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Friedrich Brinkmann Und Christof Toetzke

Friedrich Brinkmann Und Christof Toetzke

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Die Wirtschaftsstruktur der Region und Entwicklungstendenzen Friedrich Brinkmann und Christof Toetzke

1. Die Wirtschaftsregion Hildesheim des Kreises ist durch die zentrale Funktion der Stadt Hildesheim mit Industrie, Im wirtschaftlichen Sprachgebrauch wer- Dienstleistungen und Verwaltungs- den bei globaler Betrachtung nicht mehr die einrichtungen maßgeblich geprägt. Darüber Grenzen von Gebietskörperschaften hinaus verfügt auch die Stadt über angenommen, sondern durch den Begriff eine leistungsstarke Industrie und zahlreiche „Region“ ersetzt, obwohl es keine allgemein mittelständische Handwerks- und anerkannte Definition dafür gibt. Der Begriff Gewerbebetriebe. Weitere bedeutende „Region“ stammt aus dem lateinischen und Industriestandorte mit zum Teil erheblich ist wörtlich mit Bezirk oder Gebiet zu über- wachsender Tendenz wie , setzten. Im Folgenden entspricht die Bocke- Wirtschaftsregion Hildesheim dem Gebiet nem, , Giesen, Gronau, und des Landkreises Hildesheim. ergänzen das Angebot und übernehmen Funktionen der Grund- Gegensätze bestimmen das naturräum- versorgung für die Bevölkerung. liche Erscheinungsbild. Dem vorwiegend landwirtschaftlich bis industriell geprägten Die Wirtschaftskraft der Region liegt Nord- und Ostkreis steht der waldreiche gemessen an der Bruttowertschöpfung je Südkreis mit den Gebieten des Leinetals, der Kopf der Bevölkerung im Bundesgebiet deut- , des Hildesheimer Waldes, des lich unter dem Durchschnitt. Dies ist nicht Ambergaues mit und des zuletzt auf einen hohen Auspendler- Vorharzes gegenüber. Ein gut ausgebautes überschuss bzw. negativen Pendlersaldo Straßenverkehrsnetz ermöglicht eine hohe zurückzuführen. Die einzigen Standorte im Beweglichkeit innerhalb des Kreisgebietes. Kreisgebiet mit einem Pendlerüberschuss Überregionale Verkehrswege finden sich in sind die Städte Hildesheim und Alfeld. der Bundesautobahn A 7/E 4 Hannover – Wichtigste Zielregion außerhalb des Kassel, die das Kreisgebiet vom Nordwesten Landkreises ist der Verdichtungsraum nach Südosten durchschneidet, sowie in der Hannover. B 1 als Ost-West-Verbindung und der B 3 als Verkehrsachse des Leinetals. Die den Raum Hannover mit dem verbindende B 6 2. Struktur und Entwicklung der schließlich bildet eine zusätzliche neben der Bevölkerung Bundesautobahn bestehende Stra- ßenverbindung des Süd - Ost - Kreises mit Der Landkreis Hildesheim hat einen ver- Hildesheim, Sarstedt und Hannover. gleichsweise ungünstigen Altersaufbau der Bevölkerung mit einer relativ hohen Überal- Die Bundesbahnhauptstrecke Hamburg - terung, vornehmlich im Südkreis, und Hannover - Göttingen, die neue ICE-Trasse schwachbesetzten nachwachsenden Hannover - Würzburg mit dem Anschluß der Altersjahrgängen. Diese Struktur der Stadt Hildesheim und der Weiterführung Bevölkerung ist einerseits Ergebnis der seit nach Berlin, der von Sehnde bis Hildesheim langem ausgesprochen schwachen reichende Stichkanal des Mittellandkanals, Bevölkerungsentwicklung der Region. der regionale Flugplatz Hildesheim sowie die Andererseits werden die Besonderheiten im Nähe zum internationalen Flughafen Altersaufbau die zukünftige Entwicklung in Hannover-Langenhagen unterstreichen die der Region nicht unerheblich prägen. In den günstigen Verkehrsbeziehungen regionaler letzten Jahren ist allerdings durch und überregionaler Art. Zuwanderung die Besetzung der nachwach- senden Altersjahrgänge deutlich verbessert Die wirtschaftsgeographische Struktur worden. Die Wirtschaftsstruktur der Region 43

Abb. 1. Verkehrsanbindung des Landkreises Hildesheim. 44 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Abb. 2: Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1999 nach Altersjahren im Landkreis Hildes- heim und im Bundesgebiet (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung).

in der ersten Phase nach der In den einzelnen Teilräumen und Wiedervereinigung nur begrenzt durch Standorten innerhalb der Region ergeben Zuwanderungen kompensiert werden. Auch sich beträchtliche Unterschiede im Zuwanderungen über die Grenzen des Altersaufbau der Bevölkerung, die auf Bundesgebietes spielen für die langfristig sehr unterschiedliche demo- Bevölkerungsentwicklung nur eine unterge- graphische Entwicklungen zurückzuführen ordnete Rolle. Die in den letzten Jahren ver- sind und die die zukünftige Entwicklung bee- gleichsweise günstigere influssen werden. Bevölkerungsentwicklung geht auf Insgesamt ist die Region Hildesheim auf Zuwanderungen aus dem näheren und weit- längere Sicht durch eine im überregionalen eren Umfeld der Region zurück, während die Vergleich ausgesprochen schwache natürliche Entwicklung aufgrund der sich nur Bevölkerungsdynamik gekennzeichnet. Die sehr allmählich ändernden Altersstruktur starken Verluste in den 80er Jahren konnten ungünstig bleibt. Die Wirtschaftsstruktur der Region 45

