlaß Esterhazys sind überarbeitet. In einigen Fällen fertigte der Autor Entwürfe und Reinschriften des gedruckten Textes zwei, zum Teil voneinander abweichende ungari- erhalten." Vor dem Entwurf zum Oktat6 leuel (Be- sche Fassungen an, die sich in Länge und Aus- lehrender Brief) sind am oberen Rand der ersten druck unterscheiden. Danach erfolgten die end- Seite die Jahreszahlen 1663, 1668 und 1681 zu le- gültige Bestimmung der Reihenfolge der einzelnen sen, die vermutlich auf Vorarbeiten zum geplanten Texte und die Abschrift ins reine. Unternehmen hinweisen. Dieser Belehrende Brief Das Buch ist literarisch um so bedeutender, als es erwähnt 115 Bilder und gibt Hinweise zur Benut- das erste gedruckte Werk von Esterhäzy darstellt, zung des Buches. Danach soll man an jedem Mitt- dem später weitere, zum Teil ebenfalls Maria ge- woch und Sonnabend, an den sieben Feiertagen widmete Drucke verschiedener Gattungen folg- Mariä sowie an den vier großen Feiertagen des ten.> Unmittelbar nach dieser Arbeit, 1691, er- Jahres je eine Beschreibung lesen, so wird man in schien zum Beispiel das Buch mit dem Titel ,,Az einem Jahr mit dem ganzen Werk fertig. Nach den Boldogsagos SzIJz Maria szombattya" (Der Sams- einzelnen Erzählungen sind jeweils die beiden Ge- tag der Seligen Jungfrau Maria), das Andachten, bete am Ende des Buches zu lesen. Diese "Ge- Erbauungstexte und Betrachtungen für die 52 brauchsanweisung", die den Einfluß der kalender- Samstage des Jahres enthält. In einem anderen, la- orientierten Andachtsübungen und geistlichen teinisch verfaßten und 1698 herausgegebenen Exerzitien der Jesuiten widerspiegelt, weist auf Werk behandelt Esterhäzy die unbefleckte Emp- eine frühere Absicht des Autors hin und ist im ge- fängnis Mariä auf scholastischer Grundlage und druckten Werk nicht mehr vorhanden. Demzufol- beweist die Glaubenssätze mit Hilfe yerschiedener ge kam Esterhazy von der Frömmigkeitstradition Wunder. In demselben Jahr gab er die Überset- der Jesuiten inzwischen ab, sein Werk war in sei- zung des Werkes Fasti Mariani I-II (München ner endgültigen Form als eine Historiensammlung 1630) des Münchner Jesuiten Andreas Brunner zur Unterhaltung der Leser gedacht. Wie die phi- heraus, in dem Erzählungen aus dem Leben der lologische Untersuchung der Handschriften zeigt, Heiligen und über die Wunder Mariä für alle Tage wurde der endgültige Aufbau des Werkes erst nach des Jahres zusammengestellt sind. All diese Werke der Niederschrift des Textes, kurz vor der Druck- wurden, wie andere gedruckte Arbeiten Esterhä- legung bestimmt. Auf die Zeit der Niederschrift zys, auf eigene Kosten des Fürsten in der Akade- weist eine Notiz in lateinischer Sprache hin, die in mischen Druckerei von Nagyszombat bzw. in der handschriftlichen Fassung des Werkes an die Wien gedruckt. Als Teil seiner literaturfördernden Geschichte des Bildes von Annicium (Le Puy) an- Tätigkeit finanzierte er die Herausgabe mehrerer schließt, Am Ende der Erzählung wird in einer mariologischer Werke, z. B. die des Mirakelbuches Anmerkung die Jahreszahl 1687 genannt, und von Boldogasszony (Frauenkirchen)! und der Pre- Esterhäzy bezeichnet sich als Reichsfürsten. Die digt, die bei der Einweihung der von ihm errichte- handschriftliche Fassung der Beschreibungen des ten Boldogasszonyer Kirche gehalten wurde.> Passauer und Goaer Bildes blieb gesondert und in Unter den handschriftlichen Prosawerken Ester- einem von der Handschrift des Kernmaterials ab- hazys befindet sich ebenfalls ein Stück, in dessen weichenden Format erhalten, diese beiden Be- Mittelpunkt Maria steht und das bisher in der For- schreibungen sind vermutlich nachträglich ent- schung unbeachtet blieb. Das Werk steht mit dem standen. Aus all dem geht mit ziemlicher Sicher- Buch über die Geschichte der Mariendarstellun- heit hervor, daß die endgültige Fassung und die gen in engem Zusammenhang und ist als dessen Reinschrift, selbst wenn die Idee des Werks Ester- unmittelbare Voraussetzung zu betrachten. Das hazy bereits früher beschäftigt hatte und einige 1675 geschriebene lateinische Autograph enthält Entwürfe vielleicht schon in den 60er und 70er die Geschichte der Boldogasszonyer Franziska- 36 nerkirche und Marienstatue sowie