Plenarprotokoll 6/72 03.07.2014

Landtag Mecklenburg-Vorpommern

72. Sitzung 6. Wahlperiode

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Donnerstag, 3. Juli 2014, Schwerin, Schloss ______

Vorsitz: Präsidentin Sylvia Bretschneider, Vizepräsidentin Beate Schlupp und Vizepräsidentin Silke Gajek

Inhalt Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses (1. Ausschuss) gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten Änderung der Tagesordnung ...... 4 und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz – PetBüG M-V) Fragestunde – Drucksache 6/3085 – ...... 12 – Drucksache 6/3105 – ...... 4 Manfred Dachner, SPD ...... 12, 14 Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 4, 5 Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE ...... 13 Minister Mathias Brodkorb ...... 4, 5 Maika Friemann-Jennert, CDU ...... 13 Udo Pastörs, NPD ...... 5, 7, 11, 12 Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 16 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 6 Nils Saemann, SPD ...... 17 Ministerin Birgit Hesse ...... 6 Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 6 B e s c h l u s s ...... 18 Michael Andrejewski, NPD ...... 6, 7, 9 Minister Lorenz Caffier ...... 6, 7, 8, 9 Tino Müller, NPD ...... 7 David Petereit, NPD ...... 7, 8, 9 Änderung der Tagesordnung ...... 18 Ministerin Uta-Maria Kuder ...... 9 Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 10 Minister Harry Glawe ...... 10 Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 10, 11 Antrag der Fraktion DIE LINKE Minister Dr. Till Backhaus ...... 10, 11, 12 Glyphosateinsatz beschränken Stefan Köster, NPD ...... 11 – Drucksache 6/2420 – ...... 18

Beschlussempfehlung und Bericht des Agrarausschusses (6. Ausschuss) Erweiterung der Tagesordnung ...... 12 – Drucksache 6/3091 – ...... 18 2 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Änderungsantrag der Fraktion Michael Andrejewski, NPD ...... 47 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stefan Köster, NPD ...... 49 – Drucksache 6/3118 – ...... 18 Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 50

Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 18, 25 B e s c h l u s s ...... 54 Minister Dr. Till Backhaus ...... 19 Heino Schütt, CDU ...... 21 Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 21 Thomas Krüger, SPD ...... 23 Antrag der Fraktion der NPD Stefan Köster, NPD ...... 25 Regierungserklärung zur finanziellen Schieflage der „P+S-Werften“ im Sommer 2011 B e s c h l u s s ...... 26 – Drucksache 6/2965 – ...... 55

Udo Pastörs, NPD ...... 55 Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 56 Erweiterung der Tagesordnung Michael Andrejewski, NPD ...... 58 gemäß § 74 GO LT ...... 27 B e s c h l u s s ...... 60 Jeannine Rösler, DIE LINKE (zur Geschäftsordnung) ...... 27 Heinz Müller, SPD (zur Geschäftsordnung) ...... 27 Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Anerkennung des Diploms sicherstellen B e s c h l u s s ...... 27 – Drucksache 6/3070 – ...... 60

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/3123 – ...... 60 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Susann Wippermann, SPD ...... 60, 67 Gewässer als Lebensadern Minister Mathias Brodkorb ...... 61, 68 der Landschaft entwickeln Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE ...... 63 – Drucksache 6/3063 – ...... 28 Egbert Liskow, CDU ...... 64 Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 64, 68 Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN B e s c h l u s s ...... 70 – Drucksache 6/3119 – ...... 28

Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..... 28, 36 Minister Dr. Till Backhaus ...... 30 Änderung der Tagesordnung ...... 70 Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE ...... 33 Nils Saemann, SPD ...... 35 Stefan Köster, NPD ...... 35 Antrag der Fraktion DIE LINKE B e s c h l u s s ...... 37 Zinssätze für Dispositions- und Überschreitungskredite endlich gesetzlich begrenzen – Drucksache 6/3059 – ...... 70 Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Änderungsantrag der Fraktion 100 Prozent Gleichstellung jetzt! Hissen der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Regenbogenfahne als Zeichen für Toleranz, – Drucksache 6/3120 – ...... 70 Akzeptanz und Solidarität auf öffentlichen Gebäuden generell erlauben! Dr. André Brie, DIE LINKE ...... 70 – Drucksache 6/3104 – ...... 37 Minister Dr. Till Backhaus ...... 72 Dietmar Eifler, CDU ...... 73 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 37, 53 Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 73 Minister Lorenz Caffier ...... 39, 52, 53 Stefanie Drese, SPD ...... 74 Martina Tegtmeier, SPD ...... 41, 53 Jeannine Rösler, DIE LINKE ...... 75 Peter Ritter, DIE LINKE ...... 43, 52 Maika Friemann-Jennert, CDU ...... 45 B e s c h l u s s ...... 75 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 3

Änderung der Tagesordnung ...... 76 Antrag der Fraktion DIE LINKE Förderung der „Gesundheitswirtschaft“ im neuen Haushalt bündeln – Drucksache 6/3057 – ...... 105 Antrag der Fraktion DIE LINKE Greening wissenschaftlich Torsten Koplin, DIE LINKE ...... 105 begleiten und evaluieren Minister Harry Glawe ...... 108 – Drucksache 6/3058 – ...... 76 Tilo Gundlack, SPD ...... 110 Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 111 Dr. Fritz Tack, DIE LINKE ...... 76, 83 Wolf-Dieter Ringguth, CDU ...... 112 Minister Dr. Till Backhaus ...... 77 Helmut Holter, DIE LINKE ...... 115 Heino Schütt, CDU ...... 80 Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 81 B e s c h l u s s ...... 116 Thomas Krüger, SPD ...... 82

B e s c h l u s s ...... 84 Nächste Sitzung Freitag, 4. Juli 2014 ...... 116

Änderung der Tagesordnung ...... 84

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Luftrettung im Land stärken – Einsatzfähigkeit der Rettungshub- schrauber erhalten und ausbauen – Drucksache 6/3065 – ...... 85

Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 85, 90 Ministerin Birgit Hesse ...... 87 Torsten Koplin, DIE LINKE ...... 89 Julian Barlen, SPD ...... 90

B e s c h l u s s ...... 92

Änderung der Tagesordnung gemäß § 74 GO LT ...... 92

B e s c h l u s s ...... 93

Antrag der Fraktion DIE LINKE Langzeitarbeitslosigkeit als Herausforderung ernst nehmen – Perspektiven für deren Überwindung schaffen – Drucksache 6/3061 – ...... 93

Henning Foerster, DIE LINKE ...... 93, 102 Ministerin Birgit Hesse ...... 94 Vincent Kokert, CDU ...... 96 Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 98 Martina Tegtmeier, SPD ...... 100

B e s c h l u s s ...... 105 4 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Beginn: 9.00 Uhr schließen sind, und insofern ist das Verfahren unter Rücksichtnahme auf die politischen Meinungsbildungs- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Meine sehr geehrten und Entscheidungsprozesse der entsprechenden kom- Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 72. Sitzung des munalen Vertretungskörperschaften gewählt worden. Sie Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungs- wissen, dass es eine Kommunalwahl gab im Mai, die den gemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Kommunen auch ermöglichen muss, dass sie ihre Gre- Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen mien zunächst konstituieren und dass sich dort die neuen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen gewählten Volksvertreter eine Meinung bilden. Insofern vereinbarungsgemäß fort. halten wir das Vorgehen für sachgerecht und auch die Zielvereinbarungen in diesem Rahmen und in diesem Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gestatten Sie Jahr für umsetzbar. mir noch einen Hinweis. Die Beratung des Tagesord- nungspunktes 13 entfällt, da der Antragsteller die Aufset- Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber die zung der Aussprache zurückgezogen hat. Frage bleibt: Wenn Zielvereinbarungen erst im fortge- schrittenen Jahr abgeschlossen werden, welchen Zeit- Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Fragestunde. raum haben dann die Theater zur Realisierung der Ziel- Die Fragen an die Landesregierung liegen Ihnen auf vereinbarungen? Drucksache 6/3105 vor. Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Abge- Fragestunde ordnete Berger, wie Sie wissen, ist erst mit der Stadt – Drucksache 6/3105 – Schwerin ein solcher Verhandlungsstand erreicht, dass der Gegenstand der Zielvereinbarungen die Umsetzung Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Ministers für Bil- konkreter Reformmaßnahmen ist. Mit den anderen Thea- dung, Wissenschaft und Kultur. Hierzu bitte ich die Ab- terträgern wird noch darüber diskutiert, wie eine Re- geordnete Ulrike Berger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE formoption aussehen kann. Insofern sehe ich den Um- GRÜNEN, die Fragen 1 und 2 zu stellen. stand, dass es bereits gelungen ist, mit Schwerin eine Zielvereinbarung abzuschließen, mit den anderen Trä- (Die Abgeordnete Ulrike Berger gern noch nicht, weil dort die Meinungsbildung noch nicht ist nicht anwesend.) endgültig abgeschlossen ist, noch nicht als ein Problem an, sondern als eine Bedingung gelingender demokrati- Meine Frage geht an die Fraktion der GRÜNEN: Wie scher Kooperation. wollen wir verfahren? – Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat eine Auszeit von fünf Minuten beantragt. Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich unterbreche die Sitzung für fünf Minuten. 2. Wie hoch waren die Kosten für das vom Bil- Unterbrechung: 9.01 Uhr dungsministerium herausgegebene Schulmaga- ______zin „klasse!“, aufgeschlüsselt nach Gesamtkos- ten und Kosten für Redaktion, Gestaltung, Kon- Wiederbeginn: 9.02 Uhr zeption, Design und Realisation, Druck und Vertrieb sowie sonstigen Kosten? Vizepräsidentin Beate Schlupp: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass Sie damit Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Abge- einverstanden sind, dass wir jetzt die unterbrochene ordnete Berger, mit dem Schulmagazin „klasse!“ infor- Sitzung fortsetzen. Ich rufe nochmals auf den Geschäfts- miert das Bildungsministerium künftig einmal pro Jahr bereich des Ministers für Bildung, Wissenschaft und rechtzeitig vor Beginn des Schuljahres Schülerinnen und Kultur und bitte hierzu die Abgeordnete Frau Ulrike Ber- Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer über das ger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fragen 1 Schulsystem und die Neuigkeiten im kommenden Schul- und 2 zu stellen. jahr. Eltern müssen sich künftig nicht mehr mühsam die benötigten Informationen über die Schule selbst zusam- Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Mor- mensuchen, sondern erhalten sie vom Staat geliefert. gen! Das Bildungsministerium folgt mit dieser Informations- 1. Mit welchen Theatern wurden inzwischen die im politik dem Beispiel anderer Bundesländer. So gibt die Theatererlass vorgesehenen Zielvereinbarungen Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg vier- geschlossen? teljährlich die Zeitschrift „Hamburg macht Schule“ heraus. In Bayern wird durch das Bayerische Staatsministerium Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Abge- für Unterricht und Kultus drei- bis fünfmal im Jahr das ordnete Berger – einen wunderschönen guten Morgen Magazin „Schule und wir“ an alle Eltern mit einer Auflage auch von mir –, mit Schwerin. von 1,38 Millionen Exemplaren über die Schulen kosten- los verteilt, und dies bereits seit vielen Jahren. Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie sollen Zielvereinbarungen für dieses Jahr umgesetzt werden, Das Schulmagazin in Mecklenburg-Vorpommern hat wenn die Zielvereinbarungen zur Hälfte des Jahres im- einen Umfang von 66 Seiten und ist mit einer Auflage mer noch nicht abgeschlossen sind? von 170.000 Exemplaren gedruckt worden. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt 94.445,38 Euro, davon Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Abge- 39.422,07 Euro für Konzeption, Layout und Redaktion ordnete Berger, es ist mit den Trägern vereinbart, dass sowie 55.023,31 Euro für Druck und Versand. Der Preis die Zielvereinbarungen im Laufe des Jahres und mög- für ein Heft liegt damit umgerechnet bei circa 56 Cent. lichst im Spätsommer oder Frühherbst spätestens abzu- Ein Exemplar des Schulmagazins kostet damit also etwa Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 5 die Hälfte einer Ausgabe der im Land erscheinenden gramme und setzt bewährte Maßnahmen mit einigen Regionalzeitung mit einer Ausgabe pro Tag. Änderungen und Akzentverschiebungen im Wesentlichen fort. (Manfred Dachner, SPD: Konnten Sie sich das merken, Frau Berger?) (Stefan Köster, NPD: Die Frage haben Sie aber verstanden, Herr Brodkorb? – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aus wel- Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) chem Haushaltstitel werden diese 94.000 Euro aufge- bracht, da ja der Haushaltstitel für Öffentlichkeitsarbeit Es wird daher auch weiterhin möglich sein, Projekte zu nur 68.000 Euro beinhaltet? fördern, die sich zum Bespiel mit Rechtsextremismus, demokratiefeindlichen Formen des Islam oder mit linker Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Abge- Militanz auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang ordnete Berger, ich muss Ihnen gestehen, ich habe jetzt sei jedoch darauf hingewiesen, dass die wissenschaft- nicht präsent, aus welchen Haushaltstiteln die einzelnen liche Evaluation des Programms „Initiative Demokratie Bestandteile der Summe zustande gekommen sind. Ich stärken“, das die Prävention vor Einflüssen des Links- gehe allerdings davon aus, dass unter anderem der extremismus und des islamischen Extremismus zum Ziel Haushaltstitel für Kultur und Bildungsdialog in Anspruch hatte, zu dem Ergebnis kam, dass sich, Zitat, „im Unter- genommen wurde. Wenn ich mich recht entsinne, haben schied etwa zum Phänomen ,Rechtsextremismusʻ, kein wir dies gemeinsam auch schon zur Aufstellung des Bedarf für einen das gesamte Bundesgebiet abdecken- Haushaltes im Parlament beraten. Davon gehe ich aus, den Programmbereich zum Thema ,pädagogische Prä- dass dies so ist, kann dies gerne noch einmal kontrollie- vention von ,Linksextremismusʻ im Jugendalterʻ feststel- ren. Sofern dies der Fall sein sollte, halte ich das für len lässt“, Zitatende. haushaltsrechtlich angemessen, da es sich am Ende um einen Dialog auch mit den Eltern handelt, deren Kinder Udo Pastörs, NPD: Zusatzfrage: Könnten Sie uns viel- unsere Schulen besuchen. leicht definieren, wo Sie den Schnitt machen, Linksext- remismus und Rechtsradikalismus? Also diese beiden Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann bitte Begriffe, könnten Sie dem Plenum mal erörtern, wie das ich um Nachtrag, ob Ihre Spekulation der Wahrheit ent- gefasst wird wissenschaftlich, zur Einordnung? spricht oder der Realität entspricht. Minister Mathias Brodkorb: Dazu gibt es, wie Sie wis- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Also, Frau Berger, es sen, wissenschaftlich verschiedene Positionen. Aller- ist eine zweite Nachfrage gestellt, aber die Frageform dings lässt sich, glaube ich, die Frage deshalb nicht be- kann ich nicht erkennen. Außerdem sollten Sie sich in sonders sinnvoll beantworten, weil schon vom Wort- der Fragestunde doch von Bewertung dessen, was der stamm her Linksextremisten und Rechtsradikale relativ Minister vorträgt, fernhalten. Wollen Sie noch? wenig miteinander zu tun haben.

Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee. Udo Pastörs, NPD: Das ist wohl so, ja.

(Minister Dr. Till Backhaus: Minister Mathias Brodkorb: Insofern gibt es an ihnen „Nein“ heißt das, nicht „nee“. – auch keine Schnittkante. Die könnte es höchstens zwi- Dr. Norbert Nieszery, SPD: „Danke“ heißt das.) schen Linksextremisten und Linksradikalen geben, weil es benachbarte Gruppierungen sind, aber eine Schnitt- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich darf nun den Ab- menge oder eine Kante zwischen Linken und Rechten geordneten Udo Pastörs, Fraktion der NPD, bitten, die gibt es ja gerade zum Glück nicht. Frage 3 zu stellen. Udo Pastörs, NPD: Weitere Zusatzfrage: Inwieweit un- Udo Pastörs, NPD: Guten Morgen, Herr Brodkorb! Mei- terhalten Sie persönlich, auch als Minister, noch Kontakte ne Frage: bis hinein ins linksextremistische Milieu?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Pläne von (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Bundesfamilienministerin Schwesig zur Strei- Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was heißt „noch“?) chung des „Anti-Linksextremismus-Programms“ vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Vizepräsidentin Beate Schlupp: Also diese Frage wei- Gewaltbereitschaft besonders im linksextremis- se ich zurück, Herr Pastörs. tischen Milieu? (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Besonders im rechtsextremen Milieu.) Udo Pastörs, NPD: Wieso denn? Das ist doch eine berechtigte Frage. Schauen Sie sich seine Vergangen- Minister Mathias Brodkorb: Herr Pastörs, nach den mir heit an, dann sehen Sie, dass die Frage berechtigt ist! derzeit vorliegenden Informationen plant die Bundesre- gierung keine Streichung von Programmen zur Demokra- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Pastörs, bitte tieförderung. Die beiden bislang vom Bundesministerium setzen Sie sich. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umgesetzten Programme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ und Udo Pastörs, NPD: Vielen Dank. „Initiative Demokratie stärken“ laufen Ende 2014 aus. Das neue Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD) gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeind- lichkeit“ bündelt die Schwerpunkte der bisherigen Pro- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Herr Minister. 6 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Ich rufe auf den Geschäftsbereich der Ministerin für Ar- Ministerin Birgit Hesse: Sehr geehrter Herr Abgeordne- beit, Gleichstellung und Soziales. Hierzu bitte ich die ter, zuständige Behörde für die Zustimmung zu einem Abgeordnete Silke Gajek, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE möglichen Probebetrieb – das haben Sie bereits selbst GRÜNEN, die Frage 4 zu stellen. ausgeführt – ist das LAGuS. Über einen möglichen Pro- betrieb wurde bisher nicht entschieden, denn derzeit Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Mor- liegen dem LAGuS keine Anhaltspunkte für die Notwen- gen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Hesse! Mei- digkeit eines Probebetriebes vor. ne Frage: Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 4. Wie viele Anträge auf Zuschüsse für den ge- Danke schön. meinsamen Urlaub von Familien (Individualzu- schüsse) wurden bislang gestellt und wie viele Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Frau Ministerin. wurden in welcher Höhe genehmigt? Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Ministers für Inne- Ministerin Birgit Hesse: Guten Morgen, Frau Abgeord- res und Sport. Hierzu bitte ich den Abgeordneten Michael nete! Für Familienerholungsmaßnahmen stehen Mittel in Andrejewski, Fraktion der NPD, die Frage 6 zu stellen. Höhe von 100.000 Euro jeweils für 2014 und 2015 zur Verfügung. Das Antragsverfahren haben wir vereinfacht, Michael Andrejewski, NPD: Guten Morgen, Herr Minis- unbürokratischer und familienfreundlicher gestaltet. Fa- ter! Frage: milien erhalten keine unmittelbaren Zuschüsse, sondern sie erhalten diese nun über mit solchen Verfahren ver- 6. Wie weit sind nach Kenntnis der Landesregie- traute Träger der Jugendhilfe und der Familienarbeit. Die rung die Pläne Polens zur Errichtung von Kern- entsprechende Richtlinie befindet sich derzeit in der kraftwerken gediehen? Endabstimmung mit dem Finanzministerium. Minister Lorenz Caffier: Ja, guten Morgen, Herr Andre- Das heißt, bedürftige Familien brauchen künftig keine jewski! Am 28. Januar 2014 hat der polnische Ministerrat Punkte mehr zu sammeln und die Abrechnung erfolgt das Kernenergieprogramm seines Landes beschlossen. nicht mehr über die Privatperson, sondern über die Trä- Entsprechend den Regelungen für eine strategische ger. Damit wollen wir erreichen, dass die Familienerho- Umweltprüfung hat Deutschland als konsultierter Mit- lungsmaßnahmen mehr bedürftigen Familien mit ihren gliedsstaat das Recht, dass dieses Programm gemein- Kindern zugutekommen, denn die Träger sind dichter an sam mit einer zusammenfassenden Erklärung und den den Familien dran. Maßnahmen zur Überwachung der Umsetzung bekannt gegeben wird. Die zusammenfassende Erklärung gibt Der Zuschuss des Landes soll altersunabhängig pro Aufschluss darüber, wie die Umwelterwägungen der kon- Person und Übernachtung 20 Euro betragen, wobei sultierenden Mitgliedsstaaten einbezogen worden sind. die Mindestreiselänge fünf Tage beträgt und maximal 21 Übernachtungen gefördert werden können. 14 Fami- Das polnische Wirtschaftsministerium hat in der vergan- lien hatten einen Antrag nach dem alten Verfahren ge- genen Woche mitgeteilt, dass sowohl das Kernenergie- stellt und sind schriftlich über das veränderte Verfahren programm als auch die zusammenfassende Erklärung informiert worden. Gegenwärtig sind drei Interessenbe- Ende Juli in deutscher Sprache vorgelegt werden. kundungen zu einer möglichen Antragstellung bei der zuständigen Mitarbeiterin eingegangen. Der derzeit bekannte Zeitplan der polnischen Regierung umfasst folgende Etappen: Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da hätte ich eine Nachfrage: Welche Träger sind das und wie erfolgt – vom 01.01.2014 bis 31.12.2016: Standortauswahl die Auswahl der Träger? und Vertragsabschluss für die Auslegung und Errich- tung des ersten Kernkraftwerkes Ministerin Birgit Hesse: Das würde ich schriftlich nach- reichen. – 01.01.2017 bis 31.12.2018: Ausführung des techni- schen Projektes und Erzielung der gesetzlich gefor- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so, gut, derten Genehmigung, also Stellungnahmen und Gut- danke. achten

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich darf nun den Abge- – die Etappe drei vom 01.01.2019 bis 31.12.2024: Bau- ordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/ genehmigung, Errichtung des ersten Blocks des ers- DIE GRÜNEN bitten, die Frage 5 zu stellen. ten KKWs und Inbetriebnahme

Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: – Etappe vier vom 01.01.2025 bis zum 31.12.2030: Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Fortsetzung des Baus und Fertigstellung des ersten Ministerin! Kernkraftwerkes, Baubeginn der folgenden neuen Blöcke des zweiten KKWs 5. Wird die Landesregierung zur Ermittlung, ob eine Betriebsgenehmigung für das Kernfusionsexpe- – Etappe fünf vom 01.01.2031 bis 2035: Fertigstellung riment Wendelstein 7-X erteilt werden kann, beziehungsweise Inbetriebnahme des zweiten KKWs, einem bisher seitens des Landesamtes für Ge- für das Jahr 2035 vorgesehen sundheit und Soziales erwogenen einmaligen Probebetrieb des Experimentes mit Messung der Wenn Sie erlauben, will ich noch mal über die derzeit entstehenden ionisierenden Strahlung innerhalb vorgesehenen Standorte ausführen. Also Polen nennt und außerhalb der Torushalle zustimmen? derzeit als mögliche Standorte für Kernkraftwerke oder Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 7 empfohlene Standorte, wie es ganz genau heißt, Kopań, hauptstadt ist mir nicht bekannt. Sollte er gegebenenfalls Żarnowiec, Warta-Klempicz, Nowe Miasto. Von diesen auch indirekt erhoben worden sein, wäre er unberechtigt, wird insbesondere Warta-Klempicz favorisiert. Zur Geo- denn die Einsparvorschläge des beratenden Beauftrag- grafie: Das liegt circa 150 Kilometer von der deutschen ten der Landeshauptstadt Schwerin zur Haushaltskonso- Grenze entfernt, der nächste Standort ist Frankfurt/Oder, lidierung betreffen nicht die Investitionsplanungen der auf der Geraden etwa waagerecht nach rechts, also Stadt. durchaus im Einzugsbereich von Deutschlands Grenze und damit auch von Mecklenburg-Vorpommern. In unmit- Zutreffend ist, dass ich eine grundlegende Überarbeitung telbarer Grenznähe zu Deutschland liegen sieben soge- der Investitionsplanungen der Landeshauptstadt Schwe- nannte sonstige Vorschläge für Standorte. Das sind rin für erforderlich halte. Diese Überarbeitung hat sich Stepnica 1 und 2, Pniewo, Krzymow, Debogora, Lisowo, angesichts der desolaten Haushaltslage der Stadt an Krzywiec und Wichowo sowie Gaski. dem strengen Maßstab der sachlichen und zeitlichen Unabweisbarkeit zu orientieren. Unabweisbare Baumaß- Michael Andrejewski, NPD: Danke. nahmen für wichtige Infrastrukturmaßnahmen, wie bei- spielsweise die Sanierung einsturzgefährdeter Brücken, Eine Zusatzfrage: Ist bekannt, inwieweit die Republik werden dabei auf keinen Fall infrage gestellt, auch durch Polen für diese Vorhaben EU-Mittel bekommen könnte mein Haus nicht. oder bekommt? Der Landeshauptstadt Schwerin stehen derzeit jährlich Minister Lorenz Caffier: Ist mir derzeit nicht bekannt, 9 Millionen Euro aus dem Finanzausgleichsgesetz Meck- könnte ich aber, wenn es Sie interessiert, versuchen zu lenburg-Vorpommern für Investitionen zur Verfügung. erfragen. Diese Mittel können bei Berücksichtigung zusätzlicher Fördermittel zumindest auf das Doppelte aufgestockt Michael Andrejewski, NPD: Okay, danke. werden, sodass jedes Jahr mindestens ein Volumen von 18 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung steht. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich bitte nun, den Ab- Aus den Jahren 2012 und 2013 bestehen zudem noch geordneten Tino Müller, Fraktion der NPD, die Frage 7 Haushaltsermächtigungen für Investitionen in Höhe von zu stellen. 37,6 Millionen Euro. Der Haushalt der Landeshauptstadt Schwerin war bisher unter anderem deshalb nicht ge- Tino Müller, NPD: Herr Minister! nehmigungsfähig, weil sowohl dieser Betrag als auch der Investitionsplan der Stadt insgesamt nicht hinreichend 7. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung dargelegt werden konnten. Also insofern, die Investitio- im Einzelnen über Straftaten, Straftäter und nen, die notwendig sind und dringend, können durchaus Linksextremisten im Zusammenhang mit den durchgeführt werden. Es liegt aber in der Entscheidungs- Gegenveranstaltungen zum Trauermarsch am befugnis der Stadt, welche Maßnahmen ich zuerst ma- 8. Mai 2014 in Demmin? che und welche nicht.

Minister Lorenz Caffier: Guten Morgen, Herr Abgeord- Udo Pastörs, NPD: Zusatzfrage: Liegen Ihnen oder neter Müller! Im Zusammenhang mit der Gegenveranstal- Ihrem Ministerium auf der Grundlage des Brückenzu- tung zum Trauermarsch am 8. Mai 2014 in Demmin wur- standsberichtes denn jetzt schon Begehrlichkeiten oder den bis zum 01.07.2014, also vorgestern, hier insgesamt Warnungen vor, dass die Finanzmittel nicht ausreichen acht Straftaten registriert. Drei Straftaten wurden als könnten, um eben diese speziellen Fälle, wo Brücken extremistisch bewertet. Es wurden insgesamt drei Tat- einsturzgefährdet oder nicht mehr verkehrssicher sind, verdächtige erfasst. Dabei erfolgt keine Unterscheidung dass das nicht durchgeführt werden könnte? zwischen Extremisten und Nichtextremisten. Minister Lorenz Caffier: Mir liegen derzeit zumindest Tino Müller, NPD: Wie sahen die Straftaten im Einzelnen keine Anträge vor, was solche Brücken derzeit, sozusa- aus? gen Fördermittel oder den Abruf von zusätzlichen Mitteln betrifft. Ansonsten erfolgt eine fast wöchentliche Abstim- Minister Lorenz Caffier: Entsprechend den derzeitigen mung zwischen meinem Referat und dem zuständigen Ermittlungen möchte ich hier dazu keine weiteren Aus- Referat in der Landeshauptstadt über mögliche Investiti- führungen machen. onsmaßnahmen, sodass ich derzeit über den Anforde- rungsantrag hinaus Ihnen die Frage nur mit Nein beant- Tino Müller, NPD: Danke. worten kann.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich bitte jetzt den Ab- Udo Pastörs, NPD: Ich bedanke mich bei Ihnen. geordneten Udo Pastörs, Fraktion der NPD, die Frage 8 zu stellen. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich bitte jetzt den Abge- ordneten David Petereit, Fraktion der NPD, die Fragen 9 Udo Pastörs, NPD: Guten Morgen, Herr Caffier! und 10 zu stellen.

8. Wie bewertet die Landesregierung den Vorwurf David Petereit, NPD: Guten Morgen! der Landeshauptstadt Schwerin, wonach das Land durch die Zwangssparmaßnahmen wichti- 9. Für welche Orte Mecklenburg-Vorpommerns ge Bauprojekte in Schwerin, wie zum Beispiel und dort in welchen Ortsteilen sind künftig die Sanierung von Brücken, gefährdet? Sammelunterkünfte für Asylbewerber und/oder Asylanten mit welchen Kapazitäten vorgesehen Minister Lorenz Caffier: Guten Morgen, Herr Abgeord- und wann sollen diese von wem in Betrieb ge- neter! Ein derartiger angeblicher Vorwurf der Landes- nommen werden? 8 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Minister Lorenz Caffier: Guten Morgen, Herr Abgeord- Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter Petereit, neter Petereit! Sie haben ja die gleiche Frage schon mal in der 63. und 66. Plenarsitzung des Landtages gestellt. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment! Einen Moment, Herr Minister! Einen Moment! David Petereit, NPD: Es waren ein paar Wörter mehr.

Aus gegebenem Anlass möchte ich den Hinweis geben, Minister Lorenz Caffier: Es hat sich aber nichts geän- dass nach unserer Geschäftsordnung Paragraf 65 Ab- dert an der Ausgangssituation. Gegenwärtig ist die Er- satz 4 die Frage im Wortlaut zu verlesen ist. richtung einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Vorpommern-Rügen in Planung, der auch der Träger David Petereit, NPD: Ich habe sie so vorgelesen, … dieser Einrichtung sein wird. Diese Einrichtung wird in der Hansestadt Stralsund im Ortsteil Dänholm entstehen. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Und ich denke mal, Sie Nach aktueller Planung wird das Objekt über eine Kapa- sind vom Wortlaut abgewichen. zität von 197 Plätzen verfügen und voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres fertig sein. Der Betreiber David Petereit, NPD: … wie ich sie gestellt habe, und der Einrichtung wird durch eine Ausschreibung ermittelt. nicht, wie Sie sie geändert haben. Darüber hinaus gibt es derzeit keine verbindlichen Pla- nungen der Kommunen für die Schaffung weiterer Ge- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Damit, Herr Petereit, meinschaftsunterkünfte. Allerdings ist im Frühjahr be- haben Sie diese Frage für sich erledigt. Ich erteile Ihnen kanntermaßen Barth mit einer Kapazität von 100 Plätzen einen Ordnungsruf. Bitte setzen Sie sich hin. in Betrieb genommen worden.

(Udo Pastörs, NPD: Was ist David Petereit, NPD: Ja, eine Nachfrage: Wie Sie viel- denn das für ein Blödsinn?) leicht wissen, gibt es hier immer wieder Probleme mit dem Wort „Asylant“ und kein Problem mit dem Wort „Asylbe- David Petereit, NPD: Wo steht das denn in der Ge- werber“. Können Sie vielleicht dem Plenum mal den Un- schäftsordnung? terschied zwischen den beiden Begriffen erläutern?

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Herr Pastörs, für Minister Lorenz Caffier: Das ist nicht Aufgabe der Fra- Ihren Kommentar erteile ich Ihnen einen zweiten Ord- gestunde und Ihre Frage muss sich dementsprechend nungsruf und mache Sie darauf aufmerksam, dass ein beziehen auf die gestellte Frage. Aber wir reden in die- dritter Ordnungsruf eine Wortentziehung nach sich sem Land, in Deutschland, von Asylbewerbern und das ziehen wird. ist dementsprechend auch genau der Terminus,

David Petereit, NPD: Frau Präsidentin, wo steht denn (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist das in der Geschäftsordnung? ein rechtsextremer Kampfbegriff.)

(Der Abgeordnete Stefan Köster der damit verbunden ist, und kein anderer Wortgebrauch tritt an das Präsidium heran.) ist in Deutschland üblich.

Nun hört auf zu zanken! David Petereit, NPD: Eine weitere Nachfrage: Welchen Begriff verwendet man denn für anerkannte Asylbewer- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich unterbreche die ber? Sitzung und rufe die Parlamentarischen Geschäftsführer nach vorne. (Heinz Müller, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE: Unterbrechung: 9.22 Uhr Anerkannte Asylbewerber! – ______Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dumme Frage!)

Wiederbeginn: 9.40 Uhr Ihr Kasper!

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Meine sehr geehrten (Peter Ritter, DIE LINKE: Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sit- Kommen Sie sich nicht selber zung und rufe erneut auf den Geschäftsbereich des Mi- albern vor mit Ihrer Frage?) nisters für Inneres und Sport. Hierzu bitte ich den Abge- ordneten David Petereit, Fraktion der NPD, die Fragen 9 Minister Lorenz Caffier: Ich dachte, Sie haben die Fra- und 10 zu stellen. ge …

David Petereit, NPD: (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

9. Für welche Orte und dort in welchen Ortsteilen Also ich kann den Sinn der Frage nicht verstehen, weil Sie sind künftig Sammelunterkünfte für Asylbewer- sie selber gerade beantwortet haben. Also insofern … ber mit welchen Kapazitäten vorgesehen David Petereit, NPD: Jaja. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Es geht doch.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war echt intelligent.) und wann sollen diese von wem in Betrieb ge- nommen werden? Danke. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 9

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht Ministerin Uta-Maria Kuder: Herr Abgeordneter, inwie- schlecht, Intelligenzbolzen. Setzen!) weit Mecklenburg-Vorpommern von dem von Ihnen ge- nannten Sachverhalt … Ich habe noch eine Frage: Vizepräsidentin Beate Schlupp: Einen Moment! Einen 10. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung Moment, Frau Ministerin! im Einzelnen über Straftaten, Straftäter und Linksextremisten im Zusammenhang mit den Den Wortlaut der Frage bitte schön. Gegenveranstaltungen der NPD-Demonstration am 1. Mai 2014 in Rostock? Michael Andrejewski, NPD: Ach so, das war als Vor- bemerkung gedacht, aber ich lese es gern ganz vor. Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter, im Zusam- Gut. menhang mit der Gegenveranstaltung der NPD-Demons- tration am 1. Mai 2014 in Rostock wurden bis zum 11. Seit Juni 2013 werden an Adressaten im gesam- 01.07.2014, also bis vorgestern, insgesamt 22 Straftaten ten Bundesgebiet gefälschte Gerichtskosten- registriert. 13 Straftaten wurden als extremistisch bewertet, rechnungen versandt. Die Empfänger werden dabei wurden insgesamt 78 Tatverdächtige erfasst. Dabei aufgefordert, die angeblichen Gerichtskosten erfolgt keine Unterscheidung zwischen Extremisten und mittels beigelegter Überweisungsformulare an Nichtextremisten. bulgarische Banken zu transferieren. In den meisten Fällen bezogen sich die Forderungen David Petereit, NPD: Um was für Straftaten handelte es auf Insolvenzverfahren. Die notwendigen Daten sich? verschafften sich die Täter aus den Insolvenz- veröffentlichungen der Gerichte. Betroffen waren Minister Lorenz Caffier: Auch hier gilt – wie bei Ihrem aber auch Handels- und Vereinsregistersachen. vorhergehenden Kollegen – die Auskunft, da wir hierzu im laufenden Ermittlungsverfahren sind, kann ich darüber Inwieweit ist Mecklenburg-Vorpommern bislang keine Auskunft geben. von diesen Betrügereien mit gefälschten Ge- richtskostenrechnungen in Mitleidenschaft ge- David Petereit, NPD: Wenn ich Sie richtig verstehe, soll zogen worden? die Öffentlichkeit also nicht wissen, was für Straftaten begangen worden sind, aber die Straftäter, gegen die Ministerin Uta-Maria Kuder: Inwieweit Mecklenburg- unter Umständen ermittelt worden ist, die wissen ja, was Vorpommern von dem von Ihnen genannten Sachverhalt sie gemacht haben, aber den Rest geht das nichts an, in Mitleidenschaft gezogen worden ist, kann ich nicht solange das Verfahren läuft? Wann erfährt denn dann beurteilen. Mitteilen kann ich nur, dass meinem Haus die … Also Fragezeichen, da war die Frage zu Ende. durch die Gerichte 32 solcher Rechnungen vorgelegt worden sind. Hiervon betraf allerdings nur ein Fall Insol- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist venzverfahren, die übrigen betrafen Handels- und Ver- genauso wie bei Rechtsextremisten.) einsregistersachen. Ausweislich der vorgelegten Rech- nungen sollten die Überweisungen zum Teil an deutsche Minister Lorenz Caffier: Herr Abgeordneter, Sie wissen, und zum Teil an ausländische Banken erfolgen. Ob dar- dass wir als Innenministerium zuständig sind für die poli- über hinaus weitere solche Rechnungen an Empfänger in zeilichen Maßnahmen. Das andere sind Ermittlungstätig- Mecklenburg-Vorpommern versandt wurden, kann ich keiten und dementsprechend nachher Entscheidungen der nicht beurteilen. Mir sind lediglich die Fälle bekannt ge- Staatsanwaltschaft, ob sie verfahren oder nicht verfahren, worden, in denen sich die betroffenen Empfänger an die Amtsgerichte gewandt haben. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber das weiß das Ministerium.) Ergänzend kann ich nur noch hinzufügen, dass eine Einzelrecherche im polizeilichen Vorgangsbearbeitungs- dementsprechend auch die Zuständigkeit der Öffentlich- system nach verschiedenen Stichworten für den Zeit- keit und dementsprechend wird auch verfahren. raum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Juni 2014 insgesamt 16 Anzeigen mit einschlägigem Sachverhalt ergeben hat. David Petereit, NPD: Vielen Dank. Eine gesonderte statistische Erfassung von Betrugsstraf- sachen mit gefälschten Gerichtskostenrechnungen er- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich weise auch noch- folgt auch dort nicht. mals darauf hin, dass laut Geschäftsordnung eine Frage nicht unterteilt werden darf, und nur in sehr weiter Ausle- Michael Andrejewski, NPD: Danke. gung kann man davon ausgehen, dass die letzte Frage nicht unterteilt war. Eine Zusatzfrage: Sind von der Landesregierung in die- sem Zusammenhang irgendwelche Warnaktionen an die Ich rufe auf den Geschäftsbereich der Justizministerin. Öffentlichkeit geplant? Hierzu bitte ich den Abgeordneten Michael Andrejewski, Fraktion der NPD, die Frage 11 zu stellen. Ministerin Uta-Maria Kuder: Darüber werden wir noch entscheiden müssen. Im Moment ist es so, dass die Michael Andrejewski, NPD: Frau Ministerin! Anzeigen eine Zeit zurückliegen.

11. Inwieweit ist Mecklenburg-Vorpommern bislang Michael Andrejewski, NPD: Gut, danke. von diesen Betrügereien mit gefälschten Ge- richtskostenrechnungen in Mitleidenschaft ge- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich rufe auf den Ge- zogen worden? schäftsbereich des Ministers für Wirtschaft, Bau und 10 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Tourismus. Ich bitte jetzt den Abgeordneten Johannes Minister Harry Glawe: Genau, das ist richtig interpre- Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fra- tiert. Man kann erst zu einer Maßnahme greifen, wenn gen 12 und 13 zu stellen. man die Endabrechnung kennt, und dann sozusagen eine komplette Rückforderung, andere Rückforderungen Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gu- oder Maßnahmen einleiten, die noch umzusetzen sind. ten Morgen, Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis- ter! Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank. 12. Ist die Abrechnung aller Fördermittel durch die BauBeCon als ehemaliges Sanierungsträger- Minister Harry Glawe: Bitte. unternehmen der Hansestadt Greifswald ge- genüber dem Land erfolgt und ist die Ver- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Ich rufe auf den Ge- wendungsnachweisprüfung durch das Land schäftsbereich des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt abgeschlossen? und Verbraucherschutz. Ich bitte den Abgeordneten Pro- fessor Dr. Fritz Tack, Fraktion DIE LINKE, die Fragen 14 Minister Harry Glawe: Guten Morgen, Herr Abgeordne- und 15 zu stellen. ter Saalfeld! Die Abrechnung erfolgte noch nicht vollstän- dig und die Verwendungsnachweisprüfung ist noch nicht Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Herr Minister! abgeschlossen. 14. Wie ist der Stand der Erarbeitung der ursprüng- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine lich für das Jahresende 2013 angekündigten Nachfrage: Können Sie uns sagen, welche Jahre denn konkreten Vorschläge für einen Rechtsform- noch offen sind und welche Fördermittelvolumen noch wechsel zur GmbH für das Landgestüt Redefin offen sind? und welche Gründe gibt es für die Verzögerun- gen? Minister Harry Glawe: Also ich kann Ihnen sagen, dass Zwischenverwendungsnachweise bis zum Jahre 2010 Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrter Professor vorliegen für das Ostseeviertel, für Greifswald-Wieck, Tack! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Grundsätzlich Schönwalde I und Schönwalde II. Wenn jetzt Ihre Frage möchte ich feststellen, es gibt keine Verzögerung. Fakt auf das Technische Rathaus hinausgeht, will ich darauf ist, dass wir auch im Agrarausschuss über das Gutach- hinweisen, dass das Technische Rathaus erst jetzt der ten der ECOVIS informiert haben, und basierend darauf Öffentlichkeit übergeben wurde und damit noch bis zum habe ich dem Kabinett die Information zugeleitet. Da- 31.12.2015 Zeit ist abzurechnen. raufhin hat im Übrigen das Kabinett Anfang des Jahres mich beauftragt, bis Mitte des Jahres ein Umsetzungs- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen konzept vorzulegen. Auf dieser Grundlage waren konkre- Dank. te Berechnungen möglich und auch vorgenommen wor- den zu Einsparungen, natürlich mit dem Ziel verbunden, Meine zweite Frage: die Zuschusssituation zu vermindern. Dieses Umset- zungskonzept ist erarbeitet und befindet sich zurzeit in 13. In wie vielen Fällen gibt es Beanstandungen, der Ressortabstimmung. warum gibt es diese und in welcher Höhe wur- den nicht förderfähige Kosten abgerechnet und Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Eine Zusatzfrage: Können erstattet? Sie sagen, in welchem Zeitraum dieser Wechsel der Rechtsform vorgenommen werden könnte? Minister Harry Glawe: Es gibt drei Beanstandungen. Einmal handelt es sich um sozusagen Verzugszinsen, Minister Dr. Till Backhaus: Also diese Frage haben wir die einen Vorteilsausgleich beinhalten. Das wurde mo- natürlich auch innerhalb der Landesregierung und insbe- niert. Es wurde des Weiteren moniert, dass keine frist- sondere mit dem Finanzministerium sehr intensiv disku- gemäßen Einstellungen von Eigenanteilen teilweise im tiert, und ich habe ja angedeutet, dass ich dem Kabinett Haushalt zu verzeichnen waren, und vorhandene Ein- eine weitere Vorlage zuleiten werde. Ich bitte um Ver- nahmen wurden moniert. ständnis, dass wir dieses Konzept, bevor das Kabinett nicht entschieden hat, dann auch hier diskutieren wer- Die Frage nach Abrechnung und Erstellung der Höhe den. Ich bitte um Verständnis, dass ich da keine näheren der nicht förderfähigen Kosten kann im Rahmen der Auskünfte zurzeit geben möchte. Zwischenabrechnung noch nicht komplett ermittelt wer- den, da wir auf die Endabrechnung warten. Aber eine Aussage noch, weil Sie sich ja auch immer wieder um das Kulturgut Redefin gekümmert haben: Ich Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kön- finde es schon bemerkenswert, dass wir allein in den nen Sie uns sagen, wann in etwa die Endabrechnung letzten zwei Monaten – in den letzten zwei Monaten! – zu erwarten ist? über 45.000 Menschen auf diesem Standort als Gäste haben begeistern können. Ich finde das sehr bemer- Minister Harry Glawe: Das werde ich Ihnen schriftlich kenswert. mitteilen, weil wir jetzt intensiv in Gesprächen zwischen LFI und der Stadt Greifswald sind. Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Die zweite Frage:

Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mei- 15. Wie hat sich im Jahre 2013 das wirtschaftliche ne zweite Nachfrage: Das heißt, bisher wurden auch Ergebnis des Landgestütes auf der Basis der noch keine Rückforderungen geltend gemacht, weil die Vergleichsdaten des Jahres 2012 entwickelt und Endabrechnung noch nicht vorliegt? welche Ursachen gibt es für diese Entwicklung? Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 11

Minister Dr. Till Backhaus: Für diese Frage bin ich Zahl gerne noch mal mit auf den Weg geben. Wir haben wirklich sehr dankbar, weil das Ergebnis dieses einmali- in Mecklenburg-Vorpommern 13,1 Prozent der landwirt- gen Denkmals im Betrieb hat sehr zufriedenstellende schaftlichen Nutzfläche im Maisanbau. Das heißt, wir Ergebnisse erzielt, denn der Zuschussbedarf in 2012 und haben, wenn man es so will, was die Anbaustruktur an- 2013 ist mit über 150.000 Euro pro Jahr unter den, wenn betrifft, nicht das Problem im Vergleich zu anderen Bun- man es so will, Zuschussplanungen geblieben. Das desländern. Wir haben – und das ist sachlich und fach- heißt, wir haben den Zuschussbedarf um 300.000 Euro in lich richtig – um die großen Biogasanlagen herum eine den letzten zwei Jahren gemindert. Konzentration des Maisanbaus und da werden wir auch gegebenenfalls im Rahmen der guten fachlichen Praxis Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Eine Zusatzfrage: Können eingreifen, wenn sich das Problem der Monokulturan- Sie eine Einschätzung vornehmen, wie sich das in den bausituation nicht ändert. nächsten zwei Jahren entwickeln wird? Stefan Köster, NPD: Eine Zusatzfrage: Welche Maß- Minister Dr. Till Backhaus: Also ich freue mich jetzt nahmen meinten Sie denn – in einem Artikel der „Schwe- schon, wenn der Agrarausschuss oder all diejenigen, die riner Volkszeitung“ war es, glaube ich, wo geschrieben an dem Gestüt Redefin, dem Landgestüt Interessierten stand sinngemäß, dass Sie nötigenfalls den Anbau ver- nach Redefin kommen. Sie sehen, dass der BBL im bieten werden –, wenn die Bauern selbst nicht handeln Übrigen dort eine aus meiner Sicht hervorragende Arbeit würden? leistet. Es sind alle Projekte, die wir angestrebt haben und auch in der Konzeption vorgesehen haben zur Sa- Minister Dr. Till Backhaus: Frau Präsidentin, wenn ich nierung, im Bau. Das heißt in der Konsequenz, wir gehen antworten darf: Wir haben ja den ELER gerade be- davon aus, dass der BBL nach dem Zeitplan, den wir schlossen und darin eingebettet sind die Agrarumwelt- vorgegeben haben, bis Ende 2015 die Sanierungen ab- maßnahmen. Da werden wir den Landwirten die Mög- schließen wird. lichkeit anbieten – auf freiwilliger Basis –, dass man in eine breitere Fruchtfolge einsteigt. Sollte sich herausstel- Ich gehe auch davon aus, dass mit der vollständigen len, dass wir im Lande damit keinen Erfolg haben und Sanierung dieser einzigartigen klassizistischen Anlage, Mais nach Mais, nach Mais, nach Mais angebaut wird, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, diese in entspricht das aus meiner Sicht nicht der guten fachli- Betrieb sein wird und sich damit im Übrigen auch die chen Praxis und dann werden wir auch innerhalb der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben und somit die Koalition, ähnlich wie beim Grünlanderhaltungsgesetz, Zuschusssituation in einem anderen Licht darstellen wird. darüber reden müssen, ob wir die gute fachliche Praxis Ich will da keine Prognosen endgültig abgeben, weil wir anpassen, um damit, wenn man so will, Veränderungen die Investitionen erst abschließen müssen, aber ich gehe herbeizuführen auf gesetzlicher Basis. davon aus, dass der Zeitplan steht. Und wenn Sie nach Redefin kommen, werden Sie erfreut sein über das, was Stefan Köster, NPD: Eine Zusatzfrage noch: Ist die sich da zurzeit bewegt. Im Übrigen partizipieren die klei- Änderung der Förderpraxis, so nenne ich es mal, schon nen und mittelständischen Unternehmen aus der Region beschlossen, oder muss das erst im Kabinett noch be- ausdrücklich von den Investitionen. sprochen und dann beschlossen werden?

Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Danke. Minister Dr. Till Backhaus: Also die Grundsätze des ELER sind beschlossen. Wir erarbeiten jetzt die Richtli- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Sehr geehrte Damen nien. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass der Ge- und Herren, ich weise noch mal darauf hin, und es hat samtplan in Brüssel genehmigt wird, aber die Konsultati- sich ja eben auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns onen haben dazu stattgefunden. Ich gehe davon aus, alle an Paragraf 65 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung dass wir das bestätigt bekommen. halten. Und selbst wenn es sinnverwandte Wörter sind, die verwendet werden, ist doch darauf zu achten, dass Stefan Köster, NPD: Gut, danke schön. der Wortlaut der Drucksache hier als Frage so wiederge- geben wird. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Pastörs. Bitte, Herr Pastörs. Ich rufe nun auf den Abgeordneten Stefan Köster, Frakti- on der NPD, und bitte ihn, die Frage 16 zu stellen. Udo Pastörs, NPD: Danke schön.

Stefan Köster, NPD: Herr Minister! Guten Morgen, Herr Minister! Ist es auch im Rahmen des ELER möglich, durch Streichung von Geldern die Land- 16. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die wirte dazu zu bewegen, die Fruchtfolge einzuhalten? Landesregierung gegen die drohende Vermai- Oder, anders gesprochen, welche Disziplinarmaßnah- sung, vor allem im Westen des Landes, vorge- men stehen denn zur Verfügung, hier zu einer vernünfti- hen? gen fachlichen Praxis zurückzukehren?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Minister Dr. Till Backhaus: Also im Rahmen des Gree- Bei der NPD, oder was? – nings, das Ergrünen der Landwirtschaft, sind die Land- Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) wirte gezwungen, eine Fruchtfolge einzuhalten. Insofern haben wir gewisse Eingriffsmöglichkeiten. Das ist der Minister Dr. Till Backhaus: Also dieses Grundproblem eine Punkt. Der zweite Punkt ist, dass wir versuchen der öffentlichen Diskussion der Vermaisung haben wir in wollen, erst mal auf freiwilliger Basis über die Agrarum- Mecklenburg-Vorpommern in der Form, wie es in ande- weltprogramme den Landwirten zu helfen, in eine ande- ren Bundesländern sich darstellt, nicht. Wir haben an re, eine breitere Fruchtfolge einzusteigen. Und wenn sie einzelnen Standorten ein Problem, aber ich will Ihnen die das nicht machen, werden wir – das habe ich eben schon 12 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 angedeutet – auch darüber nachdenken müssen, ob wir (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, gegebenenfalls die gute fachliche Praxis dann ändern DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) müssen mit dem Ziel, dass Monokulturen insgesamt untersagt werden. Bevor ich zu meiner Berichterstattung komme, gestatten Sie mir noch folgenden Hinweis: Ich hatte, wie Sie wis- Udo Pastörs, NPD: Noch eine Zusatzfrage: Auf welcher sen, in der letzten Landtagssitzung ausführlich über die Kontrollbasis stellen Sie fest, dass die Fruchtfolge nicht Tätigkeit des Petitionsausschusses berichtet und die eingehalten worden ist oder eingehalten wird? letzte Sammelmeldung haben Sie im April erhalten. Ich wollte mich bei den Fakten und Zahlen sehr kurz fassen, Minister Dr. Till Backhaus: Also wir können heute in um dann auf eine Petition einzugehen, die vielleicht Ver- jeden Landwirtschaftsbetrieb hineinschauen, im Übrigen anlassung gibt, dass die demokratischen Fraktionen des von oben als auch von unten, hätte ich bald gesagt, ohne Landtages aufgrund der Komplexität und der schwierigen dass ich das jetzt lax meine. Das heißt, über das System Rechtslage, die es zukünftig noch mehr geben wird, der Cross-Compliance-Kontrollen und -Überwachungen darüber nachdenken, wie wir unsere effektive Arbeits- können wir sehr genau abschätzen, ob und inwieweit die weise im Petitionsausschuss verbessern könnten oder Bedingungen, die wir ein Stückchen vorgeben, eingehal- auch sollten. ten werden. Begonnen haben wir eigentlich im Ausschuss, darüber zu Udo Pastörs, NPD: Danke schön. reden. Mittlerweile habe ich viele Kenntnisse aus ande- ren Ausschüssen der Bundesrepublik und darüber hinaus Vizepräsidentin Beate Schlupp: Danke, Herr Minister. und es lohnt sich in der Tat. Dieses Beispiel sollte dazu dienen zu sagen, wie schwer es ist als Petitionsaus- Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde. schuss, wo unsere Verantwortung liegt und wo unsere Grenzen liegen und dass er noch lange nicht den Belan- Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion gen der Bürger in jedem Einzelfall gerecht wird. Das war DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksa- meine Vorbemerkung. che 6/3128 zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Zu- sammenhang mit der JVA Waldeck“ vorgelegt. Wenn der Leider habe ich hier einen Fehler begangen und habe Antrag noch nicht verteilt ist, wird das kurzfristig erfolgen. nur zehn Minuten zur Einbringung angemeldet, damit werde ich nicht auskommen. Deshalb gestatten Sie mir, (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist verteilt.) jetzt zunächst zu den wesentlichen Fakten zu sprechen und später noch mal als Mitglied des Ausschusses zu Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung dem Beispiel zurückzukehren. Vielen Dank. erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb der Fraktionen und zwischen Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 16 aufru- vorliegenden Drucksache 6/3085 empfiehlt Ihnen der fen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dring- Petitionsausschuss, 94 Petitionen abzuschließen, nach- lichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dem der Petitionsausschuss diese Petitionen ausführlich dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu beraten hat. Zu 18 Petitionen empfiehlt Ihnen der Petiti- keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. onsausschuss, von einer Sachbehandlung abzusehen, weil wir auf diese Petitionen keinen Einfluss haben und Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 15: Be- weil auch die Petenten ihren Beschwerdegegenstand schlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschus- nicht nennen. Da wissen Sie, dass wir die Petenten noch ses gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung einmal darauf hinweisen, dass wir ihre Petition gerne von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger bearbeiten wollen, aber sie sind dann immer – diese 18 sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Meck- zumindest – so allgemein, dass wir diese Petition nicht lenburg-Vorpommern, Drucksache 6/3085. zu Ende bringen können. Ein Sachverhalt richtet sich auch gegen die bundesdeutsche Gesetzgebung, sodass Beschlussempfehlung und Bericht wir veranlasst waren, diese Petition an den Deutschen des Petitionsausschusses (1. Ausschuss) Bundestag zu übergeben. gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten Zu weiteren 75 Petitionen legt Ihnen der Petitionsaus- und Beschwerden der Bürger sowie schuss mit der in der Beschlussfassung enthaltenen über den Bürgerbeauftragten des Landes Sammelübersicht eine Sachentscheidung vor und bittet Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und um Ihre Zustimmung. Insgesamt konnten 9 Petitionen im Bürgerbeauftragtengesetz – PetBüG M-V) Interesse, also in Gänze, des/der Petenten/-in erfüllt – Drucksache 6/3085 – werden. Das freut uns natürlich als Ausschussmitglieder sehr und natürlich ist das auch im Interesse der Bürger, Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des die sich ebenfalls darüber sehr freuen. Petitionsausschusses Herr Dachner. Wie gesagt, es gibt eine Vielzahl weiterer komplizierter Manfred Dachner, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Sachverhalte. Auf einen gehe ich später ein, den ande- und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie zunächst einmal ren wird Frau Friemann-Jennert – hat sie mir gesagt – die herzlichsten Geburtstagsgrüße an Frau Schmidt. Sie nachher vortragen. Deshalb will ich den nicht vorweg sitzt hier am Protokolltisch und ich denke, als Vorsitzen- nennen. der des Petitionsausschusses darf ich das vielleicht tun, ich bin mir gar nicht so sicher. Ich wünsche Ihnen alles Ich gehe davon aus, meine Damen und Herren, dass Sie Gute, Gesundheit und ich danke Ihnen für Ihre fleißige die Beschlussempfehlung und den dazugehörigen Be- Arbeit. richt gelesen haben. Sie kennen also die Sachverhalte Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 13 und ich darf auch darauf verweisen, dass Ihnen die Emp- Diese Ausschusssitzung hatte aber nicht nur die Anhö- fehlung des Petitionsausschusses vorliegt, und bitte Sie rungen zu den zwei Themen zum Inhalt, wir beschäftig- deshalb um Zustimmung zu unserem vorgelegten Be- ten uns ebenfalls mit der Fortentwicklung des Petitions- richt. – Vielen Dank zu dem Teil Nummer eins. wesens. Das ist aus unserer Sicht richtig und wichtig. Es geht hauptsächlich um zwei Punkte. Das sind zum einen (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD öffentliche Ausschusssitzungen des Petitionsausschus- und Wolfgang Waldmüller, CDU) ses. Das wird in den einzelnen Fraktionen sehr unter- schiedlich bewertet, ob wir öffentliche Ausschusssitzun- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde gen durchführen und, wenn ja, in welcher Art und Weise. eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten Ich weiß immer nicht, wovor man sich scheut, wenn die vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann Ausschusssitzungen öffentlich wären. Wir könnten unse- ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. ren Beitrag zur Transparenz und zum besseren Ver- ständnis bei den Petenten, aber auch bei der Bevölke- Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordne- rung beisteuern. te Frau Bernhardt. Gerade in der vorletzten Ausschusssitzung, als wir den Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Petenten zur Beratung mit den Regierungsvertretern Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren geladen hatten – was sehr selten im Petitionsausschuss Kollegen! Uns liegt heute der Bericht des Petitionsaus- vorkommt, dass die Petenten an den Ausschusssitzun- schusses für den Berichtszeitraum März/April 2014 vor. gen teilnehmen –, gerade in dieser Ausschusssitzung Wie Sie dem Bericht entnehmen können, haben wir in konnte sich der Petent nochmals äußern und den Regie- diesem Zeitraum insgesamt 97 Petitionen behandelt. Im rungsvertretern seine Bedenken konkret vorhalten. Ich Vordergrund standen Themen zur beruflichen Bildung, zu finde, dass sich der Petent ernst genommen fühlte, aber Energiefragen und Petitionen den Strafvollzug betreffend. sein Vortrag bereicherte auch unser Wissen.