zeigt sich aber eine überproportionale Be- Die offensichtlich wohnstandortorient- deutung des Produzierenden Gewerbes. ierten Zuwanderungen aus dem Großraum Lediglich innerhalb des Dienstleistungs- Hannover begünstigen die Standorte zwis- sektors stehen die öffentlichen Dienst- chen Hildesheim und Hannover sowie die leistungen etwas stärker im Vordergrund, verkehrsgünstig erschlossenen Gemeinden während die Bedeutung der privaten Dienste (Eisenbahn und Fernstraßen). Diese geringer ist. Entwicklung entspricht einem bundesweiten Trend, wonach die Intensivierung des Sub- Die Beschäftigtenentwicklung des urbanisierungsprozesses bei der Bevölkerung Landkreises in den 80er Jahren entsprach in vor allem auch durch eine Ausweitung der etwa dem Bundesdurchschnitt. Auch nach Zielräume geprägt ist. Insbesondere die der Wiedervereinigung lag die Entwicklung äußersten Randbereiche der großstädtischen der Region im Bundestrend, wobei sie allerd- Einzugsbereiche sind für verstärkte Wohn- ings nicht ganz die Dynamik des bebauung interessant, wobei die ent- wirtschaftlichen Umfeldes erreichte. Nach scheidende Steuerungsgröße die Boden- dem Auslaufen des Wieder- preise seien dürften, während auf der vereinigungsbooms ist die Beschäftigung anderen Seite längere Anfahrtswege in Kauf stark eingebrochen. Allein von 1992 bis Ende genommen werden. 1997 gingen fast 9.000 Arbeitsplätze ver- loren, was einem Rückgang von 9 % In geringerem Umfang ergibt sich auch entspricht. im Umfeld der Stadt Hildesheim ein Suburbanisierungsprozess, von dem auch Innerhalb des Landkreises entfallen die weiter entfernte Gemeinden profitieren. Die Beschäftigtenverluste der letzten Jahre vor Stadt Hildesheim hat trotz dieser Verluste allem auf die Kreisstadt Hildesheim sowie die durch den Wegzug von in der Regel einkom- übrigen größeren Industriestandorte. Positiv mensstärkeren Haushalten ins Umland seit war vor allem die Entwicklung der standort- langem mehr Zu- als Fortzüge und damit begünstigten Städte und Gemeinden des eine fast ausgeglichene Bevölkerungsent- nördlichen Kreisgebietes im Raum zwischen wicklung. Hannover und Hildesheim sowie entlang der Verkehrsachse der A 7. In der Perspektive ist vor diesem Hintergrund auch auf mittlere Sicht (im über- Die Veränderung der Betriebszahlen im regionalen Vergleich) im Landkreis Produzierenden Gewerbe und im Hildesheim insgesamt mit einer eher Dienstleistungssektor war in den 1980er schwächeren Bevölkerungsentwicklung zu Jahren sehr ungünstig. Nach der Wieder- rechnen. Größere Entwicklungspotenziale vereinigung konnte der Landkreis deutlich sind in diesem Zusammenhang den aufholen, in den letzten Jahren ist er wieder Gemeinden zwischen Hannover und stark zurückgefallen. Innerhalb des Hildesheim sowie den Umlandgemeinden Landkreises entwickeln sich in einigen be- von Hildesheim zuzu-sprechen. Erheblich günstigten kleineren Standorten und in der schwächer dürfte auf Dauer die Entwicklung Stadt Alfeld die Betriebszahlen vergleich- im Bereich der südlichen Leinetalschiene sweise gut, die Stadt Hildesheim hat leicht bleiben, wenn es nicht gelingt, neue rückläufige Zahlen. wirtschaftliche Impulse in diese Region zu Die Erneuerung der Wirtschaftsstruktur bringen sowie die Standorte zu attraktiven durch Gründungen ist im Landkreis Wohnstandorten weiterzuentwickeln. Hildesheim schwächer ausgeprägt. Die 3. Wirtschaftsstruktur und wirtschaft- Gründungsintensität liegt unter dem liche Entwicklung im Überblick Bundesdurchschnitt und fällt gegenüber dem Großraum Hannover und den grün- Die Wirtschaftsstruktur des Landkreises dungsstarken Regionen entlang der West- weicht von den Erwerbstätigen- Zahlen her Ost-Achse der A 2 sowie der A 7 zwischen nur geringfügig vom Bundesdurchschnitt ab; Hannover und Hamburg bzw. Bremen deut- vor allem das Produzierende Gewerbe hat lich zurück. das gleiche Gewicht. Verglichen mit den Durchschnittszahlen im Lande Niedersachsen Vor allem im Dienstleistungssektor ist die 46 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Abb. 3: Indikatoren zur Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur im Landkreis Hildesheim (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung).

Gründungsintensität gering, im Pro- duzierenden Gewerbe liegt die Region ganz Als besonders bedenklich ist die insge- gut. Für technologieorientierte Gründungen samt recht schwache Gründungsintensität sind die Standortbedin- der Wirtschaft einzustufen. Vor allem im gungen im Landkreis Hildesheim offensicht- Dienstleistungssektor ist es offensichtlich lich besonders ungünstig, denn diese haben nicht gelungen, die Voraussetzungen für eine nur eine geringe Bedeutung. Erneuerung der Wirtschaftsstruktur zu legen. Zumindest gegenüber dem nördlichen Die Perspektiven der wirtschaftlichen Umland des Verdichtungsraumes Hannover Entwicklung dürften vor dem Hintergrund bleibt die Region Hildesheim hier deutlich der o. g. Befunde nicht ganz so günstig sein. zurück. Zwar sind die bisherigen Arbeitsplatzverluste auf einen intensiven Strukturwandel im Produzierenden Gewerbe und auf 4. Struktur und Entwicklung des Umstrukturierungen in einigen Produzierenden Gewerbes Großbetrieben zurückzuführen. Es ist aber fraglich, ob der Dienstleistungssektor in der Auf das Produzierende Gewerbe entfall- Region genügend Wachstumspotenziale en in der Wirtschaftsregion Hildesheim etwa aufweist, die wei-ter zu erwartenden 37.000 Arbeitsplätze. Das Produzierende Verluste der produzierenden Bereiche zu Gewerbe in der Region hat ein kompensieren. Spezialisierungsmuster in den Bereichen Die Wirtschaftsstruktur der Region 47

Abb. 4: Beschäftigtenentwicklung im Landkreis Hildesheim (im Vergleich Niedersachsen und Bundesgebiet) seit Anfang der 80er Jahre (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung).

Elektrotechnik, Elektronik, Maschinenbau, tierung fast durchweg in allen Industrie- Ernährungsgewerbe, Kunststoff- und zweigen gekennzeichnet. Dienstleis- Gummiverarbeitung sowie Papiererzeugung tungstätigkeiten sind innerhalb des und -verarbeitung. Die industriellen Produzierenden Gewerbes entsprechend Aktivitäten konzentrieren sich zu fast 45 % schwächer vertreten. Vor allem das Defizit in der Stadt Hildesheim. Weitere wichtige bei den höherwertigen Dienst- Standorte sind Alfeld, Bockenem, Sarstedt, leistungsfunktionen belegt die offensichtlich Gronau, Bad Salzdetfurth, Elze und neuerd- geringe Bedeutung von Unter- ings auch Harsum. nehmenszentralen. Die Betriebsgrößenstruktur ist relativ aus- Auch der Anteil der Beschäftigten in geglichen, wobei die mittelgroßen Betriebe technischen Diensten, der als Indikator von leicht überrepräsentiert sind. Durch großbe- komplexen und technologisch aufwendigen triebliche Strukturen ist vor allem die Produktionsprozessen gelten kann, erreicht Elektroindustrie geprägt. nicht den Bundesdurchschnitt.

Von Bedeutung sind in der Wirtschafts- Ausgesprochen gering ist die Bedeutung region auch in Konzernstrukturen eingebun- von Forschungs- und Ent- dene Betriebe mit auswärtigen wicklungsaktivitäten, denn der Anteil von Konzernzentralen. Ingenieuren und sonstigen Wissenschaftlern liegt im Produzierenden Gewerbe um fast ein Die Funktionalstruktur des Pro- Fünftel unter dem Bundesdurchschnitt. Dies duzierenden Gewerbes ist durch eine über- betrifft fast alle wichtigen Industriezweige durchschnittliche Fertigungsorien- des Landkreises. 48 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Abb. 5: Wirtschaftsstruktur im Landkreis Hildesheim nach Standorten. Die Wirtschaftsstruktur der Region 49

Betriebsgrößenstrukturen ist die Branchen- Nach einem intensiven Strukturwandel in struktur auch zukünftig als eher wachstumss- den 1980er Jahren hat die Industrie zwar von chwach einzuschätzen. Die der Wiedervereini-gung zunächst profitiert, Funktionalstruktur ist in fast allen es zeichnete sich aber bereits zu Beginn der Industriezweigen und insbesondere auch in 1990er Jahre ein beträchtlicher Anpassungs- den dominierenden Branchen vergleichs- bedarf vor allem im Bereich der Elektro- weise ungünstig. Sie deutet auf technik (Unterhaltungselektronik und Strukturschwächen und erhöhte Anpas- Automobilzulieferer) ab. Seit dem Auslaufen sungs- und Umstrukturierungsbedarfe hin. des Wachstumsschubes aus den neuen Vor diesem Hintergrund sind auch die Bundesländern und im Zuge der bundesweit- Entwicklungsperspektiven des Ver- en Strukturkrise wurden den dominierenden arbeitenden Gewerbes eher ungünstiger als Branchen des Landkreises ausnahmslos über- im Bundestrend einzuschätzen. durchschnittlich Opfer abverlangt. Diese aktuelle Entwicklung zeigt, daß die Anpassungsprozesse noch nicht 5. Struktur und Entwicklungen der abgeschlossen sind. Seit 1992 ist jeder 5. Dienstleistungen Arbeitsplatz im Produzierenden Gewerbe des Landkreises verloren gegangen. Von dem Be- Der Dienstleistungssektor ist mit etwa schäftigungsabbau in der Größenordnung 48.000 Beschäftigten in der Wirt- von mehr als 9.000 Arbeitsplätzen seit 1992 schaftsstruktur des Landkreises Hildesheim entfielen allein mehr als 45 % auf die leicht unterrepräsentiert. Die größten Zweige Elektrotechnik. Weitere große Verlierer sind das Gesundheitswesen, Großhandel, waren der Maschinenbau, die Einzelhandel, Gebietskörperschaften, die Gummiindustrie und der Stahlbau. unternehmensorientierten Dienstleistungen sowie das Sozialwesen (Heime). Trotz der vergleichsweise günstigen

Abb. 6: Grundzüge der Wirtschaftsstruktur im Landkreis Hildesheim im Vergleich zu Niedersachsen und dem Bundesgebiet (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung). 50 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Abb. 7: Branchenspezialisierung des Produzierenden Gewerbes im Landkreis Hildesheim 2000 im Vergleich zum Bundesgebiet (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung).

Abb. 8: Entwicklung der Beschäftigten des Produzierenden Gewerbes im Landkreis Hildesheim und im Bundesgebiet seit Anfang der 80er Jahre (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung). Die Wirtschaftsstruktur der Region 51

Herausragend spezialisiert ist der die Entwicklung der Beschäftigung im Landkreis damit auf die mit dem Sozial-, Kur- Dienstleistungssektor seit 1992, in den und Gesundheitswesen zusammenhängen- Standorten Bockenem, Alfeld und vor allem den Bereiche (Heime, Körperpflege, Gronau geht sie zurück. Gesundheitswesen), auf den Großhandel sowie die technische Beratung und Planung Auf die nächsten Jahre gesehen ist als Teil der unternehmensbezogenen Dienste. festzustellen, dass die Perspektiven der Die Gebietskörperschaften (im engeren Dienstleistungsentwicklung im Landkreis Sinne) haben nur ein etwa durchschnittliches Hildesheim in den einzelnen Bereichen unter- Gewicht in der Wirtschaftsstruktur. schiedlich sein werden.