Wie Sie dem Bericht ebenfalls entnehmen können, fan- (Detlef Lindner, CDU: Ihr Wissen.) den in diesem Zeitraum vier Beratungen vor Ort statt. So viele Beratungen vor Ort innerhalb von vier Wochen Natürlich wird nun nicht jeder Petent nach Schwerin kommen im Petitionsausschuss nicht so häufig vor. Ich kommen, um an den Ausschusssitzungen teilzunehmen, möchte kurz erklären, warum. Grund dafür war, dass wir aber ich denke, der erste Schritt, den Petenten zu der am 20. März 2014 eine auswärtige Ausschusssitzung in Anhörung von Regierungsvertretern zu laden, ist ein Neubrandenburg durchgeführt haben. In dieser Aus- guter Schritt und wir sollten uns in Zukunft mehrheitlich schusssitzung haben wir Anhörungen zu den Themen dazu entscheiden, in diese Praxis überzugehen. „Besteuerung von im Ausland lebenden Rentnerinnen und Rentnern“ zum einen und zum anderen „Elektrische Aber wir sollten weiter darüber nachdenken, wie der Strahlungen, die von Mobilfunkmasten ausgehen“ durch- Petitionsausschuss auch in der Fläche wahrgenommen geführt. werden kann. So haben wir uns im Petitionsausschuss dazu verständigt, zweimal im Jahr außerhalb des Gerade das Thema „Besteuerung von im Ausland leben- Schlosses in Schwerin zu tagen. Das führt meines Er- den Rentnerinnen und Rentnern“ beschäftigt uns im achtens zu einem größeren Bekanntheitsgrad des Petiti- Petitionsausschuss immer wieder. Seit 2009 ist das Fi- onsausschusses und vielleicht können wir so noch mehr nanzamt Neubrandenburg bundesweit dafür zuständig, Menschen das Petitionswesen und somit ihre Rechte die Steuern von im Ausland lebenden Rentnern einzu- näherbringen. Wir sollten trotz dieser Möglichkeiten viel- treiben. Aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils leicht im Austausch mit anderen Bundesländern überle- aus dem Jahr 2005, wo festgestellt wurde, dass auch die gen, wie wir die Öffentlichkeit für die Petitionen noch im Ausland ansässigen Bezieher einer Rente einer deut- mehr zugänglich machen können, ebenso, wie wir das schen Rentenversicherung zur Abgabe einer Steuerer- Thema „Öffentliche Petitionen“ weiter diskutieren sollten. klärung verpflichtet werden, wurde seit dem Jahr 2010 Lassen Sie uns weiter daran arbeiten! – Ich danke für mit den Massenbesteuerungsverfahren begonnen. Ihre Aufmerksamkeit.

Wenn die Betroffenen im Ausland leben, wissen sie oft- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE mals nicht Bescheid und wundern sich über Steuerbe- und Dr. Ursula Karlowski, scheide, die mehrere Jahre zurückliegen. So in einem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fall, in dem die Steuern aus den Jahren 2005 und 2006 eingefordert wurden. Meines Erachtens ist es nachvoll- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für ziehbar, dass in diesen Fällen, wo der Besteuerungs- die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Friemann- zeitraum mehrere Jahre zurückliegt, aus Kulanzgründen Jennert. auf die Säumniszuschläge und Verzugszinsen verzich- tet wurde. Künftig soll dies ausgeschlossen sein. Aber Maika Friemann-Jennert, CDU: Sehr geehrte Frau wenn ich dann mitbekomme, dass bis zum Jahr 2016 Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! angedacht ist, die rückwirkende Besteuerung aus den Zu den eingereichten Petitionen haben meine beiden Jahren 2011 und 2012 durchzuführen, so muss darüber Vorredner bereits einiges erzählt, deshalb will ich mich nachgedacht werden, auch in diesen Fällen, wo lange auf ein Themengebiet beschränken. Die Steueraffären Zeiträume zwischen Besteuerungszeiträumen und dem um Uli Hoeneß und Alice Schwarzer waren die prägen- Bescheidwissen liegen, die Kulanzregelung weiter gelten den Schlagzeilen, wenn es in den letzten Monaten um zu lassen beziehungsweise, wie man die im Ausland das Steuerrecht und die Arbeit der Finanzämter ging. ansässigen Rentnerinnen und Rentner über die Steuer- Von den Medien fast unbemerkt geblieben ist ein ande- pflicht aufklärt, damit sie sich dann nicht auf einmal über rer Bereich der Steuergerechtigkeit. Während die in den Steuerbescheid wundern. Deutschland lebenden Rentner zur Einkommenssteuer 14 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 herangezogen werden, musste erst ein erheblicher Auf- (Beifall vonseiten wand betrieben werden, dass dies auch für die im Aus- der Fraktionen der SPD und CDU – land lebenden deutschen Rentner gilt. Burkhard Lenz, CDU: Sehr gut. – Harry Glawe, CDU: Rauschender Beifall! – In zahlreichen Petitionen wendete sich gerade diese Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) Personengruppe, also die im Ausland lebenden deut- schen Rentner, gegen die Versteuerung ihrer in Deutsch- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für land erworbenen Renten. Da das Steuerrecht eine ganz die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dachner. spezielle Materie ist, hat der Petitionsausschuss, wie eben schon erwähnt, eine auswärtige Sitzung im Finanz- Manfred Dachner, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr amt Neubrandenburg, das bundesweit für die Besteue- verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Nun zum Teil rung der im Ausland lebenden Rentner zuständig ist, zwei meines Sachverhaltes: Der Petent, der sich an den durchgeführt. Vor Ort wurden wir informiert, dass seit Petitionsausschuss wandte, beschwerte sich über unzu- dem Jahr 2009 rund 1,65 Millionen Steuerbescheide an lässigen Lärm und über Schattenbildung einer Windener- die rund 400.000 im Ausland lebenden steuerpflichtigen gieanlage. Diese Petition hat über 156 Seiten, vieles dop- Rentner verschickt worden sind. Diesen logistisch erheb- pelt beschrieben, hat viele Fakten, Zahlen, Berechnungen lichen Aufwand haben die Mitarbeiter des Finanzamtes und auch Rechtsgutachten, sodass es mir natürlich schwer- Neubrandenburg sehr gut gemeistert, denn erst ab dem fällt, diesen Sachverhalt in 10/15 Minuten darzustellen. Jahr 2005 wurden die gesetzlichen Grundlagen hierfür Aber ich versuche es doch, auch wenn es lückenhaft ist. geschaffen. Um die Tragweite dieser Sachverhaltsbeurteilung über- In der Folge mussten zunächst die notwendige Infra- haupt sichtbar zu machen, ist es, glaube ich, nicht aus- struktur aufgebaut, anschließend die infrage kommen- reichend für uns Abgeordnete und schon gar nicht für den Personen erfasst und diese über ihre Steuerpflicht den Petitionsausschuss, sich ausschließlich auf techni- informiert werden. Dies war die größte Hürde, denn sche Gutachten und rechtliche Beurteilungen zu verlas- viele Petenten waren verwundert, dass sie auch im sen. Sicherlich ist es rechtstreu und sicherlich wird man Rentenalter eine Einkommenssteuererklärung abgeben damit auch vor jedem Verwaltungsgericht standhalten müssen. Auch wenn das Finanzamt im Internet in meh- können, aber ob wir in jedem Fall die Interessen des reren Sprachen darüber informierte, war dies vielen Betreffenden ein wenig mildern können, das bezweifle noch unbekannt. Diese Information und die Gesetzes- ich ganz stark. Ich will hier auch niemanden zur Rechts- änderung im Jahr 2005 waren vielen im Ausland untreue anstiften, aber ich verweise darauf, dass wir schlicht entgangen. gemeinsam mit der Verwaltung und dem Ministerium darum kämpfen können, dass wir über die bestehenden Jetzt gilt also gleiches Recht für alle. Wenn wir nun auf Rechtsnormen hinaus vielleicht etwas mehr tun könnten. die konkreten Petitionen zurückkommen, kann ich sagen, Denn die Gesetze werden nicht für jede Lebenslage und dass wir den Petenten helfen konnten. In einem Fall für jeden Sachverhalt geschrieben, das dürfte klar sein. wurde nach unseren Informationen dem Antrag des Pe- Insofern haben Petenten natürlich auch allein schon aus tenten entsprochen. Seine Steuerschuld war zunächst der rechtlichen Beurteilung ihr Nachsehen. fehlerhaft berechnet worden und wurde nach Berücksich- tigung neuer Tatsachen im konkreten Fall auf 0 Euro Außerdem, das betone ich ausdrücklich, ist jedes Gut- reduziert. In einem anderen Fall konnte ebenfalls eine achten auch nur so gut, wie der Gutachter ist, welche einvernehmliche Lösung erzielt und eine positive Ände- technischen Möglichkeiten er zur Verfügung hat oder wie rung der Einkommenssteuerbescheide der Petentin er- hoch und wie gut seine Qualifikationen sind. Damit will reicht werden. ich niemandem zu nahe treten, der jetzt hier und da aus dem Amt genannt wird. Nein, jeder hat sich seine Mühe Meine Damen und Herren, alles in allem kann von einer gegeben, jeder hat sich an die rechtlichen Rahmen und erfolgreichen Arbeit der Finanzbehörde gesprochen wer- Grundlagen gehalten und dennoch wäre der Ausgang den, denn die Zahl der Einsprüche blieb überschaubar. dieser Petition sehr fatal für die Betroffenen gewesen. Wie erwähnt, gab es rund 1,65 Millionen Steuerbeschei- de, aber nur rund 156.000 Einsprüche, von denen bereits Dieser Sachverhalt ist natürlich, das nehme ich mal vor- 100.000 bearbeitet worden sind. Eigentlich dürften keine weg, im Interesse der Petenten geklärt, aber darauf Fehler passieren, doch kann dies bei dieser Menge an komme ich gleich. Auch dieser Sachverhalt stellt sicher, Bescheiden sicherlich der Fall sein. Angesichts dieser dass wir Rechtsgutachten haben, an denen der Petiti- Zahlen hat sich das Finanzamt weitere Unterstützung onsausschuss zunächst nicht vorbeikommt. Aber solange vonseiten des Finanzministeriums erbeten und die Mit- wir als Abgeordnete und besonders im Petitionsaus- glieder des Petitionsausschusses hoffen, dass die Zahl schuss Restzweifel haben, ob diese Ergebnisse nicht der Einsprüche und auch der diesbezüglichen Petitionen richtig sind – die sind sicherlich richtig –, aber ob sie in Zukunft sinken wird. vollständig sind und die Lebenslage des Betroffenen betreffen, das müssen wir stärker als bisher beurteilen Zum Schluss vielleicht noch, meine sehr geehrten Da- und müssen stärker als bisher nach Lösungen suchen. men und Herren: Auf der nach Sachthemen geordneten Liste auf Seite 42 des Berichtes kann man sehr gut se- (Barbara Borchardt, DIE LINKE: hen, was die Bürgerinnen und Bürger aktuell beschäftigt, Jawohl, Herr Dachner!) aber zum Bespiel auch, was gar keine Rolle spielte. Schauen Sie mal drauf! Das ist ein Beispiel, das ich hier nenne. Davon gibt es sicherlich zahlreiche. Meine Damen und Herren, die CDU wird der Beschluss- empfehlung folgen. – Ich danke für Ihre Aufmerksam- Je nach Ausgang einer Petition ist sie eine Stärkung der keit. Demokratie, aber kann natürlich auch Gift für die Demo- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 15 kratie sein. Darüber sollten wir uns klar sein. Dieser Peti- am 20.05.2010 mit, dass die Messungen aus Kapazitäts- tionsfall, den ich noch im Einzelnen schildere, hat zwei gründen im Juni nicht stattfinden können, sondern erst im gewählte Bürgerbeauftragte und den Petitionsausschuss Oktober, die Auswertung erst im März 2011. Ich frage an die Grenzen ihrer Verantwortung gebracht und auch mich, wenn jemand das so lange ertragen muss, ob natürlich an unsere Möglichkeiten. diese Zeitspanne gerecht und annehmbar ist. Nein, ich stelle gar nicht in Abrede, dass es Kapazitätsschwierig- Wir vom Petitionsausschuss waren im Juli 2012 selbst keiten oder witterungsbedingte Schwierigkeiten geben der Meinung, aufgrund der vorliegenden Gutachten kön- kann, aber es gibt wahrscheinlich auch außerhalb der nen wir nicht anders, wir müssen sicherlich mit Hinwei- Landesbehörden renommierte Unternehmen, die die sen, wie wir immer sagen, nach B2 abschließen und dem Aufgabe übernehmen könnten. Aber es war so, wie es Ministerium und dem Petenten mitteilen, wir haben keine war. anderen Möglichkeiten, obwohl die Restzweifel, die wir hatten, nicht ausgeschlossen waren. Aber von Anfang an Es wurde dann auch gemessen und es wurde festge- waren wir uns natürlich auch im Klaren, dass wir etwas stellt, der Petent hat tatsächlich recht, die Lärmbelästi- für diesen Petenten tun müssen, nur die Frage war, was, gung ist zu hoch. Das ist ein gutes Ergebnis, das freut wenn Sie einen Wust an Rechtsgutachten vorliegen uns schon mal, dieses Ergebnis. Die Beschwerde wäre haben. auch berechtigt, aber stillgelegt werden kann die Anlage wegen des Bestandsschutzes natürlich nicht. Es wurde Also war unser fast letztes Mittel, eine Ortsbesichtigung zunächst gesagt, mit dieser einfachen Messung kann durchzuführen. Wenn man sich die Protokolle der Orts- man nicht unterscheiden zwischen Windgeräuschen und besichtigungen ansieht, gab es nicht wesentliche neue normalen Geräuschen, die in der Natur vorkommen, die Aspekte. Aber die Überzeugung wurde bei uns gestärkt, von der Straße, von Gesprächen der Nachbarn und von den Petenten mit seinen Problemen nicht alleinzulassen, sich selbst herkommen. Man kann die Geräusche nicht weil vom gesunden Menschenverstand her feststand, hören. Man weiß also nicht, ist das eine Betriebsstörung diese Anlage erzeugt Lärm, den man den Menschen auf oder ist der Lärm allgemein. Als Laie frage ich mich, was Dauer nicht zumuten darf. Dennoch steht dagegen, ich für eine Messung wir überhaupt durchgeführt haben und sage es mit einem Wort, nämlich die Bestandsgarantie. in welchem Zeitraum. Vielleicht war es aber auch richtig. Das ist das, was wir ja immer beurteilen müssen als Aber ich danke ausdrücklich dem Petenten, der mit hoher Petitionsausschuss. Sachkenntnis, die er sich angeeignet hat während seiner achtjährigen Klage und der vier Jahre langen Beschäfti- Es wird dann geschrieben: „Und dennoch wäre das kein gung, Entschuldigung, zumindest Befassung mit dem Grund für die Stilllegung“, also diese Immissionswert- Petitionsausschuss und dem Bürgerbeauftragten. Vier überschreitungen, „weil durch die Messung eine Tren- Jahre! Damit hat er der Demokratie einen großen Dienst nung des Betriebslärms von der Energieanlage“, die ja erwiesen. Er hat dem Betreiber und auch dem staatlichen ausgeht mit anderen Windgeräuschen und so weiter, Handeln tatsächlich Grenzen aufgezeigt und wir haben „nicht getrennt werden kann. Dennoch darf eine Geneh- daraus sicherlich einiges lernen können. migung“ – das darf ich hier noch einmal betonen –, schreibt das Amt, „wegen Überschreitung der Immissi- Einige Details zum Sachverhalt: Der Petent wohnt in onswerte nicht versagt werden, wenn die Anlage neben einer wunderschönen Gegend, herrlich am See gelegen. Geräuschen wegen ständig vorherrschender Fremdge- Das Grundstück befindet sich seit 1952 im Besitz der räusche keine zusätzlichen schädlichen Umwelteinwir- Familie, 1978 hat er das als ganzjähriges Erholungs- und kungen verursacht.“ Das heißt also, es dürfen keine ton- Ferienobjekt ausgebaut und später als Alterssitz. 1992 – und informationshaltigen Impulse von der Anlage ausge- ohne den Petenten zu hören oder seine Belange anzuhö- hen. Aber das hat der Petent ja immer beklagt, dass es ren – stellte man ihm 80 Meter vor sein Schlafzimmer die gibt. Er hat es ständig, das heißt regelmäßig – nicht eine Windenergieanlage. Von Anfang an monierte er rund um die Uhr –, regelmäßig festgestellt, dass die diesen Lärm, der ihn natürlich störte. Anlage klopft, pfeift und klappert und dass sich sein Ge- sundheitszustand und der seiner Frau in den Jahren Der Landkreis Vorpommern-Rügen sagt, 1992 gab es erheblich verschlechtert hat. noch keine Gebietseinteilung, sondern wir haben dieses Gebiet als dörfliches Mischgebiet eingeteilt und das Inzwischen hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet. Da hat heißt, nachts darf ein Immissionsschutzwert von 45 Dezi- der Petitionsausschuss das Amt für Umwelt, Natur und bel nicht überschritten werden. Der Petent sagt, das ist Geologie eingeschaltet und auch das sagt eindeutig, die für mich kein dörfliches Mischgebiet, sondern es ist ein bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus. Der Landrat reines Wohngebiet. Es geht da nur eine Straße hin, wir sagte uns dazu im Mai 2011, ja, die Anlage ist fehlerhaft, haben kein Gewerbe und insofern dürfen nachts nur sie ist tonhaltig, hier muss etwas getan werden, und – das 35 Dezibel als Lärmbelästigung angenommen werden. darf ich auch ruhig betonen – der Landrat hat eigentlich Bei Windstärke 2 und 3 werden diese Werte allemal immer zwischen den Zeilen geschrieben, wir müssen mehr überschritten. 100 Meter war damals die Grenze, solche für den Bürger machen, als wir das jetzt rechtlich können. Anlagen aufzustellen. Nun muss man sich nicht über Nur was, hat er uns natürlich erst mal nicht gesagt. 20 Meter streiten, auch die 100 wären wahrscheinlich zu dicht gewesen. Es wurde durch die Ämter zugegeben, Auf jeden Fall wurde 2011 für dieses Amt noch mal ein dass es bei dieser niederländischen Anlage auch Über- Gutachten angefertigt und – das ist das, was der Petent setzungsfehler gab. gefordert hat und natürlich auch aus eigenem Ermessen heraus – dieses Amt, LUNG sagen wir, hat eine Lang- Wie gesagt, acht Jahre lang hat sich der Petent bemüht. zeitmessung angewiesen, eine Dauermessung. Das war 2010 hat er das erste Mal Kontakt mit dem Bürgerbeauf- erst mal schon ein Fortschritt, sicherlich mit Zeitverzöge- tragten, der dann einfache Messungen des Landkreises rung. Dann sollte diese Messung vom 09.11.2011 bis angewiesen hat. Dieser teilte dem Petitionsausschuss zum 29.12.2011 durchgeführt werden, rund um die Uhr. 16 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Nach fünf Tagen war die Messanlage fehlerhaft, sodass Das ist meine letzte Frage: Haben wir nicht gemeinsam diese Messungen auch nur sporadisch stattfanden. zu lange diesem Recht, das ihm auch zusteht – jedem Unternehmer, anders geht es ja nicht –, dem Recht des Dann war es so angelegt, das ist bei diesen Anlagen Bestandsschutzes Genüge getan? Oder hätten wir nicht wohl so, da muss der Petent bei Klopf- und Tonzeichen alle zusammen – Verwaltungen, Ministerien, Petitions- aus seinem Haus gehen und den Anlageknopf drücken. ausschuss, Bürgerbeauftragter und wer auch immer – Das muss er also um halb eins tun, das muss er um halb danach suchen müssen, welche Lösungen es noch gibt? drei tun und das muss er um eins tun, das muss er um halb vier tun und das muss er halb sechs tun. Das hält er Bedauerlicherweise ist unsere Rechtslage in der Bundes- natürlich in seinem Alter nicht lange durch und schon gar republik – natürlich auch richtigerweise – so stabil, dass nicht Weihnachten und Silvester. Insofern kommen wir man nicht alles von heute auf morgen ändern kann. Aber letzten Endes zu der Aussage, dass das nicht durchgän- ich denke, diese Petition beweist – das war ja eigentlich gig gemessen wurde. mein Eingangsstatement gewesen –, dass wir als Petiti- onsausschuss und die demokratischen Fraktionen noch Jetzt weiß ich nicht, wo ich das finde, das mache ich einmal darüber nachdenken müssen, ob die Arbeitsweise dann so aus dem Gedächtnis: Das Amt teilt mit, wir ha- des Petitionsausschusses bei zunehmender Komplexität ben jetzt 200 Stunden gemessen, die können wir nicht und Rechtslage nicht verändert werden muss. auswerten, das umfasst durchgängig einen Monat Ar- beitskraft und das können wir personell nicht leisten. Ich habe mit vielen Petitionsausschüssen und Bürgerbe- Durchaus denkbar, das stelle ich auch gar nicht in Abre- auftragten der Bundesrepublik und im Ausland gespro- de, aber ich stelle infrage, warum wir nicht gemeinsam chen, und wenn ich nur einen Hinweis gebe: Es gibt ja nach anderen Lösungswegen suchen. auch Petitionsausschüsse, die teilweise das Recht wie Untersuchungsausschüsse oder andere Möglichkeiten Als wir vom Petitionsausschuss später noch einmal mit haben. Lassen Sie uns gemeinsam in der nächsten Zeit diesem Amt sprachen, gab es Hinweise, wo wir im Amts- darüber reden! Ich werde heute noch mal mit dem Direk- hilfeverfahren das Amt hätten bitten können, renommier- tor des Landtages, Herrn Tebben, darüber reden, wie wir te Unternehmen zu beauftragen und das alles noch mal organisatorisch vorgehen wollen. Wir brauchen zunächst von vorne zu beginnen. Auf jeden Fall haben das Amt eine Synopse dazu. Wie ist das in der Bundesrepublik und auch der Landrat richtigerweise ein Verwaltungsver- effektiver gestaltet? Wenn wir für unsere Bürger etwas fahren eröffnet und gesagt, innerhalb von einer bestimm- tun wollen, dann sollten uns Gutachten und Rechtsgut- ten Frist sind die Mängel abzustellen. Es wurden mindes- achten nicht an den Rand der Verzweiflung bringen und tens vier Reparaturen durchgeführt, Generatorwechsel den Bürger schon gar nicht. – Vielen Dank. durchgeführt und andere Dinge – das Klopfen, Pfeifen blieb. Keiner wusste genau, woher es kommt und aus (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) welcher Windrichtung es kommt. Das, was der Petent gemeint hat, war auch nicht die Ursache. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordne- Letzten Endes, als wir alle schon fast am Ende und ver- te Frau Gerkan. zweifelt waren, kam 2013 der entscheidende Hinweis, also nach über vier Jahren. Da sagte der Petent, ja, Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte wenn ich es bei starkem Regen und bei Überflutungen Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt beobachte, dann bewegt sich das Fundament sehr be- wieder der jüngste Quartalsbericht des Petitionsaus- drohlich. Er machte dann als Nichtfachmann, obwohl er schusses vor. Aus der Fülle von den bearbeiteten Bür- Diplom-Ingenieur ist, aber nicht für das Fundament, Be- geranliegen möchte ich exemplarisch drei herausgreifen. rechnungen, ob das alles so in Ordnung ist. Daraufhin Vieles ist ja auch bereits benannt worden. hat der Petitionsausschuss gesagt, so, jetzt müsste uns das langsam reichen. Jetzt wollen wir ein renommiertes Einmal die Petition 2013/151. Es geht da um das Jagd- Unternehmen, das sowohl noch mal die Anlage als auch wesen. Eine dort enthaltene Teilproblematik hatte ich das Fundament begutachtet. Gleichzeitig hat der Land- bereits im Rahmen einer Kleinen Anfrage auf Drucksa- kreis richtigerweise von dem niederländischen Betreiber che 6/1735 gegenüber der Landesregierung thematisiert. eine Statik des Fundaments gefordert. Dann sagte der Kurz für alle zum Sachverhalt: Die Petenten begehren Betreiber, nun reicht es mir, die Anlage rechnet sich die Sicherstellung waldökologisch tragbarer Walddichten nicht, wenn Sie mir so viele Auflagen geben und ich so und fordern die Umsetzung einer nationalparkgerechten viele Nachweise bringen muss. Dann rechnet sich die Wildmanagementstrategie im Nationalpark Müritz. Das ist Anlage nicht mehr und ich schalte sie ab. Sie ist auch bei mir um die Ecke. Sie knüpfen damit fachlich an eine wirklich am 07.03.2014 abgeschaltet worden. öffentliche Petition im Internetportal „Change.org“ an. Die dortige Forderung nach einer waldökologisch ungestörten Wissen Sie, die Begründung treibt mich um: Da gibt es Entwicklung der Wälder, insbesondere in den National- Unternehmen und wir sagen, Unternehmer sind ja auch parks unseres Landes, greifen die Petenten auf und entwi- sozial, sozial eingestellt und gegenüber dem Menschen ckeln daraus die folgenden Forderungen an die Landes- verpflichtet. Da stellt man erst mal 80 Meter vor dem regierung: einmal die konsequente Umsetzung der natio- Fenster eine Anlage auf, lässt die 22 Jahre laufen, kann nalparkgerechten Wildmanagementstrategie, zweitens die Fehler nicht beheben und zum Schluss sagt man, sie keine Einwirkungen des Landesjagdverbandes in die Per- rechnet sich nicht – kein einziges Wort darüber, dass sonalpolitik des Landes, drittens die Sicherstellung des diese Menschen erkrankt sind, kein Wort darüber, was waldökologischen Vorrangs des Waldbiotops auch für sie ertragen mussten, keine Entschuldigung, nur rein naturnahe Wildbiotope durch eine Jagdgesetznovelle. betrieblich. Auf Antrag meiner Fraktion hat der Petitionsausschuss (Udo Pastörs, NPD: Das ist Kapitalismus.) eine Anhörung durchgeführt, an der ein Vertreter des Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 17

Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbrau- Petenten fachlich geprüft und entsprechend beschieden cherschutz teilgenommen hat. Die dort getroffenen Aus- werden. Das jedenfalls ist unser Selbstanspruch. In den sagen konnten allerdings nur teilweise befriedigen. Inso- bereits genannten Fällen wurde aus unserer Sicht den fern hat sich meine Fraktion dafür ausgesprochen, das berechtigten Anliegen trotz des Vorliegens guter Argu- Petitionsverfahren vorläufig nicht abzuschließen bezie- mente mehrheitlich leider nicht entsprochen. hungsweise bei Abschluss des Verfahrens den Aus- schuss über das noch laufende Personalverfahren zu Im Falle der Petition 2013/00362, in der vom Petenten informieren. Dies fand bedauerlicherweise keine Mehr- die Kündigung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertra- heit. ges gefordert wurde, schoss aus unserer Sicht der Pe- tent etwas über das Ziel hinaus. Sicher gibt es aus unse- Zweitens möchte ich auf die Petition 2013/00224 einge- rer Sicht Nachbesserungsbedarf beim 15. Rundfunkän- hen. Auch in diesem Fall kam die Anhörung im Aus- derungsstaatsvertrag. Dem kann und sollte im Rahmen schuss auf Initiative der Bündnisgrünen-Fraktion zustan- einer entsprechenden fachlichen Überarbeitung auch de. Die Petentin forderte die Einführung einer landeswei- nachgekommen werden. Die Aufkündigung des Staats- ten Katzenkastrationspflicht. Im Rahmen der Anhörung vertrages hingegen finden wir hier nicht sachdienlich. erläuterte der anwesende Vertreter des Ministeriums für Das haben wir im Ausschuss auch so zu Protokoll gege- Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, dass ben und entsprechend abgestimmt. Ach ja, dieser Antrag sein Haus zwar grundsätzlich erwäge, eine Verordnung fand übrigens eine Mehrheit im Ausschuss. zur Einführung einer Katzenkastrations- und Kennzeich- nungspflicht für Freigängerkatzen zu erlassen, aktuell (Zuruf von Manfred Dachner, SPD) lägen jedoch keine belastbaren Daten zum Katzenbe- stand vor, weshalb detaillierte Überlegungen noch nicht Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. vorgenommen worden seien. (Beifall vonseiten der Fraktion Angesichts der öffentlichen Verlautbarungen des zustän- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) digen Ministers, der bereits Anfang November 2013 eine entsprechende Initiative angekündigt hatte, muss dies Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für fachlich verwundern, zumal es in der Hansestadt Rostock die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Saemann. sozusagen einen fachlichen Vorlauf gibt. Dort hat man sich bereits im Mai vergangenen Jahres darauf verstän- Nils Saemann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! digt, im Rahmen einer zeitlich befristeten Verordnung die Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gemäß Katzenkastrationspflicht zu erproben. der Aufgabenstellung wird auch in diesem Berichtszeit- raum hinreichend auf die Bitten und Beschwerden von Das zögerliche Verhalten der Landesregierung war An- Bürgern, aber auch von Verwaltungsorganen hingewie- lass genug für uns, eine Überweisung der Petition an die sen, die der Petitionsausschuss in sachgemäßer Form Landesregierung und die Fraktionen zu fordern, um so zum Verständnis aller Beteiligten abgearbeitet und ent- dem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Dem wurde nicht schieden hat. Besonders hervorzuheben ist in diesem entsprochen. Die Begründung, mit der die Petition dann Berichtszeitraum eine erhöhte Häufigkeit der Anwesen- wieder mit der Stimmenmehrheit von CDU und SPD heit von Regierungsvertretern, Angehörigen der kommu- abgeschlossen wurde, lautete sinngemäß, die Landesre- nalen Verwaltung, aber dass auch Petenten in den ge- gierung sei ja dabei, das Thema zu bearbeiten. Na dann! planten Petitionsausschusssitzungen vorstellig waren. Wir meinen, dass berechtigte Anliegen und Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern es doch verdient haben, So beschwerte sich eine Petentin über das Vorgehen etwas ernster genommen zu werden. eines Jugendamtsmitarbeiters bezüglich einer Zuordnung des Sorgerechts für Kinder in Übertragung auf den Kin- (Beifall vonseiten der Fraktion desvater. Das Petitionsverfahren wurde abgeschlossen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) da das Oberlandesgericht nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage anordnete, das Sorgerecht für die Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir Bündnisgrü- Kinder dem Kindesvater allein zu übertragen. ne betrachten den Petitionsausschuss als ein Instrument bürgerschaftlicher Partizipation. Das betone ich hier nicht In diesem Fall ist es dem Landtag verwehrt, im Hinblick zum ersten und gewiss auch nicht zum letzten Mal. Das auf die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Gerich- Petitionsrecht ist ein fester Bestandteil der europäischen te und diesbezüglich getroffene Anordnungen vorgangs- Rechtskultur. Entsprechend sollte es genutzt und unserer bezogene Entscheidungen zu prüfen oder diese sogar Meinung nach auch weiterentwickelt werden. Keine Sor- aufzuheben. Das Jugendamt ist verpflichtet, den Ge- ge, ich werde Ihnen an dieser Stelle sicher keinen Vor- richtsbeschluss entsprechend umzusetzen. Der Landtag trag zur Notwendigkeit der öffentlichen Petitionen halten. kam zu der Auffassung, dass das Jugendamt korrekt gehandelt hat und nach umfänglicher Fallbearbeitung (Michael Andrejewski, NPD: das Kindeswohl stets im Mittelpunkt stand. Na, Gott sei Dank!) In einer Petition, wo der Ausbildung Jugendlicher, die Unsere guten Argumente – dafür haben wir bereits mehr- zum Blockunterricht in weiter entfernte Orte fahren müs- fach gesorgt – haben wir mehrfach entsprechend vorge- sen, finanzielle Hilfe verwehrt wurde, konnte dem ent- tragen. sprochen werden. Seit dem 01.01.2013 gilt in Mecklen- burg-Vorpommern die Richtlinie zur Gewährung von Nein, worum es mir an dieser Stelle geht, ist ein grund- Zuschüssen des Landes Mecklenburg-Vorpommern sätzliches Plädoyer für den verantwortungsvollen Um- gang mit Petitionen. Ich verstehe unsere Arbeit im (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da hat der Ausschuss so, dass die Anliegen der Petentinnen und Petitionsausschuss auch heftig gestritten.) 18 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 für Berufsschülerinnen und Berufsschüler bei notwendi- onsausschusses recht herzlich bedanken und mich ger auswärtiger Unterkunft. In Anbetracht dessen können nochmals für die Aufmerksamkeit, die Sie mir bei meiner Berufsschüler, die während des Blockunterrichts am Berichterstattung entgegengebracht haben, bedanken. Beschulungsort untergebracht werden müssen, finanziel- Ich möchte, dass der Beschlussempfehlung von Ihnen le Unterstützungen erhalten. zugestimmt wird. – Danke schön.

Eine weiterhin nicht abnehmende Häufigkeit an Be- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) schwerden und Eingaben ist nach wie vor die allgemeine Festlegung und die bereits in Gesetzen eingebundene Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- Rundfunkbeitragserhebung. Meine Kollegin, Frau Ger- gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. kan, hatte schon vorher ausführlich darüber berichtet, aber ich möchte es noch mal ganz kurz ergänzen: Eine Wir kommen zur Abstimmung. Vielzahl von Petenten beschwerte sich gegen diese von der Bundesregierung festgelegte gesetzliche Regelung Der Petitionsausschuss empfiehlt, die in der Sammelüber- und fordert eine konstruktive Überarbeitung. Der Petiti- sicht aufgeführten Petitionen entsprechend den Empfeh- onsausschuss beschloss, die Petitionen als Material der lungen des Petitionsausschusses abzuschließen. Wer Landesregierung zu überweisen, um zum Beispiel zu dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- erreichen, dass die Landesregierung sie in Verordnungen chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbezieht. ist die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Weiterhin ist es dem Landtag zur Kenntnisnahme zu auf Drucksache 6/3085 mit den Stimmen der Fraktionen geben, weil sich herauskristallisierte, dass es gewisse von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Anregungen für parlamentarische Initiativen gibt. NEN, bei Stimmenthaltung der Fraktion der NPD ange- nommen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bei der erheblich ho- Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischen hen Zahl von Bitten und Beschwerden, welche auch in den Fraktionen besteht Einvernehmen, den Tagesord- diesem Berichtszeitraum tiefgründig vom Petitionsaus- nungspunkt 18 nach dem Tagesordnungspunkt 19 und schuss behandelt und entschieden worden sind, muss den Tagesordnungspunkt 30 nach dem Tagesordnungs- auch darauf hingewiesen werden, dass ein nicht uner- punkt 21 aufzurufen. Ich sehe und höre keinen Wider- heblicher Vorgangsbestand an den Deutschen Bundes- spruch, dann ist das so beschlossen. Ein neuer Zeitplan tag zur Weiterbearbeitung abgegeben wurde. mit den genannten Änderungen wird Ihnen in Kürze verteilt. So begehrte eine Petentin die Pflegestufe II und beschwer- te sich in diesem Zusammenhang über die Vorgehenswei- Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 16: Bera- se des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, tung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Glyphosat- MDK. Der MDK hatte nach ausgiebiger Prüfung des Vor- einsatz beschränken, Drucksache 6/2420, hierzu Be- gangs festgestellt, dass die von der Petentin aufgeführten schlussempfehlung und Bericht des Agrarausschusses, Verrichtungen nicht berücksichtigungsfähig und die von ihr Drucksache 6/3091. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsan- angegebenen Erkrankungen in die Begutachtung einge- trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck- flossen sind. Eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe II sache 6/3118 vor. konnte nicht festgestellt werden. Unter Berücksichtigung einer fachlich korrekten Begutachtung muss dem MDK Antrag der Fraktion DIE LINKE aber bewusst sein, dass hierbei auch Einfühlungsvermö- Glyphosateinsatz beschränken gen und Verständnis für die Situation der Pflegebedürfti- – Drucksache 6/2420 – gen bei der Entscheidungsfindung großes Augenmerk entgegengebracht werden muss. Der Fall der Petentin Beschlussempfehlung und Bericht macht deutlich, dass es hier offenbar noch großen Hand- des Agrarausschusses (6. Ausschuss) lungsbedarf gibt. Nach ausgiebiger Prüfung der Rechtsla- – Drucksache 6/3091 – ge wurden dem MDK keine Verstöße zuerkannt, sodass keine Einwirkungen im Rahmen der Rechtsaufsicht erfor- Änderungsantrag der Fraktion derlich sind. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfolgte somit die Abgabe an den Deutschen Bundestag. – Drucksache 6/3118 –

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Kollegen! Abschließend möchte ich meine Berichterstat- Agrarausschusses Professor Dr. Fritz Tack. tung mit einem weiteren positiven Abschluss seitens des Petitionsausschusses beenden. So wendete sich ein Pe- Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- tent gegen die für ihn nachteilige Änderung der Studien- tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können mir ordnung an der Universität Rostock, sodass der hierzu glauben, dass für einen Abgeordneten der Opposition die ergangene Widerspruch ohne Begründung abgelehnt Freude recht begrenzt ist, wenn er über die Ablehnung wurde. Nach ausgiebiger Prüfung und Rücksprache mit eines Antrages seiner eigenen Fraktion im Plenum be- dem Widerspruchsausschuss der Universität Rostock richten muss. So geht es mir heute in Bezug auf unseren wurde dem Widerspruch des Petenten stattgegeben. Dem Antrag „Glyphosateinsatz beschränken“. Dabei hatten wir Anliegen wurde somit entsprochen. Der Petent darf nach uns im Agrarausschuss alle erdenkliche Mühe gegeben, der für ihn gültigen Fassung der Studienverordnung sein wie der mehr als 16-seitige Bericht über die Beratungen Studium beenden. im Agrarausschuss zeigt, den Sie ja alle studiert haben. Bei dieser Abfassung ist sehr viel Energie darauf ver- Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich für die wandt worden, zu den Kernpunkten des Antrages in bisherige gesamte Zusammenarbeit innerhalb des Petiti- Form der hierzu während der Anhörung getroffenen Aus- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 19 sagen, wie man so zu sagen pflegt, Butter bei die Fische braucherinnen und Verbraucher auf den Höfen in Meck- zu tun. Leider war diese Mühe umsonst. Aus der Vielzahl lenburg-Vorpommern gehabt! Man konnte sich gut infor- guter Anregungen sind letztendlich nur zwei Aufträge an mieren und man hat damit auch erkannt, denke ich – Sie die Landesregierung übriggeblieben. Der Volksmund alle –, dass Mecklenburg-Vorpommern eines der Bun- würde hier sagen: Es kreißte also der Berg und ein desländer ist, die, was die technisch-technologischen Mäuslein ward geboren. Fortschritte anbetrifft, an der Spitze der Bewegung in Europa liegen. Dass es auch anders geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir seinerzeit mit unserer Beschluss- Auf der anderen Seite sind wir uns einig, dass wir die empfehlung auf Drucksache 6/1925 zum Eiweißpflan- Anwendung von Medikamenten – ich sage das mal so –, zenanbau bewiesen, die während der Landtagssitzung von Medikamenten im Pflanzenbau und in der Tierhal- am 29. Mai 2013, also vor gut einem Jahr, angenommen tung unter Kontrolle behalten müssen. Die Verbrauche- worden ist. Damals haben sich alle Antragsteller – auch rinnen und Verbraucher erwarten von uns, dass wir mög- die GRÜNE-Fraktion – in der Neuformulierung der Be- lichst keine Medikamente in der pflanzlichen Produktion schlussempfehlung wiedergefunden. einsetzen. Und da stellt sich automatisch die Frage: Wohin führt das? Führt das dazu, dass Getreide, dass Darauf hatte ich diesmal – leider vergeblich – ebenfalls Lebensmittel, die auf unseren Äckern heranwachsen, gehofft, aber die Hoffnung stirbt ja immer zuletzt. Anhand dann nicht mehr für die menschliche Ernährung oder dieser Erfahrung habe ich versucht, mit der im Bericht auch für die Ernährung unserer Tierbestände geeignet ausgewiesenen Abstimmungsvariante A – Ersatz des sind? Ich bitte Sie, das immer wieder mit zu beachten. Ursprungsantrages durch die auf Antrag der Fraktion DIE LINKE ergänzte Vorlage der Koalitionsfraktionen – eine Deswegen muss es darum gehen, einen sachlichen Brücke zu bauen. Diese Brücke wurde leider nicht ge- Dialog zu führen und letzten Endes damit den Landwir- nutzt. Spekulationen über die Ablehnung will ich jetzt hier ten, aber auch denjenigen, die sich mit dem Thema nicht vornehmen. ernsthaft auseinandersetzen wollen, mit Sachargumen- ten Hilfestellungen zu geben. Deswegen habe ich es Was letztlich geblieben ist, ist ein umfangreiches, fachlich auch damals als richtig empfunden, dass meine Fraktion fundiertes Material. Auch wenn dieses mit Fachbegriffen die Überweisung dieses Antrages vorgenommen hat. Ich gespickt ist, möchte ich es Interessenten und Fachpoliti- bin dankbar dafür, dass das Fachwissen eingeholt wor- kern sowie den Praktikern gern als Lektüre empfehlen. den ist. Im Übrigen ist dabei ja auch Wissenszuwachs Es zeigt, dass ein parlamentarisches Gremium, welches erfolgt, und darüber freue ich mich. Gerade auch für die Ort der politischen Meinungsbildung und nicht ein agrar- GRÜNEN, glaube ich, ist es sehr, sehr wichtig, dass sie wissenschaftliches Seminar ist, wie Kollege Heinz Müller wahrgenommen haben, dass die Glyphosatdiskussion früher einmal moniert hatte, sich sehr gut alle Informatio- als solche oder der Einsatz von Medikamenten in der nen erschließen kann, die, die nötigen Mehrheiten vo- Landwirtschaft … rausgesetzt, in einen Beschluss einfließen. (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, Meine sehr verehrten Damen und Herren, schweren Her- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zens bitte ich Sie um Zustimmung zu der Beschlussemp- fehlung des Agrarausschusses auf Drucksache 6/3091. Ja, Frau Dr. Karlowski, ich habe das jetzt nicht genau Ich danke abschließend dem Sekretariat des Agraraus- wahrgenommen, was Sie gesagt haben. Aber ich glaube, schusses für die große Mühe und Ihnen, meine sehr die Medikamente in der Landwirtschaft sind ein Teil der verehrten Damen und Herren, danke ich für die Aufmerk- Gesundheitsstrategie und des Gesundheitslandes Meck- samkeit. lenburg-Vorpommern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) (Vincent Kokert, CDU: Das würde auch Frau Dr. Karlowski nicht abstreiten. – Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann Nein, glaube ich auch nicht. Sie ist ja auch sachlich und ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. vernünftig in der Sache. Wenn wir uns sachlich ausei- nandersetzen, dann zählen die Argumente, und ich habe Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Land- zur Kenntnis genommen, dass sie dafür – auch für die wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Back- Argumente – offen ist. haus. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- DIE GRÜNEN: Wollen wir hier über tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Personen oder über Inhalte diskutieren?) dankbar, dass wir diese Debatte vor der anstehenden Getreideernte hier heute behandeln, und, meine sehr Im Übrigen werden auch in der biologisch-dynamischen geehrten Damen und Herren, ich glaube, auch an dieser Landwirtschaft Medikamente in der Pflanzen- und in der Stelle sagen zu dürfen, dass die Landwirtschaft in Meck- Tierproduktion eingesetzt. Ja, das ist so. lenburg-Vorpommern sehr verantwortungsvoll mit den Instrumenten, die ihr zur Verfügung stehen, umgeht. (Vincent Kokert, CDU: Da kann man auch Brennnesselsud nehmen. – Ich will mich auch bei Ihnen allen für die Aktivitäten be- Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) danken, die Sie im Zusammenhang mit dem „Tag des offenen Hofes“ geleistet haben. Wenn man sich überlegt, Es geht immer um die Gesunderhaltung von Pflan- wir haben an einem Tag über 45.000 interessierte Ver- zen und von Tieren im Kreislauf und damit des Men- 20 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 schen. Die Lebensmittel waren noch nie so wertvoll Ich glaube auch, dass es wichtig ist – das ist noch mal wie heute, und zwar für die Allgemeinheit, national und ein entscheidender Hinweis –, dass das Bundesamt international. für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Dezember den Entwurf eines Bewertungsberichtes an Ich wehre mich ausdrücklich dagegen, dass man Pflan- die Europäische Union geschickt hat im Zusammenhang zenschutzmittel oder Medikamente in der pflanzlichen mit der Anwendung von Glyphosat, im Volksmund oder tierischen Produktion verteufelt. Das Gleiche müss- Roundup. Der Bericht kommt zu der Erkenntnis – ich te man dann im Übrigen auch in der Humanmedizin vor- bitte auch die Öffentlichkeit darum, dass man das wahr- nehmen. Das sparen Sie ja gewiss nicht aus. Selbstver- nimmt, und ich erwarte, dass uns die Medien ein Stück- ständlich ist es immer besser, vorzubeugen anstatt zu chen dabei helfen –, das unabhängige Bundesamt heilen. Und wenn wir uns das ganz in Ruhe und mit kommt zu der Erkenntnis, dass dieser Wirkstoff, nämlich Sachlichkeit anschauen, wenn wir unsere Bestände heu- Glyphosat, die EU-Kriterien erfüllt und dass damit die te in der Landschaft sehen, dann muss die Allgemeinheit Voraussetzungen für eine weitere Genehmigung als auch zur Kenntnis nehmen, dass wir bei Getreide etwa Pflanzenschutzmittelwirkstoff vorliegen. Dem Bericht vier Durchgänge im Bereich des Pflanzenschutzes vor- zufolge gehen von Glyphosat keine Gefahren für die nehmen. Gesundheit der Menschen, der Tiere und der Umwelt aus. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis und bedenken Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es heute ein Se- Sie das auch in den nachfolgenden Beiträgen! gen ist, dass wir das Gesetzbuch für Lebensmittel und Futtermittel haben. Das heißt im Übrigen auch ausdrück- Bedenken bestehen allerdings und die nehme ich sehr lich – für die Öffentlichkeit –, dass Lebensmittel und Fut- ernst. Das hat auch ein Teil der Verbraucherschutzminis- termittel immer einen gleichen Standard haben. Das, was terkonferenz aufgenommen – im Übrigen einstimmig, der unsere Tiere zu sich nehmen, hat Lebensmittelqualität, Beschluss –, dass die Bundesregierung aufgefordert und die Lebensmittel in Deutschland haben den höchsten worden ist, dass wir ein verbessertes Risikomanagement Standard, den wir auf dieser Erde haben. Darauf können zum Schutz der biologischen Vielfalt bei der Anwendung wir stolz sein, und ich glaube, das wird auch von der von Glyphosat benötigen. Da sind wir uns mit den GRÜ- Allgemeinheit so anerkannt. NEN auch in den Ländern einig, ausdrücklich. Die Schlussfolgerung, die sich daraus ergibt, ist ganz klar, (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – dass die Europäische Union am Zuge ist, jetzt zu bewer- Egbert Liskow, CDU: Genau. Sehr gut.) ten und dann gegebenenfalls weitere Entscheidungen zu treffen. Der gestrige Abend hat mir da im Übrigen auch noch mal geholfen. Gib uns unser tägliches Brot, heute! Ist Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Ernäh- das eigentlich für uns alle so selbstverständlich gewor- rung und Landwirtschaft einen umfangreichen Bericht den? Wenn wir uns überlegen, über eine Milliarde Men- zur Prüfung möglicher Anwendungsbeschränkungen schen auf dieser Erde hungern und wir werfen in erstellt. Ich bin meiner Fraktion sehr, sehr dankbar, dass Deutschland, jeder Einzelne – jeder Einzelne! –, jedes man das bereits aufgenommen hat. Da geht es um das Jahr um die 90 Kilogramm Lebensmittel weg. Das ist der Stichwort „Anwendung in Kleingärten oder auch im öf- eigentliche Skandal, meine Damen und Herren! Das ist fentlichen Raum“. Ich persönlich bin der festen Überzeu- nach wie vor leicht ansteigend, aber ich hoffe, dass wir gung, dass solche Mittel in den Kleingärten und auch im mit der Kampagne, die wir im Sinne der Sache entwi- öffentlichen Grün nichts zu suchen haben. ckeln – nämlich von den Kindergärten bis zu den Schu- len, auch in Zusammenarbeit mit dem Bildungsminister (Stefanie Drese, SPD: und den anderen Häusern –, weiterkommen. Das ist auch gut so.)

Im Übrigen, auch das ist mir sehr wichtig, in Mecklen- Das ist ja auch Gegenstand der Stellungnahme. Ich burg-Vorpommern sind im letzten Jahr 4,2 Millionen Ton- glaube, dass man da weiterkommen kann, im Übrigen nen Getreide geerntet worden. Ich bin dankbar, dass der auch in der Landwirtschaft, sage ich an die Adresse von Ministerpräsident ja gerade auch auf Reisen war und sich uns allen. mit den Landwirten getroffen hat. Meine Damen und Herren, 75 Prozent von den 4,2 Millionen Tonnen, das Ich hoffe, dass wir gute Witterungsbedingungen bekom- heißt, rund 80 Prozent davon sind Brotgetreide in men bei der Ernte und dass das, was gewachsen ist, höchster Qualität – kein Nachweis von Pflanzenschutz- auch gut reifen kann. Ich wünsche mir sehr, dass wir eine mitteln, kein Nachweis von überhöhtem Nitrat oder gute Ernte bekommen und dass eine Sikkation, also das sonstigen Eigenschaften, die Sie zum Teil bemängeln. Spritzen zum Abtöten von Durchwuchs oder letzten En- Die Leistung der Landwirtschaft ist damit ausdrücklich des auch zur guten Ernteentwicklung, nicht notwendig zu würdigen. Dies ist genauso wichtig wie Veränderun- wird. Aber eins muss klar sein: Bei feuchter Witterung gen in der Produktionsweise, die auch mit unserem oder auch bei Durchwuchs – diejenigen, die mit der Agrarumweltprogramm zu fördern sind. Landwirtschaft zu tun haben, die wissen das – kann es gegebenenfalls notwendig sein – Professor Tack hat ja Ich bitte Sie sehr herzlich, schauen Sie sich auch das darauf hingewiesen –, dass wir Anwendungsmöglichkei- neue Programm an, bei allen Diskussionen, die wir in ten eröffnen müssen. den vergangenen Wochen und Monaten geführt haben! Ich glaube, wir haben eines der richtungsweisendsten Im Übrigen führt ein striktes Verbot immer dazu, dass Programme, die es in Deutschland gibt. Davon bin ich wir zu Entwicklungen kommen, die wir alle nicht wollen, felsenfest überzeugt. Und ich bin auch ausdrücklich den dass dann nämlich aus dem Ausland andere Mittel be- Umweltverbänden dankbar für das, was wir in der ge- schafft werden, die ein viel größeres Risiko darstellen. meinsamen Zusammenarbeit jetzt entwickelt haben, im Das ist ausdrücklich auch durch das BMU, durch das Übrigen gemeinsam mit dem Bauernverband. Bundesumweltministerium, bestätigt worden, und ich Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 21 glaube, dass das richtig ist. Ich glaube auch, dass es möchte ich jetzt auch noch die Meinung unserer Fraktion notwendig ist, mehr Aufklärung zu betreiben, sowohl im zum Thema Glyphosateinsatz zu Gehör bringen. Berufsstand als auch in den anderen Bereichen. Das heißt für mich ganz klar: Wer rechtswidrig Pflanzen- (Egbert Liskow, CDU: schutzmittel einsetzt, der muss auch mit den Konse- Das muss nicht sein.) quenzen rechnen! Da brauchen wir mehr Aufklärung und wir brauchen auch die rechtliche Verfolgung, wenn so Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Herbizid. etwas stattfindet. 5.000 Tonnen, wenn wir nur mal auf Deutschland gu- cken, werden jedes Jahr in Deutschland ausgebracht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, insofern glaube Und das ist kein Medikament! Das ist ein Totalherbizid, ich, dass wir heute hier einen richtungsweisenden Be- was alle Pflanzen tötet, mit denen es allein nur in Be- schluss fassen können, dass Nichtlandwirte und die, die rührung kommt, und zwar geht das ruck, zuck, nicht autorisiert sind, diese Mittel nicht anwenden sollen. Und daran müssen wir weiterarbeiten. Ich gehe davon (Zuruf aus dem Plenum: aus, dass dieses auch in Umsetzung der Verbraucher- Nein, das stimmt nicht.) schutzministerkonferenz, die ich in diesem Jahr zu leiten habe, über die Landesgrenzen von Mecklenburg-Vor- die sterben dann in kürzester Zeit ab. pommern hinaus umgesetzt wird. Ich bin mir sicher, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Der verantwortungs- (Dr. Till Backhaus, SPD: Ich habe allgemein volle Umgang mit der Umwelt zugunsten der nachfolgen- von Pflanzenschutzmitteln gesprochen.) den Generationen ist die entscheidende Grundlage für zukünftiges Wirtschaften. Wer sich dieser Verantwortung Und wenn wir uns dieses Mittel anschauen, Glyphosat stellt, der ist in diesem Land zu Hause. – Herzlichen darf überhaupt nicht mehr als Pflanzenschutzmittel be- Dank. zeichnet werden, denn die Pflanzen werden nicht ge- schützt, die werden komplett, und zwar ruck, zuck, (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) schnell getötet.

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für (Dr. Till Backhaus, SPD: die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Schütt. Das stimmt so nicht.)

Heino Schütt, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- Das ist wirklich grotesk, hier mit Medikamenten und ten Damen und Herren! Ich habe dem, was der Minister Schutzmitteln zu argumentieren, meine Damen und eben ausgeführt hat, nichts hinzuzufügen, … Herren.

(Egbert Liskow, CDU: Oi!) (Dr. Till Backhaus, SPD: Weil Sie kein Argument dagegen haben.) Es gelingt uns nicht immer sofort und so schnell, nicht? Kommen wir zu den Fakten zurück: Wenn wir auf die (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Summe aller Herbizide schauen, sind das zu 30 bis Aber er ist auch ein guter 40 Prozent glyphosathaltige Produkte, mit steigender Minister, ne?) Tendenz. Das Problem sind nun nicht die 5.000-Tonnen- Zahl oder die 30 bis 40 Prozent, es ist nicht die Ausbrin- … deshalb stimmen wir der Beschlussempfehlung zu. – gungsmenge allein, dass immer mehr Glyphosat in unse- Herzlichen Dank. rem Brot, in Getreideprodukten, im Mehl zu finden ist und dann auch in unseren Organismus gelangt. Das Problem (Heiterkeit und Beifall vonseiten ist die Zweckentfremdung dieses Totalherbizides, denn der Fraktionen der SPD und CDU) es wird zweckentfremdet, um Arbeitsabläufe zu vereinfa- chen und nicht, um diesen „Ruck-zuck-alle-Kräuter- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für sterben-Effekt“ zu bekämpfen. Es wird nicht eingesetzt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordne- oder es wird viel zu viel eingesetzt, um die Sikkation zu te Frau Dr. Karlowski. erreichen. Es ist eben nicht nur, um Beikräuter zu be- kämpfen, im Einsatz. (Dr. Till Backhaus, SPD: Frau Karlowski, wenn Sie das jetzt Die sogenannte Sikkation wird zu einem immer größer auch noch so machen könnten! – werdenden Problem. Sikkation heißt, unmittelbar vor der allgemeine Heiterkeit) Ernte – also bevor das Korn dann in die Weiterverarbei- tung kommt – wird noch mal das ganze Feld mit diesem Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr Totalherbizid gespritzt, damit sie absterben. geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- ren! Nach diesem Sekundenbeitrag – der war ja nicht (Dr. Till Backhaus, SPD: Das stimmt mal eine Minute lang, doch so einfach nicht! Das ist eine Verallgemeinerung, die nicht zutrifft.) (Zuruf von Rainer Albrecht, SPD) Das ist eine Notreife. Dieses scheinreife Korn kann dann das ist ein neuer Rekord in meiner Zeit hier im Landtag –, leichter geerntet werden, um ohne aufwendige Trock- nung schneller verkauft werden zu können. Das ist ein- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: fach das Grundprinzip, Herr Backhaus. Ich will nicht Wäre schön, wenn manche hier damit sagen, dass jedes Feld jedes Jahr mit einer Sikka- sich auch so kurzfassen könnten.) tion behandelt wird. 22 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD) (Vincent Kokert, CDU: Hier haben wir die Frösche wieder.) Aber das Grundprinzip als solches ist ja schon hane- büchen und absurd. Ein von den Anwendern hier er- Richtig. Natürlich. Hier haben wir die Frösche wieder. wünschter Nebeneffekt ist natürlich das Absterben sämt- licher Wildkräuter. Die Folge ist dann, dass das auf diese … dass bei den Amphibienwanderungen das Überque- Weise geerntete Korn mit Glyphosat belastet ist. ren, das reine Überqueren von Äckern, auf denen zuvor Glyphosat ausgebracht wurde, zu fast 80 Prozent für die Auch wenn von den Herstellern, die alljährlich Milliarden Amphibien tödlich war, mit diesem Wirkstoff verdienen, immer wieder betont wird, wie ungefährlich Glyphosat … (Burkhard Lenz, CDU: Da müssen wir sie einzäunen.) (Die Abgeordnete Dr. Ursula Karlowski trinkt Wasser. – und damit riskanter als das Überqueren von Straßen, Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da ist nichts drin.) wenn man eine stark befahrene Bundesstraße zum Ver- gleich nimmt. Hoffen wir mal. (Egbert Liskow, CDU: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was machen wir mit den Das ist Gänsewein. – Marderhunden, die am Zaun sitzen?) Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD) Nun ist hier in dem Fall aber nicht das Glyphosat selbst … für Mensch, Tier und Umwelt sei, lassen verschiedene so hoch verantwortlich, sondern es sind die beigemisch- Studien berechtigte Zweifel aufkommen. So wird bei- ten Hilfsstoffe, spielsweise die hauptsächlich bei Rindern vorkommende Krankheit Chronischer Botulismus mit glyphosathaltigem (Egbert Liskow, CDU: Wissen Sie Sojafutter in Verbindung gebracht. Dafür ist es noch mal eigentlich, dass man mit Glyphosat als Hintergrund wichtig zu wissen, dieses Sojafutter ist auch Krebs behandeln kann?) generell importiert, wir bauen es ja hier nicht an, das sind die sogenannten Tallowamine. Diese Hilfsstof- (Dr. Till Backhaus, SPD: Stimmt nicht, fe bewirken, dass die Substanz besser an den Pflanzen das wird auch in Deutschland angebaut haften kann und dass die Ausbringung vereinfacht ist. und auch in Mecklenburg-Vorpommern.) Diese Hilfsstoffe, diese Tallowamine beschädigen die ganz empfindliche Amphibienhaut. Die Erforschung und und es ist generell mit Glyphosat verunreinigt. Risikobewertung dieser Hilfsstoffe, allen voran die ge- rade erwähnten Tallowamine, sind aber noch in den Dann muss man vielleicht noch Frau Professor Krüger im Anfängen. Es wird in vielen Herbiziden als Zusatz verwen- Hinterkopf haben, die in der Anhörung auch da war. Sie det, um die Aufnahme des eigentlichen Wirkstoffes durch hat darauf hingewiesen, die Benutzung von Grenzwerten die Pflanzenzellwand zu verbessern. Untersuchungen bei diesem Stoff Glyphosat ist eigentlich nicht tauglich. haben gezeigt, dass dieser Stoff die Atmungsmembran Die Anwesenheit von Glyphosat reicht aus, weil es en- von Wasserorganismen zerstört – ziemlich haarig. zymähnliche Wirkungen hat. In Kombination mit Glyphosat hat man Nekrosen in Was macht nun dieses Glyphosat in den Tieren? Ich menschlichen Nabelschnurzellen, in embryonalen Zellen sprach vom Chronischen Botulismus, und zwar wird das und in Plazentazellen festgestellt, weil nämlich die Durch- miteinander in Verbindung gebracht, das glyphosathalti- lässigkeit der Zellmembran erhöht wird. Ich rede jetzt ge Sojafutter und diese schwere Rindererkrankung. Ge- über diese Beimischstoffe, noch mal zur Erinnerung. sichert ist das noch nicht, aber man muss hier vorsichtig sein und weiter genau hingucken. Das Glyphosat vergif- Für Tallowamine gibt es überhaupt keine festgelegten tet nicht unmittelbar die Rinder, es ist ja ein Totalherbizid, Grenzwerte und so gut wie keine standardisierten Test- verfahren. Eine Risikobewertung des Glyphosats darf (Vincent Kokert, CDU: eben nicht nur für den isolierten Wirkstoff vorgenommen Die Rinder werden damit werden, Herr Backhaus, sondern muss für die im Handel auch nicht eingesprüht.) befindlichen Mittel als Ganzes vorgenommen werden. aber es tötet die Pansenbakterien, und die sind sehr (Dr. Till Backhaus, SPD: Genau das wird wichtig für die Rinder. ja gerade gemacht. Das Bundesamt für Risikobewertung macht das.) Ja, wenn Sie zugehört hätten: Sie werden nicht damit eingesprüht, sie werden damit gefüttert! Wir haben im Ausschuss darüber auch gesprochen, über die Tallowamine. Tallowamine werden in Deutschland (Dr. Till Backhaus, SPD: nicht mehr hergestellt, um dem Glyphosat beigemischt Deswegen essen Sie wahrscheinlich zu werden, aber sie werden weiterhin importiert und es auch kein Fleisch mehr.) gibt keine Möglichkeit, da einen Riegel vorzuschieben.