Die Entwicklung des Dienstleistungs- So dürften die Perspektiven der haus- sektors im Landkreis Hildesheim war in den haltsorientierten Dienstleistungen im 1980er Jahren teilweise sogar günstiger als engeren Sinne angesichts der schwäche-ren im Bundestrend. Von 1980 bis 1989 stieg die Bevölkerungsentwicklung eher gedämpft Beschäftigung um 5.200 Personen. sein. Auch von der Einkommensentwicklung Wachstumsträger waren vor allem das Sozial- sind allenfalls im Randbereich zum und Gesundheitswesen sowie die Verdichtungsraum Hanno- Gebietskörperschaften. ver durch die Zuwanderung von einkom- mensstärkeren Haushalten Impulse zu Nach der Wiedervereinigung ent- erwarten. Das Wachstum dürfte von daher wickelten sich die Dienstleistungen in etwa im nördlichen Kreisgebiet stärker sein als im im Gleichschritt mit dem Bundestrend. Von Süden und Südwesten. 1989 bis 1992 entstanden 5.800 weitere Dienstleistungsarbeitsplätze. Vor allem der Die positive Entwicklung des Groß- Großhandel und auch der Straßenverkehr handels in der Vergangenheit ist auch auf expandierten überdurchschnittlich, aber auch Ansiedlungen in verkehrsgünstig gelegenen die wachstumsstarken unternehmensbezo- Standorten des Landkreises Hildesheim genen Dienstleistungen, während die zurückzuführen. Eine überdurchschnittliche Gebietskörperschaften bereits stagnierten. Entwicklung in Zukunft ist nur bei weiteren Ansiedlungen von Betrieben zu erwarten, In den letzten Jahren ist die was ein Angebot von Gewerbeflächen an Dienstleistungsentwicklung im Landkreis Standorten mit hervorragenden Hildesheim deutlich unter den Bundestrend Standortbedingungen (Lage, zurückgefallen. Von 1992 bis 1997 stieg die Verkehrsanbindung) unbedingt voraussetzt. Beschäftigung lediglich noch um knapp 500 Personen. Vor allem seit 1995 ist die Ähnliches gilt für den Verkehrssektor. Entwicklung durch ein Zurückbleiben Hier sind die Impulse der Wirtschaft vor Ort gegenüber dem Bundestrend gekennzeich- eher schwächer. Profitieren könnte die net. Leicht überdurchschnittlich sind die Region allenfalls von Betrieben, die auf den Verluste im Handel und im Verkehrssektor, gesamten Wirtschaftsraum deutlich schwä- Hannover/Braunschweig/Südniedersachsen cher expandieren auch die übrigen haus- ausgerichtet sind. haltsbezogenen Dienste. Nach wie vor über- durchschnittlich ist die Entwicklung der Besonders der Bereich des Gesundheits- unternehmensbezogenen Dienstleistungen und Sozialwesens, auf den die Region offen- (vor allem technische Beratung und Planung), sichtlich stark spezialisiert ist, steht in denen allein seit 1992 mehr als 1200 angesichts der laufenden und in Zukunft Arbeitsplätze entstanden sind. noch notwendigen Strukturreformen im Gesundheitswesen vor erheblichen In der Dienstleistungsentwicklung der let- Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund zten Jahre wird deutlich, dass offensichtlich ist die Expansion von der Vergangenheit in den einzelnen Industriestandorten die keinesfalls in die Zukunft zu projizieren. Im Probleme im industriellen Bereich auch auf Kursektor ist angesichts der deutlich zurück- die Dienstleistungen vor Ort „durchschla- gegangenen Übernachtungszahlen sogar mit gen“. In Hildesheim beispielsweise stagniert einem Arbeitsplatzabbau zu rechnen. In den 52 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Abb. 9: Branchenspezialisierung des Dienstleistungssektors im Landkreis Hildesheim 1999 (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung).

Abb. 10: Entwicklung der Beschäftigten des Dienstleistungssektors im Landkreis Hildesheim und im Bundesgebiet seit Anfang der 80er Jahre (Quelle: NIW - Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsförderung). Die Wirtschaftsstruktur der Region 53

übrigen Bereichen des Sozialwesens (Heime) 2001 angestrebt werden. sind die Perspektiven aufgrund der hohen Spezialisierungsvorteile und des eher Das Handwerk bildet aufgrund seiner expandierenden Marktes aber vergleich- wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und sweise günstig. seinem Beitrag zum Sozialprodukt die zweit- stärkste Gruppe der gewerblichen Im Bildungswesen hat die Region mit Wirtschaft. Man spricht in unserem Lande dem Standort Hildesheim eine starke gern von „dem Handwerk“, aber dieser Position, insbesondere auch im berufsbilden- Wirtschaftsbereich ist so vielschichtig gewor- den Bildungswesen und ganz besonders als den, dass eine allgemeine gültige Definition Fachhochschul- und Hochschulstandort. Die des Begriffs „Handwerk“ kaum möglich ist. Perspektiven im Bildungswesen sind Seitdem es die Handwerksordnung gibt, ist angesichts der Lage und des dieser Wirtschaftsbereich in sieben Gruppen Einzugsbereiches des Standorts vergleich- mit heute insgesamt 94 Ausübungsberufen sweise eher günstig. Im Fachhochschul- und eingeteilt, hinter denen sich 120 Hochschulbereich dürfte angesichts des sich Ausbildungsberufe verbergen. Hinzu kom- verschärfenden Qualitätswettbewerbs die men 57 handwerksähnliche Gewerbe. längerfristige Entwicklung sehr stark von den mit den Reformbemühungen und Im Landkreis Hildesheim gibt es insge- Umstrukturierungen angestrebten samt 2162 Handwerksbetriebe und 408 Qualitätsverbesserungen abhängen. Betriebe des handwerksähnlichen Gewerbes (Stand August 1999). Mithin wird der Auch positiv zu bewerten ist die günstige Wirtschaftsbereich Handwerk durch rund Entwicklung der unternehmensbezogenen 2.570 Betriebe repräsentiert, die zumeist Dienstleistungen in der Region, vor allem der klein und mittelständisch geprägt sind. Die Bereiche Technische Beratung und Planung. größte Branche im Handwerk stellt mit gut Dies hängt einerseits eng mit der regionalen 6.200 Beschäftigten das Baugewerbe. Entwicklung im Bereich der Elektrotechnik Verglichen mit der Struktur oder und anderen standortprägenden Industrie- Zusammensetzung des Handwerks auf bun- branchen zusammen, wie z. B. Outsourcing, desdeutscher Ebene gibt es im Landkreis Vergabe von Entwicklungsaufträgen etc. Hildesheim keine besonderen Auffälligkeiten, Diese Trends sind von daher für die weitere d. h. es gibt in der Region z. B. keine beson- Entwicklung dieses Dienstleistungszweiges in dere Häufung eines bestimmten Handwerks. der Region von besonderer Bedeutung. So sind die einzelnen Handwerke im Die Städte und Gemeinden des Landkreis Hildesheim unterschiedlich ver- Landkreises Hildesheim werden auf abseh- treten: Zu den zahlenmäßig stärksten bare Zeit angesichts der Haushaltssituation Gewerben zählen die Friseure (224 eher einsparen und Personal reduzieren Betriebe), Kraftfahrzeugtechniker (208), müssen. Für den Arbeitsmarkt sind keine Tischler (167), Elektrotechniker (158), Maurer Impulse zu erwarten. Von Bedeutung ist und Betonbauer (154), Maler und Lackierer allerdings, inwieweit ausgelagerte und pri- (147) sowie die Installateure und vatisierte Aktivitäten in der Region gehalten Heizungsbauer (147). Nur jeweils eine werden können. Eintragung in die Handwerksrolle gibt es für die folgenden Gewerke: Stuckateur, Metallbildner, Boot- und Schiffsbauer, 6. Handwerk Modisten, Weber, Seiler.

Neben der Industrie prägt auch das Zwar weist diese Aufzählung auf die Handwerk die Wirtschaftsstruktur im Bedeutung der unterschiedlichen Handwerke Landkreis Hildesheim. Das Handwerk ist für das Wirtschaftsleben hin, aber sie spiegelt Deutschlands vielseitigster Wirtschafts- nicht die Zahl der jeweils dort Beschäftigten bereich. Insgesamt sind in den 850.000 wider. Welche Bedeutung die deutschen Handwerksbetrieben rund 6 Mio. Handwerkswirtschaft innerhalb der Menschen tätig. Die Zahl der im Jahr 2000 Gesamtwirtschaft des Landkreises hat, unter- bereitgestellten 220.000 Lehrstellen soll auch streichen folgende Vergleichszahlen: Der 54 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Landkreis Hildesheim hat heute rund Bildungsniveau der im Handwerk 293.000 Einwohner, von denen 109.000 Beschäftigten zu sichern. erwerbstätig sind. Davon haben annähernd 26.000 Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz im Bundesweit befanden sich am Ende des Handwerk. Jahres 1998 rund 632.000 junge Menschen in einer handwerklichen Ausbildung. Sie sind Die Kreisstadt Hildesheim ist als ty-pisch ein bedeutendes Fachkräftepotential für die städtisch-gewerbliche Region zu bezeichnen. Wirtschaft. Sie ist der bedeutendste Wirtschaftsstandort des Landkreises, gefolgt von den Standorten In den Handwerksunternehmen des Alfeld und Sarstedt. Die Landkreises Hildesheim wurden am Ende des Beschäftigungsdichte in den größeren Jahres 1999 2.338 Lehrlinge ausgebildet, ein Städten des Landkreises entspricht etwa dem Fünftel davon sind weibliche Lehrlinge. Die Durchschnittswert des Gesamthandwerks, Anzahl der neu abgeschlossenen der bei der letzten Handwerkszählung (März Ausbildungsverhältnisse hat sich gegenüber 1995) mit 11 Beschäftigten pro Handwerks- dem Vorjahr mit 170 Ausbildungsverträgen betrieb errechnet wurde. um 7,8 % erhöht. Die meisten Lehrlinge wer- den in der Handwerksgruppe Metall ausge- Der strukturelle Wandel innerhalb des bildet. Fast jeder zweite handwerkliche Handwerks in den vergangenen Jahren und Lehrling erlernt einen Metallberuf. Jahrzehnten wird zunächst in der Ergänzend zur Ausbildung im Betrieb abnehmenden Zahl der Handwerksbetriebe besuchen die Handwerkslehrlinge überbe- deutlich. Im Bereich des heutigen Landkreises triebliche Ausbildungsgänge, die in den ging die Zahl der Handwerksunternehmen meisten Berufen im Landkreis Hildesheim von 3.716 im Jahre 1960 auf 2.570 am Ende vom Berufsbildungszentrum der des Jahres 1998 zurück. Hierbei ist die ständi- Handwerkskammer Hildesheim durchgeführt ge Fluktuation von ausscheidenden Be- werden. Durch betriebliche und überbe- trieben und Neueintragungen berücksichtigt. triebliche Ausbildung ist sichergestellt, dass Der Rückgang der Betriebszahlen betraf die sich die praktische Ausbildung immer an der einzelnen Handwerksgruppen unter- Entwicklung von Technik und Wirtschaft ori- schiedlich. entieren wird.

Der wesentliche Anteil an dem Rückgang Das Berufsbildungszentrum hat sich der Betriebszahlen entfällt auf die zusammen mit der Akademie des Handwerks Bekleidungshandwerke. Waren im Jahre e.V. zu einer modernen Bildungsstätte für das 1960 noch 975 Bekleidungs- gesamte Handwerk entwickelt, in der handwerksbetriebe registriert, so hat sich der Handwerker sich fachspezifisch und Bestand dieser Gruppe auf 75 im August fachübergreifend fort- und weiterbilden kön- 1999 verringert. Erheblich ist auch der nen. Rückgang der Zahl der Holzhandwerksbetriebe. Diese Entwicklung Trotz mancher Schwierigkeiten und ist ein Beispiel für die Verdrängung tradi- Probleme können die Handwerks- tioneller Handwerksberufe durch industrielle unternehmen im Landkreis Hildesheim der Massenproduktion und damit verbunden Zukunft mit Zuversicht entgegensehen. eine Veränderung des Wirtschaftliche und technische Verbraucherverhaltens. Umwälzungen werden auch hier zu erheb- lichen strukturellen Änderungen des Die Leistungsfähigkeit und der Wirtschaftsgefüges führen. wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt ganz entscheidend von der Neben den konjunkturellen Schwierig- Qualifikation seiner Mitarbeiter und der keiten stellt auch der anhaltende strukturelle Qualität der Produkte und Dienstleistungen Wandel hohe Anforderungen an die ab. Die Handwerkskammer Hildesheim hat in Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit der den letzten Jahren besondere Handwerksunternehmen. Chancen werden Anstrengungen unternommen, durch Aus- sich für die klein- und mittelständisch- und Weiterbildungsangebote das geprägte Handwerkswirtschaft des Die Wirtschaftsstruktur der Region 55

Landkreises Hildesheim zukünftig besonders Verringerung des Gesamtangebotes an auch durch die rasche Entwicklung in den Waren und Dienstleistungen in der Informations- und Kommunikations- Innenstadt führt. technologien ergeben. Nicht nur in diesem Bereich kann das Handwerk seine speziellen Zudem tritt ein strukturveränderndes Stärken zukünftig verstärkt ausspielen. Krea- Element im Einzelhandel in jüngster Zeit in tivität, Flexibilität und vor allem Individualität moderner Kommunikationstechnik auf. Der sind es, die die Qualität handwerklicher Kauf über den Bildschirm verdrängt den Weg Tätigkeit kennzeichnen. in die Geschäfte.