Die Gefährlichkeit des Glyphosateinsatzes für Amphibien (Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD) wurde ebenfalls nachgewiesen, also für Frösche, Kröten und Molche. Hier zeigte sich, dass bei den Amphibien- So weit sind wir in der Erforschung der Sache gekom- wanderungen, … men: Die tallowaminhaltigen Glyphosate sind hier weiter Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 23 im Einsatz. Auch die Langzeitfolgen für die menschliche (Vincent Kokert, CDU: Gesundheit wurden noch nicht ausreichend untersucht. Reden Sie jetzt vom Selbsttest Verschiedene Studien lassen auf eine zellschädigende oder wem unterstellen Sie das?) und krebsauslösende Wirkung schließen. Vermutlich geht es aber um ganz etwas anderes, näm- Schauen wir noch einmal mit einem Blick auf die Um- lich das totgespritzte Getreide ist tot und das kann auch welt! Auch die Umweltgefahren werden weitgehend nicht als Saatgut verwendet werden. Das kann auch ignoriert. Als Beispiele möchte ich folgende Punkte nicht zum Brauen genutzt werden, da es nicht mehr nennen: Die Aufnahme von Mikronährstoffen – von keimfähig ist. Dieses tote Korn kann nicht zum Bier- wegen Medikament – wird negativ beeinflusst und führt brauen eingesetzt werden. Eine vollwertige Ernährung, zu einem höheren Düngereinsatz. Die Vernichtung von wenn wir es im Brot haben wollten, mit totem, nicht Wildkrautflora, unserer Artenvielfalt sowie der Verlust natürlich ausgereiftem Getreide ist meiner Meinung von Nahrungsquellen und Lebensräumen verringern die nach nicht möglich. Biodiversität. (Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, (Dr. Till Backhaus, SPD: Sie skizzieren und Vincent Kokert, CDU) wie immer ein Horrorszenario.) Alles andere müssten wir dann in anderen Gesprächen Natürlich, ist doch logisch, wenn ich einen Ackerlebens- nachreichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. raum ohne jede Beimischung von Wildkräutern habe, reduziere ich die Biodiversität insgesamt. (Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Till Backhaus, SPD: Da müssen Sie ja aufhören, Getreideprodukte Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für zu sich zu nehmen, oder?) die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Krüger.

Drittens. Durch den massiven Einsatz von Glyphosat Thomas Krüger, SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr können Resistenzen entstehen. geehrten Damen und Herren!

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Frau Dr. Karlowski, ich frage mich, wie wir alle noch leben können. In den USA sind mindestens 13 – 13! – Ackerwildkräuter mittlerweile so resistent durch Glyphosat, dass noch viel, (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – viel mehr Herbizide ausgebracht werden müssen. Burkhard Lenz, CDU: Das ist richtig.)

Ein ganz wichtiger Punkt: Wir haben vorhin über die Nach Ihrem Vortrag habe ich den Eindruck, wir sind alle Eiweißstrategie, Leguminosen und so etwas gesprochen. vergiftet und es geht massiv abwärts. Dabei ist die Knöllchenbakterien, die in einer Symbiose mit Legumino- Wahrheit, sen in deren Wurzelsystem leben und die Pflanzen mit Stickstoff versorgen, (Vincent Kokert, CDU: Steigt die Lebenserwartung jedes Jahr.) (Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD) dass es in keinem anderen Land so strenge Auflagen der ja in der Luft massenweise vorhanden ist, werden für Lebensmittel und so strenge Auflagen für die Dinge negativ beeinflusst. Auch direkte Schädigungen des gibt, die auf dem Acker gemacht werden. Das wissen Sie Wurzelsystems wurden beobachtet. auch. Sie vermitteln aber hier ein Bild, dass es ganz anders ist. Meine Damen und Herren, gerade weil noch nicht alle Risiken und Langzeitwirkungen erforscht sind, ist es Meine Damen und Herren, ich will mit meiner Rede – das wichtig, den Einsatz von Herbiziden zu beschränken. musste ich einfach vorwegschieben – beginnen. Wenn der Einsatz im Bereich der Beikrautregulierung als notwendig angesehen wird, ist das eine Sichtweise, die Anlass dieser Debatte ist ein Antrag, den uns DIE LINKE wir nicht teilen. Zur Arbeitserleichterung unmittelbar vor hier vor einem halben Jahr vorgelegt hat. Wir haben der Ernte ein Gift auf den Pflanzen zu verteilen, das seinerzeit sehr intensiv darüber diskutiert, was wir mit nachgewiesenermaßen in unseren Grundnahrungsmit- dem Antrag machen. Wir haben gesagt, da muss mehr teln enthalten ist und bei der menschlichen Ernährung Wissen rein. Der Antrag der LINKEN hatte ja auch zum aufgenommen wird, halten wir nun für vollkommen unak- Teil noch eine andere Ausrichtung, da war zum Beispiel zeptabel. Gifte gehören einfach nicht in Lebens- und vom Verbot der Sikkation die Rede. Diesen Antrag haben auch nicht in Futtermittel! wir in den Ausschuss überwiesen. Das war richtig, denn im Ausschuss haben wir beschlossen, dass wir eine (Dr. Till Backhaus, SPD: Anhörung zum Thema „Glyphosathaltige Pflanzen- Können Sie das beweisen?) schutzmittel“ veranstalten wollen. Diese Anhörung hat stattgefunden. Diese Anhörung hat ein sehr differenzier- Jetzt kommen wir noch an einen ganz spannenden tes Bild gezeigt und hat uns auch einen sehr differenzier- Punkt: Einen Blick ins Bier, zu der Braugerste werfen wir ten Blick auf die Sache werfen lassen. mal. Die Sikkation ist bei Braugerste komplett verboten. Das ist doch mal spannend! Vielleicht will man ja dem Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund, dass alkoholgeschwächten Körper kein zusätzliches Gift zu- wir dort ein differenziertes Bild gesehen haben, haben muten, wer weiß?! wir als Regierungsparteien gesagt, dass wir auch am 24 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Ende in unserer Erklärung, die wir verabschieden, ein Einsatz nicht sein sollte, dass man das vor allen Dingen differenziertes Bild zeichnen wollen. Ich bedaure, und da mechanisch hinkriegen können muss. Zum Zweiten, schließe ich mich dem Vorsitzenden des Agrarausschus- meine Damen und Herren, ist es eine Frage der Dosie- ses ausdrücklich an, dass es uns nicht gelungen ist, hier rung, die von Laien vorgenommen wird. Wir wissen, dass eine einheitliche Positionierung hinzubekommen. Wir man in der Landwirtschaft einen Nachweis braucht, um haben das bei den Eiweißpflanzen sehr vernünftig mitei- mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten zu dürfen. Hier reden nander geregelt. Ich will auch gleich noch auf die ver- wir davon, dass Laien mit diesen Mitteln arbeiten. schiedenen Positionen eingehen und darstellen, warum wir am Ende keine einheitliche Positionierung hingekriegt Ich habe Ihnen dargestellt, was festgelegt ist: zwei An- haben. Gleichwohl glaube ich, dass zumindest SPD, wendungen maximal und mindestens 90 Tage Abstand, CDU und LINKE in der Ausrichtung eine ähnliche Ansicht pro Jahr maximal 3,6 Kilogramm Wirkstoff auf einen Hek- haben. tar. Ein Hektar, das wissen Sie, sind 10.000 Quadratmeter, und wenn Sie eine einzelne Anwendung nehmen, sind Einer der wichtigsten Punkte, die wir beraten haben, ist das auf 10.000 Quadratmetern 1,8 Kilogramm Wirkstoff. das, was hier eben von den Kolleginnen und Kollegen Wenn Sie das mal runterrechnen in den Kleingartenbe- schon angesprochen worden ist, das ist der Einsatz des reich und der Kleingärtner chemisch einen Quadratmeter Glyphosats zur Ernteabreifung, zur Sikkation. Meine unkrautfrei machen will, dann sind das 0,18 Gramm auf Damen und Herren, mir war wichtig festzustellen, dass den Quadratmeter. Da kann mir keiner sagen, dass das so eine allgemeine Anwendung von Sikkation zur gleichmä- ohne Weiteres hinzubekommen ist. ßigen Abreifung des Getreides und damit zur Drusch- optimierung nicht der guten fachlichen Praxis entspricht. Als Weiteres wollen wir den Verkauf von glyphosathalti- Diese Erkenntnis hatte mit uns zeitgleich auch das gen Pflanzenschutzmitteln nur dann an Nichtlandwirte Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi- erfolgen lassen, wenn dafür eine Genehmigung von der cherheit. Dieses Amt hat am 21.05. klargestellt, dass zuständigen Behörde vorliegt. Was uns in der Anhörung Spätanwendungen auf Getreide nur auf Teilflächen berichtet worden ist, ist, dass es durchaus vorkommt, erlaubt sind, nämlich dann, wenn zwei Bedingungen dass öffentliche Wege durch Pflanzenschutzmittel sau- erfüllt sind: ber – sauber bitte ich, in Anführungsstriche zu setzen – „sauber“ gehalten werden. Das sollte nicht gängige Die erste Bedingung ist der Unkrautdurchwuchs auf Praxis in unserem Land sein, dafür sind die Mittel nicht lagernden Beständen. Was sind lagernde Bestände? gemacht. Wenn Sie jetzt durch das Land fahren, sehen Sie, die Gerste ist unmittelbar vor der Reife, und Sie haben hin Dann, meine Damen und Herren, möchte ich auf das und wieder, zum Beispiel durch Regen, durch Wind, eingehen, was im Ausschuss von den Oppositionspartei- dass die Bestände einfach abgeknickt sind. Wenn die en noch gefordert worden ist. Zum einen forderte DIE Bestände abgeknickt sind und das Unkraut von unten LINKE, dass im Land ein eigenes Programm aufgelegt durchwächst, dann haben Sie Schwierigkeiten, mit dem wird beziehungsweise ausgeweitet wird, mit dem Rück- Mähdrescher die Ernte einzubringen. stände und deren Zerfallsprodukte von Glyphosat in Lebens- und Futtermitteln untersucht werden. Zudem soll (Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD) wissenschaftlich untersucht werden, wie die pfluglose Bodenbearbeitung und ein immer geringerer Glyphosat- Die zweite Bedingung, das ist der sogenannte Zwie- einsatz zusammengehen können. wuchs. Dieses Phänomen tritt auf, wenn Sie relativ feuchte Jahre haben, dass dann die Pflanzen bereits Beide Punkte, meine Damen und Herren, sind sehr wich- oben im Ährenbereich abreifen und von unten grün wie- tig, aber zu beiden Punkten läuft bereits die Forschung der einen Durchwuchs haben. Bei beiden Phänomenen, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. So gab es wenn die auftreten, haben Sie Schwierigkeiten, mit dem beispielsweise in Brandenburg ab 1995 einen zwölfjähri- Mähdrescher die Ernte einzubringen – schlicht und ein- gen Dauerversuch zum Thema „Pfluglose Bodenbearbei- fach, weil die Maschinen durch den feuchten Grüneinsatz tung und Glyphosateinsatz“. Da ging es auch um die Men- am Ende verstopfen. gen. Das Ganze ist begleitet worden durch das Julius Kühn-Institut, durchaus eine renommierte Einrichtung, wie Unter diesen Bedingungen, haben wir gesagt, soll eine wir meinen. Zudem gibt es eine Länderarbeitsgruppe, die Beerntung auch möglich sein müssen und unter diesen sich mit dem Thema „Pfluglose Bodenbearbeitung, Gly- Bedingungen wird es auch möglich sein, weiterhin Sikka- phosat und Erosionsschutz“ befasst. Da arbeiten alle Län- tion zu machen, aber eben ganz klar in Regeln aufge- der mit, die keine Landwirtschaftskammer haben. stellt. Zudem stellt das Bundesamt klar, dass glyphosat- haltige Pflanzenschutzmittel innerhalb eines Kalenderjah- Meine Damen und Herren, auch wir haben keine Land- res nur maximal zweimal angewendet werden dürfen auf wirtschaftskammer, somit haben wir uns entschieden, einer Fläche. Ein Mindestabstand von 90 Tagen muss dass die knappen Landesmittel hier nicht in einen Dop- eingehalten werden und eine Maximalmenge ist festge- pelansatz kommen sollen, und haben den Antrag der legt worden, die auf eine Höhe von 3,6 Kilogramm Wirk- LINKEN an dieser Stelle abgelehnt. stoff je Hektar begrenzt ist. Die GRÜNEN haben in ihrem Antrag klargemacht, dass Neben den Regeln, die das Bundesamt erlassen hat, sie synthetischen Pflanzenschutz in Gänze ablehnen und wollen wir mit unserem Antrag die Landesregierung auf- damit natürlich auch die Sikkation in Gänze verbieten fordern, dass sie sich auf Bundesebene dafür einsetzt, wollen. dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel künftig keine Anwendung mehr im Kleingarten- und im Hausgartenbe- Eine weitere Verbotsforderung, Kollege Kokert, die Sie reich finden sollen. Hintergrund dafür ist, dass wir zum jetzt Ihrer Aufzählung, die Sie letztes Mal hatten, hinzu- einen meinen, dass in den Bereichen ohnehin dieser fügen können, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 25

(Vincent Kokert, CDU: natürlichen Maßnahmen sowohl ökologisch als auch Danke, werde ich notieren. ökonomisch zu arbeiten ist. Nehme ich auf.) Pflanzenschutzmittel werden auch in der Vorerntezeit Verbot von synthetischem Pflanzenschutz. Wir sehen angewendet, um die anschließende Ernte zu erleichtern. dies differenzierter, das macht unser Antrag auch klar. Es Es wird aber hierbei leider außer Acht gelassen, dass es geht eben nicht darum, Pflanzenschutz zu stigmatisieren, sich bei Pflanzenschutzmitteln um Gifte handelt, die es geht um eine vernünftige und sachgerechte Anwen- eingesetzt werden, um Kräuter und/oder Insekten zu dung und es geht um eine wissensbasierte Risikoab- vernichten. Französische Wissenschaftler haben heraus- schätzung. gefunden, dass schon eine geringe Konzentration bei menschlichen Zellkulturen Auswirkungen hat. Argentini- Meine Damen und Herren, ich will noch mal auf das sche Forscher hingegen haben Missbildungen bei tieri- eingehen, was DIE LINKEN als Änderungsantrag gelie- schen Embryonen, verursacht durch Glyphosat, festge- fert haben. Da geht es auch wieder darum, dass wir hier stellt. Frau Professor Dr. Müller von der Universität in Pflanzenschutz nicht mehr anwenden sollen. Leipzig stellte – und das hat sie dann im Rahmen der Anhörung auch kundgetan – Ähnliches bei Ferkeln aus Meine Damen und Herren, zwei Zahlen habe ich mir eben Dänemark fest. auf die Schnelle noch mal rausgesucht: Weltagrarhandel Deutschland. Wir exportieren für 78 Milliarden Dollar und Für die NPD hat das Wohl von Mensch, Tier und Umwelt wir importieren für 91 Milliarden Dollar. Wir sind Import- Vorrang vor Profitinteressen. Bekanntlich befinden sich land und wenn wir wissen, dass wir Importland sind und in den Körpern von 45 Prozent der Stadtbewohner Euro- dass man, wenn man biologisch wirtschaftet, rein biolo- pas diese hochgefährlichen Pestizide. Diese sind also gisch wirtschaftet, noch ungefähr 50 Prozent der Erträge nicht nur hochgiftig, sondern verursachen Langzeiteffekte hat, dann heißt das, dass wir in Zukunft sehr viel mehr und schädigen die Umwelt. importieren müssen. Mit der Beschlussempfehlung, die aus der Stimmenmehr- (Dr. Till Backhaus, SPD: Auf Kosten heit von SPD und CDU folgt, werden weiter fast ungezü- der Entwicklungsländer geht das.) gelt Gifte ausgebracht, Gifte, die wir dann durch die Nah- rung aufnehmen. Glyphosat ist also ein Gift mit unkalku- Meine Damen und Herren, ob das, was wir da importie- lierbaren Auswirkungen für Mensch und Natur. Wir sollten ren, so sauber ist und unter den Bedingungen produziert dem Vorbild Österreichs folgen und die Sikkation, bei der wird, wie wir sie hier festlegen, das möchte ich bezwei- Glyphosat kurz vor der Ernte angewendet wird, um eine feln. Auch vor diesem Hintergrund, Frau Dr. Karlowski, vorzeitige Reife zu ermöglichen und Unkrautdurchwuchs werden wir Ihren Antrag zurückweisen. zu verhindern, verbieten. Im Rahmen einer Studie zur menschlichen Belastung mit Glyphosat des BUND wurde (Dr. Till Backhaus, SPD: festgestellt, dass in Deutschland 70 Prozent der unter- Und das als Vegetarierin!) suchten Urinproben Glyphosat enthielten.

Besten Dank. Die Beschlussempfehlung ist keine Antwort auf den ungezügelten Einsatz von Giftstoffen in der Landwirt- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) schaft. Pflanzenschutzmittel beziehungsweise Unkraut- vernichtungsmittel sind sicherlich teilweise in der heuti- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt für gen Landwirtschaft unverzichtbar. Dieses bedeutet aber die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster. nicht, dass im Grunde jeder tun und lassen kann, was er will. Wir lehnen die Beschlussempfehlung ab. – Danke Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen schön. und Herren! (Beifall Michael Andrejewski, NPD) Frau Dr. Karlowski, Sie haben sicherlich in Ihren Ausfüh- rungen richtige Erkenntnisse von Wissenschaftlern aus- Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort hat jetzt geführt, aber durch Ihren Redebeitrag haben Sie alles für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Professor wieder vernichtet. Dr. Tack.

Zum Themenbereich Glyphosat habe ich ja bereits am Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- 12. Dezember 2013 sehr ausführlich an dieser Stelle tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! dargelegt, welche erheblichen Folgen der Einsatz von sogenannten Pflanzenschutzmitteln vor allem auch für Vielen Dank, Herr Kollege Krüger, dass Sie sich so sach- uns Menschen hat. Der Einsatz von Pflanzenschutzmit- lich auseinandergesetzt haben mit den Vorgängen im teln sowohl in der Landwirtschaft als auch im Haus- und Ausschuss, und wie tief Sie sich in die landwirtschaftliche Kleingartenbereich erfolgt bislang weitgehend unkontrol- Praxis schon eingearbeitet haben, das freut mich außer- liert. Pflanzenschutzmittel werden vor allem auch einge- ordentlich. setzt, um sich eine Bodenbearbeitung zu ersparen. Un- berücksichtigt hierbei bleibt aber, dass die Landwirte die (Beifall vonseiten der Fraktionen positiven Auswirkungen der Bodenbearbeitung ungenutzt der SPD und DIE LINKE) lassen. Gleichzeitig wundern sich die Landwirte dann, dass sich die Böden hier in Mecklenburg-Vorpommern Eins muss ich allerdings sagen: Der zuletzt von Ihnen immer mehr verdichten und immer mehr Kunstdünger kritisierte Antrag kam nicht von den LINKEN, sondern der ausgebracht werden muss. Die Landwirte und Bauern kam von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das muss ich auch verlieren dadurch zunehmend das Wissen, mit welchen zur Richtigstellung hier sagen. 26 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit unserer Rückständen von Glyphosat und seiner Zerfallsprodukte Antragstellung im Landtag, den Einsatz von Glyphosat in Lebens- und Futtermitteln abzusichern sei. Wie ich zu beschränken – das unterstreiche ich dick –, hat sich schon in der kurzen Rede zur Beschlussempfehlung vieles getan. Unter anderem hat der Bundesrat sich mit sagte, wurde das ohne vernünftige Begründung abge- der Anwendung dieses lange Zeit als relativ umwelt- lehnt, denn diese gibt es aus meiner Sicht nicht. freundlich geltenden Wirkstoffs zur Bekämpfung soge- nannter Unkräuter ausführlich befasst. Weil sich in den Eine weitere wichtige Frage hat die Anhörung zutage vergangenen Jahren Berichte gemehrt haben, die eine gebracht. Immer mehr Landwirte nutzen die bodenscho- gesundheits- und umweltgefährdende Wirkung des Pflan- nenden Verfahren der pfluglosen Bearbeitung. Das tut zenschutzmittelwirkstoffes selbst oder in Kombination mit zweifelsohne dem Boden gut, es spart Zeit und es spart sogenannten Beistoffen nahelegen, hat der Bundesrat an Energie, wenn, ja wenn das Unkraut mittels Glyphosat in die Bundesregierung Empfehlungen ausgesprochen. Die- die Schranken verwiesen wird. Wir haben in diesem Jahr, se gehen davon aus, dass das Vorsorgeprinzip gebietet, viele werden das beobachtet haben, auf den Weizen- nicht unbedingt notwendige Anwendungsbereiche auszu- schlägen häufig einen Durchwuchs von Gerste zu ver- schließen, insbesondere solche, bei denen das größte zeichnen. Das hängt auch mit den Bestellbedingungen Risiko eines Glyphosateintrages in die menschliche Nah- und der pfluglosen Bodenbearbeitung zusammen. rungskette besteht. Das betrifft einerseits die Vorernte- behandlung zur Beschleunigung der Erntereife – die So aber führt eine bodenschonende Maßnahme moderner sogenannte Sikkation war angesprochen worden – und Landwirtschaft dazu, dass das umstrittene und sehr kos- andererseits die Anwendung im privaten und öffentlichen tengünstige Glyphosat verstärkt zur Anwendung kommt. Haus- und Gartenbereich. Treiben wir damit nicht den Teufel durch Beelzebub aus? Daher resultiert der zweite Beschlusspunkt unseres Antra- Zu dem ersten Fakt habe ich in den vergangenen Wochen ges, den engen Zusammenhang der Zunahme des Gly- auch anlässlich des „Tages des offenen Hofes“ viele Ge- phosateinsatzes in der Landwirtschaft mit der Anwendung spräche mit den Praktikern geführt. Die einhellige Mei- pflugloser Bodenbearbeitung – pfluglose Bodenbearbei- nung, die mir kundgetan wurde, war die: Nur in Ausnahme- tung heißt, nicht wendende Bodenbearbeitung – mit der fällen sollte Glyphosat in der Vorernteperiode eingesetzt Zielstellung weiter zu erforschen, den Glyphosateinsatz werden. Solche Ausnahmefälle können natürlich auftreten. tendenziell zu reduzieren. Der Durchwuchs war hier angesprochen worden, es kann aber auch sein, dass wir wie im Jahre 2011 so starke Beide Punkte wurden, wie schon gesagt, abgelehnt. Niederschläge haben, dass ohne eine solche Behandlung Damit war die Chance vertan, dem vorliegenden Be- ein völliger Ausfall der Ernte die Folge wäre. schluss der Mehrheit des Agrarausschusses zu etwas Substanz zu verhelfen. Damit mussten wir den Be- Um Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam zu schlussentwurf der Koalition ablehnen, und ich betone es schützen, ist die Bundesregierung in dieser Stellung- noch einmal, es ist schade, dass der Agrarausschuss nahme aufgefordert, ein Verbot für die beiden letztge- heute dem Landtag nicht mehr vorlegen kann, aber das nannten Anwendungsbereiche zu erlassen, also im priva- lag nicht an uns. Insofern werden wir heute genauso ten und öffentlichen Haus- und Gartenbereich. Das hat votieren, wie wir es schon im Ausschuss getan haben. die Bundesregierung abgelehnt, aber vielleicht auch zu ihrer eigenen Überraschung hat das zuständige Bundes- Eine Bemerkung noch zum Änderungsantrag der Frakti- amt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Diesen werden wir ab- Ende Mai dieses Jahres neue Anwendungsbestimmun- lehnen, weil ein ähnlich lautender Antrag im Ausschuss gen für Glyphosat erlassen. Sie waren vom Kollegen auch durch uns abgelehnt wurde. – Vielen Dank. Krüger hier schon genannt worden. Pro Jahr dürfen bei- spielsweise nur noch zwei Behandlungen im Abstand (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) von 90 Tagen mit einer reduzierten Gesamtmenge, auch das war genannt worden, von 3,6 Kilogramm Wirkstoff Vizepräsidentin Beate Schlupp: Weitere Wortmeldun- pro Hektar durchgeführt werden. Ich wiederhole es noch gen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. einmal: Die Sikkation mit Glyphosat ist demnach nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. So haben wir es Wir kommen zur Abstimmung. auch im Ausschuss diskutiert. Zwei wichtige Punkte un- seres Antrages haben sich also damit erfüllt. Der Agrarausschuss empfiehlt in Ziffer I seiner Beschluss- empfehlung auf Drucksache 6/3091, den Antrag der Frak- Ich unterstreiche die strengen Regelungen in der Bun- tion DIE LINKE auf Drucksache 6/2420 abzulehnen. Wer desrepublik Deutschland, auch das war angesprochen dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- worden. Die Anhörung der Sachverständigen hat für uns zeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – den Schluss erbracht, dass es weitere Untersuchungen Damit ist die Ziffer I der Beschlussempfehlung des Agrar- zu den Wechselwirkungen des umstrittenen Wirkstoffes ausschusses auf Drucksache 6/3091 mit den Stimmen geben muss. der Fraktionen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktionen DIE LINKE Und, Herr Köster, die Frau Professorin aus Leipzig hieß und NPD angenommen. nicht „Müller“, sondern sie hieß „Krüger“. In Ziffer II seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der (Stefan Köster, NPD: Agrarausschuss, einer Entschließung zuzustimmen. Gut, danke für den Hinweis.) Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion Daher haben wir dem Beschlussvorschlag der Koalition BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3118 vor, die Forderung hinzugefügt, dass die Weiterführung und über den ich zunächst abstimmen lasse. Wer dem zuzu- die Ausweitung der Untersuchungen auf Landesebene zu stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 27

Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Ände- LINKE die Aufsetzung auf die Tagesordnung der Land- rungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf tagssitzung. Drucksache 6/3118 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE, bei Zustimmung der Fraktio- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) nen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt. Vizepräsidentin Beate Schlupp: Das Wort zur Gegen- Wer der Ziffer II der Beschlussempfehlung des Agraraus- rede wird offensichtlich auch gewünscht. – Bitte schön, schusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um Herr Müller. ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltun- gen? – Damit ist die Ziffer II der Beschlussempfehlung Heinz Müller, SPD (zur Geschäftsordnung): Vielen Dank, des Agrarausschusses auf Drucksache 6/3091 mit den Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Gegen- ren! Die Vorgänge um die Justizvollzugsanstalt Waldeck stimmen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE spielen in unseren Medien im Augenblick eine nicht un- GRÜNEN und NPD angenommen. erhebliche Rolle und ich denke, wir alle haben ein erheb- liches Interesse daran, dass diese Vorgänge restlos und Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle lückenlos aufgeklärt werden. begrüße ich sehr herzlich als Gäste in unserem Landtag die Präsidentin der Hamburger Bürgerschaft, Frau Carola Insofern ist ein öffentliches Interesse, liebe Kollegin, Veit, und den Leiter der Delegation des Schleswig- selbstverständlich gegeben. Dieses würde ich bejahen. Holsteinischen Landtages der Ostseeparlamentarierkon- Ich denke, dass auch die Finanzministerin, Frau Polzin, ferenz, den Abgeordneten Bernd Voß. die persönlich für Vorgänge Mitte der 90er-Jahre selbst- verständlich keine politische Verantwortung hat, sehr (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, deutlich gemacht hat, dass sie sich verpflichtet fühlt, hier DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für eine umfassende Aufklärung zu sorgen. Wenn die Medien, und Sie haben das in Ihrer Antragsbegründung Beide haben mit unserer Präsidentin Vorbereitungen ja aufgegriffen, Frau Rösler, von einem Gutachten, das zur Ostseeparlamentarierkonferenz durchgeführt. Herz- im Auftrag des Finanzministeriums erstellt worden ist, lich Willkommen im Landtag von Mecklenburg-Vorpom- sprechen, dann sehen Sie daran, dass das Finanzminis- mern! terium hier tätig ist und ein solches Gutachten in Auftrag gegeben hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, von der Frakti- on DIE LINKE liegt Ihnen auf Drucksache 6/3128 ein Dieses Gutachten ist nicht die einzige Aktivität der Lan- Antrag zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Zusam- desregierung, um die Vorgänge aufzuklären. Im Augen- menhang mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldeck“ blick beschäftigt sich im Finanzministerium eine Arbeits- vor. Auf Wunsch der Antragsteller soll die Tagesordnung gruppe mit der Ermittlung der Tatsachen. Außerdem hat um diesen Antrag erweitert werden. Gemäß Paragraf 74 die Finanzministerin Ihnen auch im Finanzausschuss zu Ziffer 1 unserer Geschäftsordnung kann diese Vorlage dieser Angelegenheit Rede und Antwort gestanden. Sie beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des sehen, das Interesse, die Bereitschaft und das aktive Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss die Handeln der Landesregierung, hier für eine Aufklärung Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden. zu sorgen, ist gegeben.

Das Wort zur Dringlichkeit wird offensichtlich gewünscht. – Die Finanzministerin wird unverzüglich informieren, wenn Bitte schön, Frau Rösler. Ergebnisse und Erkenntnisse vorliegen, die über das Bisherige hinausgehen. Das kann man über den Finanz- Jeannine Rösler, DIE LINKE (zur Geschäftsordnung): ausschuss, denke ich, machen. Eine Debatte hier in Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin! Der Antrag ist dring- diesem Hause zum jetzigen Zeitpunkt wird allerdings lich, weil es sich um eine Angelegenheit von hohem nicht dazu beitragen, dass wir neue Erkenntnisse gewin- öffentlichen Interesse handelt. So geht es um Vorgänge nen. Von daher halten wir diese Debatte in diesem Hau- und Verträge rund um den Bau der JVA Waldeck. Es se zum jetzigen Zeitpunkt nicht für dringlich, geht vor allem um die Fragen, ob der Bau der JVA Wal- deck auch aus heutiger Sicht wirtschaftlich ist und ob (Peter Ritter, DIE LINKE: Es geht um eine die Landesregierung alles getan hat, positive Vertrags- Unterrichtung durch die Regierung. Wenn die anpassungen zugunsten der Landeskasse herbeizu- nichts zu unterrichten hat, ist es auch gut.) führen. sondern wir sind dafür, dass wir die von mir aufgezeigten Die Landesregierung hat dies bislang bejaht, jedoch Wege gehen, und dann können wir hier auch selbstver- neue und beachtliche Vorwürfe gegen die Landesregie- ständlich diese Ergebnisse gemeinsam auswerten. Im rung lassen an den bisherigen Darstellungen der Landes- Moment bringt es uns nichts. Wir lehnen die Dringlichkeit regierung zweifeln. Offenbar kommt ein Gutachter der ab. Landesregierung laut Medienberichten zu dem Ergebnis, Mitarbeiter der Landesregierung hätten, Zitat: „gepennt (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) und sich über den Tisch ziehen lassen“, Zitatende. Zu- dem gebe es keine verbindlichen Vereinbarungen mit Vizepräsidentin Beate Schlupp: Wir kommen zur Ab- den privaten Investoren über die Tilgung ihrer Darlehen. stimmung.

Da die neuen Vorwürfe erst kürzlich öffentlich bekannt Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese wurden und ein erhebliches öffentliches Interesse an der Vorlage zu? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Aufklärung besteht, sehen wir darin eine dringliche Ange- Damit ist die Erweiterung der Tagesordnung um diesen legenheit. Ich beantrage im Namen der Fraktion DIE Tagesordnungspunkt abgelehnt. 28 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des und dementsprechend sind es in der Regel zwar immer- Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – hin noch fünf Meter, da könnte man sagen, das sind ja Gewässer als Lebensadern der Landschaft entwickeln, nur zwei Meter weniger, doch das Land hat über die Drucksache 6/3063. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsan- Wege von behördlichen Anordnungen die Möglichkeit, trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck- hier noch geringere Abstände zuzulassen. sache 6/3119 vor. Und so sieht das jetzt nach unseren Recherchen zurzeit Antrag der Fraktion aus: Wenn wir uns die Cross-Compliance-Regelung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angucken, dann haben wir einen Abstand, der bezieht Gewässer als Lebensadern sich auf Stickstoffdünger, der liegt bei drei Metern. Dann der Landschaft entwickeln haben wir einen 5-Meter-Abstand. In diesem Abstand ist – Drucksache 6/3063 – es verboten, das Grünland umzubrechen, standortge- rechte Bäume zu entfernen, und man darf nicht standort- Änderungsantrag der Fraktion gerechte Bäume nicht anpflanzen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/3119 – (Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜND- Man darf wassergefährdende Stoffe nicht anwenden, es NIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski. sei denn, es handelt sich um Pflanzenschutzmittel und Düngemittel, die dürfen in diesem Streifen durchaus Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr ausgebracht werden. Und dann, je nachdem, was auf der geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle- Rezeptur des verwendeten Herbizides oder sonstigen gen! „Gewässer als Lebensadern der Landschaft entwi- Pestizides steht, sind es Abstandsmengen von fünf, zehn ckeln“, unter dieser Überschrift greifen wir Bündnisgrüne oder zwanzig Metern. Das richtet sich auch noch nach ein Thema auf, das uns in mehrfacher Hinsicht beson- der Wetterlage und der Hangneigung. ders berührt. Werte Damen und Herren, wie soll bei dieser Regelvielfalt Es geht im Kern um die Ziele: die Wiederbelebung der eine funktionierende Kontrolle durchgeführt werden? Wie Agrarlandschaft, die mit 63 Prozent der Landesfläche sollen sich der Landwirt, die Landwirtin überhaupt genau unser Bundesland so sehr prägt, es geht um den Ausbau an jede Regel halten können? Wir haben bei unserem des Biotopverbundes für die Arten des Offenlandes und Fachgespräch zum Thema Pestizide die Stellungnahme es geht um den Schutz unserer Flüsse, Seen und der vom BUND aus Berlin, von Herrn Brückmann, dazu ge- Ostsee vor Düngemitteln und Pestiziden. Um es gleich hört. Eigentlich ist es ganz selten der Fall, dass alle Rege- vorwegzusagen: Unsere Badegewässer sind gut, glückli- lungen eingehalten werden können, denn entweder ist das cherweise. Wir und unsere Urlaubsgäste können mit Wetter, der Hang, das Pestizid oder die Bedingung, die gutem Gefühl im Meer und in unseren Seen schwimmen sonst nicht erfüllt wird, gar nicht gegeben. Es sind wenige gehen. Doch darum geht es heute nicht. Tage im Jahr, wo überhaupt alle Regeln eingehalten wer- den könnten. Wäre in so einem Fall nicht eine klare und für Wie Sie sehen, haben wir unseren Antrag mit einem alle gut sichtbare, kontrollierbare Regelung in Bezug auf Änderungsantrag präzisiert. Mit dem Änderungsantrag das, was erlaubt ist, viel, viel einfacher, eine Rückkehr zu regen wir an, dass der Gewässerrandstreifen außerhalb einem klaren Gewässerrandstreifen? Unsere Antwort ist: von Ortschaften „mindestens“ zehn Meter breit sein soll- Ja, das wäre nicht nur einfacher einzuhalten, das wäre te. Wir hatten nur zehn im Ursprungsantrag. Wir haben besser zu kontrollieren und das wäre auch eine Hilfestellung auch gesehen, dass es nicht nur Verordnungen sind, für die Gewässer auf ihrem Weg in einen „guten Zustand“. über die man so etwas lösen kann, die uns hier weiter- helfen, und schlagen den Begriff „Regelungen“ als allge- Dieser „gute Zustand“ ist der Begriff aus der Wasserrah- meineren Begriff vor. menrichtlinie der EU,

Dieses Thema ist ein Thema, das den Landtag und das (Burkhard Lenz, CDU: Haben wir ganze Land schon über mehrere Jahre in abwechslungs- denn keinen „guten Zustand“?) reichen Nuancen immer wieder beschäftigt hat. Ich habe hier einmal die gehaltenen Reden aus dem Jahr 2006 den haben Sie sicherlich schon oft gehört. Wir Bündnis- durchgelesen. Es waren Reden von Herrn Ringguth, von grüne wollen diesen jetzt bestehenden gesetzlichen Spiel- Frau Schlupp und von Herrn Caffier zu finden. Es gab raum, um nicht zu sagen, dieses Konglomerat verschie- Zwischenrufe von vielen, die auch heute wieder hier im denster Regelungen zugunsten eines tatsächlichen Ge- Plenum sitzen. Ich denke, das Thema ist für viele von wässerschutzes und zugunsten eines wirklichen Schutzes Ihnen kein Neuland. der Ufer so beenden. Wir wollen eine landesweite Min- destbreite von zehn Metern, Mindestbreite, wie gesagt, Sie haben in der Folgezeit, und das war gerade in der von zehn Metern festgeschrieben sehen. Diese Gewässer- letzten Wahlperiode, also mit dem Willen der Großen randstreifen sollten dann frei bleiben von Pestiziden, frei Koalition, dann tatsächlich den Paragrafen im Lan- von Dünger und von Ackernutzung. deswassergesetz gestrichen, der einen solchen Gewäs- serrandstreifen beinhaltete, das ist der Paragraf 81. Hier Sie denken vielleicht jetzt, mit dem Greening wird alles gut, war der 7-Meter-Abstandsstreifen als Regelung festge- aber leider sind ja die ökologischen Vorrangflächen nicht so schrieben. Durch den Wegfall des Paragrafen 81 gelten gestrickt, dass dort die Ausbringung von Pestiziden und in Mecklenburg-Vorpommern nunmehr die Vorschriften Dünger verboten wurde. Das ist eine tragische Entwicklung. des Wasserhaushaltsgesetzes, ein Bundesgesetz, Die Streichung des Paragrafen 81 vor einigen Jahren, (Burkhard Lenz, CDU: Ja.) meine Damen und Herren, war schon damals eine Fehl- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 29 entscheidung, als dieses Gesetz in unseren Augen vor Hauptverursacher für den oben zitierten durchweg allem auf Druck des Bauernverbandes in diese wahrlich schlechten Zustand unserer Küstengewässer, wenn man ungute Richtung geändert wurde. Ich habe mir die Anhö- auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie schaut. rungsstellungnahmen angeguckt. Sehr viele Verbände waren der Meinung, diese sieben Meter sollten erhalten Und jetzt schauen wir ja nur auf die Gewässer, die für die bleiben. Dennoch ist es nun dazu gekommen, dass Sie EU-Wasserrahmenrichtlinie relevant sind. Wir schauen mit der Regierungsmehrheit der Großen Koalition den gar nicht auf die unzähligen kleineren Gewässer, die Paragrafen komplett gestrichen haben. Sölle, die so typisch sind für Mecklenburg-Vorpommern. Hier sei nur mal kurz erwähnt, dass die Rotbauchunke Diese Fehlentscheidung muss schleunigst revidiert wer- Bombina bombina bei uns vorkommt und deutschland- den. Es ist in unseren Augen überfällig, die Schutzstrei- weit vom Aussterben bedroht ist. fen an den Ufern stehender und fließender Gewässer wieder so einzuführen, dass man wirklich einen Abstand (Udo Pastörs, NPD: Sagen Sie noch mal, hat zwischen dem Ufer einerseits, was empfindlich ist, wie heißt dieses interessante Tierchen?!) und dem Arbeitsbereich der industriellen Landwirtschaft andererseits, sodass wir einen tatsächlichen Schutz der Auch für diese Art wäre eine verbesserte Gewässerquali- Gewässerlebensräume haben. tät, die wir mit dem Randstreifen anstreben, sehr hilf- reich. In Deutschland, wie gesagt, ist die Art vom Aus- (Burkhard Lenz, CDU: Wissen Sie eigentlich, sterben bedroht. In Mecklenburg-Vorpommern ist der über wie viel Fläche wir da reden?) Erhaltungszustand laut Antwort zu meiner Kleinen Anfra- ge auf der Drucksache 6/2099 „unzureichend“. Wir diskutieren heute hier um zehn Meter, andere Um- weltverbände oder andere Vertreter sagen, das muss (Burkhard Lenz, CDU: Wir haben noch viel mehr sein, es müssen richtig große Gewässer- sie fast mehr als Menschen.) entwicklungsstreifen sein von zwanzig Metern und mehr. Ich glaube, wir werden dazu heute auch noch einiges Die Menschen spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf hören. das Landschaftsbild, auf die touristische Wirkung solcher Randstreifen. Dazu komme ich jetzt, Herr Lenz. (Andreas Butzki, SPD: Machen Sie fünfzig Meter, zwanzig sind doch viel zu wenig! Oder Meine Damen und Herren, wenn wir wieder breite Ge- hundert, ja. – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD) wässerrandstreifen haben, in einer Mindestbreite von zehn Metern, dann können wir wirklich mehreren Zielen Es kommt eben nicht nur auf die eingangs erwähnte näher kommen. Wir können natürlich die Artenvielfalt im Badewasserqualität an. Intakte Gewässer haben eine Offenland erhöhen, große Palette mess- und nachweisbarer Eigenschaften. (Burkhard Lenz, CDU: Die Artenvielfalt (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) wird nicht verändert, Frau Dr. Karlowski.)

Wenn wir jetzt mal schauen, wie die Eigenschaften sind. wir können aber auch die Akzeptanz, Im Regierungsportal findet man, das ist wirklich eine Quelle hier aus dieser Landesregierung, ich zitiere: „In (Andreas Butzki, SPD: Keine Radwege!) Mecklenburg-Vorpommern verfehlen bei landesweiter Betrachtung fast alle Fließgewässer- und Küstengewäs- wir können aber auch die Akzeptanz der modernen ser-Wasserkörper … den guten ökologischen Zustand Landwirtschaft durch die Bevölkerung erhöhen, denn bzw. das gute ökologische Potenzial.“ Die Seite habe ich dieses Landschaftsbild würde sich dann mit Strukturen aufgerufen am 30.06., das sind also ganz aktuelle Daten, wieder deutlich auflockern, die zeigen, dass wir ein großes Problem haben. Wir haben ein großes Problem mit unseren Gewässern in (Egbert Liskow, CDU: Enteignung. – Mecklenburg-Vorpommern. Es sind nicht nur morpholo- Zuruf von Udo Pastörs, NPD) gische Defizite, dass die Ufer nicht die Form haben, wie es besser wäre für das Gewässer, sondern hauptsächlich und wir hätten natürlich eine Verringerung der Belas- ist es die Überernährung durch Pflanzennährstoffe, die tungssituation mit den sogenannten diffusen Nährstoffen. Düngung aus der landwirtschaftlichen Praxis. (Andreas Butzki, SPD: Spätestens hier wird klar, wir brauchen eine weitere, Nee, diffus ist was anderes.) deutlichere Reduktion der Schadstoff- und Nährstoff- frachten in den Flüssen und hier können die Randstreifen So heißt der Fachbegriff. einen wichtigen Beitrag leisten. Sie sind sicherlich nicht alles, sie können nicht alles erledigen, aber sie können Wir hätten eine leichtere Zugänglichkeit der Ufer, auch einen ganz wichtigen Beitrag leisten und sie haben diese für Pflegearbeiten der Wasser- und Bodenverbände – da wunderbare Mehrfachfunktion. Sie können nicht nur in erinnere ich an die Rede von Herrn Minister Backhaus Bezug auf die Nährstoffe einen Beitrag leisten, sie haben auf dem Verbandstreffen Anfang des Jahres –, und wir auch als Lebensraum und für das Landschaftsbild eine hätten eine Erhöhung der Chancen, die Vorgaben der positive Wirkung. Diese Randstreifen stoppen oder Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen. Wir hätten auch eine bremsen den Oberflächenabfluss. Die im Randstreifen Verringerung der Folgen von Wassererosion. wachsenden Pflanzen könnten einen Teil der überschüs- sigen Nährstoffe aufnehmen, sie könnten eine Filterwir- Einige mögen es bereits erkennen: Ja, wir wollen die kung ausüben und einen Schutzstreifen für Pestizide Regelungen, die es als Paragraf 81 einmal gab, die wol- bieten. Wie gesagt, die industrielle Landwirtschaft ist der len wir in einer den heutigen Bedingungen angepassten 30 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Neuformulierung wieder in Kraft setzen. Wir sehen hier wollen Landwirtschaft und Umwelt in einer Einheit und auch Öffnungsklauseln, denn die Länder können abwei- gemeinsam sehen. Ob im Agrarausschuss über das chende Regelungen erlassen. Wir warten ja auf eine Thema Antibiotikaminimierung, im Landtag über das Novelle vom Landeswassergesetz, wir sehen also auch Thema Tierhaltung oder jetzt über Gewässerschutz dis- formaljuristisch wirklich Möglichkeiten, hier eine neue kutiert wird, es wird immer deutlich, dass Sie versuchen, Regelung einzuführen, und wir können uns auf das Bun- ein gewisses Feindbild zu konstruieren. desnaturschutzgesetz beziehen, wo unter Paragraf 21 Biotopverbund und Biotopvernetzung gefordert werden. (Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Werte Damen und Herren, mit einem Grundsatzbe- Diese Betrachtungsweise halte ich nicht für richtig. schluss gemäß dem Antrag – ich komme zum Schluss – könnten wir endlich die Novellierung des Landeswasser- Gerade von meinen Amtskolleginnen und -kollegen der gesetzes in eine gute Richtung lenken. – Ich danke für GRÜNEN – bitte, machen Sie das ernsthaft mal, unter- Ihre Aufmerksamkeit. halten Sie sich mit denen,

(Beifall vonseiten der Fraktion (Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Das hat vielleicht eher was mit dem Andreas Butzki, SPD: Zwei Beifälle.) Bauernverband zu tun.)

Vizepräsidentin Beate Schlupp: Im Ältestenrat wurde unterhalten Sie sich wirklich mal ernsthaft mit Ihren Kol- eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten leginnen und Kollegen – wird mir immer gesagt: Mensch, vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann wie macht ihr das da bloß in Mecklenburg-Vorpommern? ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Vor uns steht die Tourismussaison und Sie zeichnen Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Land- wieder ein Bild, so nach dem Motto: Das Badewasser ist wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Back- in Ordnung, also baden gehen könnt ihr, aber kommt hier haus. bloß nicht her, weil industrielle Landwirtschaft hier statt- findet (Egbert Liskow, CDU: Da muss aber noch einiges richtiggestellt werden. – (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Andreas Butzki, SPD: Aber mehr! – DIE GRÜNEN: Da haben Sie Maika Friemann-Jennert, CDU: Alles.) nicht richtig zugehört, nein.)

Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- und das ganze Land mit Verpestung, mit Pestiziden, tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Wasser Insektiziden, Fungiziden und mit industriellen Tierhal- ist Leben. Wasser ist das wichtigste Lebensmittel dieser tungsanlagen übersät worden ist. Mitnichten ist das so! Erde. Ohne Wasser würde es kein Leben auf dieser Erde geben. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da haben Sie nicht richtig (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) zugehört! Tierhaltung kam auch vor.)

Wenn man sich den Antrag anschaut, und ich habe ihn in Mitnichten ist das so! Im Übrigen, die moderne Landwirt- Ruhe gelesen, dann wird beim Lesen des Antrages eins schaft, und Sie hätten ja gerne dabei sein können … deutlich, nämlich dass das Feindbild der GRÜNEN die Landwirtschaft ist. Im Übrigen bin ich auch ein bisschen traurig, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Mecklenburg-Vorpom- (Zurufe von Andreas Butzki, SPD, mern haben wir eine Binnengewässerschau durchgeführt Burkhard Lenz, CDU, und mit den Wasser- und Bodenverbänden. Es waren alle Egbert Liskow, CDU) Umweltverbände eingeladen. Bestimmte Verbände wa- ren mal wieder nicht dabei. Und ich sage Ihnen, eine der ältesten Kulturen, die wir auf dieser Erde zum Glück haben, ist die Agrikultur. (Burkhard Lenz, CDU: Die wollen das ja nicht sehen. Die wollen das nicht sehen.) (Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist doch klar, warum man zu solchen fachlich fundier- ten Veranstaltungen nicht kommt, Wenn man sich fachlich und sachlich mit dem Thema auseinandersetzt, dann nimmt man natürlich, (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, weil das dazu führen könnte, dass sich das Feindbild BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vielleicht gegenseitig aufhebt. Ich bedauere das zutiefst. dann nimmt man natürlich zur Kenntnis – Gerade mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen der GRÜNEN der Nachbarländer arbeiten wir hier auf (Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU sehr hohem fachlichem Niveau zusammen. Und siehe und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) da, man schreibt unsere Gesetze ab, das Grünlanderhal- tungsgesetz in Schleswig-Holstein, Entschuldigung –, dass die Herangehensweise uns in wirklich genereller Art und Weise unterscheidet. Wir (Egbert Liskow, CDU: Weil da „Grün“ drinsteht.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 31 von Niedersachsen wird es gerade übernommen. Ja, und wenn Sie in Mecklenburg-Vorpommern 100.000 Hektar aus der Produktion nehmen, wissen (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, Sie, was das bedeutet unter dem Strich? – Dass Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 100 Millionen Euro an Umsatz in diesem Land nicht mehr zur Wirkung kommen lassen wollen. Oder das Moorschutzprogramm wird in Niedersachsen von Mecklenburg-Vorpommern aus übernommen. Auch (Burkhard Lenz, CDU: Richtig.) in Nordrhein-Westfalen ist man dabei, das Grünlander- haltungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern 100 Millionen, in zehn Jahren sind das 1.000 Millionen, zu übernehmen. 1 Milliarde. Ich sage noch einmal: Ein Gespenst geht um, die GRÜNEN kommen! (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Beifall vonseiten der Fraktionen Darum geht es heute nicht.) der SPD und CDU)

Wir bewegen gemeinsam viele Dinge im Interesse des Und deswegen sage ich hier ganz klar Nein, Nein zu Naturschutzes und der Landwirtschaft. Oftmals werden solchen Ideen. Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern gerade auch von anderen Bundesländern kopiert. Also so schlecht Die Landesregierung im Übrigen ist sich dessen bewusst, können wir dann – mit Verlaub – wohl nicht sein. sodass sie die hohe Schutzwürdigkeit der Gewässer in den Randbereichen auch weiter ausbauen will. Zu den (Andreas Butzki, SPD: Richtig.) Investitionen im Abwasser- und Trinkwasserbereich: Allein im Bereich des Abwassers haben wir 2,5 Milliarden Euro Und im Übrigen, wenn Sie sich das Ausbildungsniveau in den letzten Jahren investiert. Allein 571 zentrale Kläran- der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern an- lagen und 49.000 Kleinkläranlagen sind in diesem Bundes- schauen, im Vergleich zu anderen Bundesländern ran- land erneuert worden. Damit haben wir die höchsten Stan- gieren wir wissensbasiert an erster Stelle. dards, die es überhaupt in Deutschland gibt, mittlerweile erreicht, um Nährstoffe und auch Schadstoffe zu verrin- (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ gern. DIE GRÜNEN: Jetzt kommt also eine neue Grundsatzrede?!) Im Übrigen reden Sie ja immer von Pflanzenschutzmit- teln, von Düngemitteln, aber geflissentlich vernachlässi- Wissensbasierte Grundlagen, und deswegen ist es gen Sie die anderen Dinge, nämlich die Medikamente. unbestritten, dass durch die Anlage von Pufferstreifen Ich habe vorhin schon ganz bewusst von Medikamenten oder Schutzstreifen entlang aller Fließgewässer, Seen gesprochen. Das ist für Sie kein Problem. Entschuldi- und Kleingewässer ein Biotopverbund verbessert wird. gung, das ist kurzsichtig und einseitig! Das ist eine Binsenweisheit, dazu brauchen wir Sie nicht. Und wenn Sie sich überlegen – und diese Aussage muss Wir haben im Übrigen allein beim Phosphor – bitte neh- man mal wahrnehmen, auch in der Öffentlichkeit –, wir men Sie das zur Kenntnis! – seit 1990 eine Verringerung haben 46.000 Kilometer Gewässer. 46.000 Kilometer! von 614 Tonnen pro Jahr auf 191 Tonnen. Wenn man Davon sind im Übrigen, Frau Karlowski, 8.000 Kilometer das hochrechnet, dann ist das eine Reduzierung von im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie instand zu set- 300, fast 400 Prozent. Das sind doch Leistungen, die wir zen. auf den Weg gebracht haben, die sich auch sehr wohl widerspiegeln. Ja, da sind wir vorangekommen. Erhebliche Investitionen sind erfolgt, über 100 Millionen sind in den letzten Jahren Es ist richtig, was Sie angedeutet haben: Mecklenburg- hier investiert worden. Und auch da sage ich, Biotopver- Vorpommern entwässert sich über die großen Flüsse in bundsysteme werden besser. Sie fordern zehn Meter an Richtung Ostsee und Nordsee, und dass es der Ostsee jeder Uferseite. Eben haben Sie noch einen draufgelegt, schlecht geht, wissen wir alle zusammen. Aber nicht so nach dem Motto, sobald Sie aus dem Dorf rauskom- Mecklenburg-Vorpommern ist der Hauptverursacher, men, muss überall wenigstens ein 10-Meter-Streifen sondern unsere Nachbarländer. sein. Warum eigentlich nicht fünfzig Meter? Nee, warum eigentlich nicht hundert Meter? Wissen Sie, was das (Zuruf von Andreas Butzki, SPD) bedeutet? – Hier muss gemeinsam an einem Strang gezogen werden. (Egbert Liskow, CDU: Enteignung.) Ich sage noch mal, das Gespenst der GRÜNEN darf da Dass Sie die Enteignung der Grund- und Bodeneigentü- nicht umgehen, sondern wir müssen die Reduzierung mer in diesem Land vornehmen. vornehmen. Deswegen sage ich hier auch noch mal ganz klar, wir haben die höchsten Standards und wir gehen (Burkhard Lenz, CDU: Ja.) über bundesdeutsches Recht hinaus.

Warum predigen Sie nicht gleich eine neue Bodenre- Im Übrigen, wenn man wissensbasiert arbeitet, und ich form? Ein Gespenst geht um, die GRÜNEN kommen, tue das, vor allen Dingen konzeptionell, dann muss man sage ich Ihnen. eines zur Kenntnis nehmen: Der Gewässerrandstreifen hilft nur partikular. Der entscheidende Punkt ist, wie krie- (Beifall vonseiten gen wir die diffusen Nährstoffe reduziert, der Fraktionen der SPD und CDU – Egbert Liskow, CDU: Ja.) (Burkhard Lenz, CDU: Richtig.) 32 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 und zwar auf der Fläche. Wir wissen heute – Sie wissen werde, geschehen wird, wo sie da stehen. Und da kann es auch sehr genau und wenn Sie ehrlich sind, sagen Sie man sich dann nicht mehr rausreden. das auch –, das Hauptproblem, das wir in diesem Land haben, ist, dass über Dränagen auf der Gesamtfläche das (Torsten Renz, CDU: Problem entsteht. Das heißt, wir müssen die Gesamtnähr- Und was sagen Sie dazu? – stoffsituation in diesem Land in den Blick nehmen, und Zuruf von Egbert Liskow, CDU) nicht einen Randstreifen. Über Enteignungen oder Ideolo- gie kommen wir damit keinen Millimeter weiter. Im Übrigen, die Reduzierung der Tierhaltung hat einen großen Anteil an der Reduzierung der Einträge nach sich Im Übrigen ist eines auch klar – Sie haben dankenswert- gezogen. Wir sind nach wie vor die viehärmste Region erweise darauf hingewiesen –, dass zum Schutz von Europas. Aus den fachlichen Gründen heraus sieht Gewässern vor Einträgen erstens der Aktionsplan gilt – das Konzept ganz klar vor, dass wir auf eine reine, aus der Aktionsplan, der gilt deutschlandweit, nehmen Sie Ihrer Sicht pauschale Reglementierung in der Landwirt- das bitte zur Kenntnis! – und wir mit der Düngemittelver- schaft verzichten werden, sondern wir müssen betriebs- ordnung und der Pflanzenschutzmittelverordnung recht- und hof-, wenn man es so will, hofbasierte Bilanzen auf- lich verbindliche Vorgaben in der Landwirtschaft und stellen. damit im öffentlichen Raum haben. Und wir kontrollieren, und zwar scharf, über Cross Compliance. Im Übrigen, für (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ die Gewässerüberwachung, das haben Sie ja auch dan- DIE GRÜNEN: Hoftorbilanz, kenswerterweise angedeutet, geben wir jedes Jahr – nur meinen Sie das vielleicht?) für die Überwachung, Frau Dr. Karlowski – über 4 Millio- nen Euro aus. Ich meine auch die Hoftorbilanz, aber wir wollen weiter gehen. Wir brauchen betriebsinterne Daten, und darauf Im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser basierend, das sage ich Ihnen heute schon, werden Ihre arbeitet mein Haus, unser Haus an weiteren bundeswei- Kolleginnen und Kollegen in den älteren Bundesländern ten Regelungsvorschlägen und wir haben die Federfüh- ein Riesenproblem bekommen. rung hier übernommen. Wir haben, was die Düngeverordnung – das werden Sie Wie Sie wissen, dürfen Pflanzenschutzmittel und Dün- wahrscheinlich noch ansprechen –, wir werden mit der gemittel nur nach den Grundsätzen der guten fachlichen Düngeverordnung in Mecklenburg-Vorpommern nicht das Praxis angewandt werden. Sie haben auf die Abstände Problem bekommen. Das werden Ihre Kolleginnen und hingewiesen und ich will in dem Zusammenhang auch Kollegen haben, die in den letzten Jahren im Übrigen ausdrücklich unterstreichen, dass wir HELCOM beigetre- über ideologische Themen geredet haben, anstatt wirk- ten sind und damit zusätzliche Maßnahmen eingeleitet lich Lösungen zu finden. Wir schaffen Lösungen, und haben. zwar wissensbasiert.