Damit sich das Handwerk im Landkreis Hinsichtlich des Verkehrs bestehen Hildesheim auch in Zukunft als attraktiver Anlieferprobleme infolge schlechter oder sich Arbeitgeber mit guten Zukunftsaussichten verschlechternder Zugänglichkeiten, präsentieren kann, wird es darauf ankom- Probleme des ruhenden Verkehrs aufgrund men, dass der Landkreis Hildesheim ein fehlender Parkplätze für den individuellen attraktiver Standort bleibt. Pkw-Verkehr und Probleme bei der 7. Handel (Einzel- und Großhandel) Erreichbarkeit durch den öffentlichen Nahverkehr. Der Handel in seiner ganzen Mannigfaltigkeit von Sortimenten, Stand- Während der Anteil des Einzel- orten und Betriebsformen steht nicht nur handelsumsatzes am privaten Verbrauch geographisch im Mittelpunkt des städtischen sinkt, steigt der Anteil der Ausgaben für Interesses. Dienstleistungen und Wohnungsmieten drastisch. Dies ist die Konsequenz: Die Er sorgt für Lebendigkeit und bietet vie- Konkurrenzsituation der Ausgabengruppen len Bürgern eine Plattform zur sozialen untereinander verschärft sich in den kom- Kommunikation. Der Handel in den menden Jahren dramatisch. Hieraus hat der Innenstädten ist inzwischen bei vielen Handel entscheidende Besuchern fester Bestandteil der Angebotskonsequenzen zu ziehen. Freizeitgestaltung. Der Handel stärkt damit in Dienstleistung und Service werden hohe hohem Maße die Zentralität der Städte, Anteile am Umsatz des Handels erreichen Attraktivität schafft Zentralität. Doch einen müssen, in manchen Fällen bis zu 40 %. Die Dauerauftrag für die ewige Treue zur Stadt begriffliche Trennung von Produkt und und ihren Geschäften läßt sich der Kunde Dienstleistung wird unsinnig. nicht abringen, er will jeden Tag aufs Neue und Beste überzeugt werden. Das bringt den Nach den Berechnungen der GFK- Handel, aber auch die Städte unter Druck. Nürnberg lag die Umsatzkennziffer des Rückläufige Besucherzahlen in den städtis- Einzelhandels im Landkreis Hildesheim 1996 chen Zentren von fast 25 % lassen die leicht über dem Bundesdurchschnitt. Da die Alarmglocken läuten. Sie sind ein Signal, das geschätzte Kaufkraft ebenfalls überdurch- Handeln und neue Allianzen für die Städte schnittlich war, lag die anmahnt. Einzelhandelszentralität ungefähr im Bun- desdurchschnitt. Kaufkraftab- und Das Kernproblem ist die Konkurrenz -zuflüsse dürften sich damit in etwa die zwischen großflächigen Einrichtungen (mit Waage halten. Im Vergleich zum benach- innenstadt-relevanten Sortimenten auf der barten Großraum Hannover bleiben sowohl „grünen Wiese“) und Einrich- die Kaufkraft als auch die Zentralität deutlich tungen in den Innenstädten bzw. in den zurück. Stadtteilzentren. Dies führt zu Kauf- kraftverlusten in der Innenstadt und zu Der Einzelhandel im Landkreis Hildesheim Problemen der Rentabilität innerstädti-scher erwirtschaftete nach der Handels- und Einrichtungen. Hinzu kommt, dass sich als Gaststättenzählung von 1993 mit 1.600 Folge hoher Bodenpreise und Betrieben und fast 10.000 Beschäftigten Gewerbemieten zum Teil nur noch Handels- einen Umsatz von 2,35 Milliarden DM. Der ketten in der Innenstadt halten können, was Umsatz je Einwohner lag mit 8.100,- DM zu einer Filialisierung und zu einer etwa im Bundesdurchschnitt für 56 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Gesamtdeutschland, aber doch um etwa 10 schen 1980 und 1996 geschaffenen 2.100 % unter dem Durchschnitt der west- zusätzlichen Arbeitsplätze entfielen auf die deutschen Bundesländer. Die Betriebsgröße Stadt Sarstedt aufgrund von zwei großen An- ist mit 6,2 Beschäftigten höher als im siedlungen. Bundesdurchschnitt. Der Umsatz je Verkaufs- fläche liegt hingegen unter dem Bundeswert. Der Großhandel hat vor allem von 1989 bis 1992 direkt nach der Wiedervereinigung Erhebliche Kaufkraftabflüsse in andere überdurchschnittlich expandiert. Die Regionen sind aufgrund der herausragenden Beschäftigung wuchs in dieser Phase um Position der Stadt Hildesheim im jährlich 8 % oder insgesamt 1.400 Personen. Einzelhandel des Landkreises nicht Die stärksten absoluten Zuwächse verbucht- wahrscheinlich. Für den östlichen Landkreis en in diesem Zeitraum die Städte Hildesheim dürfte jedoch die Nähe zu Braunschweig und und Sarstedt sowie die Samtgemeinde für den Norden die Nähe zu Hannover bzw. Gronau und die Stadt Alfeld. Seit 1992 stag- auch besonders zu Laatzen eine Rolle spielen. niert der Großhandel und seit 1995 ist die Beschäftigung sogar deutlich rückläufig. Größter Einzelhandelsstandort im Kreisgebiet ist die Stadt Hildesheim mit einer Der Einzelhandel versucht mit immer weit über dem Durchschnitt liegenden neuen Strategien den Folgen des zu- Einzelhandelszentralität. Alfeld folgt mit nehmenden Preisverfalls zu begegnen. Daher einem Umsatz von rund 200 Mio. DM und muss der Handel selbst neue kreative Ideen einer leicht überdurchschnittlichen zur Steigerung der Attraktivität seines Einzelhandelszentralität. Von gewisser Angebotes entwi-ckeln. Die Palette seiner Bedeutung innerhalb des Landkreises sind Gestaltungs- und Einflußmöglichkeiten reicht darüber hinaus noch die Standorte Sarstedt dabei über die zielgruppengerechte Dar- und die Samtgemeinde Gronau, während die stellung und Positionierung seiner wei-teren Standorte alle eine unterdurch- Sortimente hinaus. Es geht darum, die schnittlich bis extrem unterdurchschnittliche Einbindung des Handels in das städtische Einzelhandelszentralität und entsprechend Leben stärker zum Ausdruck zu bringen. Die geringe Umsätze verzeichnen. Verbindung von Kultur, Events und Handel kann neue Erlebnisqualitäten in den Zentren Die Beschäftigung im Einzelhandel kon- schaffen. nte nach der Wiedervereinigung sowohl im Die Zeit drängt: Aufenthaltsqualität und Vergleich zum Trend im Bundesgebiet als Anziehungskraft der Innenstädte müssen auch zur Entwicklung in den angrenzenden nachhaltig gestärkt werden. Neue Profile, die Landkreisen nur unterdurchschnittlich aus- die Zukunft der Innenstädte sichern, stärken geweitet werden. Absolute Gewinner waren auch den Wert der Innenstadt als Immobilie vor allem die Städte Hildesheim und Alfeld. für Anleger und Investoren.

Der Großhandel ist im Landkreis Hildesheim mit rund 6.800 Beschäftigten ver- gleichsweise stark vertreten und spezialisiert. 8. Fremdenverkehr und Tourismus Der bedeutendste Standtort innerhalb des Kreisgebietes ist die Stadt Hildesheim mit Der Tourismus zählt heute zu den wachs- 2.600 Beschäftigten. Nach Hildesheim folgt tumsintensivsten Wirtschaftszweigen. Vor Sarstedt mit 1.800 Beschäftigten, wo allein allem in strukturschwachen Regionen ist er 31 % aller Beschäftigten auf diesen für die ansässige Bevölkerung oftmals die Dienstleistungszweig entfallen. Mit Abstand einzige bedeutsame Arbeitsplatz- und folgen Harsum (730 Beschäftigte) im Einkommensquelle. Die Entwicklung des Norden, sowie die Stadt Alfeld (370 Tourismus in einer Region ist neben der direk- Beschäftigte) und die Samtgemeinde Gronau ten Relevanz für die Auslastung der Be- (300 Beschäftigte) im Leinetal (Stand Juni herbergungsbetriebe auch für weitere 1996). Seit 1980 konnte die Beschäftigung Branchen von Bedeutung. So profitieren das im Großhandel im Vergleich zum Bundes- Gastgewerbe, der Einzelhandel sowie die durchschnitt überdurchschnittlich ausgebaut Anbieter von kulturellen Veranstaltungen werden. Über die Hälfte der zwi- sowohl von Übernachtungsgästen als auch Die Wirtschaftsstruktur der Region 57 von Tagestouristen. Hildesheim und durch den Landkreis hin- durch verlaufen bedeutende Touristikrouten, Der Landkreis Hildesheim verfügt über wie die Straße der Weserrenaissance, die eine Reihe von Potenzialen in Landschafts- Wege in die Romanik, die Deutsche und Städtebild bei Kultur-, Freizeit- und Fachwerkstraße und die Deutsche Märchen- Gesundheitsangeboten. Neben den heimis- straße. Auch der Leineradweg sowie der chen Sehenswürdigkeiten und Fernwanderweg Niederlande-Harz kreuzen Veranstaltungen ist die Lage sehr zentral die Städte und Gemeinden des Landkreises. zwischen den Ballungsräumen Hannover und Das Leinebergland und die Seengebiete des Braunschweig sowie den aufgrund ihrer Leinetals sind ebenso wie Naturschutz- naturräumlichen und kulturellen Attraktivität gebiete, Höhlen und Klippen weitere An- bedeutenden Regionen Harz und Weser- ziehungspunkte für den Erholungstourismus bergland. Rund um den Landkreis und die Naherholung, z. B. für Bewohner der

Abb. 11: Einzelhandelszentralität im Landkreis Hildesheim. 58 Die Wirtschaftsstruktur der Region

Städte Hannover oder Braunschweig. Vielfalt der Sehenswürdigkeiten und In Bezug auf die Schwerpunkte der Angebote der Städte und Gemeinden im Gästegruppen sowie auf das landschaftliche Landkreis Hildesheim hervorhebt. Erscheinungsbild gibt es eine Trennung zwis- chen der Stadt Hildesheim, dem Nordkreis mit Sarstedt, Elze, , Giesen, , Harsum, Söhlde und 9. Ziele und Perspektiven sowie dem Südkreis, der die übri- gen Städte und Gemeinden umfaßt. Im Es sind nicht zuletzt auch die Entwicklung Norden bilden in der Regel die Besucher der des europäischen Marktes und die fortschre- Messen in Hannover den Schwerpunkt der itende Globalisierung, die Anlaß geben soll- Übernachtungsgäste, in der Stadt Hildesheim ten, Fähigkeiten zur Kooperation in den kommen Städtetouristen und Museums- Regionen zu verbessern. Denn es steht außer besucher hinzu. Auch der Südkreis kann von Frage, dass der gemeinsame europäische den Messegästen profitieren, spricht jedoch Markt nicht nur zu einem Wettbewerb der aufgrund der im Vergleich zum Norden Unternehmen, sondern ebenso zu einem höheren landschaftlichen und zum Teil Wettbewerb der Regionen führt. Die städtebaulichen Attraktivität auch Regionen der Bundesrepublik Deutschland Kurzurlauber an. haben sich zwar im europäischen Vergleich bisher als sehr wettbewerbsfähig erwiesen, Mit rund 350.000 Übernachtungen im doch auf die Zukunft gesehen, können die Jahre 1999 ist die Prägung des Landkreises einzelnen Regionen ihre Stärken nur verteidi- durch Tourismus und Kurwesen vergleich- gen und ihre Schwächen nur ausgleichen, sweise gering. Der Landkreis zählt nicht zu wenn sie ihre Kräfte bündeln. Dabei spielen den klassischen Tourismusregionen; die Standortfaktoren eine wichtige Rolle. Übernachtungen stehen zwar vor allem in engem Zusammenhang zum Kur- und Zunehmend an Bedeutung für die Gesundheitswesen, aber auch zum Messe- Bewertung von Standorten aus Unter- und Städtetourismus. nehmenssicht gewinnen neben den üblichen Standortfaktoren (Lage, Die beiden großen Tourismusstandorte Verkehrsinfrastruktur, Flächen und Gebäude, im Landkreis sind die Stadt Hildesheim und Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, der Kur- und Klinikstandort Bad Salzdetfurth. Arbeitsmarktfaktoren, standortbezogene Auf diese beiden Standorte entfallen etwa Kostenfaktoren) die sogenannten „weichen“ 2/3 aller Übernachtungen im Kreisgebiet. Standortfaktoren. Darunter sind eher indirekt Darüber hinaus haben nur Sarstedt und wirkende Faktoren zu verstehen, die für die Alfeld noch nennenswerten Tourismus mit Qualität als Wirtschaftsstandort und zugleich steigender Tendenz (vgl. dazu auch Abb. 3). als Wohnstandort für die Mitarbeiter eines Unternehmens stehen. Dazu zählen Aspekte Ungeachtet der besonderen Situation vom Image eines Standorts und einer während der Expo-Monate von Juni bis wirtschaftsfreundlichen Verwaltung über die Oktober 2000 mit weit überdurchschnitt- Wohnungs- und Wohnumfeldsituation, das lichen Übernachtungszahlen im Landkreis Kultur- und Freizeitangebot bis hin zur Hildesheim, ist es erforderlich, die Umweltqualität. Die Vorteile der „weichen“ Kooperation zwischen den Städten und Standortfaktoren kann eine Region aber nur Gemeinden zu verbessern. Dabei geht es dann voll ausspielen, wenn die „harten“ beispielsweise um die Erstellung von gemein- Standortbedin- samen Materialien, wie Gastge- gungen, wie Lage, Verkehrsanbindung, berverzeichnis, Imagebroschüren, Land- und Arbeitsmarkt, Gewerbeflächen, Standort- Wanderkarten. Eine gemeinsame Ver- kosten usw. „stimmen“. marktungsstrategie ist nur zu erreichen, Es ist heute vorherrschende Auffassung, wenn die verschiedenen Akteure, die direkt dass sich einzelne Kommunen kaum noch oder indirekt mit der Entwicklung des Touris- isoliert als Wirtschaftsstandort vermarkten mus befaßt sind, ihre Stärken zusammen- lassen. Erst durch das Zusammenspiel von fassen und verknüpfen. So kann ein harten und weichen Standortfaktoren, die in Gesamtprofil entstehen, das besonders die der notwendigen Vielfalt und qualitati-ven Die Wirtschaftsstruktur der Region 59