Ich habe, als ich das Umweltministerium übernommen Ich setze vielmehr vor Ort auf die Umsetzung dieses habe, Konzeptes, und zwar auf freiwilliger Basis, mit Fakten, aus denen die Landwirte vor Ort die Möglichkeit bekom- (Torsten Renz, CDU: 2006.) men, passgenaue Maßnahmen zur Minimierung der Nährstoffeinträge in die Gewässer auswählen zu können. 2006 war das, da habe ich eine der Schwerpunktsetzun- Eine wichtige Rolle spielt dabei im Übrigen die Beratung. gen vorgenommen, und das ist Wasser. Das wissen Sie Ich glaube, wenn Sie auf die Veranstaltungen gehen auch. Ich habe sofort eine Arbeitsgemeinschaft von würden, die wir im Land anbieten – auch hier wurden im Fachleuten, Frau Karlowski, von Fachleuten, nämlich der Übrigen über 250 Veranstaltungen in den letzten Jahren Wasserwirtschaft, des Naturschutzes, der Landwirtschaft, durchgeführt –, ist es die Aufgabe, die beteiligten Land- von Verbandsvertretern und vor allen Dingen aus der wirte hinsichtlich des Gewässerschutzes zu sensibilisie- Wissenschaft berufen, um ein Konzept zur Reduzierung ren und ihnen bei der Ermittlung von betrieblichen und der diffusen Nährstoffeinträge in die Gewässer entwi- standortspezifischen Ursachen der Nährstoffeinträge von ckeln zu lassen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde deutlich, ihren Flächen sowie bei der Umsetzung der Maßnahmen auch durch Studien unterlegt, dass in Mecklenburg-Vor- Hilfestellung zu geben. pommern der Haupteintrag in die Gewässer nicht über die Oberfläche vonstattengeht, sondern über Dränagen. Weiterhin gehe ich davon aus, im Übrigen einmalig in Nehmen Sie das bitte noch mal zur Kenntnis! Deutschland, dass unsere Agrarumweltmaßnahmen den Landwirten über die freiwillige Basis eine Lösung an- Ferner sind Einträge in Gewässer regional und lokal sehr bieten werden. Wir werden für die Anlage von Gewässer- unterschiedlich. Im Übrigen spielt da natürlich die Geolo- randstreifen, Erosionsschutzstreifen, aber auch von gie, da spielen aber auch die Witterung, die Fruchtfolge Schonstreifen und Blühflächen bis hin zum Alleenschon- und verschiedene andere Faktoren in diesen Bereich streifen – ich habe das gestern schon mal angedeutet – hinein. Das sollte man sich aus grüner Sicht mal ein einen Maßnahmenkatalog anbieten, den es in dieser bisschen näher zu Gemüte führen. Auch sind die ein- Form in Deutschland noch nie gegeben hat. Im Übrigen zugsgebietsbezogenen Reduktionsziele für die Gewässer sind allein für diese Maßnahmen 28 Millionen Euro, Frau unterschiedlich, und müssen von den Fachleuten weiter Karlowski, vorgesehen. Das haben wir mit den Umwelt- bestimmt werden. verbänden und mit dem Bauernverband in hervorragen- der Weise gemeinschaftlich erarbeitet. Wir sind die Ersten im Übrigen, die Ersten in Deutsch- land! Ich bin gespannt, was bei Ihren Amtskolleginnen Ferner ist im ELER vorgesehen, für die Förderung der und Amtskollegen in den Nachbarländern in den nächs- Umwandlung von Ackerland in Grünland entlang von ten Wochen und Monaten, wenn ich das veröffentlichen Gewässern Maßnahmen zu entwickeln in einer Größen- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 33 ordnung von bis zu 10 Millionen Euro. Das heißt, wenn me und wir bei der Ausgestaltung der weiteren Entwick- Sie es so wollen, werden wir neben den Wasserrahmen- lung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume den richtlinienmitteln, das sind allein 93 Millionen in der neu- Zusammenhang, nämlich Nutz- und Schutzfunktion, mit en Förderperiode, zusätzlich diese 38 Millionen, wenn der Landwirtschaft gemeinsam vorantreiben wollen. wir es zusammenrechnen, noch dazulegen mit dem Ziel, unsere so wichtigen Lebensadern – da sind wir uns Ich halte nichts von Konfrontation, sondern ich halte viel einig –, die 46.000 Kilometer und die über 2.000 Seen in mehr von Kooperation. Sie wollen in dem Bereich nicht diesem Land weiter gesunden zu lassen. Und bitte, das kooperieren, sondern Sie wollen in der Sache den Kon- Gespenst, das Sie hier zeichnen, so nach dem Motto, flikt führen. Ich bitte Sie sehr herzlich darum, sich im unsere Weiher, auch unsere Sölle oder die Kleingewäs- Land kundig zu machen, und Sie werden sehen, Sie ser seien nicht mehr mit Leben erfüllt – ich könnte Ihnen haben eine ganze Reihe von Mitstreitern, die genau das hervorragende Beispiele nennen in diesem Land, wo die machen und wollen, was Sie hier versuchen zu erklären, Rotbauchunken am Wachsen sind, diese Bestände, oder dass wir es nicht machen. In diesem Sinne wünsche ich auch tatsächlich Pflanzenarten oder Habitate gesunden. der Landwirtschaft eine gute Ernte und einen möglichst unfallfreien Verlauf der so wichtigen Arbeiten, die jetzt in Ich bitte Sie auch um Verständnis, dass wir in dem Zu- den nächsten Tagen und Wochen auf uns zukommen. – sammenhang auf zunächst freiwillige Maßnahmen abhe- Herzlichen Dank. ben und nicht auf Zwangsmaßnahmen. Zwang führt immer zu einer Resignation und führt immer auch zur (Beifall vonseiten der Fraktionen Abwehrhaltung. der SPD und CDU)

(Burkhard Lenz, CDU: Vizepräsidentin Beate Schlupp: Der Minister hat die Manchmal auch zum Wutausbruch.) angemeldete Redezeit um vier Minuten überschritten. Diese Zeit steht nach Paragraf 85 unserer Geschäftsord- Ich glaube auch, dass wir uns einig darin sein sollten, nung den nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen dass wir eine Reduktion wollen und erreichen müssen. zusätzlich zur Verfügung. Für mich gilt das Ziel, 50 Kilogramm N nach der Ernte als maximale Obergrenze zu erreichen. Wir liegen heute im Ich rufe jetzt auf für die Fraktion DIE LINKE die Abgeord- Schnitt bei 60 Kilogramm, andere Bundesländer liegen nete Frau Dr. Schwenke. bei 100 Kilogramm – Frau Karlowski, das wissen Sie – nach der Ernte. Das heißt, 80 bis 90 Kilogramm landen Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Frau Präsidentin! in den Oberflächengewässern oder im Grundwasser und Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie das darf so nicht weitergehen! mir zwei Vorbemerkungen.

Nun zu den Vorrangflächen. Im Übrigen, nach der neuen Die eine ist: Entschuldigen Sie bitte, Herr Minister, Sie Agrarpolitik – oder der veränderten, eine neue haben wir mahnen auch immer Sachlichkeit an. Ich finde, hier von ja nicht – müssen die Landwirtschaftsbetriebe fünf Pro- Gespenstern zu fabulieren, das ist nicht sehr sachlich. zent der Flächen in ökologische Vorrangflächen hinein- geben. Diese Verpflichtung werden die Landwirtschafts- Und die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, ist, … betriebe voraussichtlich zu einem wesentlichen Teil in Mecklenburg-Vorpommern erfüllen. Da sind wir auch die (Udo Pastörs, NPD: Einzigen, die eine Verknüpfung zwischen den Vorrang- Aber sehr anschaulich.) flächen und den Schutz-, Rand- und Schonstreifen vor- nehmen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Program- Es trägt zumindest zur Erheiterung bei, habe ich festge- me zu 100 Prozent angenommen werden. Das, was ich stellt. draußen höre, ist, dass die Landwirte sehr dankbar sind, dass wir diese Instrumente jetzt anbieten, sodass damit (Stefan Köster, NPD: eine Nutzung zum Wohle der Natur, aber auch zum Woh- Das ist ja auch mal was.) le der Landwirtschaft stattfinden kann. Die Gespräche mit dem Bauernverband und den Landwirtschaftsbetrieben … in meiner Fraktion sind Bauern keinesfalls ein Feind- bestätigen mich in dieser Frage. bild, trotzdem hindert uns das nicht daran, wenn es not- wendig ist, auch Kritik zu üben und Probleme zu benen- Auch raumordnerisch achten die Landwirtschaft, wir als nen. Wenn alles so toll wäre, wie es manches Mal hier Haus und die Landesregierung nicht nur über die gut- dargestellt wird, dann bräuchten wir uns nicht stundenlang achterlichen Landschaftsrahmenpläne, sondern auch mit der einen oder anderen Frage im Agrarausschuss zu über die aktuelle Fortschreibung des Landesraument- beschäftigen. Aber soweit die Vorbemerkungen. wicklungsprogramms auf die Lebensadern Gewässer. Das steht da im Übrigen so drin, es ist natürlich auch von Liebe Frau Dr. Karlowski, das ist ein schönes Bild, das uns dort eingearbeitet worden in Zusammenarbeit mit Sie in Ihrer Überschrift wählen: „Gewässer als Lebens- dem Energieministerium. Auf der Grundlage der fachpla- adern der Landschaft entwickeln“. Der Organismus nerischen Bewertung können in den Regionalen Raum- Landschaft mit seinen lebenserhaltenden Wasseradern, entwicklungsprogrammen unter Berücksichtigung der das gefällt mir, aber hier geht es ja nicht um Romantik. besonderen Belange Vorbehaltsgebiete Fließgewässer Es ist ein Thema mit sehr ernsthaftem und ernstem Hin- festgelegt werden. tergrund und wir debattieren das nicht zum ersten Mal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meinen Die Entwicklung der Gewässergüte und der ökologischen Ausführungen wird hoffentlich deutlich, dass ich das Funktionsfähigkeit unserer Flüsse und Bäche ist nicht Thema Wasser, sowohl Oberflächenwasser als auch immer eine Erfolgsgeschichte, auch nicht für die Lebens- diesen Schatz des Grundwassers, sehr, sehr ernst neh- räume und -arten an und in den Gewässern. Trotzdem ist 34 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 in den zurückliegenden 20 Jahren gerade in Bezug auf schutzstreifen auf erosionsgefährdeten Flächen quer die Gewässer unseres Landes eine Menge passiert. zum Verlauf der Hangneigung beziehungsweise quer zur Wenn ich da nur an den derzeitigen Stand der Abwas- Hauptwindrichtung und zu Tiefenlinien. serentsorgung denke und den mit 1989 vergleiche, mag ich mir gar nicht mehr so richtig vorstellen, was wir da- Diese Maßnahmen entsprechen den Wünschen der mals alles in die Vorflut oder direkt in die Gewässer ein- anerkannten Naturschutzverbände und wir finden die alle geleitet haben. Der Einsatz von Düngemitteln in unserem gut und richtig. Wir fragen uns deshalb, warum Sie die agrarisch geprägten Land war um ein Vielfaches höher jetzige Landtagssitzung als Zeitpunkt für Ihren Antrag als heute. Unsere Seen und Flüsse hatten unter dieser gewählt haben. Als Beitrag zur Diskussion hätte er sicher Überdüngung stark zu leiden. Ohne strengere Umwelt- besser an den Anfang der Verhandlungen um die Ausge- auflagen aus Brüssel und ohne europäische Fördergel- staltung der Strukturfonds gehört. der für Umweltmaßnahmen wären wir wahrscheinlich auch heute noch längst nicht bei dem Stand, den wir Vorgestern stellte Minister Backhaus die Kabinettsvorla- erreicht haben. ge zum „Entwicklungsprogramm ländliche Räume Meck- lenburg-Vorpommern (EPLR)“ auf einer Pressekonferenz Gut tut uns auch die Wasserrahmenrichtlinie, die den zu vor. Ich denke, es wäre fatal, das mit den Umweltverbän- erreichenden Zustand der Gewässer festlegt und somit den erreichte Ergebnis wieder infrage zu stellen. Das ist europaweit großen Druck erzeugt hat, und das ist gut so. es aber, was Ihr Antrag fordert, zumindest teilweise. In der Mai-Landtagssitzung haben wir hier über den Um- setzungsstand der Wasserrahmenrichtlinie diskutiert und Neue Planungen und Verordnungen sollen auf den Weg mussten konstatieren, dass noch viel zu tun bleibt. Den gebracht werden. In Punkt II.2 Ihres Antrages fordern Sie angestrebten guten Zustand unserer Gewässer haben die Landesregierung auf, dass sie die Pufferstrei- wir noch lange nicht erreicht. Alle Maßnahmen werden fen/Schutzstreifen entlang der Gewässer – in Punkt 1 mit viel Zeit und teilweise auch viel Geld kosten. Jahrhunder- einer Breite von zehn Metern definiert, jetzt „mindestens“ telanges Einwirken des Menschen auf Natur und Umwelt zehn Meter – als ökologische Vorrangflächen zu bestim- hat überall seine Spuren hinterlassen. Insbesondere das men hat. Ökologische Vorrangflächen sind Teil des vergangene Jahrhundert war dabei sehr effektiv. Unsere Greenings, das in der ersten Säule der Gemeinsamen Aufgabe ist es, die negativen Einflüsse unseres Daseins Agrarpolitik (GAP) stattfindet. Deutschland hat sich dafür zu minimieren und einiges von dem wieder gutzuma- entschieden, die entsprechende EU-Verordnung, den chen, was bisher an Schäden verursacht wurde. Paragrafen 46, vollständig zu übernehmen. Damit kann die ganze Vielfalt der von der EU vorgeschlagenen Maß- Es geht um die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, nahmen in Deutschland angewendet werden. Das heißt Wasser ist die wichtigste davon. Es ist durch keinen aber auch, mit der Übernahme ist eine deutsche gesetz- anderen Rohstoff zu ersetzen. Solange das Gleichge- liche Regelung für das Greening nicht mehr erforderlich wichtssystem der Natur erhalten bleibt, wird Wasser und dass es sie auch nicht geben wird. auch nicht wirklich verbraucht oder in seiner Menge reduziert, aber Nitratkonzentration, Pflanzenschutzmit- Jeder Landwirt muss beispielsweise bei den ökologi- tel, Düngerrückstände und andere Schadstoffe belasten schen Vorrangflächen fünf Prozent seiner Fläche für das Oberflächengewässer und leider auch schon das Greening bereitstellen, wenn er die vollen Direktzahlun- Grundwasser. gen aus den EU-Töpfen erhalten will. Ob er Gewässer- randstreifen anlegt, Hecken pflanzt oder nur Zwischen- (Vizepräsidentin Silke Gajek früchte und Eiweißpflanzen anbaut, die mit einem Koeffi- übernimmt den Vorsitz.) zienten auf die fünf Prozent umgerechnet werden, bleibt dem Landwirt überlassen. Wir halten all diese Maßnah- Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen leiden darunter. men für sinnvoll, eine Landesregelung dagegen an dieser Der Aufwand, die Schadstoffe wieder herauszufiltern, Stelle für zweifelhaft. wird immer größer und kostenintensiver. Deshalb wäre es natürlich schon besser, die Gewässer gar nicht erst zu Ihren Wunsch, liebe Frau Dr. Karlowski, die Gewässer- verschmutzen. Deshalb versteht meine Fraktion, und randstreifen auf mindestens zehn Meter zu verbreitern, unterstützt das auch, die Motivation und die Zielstellung kann ich allerdings sehr gut nachvollziehen. Wir sind Ihres Antrages. Auch wir wollen eine positive Entwicklung sehr unzufrieden mit dem, was seit der Reduzierung der der Gewässer in Mecklenburg-Vorpommern. Trotzdem Breite der Gewässerrandstreifen auf einen Meter – ei- fragen wir uns, ob der Anlass und der Zeitpunkt für die gentlich – passiert ist und fordern die Landesregierung Einbringung Ihres Antrages logisch sind. auf, die angemahnten flächendeckenden Ergebnisse des Monitorings zur Auswirkung dieser Reduzierung vorzule- Vor wenigen Tagen hat sich der Begleitausschuss für die gen. Aber uns sagt eigentlich schon der gesunde Men- Europäischen Strukturfonds, in dem unter anderem der schenverstand, dass eine Verbreiterung der Randstreifen BUND und der NABU sitzen, für die Umsetzung des den Gewässern nur guttun kann. Einer verbindlichen ELER entschieden. Gegen die Stimmen von Bauernver- Verbreiterung stehen wir deshalb positiv gegenüber. Das band und Vereinigung der Unternehmerverbände haben hat auch, nach meiner Auffassung zumindest, nichts mit die grünen Verbände unter anderem den Agrarumwelt- Enteignung zu tun. Es ist einfach nur eine Frage, wie maßnahmen unter dem Titel „Förderung der Integration man solche Leistungen für die Gesellschaft auch durch naturbetonter Strukturelemente der Feldflur“ zugestimmt. die Gesellschaft entschädigt. In Mecklenburg-Vorpommern sollen zukünftig folgende vier Strukturelemente oder Streifenvarianten angeboten (Präsidentin Sylvia Bretschneider werden: einjährige Blühstreifen und -flächen, mehrjährige übernimmt den Vorsitz.) Blühstreifen und -flächen, Gewässer- oder Erosions- schutzstreifen, also die Ansaat einer gräserbetonten Man muss nicht unbedingt sozusagen die Flächen kau- Saatgutmischung entlang von Gewässern, Erosions- fen, auch das ist ja freiwillig. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 35

Viel größere Probleme, und da stimmen wir dem Minister Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, wir sind zu, sehen wir allerdings bei dem, was durch eine funktio- uns einig in dem Ziel, die Gewässerbelastung zu reduzie- nierende Dränage in die Gewässer eingeleitet wird. Da ren, allein der Weg unterscheidet uns. Das Konzept des kann eine Verbreiterung von Gewässerrandstreifen nur LU zur Reduktion der diffusen Nährstoffeinträge verzich- sehr marginal positiv wirken. Wir meinen, dass das Land tet vorerst auf neue pauschale Reglementierungen. Der hier unbedingt auch Forschungsarbeit leisten muss, Minister hat es gesagt, wir wollen, dass die Landwirte nämlich wie Einträge aus der Dränage verringert werden aus einem freiwilligen Maßnahmenkatalog die für sie können. Das wäre ein wichtiger Beitrag, um teuren Dün- richtige und passende Maßnahme zur Minderung der ger in der Fläche zu halten, dessen Anwendung auf das Nährstoffeinträge ins Gewässer auswählen können. Mit absolut notwendige Maß zu reduzieren und die Eutro- der neuen Förderperiode ab dem 01.01.2015 bieten wir phierung der Gewässer unseres Landes und der Ostsee dafür die geeigneten Instrumente. Mit den Agrarumwelt- zu verringern. maßnahmen werden Gewässerrandstreifen und Erosi- onsschutzstreifen gefördert. Eine Förderung der Um- Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle- wandlung von Acker in Dauergrünland entlang von Ge- gen, wir sehen die Notwendigkeit, unsere Gewässer zu wässern ist ebenfalls vorgesehen. Im Rahmen des schützen, noch besser vor schädlichen Einträgen zu Greenings ist zu erwarten, dass die Ausweisung von schützen. Der flächendeckende Weg über die Agrarum- Vorrangflächen vorwiegend entlang von Gewässern weltmaßnahmen ist nach unserer Auffassung aufgrund erfolgen wird. Außerdem ist es nicht so, dass die Gewäs- der gerade abgeschlossenen Verhandlungen nicht gang- ser ohne rechtlichen Schutz auskommen müssen. Es bar. Deshalb wird meine Fraktion heute den Antrag der gelten das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes, die GRÜNEN ablehnen. Wir fordern allerdings an dieser Düngeverordnung des Pflanzenschutzgesetzes und das Stelle von der Landesregierung, bei der anstehenden Fachrecht. Novelle des Landeswassergesetzes die Gewässerrand- streifen verbindlich wieder breiter festzulegen sowie In der Raumordnung des Landes wird durch die Flächen- Maßnahmen zu ergreifen, die die direkten Einträge aus vorsorge für Entwicklungskorridore entlang von Gewäs- der Dränierung unserer Flächen verringern. Wenn es sern dem Schutzbedürfnis von Gewässern Rechnung über die Agrarumweltmaßnahmen nicht geht, lassen Sie getragen. So beinhaltet die aktuelle Fortschreibung des uns in den kommenden Haushaltsberatungen über ein Landesraumentwicklungsprogrammes, dass in dem Re- dafür notwendiges Landesprogramm reden, so, wie wir gionalen Raumentwicklungsprogramm Vorbehaltsgebiete es schon einmal hatten. Fließgewässer festgelegt werden können. Wir sehen daher derzeit keinen Bedarf für neue Verordnungen. (Heiterkeit bei Dr. Ursula Karlowski, Ihren Antrag lehnen wir ab. – Danke schön. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Danke schön. und Jürgen Seidel, CDU)

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Saemann. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Schwenke, Frau Dr. Schwenke, so viel Zeit muss sein. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saemann für die Fraktion der SPD. Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist vieles schon gesagt worden, aus die- Nils Saemann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! sem Grund kann ich mich relativ kurzfassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Gewässer als Le- bensadern der Landschaft entwickeln“ – der Titel des Selbstverständlich brauchen wir auch gerade im Bereich Antrages soll wieder einmal implizieren, dass die Lan- der Landwirtschaft einen Bewusstseinswandel. Es ist desregierung den Gewässern bisher nicht die ihnen auch sehr kritisch zu sehen, was alles auf das Feld aus- gebührende Bedeutung zugemessen hat und erst von gebracht wird. Minister Backhaus erwähnte ja schon, das den GRÜNEN aus dem Dornröschenschlaf geholt wer- größte Problem ist noch nicht mal der Randstreifen, son- den muss. Wir alle wissen, dass dem nicht so ist. Ge- dern es sind die Dränagen. wässerschutz hat gerade in unserem Bundesland schon immer eine herausragende Rolle gespielt. Minister Was aber die GRÜNEN wieder mal außer Acht lassen, Backhaus hat das in seiner Rede vorhin eindrucksvoll ist, dass im Bereich der Landwirtschaft und vor allem im dargelegt. Bereich der Landwirtschaft ein enormer Existenzkampf tobt und viele, vor allem kleinbäuerliche Unternehmer Der Antrag will Gemeinplätze durch den Landtag feststel- gar nicht mehr wissen, wie sie das Jahr überstehen sol- len lassen und will in seinem Kern die administrative len. Denen dann noch zusätzlich Verbote aufzuzwingen, Festlegung von Gewässerschutzstreifen in einer Breite mit der Folge, dass sie ihr eigenes Land gar nicht mehr von zehn Metern. Meine Damen und Herren, eine gegrif- so bewirtschaften können, wie sie es wirtschaftlich müss- fene Zahl. Warum nicht acht oder elf oder sechs Meter? ten, das ist kein Allheilmittel. Bis heute ist wissenschaftlich nicht erwiesen, welchen exakten Einfluss Gewässerschutzstreifen im Verhältnis Es stand vor Kurzem in einem Zeitungsartikel, ich glau- zu den diffusen Einträgen in der Fläche auf die Belastung be, in der „Schweriner Volkszeitung“ war es, dass die der Gewässer haben. Eine pauschale Abstandsregelung Landesregierung beabsichtigt zu versuchen, dort mehr wird auch den höchstunterschiedlichen Bedingungen der mit Fördermitteln die Bauern, die Landwirte zu ermun- Gewässereinzugsgebiete in unserem Bundesland nicht tern, damit sie größere Abstände zu Gewässern halten. gerecht. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg. Man kann 36 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 den Landwirten nicht nur immer Verbote aufzwingen, wenn sie an der richtigen Stelle platziert sind. Denn na- sondern man muss sie dabei unterstützen, mehr für die türlich entscheidet die Lage einer solchen etwas artenrei- Umwelt zu tun. – Danke schön. cheren Fläche – was wir ja immer noch hoffen, was es geben könnte –, entscheidet die Lage – ganz wichtig – (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) über ihre Bedeutung, wenn sie dann so liegt, dass sie als Verbindungs- und Trittsteinbiotop genutzt werden könnte. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Das Wort hat jetzt Deswegen haben wir hier dennoch, obwohl es ein später die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski für die Fraktion Zeitpunkt ist, das ist richtig … Aber es ist noch nicht zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. spät, die Feinregelungen kommen ja noch.

Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Der EPLR ist jetzt entschieden, dann geht es zur EU- Präsidentin! Werte Damen und Herren! Kommission und danach werden noch die Richtlinien daraus. Im Nachfeld, wenn die Kommission das geneh- Ja, Herr Backhaus, das kann ich verstehen, dass Sie migt hat, werden die Richtlinien gestrickt und dann wie- dem Thema nicht mehr so viel abgewinnen können. Das der vom Begleitausschuss beschlossen. Von daher sehe muss ja auch richtig wehtun, denn Sie haben zu rot-roten ich den Zeitpunkt in Bezug auf die ökologischen Vorrang- Zeiten gegen die Anträge der CDU die sieben Meter flächen, und darauf bezieht sich der Antrag, nicht auf die tapfer mit verteidigt, und jetzt zu Zeiten der Großen Koali- AUM, schon richtig gewählt. tion mussten Sie das ersatzlos aufgeben Ich möchte noch mal aus der Antwort zitieren, die das (Minister Dr. Till Backhaus: Ministerium selbst gegeben hat auf unsere Kleine Anfra- Das ist Bundesrecht von ge auf der Drucksache 6/2099. Ich zitiere, da hieß es: „Im Frau Künast, das ist Gesetz.) Zuge der Novelle des Landeswassergesetzes ist vorge- sehen, dass die oberste Wasserbehörde durch Rechts- und den 81er komplett streichen. Das muss natürlich verordnung Gebiete an beiden Seiten von Fließgewäs- wehtun. sern 1. und 2. Ordnung ausweisen kann, in denen eine eigendynamische Gewässerverlagerung zugelassen oder Noch mal zu Ihren Vorstellungen, wie viel Fläche verlo- geduldet und damit eine nachhaltige und naturnahe Ge- ren gehen könnte, wenn wir solche Randstreifen hätten. wässerentwicklung entsprechend den Zielen des Be- In Baden-Württemberg beispielsweise gibt es solche 10- wirtschaftungsplans und zur Durchführung des Maß- Meter-Streifen, auch mit dem neuen Wassergesetz, was nahmenprogrammes ermöglicht wird (Gewässerentwick- es dort gibt, worauf wir in Mecklenburg-Vorpommern lungskorridore). Über die Rechtsverordnung können immer noch warten und warten. Ich weiß nicht, wie viele etwaige Nutzungsbeschränkungen gebietsspezifisch Jahre wir noch warten auf die Novelle des Landeswas- geregelt und mit geförderten Agrarumweltmaßnahmen sergesetzes, was uns jedes Jahr wieder angekündigt kombiniert werden.“ Eigentlich ist das genau das, wird. (Zuruf von Andreas Butzki, SPD) (Minister Dr. Till Backhaus: Wir haben ein Landeswassergesetz.) was wir mit unserem Antrag noch mal anstupsen wollen, denn das, was die Kleine Anfrage als Antwort hervor- In Baden-Württemberg gibt es also zehn Meter, und bringt, ist genau das, was wir hier auch sagen. Eigentlich dort heißt es dann, von der Gesamtackerfläche sind müssten Sie unserem Antrag daher zustimmen, da das ja 0,2 Prozent betroffen, 0,2 Prozent der Ackerfläche. Und Ihre eigene Antwort ist. in Baden-Württemberg haben sie in das neue Wasser- gesetz noch eine Entschädigungsregelung dafür ein- (Zuruf von Burkhard Lenz, CDU) geflochten, wenn der Bewirtschafter zu unzumutbaren Belastungen gezwungen wird Also das überrascht mich doch.

(Andreas Butzki, SPD: Wie viel Ackerfläche Noch mal ein Gedanke zur Gestaltung dieser Gewässer- haben die in Baden-Württemberg?) randstreifen. Wir sind der Meinung, diese Randstreifen sollten wirklich sichtbar sein, sichtbar für alle, die dort durch die Randstreifen. Das wäre doch ein gutes Vorbild, arbeiten. Dann kann die Feldbearbeitung dort stoppen, denn man weiß, wo der Streifen liegt, und es wird sich (Andreas Butzki, SPD: Die haben positiv auf das Landschaftsbild auswirken. Ob die Aus- nur Weinanbaugebiete.) gestaltung dieser Randstreifen mit oder ohne Gehölzen stattfindet, das kann man schön nachgucken in den gut- woran Sie sich hier auch orientieren könnten, und nicht achterlichen Landschaftsrahmenplänen, wo genau fest- solche Panik schüren bei 0,2 Prozent der Fläche. gelegt wurde, welche Räume eher für strukturarme Tier- und Pflanzenarten offen gehalten werden sollen, denn es Dann die Geschichte mit den ökologischen Vorrangflä- gibt Vogelarten, die lieben die freie Sicht, chen und den Agrarumweltmaßnahmen: Ich bin mir be- wusst, dass in den Agrarumweltmaßnahmen gute Pakete (Burkhard Lenz, CDU: Ach nee!) enthalten sind, was die zweite Säule angeht, aber wir reden ja von der ersten Säule. Wenn ich von ökologi- die würden also in einer hecken- und gehölzreichen schen Vorrangflächen rede, dann geht es um das Gree- Landschaft nicht mehr auftreten. In diesen Bereichen, wo ning, da geht es um die erste Säule, da geht es um die Wiesenvögel oder Gänse ihre Nahrung suchen oder wo Direktzahlung für die Fläche. Die Anregung, die wir mit der Kiebitz brütet, dem Antrag hier geben, ist eben, dass die ökologischen Vorrangflächen dann besonders wirksam sein können, (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 37 da bietet sich die Ausgestaltung dieses Randstreifens Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in Form von Dauergrünland an. Genau so etwas findet NEN auf Drucksache 6/3063 zuzustimmen wünscht, den man auch in den gutachterlichen Landschaftsrahmen- bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt dage- plänen. So haben wir einerseits die gewünschte optische gen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Wirkung, aber wir haben auch die freie Sicht für die Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Vögel. GRÜNEN auf Drucksache 6/3063 bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ablehnung (Burkhard Lenz, CDU: Siehste wohl!) durch alle anderen Fraktionen abgelehnt.

Und die mit Gehölzanpflanzungen – das ist ja unsere Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe auf den oberste Priorität – entstehende Kammerung der Land- Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der schaft, die Belebung der Monotonie der großen Schläge, Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – die in bestimmten gutachterlichen Landschaftsrahmen- 100 Prozent Gleichstellung jetzt! Hissen der Regenbo- plänen genau definiert ist – wo wir eine Strukturarmut genfahne als Zeichen für Toleranz, Akzeptanz und Soli- haben –, das ist ein ganz wesentlicher Effekt dieser Ufer- darität auf öffentlichen Gebäuden generell erlauben!, auf randstreifen, den wir befördern wollen, denn so können Drucksache 6/3104. wir auch die verloren gegangene Akzeptanz der Land- wirtschaft wieder reparieren. Wir können da entgegen- Antrag der Fraktionen wirken. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE 100 Prozent Gleichstellung jetzt! Hissen der (Burkhard Lenz, CDU: Wer sagt denn, Regenbogenfahne als Zeichen für Toleranz, dass die Akzeptanz verloren gegangen ist?) Akzeptanz und Solidarität auf öffentlichen Gebäuden generell erlauben! Da, wo wir Vogelgesang in der Luft hören, wo Gehölze – Drucksache 6/3104 – die Ackerlandschaft auflockern, da hat das suchende Auge wieder einen Halt und einen Anreiz, die Landschaft Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau zu genießen. So viel zu den Randstreifen und zu Baden- Vizepräsidentin Silke Gajek. Württemberg. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Nun noch mal kurz zu den Verbänden, die damals ganz Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- stark dafür gekämpft haben, dass die sieben Meter blei- ren Abgeordnete! Ja, die letzten zwei Wochen hat uns ben. Da gehören der Landesanglerverband dazu, der immer wieder eins bewegt, nämlich das Hissen oder NABU, der BUND, aber auch der Landkreistag und der Nichthissen der Regenbogenfahne. Wir als BÜNDNIS 90/ Städte- und Gemeindetag. Alle diese Verbände haben DIE GRÜNEN und dann auch DIE LINKE haben gesagt, damals dafür gekämpft, dass die sieben Meter erhalten da müssen wir hier parlamentarisch Zeichen setzen. bleiben, dass der Paragraf 81 bleibt. Und wer hat dage- „100 Prozent Gleichstellung jetzt!“ sollte nicht nur eine gen gekämpft? Das wissen wir alle – der Bauernverband. Worthülse sein, sondern es sollte auch gut sichtbar sein.

Ich denke, das, was die Große Koalition hier an den Tag Unser Antrag, den wir hier stellen, gliedert sich in drei legt, ist eine Bauernverbandspolitik, und das ist kein Punkte. Der erste stellt fest, dass wir die Gleichstellung repräsentatives Bild der Verbände, die hier im Land eine von homo-, bi- und transsexuellen sowie intersexuellen Rolle spielen. Daher ziehen wir unseren Antrag, so, wie Frauen und Männern, Menschen voranbringen möchten. es dauernd gesagt wird, keinesfalls zurück. Wir werben Dazu möchte ich die „Süddeutsche Zeitung“ vom 30.06. weiterhin für diesen Antrag und ich werbe für Ihre Zu- einmal zitieren. Und zwar hat die CDU-nahe Konrad- stimmung. Adenauer-Stiftung dort festgestellt, ich zitiere: „Mutter – Vater – Kind?“, das war gestern, sozusagen als Über- (Andreas Butzki, SPD: Mit der Zustimmung, schrift. Aber was ist dort zu lesen? Da möchte ich einen das ist aber mit der Rede nicht getan.) Punkt nennen, der vielleicht die Debatte hier heute vo- ranbringt und auch den Innenminister zum Umdenken Danke schön. führt. Ich zitiere: „Landläufig verstehe man unter Familie aber zu fast 90 Prozent auch homosexuelle Paare, (Beifall vonseiten der Fraktion Patchworkkombinationen oder Alleinerziehende. Es sei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eine ,zentrale Schwäche‘ der Politik, der Vielfalt des Familienlebens nicht ausreichend gerecht zu werden, so Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau die Erkenntnis.“ Zitatende. Das heißt, auch die CDU- Dr. Karlowski. nahe Konrad-Adenauer-Stiftung gibt dort eigentlich einen Weg vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstim- mung. Worum geht es nun? Es geht um eine Fahne, die sechs Farben trägt. Sie hatte einmal sieben, aber wir diskutie- Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Frakti- ren zurzeit über sechs Farben. Das ist rot für das Leben, on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3119 orange für die Gesundheit, gelb für die Sonne, grün für abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte die Natur, blau für Harmonie und violett für den Geist. ich um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt Und diese sechs Farben, früher sieben, haben eine lange es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist Tradition. Es fing schon an im Jahre 1525 mit der Fahne der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Thomas Müntzers. In den Bauernkriegen in und um Mühl- GRÜNEN auf Drucksache 6/3119 bei Zustimmung der hausen in Thüringen versammelte Müntzer 7.000 Mann Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ablehnung unter der Regenbogenfahne zum Aufstand gegen die durch alle anderen Fraktionen abgelehnt. Fürsten. Das steht für Gleichheit. 38 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Deswegen hoffe ich, dass am 5. Juli vor der Staatskanz- lei die Regenbogenfahne weht, weil auch dort wird der 1961 war die Fahne in der italienischen Friedensbewe- CSD vorbeiführen. gung Pace. Wir erinnern uns alle. 2003 hing diese Fahne mit sieben Farben und steht heute für Frieden. 1968 – (Torsten Renz, CDU: Das ist ja ein das wird vielen von Ihnen bekannt sein – sind es die Angriff auf den ländlichen Raum.) Farben der Schwulen und Lesben, nämlich sie wurde erstmals getragen zur Trauerfeier für die Filmschauspie- Ich denke, es wäre ein schönes Zeichen, wenn diese lerin Judy Garland. Mit ihrem Lied „Over the rainbow“, Fahne dort weht und wenn wir vielleicht auch perspekti- das wir alle aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“ visch eine Fahne bei uns vor dem Landtag haben. kennen, beschwört das Land etwas, nämlich Freiheit. Und dann 1978 die Fahne der Lesben- und Schwulen- Aber wo hängt diese Fahne noch? bewegung, erstmals 1979 auf dem Protest- und Trauer- marsch für den ermordeten Harvey Milk, der ein schwul (Torsten Renz, CDU: lebender Stadtrat von San Francisco war. Da steht sie für Sie hängt nicht, sie weht!) Vielfalt. Sie hängt in Wismar vor dem Filmbüro, sie hängt bei den Wir in Mecklenburg-Vorpommern sind ein Land der Tole- Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE ranz, der Vielfalt und der Weltoffenheit, nur an einem und FDP in Schwerin, auch der Einzelhandel beteiligt scheitert es: Es ist ein Fähnchen mit sechs Farben. Das sich, nämlich im Schlossparkcenter, im Vereinshaus in finde ich, mit Verlaub, schwierig. der Lübecker Straße und auch in der AOK Nord Ost und bundesweit vor vielen Rathäusern, Regierungs- und Wo hängen diese Fahnen in unserem Bundesland? Landtagsgebäuden.

In Schwerin seit dem 02.06. Und es gibt ein Heft zu den Ich denke, es zeigt, dass wir hier vielleicht nicht auf Schweriner Kulturtagen, darin steht, auch das möchte ich Bismarcks Spruch warten sollten, sondern Farbe be- zitieren: „Mit dem Hissen der Regenbogenfahne vor dem kennen sollten, Farbe bekennen und Flagge zeigen. Ich Schweriner Rathaus werden auch 2014 die CSD-Kultur- denke, gerade die Argumentation des Innenministers, tage eröffnet.“ Über zwei Wochen weht sie dort als Sym- zu sagen, es handelt sich hier um eine private Organi- bol für Weltoffenheit und Akzeptanz. Ich selbst war bei sation, der Flaggenhissung dabei, Kollege Foerster auch, und wir können uns immer noch davon überzeugen, sie (Andreas Butzki, SPD: Ja.) hängt. ich habe doch deutlich dargelegt, dass es mitnichten eine Sie wurde auch gehisst in Wismar. Da ist sie in der letz- private Organisation ist, sondern eine weltweite Bewe- ten Woche geklaut worden. Jetzt hängt mehr oder weni- gung. Wollen wir in Mecklenburg-Vorpommern weltoffen ger ... sein, dann erwarte ich, dass diese Fahne hängt,

(Torsten Renz, CDU: Sie (Andreas Butzki, SPD, und hängt nicht nur, sie weht auch.) Torsten Renz, CDU: Weht!)

Ja, wenn Wind ist. ohne dass es irgendwelche Ausflüchte gibt.

Aber sie wehen in Wismar und in Boizenburg. (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf von Torsten Renz, CDU) Nein, Herr Caffier, ich bin einfach von dieser Ignoranz In Boizenburg ist etwas passiert, wo wir sagen, wie weit wirklich geschockt. Sie stellen sich hin und sagen, es ist sind wir denn davon entfernt. In Boizenburg ist diese eine private Fahne. Was fällt Ihnen eigentlich ein? Fahne letzte Woche abgenommen worden und die Deutschlandfahne hing auf Halbmast. (Zuruf von David Petereit, NPD)

(allgemeine Unruhe – Das ist nicht der Gartenverein, das ist nicht der Kleintier- Udo Pastörs, NPD: Das ist züchterverein, es ist die Regenbogenfahne, keine Fahne, das ist eine Flagge.) (Torsten Renz, CDU: Haben Ich denke, das sind Zeichen dafür, wie weit wir mit Tole- Sie was gegen Kleintierzüchter?) ranz, Vielfalt und Weltoffenheit sind, und es ist ein Zei- chen dafür, dass wir weltoffen sind. wo sechs Farben für Weltoffenheit stehen. Ich denke, es ist ein Zeichen, auch mit der Zeit zu gehen und hier das Ich möchte noch einmal auf den Schweriner CSD zu- zu öffnen. rückkommen. Da gibt es ein Grußwort des Schirmherrn . Erwin Sellering stellt fest, ich zitiere: (Andreas Butzki, SPD: Sie „Homosexualität ist in unserer Gesellschaft immer noch müssen zum Plenum sprechen.) ein Tabuthema, gerade im ländlichen Raum.“ Ja, das scheint so zu sein. Wie bitte?

(Torsten Renz, CDU: Hat er da eine (Andreas Butzki, SPD: Sie Studie? Woher weiß er das so genau?) müssen zum Plenum sprechen.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 39

Ja, Herr Butzki, aber ich kenne es so, Menschen anzu- bogenfahnen wehen, ohne Wenn und Aber. – Ich danke gucken, wenn ich mit ihnen rede. für die Aufmerksamkeit.

(Andreas Butzki, SPD: Ja, aber da (Beifall vonseiten der Fraktionen müssen Sie nach vorne gucken.) DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Stefanie Drese, SPD) Ich finde nicht, dass er mein Rückenteil sehen soll. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau (Torsten Renz, CDU: Gajek. Nee, nee, nee, so geht das nicht!) Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Und was ich tue, entscheide immer noch ich, Herr Butzki, von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu ja. keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. (allgemeine Unruhe – Beifall vonseiten der Fraktion Das Wort hat der Innenminister des Landes Mecklen- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) burg-Vorpommern Herr Lorenz Caffier.

Also bitte, wir sind hier nicht im Kindergarten, sondern ich Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- habe hier ein Recht. Mein Anstand gebührt es, wenn ich men und Herren! mit Herrn Caffier spreche, dass ich ihn auch angucke. Liebe Frau Gajek, das eine oder andere Problem haben (Andreas Butzki, SPD: Das Sie schon in den Ausführungen zu Ihrem Rechtsver- gibt die Geschäftsordnung nicht her. – ständnis zum Ausdruck gebracht. Sie sprechen von Fah- Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU) nen, ich spreche von Flaggen.

Aber noch mal zurück zur Fahne. Ich finde es nicht mehr (Udo Pastörs, NPD: Richtig.) lächerlich, Herr Renz, sondern ich finde, es ist eine ernsthafte Angelegenheit. Und ich finde es auch eine Damit ist eine der Fragen schon mal ganz klar geklärt, ernsthafte Angelegenheit, wie die CDU sich positioniert, denn für Flaggen gibt es eine Flaggenverordnung. Wenn wir wollen das nicht und dann hängt sie nicht. Das geht Sie von Fahnen reden, weiß ich nicht, wie die Fahne nicht. Ich denke, wir brauchen hier ein flächendeckendes dann in die Flaggenverordnung kommt. Meer von Regenbogenfahnen und dieses vielleicht nicht nur einen Tag, sondern zwei Wochen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da kann man ja was ändern.) (Maika Friemann-Jennert, CDU: Och!) Und im Übrigen weht eine Fahne und hängt nicht, aber Aber ich möchte mit einem Zitat enden, und zwar einem das nur ganz nebenbei. chinesischen Sprichwort: „Wenn der Wind der Verände- rung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Unser Grundge- Windmühlen.“ setz ist ein wunderbares Werk.

(Zuruf von Udo Pastörs NPD) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber das muss geändert werden.) Herr Innenminister, kämpfen Sie nicht gegen unsere regenbogenbunten Windmühlen, Das habe ich in den letzten Tagen beim Durchlesen und in Vorbereitung der Rede wieder häufig so festgestellt. (Michael Andrejewski, NPD: Nach dem Grundgesetz sind alle Menschen frei und Auch noch Regenbogenwindmühlen!) gleich an Würde und Rechten geboren. Das Grundgesetz unterscheidet die Wertigkeit eines Menschen nicht nach machen Sie das dafür, dass wir nächstes Jahr keine Aus- Religion, nach Hautfarbe und nach Herkunft. Und das nahmegenehmigungen brauchen, irgendwelche Schreiben Grundgesetz unterscheidet auch nicht nach Geschlecht oder irgendetwas. Ich möchte nächstes Jahr hier im Land beziehungsweise nach der sexuellen Identifikation. Das die Regenbogenfahne hängen sehen. Grundgesetz gilt für Homosexuelle, für Heterosexuelle, für Bisexuelle, für Transsexuelle, für Transgender und (Udo Pastörs, NPD: Auch hier im Landtag.) Intersexuelle. In ihrem Alltag sind Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle und Intersexuelle sicher noch nicht Ich habe ihn jetzt angeguckt und auch Ihnen möchte ich angemessen akzeptiert und gleichgestellt. Das ist über- das auf den Weg geben. Ich hoffe, liebe SPD – ich bin haupt nicht die Frage. Diskriminierung findet mittelbar gespannt, was nachher gesagt wird –, dass wir hier ge- oder unmittelbar statt, durch Strukturen, wenn zum Bei- meinsam etwas auf den Weg bringen. spiel qualifizierte Anlaufstellen fehlen, oder von Person zu Person, etwa durch herabsetzende, ehrverletzende (Peter Ritter, DIE LINKE: Das Äußerungen. kann ich schon vorher sagen.) Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- Ich kenne das parlamentarische Prozedere. Es ist wahr- gen! Mecklenburg-Vorpommern soll ein Land sein, in scheinlich so, dass Sie ablehnen werden, aber ich denke, dem Vielfalt gelebt und erlebt werden kann. Mit dem in wenn wir eine ernstgemeinte Gleichstellungspolitik wol- Erarbeitung befindlichen Landesaktionsplan für die len, dann gehört es dazu, dass in diesem Land Regen- Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtli- 40 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 cher Vielfalt werden die Vielfalt und die Gleichstellung, Meine Meinung ist hier offensichtlich hinreichend deutlich glaube ich jedenfalls und bin überzeugt, auch in Meck- geworden. Ich erkenne sowohl die Ehe als auch die ein- lenburg-Vorpommern weiter vorangetrieben. getragene Lebenspartnerschaft als Verantwortungsge- meinschaften an. In beiden Formen des Zusammenle- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ bens werden Werte gelebt und Verantwortung füreinan- DIE GRÜNEN: Och, getrieben!) der übernommen. Beide grenzen sich hierdurch von loseren Formen des Zusammenlebens ab. Insoweit sind Das Verfassungsgericht hat diesen Prozess durch die sie gleichzustellen. Daran wird bereits gearbeitet, daher Entscheidung zur Gleichstellung von Lebenspartner- ist der Antrag aus Nummer 1 in Ihrem Antrag auch über- schaften mit Ehen im Steuerrecht oder der Möglichkeit flüssig. der Sukzessivadoption für gleichgeschlechtige Paare nochmals beschleunigt. Was aber weder das Verfas- (Heiterkeit bei Johannes Saalfeld, sungsgericht gesagt hat und was auch von mir nicht zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hören sein wird, ist die Unterstützung einer Vereinheitli- chung der Begriffe „Ehe“ und „Lebenspartnerschaft“, Soweit die Ehe als Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit gemeinsamer leiblicher Kinder steht, ist eine Unterschei- (Beifall Udo Pastörs, NPD) dung geboten. Der Antragspunkt 2 ist daher abzulehnen. denn Artikel 3 des Grundgesetzes gebietet es auch, Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich komme nun Ungleiches nicht gleichzeitig willkürlich gleich zu behan- zum Aufreger der Woche, der letzten 14 Tage. Aufgeregt deln. hat mich dabei zugegebenerweise nicht Ihr heutiger Antrag, denn dazu kann man getrost unterschiedlicher (Udo Pastörs, NPD: So ist es. – Auffassung sein. Ärgerlich finde ich daran als verantwort- Zuruf von Silke Gajek, licher Minister für Sicherheit und Ordnung, dass ein aus- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) drückliches Handeln gegen das objektive Recht – gegen das objektive Recht – von Ihrer Fraktion hier als ziviler Und bevor es nun wieder einen Aufschrei gibt, zum einen Ungehorsam verkauft wird. Das ist, als ob jeder, der hat selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner Ent- schnell zu seinen Kindern nach Hause möchte, auf ein- scheidung zur Sukzessivadoption gesagt, … mal unter dem lauten Ruf des zivilen Ungehorsams ohne Tempolimit durchs Land fahren dürfte, weil es ja um das (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hohe Gut der Familie geht. Das muss jeder selber festlegen, wie er lebt.) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie kritisieren gerade das Bundesverfassungsgericht. Ich Das ist doch Quatsch. Das ist doch kann hier nur ausführen. Quatsch. – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) … dass es dem Gesetzgeber wegen des verfassungs- rechtlichen Schutzes der Ehe nicht verwehrt ist, diese Und, Herr Saalfeld, Sie dürfen gerne noch Ausführungen gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Zum dazu machen. Ich mache hier rechtliche Ausführungen. anderen ist Ihre Argumentation bezüglich der vermeintli- Und die rechtliche Ausführung ist derzeit so, chen Diskriminierung durch die Offenlegung der sexuel- len Identität in sich schwach und widersprüchlich, liebe (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kollegin Gajek. So sagen Sie, es sei doch diskriminie- Dann muss man das ändern.) rend, wenn man angeben müsse, ob man in einer Ehe lebe oder in einer Partnerschaft. Sofern aber über die dass Sie hier zum zivilen Ungehorsam aufrufen. Institution der Lebenspartnerschaft genauso gut oder schlecht gedacht wird wie über die Institution der Ehe, (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ kann in dem Zwang zur Offenlegung zum einen oder DIE GRÜNEN: Geschmacklos.) anderen Institut an sich keine Diskriminierung liegen. Vielleicht gefällt es dem einen oder anderen auch nicht, Regierung und Verwaltung … zugeben zu müssen, dass er in einer Ehe lebt. Über Geschmack können wir durchaus unterschiedlicher (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auffassung sein, Herr Saalfeld. Das muss doch jeder für sich entscheiden.) (Zuruf von Torsten Renz, CDU) Ich halte eine Ehe durchaus noch für eine lebenswerte und liebenswerte Form, auch im 21. Jahrhundert. Man Regierung und Verwaltung sind aus guten Gründen Re- kann also allenfalls die Frage stellen, ob ein Formular gierung und Verwaltung und die Mitarbeiter in ihnen sind richtig konstruiert ist, wenn es für das gewünschte be- aus guten Gründen an Recht und Gesetz gebunden. Ich hördliche Verfahren nicht auf eine Unterscheidung zwi- gehe nach wie vor davon aus, dass eine rechtsstaatliche schen Ehe und Lebenspartnerschaft ankommt, Verwaltung sich auch dementsprechend würdig verhält wie Wismar oder Anklam mit Anträgen und nicht wie (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schwerin. Was für ein Lebensbild haben Sie denn? – Udo Pastörs, NPD: Sie haben das (Zuruf von Silke Gajek, falsche, wir haben das richtige.) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Frage aber getrennt voneinander gestellt wäre. Aber Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktion dies ist nicht die Thematik, auf die Sie hinaus wollen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in dem Antrag, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 41

(Zuruf von Silke Gajek, scheidungsspielräume gibt. Es existieren verschiedenste BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gruppierungen und Vereinigungen, die sich auch über Flaggen und über Fahnen präsentieren. Durch das His- das Setzen der Regenbogenflagge „als Zeichen für Tole- sen der Flaggen von privaten Vereinigungen oder Bewe- ranz, Akzeptanz und Solidarität auf öffentlichen Gebäu- gungen solidarisiert sich eine Kommune mit diesen im den in den Kommunen und im gesamten Land generell Namen aller ihrer Bürger. Deshalb dürfte es sich dabei zu erlauben“. Dazu fordert sie, es müsse „unverzüglich auch um eine wichtige politische Angelegenheit im Sinne eine klare und unmissverständliche“ Rechtslage herge- der Kommunalverfassung handeln, stellt werden. (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) die einer Beschlusslage der Stadt- oder Gemeindevertre- Nun, meine Damen und Herren Abgeordnete, es gibt tung vorausgeht und diese erfordert. In diesem Sinne eine klare Rechtslage bleibt es den Kommunen unbenommen, jenseits öffentli- cher Gebäude innerhalb des Gemeindegebietes Fahnen (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: und Flaggen privater Vereine, Organisationen und Be- Das kann man aber ändern.) wegungen an anderen, von der Gemeinde aufgestellten Masten zu hissen. Und Sie haben es richtig gesagt, nur und ich sehe keinen Grund, sie bei gleichgelagerten Fällen nicht ganz richtig ausgeführt, Städte wie Wismar, wie nicht auch gleichermaßen anzuwenden. Die Beflaggung Greifswald, wie Rostock haben längst von dieser Mög- eines öffentlichen Gebäudes ist in erster Linie darauf aus- lichkeit Gebrauch gemacht und entsprechende Lösungen gerichtet, staatliche Symbole zum Tragen zu bringen und vorgenommen – mit entsprechenden Genehmigungen, zu besonderen Anlässen die Anteilnahme staatlicher und ohne Rechtsverstöße zu begehen. anderer öffentlicher Stellen zu demonstrieren, dement- sprechend auch die Deutschlandflagge auf Halbmast, wie Vor diesem Hintergrund sehe ich keine Notwendigkeit, Sie es gerade angesprochen haben. Daher sind vor die bestehende Rechtslage zu ändern, und appelliere an Dienstgebäuden der Träger hoheitlicher Gewalt grundsätz- die Kommunen, die bisher rechtswidrig die Regenbogen- lich auch nur hoheitliche Flaggen zu setzen. flagge an öffentlichen Gebäuden setzen, sich der negati- ven Vorbildwirkung dieses Handelns bewusst zu werden Bei der Regenbogenflagge handelt es sich um die Flagge und zukünftig derlei Rechtsverstöße zu unterlassen, einer privaten Organisation. sondern ähnlich wie andere Kommunen – ich wiederhole: wie beispielsweise Rostock, wie beispielsweise Wismar – (Zuruf von Silke Gajek, sich entsprechend des geltenden Rechts zu verhalten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dementsprechend ist Ihr Antrag abzulehnen. – Ich be- danke mich für die Aufmerksamkeit. Um sie zu hissen, wäre eine Ausnahmegenehmigung meines Ministeriums im Sinne der Hoheitszeichenverord- (Beifall vonseiten der Fraktionen nung erforderlich. In meinem Haus wurde die Rechtslage der SPD und CDU) geprüft und im Ergebnis festgestellt, dass eine besonde- re Ausnahmesituation beispielsweise für die Regenbo- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr genflagge vor dem Hintergrund eines fehlenden hoheits- Innenminister. bezogenen Anlasses nicht vorliegt. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für Frau Gajek, wenn es Sie interessiert, könnten Sie viel- die Fraktion der SPD. leicht zuhören, wenn nicht, auch nicht so schlimm. Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte hier deutlich klarstellen, dass eine Genehmi- Sehr geehrte Damen und Herren! gung des Hissens der Regenbogenflagge vor einem öffentlichen Gebäude Präzedenzwirkung auch für andere Liebe Frau Gajek, Sie haben hier öfter die Worte „Wir Anfragen haben würde. erinnern uns“ bemüht im Zusammenhang der Geschichte der Regenbogenfarbe. Da möchte ich auch mal kurz (Michael Andrejewski, NPD: erinnern: Die Regenbogenfahne wurde in Berlin 1996 Gleichbehandlung.) eigentlich erstmals gehisst und da brach der sogenannte Flaggenkrieg in Berlin aus. Im Wege der Gleichbehandlung wären wir zukünftig rechtlich verpflichtet, allen themenbezogenen Logoflag- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gen Dritter Platz an den staatlichen beziehungsweise Genau, mit Schönbohm.) kommunalen Flaggenmasten einzuräumen. Aus meiner Sicht ist es nur bei konsequenter Beibehaltung der Linie, Ja, der damalige Innensenator Schönbohm hat jahrelang nach der nur hoheitliche Flaggen an öffentlichen Gebäu- versucht, das zu verhindern. Seit 2001, seitdem Herr den gehisst werden dürfen, möglich, dass die Werte des Wowereit Bürgermeister von Berlin ist, Staates und seiner Einrichtungen in ihrer Gesamtheit symbolisiert, gewährleistet und in der Bevölkerung res- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: pektiert bleiben. Da hängt sie jedes Jahr.)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Kommunen wird jedes Jahr die Regenbogenflagge am Roten Rat- wurden auf Nachfrage in einem Rundschreiben durch haus meine Mitarbeiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es jenseits öffentlicher Dienstgebäude kommunale Ent- (Peter Ritter, DIE LINKE: Und das ist gut so.) 42 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 in Berlin gehisst. Das ist auch gut so, genau. Das finde ich auch. Das hat er hier gar nicht gesagt. Damit hätte er ja ruhig noch mal (Beifall vonseiten der Fraktion punkten können. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben vorhin Das ist vor allen Dingen ein Zeichen im Zusammenhang mit „Glyphosateinsatz beschränken“ nach draußen, ein Zeichen.) die Äußerung unseres geschätzten Landwirtschaftsminis- ters gehört. Er hat sich nämlich für einen Schutz der Natürlich hat der Innenminister, was die Erlass- und biologischen Vielfalt ausgesprochen und dafür spreche Verordnungssituation angeht, recht. Rechtsgrundlage für ich mich auch aus, dafür spreche ich mich hier seitens das Hissen von Flaggen gibt es in dem Zusammenhang. der Fraktion der SPD aus. Als SPD-Fraktion respektieren Der Staat hat eine Neutralitätspflicht. Und es gab ja auch wir die Vielfältigkeit der Natur und in der Natur gibt es schon im Zusammenhang mit der Flaggenhissung an- eben auch nicht nur die scharfe Abgrenzung der Ge- lässlich des Todes von Johannes Paul, 2005 war das, schlechter, wie das in unserer Kultur mit dem anerzoge- wohl eine Untersuchung der Uni Tübingen, die gesagt nen sozialen Geschlecht suggeriert wird. Das ist anerzo- hat, ganz klarer Rechtsverstoß, hier wird das Neutrali- gen, das ist nicht in der Natur, und wissenschaftlich ist tätsgebot verletzt. So werten könnte man in diesem Zu- das auch schon längst belegt, sammenhang auch, aber ein Fragezeichen kann man da zumindest setzen. Ich denke, eine Auseinandersetzung (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) mit der rechtlichen Voraussetzung ist durchaus geboten, wie weit die Neutralitätspflicht des Staates im Zusam- dass es nicht nur beim Menschen, sondern auch bei menhang hiermit steht. Ich weiß zum Beispiel auch, es vielen Tierarten durchaus Ausprägungen anderer sexuel- gibt andere Gelegenheiten, da wird eine Flagge geneh- ler Ausrichtungen gibt. migt und man könnte das Neutralitätsgebot hier sicherlich auch sehen. (Heinz Müller, SPD: So ist das.)

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und das ist Natur, das ist Natur! Wenn es in der Natur Wo ein Wille ist, da wäre auch ein Weg.) vorkommt, ist es erst einmal Natur.