Ausprägung nur regional gewährleistet wer- den können, kann eine erfolgreiche Aber auch den Städten und Gemeinden Positionierung im Standortwettbewerb gelin- im Landkreis Hildesheim selbst fällt in diesem gen. Die in den 1990er Jahren besonders Zusammenhang eine besondere problematische Entwicklung infolge zahlre- Aufgabenstellung in den nächsten Jahren zu. icher Arbeitsplatzverluste hat die Es geht dabei in erster Linie um Kreisverwaltung im Zusammenwirken mit Stadtmarketing im weitesten Sinne, denn den Sparkassen ein Konzept erarbeiten eine Stadt (Gemeinde) ist mehr als nur ein lassen, das als konzeptioneller Impuls für eine Einkaufsstandort. Sie ist Arbeitsplatz, Wohn- breite regionale Verständigung dienen soll. platz, ein Ort für Freizeit und Lebensqualität Die wichtigste Entwicklungschance der und für andere Bedürfnisse. Das heißt, dass Wirtschaftsregion Hildesheim liegt sicherlich die Stadt in ihrem gesamten in ihrer unmittelbaren Nähe zu dem benach- Leistungsspektrum und in ihren vielfältigen barten Wirtschaftsraum Hannover, der Beziehungen zu den Bürgern, aber auch zur zunehmend seine in den 1980er Jahren deut- Wirtschaft sowie allen örtlichen Institutionen lich zu Tage getretene Ent- gesehen werden muss. wicklungsschwäche überwunden hat und insbesondere im Dienstleistungssektor stark Es besteht kein Zweifel, dass der wächst. Für den Wirtschaftsraum Hildesheim Wettbewerb zwischen Städten und Regionen kommt es deshalb darauf an, die Chance des sich verschärfen wird. Wenn es hierbei allein wachsenden Umfeldes in stärkerem Maße als um einen Wettstreit der Ideen und Taten in der Vergangenheit zu nutzen und mehr unter gleichen Voraussetzungen ginge, wäre Wachstumsimpulse in die Region zu lenken. dies eine gute Sache. Aber der Wettstreit um Darüber hinaus bietet sich angesichts der Arbeitsplätze, Bevölkerung und Kaufkraft- Konzentration von unternehmensorien- potenzial droht zu einem problemati-schen tierten Dienstleistungen, Ausbildungs-, Konkurrenzkampf zu werden. Diesem Innovations-, Forschungs- und Wettstreit müssen sich auch die Region Beratungseinrichtungen in Hannover eine Hildesheim und ihre Städte und Gemeinden stärkere Kooperation auf den verschieden- stellen. sten für Wirtschaftsförderung relevanten Feldern an. Ein erster Weg dazu werden der verstärk- te Ausbau der Wirtschaftsförderung und die Von dieser Betrachtung ausgehend ver- Gründung einer Wirtschafts- fügt die Region Hildesheim über durchaus förderungsgesellschaft mit allen 18 gute Voraussetzungen. Diese gilt es zu erhal- Gemeinden unter Beteiligung der Volks- und ten, getragen von dem Bemühen aller Raiffeisenbanken sowie der Kreis-sparkasse gesellschaftlichen Kräfte im kommunalen Hildesheim sein. Bereich, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch in den nächsten Jahren weiter zu verbessern. Dies ist auch notwendig, denn insgesamt ist die Region Hildesheim auf längere Zeit durch eine im überregionalen Vergleich ausgesprochen schwache Bevölkerungsdynamik gekenn- zeichnet. Wie bereits ausgeführt, sind große Entwicklungspotentiale in diesem Zusammenhang den Gemeinden zwi- schen Hannover und Hildesheim zuzusprech- en sowie den Umlandgemeinden von Hildesheim. Erheblich schwächer dürfte auf Dauer die Entwicklung im Bereich der südlichen Leinetalachse bleiben, sofern es nicht gelingt, neue wirtschaftliche Impulse in diese Region zu bringen bzw. die Standorte zu attraktiven Wohnstandorten weiter zu entwickeln. 60 Die Wirtschaftsstruktur der Region

1999.