Und Ihre Einschätzung, dass sich die CDU hier im Land (Michael Andrejewski, NPD: um die Auseinandersetzung mit dem Thema „Homopho- Krebs ist auch Natur.) bie“, dem Thema „Gleichgeschlechtliche Liebe“ oder anderen Ausprägungen so ein bisschen drückt, den Ein- Also man muss sich hier wirklich schon in die Tasche druck kann man haben. lügen und die Realität vollkommen ausblenden, wenn man homo-, bi-, trans- oder intersexuelle Menschen (Zurufe von Silke Gajek, anders als normal bezeichnet. Das möchte ich ganz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ausdrücklich hier noch mal sagen. und Udo Pastörs, NPD) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, Frau Friemann-Jennert wird gleich dazu sprechen. Sie DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – hat an anderer Stelle hier schon mal vor gar nicht allzu Udo Pastörs, NPD: Das ist normal.) langer Zeit gesagt, ja, diese Auseinandersetzung gab es bei uns noch nicht so konkret. Aber ich denke, unserer Das ist natürlich, Herr Pastörs. Landesregierung kann man wirklich nicht vorwerfen, sich nicht für eine offene Gesellschaft einzusetzen. Und so haben wir als SPD zum Beispiel ja auch im Re- gierungsprogramm drin gehabt, dass wir die Homo-Ehe (Zuruf von Silke Gajek, gleichstellen wollen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (David Petereit, NPD: Da schreiben Sie doch Das würde ich auch nicht nur bestreiten, sondern wir alles rein, um Wählerstimmen zu kriegen.) wissen ganz genau, dass das nicht so ist. Sie und ich sind zum Beispiel im Netzwerk Homophobie. Da Das ist im Koalitionsvertrag nicht so scharf benannt wor- ist unser Sozialministerium, da ist auch das Bildungs- den, ministerium, da ist aber auch der Landesrat für Krimina- litätsvorbeugung. Dieser Landesrat für Kriminalitätsvor- (Zuruf von Torsten Renz, CDU) beugung, dem gehören 90 Behörden, Verbände, Verei- ne und so weiter, aber auch Einzelpersonen an. Also aber ich weise in dem Zusammenhang auf Seite 105 der das ist schon eine ganz schöne Zahl. Was ist daran Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene hin, weil da besonders bemerkenswert? Vorsitzender ist der Innen- ganz klar formuliert ist, „dass bestehende Diskriminierun- minister. gen“ abgebaut und gesetzliche „Regelungen, die gleich- geschlechtliche Lebenspartnerschaften“ benachteiligen, (Torsten Renz, CDU: Was ist beseitigt werden. Auch der Nationale Aktionsplan zur denn daran bemerkenswert?) Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus wird um das Thema „Homophobie und Also auch der Innenminister ist in dieser Konstellation, in Transphobie“ erweitert. diesem Netzwerk aktiv gegen Homophobie. Sehr geehrte Frau Gajek oder vielmehr Fraktionen (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, ich denke, Das ist auch gut so.) die beiden ersten Punkte Ihres Antrages werden bereits Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 43 gelebt, und die SPD-Fraktion steht inhaltlich durch Han- stelle mir die Frage: Was spricht eigentlich gegen eine deln, also auch durch Taten dahinter. Änderung der Beflaggungsordnung dieses Landes? Ar- gumente dagegen habe ich bislang nicht gehört, außer Beim Punkt 3 sehen wir die Einfachheit, das Setzen der von der SPD eben, Regenbogenfahne rechtlich umzusetzen hier im Land, nicht so, weil wir auch unseren Koalitionspartner da si- (Martina Tegtmeier, SPD: cherlich nicht mit im Boot haben. Neutralitätsbestreben. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) (Torsten Renz, CDU: Das könnten Sie jetzt aber mal weglassen! – wir würden ja gern, aber wir beugen uns hier auch an Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das hat jetzt dieser Stelle dem Unwillen oder dem Nichtwillen unseres aber überhaupt keine Bedeutung. Man könnte Koalitionspartners. Also überzeugend war das nicht, das auch mal eine andere Begründung finden.) lassen Sie mich am Anfang feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zurzeit sehe ich ehrlich gesagt auch die rechtlichen Grundlagen dafür nicht, Nach dem geschichtlichen Überblick, Kollegin Gajek, möchte ich einen geografischen Überblick hinzufügen. (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) DIE GRÜNEN: Wir haben es ja schon geahnt. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ländern wie Kamerun oder Nigeria werden gleichgeschlechtliche ganz konkret, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz oder sexuelle Handlungen mit Gefängnisstrafe belegt. vielmehr der Neutralitätsgrundsatz der Regierung hier an oberster Stelle steht, was den Flaggenerlass und die (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – Verordnung angeht. Ich denke mal, darum kommt man Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) so ohne Weiteres nicht herum. Flagge hissen ist gut, ob man das unbedingt an Dienstgebäuden machen muss, Für viele ist das übrigens auch ein Grund, ihr Heimatland dahinter kann man ein Fragezeichen setzen. Ich denke zu verlassen und in Deutschland um Asyl zu bitten. Fami- mal, wir haben vielfältige Möglichkeiten, die Regenbo- lienmitglieder mit einer gleichgeschlechtlichen sexuellen genflagge gut sichtbar überall zu hissen, Orientierung werden verstoßen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Das ist ein Zeichen.) Gewalt gegen Homosexuelle wird als Akt der Tapferkeit davon werden wir verstärkt Gebrauch machen. Wir ha- gesehen, die Menschen werden sich selbst überlassen ben es am Willy-Brandt-Haus getan. Wir werden das und zu Freiwild. Auch Menschen, die sich für die Belange sicherlich ausweiten. Das ist eine gute, sichtbare Sache und Rechte Homosexueller einsetzen, werden massiv dafür. Das finde ich auch in Ordnung. Den Antrag können bedroht, so auch die Kameruner Rechtsanwältin Alice wir leider nicht befürworten. Nkom, die Todesdrohungen erhält, weil sie sich für die Verfolgten einsetzt. Sie ist in diesem Jahr mit dem Men- (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) schenrechtspreis von Amnesty International Deutschland ausgezeichnet worden. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau Tegtmeier. In Ländern wie Russland ist die Symbolik für gleichge- schlechtliche Lebensweise verboten und unter Strafe Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter für die gestellt. Ein entsprechendes Gesetz dazu wurde auf Fraktion DIE LINKE. föderaler Ebene im Juni 2013 vom russischen Präsiden- ten Wladimir Putin unterzeichnet. Jegliche positive Äuße- (Torsten Renz, CDU: Chefsache. – rung über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjäh- Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee, rigen oder über Medien, wie das Internet, sind unter er ist der gleichstellungspolitische Sprecher.) Strafe gestellt. Das bedeutet auch, dass Veranstaltungen für Schwule und Lesben nicht beworben werden dürfen Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr und nicht öffentlich stattfinden können. Homosexualität verehrten Damen und Herren! wird tabuisiert und als gesellschaftlich nicht konform gesehen. Homosexuelle werden diskriminiert, gleichge- Allerseits üblich, Kollege Renz. Ich werde jetzt nicht auf schlechtliche Paare haben keine Rechte. Ihren Zwischenruf eingehen, weil die Redebeiträge, die vorher hier gehalten worden sind, schon höchst interes- Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Gegen- sant waren. wartspolitik, auch in Europa. Als demokratische Gesell- schaft, als weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern kön- Also ich habe gelernt, dass der öffentliche Fahnenmast nen und dürfen wir dies nicht akzeptieren!

(Udo Pastörs, NPD: Flaggenmast heißt (Zuruf von Silke Gajek, das. Sie waren doch beim Militär!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eine offenbar höchst politische und schützenswerte Ein- Die weltweiten diskriminierenden Auswüchse gegenüber richtung ist in diesem Land. Ich stelle mir die Frage: Was homo-, bi-, trans- und intersexuellen Menschen müssen ist eigentlich schlimm an einer Ausnahmeregelung? Ich für uns ein Grund sein, jetzt erst recht die Rechte gleich- 44 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 geschlechtlicher Lebensweise vehement einzufordern, Die Landesregierung hält Recht und Gesetz hoch, um Vielfalt, Toleranz zu leben und, ja, die Regenbogenflagge das öffentliche Anbringen der Regenbogenflagge nicht hochzuhalten in einem freien Land. zu genehmigen, also zu verbieten. Das ist unglaublich und unverantwortlich. Selbst wenn die Regenbogenflag- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE ge trotz allem couragiert von der Oberbürgermeisterin und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Landeshauptstadt und von anderen Bürgermeisterin- nen und Bürgermeistern im Land angebracht wurde und Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss selbstverständ- dies immerhin vom Innenminister stillschweigend gedul- lich sein, Symbolik für die Menschenrechte an öffentlich- det wird, keitswirksamen Orten zu platzieren. Eine Genehmigungs- pflicht für die Regenbogenflagge oder auch die Flagge der (Zuruf von Silke Gajek, Menschenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ obwohl ja hier offensichtlich ein Rechtsbruch vorliegt, DIE GRÜNEN: Genau.) werden diejenigen, die für Menschenrechte, Vielfalt und Toleranz eintreten, in eine rechtlich kritische Situation zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und gebracht, und das sollten wir nicht länger zulassen, liebe Mädchen ist ein Hohn, lieber Herr Innenminister und Kolleginnen und Kollegen. liebe Landesregierung! Denn es ist eben nicht nur die Haltung der Landesregierung, es ist auch die Duldung (Beifall vonseiten der Fraktionen des Ministerpräsidenten, der sich gern eine andere Re- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gelung gewünscht hätte. Wie windelweich ist das denn, Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ liebe Landesregierung? DIE GRÜNEN: Genau.)

Das öffentliche Anbringen von Flaggen und anderer Das widerspricht auch dem Landesprogramm für Demo- Symbolik für Menschenrechte und gegen Diskriminierung kratie und Toleranz, das widerspricht allem, was wir in muss in einer demokratischen Gesellschaft ohne Um- Sachen Gleichstellung bereits erreicht haben. Artikel 5 schweife möglich sein, sonst brauchen wir doch von Absatz 1 der Landesverfassung besagt, ich zitiere: „Das einem weltoffenen Mecklenburg-Vorpommern gar nicht Volk von Mecklenburg-Vorpommern bekennt sich zu den zu reden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Menschenrechten als Grundlage der staatlichen Ge- meinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit.“ Zitat- (Udo Pastörs, NPD: Das hat doch ende. Ein Bekennen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein nichts mit weltoffen zu tun.) Bekennen heißt auch, das Zeigen und das uneinge- schränkte Nutzen entsprechender Symbolik für die Men- Die Regenbogenflagge wird in vielen Kulturen weltweit schenrechte, ohne es vorher genehmigen zu müssen. als Zeichen der Toleranz, der Vielfältigkeit und der Hoff- nung verwendet. Sie wird in der internationalen Frie- In dem vorliegenden gemeinsamen Antrag der Fraktion densbewegung eingesetzt und mit umgedrehter Farbge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE bung in der Schwulen-und Lesbenbewegung. Seit Jahren geht es grundsätzlich um die Gleichstellung homo-, bi-, wird die Regenbogenflagge als Symbol für Weltoffenheit trans- und intersexueller Menschen, um Vielfalt, Toleranz und Toleranz akzeptiert in Deutschland und in Mecklen- und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenswei- burg-Vorpommern. sen. Wie es unter anderem um die bisherige rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern und der Ehe im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern verwies jedoch in diesem Jahr, steht, dazu liegt der Landesregierung eine Kleine Anfra- ge von mir vor. Leider gibt es noch keine Antwort von der (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landesregierung. Es wurde um Fristverlängerung gebe- Warum auch immer!) ten, der ich auch im Interesse der Sache entsprochen habe. in diesem Jahr seltsamerweise auf die Genehmigungs- pflicht für das Setzen von Flaggen privater Organisationen Dass eine Änderung der Gesetzeslage notwendig vor öffentlichen Gebäuden und – jetzt kommt der Riesen- ist, darauf verwies das Bundesverfassungsgericht im fauxpas – befand, dass das Setzen der Regenbogenflagge Juni 2013. Es stellte fest, dass der Ausschluss einge- vor dem Rathaus in Schwerin nicht genehmigungsfähig tragener Lebenspartnerschaften vom Ehegattensplitting ist. Warum, das vermag bis heute niemand zu erklären, verfassungswidrig ist, und forderte die steuerrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung Das hat er auch nicht erklärt.) verheirateter Paare gesenkt. und auch die Redebeiträge des Innenministers und von (Zuruf von Silke Gajek, Frau Tegtmeier haben hier keine Aufklärung gegeben. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Torsten Renz, CDU: Dann fragen Der Bundestag hat hierzu einen Beschluss gefasst. Die Sie mal Frau Gramkow, wie das nun verabschiedete Regelung sieht vor, dass die Split- alles zustande gekommen ist!) tingvorteile auch für gleichgeschlechtliche Lebenspart- nerschaften rückwirkend ab dem Jahr 2001 gelten. Die Damit hat die Landesregierung – und nicht nur der In- Adoption bedarf jedoch noch einer gesetzlichen Anpas- nenminister – einen falschen Weg eingeschlagen. Ich will sung. Hier sperren sich bislang CDU und CSU auf Bun- das noch einmal wiederholen. desebene vehement. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 45

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Öffnung der Ehe Ich habe lernen müssen, dass Anträge der GRÜNEN und für gleichgeschlechtliche Paare wären die rechtlichen auch der LINKEN sehr genau betrachtet werden müssen. Ungleichheiten ausgeräumt. Es gäbe endlich Rechtssi- Nur weil Ungleichbehandlung draufsteht, ist noch lange cherheit und eine tatsächliche Gleichstellung von homo- nicht Ungleichbehandlung darin, egal wie emotional hier und heterosexuellen Lebenspartnerschaften. Initiativen vorgetragen wird. für eine Ehe gleichgeschlechtlicher Paare gab es bereits mehrfach, jedoch ohne geltendes Recht ändern zu kön- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.) nen. Das ist bei diesem Antrag genau der Fall. Im Oktober 2013 legte die Fraktion DIE LINKE im Deut- schen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einführung Kommen wir gleich zum Aufhänger Ihres Antrages, zu der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vor. der Regenbogenfahne.

(Torsten Renz, CDU: Und wie (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: haben die GRÜNEN abgestimmt?) Nun bin ich ja gespannt.)

Im März 2013 wurde im Bundesrat ein Gesetzesantrag Dass man unter Hoheitszeichen Symbole zur Repräsen- der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg, Niedersachsen, tation der Staatshoheit versteht, brauche ich wohl nicht Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für den großartig zu erörtern. Es sind Zeichen staatlicher Gewalt. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf In Mecklenburg-Vorpommern ist in der Beflaggungsord- Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts einge- nung und in der Verordnung zur Bestimmung der regel- reicht. Der Bundesrat hat mehrheitlich für den Antrag mäßigen Beflaggungstage geregelt, welche Flaggen gestimmt. Somit ist Ihre Frage, lieber Kollege Renz, be- gesetzt werden dürfen und wann diese gesetzt werden antwortet. dürfen. Dies dient einem einheitlichen Erscheinungsbild. Darin ist festgelegt, dass vor den Dienststellen und Be- (Torsten Renz, CDU: Nee, hörden des Landes die Bundesflagge, die Landesdienst- im Bundestag, wollte ich wissen.) beziehungsweise Landesflagge und, wenn ein zusätzli- cher Mast vorhanden ist, die Europaflagge aufgezogen Der Bundesrat hat mehrheitlich für den Antrag gestimmt, werden sollen. der die Ehe für Schwule und Lesben öffnen soll. Der Entwurf wurde jedoch im Bundestag, lieber Kollege Unter besonderen Umständen kann das Innenministeri- Renz, noch unter der schwarz-gelben Regierung abge- um davon Ausnahmen zulassen. Sogenannte Logoflag- lehnt. gen sind danach nur dann zugelassen, wenn sie einen besonderen Bezug haben und im gesamtstaatlichen oder (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ ländereigenen Interesse stehen. Der Sinn, der dahinter- DIE GRÜNEN: Ja, abgelehnt. – steht, ist, dass unabhängig von persönlichen Präferenzen Torsten Renz, CDU: Ja, und die des Hausrechtsinhabers eine staatliche Neutralität ge- GRÜNEN haben aber zugestimmt.) währleistet wird. Um dies zu garantieren, muss die Be- flaggungsverordnung auch konsequent eingehalten wer- Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die den. Außerdem soll das einheitliche Erscheinungsbild Gleichstellung mit allen verfügbaren Mitteln voranbrin- den Respekt der Bevölkerung vor Behörden und Dienst- gen! Ein Zurückfallen muss verhindert werden und erst gebäuden erhalten. recht eine Annäherung an Gesellschaften, in denen Dis- kriminierung per Gesetz verordnet werden kann! (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein erster Schritt dazu, Das Hissen von täglich wechselnden Mottofahnen wird (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.) von der Bevölkerung auch gar nicht gewünscht, wie das Umfrageergebnis in der SVZ ein erster kleiner Schritt dazu könnte die Änderung der Beflaggungsordnung des Landes sein. Ich bitte Sie daher (Johann-Georg Jaeger, um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja wohl keine Umfrage.) (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihnen wohl deutlich vor Augen geführt haben sollte.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ritter. Das war doch keine Umfrage.)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Friemann- Ich finde sogar, dass die Diskussion, Jennert für die Fraktion der CDU. (Peter Ritter, DIE LINKE: Das war Maika Friemann-Jennert, CDU: Frau Präsidentin! Meine halbe-halbe, 180 dafür und 180 dagegen. sehr geehrten Damen und Herren! Als gleichstellungspo- Was ist denn das für ein Ergebnis?) litische Sprecherin meiner Fraktion liegen mir Themen, mit denen eine Ungleichbehandlung angesprochen wird, ich finde sogar, dass die Diskussion ein Stück weit das grundsätzlich am Herzen. Und, Frau Tegtmeier, ich wer- Gegenteil bewirkt von dem, was Sie bezwecken, genau de das Thema nicht auf eine andere Diskussionsschiene wie Ihr Auftritt, Frau Gajek, bei „Jugend im Landtag“ im verlagern, sondern beim Antragsinhalt bleiben. Hexenkostüm. 46 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Maika Friemann-Jennert, CDU: Vielen Dank. Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, genauso ist das.) Aber es bleibt jeder Gemeinde unbenommen, an ande- ren als den offiziellen Fahnenmasten im Gemeindegebiet Wozu gibt es eigentlich Hausordnungen?! entsprechende Fahnen aufzuhängen. So hat Rostock eigens dafür Fahnenmasten, an denen je nach Aktualität (Unruhe vonseiten der Fraktionen die Fahnen des CSD, der Warnemünder Woche, des DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rostocker Weihnachtsmarktes Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also ich denke, Menschen sind erwachsen.) (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oooh!) Ich wage zu bezweifeln, dass Ihr Auftritt zur Würde die- ses Hohen Hauses beigetragen hat. oder, oder, oder hängen.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen (Zurufe von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – DIE GRÜNEN, und Johannes Saalfeld, Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das sagen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wir alle, außer Frau Gajek alle. – Zuruf von Silke Gajek, Ebenso hat Wismar rund um den Marktplatz Fahnenmas- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ten, an denen eben diese Fahnen hängen können und auch hängen, und niemand stößt sich daran. Und wenn Ein Teil der jugendlichen Teilnehmer hat sich nämlich sich Schwerin keine weiteren Masten leisten kann und darüber recht lustig gemacht. will,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Heiterkeit bei Johannes Saalfeld, Du warst doch gar nicht da. Du hast BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – es doch gar nicht gesehen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Darf!) Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE) dann muss man eben auf das Hissen von anderen Fah- Aber du hast es bei Facebook gepostet! nen, der Regenbogenfahne verzichten.

(allgemeine Unruhe) (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Wie albern ist das denn? – Zuruf von Ähnliches kann nämlich auch passieren, wenn es egal Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wäre, wer hier seine Fahnen hisst. Ach, weil Sie Boizenburg angesprochen haben. Ich habe (Henning Foerster, DIE LINKE: eben mal versucht zu recherchieren, wieso da eine Fah- Ist das lächerlich! – ne auf Halbmast hing. Wenn das richtig ist, was ich dort Glocke der Präsidentin) gelesen habe, dann ist das inszeniert gewesen. Weil angeblich die Regenbogenfahne dort geklaut worden ist, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten hat man das einfach auf Halbmast gesetzt. Also das war Damen und Herren, ich bitte Sie jetzt erst einmal, sich zu die Ursache dafür. beruhigen. (Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – (Egbert Liskow, CDU: Zuruf von Silke Gajek, Ja, das muss doch mal gesagt werden. – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Torsten Renz, CDU: Wer schreit, hat Unrecht.) Ich möchte aber noch einmal ausdrücklich im Namen Ich glaube … meiner Fraktion und auch nochmals zur Verdeutlichung der Rede des Innenministers sagen, dass das Hissen der (allgemeine Unruhe) Regenbogenfahne von uns nicht grundsätzlich abgelehnt wird, Herr Renz, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Ich finde das ungehörig, wenn ich hier vorne versuche, Ruhe rein- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Och!) zubringen, dass Sie überhaupt nicht reagieren und hier durch solche Art und Weise, sage ich mal, die Stimmung nur sollte man sich dabei an Recht und Gesetz halten. noch anheizen. Und wenn drei Fahnenmasten nun einmal für die offiziel- len Landes- und Bundesflaggen bestimmt sind, dann ist Ich bitte Sie jetzt alle, sich ein Stück zurückzunehmen das so und nicht nur der Rednerin die Chance zu geben, ihren Redebeitrag zu Ende zu bringen, sondern ich bitte alle (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: So einfach.) Beteiligten in dieser emotionalen Debatte, die es ja of- fensichtlich ist, doch darauf zu achten, dass wir uns hier und dann muss das beachtet werden, nicht persönlich verletzen durch entsprechende Äuße- rungen. Das steht diesem Haus nicht gut zu Gesicht, das (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – steht Ihnen nicht gut zu Gesicht, und ich möchte nicht, Wolf-Dieter Ringguth, CDU: So einfach ist das.) dass wir ein solches Bild nach außen vermitteln. sonst weht irgendwann anstatt der Landesflagge die Bitte, Frau Friemann-Jennert. Oktoberfestfahne am Schweriner Rathaus. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 47

(Unruhe vonseiten der Fraktion sind. Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebens- Zurufe von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ partnerschaften und von Menschen aufgrund ihrer sexu- DIE GRÜNEN, und Johannes Saalfeld, ellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen be- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) endet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichge- schlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, Oder Frau Gramkow würde die Chance nutzen und die werden wir beseitigen.“ Seite 76 des Koalitionsvertrages Stadtkasse ein bisschen aufbessern, ganz nach dem zwischen CDU, CSU und SPD vom 27. November 2013. Motto: Frischer Wind für Ihre Werbung. Ich denke, aus dem gerade Zitierten geht hervor, dass es (Unruhe vonseiten der Fraktionen weder einer Bundesratsinitiative noch des gesamten DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Punktes 1 des Antrages bedarf. Ihr Antrag ist komplett unnötig und wir werden ihn deshalb ablehnen. Sie sehen also, es ist ganz gut, wenn unser Innenminis- ter die Beflaggung vor öffentlichen Gebäuden im Blick (Zuruf von Silke Gajek, behält. Wir sind hier nämlich nicht im Zirkus. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Und damit Sie es auch noch einmal nachlesen können, (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ist Ihnen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Das Wort hat jetzt der eigentlich klar, was Sie hier erzählen?) Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Gajek, im Gesetz über die Hoheitszeichen des (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) Landes steht in Paragraf 1 Absatz 4: „Der Landtag setzt bei offizieller Beflaggung die Landesflagge und die Flag- Michael Andrejewski, NPD: Ja, genau. Neu ernannt. gen der beiden Landesteile.“ Der Landtag ist also auch nicht unabhängig von gesetzlichen Vorgaben, wie Sie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Schwerin glauben. hat der Zufall für eine interessante Symbolik gesorgt. Während die linke Oberbürgermeisterin Gramkow einer- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: seits die Regenbogenflagge – nicht Fahne – hisste, Dann sollten wir uns selber damit befassen und etwas tun, meine Liebe.) (Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Im Punkt 2 Ihres Antrages fordern Sie erneut eine Bun- die angeblich für Toleranz steht, hat sie sich gleichzeitig desratsinitiative, die die Gleichstellung der eingetrage- mit aller Kraft für einen Meister der Intoleranz eingesetzt. nen Lebenspartnerschaften mit der Ehe zum Thema Sie konnte es nicht ertragen, dass ein Bürgerrechtler hat. Ein entsprechender Antrag wurde von der Fraktion das Antlitz der Lenin-Statue auf dem Großen Dreesch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits im März 2013 ge- am 17. Juni für ganze vier Stunden verhüllen wollte. Das stellt, im Landtag abgelehnt, von der GRÜNEN-Fraktion war gerade ein paar Tage vor Beginn, auf Wiedervorlage gelegt und jetzt rausgeholt. (Beifall Udo Pastörs, NPD – (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau so läufts! Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau so läuft das bei den GRÜNEN! – Sind Sie jetzt der Verteidiger Zuruf von Silke Gajek, von Lenin, oder was?) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das war gerade ein paar Tage vor Beginn der schwul- Für meine Fraktion gilt aber das im März 2013 von Frau lesbischen Kulturwoche. Da warf sie sich für diesen Mas- Schlupp Gesagte fort. senmörder in die Bresche, der in Europa schon 1918 Konzentrationslager einführte, Das Thema wird heiß und mit unterschiedlichen Argu- menten diskutiert. Es ist gut, dass darüber diskutiert (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: wird, denn Diskussionen führen letztendlich auch zu Aber wir reden hier schon über die Entscheidungen. So hat die Bundesregierung bereits im Regenbogenfahne?!) Sommer 2013 für die Einkommenssteuer und erst im letzten Monat für eine Vielzahl von weiteren Gesetzen Giftgas gegen aufständische Bauern einsetzte, die steuerliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaf- ten mit der Ehe beschlossen – ein weiterer Schritt in (Peter Ritter, DIE LINKE: Können Richtung Gleichstellung, der ohne Diskussionen aber wir mal zum Thema reden?) sicher nicht möglich gewesen wäre. Millionen Menschen umbringen ließ, (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall Udo Pastörs, NPD – Heinz Müller, SPD: Zur Sache!) Ich möchte abschließend noch etwas zitieren, und ich denke, damit ist dann auch alles gesagt. „Wir wissen, und – ich komme wieder zur Sache –, ... dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft (Heinz Müller, SPD: Zur Sache!) 48 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Dass Sie so eine kleine Abschweifung nicht geistig nach- (Peter Ritter, DIE LINKE: vollziehen können, tut mir leid. Ist das Ihre Rede von morgen? – Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE) (Beifall Udo Pastörs, NPD) Auf die können Sie sich auch noch freuen. Ich komme wieder zur Sache. … Schwulen und Lesben werden auf einmal hoheitliche (Heinz Müller, SPD: Ich kann das Rechte zugestanden: Sie dürfen ihre Fahne an öffentli- ganz gut geistig nachvollziehen. chen Gebäuden anbringen. Das hat nämlich in der Tat Ich bin ja nicht auf Ihrem Niveau.) etwas mit Hoheitlichkeit zu tun. Sie können sonst wo ihre Fahne hissen, in ihrem Schrebergarten oder wo auch … und in dessen Staat unter seinem Nachfolger Stalin ab immer, aber eben nicht hoheitlich an öffentlichen Gebäu- 1933 Homosexualität unter Strafe stand, womit wir wieder den. Und warum nur sie? Sind sie irgendwas Besonde- beim Thema wären. Es gab für homosexuelle Handlungen res? Es heißt, sie sind bunt und weltoffen. Was sind die bis zu fünf Jahre Gulag oder später unter Breschnew Un- anderen dann? Alle graue Mäuse, um die man sich nicht terbringung in psychiatrischen Anstalten auf unbestimmte weiter kümmern muss? Zeit, während DIE LINKE, damals SED, noch jubelte, von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na Sie auf keinen Fall. – (Peter Ritter, DIE LINKE: Wann ist der 175 Peter Ritter, DIE LINKE: Sie abgeschafft worden in der DDR? Das sind braun und eingeschränkt.) müssten Sie als Anwalt wissen.) Was ist zum Beispiel mit den Vertriebenen? Sie stehen Für all das steht Lenin. Wie glaubwürdig kann eine Ver- auch für Vielfalt, denn als Deutschland noch zum Beispiel ehrerin dieses Tyrannen für Toleranz eintreten mit der Schlesien und Ostpreußen umfasste … Regenbogenflagge? (Das Mikrofon wird abgeschaltet.) Das Verbot der Verhüllungsaktion hat sie übrigens unter anderem damit begründet, dass sie verhindern würde, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Abgeordneter dass jemand von der Leiter fiele, während er da hochklet- Andrejewski, jetzt entziehe ich Ihnen erst mal das Wort, terte zur Lenin-Statue – geheuchelte Fürsorge und geheu- chelte Toleranz. In Wirklichkeit geht es darum, Unzufrie- (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Hoh!) dene einzusammeln. Mit der Regenbogenflagge schmeißt DIE LINKE sich an die Schwulen und Lesben ran. weil ich es nicht ertragen kann – und ich glaube, den Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Frak- (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Oh!) tionen geht es so wie mir –, dass Sie hier in einer Art und Weise menschenverachtend Zu den Theaterleuten schickt man IM Martin als großen Kulturkämpfer, der angesichts seiner Stasivergangenheit (Zuruf von David Petereit, NPD) hier die Stirn hatte, eine große Gruppe von Menschen diskreditieren durch (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ei, jei, jei, jei!) die Art und Weise, wie Sie hier vortragen, gestern im Landtag mehr Herzensbildung zu fordern. (David Petereit, NPD: Das ist eine Frechheit.)

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: eine Rede, die mit abwertenden Begriffen gespickt ist. Legen Sie doch mal eine neue Schallplatte auf! Die kennen wir schon.) Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, Herr Petereit.

Auch Kleingärtnern, Vermietern von Ferienwohnungen, (Zuruf von David Petereit, NPD) allen dient man sich an nach alter kommunistischer Art. Ziel: Die Herrschaft der Partei möglichst wiederherzustel- Herr Petereit, ich erteile Ihnen den zweiten Ordnungsruf. len. Und wie das aussieht, um zum Thema zurückzu- kommen, (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der hatte doch heute schon zwei. – (Zuruf von Heinz Müller, SPD) Der Abgeordnete Michael Andrejewski spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.) kann man an der absoluten Rechtsverachtung der Frau Gramkow ablesen. Die Partei steht über dem Gesetz – Das ist interessant, dann ist das der dritte Ordnungsruf. das war in der DDR auch schon so –, die Beflaggungs- ordnung des Landes ist egal. Heute pfeifen wir auf die Herr Petereit, ich teile Ihnen mit, dass Sie damit für heute Beflaggungsordnung und morgen auf das Grundgesetz. keine Möglichkeit mehr haben, an der Debatte teilzu- nehmen. Ich entziehe Ihnen das Wort und ich mache Sie (Barbara Borchardt, DIE LINKE: darauf aufmerksam, dass, wenn Sie sich jetzt hier nicht Gucken Sie mal, auf was Sie an die Gepflogenheiten des Hohen Hauses halten, weite- alles pfeifen in diesem Haus!) re Ordnungsmaßnahmen nicht auszuschließen sind.

Das ist eine Haltung der totalen Rechtsverachtung. Und Und ich war ja noch nicht ganz fertig mit Ihnen, Herr Schwulen und Lesben werden auf einmal hoheitliche, ... Andrejewski. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 49

(Der Abgeordnete Michael Andrejewski Auszeit können Sie beantragen, ich werde das beraten spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – und entscheiden. Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD) Stefan Köster, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen Herr Andrejewski, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf und Herren! Um es noch mal kurz zusammenzufassen: und mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie in keinster Die Oberbürgermeisterin Gramkow, Partei DIE LINKE, Weise hier das Recht haben, meine Bemerkungen zu kommentieren, zu bewerten oder irgendwas anderes, (Helmut Holter, DIE LINKE: auch nicht durch Gestik und Mimik. Ist eine gute Oberbürgermeisterin.)

(Heiterkeit bei Tino Müller, NPD) hat rechtswidrig gehandelt.

Auch wenn ich Ihnen nicht ins Gesicht gucken kann, (Peter Ritter, DIE LINKE: Und jetzt darauf, muss ich ganz ehrlich sagen, lege ich auch kei- muss sie ins Gefängnis, oder was?) nen großen Wert. Gut. Der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpom- (Der Abgeordnete Michael Andrejewski mern hat die Oberbürgermeisterin dieser Landeshaupt- spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.) stadt auf die Rechtslage hingewiesen. Sie hat die Rechtslage außer Acht gelassen und hat sich wider Jetzt zu Ihnen noch mal: Sie haben kein Recht, hier dem geltenden Recht verhalten. Darum geht es hier im Menschen auf irgendeine Art und Weise zu diskreditie- Landtag. Es geht gar nicht darum, eine verschwindend ren. Es gilt das Grundgesetz Artikel 1 und es gilt das kleine Minderheit hier in irgendeiner Weise zu diskredi- Grundgesetz Artikel 3. Und ob Ihnen das Grundgesetz tieren oder Ähnliches, sondern diese verschwindend, nun gefällt oder nicht, das steht hier nicht zur Debatte. zum Glück verschwindend kleine Minderheit wird als Ihre Einstellung kennen wir dazu. Aber wenn Sie es wa- Gegenstand dafür genommen, Rechtsbruch in Deutsch- gen, im Landtag Mecklenburg-Vorpommern Menschen land zu begehen. verächtlich zu machen, Menschen zu diskriminieren, nur weil sie eine bestimmte sexuelle Orientierung haben, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) dann werden wir das hier nicht hinnehmen. Das sage ich Ihnen hier zum letzten Mal und sehr deutlich. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Köster, ich mache Sie erneut darauf aufmerksam, dass auch diese (Zuruf von David Petereit, NPD) Äußerung eine Diskreditierung der Menschen mit be- stimmten sexuellen Orientierungen beinhaltet, und ich Herr Petereit, bitte packen Sie Ihre Siebensachen zu- habe das ausdrücklich eben ausgeschlossen, dass Sie sammen und verlassen Sie den Saal! Ich schließe Sie dazu das Recht haben, sich in diesem Haus in der Art von der heutigen Sitzung aus. und Weise zu äußern. Dazu sind Sie nicht berechtigt. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. (Zuruf von Tino Müller, NPD) (Der Abgeordnete Udo Pastörs Und, Herr Müller, Sie erhalten den ersten Ordnungs- tritt an das Präsidium heran.) ruf. Stefan Köster, NPD: Darf ich meine Rede fortsetzen, (Tino Müller, NPD: Ja, danke.) Frau Präsidentin?

Sie erhalten den zweiten Ordnungsruf und ich mache Sie (Tino Müller, NPD: Ja, darfst du. – darauf aufmerksam, Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

(Julian Barlen, SPD: So, es ist eine Minderheit. Realität ist aber, dass diese Ja, bis alle raus sind.) kleine Minderheit mittlerweile das Leben hier in der Bun- desrepublik Deutschland zu bestimmen versucht. Dage- wenn Sie sich jetzt nicht zusammenreißen, gehen auch gen wehrt sich auch meine Fraktion und wir werden es Sie aus diesem Saal. nicht zulassen, dass eine Minderheit über das Wohl des Ganzen gestellt wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerk- Herr Andrejewski, Sie können dann Platz nehmen. samkeit.

(Der Abgeordnete Michael Andrejewski (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) wendet sich vom Rednerpult ab und spricht die Präsidentin an.) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Köster, ich erteile Ihnen den zweiten Ordnungsruf und ich verweise Ich entziehe Ihnen jetzt das Wort, ja, noch einmal darauf, dass nicht Sie darüber zu befinden haben, welchen Wert ein menschliches Leben besitzt. (Der Abgeordnete Michael Andrejewski spricht erneut die Präsidentin an.) (Stefan Köster, NPD: Das habe ich doch gar nicht gesagt.) für diesen Tagesordnungspunkt, und ich behalte mir weitere Ordnungsmaßnahmen vor. Das haben Sie eben getan.

(Die Abgeordneten Stefan Köster und (Stefan Köster, NPD: Da irren Udo Pastörs treten an das Präsidium heran.) Sie sich, Frau Präsidentin.) 50 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Das haben Sie eben getan mit Ihren Äußerungen. Wir (Udo Pastörs, NPD: werden das noch mal eingehend prüfen. Ich behalte mir Auserwähltes Zeichen ist das.) weitere Ordnungsmaßnahmen gegen Sie vor. ist ein Bekenntnis zu und Ausdruck von Solidarität. In (Stefan Köster, NPD: Kommen gewisser Weise entzieht sich die Regenbogenfahne auch Sie mal bitte wieder runter!) damit der Beflaggungsverordnung, weil es sich nicht um ein klassisches Hoheitszeichen einer institutionalisierten Herr Köster, Sie bekommen den dritten Ordnungsruf. Ich Körperschaft handelt, sondern um ein politisches Symbol. mache Sie darauf aufmerksam, dass bei einer weiteren Bemerkung auch Sie keine Gelegenheit mehr haben, an (Udo Pastörs, NPD: Das ist ja gerade diesem Tag in diesem Hause zu reden. der Grund, warum man sie nicht öffentlich hissen kann. Das ist ja gerade der Grund.) (Michael Andrejewski, NPD: Annullieren Sie doch gleich das Wahlergebnis!) Und wenn Innenminister Caffier unseren Kommunen das Hissen der Regenbogenfahne verbietet, dann greift er Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die schlicht und einfach in die Freiheit der Kommunen ein Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. und verbietet ihnen die freie politische Meinungsäuße- rung. Ich bin über dieses Verhalten unseres Innenminis- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr ters beschämt, denn ich glaube, wir hätten unseren geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- Kommunen durchaus mehr zugetraut oder zutrauen ren! Ich denke, das Verhalten der NPD spricht für sich. können. Ich glaube, das grenzt schon langsam …, ja, ich möchte mich dazu nicht äußern. Ich möchte zu meiner Rede (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Alles klar.) kommen und wieder überhaupt zum Antrag sprechen. Zweitens hat Innenminister Caffier jetzt kürzlich in der Frau Friemann-Jennert, Sie haben wie auch der Innen- SVZ eine ganz bemerkenswerte Feststellung getroffen, minister darauf hingewiesen, dass Rostock und Wismar sowie Greifswald vorbildlicherweise Ihre Regenbogen- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Klare Kante.) fahnen oder Regenbogenflaggen an anderen Masten gehisst haben. Ich muss Ihnen aber auch sagen, dass nämlich dass es der Regenbogenfahne an öffentlichen die Städte das getan haben, um den Innenminister sozu- Gebäuden gar nicht bedarf, sagen zu umgehen, um ihm eins auszuwischen. Ich glaube nicht, dass das eigentlich der Sinn der Sache sein (Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) soll. Und dass Sie darauf auch noch stolz sind, dass sich die Städte in Mecklenburg-Vorpommern über den In- weil die Gleichstellung homo-, bi-, trans- und intersexuel- nenminister lustig machen und nach Ausreden suchen, ler Menschen bereits erfolgt sei. Auch heute haben wir dann ist es halt so. Es tut mir leid, das noch mal gehört. In welcher Parallelwelt leben Sie eigentlich, Herr Caffier? Wissen Sie eigentlich, was auf (Maika Friemann-Jennert, CDU: Das der Welt los ist? haben Sie jetzt völlig falsch interpretiert.) (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Fangen aber es ist leider die Wirklichkeit in Mecklenburg-Vor- Sie bloß nicht an, irgendjemanden pommern. zu belehren. Mein Gott!)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das war die völlig Ich glaube, Frau Gajek hat das eindrücklich dargestellt. richtige Einschätzung. Das war völlig richtig.) Und auch in Deutschland liegt vieles im Argen. Das sollte Was wir in den vergangenen Tagen und Wochen aus Herrn Caffier wenigstens als Sportminister aufgefallen dem Innenministerium gehört und gelesen haben, war sein, als sich kürzlich Thomas Hitzelsperger als erster ein schlimmes Herumgeeiere und an Widersprüchlichkei- Bundesligaprofi kurz nach Karriereende geoutet hat. Die ten kaum noch zu übertreffen. Erstens behauptete In- noch bestehenden Ressentiments im Sport werden ganz nenminister Caffier wie auch hier und heute noch mal, bestimmt nicht weniger, wenn der zuständige Sportminis- dass es sich bei der Schwulen- und Lesbenbewegung, ter die Schwulen und Lesben öffentlichkeitswirksam deren internationales Symbol die Regenbogenfahne ist, ausgrenzt und mit einem Verbot überzieht. Das ist leider um eine private Organisation handelt. Das ist natürlich das Symbol, das nach außen dringt. großer Quatsch. Es ist keine Organisation, sondern eine Bewegung. Eine volle rechtliche Gleichstellung ist im Übrigen auch noch nicht erreicht. Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen (Michael Andrejewski, NPD: Deswegen ist, Herr Caffier, die Gleichstellung scheitert bekanntlich soll sie mehr Rechte haben?) immer wieder an der CDU. Und solange der Staat be- stimmten Gesellschaftsgruppen entlang biologischer Zudem ist die Regenbogenfahne kein eingetragenes Ausprägungen Rechte vorenthält, öffnet er Tür und Tor Markenzeichen von irgendjemandem, sondern steht für Diskriminierung und Ausgrenzung innerhalb der Ge- eigenständig für sich als Zeichen für Toleranz und Vielfalt sellschaft. Und ich will die CDU mal ernsthaft fragen, ob in der Gesellschaft. sie glaubt, dass sie die Gleichstellung der Menschen in unserer Gesellschaft wirklich aufhalten kann. Es ist doch (Michael Andrejewski, NPD: Wer sagt das?) völlig klar, dass, wenn wir die Grundrechte des Grundge- setzes konsequent auslegen, dann die Gleichstellung Diese Fahne zu hissen, nicht aufzuhalten ist. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 51

Ich weiß auch nicht, warum Sie unbedingt die Ehe schüt- Vermutlich glaubten diese Kriminellen auch noch, etwas zen wollen, indem Sie homosexuellen Paaren verbieten Legales zu tun, weil das Hissen ja eigentlich verboten ist. wollen zu heiraten. Kein Ehemann wird seine Frau ver- Merken Sie eigentlich, in was für eine schräge Rechtssi- lassen, nur weil auf einmal die Homo-Ehe, also sprich die tuation der Innenminister das Land manövriert hat? Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, ermög- licht wird. Ich weiß gar nicht, wie Sie auf die Idee kom- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ach, du liebe Zeit!) men, dass so die Ehe zu schützen ist. Also es ist schon ein bisschen eigenartig. Im Übrigen gibt das Land bekanntlich jedes Jahr Millio- nen Euro für seine Imagekampagne aus. Das hat Ihnen übrigens auch das Bundesverfassungs- gericht in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewie- (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Diese Auslegung sen. Ich zähle mal allein die Urteile der letzten fünf Jahre ist so was von daneben, dass es eigentlich nicht auf, bei denen die Ideologie der CDU krachend geschei- mehr zum Aushalten ist. Aber erklären Sie ruhig tert ist: dem Innenminister die Welt! Er wird es ertragen.)

2009 erklärte das Bundesverfassungsgericht eine Un- Herr Ringguth, alle Abgeordneten sind nach Abgeordne- gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebens- tengesetz gleich. Respektieren Sie das einfach! partnerschaft im Bereich der Hinterbliebenenrente des öffentlichen Dienstes für verfassungswidrig. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Erklären Sie mal den Abgeordneten da vorne die Welt!) 2010 entscheidet Karlsruhe, dass homosexuelle Lebens- partner bei der Erbschaftsteuer nicht gegenüber Ehepaa- Im Übrigen gibt das Land bekanntlich jedes Jahr Millio- ren benachteiligt werden dürfen. nen Euro für seine Imagekampagne aus. Zuletzt habe ich einen sehr lebensfrohen dreiminütigen Werbefilm unter 2012 wird entschieden, dass homosexuelle Paare bei der dem Motto „Auf nach M-V“ gesehen, der sich speziell an Grunderwerbssteuer nicht benachteiligt werden dürfen. junge Menschen richtet. „Abheben und Eintauchen“ hieß es da, das Land wurde freiheitlich, kreativ, individuell und 2013 kam dann die Entscheidung, dass eingetragene jung dargestellt. Und genau das erwarten junge Men- Lebenspartnerschaften auch vom Ehegattensplitting profi- schen auch von ihrem Wohn- und Lebensort. Ich muss tieren müssen. Ebenfalls hat Karlsruhe im Jahr 2013 das einfach feststellen, dass die bundesweite Berichterstat- Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare gestärkt. tung über den kleinkarierten Flaggenstreit nicht dieses junge Image des Landes unterstrichen hat, (Harry Glawe, CDU: Können Sie mal zum Thema reden?) (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Wege der sukzessiven Zweitadoption können sie jetzt rechtliche Eltern werden. Das Adoptionsrecht ist aller- sondern den Mief des vergangenen Jahrhunderts verbrei- dings noch nicht völlig geöffnet. tet hat. Dieser millionenschwere Imageschaden geht auf Kosten des Innenministers. Ich finde das einfach peinlich. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Was das mit der Beflaggungsordnung zu tun hat, ist unklar.) Meine Damen und Herren, unsere Rathäuser in den Gemeinden und Städten sind nicht nur Verwaltungssitze, Ja, wir haben aber noch zwei andere Punkte in unserem sondern sind auch immer Zentren zivilgesellschaftlichen Antrag. Schauen Sie noch mal in unseren Antrag, Herr Lebens. Wenn in der fünften Jahreszeit zum Beispiel die Ringguth! Narren symbolisch die Rathäuser übernehmen und streng genommen durchaus für den Ausfall von Arbeits- Will die CDU eigentlich immer auf der Seite der histori- zeit verantwortlich sind, dann verbietet das auch kein schen Verlierer stehen? Wollen Sie ernsthaft immer als Innenminister und erklärt, dass die Karnevalsvereine diejenigen in die Geschichtsbücher eingehen, die Rechte private Organisationen seien von Menschen entlang biologischer Ausprägungen ver- kürzt haben? Das ist doch die logische Konsequenz. (Peter Ritter, DIE LINKE: Tärä! Tärä!) Schauen Sie doch mal zehn Jahre in die Zukunft! und man müsse ja die symbolische Übernahme der Rat- Ich komme auf das widersprüchliche Verhalten des In- häuser allen Organisationen und Unternehmen ermög- nenministers zurück. lichen.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, da graust es einem.) (Harry Glawe, CDU: Können Sie mal zum Thema reden?!) Drittens hat er nämlich ebenfalls verkündet, dass er die Regenbogenfahne nicht abnehmen wird, wenn sie auf Also bitte, das macht niemand, das will niemand. Warum öffentlichen Gebäuden gehisst wird. Er duldet sie also. regt sich der Innenminister dann über eine kleine bunte Ja, dann kann er sie doch auch genehmigen. Das kann Flagge auf? Das kann doch niemand mehr nachvollziehen. doch rechtlich nicht ernsthaft begründet werden, warum die Fahne geduldet und nicht genehmigt wird. Vor allem, (Beifall vonseiten der Fraktionen was ist das eigentlich für ein Zeichen? Etwa, dass Ho- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – mosexuelle ebenfalls nur geduldet sind? Ich denke, nicht. Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Da müssen wir uns nicht wundern, wenn in Boizenburg Sie schimpfen hier, weil Sie es selbst nicht mehr nach- aus Hass die Regenbogenfahne heruntergerissen wird. vollziehen können. Das ist doch die Wahrheit. 52 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Beifall vonseiten der Fraktionen Zu den Ausführungen will ich noch so viel sagen: Wenn DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie der Unwahrheit entsprechen, dann muss ich das natürlich richtigstellen. Der Unwahrheit entspricht, dass Meine Damen und Herren, was spricht denn dagegen, Kommunen wie Greifswald, Stralsund oder Anklam mir die Kommunen selbst darüber entscheiden zu lassen, eins auswischen wollten. Die haben einen ordnungsge- mäßen Antrag gestellt und selbstverständlich können sie (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: das, wenn es nicht die für die Beflaggungsverordnung Meine Entscheidung war da aber vorgesehenen Masten sind. ganz klar, das kann ich Ihnen sagen.) (Heiterkeit bei Johannes Saalfeld, ob Sie die Regenbogenfahne auf ihren Rathäusern his- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: sen wollen? Was spricht denn dagegen? Die stehen direkt vor dem Rathaus.)

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wenn sie die Anträge ordnungsgemäß ausgefüllt haben, Wir halten uns ans Gesetz.) ist es dementsprechend auch richtiges Verhalten. Und im Übrigen habe ich gesagt, dass ich sie nicht abnehmen Warum muss das zentralstaatlich aus Schwerin geregelt werde, das ist korrekt. Aber ich habe nicht gesagt, dass werden? Ist das nicht ein klassischer Fall für das hier so wir keine Ordnungsmaßnahmen einleiten werden. Also hochgehaltene Subsidiaritätsprinzip? Das ist doch ein insofern stellen Sie hier nicht Behauptungen auf, die Grundprinzip unserer Verfassung. Und das Hissen einer nicht umgesetzt werden. – Vielen Dank für die Aufmerk- Fahne wird doch wohl den Kommunen zugerechnet wer- samkeit. den können, dass sie das schaffen. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Ich empfehle der CDU, sich nicht weiter als Verbotspartei zu profilieren. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion DIE LINKE. (Michael Silkeit, CDU: Das müssen Sie gerade sagen! Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr Das müssen Sie gerade sagen!) verehrten Damen und Herren! Das, was wir hier von der NPD-Fraktion erlebt haben, war wohl schon ein kleiner Geben Sie den Kommunen die Freiheit und den Men- Vorgeschmack auf die Debatte, die zum Antrag der NPD- schen die entsprechenden Rechte, ihr Leben frei und Fraktion morgen hier stattfinden soll. selbstbestimmt führen zu können. – Ich danke Ihnen hier für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um einzelne Abstim- (Michael Andrejewski, NPD: Die mung der drei beantragten Ziffern. wird sicherlich nicht lange dauern.)

(Beifall vonseiten der Fraktionen Vor diesem Hintergrund finde ich es persönlich bedauer- DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – lich, in welcher Art und Weise die Auseinandersetzung Michael Andrejewski, NPD: Das sagt zwischen den demokratischen Fraktionen zu diesem die Menschenrechtspartei.) Thema hier stattfindet.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr (Beifall Silke Gajek, Saalfeld. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt noch einmal der Innenminister des Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich die Redebeiträge Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier. oder den Versuch des Redebeitrages der NPD-Fraktion hier gehört habe, ist mir ein Zitat von Morgan Freeman, Minister Lorenz Caffier: Frau Präsidentin! Meine Da- einem US-amerikanischen Schauspieler, eingefallen. men und Herren Abgeordnete! Filme von ihm werden Sie sich sicherlich nicht angucken, Herr Pastörs, weil er eine andere Hautfarbe hat. Herr Saalfeld, vielen Dank für den inhaltsreichen Vortrag und den belehrenden Vortrag vor allen Dingen. Was (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) wären meine Kolleginnen und Kollegen ohne Ihre Aus- führungen hier?! Morgan Freeman sagte, man kann es im „Freitag“ nach- lesen, ich zitiere: „Ich hasse das Wort Homophobie. Es (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: ist nämlich keine Phobie. Man hat keine Angst. Man ist Ja, was wären wir ohne ihn?!) ein …“ Entschuldigen Sie, das lasse ich jetzt weg,

Ich bin sehr erstaunt über Ihre Ausführungen, über Ihr (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) Rechtsverständnis. weil das wäre dann doch zu unparlamentarisch, wenn ich (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) es zitieren würde, aber es ist weitgehend zutreffend. Man hat Angst vor dem Anderssein und das muss bekämpft Das scheint aber Ihr Rechtsverständnis zu sein und inso- werden. Herr Pastörs, das rosa Dreieck steht für Ihre fern kann ich sagen, es ist nicht mein Rechtsverständnis. Vergangenheit und das lehnen wir kategorisch ab. – Herzlichen Dank. Zum Rechtsverständnis: Ich bin dankbar, dass es durch- aus noch Werte gibt, die dementsprechend so noch um- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – gesetzt und gehandhabt werden. Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 53

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr (Peter Ritter, DIE LINKE: Lassen Sie Ritter. es doch einfach sein! Lassen Sie es doch einfach sein an dieser Stelle!) Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD. Dementsprechend kann ich auch nur die Rechtslage widergeben. – Danke schön. Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist eine sehr emo- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr tionsgeladene Debatte an dieser Stelle. Ich möchte auf Minister. zwei, drei kleine Dinge noch mal eingehen. Zum einen hat mich der Beitrag von Frau Friemann-Jennert vor allen Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete und Dingen dazu gereizt. Wenn Sie hier die Regenbogen- Vizepräsidentin Gajek flagge gleichsetzen mit Mottoflaggen, dann finde ich das schon sehr bemerkenswert, sehr bemerkenswert. (Peter Ritter, DIE LINKE: Mann, Mann, Mann!)

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE) für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zwei Minu- ten Redezeit. Die Regenbogenflagge steht, so, wie wir sie heute verste- hen, für Toleranz, Akzeptanz und Solidarität. Und deswegen (Zuruf aus dem Plenum: das in diese Ecke zu schieben, also, Frau Friemann- Du bist ja heute so bunt!) Jennert, das hat mich jetzt wirklich ein bisschen erschüttert. Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Präsiden- (Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU) tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordne- te! Ich bin echt geschockt, was hier abläuft. Und Herrn Saalfeld wollte ich noch mal sagen, was Sie in Bezug auf andere Rathäuser oder Chefs oder Chefinnen Liebe CDU, das Menschenbild, was Sie hier zum Teil der Verwaltungen gesagt haben, da kam mir auch sofort dargestellt haben, der Gedanke, die kannten die Rechtslage und haben sich entsprechend verhalten. Nicht umsonst habe ich vorhin (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Also ganz das Beispiel mit Berlin angeführt. Natürlich gibt das die vorsichtig, ganz vorsichtig, Frau Gajek!) Flaggenordnung nicht her. Es wird gemacht, gerade Frau Friemann-Jennert, ist in Teilen … (Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sie werden mir mein Menschenbild es wird gemacht. Und diese Diskussion hat anscheinend nicht negativ unterstellen. Ganz vorsichtig!) dazu geführt, dass unser Innenminister da jetzt noch viel kritischer hinguckt. Da stellt sich für mich insgesamt die Das, was hier geäußert wurde, ist echt grenzwertig. Frage, soweit ich weiß, wird in Schwerin seit 2007 die Regenbogenflagge gehisst: (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist Ihre Meinung.) (Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja. Das ist noch nie jemandem aufgefallen, nur jetzt, Das ist meine Meinung und ich bin ein freier Mensch und weil das eine linke Bürgermeisterin ist.) kann das hier sagen.

Warum kommt das jetzt und warum kommt das in einem Diese Debatte zeigt, in welcher patriarchalen Gesell- Zeitraum, wo die Stadtvertretung eigentlich nicht hand- schaft Sie leben. lungsfähig ist? Die Frage muss in dem Zusammenhang erlaubt sein. – Vielen Dank. (Egbert Liskow, CDU: Weil ich für Recht und Ordnung in einem Rechtsstaat einstehe?!) (Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist nicht Vielfalt. Für Sie gilt nur „Mann, Frau, Kind“.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Tegtmeier. Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ein Glück, dass es solche gibt wie uns. Das sage ich hier mal.) Ums Wort gebeten hat jetzt noch einmal der Innenminister. Ach! Minister Lorenz Caffier: Frau Tegtmeier, Sie haben den Anspruch auf eine Antwort auf die Frage. Selbstverständ- Aber ich lege auch immer noch fest, was Vielfalt ist, und lich, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, ich lasse mir das von Ihnen nicht verbieten. weil Schwerin das erste Mal einen schriftlichen Antrag gestellt hat. (allgemeine Unruhe – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Beliebigkeit (Martina Tegtmeier, SPD: und Rechtsbruch sind keine Alternative.) Ach so! Und ohne Antrag geht es?!) Präsidentin Sylvia Bretschneider: So, meine sehr Sie kennen die Diskussion aus dem Haushalt, der Kreis- geehrten Damen und Herren, kurze Unterbrechung. Ich haushalte und der Vereine. hatte erst darum gebeten, dass wir diese Debatte, 54 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten Nicht an mein Menschenbild, Damen und Herren, ich schließe die Debatte. Frau Gajek, da hört der Spaß auf.) (Vincent Kokert, CDU: Ja, ist doch so.) Herr Ringguth, dass wir diese Debatte hier halbwegs vernünftig beenden können. Dazu gehört auch, dass jetzt Die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ist be- jemand am Pult steht, der Rederecht hat. Es ist sicherlich endet. gestattet, auch mal einen Zwischenruf zu machen. Herr Ringguth, es ist gestattet, Zwischenrufe zu machen, das Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- wissen wir, das belebt auch die Debatte. Aber wenn es tionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf dann dahin ausartet, dass es hier einen Dialog von Red- Drucksache 6/3104. Im Rahmen der Debatte ist seitens ner und Abgeordneten gibt, dann muss ich einschreiten. der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt wor- Ich bitte jetzt einfach darum, zuzuhören und diese Debat- den, über die Ziffern 1 bis 3 einzeln abzustimmen. te zu Ende zu bringen. Wer der Ziffer 1 des Antrages der Fraktionen BÜND- Bitte, Frau Gajek. NIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksa- che 6/3104 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke, Frau Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Stimment- Präsidentin! haltungen? – Damit ist die Ziffer 1 des Antrages der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was in auf Drucksache 6/3104 bei Zustimmung der Fraktionen dieser Debatte deutlich geworden ist, ist doch, dass die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE und Ge- CDU ein rückwärts gewandtes Bild von Familie hat. genstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD abgelehnt. (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU) Wer der Ziffer 2 des Antrages der Fraktionen BÜND- Es ist eben nicht die Vielfalt. NIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksa- che 6/3104 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um Ich möchte noch zwei Sachen sagen. Lassen Sie mich das sein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltun- in Ruhe sagen, hören Sie zu und danach steht Ihnen, gen? – Vielen Dank. Damit ist auch die Ziffer 2 des An- glaube ich, auch das Rednerpult noch zur Verfügung. trages der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksache 6/3104 bei gleichem Stimm- Das Bild, was Sie von Familie haben, ist geprägt vom verhalten abgelehnt. Patriarchat. Das heißt, es ist mehrfach genannt worden, das Ehegattensplitting, es zeigt nach wie vor nicht die Wer der Ziffer 3 des Antrages der Fraktionen BÜND- Vielfalt, die da ist. Alleine die Debatte hat Sie doch ent- NIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksa- zaubert heute, che 6/3104 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltun- (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – gen? – Damit ist auch die Ziffer 3 des Antrages der Frak- Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Böse!) tionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksache 6/3104 mit gleichem Stimmverhalten abge- hat Sie entzaubert, was Sie für ein Bild haben vom Zu- lehnt. sammenleben. Tut mir leid, also wenn das Vielfalt ist, wir haben ein anderes Verständnis. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD … Und, Frau Friemann-Jennert, eins kann ich versprechen, Anträge zur Gleichstellung und Anträge gegen Homopho- Ach so, Moment! Meine sehr geehrten Damen und Her- bie und Transphobie werden wir hier immer wieder stellen. ren, auf Antrag der Fraktion der SPD unterbreche ich jetzt die Sitzung für zehn Minuten. Wir setzen die unter- (Maika Friemann-Jennert, CDU: Könnt ihr ja.) brochene Sitzung um 14.05 Uhr fort.

Und wir, DIE LINKE, die SPD und BÜNDNIS 90/DIE Unterbrechung: 13.54 Uhr GRÜNEN, sind in der Arbeitsgruppe für den Aktionsplan ______gegen Homophobie und Transphobie. Da habe ich die CDU noch nie gesehen. Es war auch ein Auftrag dieser Wiederbeginn: 14.05 Uhr Arbeitsgruppe zu sagen, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten (Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze wieder ein- und Udo Pastörs NPD) zunehmen. Oder, wenn noch Beratungsbedarf besteht? Das wird nicht signalisiert. Dann würde ich Sie bitten, die wir wollen hier Zeichen für Demokratie setzen, weil das Plätze einzunehmen. Wir setzen die unterbrochene Sit- ist es. Demokratie heißt Vielfalt, und nicht nur, weil Sie zung fort. an der Macht sind. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den (Beifall vonseiten der Tagesordnungspunkt 20 eröffne, möchte ich noch einmal Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bezug nehmen auf den Tagesordnungspunkt 18. Vincent Kokert, CDU: Das, was Sie wollen, wollen ganze sechs Prozent der Gemäß unserer Geschäftsordnung des Landtages Meck- Bevölkerung, Frau Gajek.) lenburg-Vorpommern ist in Paragraf 90 das Abstim- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 55 mungsverhalten oder das Abstimmungsverfahren gere- Herr Sellering, berichten Sie hier an dieser Stelle, warum gelt. Da heißt es in Absatz 3: „Abgestimmt wird in der das Gutachten von Dezember 2009 kein Gefälligkeits- Regel durch Handzeichen, in besonderen Fällen durch gutachten für die Landesregierung und die Banken dar- Aufstehen oder Sitzenbleiben ...“ Vor diesem Hintergrund stellte, dies vor dem Hintergrund der Aussage von Herrn muss ich der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Axhausen von KPMG, Zitat: „Das Gutachten sollte die Mitgliedern der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Banken und das Land in die Lage versetzen, dass Kredi- zwar allen, einen Ordnungsruf gemäß Paragraf 97 aus- te ausgereicht werden konnten.“ Zitatende. Und wir, mein sprechen. Hier sind Karten verwendet worden, die gegen lieber Herr Sellering, wissen aus den Vernehmungspro- den bereits zitierten Paragrafen 90 zum Abstimmungs- tokollen des Untersuchungsausschusses, dass nach dem verfahren in Absatz 3 verstoßen. Da wir mehrfach in der 14. Dezember 2009 überhaupt erst einigermaßen die Debatte darauf hingewiesen haben, dass hier die Würde Gesamtkosten für die Sanierung beziffert werden konn- des Hauses zu achten ist, sehe ich mich veranlasst, in ten, durch Sie jedoch, als verantwortlicher Regierungs- diesem Fall gemäß Paragraf 97 zu verfahren. chef, ohne belastbare und ehrliche Zahlen auf dem Tisch zu haben, bereits vorher millionenschwere Werfthilfen Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 20: Bera- bewilligt wurden. tung des Antrages der Fraktion der NPD – Regierungser- klärung zur finanziellen Schieflage der „P+S-Werften“ im Wer hier Geschäfte gemacht hat und wer Verluste, steht Sommer 2011, Drucksache 6/2965. bereits heute einwandfrei fest. Das Land verliert Hun- derte Millionen Euro, der Steuerzahler ist also der Antrag der Fraktion der NPD Dumme. Die Banken haben gut kassiert und vor allen Regierungserklärung zur finanziellen Dingen die Beratungs- und Gutachterfirmen haben Schieflage der „P+S-Werften“ im Sommer 2011 risikolos abgesahnt. Allein KPMG kassierte mindestens – Drucksache 6/2965 – 4,2 Millionen Euro Honorar.

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende Aber auch der seinerzeitige CDU-Wirtschaftsminister der NPD-Fraktion Herr Pastörs. Herr Seidel – der im Gegensatz zum Ministerpräsidenten hier im Plenum wenigstens körperlich vorhanden ist – Udo Pastörs, NPD: Hochgeschätzte Frau Präsidentin! muss sich vorwerfen lassen, warum er nicht auf die war- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum nenden Worte seines Abteilungsleiters im Wirtschaftsmi- schweigt der Herr Ministerpräsident beharrlich zum The- nisterium Hanns-Christoph Saur eingegangen ist, die da menkomplex „Niedergang und Insolvenz der P+S Werf- lauten, Zitat: „Das KPMG-Gutachten sei in manchen ten hier im Lande“? Warum informiert die Landesregie- Bereichen zu unkonkret.“ Zitatende. Herr Seidel, ist es rung die Menschen im Lande nicht konkret über den richtig, dass zu diesem Zeitpunkt aus politischen Grün- weiteren Fortgang der wirtschaftlichen Tätigkeit der Werft den, auch im Hinblick auf die anstehende Landtagswahl, nach dem Verkauf an einen russischen Investor? Und keiner mehr an der Sanierungsfähigkeit und Infragestel- ganz besonders interessiert die Öffentlichkeit: Herr Selle- lung des Gutachtens rütteln wollte, obwohl die großen ring, Risiken, wie sich Herr Axhausen ausdrückte, auch der Politik bekannt waren? (Stefan Köster, NPD: Der ist nicht da.) Herr Ministerpräsident Sellering, ich werfe Ihnen Un- hatten Sie im August 2011 aus vertraulichen Berichten treue vor, weil es mehr als unwahrscheinlich ist, dass Kenntnis darüber erlangt, dass die Zahlungsunfähigkeit Sie im August 2011, also zehn Tage vor der Landtags- der Werft unmittelbar bevorstand? Erklären Sie den Wäh- wahl, in Kenntnis, dass die 1.750 Arbeitsplätze in lerinnen und Wählern im Lande, warum still und heimlich Stralsund und Wolgast nicht zu halten sind, trotzdem Finanzunterstützungsmaßnahmen in Millionenhöhe vom 17,9 Millionen Euro von Land und Bund als Bürgschaft Land wenige Tage vor der letzten Landtagswahl an die sofort freigaben. Erhärtet wird mein Vorwurf auch da- Werften geflossen sind! durch, dass, wie in einem vertraulichen Papier zu lesen, das Unternehmen alle zur Verfügung stehenden Mög- (Thomas Krüger, SPD: Haben Sie lichkeiten ausschöpfen muss, um die Liquidität der im Ausschuss nicht aufgepasst, ne?!) Werft überhaupt noch für die nächsten Monate auf- rechterhalten zu können. Wer so etwas zu Papier Im Untersuchungsausschuss zu den Ungereimtheiten bringt, der weiß, dass es ans Tafelsilberverscherbeln der P+S-Werften-Insolvenz mehren sich Indizien dafür, geht, meine sehr verehrten Damen und Herren. dass mit Ihnen, Herr Ministerpräsident, an der Spitze der Landesregierung durch Verschweigen und manipulative Mit Ihrem Buchhaltertrick, Herr Ministerpräsident, gewann Interpretation von Gutachten jene Voraussetzungen die SPD am 4. September die Wahl, nahm die CDU geschaffen wurden, wonach dann das Land, aber auch wieder mit ins Boot und die Karawane zog weiter. Es die Banken mit Krediten und Bürgschaften eine vorläufi- dauerte gerade mal ein Jahr, bis die P+S Werften Insol- ge Pleite der Werft bis nach den Wahlen verhindern venz anmeldeten. Die Belegschaft stand und steht bis konnten. Der seinerzeitige verantwortliche Gutachter der heute zum größten Teil vor dem Nichts, vor dem Aus, vor Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, Herr Michael dem privaten Ruin. Viele haben ihr Häuschen verloren, Axhausen, vertrat uns gegenüber die Auffassung, dass viele sind jetzt schon in die Insolvenz gegangen, indem er und seine Fachleute am 14. Dezember 2009 die Sa- sie nicht mehr Anschlussarbeit gefunden haben, dies nierungsfähigkeit des angeschlagenen Werftverbundes ganz in der Hauptsache im Bereich der weniger qualifi- attestierten. Damit, meine sehr verehrten Damen und zierten Belegschaft der Werft. Herren, wurde der Weg frei für Kredite und Bürgschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern von 48 Millionen Wir werden Sie aber, Herr Ministerpräsident, weil Sie Kredit und 326 Millionen Bürgschaft. Dieses Geld der vermutlich auch heute zu diesem Thema wieder schwei- Steuerzahler ist weg, wie wir alle wissen. gen werden, 56 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Jochen Schulte, SPD: Ach, Herr Pastörs!) wie Sie sie gerne hätten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. in den Untersuchungsausschuss vorladen (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – (Jochen Schulte, SPD: Sie laden Zurufe von Patrick Dahlemann, SPD, überhaupt niemanden vor.) und Jochen Schulte, SPD) und dort werden Sie Rede und Antwort zu stehen haben, Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herr Pastörs, ich denn Verantwortung zu übernehmen braucht ja bekann- mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie in Ihrem Rede- terweise in der Politik für Misswirtschaft niemand. beitrag verschiedene Dinge geäußert haben, die wir bereits prüfen. Wenn ich „wir“ sage, Herr Schulte, dann meine ich damit „der Untersuchungsausschuss“ und mich nicht persön- Zunächst haben Sie hier in diesem Hohen Haus gesagt, lich. und ich zitiere Sie jetzt: „Ich werfe Ihnen Untreue vor, Herr Ministerpräsident.“ Das ist eine Behauptung, die (Jochen Schulte, SPD: unterstellt, dass es hier um die Erfüllung eines Straftat- Herr Pastörs, Sie sprechen nicht bestandes geht. Das ist eine Beleidigung und ich erteile für den Untersuchungsausschuss.) Ihnen zunächst erst einmal, bis wir die Prüfung abge- schlossen haben, einen Ordnungsruf. Das gilt, wie ge- Also die Verantwortlichkeit, und das will ich hier noch mal sagt, für andere Aussagen auch. Auch die Verwendung in aller Deutlichkeit auch für die Wählerinnen und Wähler des Wortes „Buchhaltertrick“ in Ihrer Rede in Bezug auf betonen, erschöpft sich in der Politik höchstens dadurch, den MP fällt in eine solche Kategorie. Auch das werden dass die Verantwortlichen mit Anspruch auf Pension wir prüfen. zurücktreten – nichts mehr, gar nichts und gar nichts mehr. Es gibt weitere Dinge, die wir entsprechend prüfen wer- den und die im Anschluss mit Sicherheit dazu führen (Zuruf von Thomas Krüger, SPD) werden, dass ich gemäß unserer Geschäftsordnung verfahren werde, und eventuell sind sogar weitere Maß- Aber selbst diese Größe haben Sie nicht, Herr Sellering. nahmen daraus abzuleiten. Das nur der guten Ordnung halber vorweg. Meine Damen und Herren, unter der Regierungszeit der SPD-CDU-Regierungskoalition hat sich die Deindustriali- Im Ältestenrat wurde zu diesem Tagesordnungspunkt sierung Mecklenburg-Vorpommerns kontinuierlich fortge- eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten setzt. vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. (Patrick Dahlemann, SPD: Quatsch!) Das Wort hat der Abgeordnete Herr Saalfeld für die Frak- Dieses Land kann nicht aus eigener Kraft bis heute seine tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Zukunft gestalten. Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr (Thomas Krüger, SPD: Dann haben geehrte … Sie aber wieder einen Realitätsverlust.) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Einen ganz kleinen Trotz Investitionshilfen in Milliardenhöhe allein für den Moment noch, Herr Saalfeld, ich muss noch eine Ergän- Bereich der maritimen Industrie ist auf Sicht keine Ver- zung machen, das hatte ich jetzt nicht bedacht. besserung der Situation zu erwarten. Ganz im Gegenteil, Fachleute schließen mittlerweile nicht aus, dass es in M-V Herr Pastörs, Sie haben damit von mir den dritten Ord- langfristig nicht mehr rentabel möglich sei, Schiffbau zu nungsruf erhalten in dieser Sitzung und ich entziehe betreiben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ihnen für die heutige Sitzung damit das Wort. nunmehr der neue Werftbesitzer, Herr Yusufov, richtiger- weise eine Spezialisierung auf komplexe maritime Pro- (Zuruf von Tino Müller, NPD) jekte in Stralsund und Wolgast vornehmen will. Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr (Zuruf von Jochen Schulte, SPD) geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- ren! Auch hierzu, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird das Land in Kürze mit Fördergeldanträgen zu rech- Also, Herr Pastörs, vielleicht können Sie uns einmal nen haben, weil ganz bestimmt, wie Herr Yusufov in der berichten, wie tief eigentlich Ihre eigenen Ansprüche an letzten Woche mitteilte, Landesbürgschaften beantragt sich selbst gesunken sind, um einen so substanzlosen werden. Auftritt hier im Parlament hinzulegen. Es ist mal wieder ein wenige Zeilen umfassender Antrag, wie fast alle An- Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir jetzt träge im Übrigen hier im Landtag von der NPD. Als ich hören werden, ist das übliche Anti-NPD-Blabla, ein Ihnen gerade zugehört habe, Herr Pastörs, hat sich bei Abgesang, ohne sich jedoch inhaltlich mit unserem mir der Eindruck verfestigt, dass Sie eigentlich überhaupt Antrag auseinanderzusetzen. Das kann man tun, führt nicht die Zusammenhänge verstanden haben, um die es meist jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis, wie die da geht. Ich glaube sogar, dass Sie die Akten, Erfahrung lehrt. Denn die lehrt uns, dass das Aus- schließen einer legitimen nationalen Opposition vom (Udo Pastörs, NPD: Wichtig ist, öffentlichen Diskurs nicht zu den Wahlergebnissen führt, dass Sie das verstehen.) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 57 dass Sie die Akten, die es dazu gibt, auch gar nicht gele- Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Raten Sie mal, sen haben, denn anders kann ich mir das nicht erklären. welche Fraktion bis heute im Untersuchungsausschuss Haben Sie das entsprechende Gutachten, von dem Sie zur Aufklärung der P+S-Werften-Pleite keinen einzigen immerzu erzählen? Herr Pastörs, das frage ich Sie mal. Beweismittelantrag vorgelegt hat und keinen einzigen Zeugen je benannt hat! (Stefan Köster, NPD: Er darf Ihnen nicht antworten.) (Vincent Kokert, CDU: Die NPD?)

Wie viele Seiten hat denn das Gutachten, das Sie hier Richtig, Herr Kokert, es war natürlich die NPD. gerade zitieren? – Da schweigt er. (Udo Pastörs, NPD: (Michael Andrejewski, NPD: Sehr klug, Herr Kokert! – Er hat Redeverbot.) Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Er hat noch nicht mal die Akten, über die er hier schwa- droniert, Sie macht nichts, gar nichts.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD) Ich muss einfach mal feststellen, natürlich haben die demokratischen Fraktionen im Untersuchungsausschuss und das ist ein Zeichen dafür, wie die NPD eigentlich unterschiedliche Auffassungen, aber eines kann man uns auch Politik betreibt. nicht vorwerfen, nämlich, dass wir unsere Aufgabe nicht ernst nehmen. Alle Fraktionen arbeiten an dem Gegen- (Udo Pastörs, NPD: Der Beweis stand und versuchen, Aufklärung herbeizuführen, außer ist erbracht: Er hat nicht die Akten. – eine. Da kommt Herr Pastörs herein ohne Vorbereitung, Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) Sie liest Zeitung, verknüpft irgendwelche fernen, sinnfer- nen Zusammenhänge und glaubt, damit Politik zu ma- dann versucht er, aus irgendwelchen Satzfetzen, die er chen. Das ist absolut unverantwortlich, Herr Pastörs. aus der Anhörung mitnimmt, irgendwelche Sinnzusam- menhänge zu erstellen, (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE) (Udo Pastörs, NPD: Ja, das hätten Sie gerne, dass das so wäre.) Denn einfach nur Zeitung zu lesen und daraus Politik zu machen, so funktioniert das nicht. und glaubt, damit eine Theorie zusammenzuschustern.

Meine Damen und Herren, eines muss man natürlich Aber, Herr Pastörs, jetzt hier im Plenarsaal die Klappe Herrn Pastörs lassen, er liest gerne Zeitung und auch weit aufzureißen und nach Aufklärung zu schreien, das sehr viel, im Übrigen sehr gerne im Parlament und auch ist absolut unglaubwürdig, wenn Sie offensichtlich noch im Untersuchungsausschuss. nicht mal die dazugehörigen Akten gelesen haben.

(Stefanie Drese, SPD: Genau. – (Udo Pastörs, NPD: Woher wissen Sie das?) Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Was machen Sie eigentlich mit den Personalmitteln, die Das „Handelsblatt“ ist eine seiner Lieblingszeitungslektü- Sie für den Untersuchungsausschuss bekommen haben? ren, aber offensichtlich steht da nicht alles drin, denn Das würde mich mal interessieren. sonst hätte er jetzt hier nicht so einen Auftritt hingelegt. (Zuruf von Stefan Köster, NPD) (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Er schreibt sogar Zeitungen ab.) Ach ja, wir wissen es ja. Sie haben mit dem Geld einen Versorgungsposten für Peter Marx geschaffen, den ehe- Meine Damen und Herren, damit ist bewiesen, dass nur maligen Generalsekretär der NPD, der kürzlich beim ein bisschen Zeitunglesen nicht reicht, Naschen an einem Kuchen in Penisform erwischt wurde

(Udo Pastörs, NPD: (Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Der Beweis ist erbracht.) der SPD, CDU und DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Ach herrje!) um die Welt zu erklären und verstanden zu haben. und deshalb den Hut nehmen musste. (Peter Ritter, DIE LINKE: Und schon gar nicht, sie zu verändern.) (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Pastörs Seitdem gilt das Verhältnis zwischen Marx und Pastörs kommt im Untersuchungsausschuss selten auch mit bekanntlich als unterkühlt. Akten zur Tür herein und deswegen frage ich mich schon, warum er jetzt hier so tut, als ob er sehr professi- (Peter Ritter, DIE LINKE: Weil onell agiert. Das kann ich nicht nachvollziehen. er keinen Kuchen abgekriegt hat. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen (Zuruf von Udo Pastörs, NPD) der SPD, CDU und DIE LINKE) 58 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Möglicherweise bleibt deswegen die Arbeit auch einfach Nun mal ganz im Ernst, Herr Pastörs: Würden Sie Ihren auf der Strecke. Möglicherweise ist es aber auch ein eigenen politischen Formationen eigentlich noch über Stillhalteposten für Herrn Marx, weil er als ehemaliger den Weg trauen, wenn Sie sich nicht selbst so gesell- Generalsekretär sicherlich viel zu berichten weiß und schaftlich isoliert hätten, dass Ihnen nur die NPD als dann sicherlich eher den Mund halten soll. Wenn er ei- letzter Zufluchtsort bleibt? nen Stillhalteposten hat, dann macht er seine Arbeit gut, denn es wird keine Arbeit geleistet. (Udo Pastörs, NPD: Och! Och!)

(Udo Pastörs, NPD: Was Sie Der vorliegende Antrag ist unglaubwürdig, fehlplatziert, für Theorien entwickeln?!) substanzlos und folglich auch unbegründet. Offensicht- lich liegen der NPD nicht einmal die entsprechenden Somit ließe sich auch erklären, warum die NPD im Unter- Akten vor, über die sie hier glauben reden zu können. suchungsausschuss keinen substanziellen Beitrag zur Einen solchen Antrag kann man daher nur ablehnen und Aufklärung leistet, das werden wir demokratischen Fraktionen natürlich auch tun. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Udo Pastörs, NPD: Kommen Sie mal auf meinen Vortrag zu sprechen!) (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn der NPD-Referent hat offensichtlich andere Ziele. Er muss ja auch immer als Gemeindevertreter ins Saar- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr land pendeln. Ich weiß gar nicht, wie man das macht, in Saalfeld. einer Gemeinde im Saarland verwurzelt zu sein und gleichzeitig hier den Anspruch zu erheben, Politik für Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für Mecklenburg-Vorpommern zu betreiben. die Fraktion der NPD.

(Stefan Köster, NPD: Das geht.) Michael Andrejewski, NPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind alle hier Politiker und wissen, wie zeitintensiv Politik ist. Und wenn man mit dem Herzen bei Also, Herr Saalfeld, Sie sind offenbar unter die Hellseher der Sache ist, gegangen. Sie wissen ganz genau, was für Akten Herr Pastörs liest und welche nicht. (Udo Pastörs, NPD: Wie Sie.) (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ dann kann man nicht zwischen dem Saarland und Meck- DIE GRÜNEN: Gar keine.) lenburg-Vorpommern pendeln und glauben, hier alles richtig zu machen. Sie wissen ganz genau, welches Verhältnis er zu Herrn Marx hat und welches nicht. Falls Sie nicht gerade einen (Udo Pastörs, NPD: Das ist so was Nebenjob bei der NSA haben, dann leiden Sie wohl eher von schwach, was Sie da loslassen.) hier unter einem Übermaß an Fantasie, denn Sie wissen gar nichts. Herr Pastörs, wie heißt es so schön? Wer im Glashaus sitzt, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.) Sie wissen nicht, dass es durchaus möglich ist, im Saar- land zu leben und hier trotzdem seinen Job zu machen. sollte sich im Dunkeln anziehen beziehungsweise auch Wahrscheinlich leben Sie in einer Luxusblase ausziehen. (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ (Udo Pastörs, NPD: Jaja.) DIE GRÜNEN: Ich nehme meinen Job ernst und nehme nicht nur das öffentliche Geld mit.) Wer so viel Dreck am Stecken hat wie die NPD, der ist wohl der Letzte, der hier im Scheinwerferlicht dieses und können sich nicht vorstellen, dass es viele Menschen Parlaments nach Aufklärung schreien sollte. Die Antrag- gibt, die Pendler sind, und zwar über weite Entfernungen steller haben sich mit Ihrem Verhalten selbst diskreditiert, hinaus. Es gibt auch Leute, die hier mit voller, sind in vielerlei Affären und dubiosen Netzwerken ver- strickt. Sie stehen gerade wieder im Verdacht, öffentliche (Zurufe von Julian Barlen, SPD, Mittel veruntreut zu haben. Die NPD musste in jüngster und Peter Ritter, DIE LINKE) Zeit schon mehrfach Strafen zahlen und Strafen antreten. Herr Pastörs, fangen Sie erst einmal an, bei sich selbst mit voller Begeisterung leben und Heimatbewusstsein aufzuräumen und aufzuklären, haben und trotzdem in Holland und sonst wo arbeiten müssen, (Udo Pastörs, NPD: Bei den GRÜNEN gibt es so was nicht, ne?!) (Peter Ritter, DIE LINKE: Der schafft das nicht mal von Ueckermünde bis hier her und dann bevor Sie das Gleiche von anderen fordern. wollen Sie mir erzählen, vom Saarland bis hier her?! Was ist denn das für ein Quatsch?) (Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist neulich wieder ein Kinderschänder dank der Zustände, die auch Ihre Partei hier mit geschaf- bei der NPD entlarvt worden.) fen hat. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 59

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD) wer zum Verfassungsschutz übergeht,

Sie wissen offenbar auch nicht, nach dem Zeug über (Peter Ritter, DIE LINKE: Da finden Untreue, was Sie hier vor sich her gemurmelt haben, Sie immer noch eine Ausrede.) dass gerade eine schriftliche Mitteilung – die müssten Sie eigentlich gelesen haben, aber vielleicht lesen Sie noch der gehört zum Staat, nicht mal kleine Zettel geschweige denn Akten –, dass die Justizministerin die Entscheidung der Staatsanwalt- (Peter Ritter, DIE LINKE: schaft, einen Anfangsverdacht zu verneinen im soge- Wir haben nichts mit euch zu tun. – nannten Untreuefall Marco Müller, nicht beanstandet hat. Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD) Es gibt noch nicht mal einen Anfangsverdacht für das, was Sie hier massiv aufgeblasen haben, um Untreue zu nicht zu uns, das ist ein Verfassungsschutzmann, verfolgen. Das wissen Sie wahrscheinlich auch nicht, obwohl Sie den Eindruck erwecken, es wäre so. (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, ja.) Und was diesen Untersuchungsausschuss angeht … dies nur nebenbei –, oder ob das der NSU-Unter- (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ suchungsausschuss ist, was auch immer, wenn dort die DIE GRÜNEN: Da können Sie nicht Vertreter der Regierungsfraktionen die Mehrheit haben, viel berichten, weil Sie nicht drinsitzen.) blocken die natürlich ab, weil sie gegenüber der Regie- rung nun mal loyal sein müssen, dann kommt dabei Doch, da kann ich Grundsätzliches sagen, und zwar zu nichts raus. Deswegen ist da durchaus zu überlegen, ob allen Untersuchungsausschüssen. Sie leiden alle an dem man das Gesetz über die Untersuchungsausschüsse und Mangel, dass sie nicht, wie es sein müsste, Instrumente darüber die Landesverfassung nicht ändert, dass in Zu- der Opposition sind, kunft nur noch Vertreter der Oppositionsfraktionen in Untersuchungsausschüssen sitzen und nicht mehr die (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ der Regierung, oder zumindest sichergestellt ist, dass die DIE GRÜNEN: Doch, sind sie.) Vertreter der Oppositionsfraktionen die Mehrheit haben, weil sonst nie etwas bei Untersuchungsausschüssen sondern – das steht in der Verfassung – sie sind zusam- herauskommt. mengesetzt so, dass dort die Regierungsvertreter, die Vertreter der Regierungsfraktionen, genauso drin sind, (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Stefan Köster, NPD: Recht hat er. – (Zuruf von Johannes Saalfeld, Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die, wie Herr Ritter übrigens mal gesagt hat in einem Das sollte in der Tat getan werden, denn sonst ver- seiner seltenen lichten Augenblicke, schwendet man eine Menge Geld. Dieser Untersu- chungsausschuss ist wie alle anderen eine Geldver- (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) schwendung, in den letzten Debatten hat er gesagt, dass die, sinnge- (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ mäß, dass die Gewaltenteilung, DIE GRÜNEN: Ich habe manchmal das Gefühl, dass der Parlamentarismus Sie überfordert.) (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) eine Geldverschwendung. Und das wäre dem Geist des dass die Gewaltenteilung, dass die Gewaltenteilung, … Parlamentarismus mehr angemessen als das, was Sie machen. Jetzt lobe ich Sie mal und es ist wieder nicht richtig. (Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn das alles (Gelächter bei Udo Pastörs, NPD) nichts nützt, dann gehen Sie doch nach Hause, geben Sie Ihr Mandat zurück!) … dass die Gewaltenteilung reine Fassade ist, weil es in der Tat so ist, dass die Regierungsfraktionen und die Allerdings, wenn alle Oppositionsparteien so wären wie Regierung quasi ein Block sind und nicht den Gegensatz Sie und alle so auf dem Schoß der Regierung säßen und geben, den man immer erwartet von Parlament und Re- sich anbiederten, wie Sie es gerade eben gemacht haben, gierung. Und wenn in einem Untersuchungsausschuss, und das gilt für alle, ob das jetzt der neue Edathy- (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Untersuchungsausschuss ist, gegen den Mann, der Kin- derpornografie bestellt hat – dann würde dieser Vorschlag auch nichts nützen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So wie der Nazi, (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ der jetzt wieder aufgeflogen ist, ne?!) DIE GRÜNEN: Lesen Sie doch erst mal die Akten, bevor Sie darüber übrigens, Herr Ritter, dieser Kindesmissbraucher, das ist reden. Lesen Sie doch erst mal die kein NPD-, das ist ein Verfassungsschutzmann, Akten, bevor Sie darüber reden!)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn allerdings echte Oppositionsparteien wie wir die Ach, hör doch auf!) Mehrheit hätten, dann würden wir diese Untersuchungs- 60 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 ausschüsse schon zu dem Instrument machen, das sie Sie sind damit vom weiteren Verlauf der Sitzung ausge- sein sollen, und nicht hier als Trabant um die Regierung schlossen, kreisen. – Vielen Dank. (Udo Pastörs, NPD: Gut.) (Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ weil Sie hier wieder gegen die Geschäftsordnung des DIE GRÜNEN: Die Ansprüche, Hohen Hauses verstoßen haben. die Sie erheben, erfüllen Sie als Letzte. Peinlich! Peinlich!) (Udo Pastörs, NPD: Sehr schön.)

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten Ich behalte mir vor, aufgrund der erneuten Äußerung mit Damen und Herren, ich schließe die Aussprache zu die- den Mitgliedern des Ältestenrates darüber zu befinden sem Tagesordnungspunkt. nach eingehender Prüfung, welche weiteren Konsequen- zen sich ergeben. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- tion der NPD auf Drucksache 6/2965. Wer dem NPD- (Udo Pastörs, NPD: Aha! – Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand- Zuruf von Tino Müller, NPD) zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthal- tungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2965 abgelehnt. Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Anerken- nung des Diploms sicherstellen, auf Drucksache 6/3070. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion der Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE NPD hat eine Auszeit von 20 Minuten beantragt. Über LINKE auf Drucksache 6/3123 vor. diesen Antrag auf eine Auszeit lasse ich nunmehr ab- stimmen, weil ich persönlich der Auffassung bin, Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Anerkennung des Diploms sicherstellen (Gelächter vonseiten der Fraktion der NPD) – Drucksache 6/3070 – weil ich der Auffassung bin, dass die Situation, die dazu Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE führt, dass die NPD-Fraktion sich über ihre Redner neu – Drucksache 6/3123 – verständigen muss, bewusst und selbst verschuldet her- vorgerufen wurde, Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Wippermann für die Fraktion der SPD. Bitte schön. (Stefan Köster, NPD: Natürlich! – Tino Müller, NPD: Das entscheiden Lassen Sie sich Zeit, Frau Wippermann! Hier möchten Sie, oder was? – Silke Gajek, noch mehr Herren ihren Platz räumen. Wir wollen gerne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, genau. – warten, bis die so weit sind. Gelächter bei Stefan Köster, NPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD) (Die Abgeordneten der Fraktion der NPD verlassen den Plenarsaal. – und ich mich auf das Votum des Plenums beziehen Julian Barlen, SPD: Bezahlte Pause. – möchte, ob wir diese Auszeit durchführen oder nicht. Ich Stefanie Drese, SPD: Die Abgeordneten frage also: Wer ist der Meinung, dass diesem Antrag auf nehmen sich selbst die Auszeit. – eine 20-minütige Auszeit zugestimmt werden soll, den Wolf-Dieter Ringguth, CDU: bitte ich um sein Handzeichen. – Die nehmen sich die allein. – Tino Müller, NPD: Ihnen ist das Sommerfest (Michael Andrejewski, NPD: Überraschung!) nicht bekommen, Frau Bretschneider.)

Wer stimmt dagegen? – So, Frau Wippermann, bitte schön.

(Gelächter bei Stefan Köster, NPD – Susann Wippermann, SPD: Ja, sehr geehrte Frau Prä- Michael Andrejewski, NPD: Überraschung!) sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern gab mit dem Beschluss eines Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. novellierten Landeshochschulgesetzes am 15.12.2010 Damit ist dem Geschäftsordnungsantrag hier nicht zu- ein klares Signal, nämlich ein deutliches Ja zum Diplom- gestimmt worden. Wir werden keine Auszeit durchführen. abschluss.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: In Paragraf 41 dieses Gesetzes ist festgeschrieben wor- Sehr demokratisch.) den, dass Studierende alternativ zu den Studienab- schlüssen Bachelor und Master, die im Rahmen des Herr Pastörs, ich hatte Sie darauf aufmerksam ge- Bologna-Prozesses und somit mit der Einführung des macht, dass Sie nicht nur den dritten Ordnungsruf er- gestuften Studiensystems verliehen werden, auch alter- halten haben, sondern dass Sie auch aufgrund dieser nativ auf Antrag das traditionelle Diplom erhalten können. Tatsache und aufgrund der Art und Weise, wie Sie sich Damit folgte der Landtag Mecklenburg-Vorpommern dem heute wieder produziert haben, kein Recht mehr haben, Wunsch und dem Begehren der Hochschulen des Lan- in diesem Plenum zu sprechen. Aufgrund der Kommen- des, diesen weltweit anerkannten und von den Studie- tierung meiner Entscheidung, die auf einem Votum des renden begehrten Grad nach einem erfolgreich abge- Landtages Mecklenburg-Vorpommern beruht, bleibt es schlossenen Studium verleihen zu können. So nutzen dabei nicht. Sie können Ihre Sachen packen und gehen. derzeit die Hochschulen unseres Landes gern diese Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 61

Möglichkeit des Gesetzes und bieten den Studierenden Das Wort hat zunächst der Bildungsminister des Landes in ausgewählten Studiengängen den Diplomabschluss Mecklenburg-Vorpommern Herr Brodkorb. als Option an, von welcher die Betroffenen auch gern Gebrauch machen. Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Präsi- dentin! Meine Damen und Herren! Viele Abgeordnete Voraussetzung für die Einführung neuer Studiengänge ist und auch die Öffentlichkeit werden sich noch an die Par- die Akkreditierung durch eine zuständige Agentur. So lamentsbeschlüsse des Jahres 2010 erinnern können, beantragten die Universität Rostock und die Fachhoch- schule Stralsund im Jahr 2012 die Zulassung mehrerer (Egbert Liskow, CDU: Genau.) Studiengänge bei den zuständigen Agenturen, welche mit Bescheiden aus dem Jahr 2013 nur unter der Auflage, die die Diskussion über den Erhalt des Diploms in Mecklen- Option Diplom zu streichen, akkreditiert wurden. Dabei burg-Vorpommern. beriefen sich die Agenturen auf einen Beschluss des Ak- kreditierungsrates vom 08.06.2011, in dem es wörtlich Das Parlament hat im Landeshochschulgesetz das heißt, und ich zitiere: „Studiengängen, in denen nach Ertei- Recht verankert, Frau Wippermann hat es eben bereits lung der Akkreditierung die Möglichkeit der Vergabe eines gesagt, dass unsere Absolventen grundsätzlich das Diplom-Grades eröffnet wird, ist die Akkreditierung zu Recht haben, zu wählen, ob sie den Mastergrad, die entziehen.“ Als Begründung für den eben genannten Be- neue Studienabschlussbezeichnung, wählen wollen schluss wird argumentiert, dass die angebotene Option oder das Diplom. Unser Beschluss hat in vielen Ländern des Diploms den Ländergemeinsamen Strukturvorgaben Neid hervorgerufen, jedenfalls bei einigen Hochschulen, widerspräche und mithin nicht akkreditierungsfähig ist. und zu hoher Anerkennung geführt. Ich erinnere an die Berichterstattung in der „Frankfurter Allgemeinen Zei- Dieses Handeln, sowohl der Agentur als auch des Ak- tung“. kreditierungsrates, widerspricht unseren Rechtsauffas- sungen und Erwartungen, die das Land und somit seine Wir haben selbstverständlich auf der Grundlage des Koali- Hochschulen an ein ordnungsgemäßes Akkreditierungs- tionsvertrages – der sieht in Ziffer 221 eine eigene Rege- verfahren haben. Es widerspricht aber nicht nur unserer lung vor – als Regierung alles getan, was uns bisher mög- Rechtsauffassung, sondern es widerspricht in gewisser lich war, um das Recht unserer Hochschulen, den Diplom- Weise der Logik der vergangen Jahre. grad zu verleihen, durchzusetzen. Allein ich muss heute feststellen, dass sich der Akkreditierungsrat weigert, das (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommerns zu akzeptieren, und dass er zwei Hochschulen die Akkreditie- Überall in Deutschland, so, wie wir es im letzten Jahr in rung ihrer Studiengänge ebenfalls verweigert. Mecklenburg-Vorpommern getan haben, haben wir Be- schlüsse in den Parlamenten gefasst, nach denen wir Wir haben verschiedenste Gespräche mit dem Akkredi- ausländische Studien- und Berufsabschlüsse leichter tierungsrat geführt und Diskussionen in der Kultusminis- anerkennen wollen. Dies ist eine gute Entscheidung für terkonferenz. Diese führten alle nicht zum Ergebnis. Der das weitere Zusammenwachsen in Europa. Dabei muss Koalitionsvertrag sieht vor, Zitat, „alle politisch und recht- die zuständige Behörde jeweils nur prüfen, inwieweit die lich notwendigen Schritte zur Anerkennung des Diploms Studien- und Ausbildungsinhalte entsprechenden deut- fort(zu)setzen“, Zitatende. Alle politischen und alle recht- schen Abschlüssen entsprechen. Sind diese vergleich- lichen – alle politischen Instrumente haben wir in den bar, dann muss der Abschluss anerkannt werden. letzten zwei Jahren ausgeschöpft, jetzt werden wir die rechtlichen Wege beschreiten. (Heinz Müller, SPD: Genau.) Es gibt eine Rechtsaufsichtsbeschwerde unsererseits Die Akkreditierungsagenturen und der Akkreditierungsrat beim zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen. haben die Studiengänge jedoch – unsere Studiengänge Das hört sich vielleicht etwas kurios an, aber die Akkredi- mit der Option Diplom – nicht einmal inhaltlich geprüft, tierungsagenturen arbeiten auf der Grundlage des nord- sondern versuchen, sich hinter formalen Begründungen rhein-westfälischen Landesrechts. Diese Rechtsaufsichts- zu verstecken. beschwerde ist bis heute nicht abschließend bearbeitet.

Während also ein ausländischer Studienabschluss mit Die Fachhochschule Stralsund und das Ministerium für dem gleichen Inhalt wie ein Diplomlehrgang in Stralsund Bildung, Wissenschaft und Kultur haben sich in den letz- oder Rostock in Deutschland anerkannt wird, wird diesen ten Monaten darauf verständigt, dass die Fachhochschu- inhaltsgleichen Abschlüssen die Akkreditierung verwei- le Stralsund gegen die Akkreditierungsagentur ASIIN gert. Logisch und nachvollziehbar sind solche Entschei- Klage einreicht. Ich möchte Sie heute darüber informie- dungen für mich nicht. Lassen Sie uns deshalb gemein- ren, dass diese Klage bereits eingereicht wurde und wir sam dafür sorgen, dass unsere Hochschulen weiterhin der Fachhochschule Stralsund sowohl alle rechtliche als die Möglichkeit zur Vergabe des Diploms beibehalten! auch finanzielle Unterstützung zugesagt haben, um die- sen Rechtsstreit zu führen. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) (Beifall vonseiten der Fraktionen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau der SPD und CDU) Wippermann. Das führt zu spontaner Begeisterung beim Abgeordneten Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer Liskow, das finde ich gut. von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich Das ist schon ein bedeutsamer Tag, und ich würde gerne eröffne die Aussprache. noch einmal verdeutlichen, vor welcher absurden Situati- 62 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 on wir stehen – man kann es gar nicht oft genug beto- machen, weil wir befürchten, die anderen würden nicht nen. Europa einigt sich darauf, die Studiengänge neu zu anerkennen, was sie aber anerkennen. strukturieren. Das, was früher einmal ein Diplom war, wird heute zerlegt in zwei Studienabschlüsse: erst sechs (allgemeine Heiterkeit) Semester Bachelor, dann vier Semester Master. Aber das Niveau, das dort studiert wird, liegt nicht unter dem Und insofern, meine Damen und Herren, glaube ich, sind eines Diploms. Jedenfalls sagen das auch immer die wir auf dem richtigen Weg – schon allein aufgrund der Ingenieure, dass sie darauf aufpassen, dass das deut- Absurdität –, an der Seite unserer Fachhochschulen und sche Diplom da nicht unter die Räder gerät. Das heißt, Universitäten zu stehen, ihr Recht bis zur letzten Instanz die Struktur und die Inhalte entsprechen bei unseren durchzukämpfen. Ich bitte Sie alle um Zustimmung zu Studiengängen dem, was in Europa gefordert ist. Und diesem Antrag schon aus einem einzigen Grund: Wenn das Einzige, was der Landesgesetzgeber von Mecklen- dieses Parlament sich ernst nehmen will, egal ob man als burg-Vorpommern gemacht hat, ist, zu sagen, die Studie- Abgeordneter die Regelung, die in dem Gesetz drinsteht, renden dürfen selber entscheiden, ob sie Diplom- gut findet oder nicht, wenn dieses Parlament sich ernst Ingenieur heißen wollen oder Master of Engineering, und nehmen will, dann muss es darauf bestehen, dass es die meisten wollen Diplom-Ingenieur heißen. Das kann keine Agentur dieser Welt geben kann, die Gesetze, die man ja auch nachvollziehen. dieses Parlament hier beschlossen hat und womit auch Rechte der Bürger in diesem Land verbunden sind, die Die Akkreditierungsagentur, die die Gleichwertigkeit der einen solchen Parlamentsbeschluss mit Gesetzeskraft Studienprogramme in Europa gewährleisten soll, lehnt infrage stellen und unseren Hochschulen Rechte nehmen die Akkreditierung ab – nicht, weil das Programm nicht in kann, die wir ihnen gegeben haben. Ordnung ist, nicht, weil wir nicht alle Strukturvorgaben einhalten, sondern weil wir einen anderen Namen wäh- In diesem Sinne, meine Damen und Herren, hoffe ich, len. Und jetzt beginnt die Absurdität. dass Sie hier heute ein einhelliges Votum zu diesem Antrag abgeben und die Landesregierung und die Hoch- Die Akkreditierungsagentur ASIIN hat also in der Fach- schulen weiterhin dabei unterstützen, ihre Rechte durch- hochschule Stralsund den Studiengang akkreditiert. Und zusetzen. Wir jedenfalls werden es tun. Die Gelder für jetzt passiert es, jetzt kommt Folgendes: Die Akkreditie- die Rechtsstreite stehen bereit. Die Fachhochschule rungsagentur ASIIN ist bereit, der Fachhochschule Stral- Stralsund wird dafür nicht einen Cent bezahlen und hof- sund das ASIIN-Akkreditierungssiegel zu geben. Das fentlich weltberühmt werden. ASIIN-Akkreditierungssiegel gilt in ganz Europa, das heißt, der Studiengang ist in ganz Europa anerkannt. Das Akkre- (Peter Ritter, DIE LINKE: ditierungssiegel des Akkreditierungsrates für Deutschland, Und der Beschluss des Landtages das darf die Fachhochschule Stralsund aber nicht bekom- ist dafür zwingend notwendig?) men. Also in ganz Europa ist der Studiengang anerkannt, nur wir anerkennen unseren eigenen Studiengang mit dem Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Argument nicht, dass er dann in Europa nicht anerkannt würde, obwohl der in Europa anerkannt wird. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Minister. Wir anerkennen in Deutschland natürlich auch die Stu- dienabschlüsse aus Österreich. Ich erlaube mir jetzt Minister Mathias Brodkorb: Entschuldigung, darf ich einmal, in das Universitätsgesetz der Republik Öster- kurz noch? reich zu schauen, Paragraf 51 Absatz 2 – ich muss kurz aufschlagen – Nummer 11. Jetzt hören Sie sich das mal Präsidentin Sylvia Bretschneider: Ja. an, was da drinsteht! Also die Studienabschlüsse aner- kennen wir alle. Zitat: „Mastergrade sind die akademi- Minister Mathias Brodkorb: Herr Ritter, ja, ich glaube, schen Grade, die nach dem Abschluss der Masterstu- dass dieser Beschluss zwingend notwendig ist aus fol- dien verliehen werden.“ So weit klar. „Sie lauten: gendem Grund: ,Master…‘ mit einem im Curriculum festzulegenden Zusatz, wobei auch eine Abkürzung festzulegen ist, (Peter Ritter, DIE LINKE: Na?) oder … Diplom-Ingenieur“. In Österreich steht also im Universitätsgesetz, es gibt einen Mastergrad, und dann Weil es hier darum geht, den Stellen, die gerade die dürfen sich die Absolventen entweder Master oder Dip- Wirksamkeit und Geltung des Gesetzes infrage stellen, lom-Ingenieur nennen. Das ist genau das, was auch bei vonseiten des Parlamentes zu zeigen, dass dieses Par- uns im Gesetz steht. Und wir in Deutschland anerken- lament an seiner Rechtsauffassung festhält, an seinem nen die Abschlüsse aus Österreich, die genauso sind Landeshochschulgesetz festhält und bereit ist, auch im wie unsere, aber wir anerkennen unsere eigenen Ab- Rechtsstreit mit anderen Ebenen und Institutionen dieses schlüsse nicht. Recht und die Meinungsbildung des Parlamentes zu verteidigen. Meine Damen und Herren, das wäre wirklich ein wun- derbarer literarischer Stoff für Till Eulenspiegel und für Ich glaube schon, dass genau dies ein Punkt ist, der andere literarische Größen, aber man kann es nicht würdig ist und rechtfertigt, dass dieses Parlament sich fassen, dass wir uns auf einen europäischen Hoch- noch mal klar dazu bekennt, damit zum Beispiel die FAZ schulraum zubewegen, wir uns gegenseitig alles aner- auch in der nächsten Woche dieses Parlament loben kennen wollen, alle anderen auch anerkennen, was wir kann. Ich gehe davon aus, dass das wieder passieren machen, aber wir anerkennen selbst nicht, was wir wird. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 63

(Beifall vonseiten der Fraktionen Diese haben sich in der Vergangenheit bewährt, sie der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: genießen nach wie vor internationale Anerkennung, die Dann wäre ich auf die Argumentation gespannt, Studierenden werden nach bestandenen Prüfungen wenn die Oppositionsfraktionen einen solchen vollwertig in die Arbeitswelt entlassen, und das auch Antrag gestellt hätten. Da müssen Sie selber noch ein Jahr früher als in einem Masterstudiengang. lachen, Herr Minister – nur fürs Protokoll.) Also noch einmal: Meine Fraktion ist ausdrücklich für die Anerkennung und Ausweitung von Diplomstudiengängen. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Minister. Ich wende mich jetzt an Sie, liebe Kolleginnen und Kolle- gen der SPD, da Sie die Urheber dieses Antrages sind. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Al-Sabty für Hätten wir diesen Antrag heute eingebracht, die Fraktion DIE LINKE. (Egbert Liskow, CDU: Was heißt Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau denn „hätten“? Ihr habt doch nicht! – Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möch- Zuruf von Rainer Albrecht, SPD) te auch gleich auf den Punkt kommen und will nicht um den heißen Brei herumreden. dann wäre er von Ihnen höchstwahrscheinlich aus fol- genden Gründen abgelehnt worden: Es wird festgestellt, dass sowohl SPD als auch CDU offensichtlich auch bei diesem Thema nicht an einer (Peter Ritter, DIE LINKE: Der Minister Zusammenarbeit mit den demokratischen Fraktionen hätte zugestimmt, hat er gesagt.) interessiert sind. In Punkt I schreiben Sie, dass „die Akkreditierungsagen- (Egbert Liskow, CDU: Was heißt denn das? – turen“ die Studiengänge „verweigern wollen“. In Ihrer Torsten Renz, CDU: Was?) Begründung führen Sie aber aus, dass die Agenturen dies bereits im April 2013 entschieden und bereits am In der letzten Legislaturperiode, genau gesagt, im Juni 2011, 25. Februar dieses Jahres einen Grundsatzbeschluss haben alle demokratischen Fraktionen einen gemeinsa- dazu gefasst haben. men Antrag mit der Drucksachennummer 5/4468 einge- bracht. Nun, auf Ausdrucksschwächen des Antrages gehe ich jetzt nicht ein, sondern ich komme, ich sage mal, aus (Zuruf aus dem Plenum: Zeitgründen, gleich zum Punkt II. Den Punkt 1 hätten Sie Wir wollen nach vorne schauen.) aus dem Grund mit uns abgesprochen, weil die Landes- regierung natürlich an den Landtagsbeschluss aus dem Dabei ging es darum, die Anerkennung des Diplomgra- Jahr 2011 gebunden ist. Wir müssen davon ausgehen, des in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. dass die Landesregierung alles unternimmt, um den Beschluss des Landtages umzusetzen und Diplomstudi- (Egbert Liskow, CDU: engänge zur Anerkennung zu führen. Machen wir doch!) (Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich.) Drei Jahre später, sprich in diesem Jahr, 2014, halten Sie es nicht einmal für nötig, die demokratische Opposition Der zweite Punkt unter II ist dann doch die Krönung. Sie anzusprechen, geschweige denn einzubeziehen. Das ist fordern die uneingeschränkte Unterstützung von Klagen ein ganz schlechter parlamentarischer Stil der Hochschulen und wollen die Kosten dafür überneh- men, ohne diese zu kalkulieren. Außerdem benennen Sie (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) für die Kosten keinen Haushaltstitel, aus dem diese ge- zahlt werden können. und zeugt weder von kommunikativer noch von sozialer Kompetenz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Aufforderung ist juristisch höchst zweifelhaft und haushaltsrechtlich be- (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) denklich. Das verstößt im Übrigen gegen Paragraf 55 Absatz 2 der Geschäftsordnung dieses Landtages. Dieses Vorgehen ist damit offensichtlich eher ein Beispiel Ihrer verzweifelten Suche nach gemeinsamen Themen, Ich fasse zusammen: Diesen Antrag würde ich als mit denen Sie die Landtagssitzung hier mehr schlecht als Schaufensterantrag bezeichnen und er verlässt den recht anreichern können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Konsens dieses Hohen Hauses. Er ist rechtlich bedenk- Ihr gemeinsamer Antrag ist weder vom parlamentari- lich und, wie erwähnt, verstößt gegen die Geschäftsord- schen Stil noch vom Inhalt her ein Glanzstück. Deshalb nung dieses Landtages. Ich rate Ihnen, liebe Kolleginnen müssen wir Ihnen einen Änderungsantrag unterbreiten. und Kollegen der Koalition, entweder ziehen Sie Ihren Antrag zurück oder stimmen Sie unserem Änderungsan- Um es noch einmal deutlich zu sagen, damit auch keine trag zu. Tun Sie das nicht, dann enthält sich meine Frak- Missverständnisse entstehen: Meine Fraktion ist für den tion der Stimme. Erhalt und sogar für den Ausbau von Diplomstudiengän- gen an den Hochschulen unseres Landes. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist (Egbert Liskow, CDU: eine echte Drohung, was?!) Dann stimmt doch zu!) Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Ich werde gleich dazu kommen, Kollege Liskow. Dr. Al-Sabty. 64 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Liskow für die Es ist ein schwieriges Wort, hier im Saal Flagge zu be- Fraktion der CDU. kennen, aber das sei mir hier freigestellt.

Egbert Liskow, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE – geehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion und Andreas Butzki, SPD: Ich habe Flagge.) genauso für die SPD-Fraktion ist der akademische Grad des Diplom-Ingenieurs ein sehr wichtiger Grad und hat Allerdings möchte ich festhalten, ich finde es eigentlich sehr viel Tradition in Deutschland. Wir haben uns im genau andersrum schwierig: wenn ein Landtag beschlie- Koalitionsvertrag dazu verständigt, dass wir diesen auch ßen muss, an seinen Gesetzen festzuhalten. Wenn es weiterhin an unseren Hochschulen vergeben wollen. schon so weit gekommen ist, dann finde ich das eine schwierige Entwicklung. Jetzt hat sich ergeben, dass es doch nicht so einfach ist, wie wir uns das vorgestellt haben, dass die Änderung (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) des Landeshochschulgesetzes sozusagen nicht aus- reicht, um dieser Forderung und diesem Anliegen ge- Also ich kann diese Argumentation des Ministers nicht recht zu werden. Der Akkreditierungsrat hat beschlossen, ganz nachvollziehen. dass er, wie Minister Brodkorb sehr deutlich dargestellt hat, unseren Diplomabschluss in den Hochschulen nicht (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) zulassen will. Und damit wir die Landesregierung noch mal eindeutig als Koalition in unserer Auffassung stärken, Ein zweiter Punkt: Herr Brodkorb hat uns eben gerade haben wir diesen Antrag eingebracht. Da bin ich der gesagt, dass die Klage der Hochschule Stralsund einge- SPD-Fraktion auch dankbar, dass wir hier an dieser reicht ist. Und da möchte ich Sie doch noch mal daran Stelle diesen Antrag behandeln dürfen erinnern, als wir GRÜNE hier einen Antrag eingereicht hatten zu den freien Schulen, zur Unterstützung der (Peter Ritter, DIE LINKE: Dürfen! freien Schulen und zur Anpassung der Rechtslage, näm- Den Antrag behandeln dürfen!) lich der Verordnung, da hat uns Herr Brodkorb gesagt, eines Antrages bedarf es nicht mehr, weil es keine politi- und noch mal eindeutig sagen, sche Frage mehr ist, sondern eine rein juristische. Also für so ganz konsistent halte ich seine Argumentation an (Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) diesem Punkt nicht, wir wollen weiterhin, dass unsere Hochschulen das Dip- (Peter Ritter, DIE LINKE: Der eine lom als Abschluss vergeben können. Ich glaube, wir sind sagt so, der andere sagt so. – sehr lange, in vielen Jahrzehnten in Deutschland sehr gut Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ damit gefahren. Wir haben da eine Marke aufgebaut in DIE GRÜNEN: Nee, der Gleiche sagt so. – Deutschland, den Diplom-Ingenieur, und das wollen wir Peter Ritter, DIE LINKE: Ach ja, der Gleiche.) in Zukunft auch so weiter erhalten. Wir haben nichts dagegen, dass es den Master oder den Bachelor gibt, denn eigentlich ist es jetzt nur noch eine rein juristische aber wir wollen auch das Diplom haben. Und dafür ist Frage. dieser Beschluss heute notwendig, damit wir den Hoch- schulen signalisieren, wir stehen an ihrer Seite und wir Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD und übernehmen auch die Kosten. – Ich bedanke mich für die CDU beantragen, wie gesagt, das hat Herr Al-Sabty Ihre Aufmerksamkeit. schon dargestellt, zum wiederholten Mal, das Diplom als akademischen Grad zu retten. Das hört sich erst mal Herr Al-Sabty, Ihren Änderungsantrag lehnen wir ab, weil positiv an, aber zur gesamten Wahrheit gehört doch, er uns in der Sache nicht weiterbringt. dass dieser Einsatz der Landesregierung rund zehn Jahre zu spät kommt. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE – (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.) Peter Ritter, DIE LINKE: Genauso, wie Ihr Ursprungsantrag uns nicht Mitte der 2000er-Jahre, so um 2005, hätten wir noch die weiterhilft, Herr Liskow.) Möglichkeiten gehabt, da Weichenstellungen vorzunehmen,

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) Liskow. und damals haben sich die Hochschulen auch die Unter- Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die stützung gewünscht. Aber damals kam die Unterstützung Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. nicht. Gerade auch Anfang der 2000er hat die Landesre- gierung die Hochschulen stark dazu gedrängt, umzustel- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr len auf Bologna, auf Bachelor/Master. Ich finde das auch geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- nicht falsch, ich halte diese Entwicklung für richtig. Aber ren! Zunächst gestatten Sie mir die Anmerkung zur Rede es wurden eben keine Wege aufgezeichnet, das Diplom von Herrn Minister Brodkorb. Er erklärte, dass es zum zu erhalten. Selbstverständnis des Landtages gehört, an seinen Ge- setzen festzuhalten, und dass es ein starker Ausdruck (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na wollen Sie des Landtages wäre, hier auch Flagge zu bekennen. denn jetzt das Diplom erhalten oder nicht?)

(Egbert Liskow, CDU: Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch mal Das unterstützen wir.) darlegen, dass ich das insgesamt eine schwierige Ent- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 65 wicklung finde oder so bewerte, wenn sich einerseits der (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Bildungsminister als Speerspitze des einheitlichen Abi- Richtig. Genau.) turs profilieren möchte, aber gleichzeitig die Bildungs- landschaft von Mecklenburg-Vorpommern aus bezüglich Und genau deswegen hat sich die KMK, die Kultusminis- der Hochschulbildung ein bisschen zersplittern möchte, terkonferenz, dafür entschieden, in ihren Ländergemein- nämlich indem er noch so eine Art „M-V-Diplom“ dazu- samen Strukturvorgaben zu erklären, stellt. (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?) dass man eben nicht für einen Studiengang zwei unter- schiedliche Etiketten bekommen kann, Ich finde das schwierig, denn eines müssen Sie sich vor Augen führen, meine Damen und Herren: (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU) ein Masteretikett, einen Mastergrad oder einen Diplom- grad. Das ist auch logisch, weil es eigentlich Augenwi- Es ist ein Etikettenschwindel, was hier beantragt wird. scherei wäre und nicht fair gegenüber den Studieren- den. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so?) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte auch, Es ist nämlich vorgesehen, einen Masterstudiengang wie gesagt, die Stoßrichtung des Antrages für die fal- durchzuführen von den Studierenden, und die dürfen sich sche, denn nicht die Akkreditierungsagenturen sind dann Diplom nennen. schuld an dem Problem,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau. – (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ganz genau.) Egbert Liskow, CDU: Nee, andersrum, wenn man Diplom …) sondern die KMK hat entschieden, diese Ländergemein- samen Strukturvorgaben zu erlassen, und dort steht nun Nee, eben nicht Herr Liskow, es gibt keine Diplomstudi- mal drin, dass es für einen Studiengang nicht zwei unter- engänge mehr. schiedliche Abschlüsse geben kann.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ganz genau.) (Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir haben nur noch verschulte modularisierte Magister- Deswegen müssten Sie eigentlich Herrn Brotkorb beauf- studiengänge und keine kompetenzorientierten Diplom- tragen, zu seinen Länderkollegen zu gehen und in der studiengänge. KMK nachzuverhandeln und zu fragen: Können wir uns nicht dieser Regelung entledigen? Aber jetzt gegen die (Egbert Liskow, CDU: Akkreditierungsagenturen vorzugehen, ist das Aufzäu- Schlimm! Schlimm! Schlimm! – men des Pferdes von hinten, denn die halten sich nur an Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ganz genau.) die Verordnungen.

Das heißt, wer einen Magisterstudiengang durchzieht … Jetzt spreche ich noch mal konkret zur CDU: Was ist jetzt eigentlich der Unterschied, sich ganz strikt an die Beflag- (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ gungsverordnung zu halten oder wenn sich die Akkredi- DIE GRÜNEN: Master! Master!) tierungsagenturen ganz strikt an die Vorgaben der KMK halten? Entschuldigung, Master heißt es ja. Magister und Master, das ist alles zulässig nach den Ländergemeinsamen (Egbert Liskow, CDU: Strukturvorgaben. Reden Sie doch zur Sache!)

(Zuruf von Minister Harry Glawe) Also Sie haben eben gerade gesagt, das ist Rechtsstaat- lichkeit. In gewisser Weise kann ich das auch nachvoll- Wer einen Masterstudiengang durchzieht, der hat einen ziehen, aber, … Masterstudiengang gemacht und keinen Diplomstudien- gang. (Torsten Renz, CDU: Aha! Gilt das auch für die Flaggen?) (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Master- und keinen Diplomstudiengang, genau. – Na ja, wissen Sie, wegen so einem kleinen bunten Wim- Zuruf von Egbert Liskow, CDU) pel kann ich auch mal ein Auge zudrücken. Das schaffe ich, Herr Renz. Das Diplom, meine Damen und Herren, ist leider tot, außer wir holen es sozusagen aus der Versenkung heraus (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Martina Tegtmeier, SPD: Der Vergleich (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Zurück. – hinkt doch wieder, wie immer.) Zuruf von Torsten Renz, CDU) … aber wenn es um die Akkreditierung von Studiengän- und bauen richtige Diplomstudiengänge wieder nach. Die gen geht, haben aber mit Modularisierung nichts mehr zu tun. Es ist ein ganz anderes System. (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.) 66 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 wo es auch wirklich darum geht, dass Studienleistungen (Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU) zum Schluss anerkannt werden an anderen Universitäten und dass man im öffentlichen Dienst entsprechend be- Denn „an der Gesetzeslage festhalten“, das hätten Sie zahlt wird, da kann ich kein Auge zudrücken. als Koalition uns hier natürlich mehrfach um die Ohren gehauen, wenn wir als Opposition das als Antrag gestellt (Zuruf von Torsten Renz, CDU) hätten, ja?

Also wir müssen unbedingt bei der KMK vorstellig wer- (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: den, dort die Vorgaben verändern und nicht gegen die Nein, das machen die doch nicht!) Akkreditierungsagenturen vorgehen, die sich einfach strikt an diese Vorgaben – aus dem politischen Raum im Unglaublich! Also das hätten wir natürlich, das brauchen Übrigen – halten. wir nicht, das macht die Landesregierung schon.

Und, meine Damen und Herren, zum Abschluss – ich will (Zurufe von Heinz Müller, SPD, mich heute auch gar nicht so lange aufhalten an diesem und Peter Ritter, DIE LINKE) Antrag –, zum Abschluss sei mir bitte der Hinweis ge- währt, dass diese aufgewärmte Debatte um die Wieder- Und andererseits, wie gesagt, andererseits ist es eben einführung des Diploms die Hochschulen nicht wirklich auch Etikettenschwindel. voranbringt. (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) (Egbert Liskow, CDU: Warum nicht?) Da müssen wir gegenüber unseren Studierenden auch Es geht momentan an den Hochschulen um eine aus- ehrlich sein und sagen, die Hochschulen können Diplom- kömmliche Finanzausstattung. grade selbst heute noch nach geltendem Recht verlei- hen, aber dann mit den entsprechend untersetzten Stu- (Zuruf von Torsten Renz, CDU) diengängen,

Dann bräuchte der Landtag im Übrigen heute auch nicht (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) auf Antrag der Koalition darüber zu beraten und zu be- schließen, ob die überschaubaren Kosten und dafür haben die Hochschulen eben momentan kein Geld, (Torsten Renz, CDU: Ich glaube, Sie sprechen gar nicht (Egbert Liskow, CDU: Darum gehts mehr zum Thema. Herr Saalfeld, doch gar nicht. Es geht doch um neue, Ihre Taktik habe ich durchschaut.) es geht doch um neue Studiengänge.) für etwaige Gerichtsverfahren gegen die Akkreditie- keine Ressourcen, um zweispurig, zweigleisig zu fahren rungsagenturen übernommen werden. und sowohl Masterstudiengänge anzubieten als auch Diplomstudiengänge. Jetzt sozusagen die Billigvariante, (Zuruf von Torsten Renz, CDU) ein Studiengang und zum Schluss können wir uns mal auswählen, welche Grade wir verleihen, Wenn man eine entsprechende Finanzausstattung hat, dann kann eine Hochschule auch alleine einen Prozess (Egbert Liskow, CDU: Darum führen und muss nicht den ganzen Landtag damit be- gehts doch gar nicht! Es geht schäftigen, diese marginalen Kosten zu übernehmen. doch um neue Akkreditierungen.)

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU) welche Etiketten wir da drüberstülpen, das, muss ich sagen, das geht nicht! Meine Damen und Herren, ich unterstütze heute diesen Antrag, Also, meine Damen und Herren, das ist ein Beispiel be- mühter Politik, die allerdings vom Ziel her völlig dahin (Egbert Liskow, CDU: Oh! Oh! Oi!) gehend fehlgeleitet ist, dass sie nicht den richtigen Punkt trifft, denn eigentlich hätte es die KMK treffen müssen weil ich der Meinung bin, und nicht die Akkreditierungsagenturen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das Das ist aber völlig inkonsistent.) haben wir jetzt das dritte Mal gehört.) wenn denn die Hochschulen dagegen vorgehen wollen aber gleichzeitig, wir stellen uns dem Anliegen, den und es die Möglichkeit gibt, das Geld von der Landesre- Hochschulen mehr Geld zu geben, falls entsprechende gierung mitzunehmen, dann werden wir uns da nicht in Gerichtskosten und Verfahrenskosten auf sie zukommen. den Weg stellen. (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) (Zuruf von Torsten Renz, CDU) Deswegen, meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Aber ansonsten ist dieser ganze Antrag, der 50 Prozent Ihrer Antragslage darstellt in der Koalition, einfach völlig (Beifall vonseiten der Fraktionen unnötig. DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 67

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr sie anerkannt. Das kann doch nicht sein, wenn es woan- Saalfeld. ders anerkannt wird, dass wir in Deutschland zum Bei- spiel sagen, Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Wippermann von der Fraktion der SPD. (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da müssen Sie Susann Wippermann, SPD: Sehr geehrte Frau Präsi- sich an die KMK richten.) dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! dass es hier nicht anerkannt wird, und das ist eben das Sehr geehrter Herr Saalfeld, ich finde es ja nahezu Problem. atemberaubend, dass Sie unserem Antrag dem Grunde nach zustimmen wollen. (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Daran haben doch (Heinz Müller, SPD: Obwohl er ihn nicht die Agenturen Schuld.) als Etikettenschwindel bezeichnet. – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Das habe ich auch nicht gesagt, Herr Saalfeld, dass die DIE GRÜNEN: Nein, ich nehme Agenturen allein schuld sind, sondern sie berufen sich ja einfach das Geld für die Hochschulen.) mit dem Akkreditierungsrat auf die Beschlüsse der KMK, und nun kommt es aber auch, denn: Ist das Land Meck- Ja, genau, obwohl er das getan hat. lenburg-Vorpommern an die Beschlüsse der KMK über- haupt gebunden? Und, Herr Al-Sabty, also ich bedanke mich dafür, dass Sie eigentlich nur an dem parlamentarischen Verfahren (Johannes Saalfeld, Kritik geäußert haben und in der Sache dem Ganzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) zustimmen wollen. Ja, und das ist die große Frage. Da gibt es ein Gutach- In meiner ersten Rede gab ich eine kurze Einführung zu ten, auf das ich mich hiermit berufen möchte, das ist das den Hintergründen, die letztendlich in diesen vorliegen- von Professor Dr. Clasen vom 23.06.2011. Und in die- den Antrag münden. Der Minister Brodkorb hat in seiner sem Gutachten – ich weiß nicht, ob Sie es kennen – … Rede noch einmal dargestellt, wie es 2010 zu dem Land- tagsbeschluss gekommen ist, und vor allen Dingen hat er (Minister Harry Glawe: auch schon einige Hinweise dazu gegeben, was das Da war er noch nicht im Landtag. – Wissenschaftsministerium bereits unternommen hat, Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) damit es eben zu einer gütlichen Einigung mit den Ak- kreditierungsagenturen kommt. Vielleicht sagt er dann Alles klar. Dann sollten Sie sich das Gutachten vielleicht noch mal das eine oder andere dazu. einmal vorlegen lassen.

So könnte auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, … wird eben gesagt, dass es zwar einen Sonderweg in dass wir hier in M-V ein besonders kleines renitentes M-V gibt, diesen Sonderweg „Option Diplom“, aber dass Bundesland seien, es zulässig sein könnte, nein, eigentlich zulässig wäre,

(Minister Mathias Brodkorb: Ja.) (Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist das Gleiche.) das sich vehement gegen den Bologna-Prozess stemmt, aber das sind wir nun garantiert nicht. Das Land hat sich diese Option in die Landesgesetzgebung einfließen zu den Herausforderungen der EU-weiten Umstrukturierun- lassen, und dass das Land Mecklenburg-Vorpommern gen in der beruflichen Bildung gemeinsam mit seinen überhaupt nicht an die Beschlüsse der KMK gebunden Hochschulen erfolgreich gestellt und den inhaltlichen und ist – schauen Sie sich das mal an! –, fachlichen Vorgaben nach den Beschlüssen der Konfe- renz in Bologna auch. (Egbert Liskow, CDU: Deswegen haben wir das Landeshochschulgesetz geändert.) Wenn wir uns jetzt mal die Ziele des Bologna-Prozesses anschauen, und zwar waren es die, dass wir in der EU die weil nämlich der Beschluss der KMK als Verwaltungs- vorhandenen Strukturen in der beruflichen Bildung best- abkommen der Länder keine Bindung an Landesrecht möglich harmonisieren wollen, das heißt, die Schaffung entfaltet. Und so können wir sagen, dass das, was die eines europäischen Hochschulraumes zu garantieren mit Akkreditierungsagenturen mit dem Verweis auf den Be- der Absicht, die Mobilität zu verbessern, dann kann man schluss des Akkreditierungsrates tun, für uns ja über- sagen, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern eben durch haupt keine Bindung hat. dieses zweigestufte Studiensystem Bachelor/Master ge- nau diesen Prozess bewirken konnten. Und wenn wir jetzt (Simone Oldenburg, DIE LINKE: dazu den Diplomstudiengang als Option einführen, dann Dann haben auch die 265 Stunden hat das doch überhaupt nichts damit zu tun, fürs Abitur keine Bindung.)

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Dem entsprechend würde ich sagen, dass wir gemein- DIE GRÜNEN: Die Verleihung als sam alles dafür tun, dass unsere Hochschulen weiterhin Option, nicht den Studiengang.) die Option Diplom anbieten können, einerseits aus der juristischen Sichtweise heraus und andererseits auch, dass es ein Etikettenschwindel ist, denn es gibt diese weil es für unsere Studierenden günstig und angenehm Option Diplom auch in anderen Ländern, und dort wird ist, diesen Diplomgrad vorweisen zu können. Das ist 68 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 eben kein Etikettenschwindel und das ist nicht einfach wir halten uns jetzt einfach nicht an die Vorgaben der nur unsere Überlegung, dass wir hier als Land M-V etwas KMK, aber das Gütesiegel der KMK, das möchten wir Besonderes anbieten wollen und vielleicht auch den dann doch. Das funktioniert nicht. – Vielen Dank. einen oder anderen Vorteil sehen, sondern, und das zeigt die Praxis, dass dieser Studienabschluss sehr gerne von (Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/ den Hochschulabsolventen angenommen wird. DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und deswegen ist er extra noch mal nach vorne Herr Al-Sabty, was die Finanzierungsgeschichte in Ihrem gegangen? – Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Änderungsantrag anbelangt: Also der Vorschlag, den Sie jetzt unterbreiten, bedeutet ja nichts anderes, als dass Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr wir unseren Antrag abschwächen, und das wäre sehr Saalfeld. schade, denn unsere Hochschulen brauchen unsere Unterstützung, unsere finanzielle Unterstützung, das hat Ums Wort gebeten hat jetzt noch einmal der Bildungsmi- Herr Saalfeld auch bereits gesagt. Deswegen bitte ich nister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Ma- Sie, gemeinsam mit uns zusammen diesem Antrag zuzu- thias Brodkorb. stimmen, so, wie er ist. – Ich bedanke mich für Ihre Auf- merksamkeit. Minister Mathias Brodkorb: Sehr geehrte Frau Präsi- dentin! Meine Damen und Herren! Ich würde schon gerne (Beifall vonseiten der Fraktionen noch auf den einen oder andern Debattenbeitrag rea- der SPD und CDU) gieren.

Präsidentin Sylvia Bretschneider: Herzlichen Dank für Zunächst ein paar Worte zu Herrn Al-Sabty. Was mich Ihren Redebeitrag. überrascht, ist, dass Sie darauf hinweisen, dass es kei- nen Finanzierungsvorschlag gibt, und dann einen Ände- Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr rungsantrag stellen, in dem Sie selbst keinen Finanzie- Saalfeld für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. rungsvorschlag unterbreiten, das Parlament aber be- schließen soll, die Hochschulen zu unterstützen. Das ist (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Och nö! immerhin nicht ganz schlüssig. Ich darf allerdings viel- Er hat es doch schon dreimal gesagt.) leicht alle Bedenken zerstreuen mit dem Hinweis, dass der Haushaltsgesetzgeber für solche Fälle den Sammelti- Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr tel für die Hochschulen erfunden hat, und da ist noch geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- Geld drin. ren! Es ist doch ein sehr schönes, spannendes Thema, gleichwohl jetzt hier ein bisschen im Raum steht, dass (Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE) das Land Mecklenburg-Vorpommern sich offensichtlich aus dem KMK-Verbund lösen möchte. Das sind hochinte- Insofern hoffe ich, mit diesem Hinweis einfach diese ressante Entwicklungen, aber ich glaube, so meinten Sie Unklarheit ausräumen zu können. es nicht. Dann beinhaltet Ihr Änderungsantrag die Aufforderung, Ich möchte bloß noch mal eines klarstellen: Die Akkredi- doch mit den Hochschulen weitere Diplomstudiengänge tierung ist ein Gütesiegel. Das braucht man nicht. Man oder Diplomvergaben zu prüfen. Da brauchen wir nichts kann heute auch ein Diplom verleihen, dann ist es bloß zu prüfen. Schauen Sie mal in das LHG, Paragraf 13! Da ein nicht akkreditiertes Diplom. Wer ein Gütesiegel möch- steht drin, wer für die Studiengänge zuständig ist: die te, der muss sich eben unter das Regime dieses Prüfver- Hochschulen. Wir brauchen nichts zu prüfen, das ist fahrens sozusagen setzen, Hochschulautonomie. Die entscheiden sich, was sie machen wollen, und dann müssen sie uns das nur noch (Dr. Norbert Nieszery, SPD: anzeigen. Wir müssen es nicht einmal genehmigen. Wir Mein Gott, wer hätte das gedacht, ja?) haben nur zu widersprechen, wenn es rechtswidrig ist. Also da brauche ich mit der Uni nichts zu prüfen über ihre sonst kriegt er dieses Gütesiegel nicht, was europaweit Freiheit. Das nimmt sie in Anspruch oder sie lässt es eine Geltung hat. bleiben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das Und dass Sie sagen, man solle doch im Benehmen mit haben Sie jetzt schon fünfmal erklärt. – den Akkreditierungsagenturen irgendetwas prüfen – dann Egbert Liskow, CDU: Da kann man sich versuche ich mal, es noch deutlicher zu sagen. Ich hätte streiten. Da kann man sich streiten.) gedacht, dass es mir gelungen ist. Wir haben folgende Kette – das ist vielleicht auch für Herrn Saalfeld interes- Nein. sant –: Am 8. Juni 2011 beschließt der Akkreditierungs- rat, er wird solche Studiengänge aus Mecklenburg-Vor- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Doch.) pommern nicht akzeptieren. Am 15.11.2012 stellt, sehr geehrter Herr Saalfeld, in der Konferenz der KMK das Man kann nicht sagen, wir halten uns nicht an die KMK- Land Mecklenburg-Vorpommern den Antrag, es zumin- Vorgaben, möchten aber das Siegel der KMK. Das funk- dest probeweise mal zuzulassen. Wir hatten ja sogar tioniert nicht, das ist albern. Und deswegen kann man, einen Kompromiss versucht. Der wurde abgelehnt. Am wie gesagt, das nicht einfach so vermischen und sagen, 28. März 2013 und am 15. April 2013 wird den Hoch- schulen Rostock und Stralsund die Akkreditierung ihrer (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch das Studiengänge durch die Akkreditierungsagenturen ver- haben Sie schon fünfmal gesagt. – sagt. Dagegen legen diese Hochschulen Beschwer- Zuruf von Egbert Liskow, CDU) de ein. Diese Beschwerde wird geprüft und am 25. Feb- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 69 ruar 2014 weist der Akkreditierungsrat letztmalig diese Nein, die Hochschulen bekommen kein Geld. Verstehen Beschwerde zurück. Damit sind alle Wege ausgeschöpft, Sie, die Hochschulen bekommen das Geld ja, um es an ja? Insofern danke ich Ihnen für die Ratschläge und für eine Anwaltskanzlei zu zahlen. die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, aber ich hoffe, ich habe dargelegt, dass wir genau das gemacht haben. (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es ist ja auch selbstverständlich, dass wir das tun. Aber sie müssen die Anwaltskanzlei nicht aus ihren eigenen Mitteln bezahlen. – Insofern gibt es jetzt nur noch ein Rechtsinstrument, und Zuruf von Johannes Saalfeld, das heißt Klage. Und jetzt ist die Frage: Gegen wen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss man denn dann klagen? Man klagt gegen den, der den Rechtsakt ausübt. Und es ist nicht der Akkreditie- Die werden finanziell unterstützt, damit die Hochschulen rungsrat, schon gar nicht die KMK, es ist die Akkreditie- keine Kosten haben. Aber es ist nicht so, dass die Hoch- rungsagentur, also muss diese beklagt werden. Ansons- schule Geld von uns bekommt, wenn sie jemanden ver- ten kann ich keine Klage führen. Insofern, Herr Saalfeld, klagt, sondern sie bekommt eine finanzielle Unterstüt- kommen wir da nicht raus. Was ich bemerkenswert an zung dafür, dass sie nicht auf den Kosten sitzen bleibt. Ihrer Rede fand, war, dass Sie das inhaltlich zwar alles Also bleibt bei der Hochschule am Ende nichts hängen. Quatsch finden, aber trotzdem mitmachen. Das habe ich nicht verstanden. (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Man soll sich ja auch (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) eine gute Kanzlei leisten können.)

Sie hatten ja am Beginn Ihrer Rede gesagt, es sei inko- Es gibt am Ende also genau 0 Euro für die Hochschule. härent. Ich frage mich jetzt, was ist eigentlich das, was Sie hier gerade vorgetragen haben. Sie stellen sich hier (Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hin, Aber kein Minus für die Hochschule.)

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Jetzt ist aber Ihr Grund entfallen zuzustimmen, Herr DIE GRÜNEN: Es geht mir nur darum, Saalfeld. Jetzt ist Ihr Grund entfallen zuzustimmen. dass so viel Geld wie möglich bei den Hochschulen landet, dass das bisschen (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Geld bei den Hochschulen bleibt.) DIE GRÜNEN: Nee, ich sehe das immer noch nicht ein.) Sie stellen sich hier hin und sagen: Ist alles Quatsch, aber ich mach mit. Und um es noch mal deutlich zu machen, warum Ihre Argumentation aber auch fachlich wirklich – ich weiß gar Herr Saalfeld hat eben noch einmal erklärt, warum. Er nicht, wie ich es sagen soll, ich muss mich ja parlamenta- hat überhaupt kein fachpolitisches Motiv, das interessiert risch verhalten. ihn gar nicht, das Diplom. Er sagt, immer wenn ich dafür sorgen kann, dass die Hochschulen mehr Geld bekom- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gurkig.) men, dann stimme ich zu. Okay. Ich habe ja was gehört, das konnte ich nicht sagen, aber (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ es könnte zutreffend sein. DIE GRÜNEN: Passiert ja auch relativ selten in diesem Land. Herr Saalfeld argumentiert wie folgt: Man kann ja einem Das passiert ja auch relativ selten. – Masterabsolventen gar kein Diplom geben, weil es ein Zurufe von Torsten Renz, CDU, und völlig anderer Studiengang ist. Reden Sie doch mal in Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rostock mit einem Maschinenbauprofessor! Was macht eigentlich jemand, der einen Diplom-Ingenieur in Maschi- Aber, Herr Saalfeld, jetzt mal unabhängig davon, worum nenbau hat? Ja, der baut Maschinen. es geht, ich hoffe, es gilt nicht für Rüstungsforschung. (Zuruf von Johannes Saalfeld, (Zuruf von Torsten Renz, CDU) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, Sie sind nicht für Rüstungsforschung. Da hat- Und was macht eigentlich ein Master of Engineering in ten Sie früher aber eine andere Meinung. Maschinenbau?

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ (Dr. Norbert Nieszery, SPD: DIE GRÜNEN: Ich glaube ja, dass Der baut keine Maschinen. – sie das nicht beantragen werden.) Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Aber ich oder wir haben ein klitzekleines Problem, Herr Ich glaube, der baut wohl auch Maschinen. Und wenn Saalfeld. Die Hochschulen bekommen gar kein Geld. Sie mal mit einem Maschinenbauprofessor reden, lernen die am Ende heute dasselbe im Bachelor/Master, (Zuruf von Torsten Renz, CDU) (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ Und jetzt würde ich Sie bitten, mal zu überlegen, ob Sie DIE GRÜNEN: Wissen Sie, wie viele dem Antrag nun wirklich noch zustimmen können. Veranstaltungen bei der Umstellung auf Bologna weggeflogen sind? Und die (allgemeine Unruhe) Polarisierung hat auch nicht stattgefunden.) 70 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 was sie früher im Diplom gelernt haben. Da sagt jeder Wir kommen zur Abstimmung. Professor, mit dem Sie reden: Ja was soll er denn sonst lernen? Es ist ja Maschinenbau. Wir haben denen früher Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Frakti- Maschinenbau beigebracht und jetzt bringen wir ihnen on DIE LINKE auf Drucksache 6/3123 abstimmen. Wer weiterhin Maschinenbau bei. Und wie wir das Ding nen- dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Hand- nen, ändert doch nichts daran, welche Gesetze der Phy- zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthal- sik, der Mechanik und sonst was man beherrschen muss, tungen? – Ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsan- um Brücken und Maschinen zu bauen. Da gibt es keinen trag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3123 bei Unterschied. Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Gegenstimmen von SPD und CDU abge- Und insofern, Herr Saalfeld, ist es eben völlig falsch, zu lehnt. sagen, das eine ist ein Diplomstudiengang, der hat me- taphysische Qualitäten, der führt zum Abschlussnamen Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Diplom, und dann der Master of Engineering in Maschi- Drucksache 6/3070 zuzustimmen wünscht, den bitte ich nenbau, das ist etwas völlig anderes, das ist so etwas jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt wie Bäcker oder Maler, aber ein Maschinenbauer ist das es Stimmenthaltungen? – Unklares Abstimmungsverhal- nicht, deswegen muss man das auch anders nennen. ten. Gut, dann wiederholen wir noch mal: Wer stimmt für Das ist völliger Blödsinn! diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimm- enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der (Egbert Liskow, CDU: Das sind Module. SPD und CDU auf Drucksache 6/3070 bei Zustimmung Ihr sagt ja, das sind Module. – der Fraktionen der SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zuruf von Johannes Saalfeld, NEN und Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE ange- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nommen.

Lieber Herr Abgeordneter Saalfeld, es geht um folgende Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Frage. Wir versuchen, mal an einem anderen Beispiel zu soeben hereingereicht bekommen eine Mitteilung der erklären, worum es geht. In Österreich heißt die Hoch- Fraktion der NPD und ich darf das mal zitieren: „Aufgrund schulreife „Matura“ – das weiß ich unter anderem des- der skandalösen Leitung der Landtagssitzung durch die halb, weil ich da auch mal kurz gelebt habe –, in Präsidentin nimmt unsere Fraktion an der heutigen Sit- Deutschland heißt sie „Abitur“. Und es wäre ungefähr so, zung des Landtages nicht mehr teil.“ als würden wir sagen – wir jetzt als Deutsche –, die ös- terreichischen Maturanten dürfen bei uns aber nicht stu- (Zurufe aus dem Plenum: Ooh! – dieren. Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dann sind wir schneller fertig.) (Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das machen die doch gar nicht.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte keine Kommentare und Bewertungen. Und warum nicht? „Im Namen meiner Fraktion ziehe ich hiermit den Tages- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: ordnungspunkt 24 zurück. Des Weiteren ziehe ich hiermit Weil die kein Abitur haben.) alle Redemeldungen für den heutigen Tag zurück.“ Un- terschrift Herr Köster, Parlamentarischer Geschäftsführer Können die kein Mathe oder Deutsch? Doch, können die, der NPD-Fraktion. aber die haben ja kein Abitur, die haben eine Matura. Das ist ja ein ganz anderer Name, die kann man ja gar Damit entfällt der Tagesordnungspunkt 24 von der heuti- nicht an die Hochschule lassen. Die können zwar das- gen Sitzung. selbe, weil es bloß ein anderer Name ist, aber weil das ein anderer Name ist, dürfen die nicht dasselbe machen, Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30: Beratung des obwohl sie dasselbe können. Antrages der Fraktion DIE LINKE – Zinssätze für Disposi- tions- und Überschreitungskredite endlich gesetzlich (Dr. Norbert Nieszery, SPD: begrenzen, auf Drucksache 6/3059. Hierzu liegt Ihnen Ja, das ist schon ein bisschen absurd.) ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3120 vor. Genau das ist der Streit, um den es geht, Herr Saalfeld. Wir möchten, dass ein Ingenieur sich Ingenieur nennen Antrag der Fraktion DIE LINKE darf, und der braucht von uns keine Vorschriften, dass er Zinssätze für Dispositions- und Master of Engineering heißt. Der soll mit seinem Namen Überschreitungskredite endlich glücklich werden und fertig. Wenn es dafür nötig ist gesetzlich begrenzen zu klagen – und hoffentlich zu gewinnen –, dann werden – Drucksache 6/3059 – wir das tun. – Ich danke für die Unterstützung des Parla- mentes. Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall vonseiten der Fraktionen – Drucksache 6/3120 – der SPD und CDU) Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr Dr. Brie für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön. Brodkorb, für den Redebeitrag. Dr. André Brie, DIE LINKE: Danke, Frau Präsidentin! Ich schließe die Aussprache. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Höhe von Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 71

Dispozinsen beschäftigt die Öffentlichkeit und die Be- Bis hierher habe ich unseren offensichtlichen Konsens troffenen sowieso schon seit Jahrzehnten. Die Begren- behandelt und mich auch zweimal zustimmend auf Minis- zung der Zinsen beschäftigt uns auch hier im Landtag ter Backhaus bezogen. Warum halten wir es dennoch für nicht zum ersten Mal. Ähnlich sieht es in anderen Land- notwendig, dass der Landtag von Mecklenburg-Vorpom- tagen oder im Bundestag aus, wo im Mai zum fünften mern Position bezieht? Ich möchte drei Gründe für unse- Mal darüber diskutiert wurde. Obwohl dort erneut eine ren Antrag hervorheben: gesetzliche Regelung abgelehnt wurde, ist endlich Be- wegung entstanden. Auf der letzten Konferenz der Ver- Erstens haben wir Zweifel, ob es wirklich ausreicht, den braucherschutzministerinnen und -minister hat man sich Banken sechs Monate zu geben für eine Selbstregulie- verständigt, eine Deckelung für Zinsen bei Dispo- und rung. Wie schon zitiert, funktioniert der Markt auf diesem Überziehungskrediten einzuziehen. Dafür möchte ich Gebiet überhaupt nicht. Die Stiftung Warentest hat das auch Minister Backhaus herzlich danken. in ihren Analysen eindeutig nachgewiesen. Darüber hin- aus – und das betrifft uns in Mecklenburg-Vorpommern – (Vizepräsidentin Silke Gajek ist die Situation im ländlichen Bereich – in dieser Hinsicht übernimmt den Vorsitz.) ist unser ganzes Land negativ betroffen – deutlich schlechter als beispielsweise in Berlin. Hubertus Primus, Es ist ein wichtiger Schritt. Wenn wir es dennoch für Vorstand der Stiftung Warentest, meinte, dass die Ban- notwendig halten, dass sich der Landtag damit beschäf- ken ihre Vormachtstellung in ländlichen Regionen aus- tigt, so aus mehreren Gründen. Bevor ich dazu komme, nutzen. möchte ich das grundlegende Problem kurz beschrei- ben. Wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak- tionen, unseren Antrag ablehnen wollen, sollten Sie be- Der Leitzins der Europäischen Zentralbank hat kürzlich rücksichtigen, dass die Banken, beispielsweise der Ost- ein neuerliches Rekordtief von 0,15 Prozent erreicht, deutsche Sparkassenverband, inzwischen zu verstehen obwohl schon in der Vergangenheit von einem historisch gegeben haben, dass sie selbst eine Deckelung nicht niedrigen Zinsniveau gesprochen wurde. Aber Geschich- vornehmen werden, sondern auf gesetzlichen Zwang te ist eben sehr kurzlebig geworden. Praktisch erhalten warten. die Banken geliehenes Geld von der EZB zinslos. Im Ursprung ist dieses Geld aber öffentliches Geld. Wenn Zweitens. Die allgemeine Verständigung der Minister auf die Banken und Sparkassen dieses Geld weiter verlei- eine Deckelung soll variabel sein. Als Referenzwert wird hen, so nehmen sie spürbare Zinsen, im Fall von Dispo- im Allgemeinen von einem marktabhängig schwanken- krediten meist um 12 Prozent, bei Überziehungskrediten den Referenzzins geredet. Ich persönlich kann mir dort noch mehr. Die Höchstwerte liegen derzeit bei 22 Pro- eigentlich nur den Leitzins der Europäischen Zentralbank zent. Bei einem Umfang von rund 40 Milliarden solcher vorstellen. Wenn der Referenzzins bei sieben Prozent Kredite in Deutschland hat das „Manager Magazin“ völlig liegen sollte, mag es momentan für Verbraucherinnen recht, als es schrieb, ich zitiere: „Für die Kreditinstitute ist und Verbraucher akzeptabel sein. Doch wenn er auf ein das ein tolles Geschäft.“ Ende des Zitats. Niveau von vier oder fünf Prozent steigen sollte, wären wir wieder bei Dispozinsen wie heute von elf bis zwölf Wenn ich mir vergangene Debatten ansehe, sind wir Prozent. offensichtlich gemeinsam und fraktionsübergreifend der Meinung, dass das deutlich zu hoch ist – oder toll. Die Drittens. Wie die Stiftung Warentest veröffentlicht hat, Banken rechtfertigen ihre hohen Zinsen mit den Kosten mangelt es den Banken weitestgehend an Transparenz und Ausfallrisiken. Eine wissenschaftliche Studie im über den Dispokredit in ihren Filialen und im Internet, Auftrag des Bundesverbraucherministeriums widerlegt oder wie das schon zitierte „Manager Magazin“ seinen das jedoch eindeutig. Die Ausfallquote bei Dispokrediten Artikel überschrieben hat: „Banken fürchten Transparenz ist demnach mit 0,2 bis 0,3 Prozent deutlich niedriger als beim Dispozins“, Ende des Zitats. bei Konsumentenkrediten, wo sie bei 2,5 Prozent liegt. Nach diesem Argument müsste es genau umgekehrt Zum Abschluss möchte ich ein ganz prinzipielles Prob- sein: Dispokredite runter und Konsumentenkredite hoch. lem ansprechen, das geht vor allen Dingen an meine Das „Manager Magazin“ sprach in diesem Fall ebenfalls Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen. von einem weitgehenden Marktversagen. Das ist jedoch Ich habe im letzten halben Jahr zu vier verschiedenen nur das eine Problem. Minister Backhaus hat kürzlich Themen geredet. Immer gab es sehr viel Übereinstim- erklärt, ich zitiere: „Hier wird ein Geschäft mit den Schul- mung oder Lob, doch wurden unsere Anträge in jedem den der Menschen gemacht, das muss unterbunden Fall abgelehnt. Im Allgemeinen haben Sie uns darauf werden.“ verwiesen, dass die Regierung ja bereits handle. Das anerkenne ich. Aber ich möchte Sie doch fragen, ob Dabei geht es ja nicht nur um Verbraucherinnen und Ver- es wirklich ausreicht, dass sich die Legislative allein braucher, sondern auch um kleine gewerbliche Unterneh- hinter der Regierung versteckt und nicht eigenes Selbst- men. Darauf hat Kollege Eifler in der vergangenen Diskus- bewusstsein und eigene Verantwortung übernimmt. – sion richtig hingewiesen. Ergänzen möchte ich, dass es Danke. nicht wenige Selbstständige, darunter nicht wenige Rechtsanwälte, Künstlerinnen und Künstler gibt, die nicht (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) selten Monate zwischen erbrachter Leistung, eigenen Kosten und der Bezahlung mit dem Dispokredit überbrü- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Brie. cken müssen. Wenn einzelne Banken wie die Deutsche Bank oder die Berliner Bank ihre Dispozinsen nach der Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit EZB-Entscheidung um 0,1 Prozent auf 11,8 Prozent senk- einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe ten, ändert sich nichts an dieser Situation. Peer Steinbrück und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlos- von der SPD nannte es vor einem Jahr „Wucher“. sen. Ich eröffne die Aussprache. 72 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Um das Wort gebeten hat der Minister für Landwirtschaft, neut ganz klar eine gesetzliche Deckelung für Dispo- und Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus. Überziehungskredite gefordert. Im Übrigen waren ja beide Verbraucherschutzminister da und haben sich Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- dann auch dazu geäußert. Hohe Überziehungszinsen tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! treffen – das wissen wir alle gemeinsam – in der Regel Benachteiligte, das heißt sozial und finanziell Schwäche- Sehr geehrter Herr Brie, ich glaube, Sie haben sehr re, weil sie keine Rücklagen haben oder weil sie sich in sachlich, fachlich das Problem erläutert. Ich bin sehr froh, einer Phase der Krisenbewältigung befinden, ob es Ar- dass wir heute noch mal die Möglichkeit haben darzustel- beitslosigkeit ist oder Krankheit. Das heißt, man spielt len, was wir in der letzten Zeit gemacht haben. Sie wis- hier also mit den Schwächsten in der Gesellschaft, dreht sen wahrscheinlich auch, dass wir hier sehr eng mit an der Preisschraube. Brandenburg zusammengearbeitet haben. Die Branden- burger haben den Vorsitz gehabt in der Arbeitsgruppe Die jüngst erfolgten Angebote von Banken – Sie haben der Verbraucherschutzministerinnen und -minister – im das auch so ein bisschen angedeutet –, die ihren Dis- Übrigen Frau Tack, und die hat sich diesem Thema zu- pozins deutlich gesenkt oder auch die Trennung zwi- gewendet. Ich bin sehr froh, dass auf der Verbraucher- schen Dispo- und Überziehungszins aufgehoben haben, schutzministerkonferenz in Warnemünde dazu ein, glau- zeigen, dass ein wirtschaftliches Handeln dort im Übrigen be ich, sehr weitreichender und sinnvoller Beschluss auch mit niedrigeren Zinsen für die Banken möglich ist. gefasst worden ist, auf den ich auch gleich noch mal zu Es geht also. Die Verbraucherschutzminister haben in sprechen kommen werde. dem Zusammenhang den Banken zum letzten Mal eine Frist eingeräumt, und zwar von sechs Monaten, um eine Sie haben richtigerweise schon Zitate verwandt. Ich will eigenständige Lösung zu finden. Dies waren im Übrigen das auch noch mal unterstreichen. Die Deutsche Bun- der kleinste gemeinsame Nenner und der Kompromiss desbank hat einmal für Mai 2010 eine konkrete Zahl auf der Verbraucherschutzministerkonferenz. Sie können ermittelt, und es ist so, wie Sie angedeutet haben, dass sich allerdings auch sicher sein, dass die Fachressorts das Gesamtvolumen von Dispo- und Überziehungskredi- der Länder bis Ende des Jahres ein wachsames Auge ten in Deutschland in einer Größenordnung von 42 Milli- darauf haben werden, ob sich hier endlich etwas tut und arden Euro festgestellt worden ist. Wir gehen davon aus, entwickelt. Spätestens dann werden wir auch über die dass es heute keine Anhaltspunkte gibt, dass das weni- von Ihnen geforderte konkrete Obergrenze sachlich zu ger geworden ist. Das ist wahrscheinlich eher noch mehr diskutierten haben. geworden. Nimmt man dies als Referenz und einen Zins- satz von zehn Prozent als repräsentativ, so zahlen die Hier gibt es im Übrigen schon Ideen, beispielsweise vom deutschen Bankkunden, und zwar quer durch die priva- Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg oder auch ten, die genossenschaftlichen oder auch die öffentlich- vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin, rechtlichen Banken, rund 4 Milliarden, 4 Milliarden Euro der jüngst sieben Prozent Zinsen vorgeschlagen hat. Erst an Zinsen im Zusammenhang mit diesen Überziehungs- kürzlich hat der Staatssekretär Billen aus dem Bundes- krediten. Aktuell müssen die Banken – auch das wissen verbraucherschutzministerium, der bis zum Herbst Vor- wir – zur Bereitstellung eines solchen Kreditvolumens per sitzender des Deutschen Verbraucherzentrums war, Refinanzierung bei der EZB aber gerade einmal 63 Milli- bekanntlich eine Forderung aufgemacht als damaliger onen Euro aufnehmen. Das heißt, das ist das Geschäft Vorsitzender, nämlich die sogenannten Marktwächter des Jahrhunderts für die Banken. einzusetzen. Das steht in der Koalitionsvereinbarung und im Übrigen habe ich auch darum geworben. Es gibt die Genau da wollen wir ansetzen und genau das haben klare Zusage vom Bundesverbraucherminister Heiko Sie auch hier angedeutet. Im Moment ist ein Zinsertrag Maas, dass es losgehen soll mit den Marktwächtern im von 1 : 67 – unvorstellbar! –, 1 Euro zu 67 Euro reiner Bereich der Finanzen und der Finanzmarktdienstleistun- Gewinn festzustellen. Es ist nachvollziehbar, dass das gen. Ich gehe davon aus, dass das in diesem Jahr noch mit Gerechtigkeit – das habe ich das letzte Mal schon starten wird, sodass wir auch ein Instrument haben zu gesagt –, mit Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die in prüfen, ob und inwieweit diese Funktionen jetzt über- diese Situation gekommen sind, nichts mehr zu tun hat. nommen werden. Und manche Banken, die überhaupt erst mit Milliarden an Steuermitteln gerettet worden sind, fangen jetzt die- Ich gehe davon aus, dass die bei den Verbraucherzentra- ses Spielchen wieder an. Aber auch bei normalen Ver- len der Länder angesiedelten Marktwächter ganz genau braucherkrediten, die derzeit mit vielleicht um die 4, 3,5 auf die Dispokredite und -zinsen schauen werden. Eines bis 4 Prozent effektiven Jahreszins vergeben werden, ist aber auch allen hoffentlich klar: Die Zinsbegrenzung besteht rein rechnerisch ein Verhältnis von 1 : 27 in der bekämpft nur das Symptom beziehungsweise die Folgen, heutigen Situation. Lag dagegen das Zinsniveau 2008 nicht die Hauptursache, nämlich allzu oft leicht und bei rund 4 Prozent und das Verbraucherkreditniveau schnell in die Verschuldungsfalle zu geraten. Hier mehr damals ebenfalls bei 10 Prozent, so stand dieses Ver- präventiv weiterzuarbeiten, lohnt sich auf jeden Fall, hältnis vor sechs Jahren bei 1 : 2,5 – heute 1 : 27. Das denn dies ist im Interesse Einzelner und im Übrigen auch kann so nicht weitergehen. Mit sinkendem Leitzins lohnt im Interesse der allgemeinen Gesellschaft. Es ist eben es sich für die Banken also immer mehr, Kredite bei der tatsächlich ein dickes Brett, das hier zu bohren ist, bevor EZB aufzunehmen, um damit letzten Endes ein Geschäft die Kunden problematische Verträge eingehen oder mit billigem Geld zu teurem Geld zu machen. natürlich auch in schwierige Lebenslagen geraten. Denn für mich ist auch klar, dass dann Dispo- und Überzie- Wie kann es denn nun endlich gelingen, dass wir die oft hungskredite in Anspruch genommen werden müssen, unkontrollierte und langfristige Nutzung der wohl teuersten das ist leicht erkennbar. Kreditreform wirksam eindämmen? Wie kann das gelin- gen? Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister Die Schuldnerberater und die Verbraucherzentralen haben unter meinem Vorsitz im Mai in Warnemünde er- berichten immer wieder, dass es offensichtlich viele Mit- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 73 bürgerinnen und Mitbürger gibt, die sich in diese Ver- chen Vortrag von Minister Backhaus, sehen wir, unsere schuldungsfalle hineinbegeben, und zum Teil scheint es Fraktion, nicht die Notwendigkeit dieses Antrages. Ich will heute ja auch schick zu sein, Kredite zu haben. Ich war- ihn nicht als Schaufensterantrag bezeichnen, weil das ne ausdrücklich noch mal davor: Die allgegenwärtige Thema viel zu ernsthaft ist. Die Menschen, die in der Schnäppchenjagd verführt natürlich auch viele Verbrau- Situation sind, haben sich aber freiwillig da hineinbege- cherinnen und Verbraucher zu leichtfertigem Erwerb ben, haben einen Vertrag unterzeichnet und sind da vermeintlich günstiger Waren oder Dienstleistungen. Das reingegangen. Und wenn Banken es zu ihrem Ge- dicke Ende kommt dann irgendwann. Deswegen glaube schäftsmodell machen und so ein Geschäftssystem ha- ich, dass wir gut beraten sind, uns gemeinsam auf den ben, durch das Verleihen von Geld Geld zu verdienen, ist Weg zu begeben, zwischen dem Bund und den Ländern das die Geschäftsgrundlage der Banken. Aber dass es nach Lösungen zu suchen. Diese sehen für mich folgen- einer Regulierung bedarf, macht ja deutlich, dass sich die dermaßen aus, um die noch mal kurz zu umreißen: Verbraucherschutzministerkonferenz damit auseinander- gesetzt hat, und es sind genau diese Kriterien aufgefasst Erstens. Eine gesetzliche Verpflichtung einzuführen, worden. nach der die Kreditinstitute den Verbraucherinnen und Verbrauchern bei beträchtlicher Dauer einer geduldeten Auch in Bezug auf die Information, die Sie für den Land- Kontoüberziehung Alternativangebote zu unterbreiten tag wünschen, hat der Minister hier gerade ein Angebot haben, die kostengünstiger sind und nach Bonitätsprü- gemacht: Er kommt in die Ausschüsse. Also von daher fung in Betracht kämen, das ist der erste Punkt. sehen wir die Notwendigkeit dieses Antrages nicht und werden dem auch nicht zustimmen. – Vielen Dank für Zweitens. Die Kreditinstitute sollen dazu verpflichtet wer- Ihre Aufmerksamkeit. den, betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher auf bestehende Möglichkeiten einer anbieterunabhängigen (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) Schuldnerberatung hinzuweisen. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. Drittens. Es ist zu prüfen, ob und wie eine stärkere Ein- beziehung der Kreditwirtschaft in die Finanzierung einer Das Wort jetzt hat jetzt die Abgeordnete Frau Gerkan von anbieterunabhängigen Schuldnerberatung zu realisieren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. ist. Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das The- diesem so zustimmen können, dann bitte ich auch, dass ma heute, wie Sie wissen, ist kein neues. Bereits 2010 wir uns mit dem Thema weiter befassen. Ich bin gerne hat die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereit, Sie in den nächsten Wochen und Monaten in den einen Antrag „Verbraucherinnen und Verbraucher vor entsprechenden Ausschüssen, wenn es gewünscht ist, überhöhten Überziehungszinsen schützen“ eingebracht. darüber zu informieren. Ich danke für die Aufmerksamkeit Ähnliche Anträge sind dann durch verschiedene Landta- und hoffe, dass diejenigen, die in dieser Falle sitzen, ge und unterschiedliche Fraktionen bearbeitet worden. möglichst schnell aus diesem Dilemma herauskommen. – Auch hier im Landtag hat DIE LINKE vor einem Jahr Herzlichen Dank. bereits einen vergleichbaren Antrag gestellt, doch mit dem entscheidenden Unterschied, dass Sie 2013 bei der (Beifall vonseiten der Fraktionen Begrenzung der Dispositions- und Überschreitungskredi- der SPD und CDU) te auf die Angabe von entsprechenden Prozentpunkten verzichtet haben. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Backhaus. Die Abzocke könnte aus unserer Sicht einmal durch eine Das Wort hat jetzt Herr Eifler von der CDU-Fraktion. Präzisierung der sogenannten Wuchergrenze nach Pa- ragraf 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches beendet Dietmar Eifler, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin! werden oder es ist auf der Basis eines marktabhängigen Sehr geehrte Damen und Herren! schwankenden Referenzzinssatzes eine flexible Decke- lung für Dispositions- und Überziehungszinsen zu ermit- Herr Brie, Sie haben im Zusammenhang mit Ihrem An- teln. trag das eine oder andere Zitat gebraucht. Ich möchte beginnen und auch nur ganz kurz auf das Thema einge- Bei der Begrenzung würden wir Bündnisgrüne eine EU- hen, aber mit einem Rat, den ich von meinen Eltern auf weite Regelung begrüßen. Allerdings muss man darauf den Weg bekommen habe, und der gilt heute noch. Die achten, dass die Obergrenze nicht so niedrig liegt, dass haben mir also gesagt: Denk dran, du kannst immer nur die Banken dann überhaupt keinen kurzfristigen Dispo das ausgeben, was du gerade in der Tasche hast! mehr für Unternehmen, aber auch für Privatpersonen, die sie benötigen, einräumen. Die Benennung unter dem Nun wissen wir natürlich, wie die Lebensumstände und Punkt I.4 von maximal fünf beziehungsweise acht Pro- die Lebensläufe spielen und dass das nicht immer realis- zentpunkten halten wir für problematisch, denn die Rege- tisch und möglich ist, dass man also auch finanzielle Hilfe lung muss sowohl für die Verbraucherinnen und Ver- und Unterstützung braucht, zum Beispiel derjenige, der braucher als auch für den Bankensektor eine tragfähige ein Haus baut. Das ist also so aus der Tasche eben nicht Lösung mit sich bringen. Ansonsten würden wir doch den zu finanzieren. Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Bärendienst erweisen. Von daher beantragt unsere Fraktion eine Aber gerade zu dem Thema „Dispo- und Überziehungs- punktweise Abstimmung. kredite“, denke ich, hat Minister Backhaus ausführlich berichtet, wie der Stand in der Verbraucherschutzminis- Der vorliegende Antrag hat in letzter Zeit dadurch an terkonferenz ist. Und von daher, nach diesem umfängli- Aktualität gewonnen – Herr Backhaus hat das erwähnt –, 74 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 dass die Verbraucherschutzministerkonferenz Mitte Mai bei Dispositions- und Überziehungskrediten aus dem dieses Jahres in Rostock-Warnemünde tagte. Die Mi- Mai 2014 in Rostock-Warnemünde – ein Beschluss, der nisterinnen und Minister beschlossen hier, die Zinssätze mit großer Mehrheit zustande gekommen ist, ein Be- für Dispositionsüberschreitungskredite gesetzlich zu schluss, der natürlich entsprechend der politischen Far- deckeln, falls die Banken nicht innerhalb der nächsten benlehre des Gremiums einen Kompromiss darstellt, sechs Monate flächendeckend die Zinssätze korrigie- einen Kompromiss allerdings, den wir als großen Erfolg ren. ansehen. Kritik daran, dass den Banken noch sechs Monate Bedenkzeit eingeräumt werden, ist daher nicht Zudem – auch bereits erwähnt, das freut uns sehr – war angebracht. man sich darin einig, dass die Kreditwirtschaft zur Finan- zierung unabhängiger Schuldnerberater herangezogen In ihrem Antrag geht die Fraktion DIE LINKE bewusst werden müsse. Das sollte unserer Auffassung nach in oder unbewusst nur auf die Beschlusslage zur gesetzli- diesem vorliegenden Antrag noch mal bekräftigt werden. chen Deckelung von Zinsen für Dispositions- und Über- Hier bitte ich Sie um Unterstützung unseres Änderungs- ziehungskredite ein. In den Punkten zwei und drei des antrages, denn wer mit überzogenen Dispozinsen Ge- Beschlusses geht die Verbraucherschutzministerkonfe- schäfte macht, sollte auch an den Beiträgen zur Schuld- renz aber viel weiter. Darin wird gefordert, dass die Ban- nerberatung beteiligt werden. Diese Schuldnerberatung ken hinsichtlich des Angebots kostengünstiger Alternati- sollte natürlich unabhängig von der Kreditwirtschaft im ven für Betroffene verbindlich in die Verantwortung ge- Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher durch- nommen werden sollen. Zudem sollen sie verpflichtet geführt werden. Das ist mehr als gerecht. werden, auf bestehende Möglichkeiten einer anbieterun- abhängigen Schuldnerberatung hinzuweisen. Zudem An dieser Stelle freut mich insbesondere, dass der Herr wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, ob und Minister Backhaus sich bereits in seiner Rede unterstüt- wie eine stärkere Einbeziehung der Kreditwirtschaft in die zend zu unserem Änderungsantrag geäußert hat. Finanzierung einer anbieterunabhängigen Schuldnerbe- ratung zu realisieren ist. (Stefanie Drese, SPD: Das haben Sie irgendwie falsch verstanden, glaube ich.) Das sind Ansätze von Prävention und Beratung, die bei dem Thema unbedingt dazugehören und von der Ver- Es ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher im länd- braucherschutzministerkonferenz schon aufgenommen lichen Raum schwer, sich angesichts des schwachen wurden, denn eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Filialnetzes für ein neues Geldinstitut zu entscheiden. Dispositions- und Überziehungskredite sind Schulden, Das müssen wir hier an dieser Stelle noch mal festhalten. die gemacht werden, Schulden, für die es eine ganze Auch wenn uns der Antrag aus besagten Gründen be- Reihe guter Gründe geben kann, aber – und das gehört kannt vorkommt, er einen gewissen Wiedererkennungs- zur Wahrheit dazu – die auch oftmals auf Konsumverhal- wert hat, ist er zu diesem jetzigen Zeitpunkt durchaus ten und Lebensweise zurückzuführen sind. Hier ist die richtig und wichtig. gesamte Gesellschaft gefordert, sich einem Klima entge- genzustellen, in dem Schuldenmachen als schick gilt. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag Leider wird es den Verbraucherinnen und Verbrauchern und ich beantrage punktweise Abstimmung, da wir dem oft auch zu leicht gemacht, sich zu verschulden. Die Punkt I.4 aus den dargelegten Gründen nicht zustimmen Verführungskünste der Werbung sind groß. Ein namhaf- können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. tes Kommunikationsunternehmen wirbt derzeit mit dem Slogan „Handyvertrag trotz Schufa“. Hier hört für mich (Beifall vonseiten der Fraktion seriöse Werbung auf. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. Ich habe dieses Beispiel aufgeführt, um noch einmal Das Wort hat jetzt Frau Drese von der SPD-Fraktion. deutlich zu machen, dass das Problem „Überschuldung“ nicht allein mit einer gesetzlichen Deckelung der Zinsen Stefanie Drese, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! von Dispositions- und Überziehungskrediten zu lösen ist, Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das auch nicht mit einer Verteuerung von Konsumentenkredi- Anliegen des zu beratenden Antrags, den Verbraucher- ten, Herr Dr. Brie. schutz beim Dispositions- und Überziehungskredit zu verbessern, können wir uneingeschränkt bejahen. Auch Zurück zu dem Antrag: Der Landtag soll feststellen, was die Forderung nach einer gesetzlichen Deckelung der bekannt ist, und er soll Kritik an den Beschlüssen der Zinsen von Dispositions- und Überziehungskrediten ha- Verbraucherministerkonferenz üben. Mit uns nicht, sehr ben wir als Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpom- geehrter Herr Dr. Brie, und das ist kein Verstecken hinter mern schon lange auf der Agenda. Allerdings bestimmen der Regierung. Der Antrag ist zum jetzigen Zeitpunkt wir nicht allein, welche Position des Landes dazu einge- eben nicht notwendig. Wir lehnen ihn ab, ebenso wie den nommen wird. So erklärt sich auch die bisherige Präfe- Änderungsantrag. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerk- renz der Landesregierung für eine Selbstbeschränkung samkeit. der Kreditinstitute beim Dispositions- und Überziehungs- kredit. (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) Für uns stellt sich allerdings die Frage, warum ausge- rechnet jetzt dieser Antrag gestellt wird, wo die Politik Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. doch endlich reagiert hat. DIE LINKE stellt das selbst fest und begrüßt den Beschluss der Verbraucherschutzminis- Das Wort hat jetzt noch Frau Rösler von der Fraktion DIE terkonferenz für einen verbesserten Verbraucherschutz LINKE. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 75

Jeannine Rösler, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine 7,1 Prozent. Wenn wir uns den Euroraum insgesamt Damen und Herren! angucken, dann liegen wir da bei einem durchschnittli- chen Überziehungszins von 8,4 Prozent. Herr Minister Backhaus, Ihr heutiger Beitrag hat mir sehr gefallen. Und wie sich längst zeigt – das ist heute hier auch mehr- fach schon gesagt worden –, die viel beschworene (Beifall Manfred Dachner, SPD – Selbstverpflichtung der Banken ist völlig unrealistisch. Zurufe vonseiten der Fraktionen Die SPD hat dies im Unterschied zur CDU immerhin der SPD und DIE LINKE: Oh!) erkannt. Verbraucherschutzminister be- zeichnete es als überzogen und inakzeptabel, dass viele Sie haben heute deutliche Worte gefunden, und ich mei- Institute trotz des historisch niedrigen Leitzinses Dispo- ne mich erinnern zu können, in der letzten Debatte gab zinsen von mehr als 10 Prozent verlangen. Eine Lösung es die so noch nicht. Insofern danke schön. muss her, ich denke, da sind wir uns einig, jawohl. Die Frage ist nur: Wie und wann? Ohne eine gesetzliche Dispo- und Überziehungskredite mit Zinssätzen von zum Deckelung jedenfalls geht es nicht, meine Damen und Teil weit über zehn Prozent sind durchaus ein lohnendes Herren. Lediglich Warnhinweise bei mehrfacher Überzie- und sicheres Geschäft für die Banken, jedoch, und das hung und Beratungsgespräche sind nicht wirklich ein ist nicht zu leugnen, zulasten gerade derjenigen Bank- Fortschritt. Jeder und jede kann ohnehin schon auf dem kunden mit schmalem Budget. Herr Minister Backhaus, Kontoauszug lesen, wie hoch die Schulden sind, und, ich Sie haben das ja schon ausgeführt. Ich hätte mir das denke, ein fettes Minus ist wohl Warnhinweis genug. auch von Frau Drese gewünscht. Beratungsgespräche werden durchaus auch längst an- geboten – nicht verpflichtend, das ist richtig. (Peter Ritter, DIE LINKE: Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben.) Es ist also erfreulich, dass sich die Verbraucherschutz- minister auf einen entsprechenden Beschluss im Hinblick Das sind Bankkunden, die gerade so über die Runden auf eine gesetzliche Deckelung der Dispo- und Überzie- kommen, hungszinsen verständigen konnten. Zwar gab man den Banken noch mal sechs Monate Zeit, um zu reagieren, (Andreas Butzki, SPD: Wir müssen aber immerhin. Wir sollten heute die Position der Ver- ja nicht alles wiederholen.) braucherschutzminister nochmals unterstützen. Deshalb ist es unbedingt sinnvoll, ein positives Signal von hier die unvorhersehbare notwendige Ausgaben für dringen- auszusenden. Es regt sich etwas, aber wir haben eben de Reparaturen, Krankheitskosten oder plötzliche Ge- noch längst keine Lösung. bührensteigerungen, aber auch ausbleibende Lohnzah- lungen In Richtung der GRÜNEN möchte ich nur sagen: Wir werden dem Änderungsantrag zustimmen. – Vielen (Heinz Müller, SPD: Dank. Kaputte Waschmaschinen.) (Beifall vonseiten der Fraktionen nicht sofort auffangen und kompensieren können. Nicht DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) selten erhalten die Betroffenen auch keinen anderen Kredit und haben daher gar keine andere Wahl, als auf Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. den Dispo zuzugreifen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlie- Banken machen fantastische Margen. Minister Backhaus ße die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. hat hier auch eindrucksvolle Zahlen genannt. Banken machen sich zunutze, dass man ein Konto eben nicht so Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Frakti- einfach wechseln kann wie den Telefonanbieter oder den on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3120 Stromversorger. Deshalb reicht es nicht, sich hinter der abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder Illusion des mündigen Verbrauchers zu verschanzen, der die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – sich angeblich einfach eine andere Bank suchen kann, Und die Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Ände- ganz abgesehen davon, dass es ja auch so viele Banken rungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf gibt, die unter 10 Prozent anbieten. Es gibt nämlich kaum Drucksache 6/3120 abgelehnt, bei Zustimmung der Frak- Banken, die das tun. Das sind mitunter einige Internet- tionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und banken, die Dispozinsen von um die 80 Prozent verlan- Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU und gen, um die 8 Prozent verlangen. keinen Stimmenthaltungen.

(Andreas Butzki, SPD: 80 Prozent Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, über die sind auch ein bisschen zu viel.) Ziffern I Nummern 1 bis 3, 4 und Ziffer II des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3059 einzeln Aber längst nicht für jeden oder für jede ist eine Internet- abzustimmen. bank eine Lösung. Wer nämlich eine Filialbank benötigt, der kommt nicht unter 10 Prozent davon. Selbst das Wer der Ziffer I Nummern 1 bis 3 des Antrages der Frak- Argument der angeblich hohen Kosten für diese flexiblen tion DIE LINKE auf Drucksache 6/3059 zuzustimmen Kredite zählt nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – in anderen europäischen Ländern durchaus deutlich Die Gegenprobe. – Danke. Und die Enthaltungen? – geringere Zinssätze möglich sind: Überziehungszinsen in Damit sind in Ziffer I die Nummern 1 bis 3 des Antrages Österreich etwa durchschnittlich 5,5 Prozent, in den Nie- der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3059 abge- derlanden durchschnittlich 6,7 Prozent, in Finnland lehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und 76 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktio- 100 Prozent der Direktzahlungen, wenn sie Mindeststan- nen der SPD und CDU und keinen Enthaltungen. dards in Bezug auf die Kulturpflanzenvielfalt und die Erhaltung von Dauergrünland erfüllen sowie mindestens Wer der Ziffer I Nummer 4 des Antrages der Fraktion DIE 5 Prozent ihrer Ackerfläche im Umweltinteresse nutzen. LINKE auf Drucksache 6/3059 zuzustimmen wünscht, die Werden die Standards der breiten Palette der Greening- oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenpro- Maßnahmen nicht erreicht, erhalten Landwirte nur 70 Pro- be. – Danke. Und die Enthaltungen? – Damit ist in Ziffer I zent der ohnehin gekürzten Gesamtsumme. die Nummer 4 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3059 abgelehnt, bei Zustimmung der Frak- Von den bisher gezahlten Flächenprämien um die tion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, 300 Euro pro Hektar werden in der neuen Förderperiode CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei keinen nur noch um die 260 Euro pro Hektar übrig bleiben, und Stimmenthaltungen. das natürlich auch nur, wenn die Auflagen erfüllt werden. Wir LINKEN sehen das als eine große Herausforderung Wer der Ziffer II des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf für die Landwirte. Wir sind aber überzeugt, dass diese es Drucksache 6/3059 zuzustimmen wünscht, den oder die leisten können. Das Greening steht also für die Ökologi- bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Und sierung der Agrarpolitik und stellt, wie schon gesagt, ein Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer II des Antrages der wichtiges Anliegen der Reform der Gemeinsamen Agrar- Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3059 abgelehnt, politik dar. bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktionen der Die wesentlichen Komponenten des Greenings sind die SPD und CDU und keinen Stimmenthaltungen. Anbaudiversifizierung im Ackerbau, die Erhaltung des bestehenden Dauergrünlands und die Ausweisung einer Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischen den Flächennutzung im Umweltinteresse auf einem bestimm- Fraktionen besteht Einvernehmen, den Tagesordnungs- ten Anteil der Ackerflächen, den sogenannten ökologi- punkt 32 nach dem Tagesordnungspunkt 25 aufzurufen. schen Vorrangflächen. Auf Letztere will ich besonders Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist eingehen, da die EU-rechtliche Verpflichtung zur Bereit- das so beschlossen. stellung ökologischer Vorrangflächen am stärksten in die Nutzungsrechte der Landwirte eingreift. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Greening wis- (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, senschaftlich begleiten und evaluieren, die Drucksa- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) che 6/3058. In der Begründung zum Antrag steht unter anderem, Antrag der Fraktion DIE LINKE dass sich „besonders um die Ausweisung und die bisher Greening wissenschaftlich bekannten Nutzungsmöglichkeiten der ökologischen begleiten und evaluieren Vorrangflächen … das Diskussionsspektrum vom ‚Schritt – Drucksache 6/3058 – in die richtige Richtung‘ über ‚ökologisch nutzlos‘ bis hin zur ‚ruinösen Stilllegung von wertvoller landwirtschaftli- Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Profes- cher Nutzfläche‘ mit erheblichen ökonomischen Folgen“, sor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE. verbunden „mit Arbeitsplatzverlusten“ bewegt. Das bringt genau die vielfältigen Ansichten und Stimmungen vor Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- allem zur Greening-Maßnahme „Ausweisung der ökolo- tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die nach- gischen Vorrangflächen“ zum Ausdruck. haltige Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, die sogenannte GAP, für den Zeit- So sagt zum Beispiel das von Thünen-Institut Braun- raum bis 2020 hat meine Fraktion seit 2010 mehrfach schweig voraus, dass die EU-Agrarreform voraussichtlich hier im Landtag thematisiert. Für uns ist diese Gestaltung nur geringe Verbesserungen für die biologische Vielfalt in bedeutsam hinsichtlich der Entwicklung der einheimi- Agrarlandschaften bringen wird. Teilweise kann es durch schen Landwirtschaft und der Entwicklung der ländlichen das Zusammenwirken verschiedener Komponenten des Räume, aber auch die Akzeptanz der Gesellschaft für neuen agrarpolitischen Regelwerks nach ihrer Auffas- diese Landwirtschaft, für diese moderne Landwirtschaft sung sogar zu einer Verschlechterung der Biodiversität wird durch sie maßgeblich beeinflusst. kommen, so die Wissenschaftler in einer Mitteilung vom 7. April dieses Jahres. Auch der Präsident des vTI Pro- Im Großen und Ganzen stehen die Maßnahmen und fessor Dr. Folkhard Isermeyer hat mir das in einem per- Möglichkeiten der GAP inzwischen fest. In zähen und sönlichen Gespräch bestätigt. langwierigen Verhandlungen, in denen erstmalig das Europäische Parlament – Sie wissen das – ein gewichti- Andererseits machte der regionale Bauernverband ges Wort mitgesprochen hat, und dem Ringen um Kom- Nordwestmecklenburg auf dem traditionellen „Agrarpoliti- promisse zwischen den Mitgliedsstaaten und Interessen- schen Tag“ in Malchow auf Poel am 13.06. folgende gruppen liegen nun neue Regeln für die Förderung in der Rechnung auf: Die Greening-Fläche im Einzugsbereich sogenannten Ersten und Zweiten Säule vor. Diese euro- dieses Verbandes beträgt 7.200 Hektar. Das entspricht päischen Regeln national auszugestalten und in deut- circa 50 Arbeitsplätzen, die aus ihrer Sicht wegfallen sches Recht umzusetzen, wurde mit Kompromissen in würden. 36.000 Tonnen Früchte würden dort nicht wach- der Agrarministerkonferenz, im Bundestag und vor Kur- sen, das entspräche 1.440 Lkw-Ladungen, die nicht mehr zem im Bundesrat auf den Weg gebracht. transportiert würden. Zehn Mähdrescher würden nicht gekauft und gewartet werden. Ausgangspunkt ist natür- Kern der neuen GAP ist der Übergang zu verpflichtenden lich die Annahme, dass die Festlegung von fünf Prozent sogenannten Greening-Leistungen, die die Landwirte der Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche einer künftig erbringen müssen. Landwirte erhalten nur dann Stilllegung gleichkäme. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 77

Es geht also, wie Sie sehen und hören, um ökologische, ökologischen Vorrangflächen machen den beginnenden soziale und ökonomische Auswirkungen des Greenings. Umbruch in der Agrarförderung hin zu mehr Ökologisie- Und ich will zu diesen Nachhaltigkeitskernen noch einen rung deutlich. Es kann ein erster Schritt werden, um die hinzufügen: Es geht auch um die gesellschaftliche Ak- Forderung „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ zeptanz der modernen Landwirtschaft. Ich meine damit, zu verwirklichen. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung wenn vom Greening für die Öffentlichkeit nichts zu sehen für eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft kann er- und zu spüren ist, wird es immer schwerer, die begründe- höht werden. te Notwendigkeit der Direktzahlungen zu vermitteln. Für die LINKEN ist es also ein erster Schritt in die richtige (Thomas Krüger, SPD: Genau.) Richtung, was aber noch zu beweisen wäre. Diesen Beweis zu erbringen, die nächsten Schritte abzumessen Meine Partei hat sich klar dafür ausgesprochen, dass die und zu konzipieren, ungewollte Negativwirkungen auszu- ökologischen Vorrangflächen so wirtschaftlich genutzt gleichen oder zu verhindern, das muss Aufgabe und werden können, dass sie dann auch einen Beitrag zu Ergebnis einer wissenschaftlichen Begleitung im Bund mehr biologischer Vielfalt sowie zum Gewässer- und und im Land sein. Diese Begleitung muss über die EU- Klimaschutz leisten können. Es ist natürlich klar, dass es Standard-Evaluierungsmethoden hinausgehen. Darin hat bei den streng reglementierten Bearbeitungs-, Dün- mich auch mein Kollege Professor Isermeyer bestätigt. gungs- und Pflanzenschutzmöglichkeiten auf den Vor- Ich weiß auch, dass wir beispielsweise mit unserer be- rangflächen zu einer weiteren Einkommenssenkung der währten und erfahrenen Landesforschungsanstalt, die Betriebe durch Ertragsminderung auf diesen fünf Prozent am traditionellen Standort in Gülzow arbeitet, die aber der Ackerfläche kommen wird. leider immer kleiner gemacht wurde, eine Grundlage für eine solche Begleitung haben. Die Beobachtung der Der Ihnen heute vorliegende Antrag „Greening wissen- Betriebsergebnisse des Testbetriebsnetzes kann bei schaftlich begleiten und evaluieren“ greift die Tatsache entsprechender Ausrichtung für diese Aufgabe voll mit- auf, dass wir uns mit der neuen GAP und den Greening- genutzt werden. Komponenten auf absolutem Neuland bewegen. Wir wissen erstens nicht, wie sich die Einrichtung der fünf Potenziale sehe ich vor allem in der Vernetzung von Prozent ökologischer Vorrangflächen wirklich auf die vorhandenen Einrichtungen des Landes, wie dem LUNG, Biodiversität und die Umwelt insgesamt auswirkt. Der in aber auch die Ergebnisse der Tätigkeit der LMS und der Deutschland mit der nationalen Umsetzung der GAP Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Uni- eingeschlagene Weg beinhaltet die Nutzung der gesam- versität Rostock sollten mit einbezogen werden. Natürlich ten Palette von EU-Vorschriften, die zu dieser Frage gehört diese Aufgabe, die Begleitung und Evaluierung gegeben sind. Für eine solche Nutzung im Umweltinte- des Greenings in erster Linie in die Hände des Bundes. resse kommen unter anderem Puffer- und Randstreifen Ich verweise deshalb auf den ersten Punkt unseres An- ohne landwirtschaftliche Nutzung sowie Landschaftsele- trages. Da aber Mecklenburg-Vorpommern eines der mente infrage, die in der Regel bereits heute über die wichtigsten Agrarländer ist und die Landwirtschaft in Cross-Compliance-Regelung geschützt sind. unserem Land die wichtigste Branche darstellt, haben wir, so meinen wir, auch eine besondere Verpflichtung, Auf solchen ökologischen Vorrangflächen sollen auch einen eigenen Beitrag zur wissenschaftlichen Begleitung Zwischenfrüchte oder stickstoffbindende Pflanzen, Le- und Evaluierung zu leisten. Dazu kann ich mir auch eine guminosen, angebaut werden können. Das gefällt mir länderübergreifende Kooperation mit der wissenschaftli- sehr gut, damit können dann die eigene Futterbasis erwei- chen Begleitung des Greenings, zum Beispiel mit dem tert und die Bodenfruchtbarkeit sowie die Anbaustruktur ZALF Müncheberg vorstellen. verbessert werden. Dabei dürfen keine synthetischen Pflanzenschutzmittel, keine mineralischen Stickstoffdün- Zum Schluss noch eine Bemerkung an Minister Dr. Back- gemittel und kein Klärschlamm verwendet werden. Wirt- haus: Ich habe raunen gehört, Herr Kollege Dr. Back- schaftsdünger dürfen jedoch ausgebracht werden. Bei den haus, dass Sie die Auswahl des neuen Staatssekretärs Flächen mit stickstoffbindenden Pflanzen, die nach dem auch unter dem Aspekt entschieden haben, dass die EU-Recht mit einem Faktor von 0,7 als Vorrangfläche Wissenschaft einen höheren Stellenwert in der Agrarpoli- angerechnet werden sollen, muss nach der Ernte der tik erhält. Das begrüße ich sehr. Ich würde mich deshalb Leguminosen zur Vermeidung von Stickstoffeinträgen in freuen, wenn Sie unseren Antrag auch als Einstieg dazu Gewässer eine Winterkultur oder Winterzwischenfrucht unterstützen. – Vielen herzlichen Dank. angebaut werden. In jedem Fall werden eine Startdüngung und Pflanzenschutz nach guter fachlicher Praxis auch auf (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) diesen ökologischen Vorrangflächen zulässig bleiben. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Tack. Noch sind nicht alle Durchführungsbestimmungen be- schlossen – wir erwarten diese bis Ende August –, aber Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer die Richtung ist jetzt schon deutlich erkennbar. Es soll von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre auch verbindlich geregelt werden, dass die ökologischen keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich Vorrangflächen innerhalb eines Betriebes sein müssen eröffne die Aussprache. und nicht irgendwo dazugepachtet werden können. Das halte ich für sehr wichtig. Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus. Bitte. In unserem Antrag weisen wir auf die weiteren Greening- Komponenten hin, wie den Grünlanderhalt oder die An- Minister Dr. Till Backhaus: Sehr geehrte Frau Präsiden- baudiversifizierung. Darauf werde ich hier allerdings nicht tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man freut eingehen. Die von mir kurz beschriebenen Forderungen sich natürlich darüber, wenn man ein gutes Klima hat, und Möglichkeiten für die Ausweisung und Nutzung der und insofern bin ich heute fast vor Scham errötet, 78 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Fast!) (Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber dafür bin ich auch dankbar. Es darf in Deutschland kein Grünland mehr umgebro- Ich glaube, dass die Situation, wie sie sich in diesem chen werden und das ist ein großer Erfolg. Land darstellt, von Professor Tack richtig beschrieben worden ist. Seit Monaten schlagen wir uns nur noch mit (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) einem Thema herum: ELER und die Umsetzung. Seit 2010 sind wir im Haus damit beschäftigt, und es war Oder auch die Grundauffassung, die ich ja seit Jahren wirklich ein langer, schwerer und steiniger Weg, aber er habe – auch dank der Unterstützung dieses Hauses, das ist von Erfolg gekrönt. Dass wir erreicht haben, dass wir will ich ausdrücklich sagen –, nämlich in die Richtung, die Direktzahlung und den ELER mit insgesamt – runde eine Eiweißpflanzenbaustrategie auf den Weg zu krie- Zahl – 3,6 Milliarden Euro für diese Förderperiode zur gen, haben wir für die Greening-Flächen mit eingearbei- Verfügung haben, daran haben viele nicht geglaubt, ich tet. Das hat uns mehrere Nächte gekostet, auch meinen im Übrigen auch nicht, dass wir das hinkriegen. Umso Staatssekretär, was die Verhandlungen anbetrifft, aber mehr ist es jetzt wichtig, dass wir die richtigen Weichen wir haben es geschafft, sodass auf den ökologischen stellen. Vorrangflächen stickstoffbindende Pflanzen angebaut werden können und diese dann mit 0,7-Anteil angerech- Ich kann mich noch sehr gut erinnern – und der eine net werden können. oder andere von Ihnen auch – an die Agrarministerkon- ferenz 2010 in Plön in Schleswig-Holstein. Damals ging (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ es bereits um die Weiterentwicklung der Gemeinsamen DIE GRÜNEN: Und gedüngt werden dürfen.) Agrarpolitik auf der Bundesebene. Mecklenburg-Vor- pommern stellte damals schon den Antrag, Deutschland Es geht nicht um Düngung, sondern es geht nur darum, möge sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, anfangs im Jugendstadium ein bisschen Anschub zu Agrarzahlungen stärker an öffentliche Leistungen zu geben. Aber die volle Düngung schließt sich bei Legumi- binden. Ich habe damals den Spruch geprägt: „Öffentli- nosen im Übrigen sowieso aus. ches Geld für öffentliche Leistungen“. Ich habe dazu auch unser Modell vorgestellt damals in Plön, 2010. (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ Das ist heute weitestgehend Teil der deutschen und DIE GRÜNEN: Das ist bekannt.) europäischen Agrarpolitik. Seinerzeit war ich ein Geis- terfahrer auf der agrarpolitischen Autobahn in Deutsch- Nach der Ernte – das ist das wichtige Stichwort, das will land und in Europa. ich ausdrücklich betonen –, das haben wir durchgesetzt, muss, um die Stoffeinträge – Stickstoffeinträge oder (Thomas Krüger, SPD: Genau.) Nährstoffeinträge – zu verhindern, eine Winterkultur oder eine Winterzwischenfrucht angebaut werden, und die Schaut man sich das heute an, dann nehme ich zur muss bis spätestens 1. Oktober eingesät sein. Kenntnis: Von Bayern bis Schleswig•Holstein, überall gibt es die Befürworter dieser Grundthese. Wie sich doch die Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Zwi- Zeiten ändern! schenfruchtanbau hat für mich auch eine ökologische Funktion. Vielleicht nicht unbedingt, was sich die GRÜ- (Thomas Krüger, SPD: Genau.) NEN erhofft haben, aber, ich glaube, gerade für unser Bundesland ist es so wichtig, dass wir Zwischenfrüchte, Menschen können immer dazulernen, das ist ja das Winterzwischenfrüchte anbauen, auch vor dem Hinter- Wunderbare. Wenn der Kopf dann auch noch will, schaf- grund der Wasser-, der Winderosion und der Biodiversi- fen wir Lösungen. Irgendwann gilt es als sicher, auch für tät. Ich bin froh, dass wir das hinbekommen haben und Zeitgenossen, die der guten alten Zeit, der Ausgleichszu- dass dafür weder chemisch-synthetische Pflanzen- lage nachtrauern oder der Art und Weise, wie wir die schutzmittel eingesetzt werden, noch dürfen mineralische Umsetzung des ELER hier im Land vornehmen. Natürlich Düngemaßnahmen vorgenommen werden. Es darf auch bin ich traurig gewesen, dass insbesondere der Bauern- kein Klärschlamm auf diesen Flächen mehr ausgebracht verband dem ELER in der Form, wie wir es vorgelegt werden. haben, nicht zugestimmt hat, aber auch damit müssen wir leben. Der Friede von Schwerin mit dem Bauernver- Ich habe durchgesetzt, dass die Regelungen zum Erhalt band ist ja wiederhergestellt. des Dauergrünlandes umgesetzt werden, das heißt, ab 2015 darf in Deutschland kein Grünland mehr umgebro- ln der ersten und der zweiten Säule der europäischen chen werden. Ich glaube auch, dass das Angebot richtig Agrarpolitik sind nunmehr, und das ist hier richtig darge- ist, die naturschutzfachlichen Beratungen für die Land- stellt worden, mindestens 30 Prozent der öffentlichen wirtschaft und insbesondere für die Landwirte durch die Mittel an öffentliche Leistungen im Sinne der Umwelt, des LMS zu unterstützen, und ich wünsche mir sehr, dass die Klimaschutzes und des Ressourcenschutzes zu binden. bestgeeignetsten Varianten zur Anwendung des Gree- Ich sage mal eine runde Zahl: Das sind 89 Euro pro Hek- nings dann in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt tar, die sind daran gebunden. Kernpunkt der nationalen werden. Umsetzung des Greenings sind Vorgaben zu den ökologi- schen Vorrangflächen, die sind hier eben genannt worden. Wir haben in unserem Land mehrere Workshops – viel- leicht ist der eine oder andere von Ihnen dabei gewe- Im Übrigen bin ich schon ein bisschen stolz darauf, dass sen – und wir haben Demonstrationsbetriebe. Das alte es mir gelungen ist, das Grünlandumbruchverbotsgesetz, System – der Erfahrungsaustausch ist nämlich immer das wir im Land haben, jetzt auf die gesamte Bundesre- noch die beste und einfachste Investition – haben wir publik Deutschland auszudehnen. umgesetzt, sodass wir in den Demonstrationsbetrieben Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 79 damit auch die naturschutzfachliche Beratung umsetzen auch im Interesse der demografischen Entwicklung für können. die Flächenländer bereitzuhaben. Im Übrigen hat Profes- sor lsermeyer, das ist hier schon angeklungen, auch als Mecklenburg-Vorpommern bietet mit seinen Agrarum- Chef der Bundesforschung seine Auffassung zum Gree- weltmaßnahmen – das ist mir noch mal ganz wichtig, ning und zur Agrarreform benannt. Ich bin da mit ihm im dass wir das jetzt vielleicht auch über den Sommer mit- völligen Einklang. Wir haben mehrere Runden gedreht. nehmen in die Betriebe – als eines der ganz wenigen Und im Übrigen, auch der Rat zur nachhaltigen Entwick- Bundesländer eine Kombination zwischen Greening und lung, der von der Bundesregierung eingesetzt worden ist, den Agrarumweltmaßnahmen an. Die Nachbarländer um der Nachhaltigkeitsrat, hat sich ausdrücklich für unser uns herum machen das in der Form nicht, da sind wir die System der Zukunft entschieden. Einzigen. Im Übrigen muss ich da noch mal unterstrei- chen, ich bin total froh, fast könnte ich sagen, glücklich, Die Diskussionen um die Ausdehnung des Greenings dass die Umweltverbände mit uns, auch mit dem Bau- werden spätestens 2017 weitergehen, nämlich zur Halb- ernverband, diese Grundlagen jetzt akzeptieren und zeitbewertung. Und ich sage hier und heute auch, selbst- angeschoben haben. verständlich arbeiten wir an einem Agrarkonzept, wenn man es so will, 2030. Wir brauchen das, damit wir lang- Wir werden im Übrigen – das hatten wir heute Morgen und mittelfristig unseren Landwirten eine klare Ansage schon, Frau Dr. Karlowski – sowohl Gewässerrandstrei- machen können. Auch die Diskussion zur Umschichtung fen im Rahmen der ökologischen Vorrangflächen anbie- von Direktzahlungen zugunsten der ländlichen Entwick- ten als auch als gesondertes und anrechenbares Gree- lung wird weitergehen. ning-Programm mit Schonstreifen. Diese Streifen werden im Übrigen eine Breite von 9 bis 30 Metern haben in Ich betone an dieser Stelle auch, ein Gedanke, der mich Mecklenburg-Vorpommern, zwischen 9 und 30 Metern. hier seit Monaten wieder umtreibt, ist die geringe Wert- Wir werden in dem Zusammenhang ausdrücklich das schöpfung. Ich glaube, dass wir es auf Dauer nicht ver- Programm der Bienenweide erhalten und weiter aus- antworten können, dass reine Marktfruchtbetriebe, die bauen und – einmalig im Übrigen in Deutschland – wir keinen besonderen Beitrag zur Beschäftigung, zur Wert- werden zum ersten Mal einen Alleenschutzstreifen auf schöpfung in diesem Land erbringen, nicht gegebenen- den Ackerflächen anbieten, sodass die Landwirte mit falls auch mit weiteren Elementen der Veränderung dem Zahlungsanspruch pro Hektar – runde Zahlen – bis rechnen müssen. Deshalb ist es vorausschauend, beide auf 884 Euro an Ausgleichszahlung kommen können. Säulen aus der Sicht einer zu erreichenden Zielbestim- mung zusammen zu betrachten. Ich denke, das habe ich Ganz wichtig ist mir auch, dass wir über das Agrarum- getan. weltprogramm eine vielfältigere Fruchtfolge in diesem Land haben wollen. Es müssen fünf Fruchtfolgeglieder Das Europaparlament hat in seiner Stellungnahme zur angebaut werden mit dem Ziel, die Eiweißpflanze zu GAP, also zur Gemeinsamen Agrarpolitik und zu den integrieren und auf der anderen Seite den Maisanbau ein Wirkungen des Greenings eine Evaluierung verlangt und Stückchen zurückzudrängen. Wir setzen also klare Sig- die Kommission hat das im Zuge der Halbzeitbewertung nale in Richtung umweltgerechtere, ökologischere Land- bereits zugesagt. Insoweit wird es selbstverständlich eine wirtschaft zum Schutz der Natur, der natürlichen Lebens- wissenschaftliche Begleitung geben, und zwar weit über grundlagen und natürlich zum Schutz der Umwelt. die Landesgrenzen von Mecklenburg-Vorpommern hin- aus. Zur Koordinierung wird sich – das ist besprochen In Zahlen ausgedrückt bedeutet das landesweit, wir ha- auch mit dem Bundesminister, der mich im Übrigen gera- ben gegenüber Brandenburg einen höheren Zahlungsan- de angerufen hat – das Thünen-Institut, also die Bundes- spruch von immerhin 20 Euro pro Hektar – bitte nehmen forschung mit den Ländern verständigen. Dort ist es auch Sie das auch auf –, der reine Zahlungsanspruch. Die richtig angesiedelt. Ich glaube, da sind wir uns einig – Betriebe, die bei uns bisher in den benachteiligten Gebie- hoffentlich auch wir beide, Professor Tack. ten gewirtschaftet haben und jetzt an den Grünlandpro- grammen teilnehmen, können im konventionellen Bereich Die nationale Umsetzung der GAP wurde durch den eine Gesamtprämienhöhe von bis zu 486 Euro pro Hek- Bund und die Länder gemeinsam nach langer Diskussion tar bekommen. Wenn Sie das mal mit Brandenburg ver- vereinbart und insofern muss auch eine Evaluierung gleichen, dann liegen dazwischen Welten. bundesweit erfolgen. Mecklenburg-Vorpommern ist nur eine von 14 Agrarregionen in Deutschland, weil die Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch noch mal zu Stadtstaaten da ja nicht mitzählen. Für mich ist es auch dem Antrag. Aus dem Greening erwächst eine große so: Ein eigenständiges begleitendes Landesforschungs- Chance für die mittelfristige Weiterentwicklung der Ge- programm halte ich nicht für das Mittel der Wahl. Wir meinsamen Agrarpolitik, dazu stehe ich. Begrünte Direkt- müssen hier länderübergreifend zusammenarbeiten. Ich zahlungen werden auch über das Jahr 2020, aus meiner glaube, dass es Sinn macht, im Norden eine stärkere Sicht, das Mittel der Wahl sein. Öffentliches Geld für Evaluierung vorzunehmen, weil die Länder zum Teil auch öffentliche Leistungen, nur so werden wir der Allgemein- unterschiedliche Programme fahren werden. heit, der Gesellschaft erklären können, wofür die Land- wirtschaft diese immensen Ausgleichszahlungen be- An der Hochschule Neubrandenburg gibt es im Übrigen kommt. ein umfassendes Projekt, das will ich gerne einmal im Ausschuss vorstellen, nämlich „Verringerung von Risiko- (Heinz Müller, SPD: Richtig.) potenzialen aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung für den Naturschutz …“. Das war immer meine Grundüberzeugung. Auch mit der Universität Rostock sind wir im Gespräch. Die erste Säule wird sukzessive abschmelzen und die Insofern ist eins klar, dass sich die Agrarfakultät Rostock, zweite Säule muss weiter erhöht werden, um diese Mittel im Übrigen auch mit den Leibniz Instituten, aktuell mit 80 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Forschungsarbeiten über die Effektivität der Agrarum- Nach wie vor ist meine Fraktion der Auffassung, dass weltprogramme in Bezug auf die Tierhaltung auseinan- das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht dazu dersetzt, und dass da eingebunden die Landesforschung führen darf, dass hochwertige landwirtschaftliche Nutz- mit der Beratung eine wichtige Funktion hat, das ist fläche brachliegt. Trotzdem müssen auch wir zur Kennt- schon angeklungen. Sie kennen alle die Grundlagen und nis nehmen, dass mit der Gemeinsamen Agrarpolitik ein ich kenne natürlich auch die realen Verhältnisse in unse- Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Grundlegende rem Bundesland. Elemente des Greenings sind die ökologische Bedingt- heit der Agrarbeihilfen, das heißt, dass die Direktzahlun- Ich will mich noch mal ausdrücklich an die Kritiker wen- gen an die Einhaltung von ökologischen Anforderungen den. Ich glaube, die Kritik, die wir in den letzten Tagen gebunden sind. Hierzu zählen unter anderem das Grün- von den Wirtschaftsverbänden vernommen haben, die landumbruchverbot, die Diversifizierung der Anbaukultu- muss man ernst nehmen. Ich habe das auch angeboten, ren, aber auch die Ausweisung von ökologischen Vor- dass wir in einen weiteren Dialog gehen, und ich will rangflächen. Die Höhe der Greening-Prämie, die die ausdrücklich noch mal unterstreichen, dass die Diskussi- Landwirte für die obligatorische Erbringung dieser zu- on um den Masterplan und das, was wir hier auf den sätzlichen Leistungen erhalten, beträgt bereits ab dem Weg gebracht haben, im ELER und in den Gedanken kommenden Jahr deutschlandweit 30 Prozent der Direkt- und Überlegungen, die wir in die Programme hineinge- zahlungen. schrieben haben, ihren Niederschlag gefunden haben. Meine Damen und Herren, bei der nationalen Ausgestal- Ich glaube insofern, dass wir natürlich als Landesregie- tung soll eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der rung den Agrarausschuss über die Ergebnisse der Evalu- bereitzustellenden ökologischen Vorrangflächen ermög- ierung des Greenings 2017 – spätestens dann – infor- licht werden, das heißt, insbesondere Möglichkeiten zum mieren werden. Ich werde das sehr gerne tun, weil wir Anbau von Zwischenfrüchten und stickstoffbindenden auch in Richtung der weiteren Entwicklung der Landwirt- Pflanzen neben der Anrechnung von Stilllegungsflächen, schaft und der ländlichen Räume Handlungsbedarf se- Terrassen, Pufferstreifen und auch ökologischen Vor- hen, die Ausrichtung stärker auf die ökologische und rangflächen zu schaffen. Damit sollen der zusätzliche wirtschaftliche Komponente zu richten und sie zum Woh- Flächenverlust und der damit einhergehende Produkti- le der gesamten ländlichen Räume weiter voranzubrin- onsrückgang vermieden werden. Zudem sollen ökolo- gen. gisch wertvolle Landschaftselemente wie Hecken, Knicks und Baumreihen durch eine Berücksichtigung als Vor- In dem Sinne wünsche ich mir jedenfalls, dass der Dialog rangfläche geschützt oder ein Anreiz zu ihrer Ausweitung hier auf hohem Niveau passiert, bis es weitergeht. Ich gegeben werden. betone noch mal, für die Landwirte beginnt jetzt eine Phase der großen Anstrengung, und ich wünsche wirk- Meine Damen und Herren, mittlerweile hat das Gesetz lich, dass die Landwirtschaft eine gute Ernte einfährt und zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber land- dass wir von Havarien und anderen Dingen verschont wirtschaftlicher Betriebe im Rahmen der Unterstützungs- bleiben. – Herzlichen Dank. regelung der Gemeinsamen Agrarpolitik den Bundestag passiert. Die Einführung des Greenings wird sowohl der (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD) Politik als auch den Landwirten in den kommenden Jahren vieles abverlangen, umso mehr, da in der Vergangenheit Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Backhaus. jede Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik einer Überprüfung, wie auch immer genannt, unterlag. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schütt von der CDU-Fraktion. Die Halbwertszeit der jetzigen Agrarreform ist als äußerst gering zu bezeichnen. Ob die Überprüfung dann Halb- Heino Schütt, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr ver- zeitbewertung oder Gesundheitscheck heißen wird, sei ehrten Damen und Herren! Seit der Einführung der Ge- dahingestellt. Klar ist, dass diese Ausrichtung der Agrar- meinsamen Agrarpolitik im Jahre 1957 ist diese maßgeb- politik nicht bis zum Jahr 2020 Bestand haben wird. Vor lich durch die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung diesem Hintergrund sehe ich es nicht als notwendig an, geprägt. Trotz zahlreicher Agrarreformen konnten auf- Landesforschungsprogramme zur Bewertung der Gree- grund von nationalen Interessen die Ziele der Nachhal- ning-Maßnahmen durchzuführen. Sämtliche Vorgaben tigkeit und des Umweltschutzes bis 1999 nicht in die der Agrarpolitik werden sowohl auf Bundesebene als Agrarpolitik aufgenommen werden. Ab dem Jahr 1999 auch auf europäischer Ebene evaluiert und einer Neu- wurde neben den sogenannten Direktzahlungen das ausrichtung unterzogen werden. Deshalb ist es nach Instrument der Agrarstrukturbeihilfe, welches insbeson- unserer Auffassung nicht notwendig, ein begleitendes dere durch Agrarumweltmaßnahmen geprägt war, einge- Landesforschungsprogramm zu etablieren. Bereits in den führt. Jahren 2016/17 wird die Überprüfung der laufenden Ausrichtung der Agrarpolitik eingeleitet werden. Bis dahin Nunmehr hat die Europäische Kommission das Ende der können durch Landesforschungsprogramme keine aus- Förderperiode 2007 bis 2013 zum Anlass genommen, sagefähigen Ergebnisse vorliegen. Aus diesem Grund um die Agrarförderinstrumente der Gemeinsamen Agrar- werden wir den uns vorliegenden Antrag ablehnen. – politik grundsätzlich neu auszurichten. Dabei geht es Danke. insbesondere darum, dem internationalen Welthandels- recht und der Globalisierung gerecht zu werden. So wur- (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) den bereits im Jahre 2010 erste Vorschläge seitens der Kommission zum sogenannten Greening vorgelegt. Die- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. se Entwürfe wurden ab dem Jahre 2011 breit diskutiert, wobei erhebliche Differenzen zwischen der Kommission Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski und den Mitgliedsstaaten zutage traten. von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 81

Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau auch keinem Landwirt, keiner Landwirtin gleichgültig sein Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- kann. Ohne ein vielfältiges Nahrungsangebot sind bei- nete! Es ist unsere feste Überzeugung, die Ökologisie- spielsweise auch Bienen und andere Nützlinge in ihrer rung der Landwirtschaft ist von zentraler Bedeutung für Existenz bedroht. die Zukunft der Landwirtschaft. Schauen Sie einfach mal ein paar Jahrzehnte in die Zukunft! So, wie es jetzt geht, Man könnte sich jetzt darüber ärgern oder aufregen, dass wird es nicht weitergehen. Sie ist wichtig für die Zukunft selbst ein derart verwässertes Greening Anlass für Weh- der Landwirtschaft, für die Zukunft der Ernährung, für den klagen und Gejammer darstellt, wie wir es gerade zitiert Schutz der Biodiversität der Böden und auch für den haben, oder man könnte den Vorschlag der LINKEN Erhalt lebenswerter ländlicher Räume. Daher ist für uns unterstützen, die Auswirkungen der nun beschlossenen die Entscheidung, die Auszahlung der Direktzahlung an Maßnahmen wissenschaftlich zu begleiten. Mindestanforderungen der Bewirtschaftung zu knüpfen, ein erster, wenn auch nicht besonders gelungener Schritt Wir finden daran besonders gut, dass dabei sowohl die in die richtige Richtung. ökologische als auch die ökonomische Seite betrachtet und ausgewertet werden sollen. Wir denken, das ist zum Wie Sie sich sicherlich denken können, gehen mir die einen wichtig, um nicht immer wieder mit unbewiesenen gefundenen Kompromisse nicht weit genug. Wir halten Behauptungen konfrontiert zu werden – wir haben es sie für ungenügend. gerade wieder erleben müssen –, auch nicht mit der Behauptung, diese nun beschlossenen Greening- (Minister Dr. Till Backhaus: Maßnahmen würden den Artenschutz maßgeblich voran- Ungenügend heißt „Fünf“.) bringen. Das wissen wir nämlich jetzt noch nicht. Das kann auch Status quo bleiben. Dafür gehen uns die Trotzdem diese Kompromisse nicht besonders weit ge- Maßnahmen nicht weit genug. Es gibt verdammt viele hen, Schlupflöcher, die man nutzen könnte, so, wie die be- rühmte Bauernschläue es ja auch andeuten könnte, (Thomas Krüger, SPD: sodass dann doch alles beim Alten bleibt. 100 Prozent wären ausreichend.) (Thomas Krüger, SPD: Wo liegen die?) wird man teilweise mit unglaublich hanebüchenen Be- hauptungen aus den Reihen des Bauernverbandes kon- Ich sehe in diesem Greening eine Gefahr, dass hier ein frontiert, und ich halte es für ziemlich erschreckend, dass klassisches Greenwashing passiert. Das ist dazu geeig- die heute hier noch mal zu Gehör gebracht worden sind. net, das Image der Landwirtschaft aufzupeppen. Das Ich werde die auf keinen Fall zitieren, könnte tatsächlich gelingen. Aber ob wirklich sinnvolle Maßnahmen passieren? (Egbert Liskow, CDU: Warum nicht?) Ich rede jetzt nicht über die Agrarumweltmaßnahmen, denn hier wird vom Ruin der Landwirte bis zum Ausbruch Herr Krüger, sondern wir reden über das Greening, über einer Hungersnot ein Schreckensgebilde an die Wand die erste Säule. gemalt, das in keinem Bezug zu dem steht, was die EU gerade beschlossen hat. Allein wenn man bedenkt, dass (Thomas Krüger, SPD: Ja, aber innerhalb der EU jährlich 89 Millionen Tonnen Lebensmit- wo liegen die Schlupflöcher?) tel weggeworfen werden, ist es absolut zynisch zu be- haupten – so, wie es der Bauernverband tut, der hier Sehr gut gefällt mir daher die Forderung, ein begleiten- zitiert wurde –, durch die Ausweisung ökologischer Vor- des Landesforschungsprogramm zu etablieren. rangflächen müssten Menschen hungern. (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) In Wahrheit müssen beim Greening keine Flächen stillge- legt werden. Das wissen Sie auch, Herr Schütt. Und es Hier sehen wir große Potenziale für Mecklenburg-Vor- werden mit Sicherheit von den Betrieben nicht die hoch- pommern. produktiven Flächen als ökologische Vorrangflächen ausgewählt. Wer tut denn so etwas? Niemand wird das Wir warten auch immer noch auf das Kompetenzzentrum tun! für Eiweißpflanzen. Wird das nun in Groß Lüsewitz ange- siedelt oder nicht? Warum ist die Idee nicht schon in die Meine Befürchtung ist, und die wird von vielen Fachleu- Tat umgesetzt? ten geteilt: Das Ergebnis dieses Greenings wird in Meck- lenburg-Vorpommern einfach eine neue Bilanzierung des Wir hatten die große Freude, vor 14 Tagen bei unserer vorhandenen Zustands sein. Die positiven Auswirkungen Fachtagung unter dem Motto „Land in Sicht – Für eine auf Landwirtschaft und Anbau, Diversifizierung oder grüne Agrarwende in Mecklenburg-Vorpommern“ drei Artenvielfalt werden minimal, wenn überhaupt sichtbar herausragende Referate zum Thema „Artenvielfalt in sein. Die Ziele und Werte der Landwirtschaft dürfen aber Gefahr“ zu hören, die zunächst einmal alle Anwesenden nicht auf Gewinnmaximierung zusammenschrumpfen. sehr betroffen gemacht haben.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass allein in Deutsch- Wenn man sich den Wandel der Agrarlandschaft in den land über 5 Milliarden Euro Subventionen aus der EU in letzten 60 Jahren, wie Professor Succow das getan hat, die Landwirtschaft fließen, ist es doch nachvollziehbar, an einem realen Beispiel anschaut und sieht, welche dass man an die Ausschüttung dieses Geldes Bedingun- prägenden identitätsstiftenden Landschaftselemente gen knüpft. Die Landwirtschaft muss einen Beitrag zur verloren gegangen sind, wie ein Großteil der Feldvögel, Erhaltung der Artenvielfalt leisten, denn der Schutz der Wildkräuter, Bienen und Schmetterlinge verschwunden Biodiversität ist ein elementares Naturschutzziel, das sind, dann tut das weh. Das ließ keinen kalt. Hier einen 82 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Ausweg zu finden, ist für den einzelnen Landwirt, die und die sie einzuhalten haben, wenn sie die vollen Di- Landwirtin, seien sie auch noch so guten Willens, kaum rektzahlungsprämien in Anspruch nehmen wollen. zu schaffen. Umso ermutigender sind die Untersu- chungsergebnisse des WWF, der ja in Kooperation mit Richtig ist, meine Damen und Herren, dass die Landwirte dem Land Mecklenburg-Vorpommern in einer langfristig zumeist wenig begeistert davon sind, dass das Greening angelegten Studie Landwirte berät, wie mit ganz unter- eingeführt wird. Dennoch halte ich diesen Schritt für schiedlich hohem Aufwand Umwelt- und Naturschutzziele richtig und vernünftig. Meine Partei hat immer betont, im eigenen Betrieb verwirklicht werden können. Der je- dass wir ein Greening mit vernünftigen Rahmenbedin- weilige wirtschaftliche Aufwand wird dabei differenziert gungen begrüßen, also beispielsweise kein Stilllegen von ermittelt, sodass man auch eine klare Orientierung hat, Flächen, und dieses betone ich auch heute. Denn wenn und die Möglichkeiten eines finanziellen Ausgleichs wer- die Gesellschaft die finanziellen Mittel zur Verfügung den untersucht. Diese Ergebnisse machten uns alle sehr stellt, kann die Gesellschaft auch definieren, unter wel- viel Mut. che Bedingungen diese Mittel am Ende ausgereicht wer- den. Der Minister hat das auf die Kurzformel gebracht: Es wird aber auch deutlich, ohne eine wissenschaftliche „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“. Da stimme Begleitung, Herr Tack – und da sind wir ganz bei Ihnen –, ich dem Minister ausdrücklich zu. Um nichts anderes ist die Effizienz der Maßnahmen nur schwer einzu- handelt es sich hier. schätzen und daher auch nicht zu verbessern. Man kann sich ja an nichts orientieren. Eine unabhängige, an Die Flächenprämien der Landwirte hängen künftig zu den Zielen des Natur-, Umwelt- und Artenschutzes 30 Prozent davon ab, dass sie 5 Prozent der Ackerfläche orientierte Bewertung und Effizienzsteigerung der unter besonderen, das Klima und die Umwelt schonen- Greening-Maßnahmen sind aus unserer Sicht für die den Bedingungen bewirtschaften, dass das Grünland Erreichung dieser Ziele unerlässlich. Wir stimmen daher geschützt wird, die Fruchtfolgen eingehalten werden und Ihrem Antrag zu. – Vielen Dank. dass eine größere Vielfalt beim Anbau von Feldfrüchten erreicht wird. Die Fachleute sprechen hier von Anbau- (Beifall vonseiten den Fraktionen diversifizierung. DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und, Frau Dr. Karlowski, ich glaube, auch hier ist es Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. wichtig festzustellen, dass diese fünf Prozent der Acker- flächen vom Landwirt ausgewählt werden müssen. Sie Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Krüger von der hatten ja hier mal vorgeschlagen, dass die Umweltver- SPD-Fraktion. bände diese auswählen sollen. Das haben wir seinerzeit zurückgewiesen. Die Regelung, die hier gefunden wor- Thomas Krüger, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! den ist, ist, glaube ich, vernünftig. Meine Damen und Herren! Die ursprünglichen Pläne der EU besagten sogar, dass Sehr geehrte Frau Dr. Karlowski, man kann immer mehr sieben Prozent der Ackerfläche als ökologische Vorrang- fordern, natürlich. Und auch wir hätten uns an der einen flächen zu bewirtschaften sind. Davon ist man abgegan- oder anderen Stelle vielleicht noch andere Regeln vor- gen. Es gelten fünf Prozent. Abgezogen von den fünf stellen können, aber am Ende müssen Ökonomie und Prozent werden Landschaftselemente. Das können bei- Ökologie in Übereinstimmung gebracht werden. Da spielsweise Feldhecken, nicht bestellte Feld- und Uferstrei- stimmen Sie mir sicherlich zu. Und wenn wir zu Änderun- fen, einzelne Bäume, Baumreihen, Gräben und Sölle sein. gen kommen wollen, glaube ich, Ich habe bei mir im Wahlkreis mal nachgefragt, habe mit (Dr. Ursula Karlowski, einem Landwirt gesprochen: Wie groß ist denn der Anteil, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der da abgezogen werden muss? Der Landwirt sagte mir, Noch mal sieben Jahre warten, ja.) zwei bis drei Prozent in seinem Betrieb. Das ist natürlich von Landesteil zu Landesteil sehr unterschiedlich. Wenn ist ein schrittweises Vorgehen auch in Richtung Ökologi- ich aber diese zwei bis drei Prozent in Anschlag bringe, sierung sicherlich etwas Sinnvolles. sind es immer noch zwei bis drei Prozent der Anbauflä- che, die unter ökologischen Bedingungen bestellt wer- Meine Damen und Herren, in keinem anderen Politikbe- den. Und klar ist auch – Frau Dr. Karlowski, da haben Sie reich ist das Handeln der Europäischen Union so greifbar recht –, mit diesen zwei bis drei Prozent der Ackerfläche wie in der Landwirtschaftspolitik. Hier greifen der ge- wird hier kein Hunger ausbrechen. Das ist so, das muss meinsame Markt und gemeinsame Regeln ineinander. man auch so deutlich sagen. Hier können wesentliche Veränderungen gemeinsam auf einem einheitlichen Markt bestimmt werden. Zur Politik Leider, meine Damen und Herren, ist die Berechnung der der Europäischen Union gehört aber nicht nur, dass wir sogenannten ökologischen Vorrangflächen nicht ganz einen gemeinsamen Markt bedienen, zur Politik der EU leicht. Es gibt unterschiedliche Gewichtungen für einzel- gehören auch gemeinsame Sozial- und Umweltstan- ne Maßnahmen. So soll zum Beispiel ein Baum pauschal dards. Das ist mir sehr wichtig. mit 30 Quadratmetern, eine Hecke je laufendem Meter mit 10 Quadratmetern berechnet werden. Angerechnet Zu den Umweltstandards zählen die von Kommission, werden zudem der Anbau von Zwischenfrüchten, das ist Parlament und Rat gemeinsam definierten Greening- hier mehrfach genannt worden: Phacelia, Ölrettich, Lupi- Auflagen der Landwirtschaft. Mir ist auch wichtig, dass es ne, Klee – da gibt es die verschiedensten Sachen. Das nicht nur der Rat war, der das festgelegt hat, sondern begrüße ich ausdrücklich. Wir hatten ja im Landtag auch das Parlament war aktiver Teil bei der Festlegung dieser schon die Debatte zum Erosionsschutz des Bodens. Wir Bestimmungen. Es sind Regeln, die vom 01.01.2015 für haben hier ein ganz konkretes Beispiel, wie man Erosi- die Landwirte auch in Mecklenburg-Vorpommern gelten onsschutz des Bodens in der Praxis durchführen kann. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 83

Klar ist, meine Damen und Herren, der Zwischen- trag, meine Damen und Herren, und das hat seinen fruchtanbau ist nicht überall möglich. Er ist nur da mög- Grund, den will ich kurz erläutern: lich, wo wir eine Sommerung haben, also da, wo kein Wintergetreide angebaut wird, vor allem da, wo wir bei- Der Minister hat gerade gesagt, er hat den Bundesminis- spielsweise Futtererbsen, wo wir Rüben, wo wir Kartof- ter angerufen. Ich bin Landtagsabgeordneter, ich habe feln anbauen wollen. Insbesondere bei letztgenannten bei der Bundestagsfraktion angerufen und habe mal Kulturen liegt der Boden lange unbedeckt, es sei denn, nachgefragt: Was ist denn überhaupt geplant? Hier hat wir bekommen eine Mulchsaat mit abgefrorenen Zwi- man mir gesagt, dass eine wissenschaftliche Begleitung schenfrüchten hin. Mit den jetzt gefundenen Regeln wird von der Bundesregierung geplant ist, dass das bereits in das sicherlich öfter der Fall sein. Auftrag gegeben worden ist und dass das Thünen-Institut diesen Auftrag hat, wissenschaftlich zu begleiten und zu Ziel des Zwischenfruchtanbaus sind die Verhinderung evaluieren. Und eins sage ich noch dazu: Wir werden ja von Wind- und Wassererosionen, aber beispielsweise eine Halbzeitbewertung machen müssen und eine Halb- auch die natürliche Stickstoffeinlagerung und die natürli- zeitbewertung wird man nur machen können, indem man che Phosphormobilisierung im Boden. Zudem können hier eine entsprechende Evaluierung hat. Zwischenfrüchte wertvolle Nektarspender für Bienen, Hummeln und andere Hautflügler sein. Sie können damit Das zweite Anliegen der LINKEN ist, ein Landesfor- auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Biodiver- schungsprogramm zu etablieren, das aus meiner Sicht sität auf den Ackerstandorten leisten. Sie sind wichtige das gleiche Anliegen hat, wie das, was bundesweit an politische Ziele, zu denen sich meine Fraktion hier aus- wissenschaftlicher Begleitung erfolgt. Vor dem Hinter- drücklich bekennt. Und, meine Damen und Herren, grund der knappen Kapazitäten, die die Landesforschung schauen Sie sich vielleicht mal Zwischenfrüchte auf leider – ich sage ausdrücklich, leider – hat, haben wir es Google an, suchen Sie sich die Bilder mal raus! Futter- nicht für zielführend empfunden, hier ein eigenes Lan- erbsen, Lupine, Luzerne – Sie werden feststellen, das desprogramm zu etablieren, das dann parallel zum Bun- sind alles blühende Pflanzen, die hochwirksam und wich- desprogramm und parallel zur begleitenden Forschung tig sind für diese Hautflügler, die ich hier benannt habe. der EU arbeitet. Wir wollen sehr genau abwägen, was wir in der Landesforschung machen und was andere für uns Die Debatte im Agrarausschuss und auch die Debatte machen können. Die Mittel werden mit so einem Be- hier im Landtag zum Anbau der Leguminosen haben schluss nicht mehr werden, sondern wir würden die Mittel gezeigt, dass wir uns im Ziel der Ausweitung der Anbau- hier in einer Parallelforschung einsetzen. Vor diesem fläche für diese ökologisch wertvollen Kulturen einig sind. Hintergrund werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Besten Ein wichtiger Teil der Greening-Maßnahmen ist auch der Dank. Schutz des Grünlandes, das hat der Minister ausgeführt. Wir sind da Vorreiter, wir haben hier in Mecklenburg- (Beifall vonseiten der Fraktionen Vorpommern ein Grünlandumbruchverbot per Gesetz der SPD und CDU) erlassen. Die EU zieht jetzt nach, insofern, glaube ich, waren wir hier von vornherein auf dem richtigen Weg. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wird Das Wort hat jetzt noch mal der Abgeordnete Professor es Sie nicht verwundern, dass ich das, was an Regeln Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE. zum Greening festgesetzt wurde, generell begrüße. Wichtig ist für die Landwirte gewesen, dass sie schnell Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsiden- Klarheit haben über die Bedingungen, die für sie gelten, tin! Meine Damen und Herren! Meine Freude über die denn das Wirtschaftsjahr wird bereits vor der Ernte ge- Ablehnung hält sich natürlich in Grenzen, plant, und die Getreideernte, meine Damen und Herren, die beginnt in diesen Tagen. Die Aussaat bei vielen Zwi- (Thomas Krüger, SPD: Verständlich!) schenfrüchten muss bis 20.08. abgeschlossen sein, also in sechs bis sieben Wochen. das ist völlig klar. Aber eins ist in den bisherigen Beiträ- gen klar geworden, dass wir hier vor neuen Herausforde- Meine Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich ge- rungen stehen – das haben alle auch so begründet – und worden, dass die Regeln, mit denen wir es hier zu tun dass wir dringend eine wissenschaftliche Begleitung haben, komplex und zum Teil, muss man sagen, auch brauchen. kompliziert sind. Vor diesem Hintergrund ist eine wissen- schaftliche Begleitung durchaus wichtig und auch ein Ziel Was mich freut, ist die Äußerung, die der Minister hier meiner Fraktion. Meine erste Reaktion auf den Antrag der vorgetragen hat, dass es seitens des Thünen-Institutes LINKEN war dann auch, dass ich mit einem Änderungsan- eine koordinierte wissenschaftliche Begleitung des Gree- trag kommen wollte, mit dem Ziel, in Punkt II.1, … nings geben wird. Das kann auch gar nicht anders sein, wenn wir 2017 bereits eine Evaluierung vornehmen und (Peter Ritter, DIE LINKE: Das hat Vorschläge dafür unterbreiten müssen, wie es weiterge- man Ihnen aber schnell ausgeredet.) hen soll. Denn es ist ja auch festgelegt worden, so weiß ich das zumindest, dass es möglicherweise nicht bei den Ja, das werden wir gleich feststellen, warum. fünf Prozent bleiben soll,

… mit dem Ziel, in II.1 eine Änderung zu erwirken, näm- (Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ lich die Herausnahme des Starttermins. Der Starttermin DIE GRÜNEN: Ja, genau, ist so.) sollte ja noch in diesem Jahr sein. Da wir bis 20.08. die Zwischenfruchtbestellung haben, wird es kaum noch sondern dass die sieben Prozent auch weiter im Ge- möglich sein, dieses Jahr das Ganze noch so umfassend spräch sind. Zur Vorbereitung neuer Festlegungen bedarf zu begleiten. Sie sehen hier aber keinen Änderungsan- es also der wissenschaftlichen Begleitung, da unter- 84 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 scheiden wir uns in den Darlegungen hier überhaupt die Einbußen aus den 5 Prozent auszugleichen? Be- nicht. kommen wir dann eventuell die abstruse Situation, die ich schon beim Antrag „Glyphosateinsatz beschränken“ Ich habe mit dem eigenen Forschungsprogramm vor beschrieben habe, dass bodenschonende Verfahrens- allen Dingen darauf abgezielt, dass die spezifischen weisen einen erhöhten Glyphosateinsatz nach sich zie- Dinge, die in anderen Ländern keine Rolle spielen, ganz hen? Dann wäre das falsch. Eine weitere Frage ist: besonders bei uns bearbeitet werden müssen, dass wir Kommt es tatsächlich zum Abbau von Arbeitsplätzen, wie also einen Anteil einbringen können. Gespräche mit in den düsteren Prognosen des Bauernverbandes Nord- unserer Landesforschung haben gezeigt, dass wir eigent- westmecklenburg geschildert? lich schon an einigen Dingen dran sind, die wir in diese Sache einbringen. Es wird also um ein koordiniertes Um diese Fragen und viele andere zu beantworten, Vorgehen gehen müssen. brauchen wir im Landesinteresse die beantragte wissen- schaftliche Begleitung und Evaluierung. Ich sehe keinen Mit dem verpflichtenden Greening in der ersten Säule Widerspruch darin, dass der Bund sich dafür engagiert. wird von jedem Landwirt künftig ein höherer Beitrag für In unserem Antrag steht ausdrücklich, dass eine wichtige Umwelt und Natur abverlangt. Da habe ich gesagt, be- Aufgabe durch den Bund zu leisten ist. Wir müssen aber ginnend mit fünf Prozent und ab 2017 vielleicht mit sie- unseren Anteil mit den vorhandenen Kapazitäten dazu ben Prozent der Maßnahmen. Das ist diese große neue leisten, und das können wir ganz sicher auch. Herausforderung, die wir haben. Diese Maßnahmen kommen in den konventionell arbeitenden Betrieben zu Ich will noch ein paar Gedanken sagen: Eine Wirkung des den jetzt und künftig angebotenen Agrarumweltmaßnah- Greenings können wir allerdings schon jetzt sagen, ohne men hinzu. Auch das müssen wir ganz klar noch einmal dass die wissenschaftliche Begleitung das beurteilt. Das zum Ausdruck bringen, dass das nicht entweder oder ist, ist der Aufwand, der dazukommt. Welche Möglichkeiten sondern es gehört beides dazu. und Kapazitäten sollten wir, wie im Antrag beschrieben, auf solche Prozesse richten wie beispielsweise die Anbau- Das heißt, die landwirtschaftliche Nutzfläche, die in unse- diversifizierung? Oder wir müssen uns in jedem Fall dafür rem Land unter erweiterten ökologischen Aspekten be- einsetzen, dass diese Frage durch das koordinierende wirtschaftet wird, nimmt damit zwangsläufig zu, und das Institut, das Thünen-Institut unterstützt wird. ist gut so. Das ist eine Seite dessen, was ich als Schritt in die richtige Richtung in der Einbringungsrede bezeichnet Die ökologischen Vorrangflächen sind die nächste wich- habe. Die andere Seite dieser Medaille ist, dass diese tige Komponente des Greenings. Wer über 30 Hektar ökologischen Vorrangflächen, wenn auch nur einge- Anbaufläche bewirtschaftet, auch darauf muss man noch schränkt, wirtschaftlich nutzbar bleiben müssen. Auch mal hinweisen, muss nun drei Kulturen in der Fruchtfolge dazu sind hier Beispiele genannt worden. Ich halte das nachweisen. Dieses Greening-Ziel, meine Damen und grundsätzlich für eine günstige Entscheidung, denn ohne Herren, stellt vor allem kleinere Betriebe vor Probleme. wirtschaftliches Arbeiten in der Landwirtschaft ist unsere Das sind vor allem die kleinen Milchviehbetriebe, die sich gepflegte Kulturlandschaft ebenso undenkbar wie eine meist stark auf die Futterbasis stützen. Auch hier muss flächendeckende Landbewirtschaftung. begleitet werden und es muss ein Lösungsansatz, eine Hilfestellung durch wissenschaftliche Lösungen gewähr- Ich kann noch mal daran erinnern, dass ich in meiner leistet werden. Einbringungsrede gesagt habe, der Kern des Greenings ist die Ausweisung der Vorrangflächen. Hier ist vor allen Ich glaube jedenfalls, dass wir außerordentlich viel in der Dingen zu bewerten, ob das Ziel, und das bis 2017, ob wissenschaftlichen Begleitung in Vorbereitung auf die das Ziel, was man sich seitens der europäischen Gremi- Evaluierung zu tun haben, und deswegen appelliere ich en gestellt hat, auch erfüllt wird. Wenn es nicht erfüllt noch einmal an Sie, diesem Antrag auf wissenschaftliche wird, müssen wir mit der Halbzeitbewertung zu anderen Begleitung des Greenings zuzustimmen. – Danke schön. Festlegungen kommen. Wir können dann nicht daran festhalten, und darum ist eine wissenschaftliche Beglei- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) tung unbedingt notwendig. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Tack. Und dann geht es – auch das ist eine neue Herausforde- rung – darum: Sind diese Maßnahmen wirksam? Ist es Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlie- mit der Forderung der Fruchtfolge mit unterschiedlichen ße die Aussprache. Anteilen, 75 Prozent der einen Frucht, 20 Prozent der zweiten und 5 Prozent der dritten getan? Können wir Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- damit etwas erreichen? Welche Beiträge werden für die tion DIE LINKE auf Drucksache 6/3058. Wer dem zuzu- Verbesserung der Biodiversität durch welche Maßnah- stimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzei- men zu erreichen sein? Welche Maßnahmen haben chen. – Die Gegenprobe. – Danke. Und die Stimmenthal- außer dem bürokratischen Aufwand keine Effekte und tungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE gehören abgeschafft? Auch das müssen wir sagen. Da- auf Drucksache 6/3058 abgelehnt, bei Zustimmung der rauf ist Staatssekretär Kloos besonders eingegangen auf Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem „Agrarpolitischen Tag“. Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU und keinen Stimmenthaltungen. Denn eines ist sicher, da brauchen wir keine wissen- schaftliche Begleitung mehr zu machen: Wir werden am Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischen den Anfang jetzt erst einmal mehr bürokratischen Aufwand Fraktionen besteht Einvernehmen, den Tagesordnungs- haben. Ob sich das lohnt, auch das muss bewertet wer- punkt 28 heute nach dem Tagesordnungspunkt 32 aufzu- den. Kommt es zu den prophezeiten Intensivierungs- rufen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist schüben über die restlichen 95 Prozent des Ackers, um das so beschlossen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 85

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 25: Die Sicherheitsanforderungen und technische Vorschriften Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE für den Flugbetrieb festgelegt. Davon sind auch die Lan- GRÜNEN – Luftrettung im Land stärken – Einsatzfähig- deplätze der Rettungshubschrauber an den Krankenhäu- keit der Rettungshubschrauber erhalten und ausbauen, sern betroffen. Die Verordnung sieht unter anderem vor, die vorliegende Drucksache 6/3065. dass ausreichend Platz um die Landeplätze zur Verfü- gung stehen muss, damit die Hubschrauber in einem Antrag der Fraktion bestimmten Anflugwinkel anfliegen können. Davon sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht nur Notfalleinsätze betroffen, sondern eben auch Luftrettung im Land stärken – die Transporte von Intensivpatienten zwischen verschie- Einsatzfähigkeit der Rettungshub- denen Kliniken, wie sie etwa vom genannten Intensiv- schrauber erhalten und ausbauen transporthubschrauber „Christoph Rostock“ durchgeführt – Drucksache 6/3065 – werden. In der Folge müssen die Kliniken also Investitio- nen an ihren Landeplätzen vornehmen, die nicht alle Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Häuser ohne Weiteres aufbringen können. Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Laut einer Information des Sozialministeriums liegen Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr derzeit zwei Fördermittelanträge in Höhe von insgesamt geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsiden- 500.000 Euro für die Ertüchtigung von Landeplätzen vor. tin! Wir möchten das anstehende Rettungsdienstgesetz, Die Landesregierung ist unserer Meinung nach dringend also die Novellierung, in gewisser Weise aufbereiten, aufgefordert, die Mittel für die notwendige Ertüchtigung vorziehen, indem wir einige Punkte aus diesem neuen der Landeplätze bereitzustellen, damit keine Abstriche Rettungsdienstgesetz herausziehen und im Vorfeld de- bei der Versorgung mit Landeplätzen im Land gemacht battieren. Das heißt jetzt nicht, dass sozusagen der vor- werden müssen. Das bestehende hohe Niveau muss liegende Antrag der einzige Punkt ist, der uns zum The- erhalten bleiben. Gleichwohl wollen wir die Krankenkas- ma „Novellierung des Rettungsdienstgesetzes“ einfällt, sen als Kostenträger der Luftrettung in die Pflicht neh- sondern ganz im Gegenteil: Wir halten dieses Gesetz für men. Diese Reihenfolge in der Finanzierungsverantwor- so wichtig, dass wir vorgelagert Diskussionen hier im tung, erst Krankenkassen, dann Land, berücksichtigt Landtag führen wollen. Wir haben uns heute mit den auch der vorliegende Antrag. Rettungshubschraubern beschäftigt oder wollen uns damit beschäftigen aus dem einfachen Grund, weil es Außerdem soll das Land mehr Verantwortung bei der hierzu aktuelle Entwicklungen gibt. Luftrettung auf See übernehmen. In Erinnerung ist vielen Menschen sicherlich noch der effektvolle Auftritt der Die Luftrettung ist heute in Mecklenburg-Vorpommern damaligen Sozialministerin . kaum noch aus der Rettungskette wegzudenken. Mit den in Greifswald, Güstrow und Neustrelitz stationierten Ret- (Vincent Kokert, CDU: Die hat doch tungshubschraubern sowie dem Intensivtransporthub- immer so im Verborgenen gearbeitet, schrauber in Rostock können Ärzte, Sanitäter und Pati- die hat man gar nicht gemerkt.) enten schnell verlegt oder eben Unfallopfer direkt in spe- zialisierte Kliniken transportiert werden. Na ja.

Wir GRÜNE wollen heute mit dem vorliegenden Antrag Frau Schwesig ließ sich im Rahmen einer Übung auf die Luftrettung in Mecklenburg-Vorpommern weiter stär- der Ostsee retten, natürlich nur im Rahmen einer Übung. ken, denn die Luftrettung wird in unserem dünn besiedel- Ein Rettungsschwimmer, der zuvor von einem Rettungs- ten Land der weiten Strecken eine immer größere Be- hubschrauber abgesprungen war, zog die medienwirk- deutung gewinnen. Zudem wird die Verlegung von Pati- sam in der Ostsee treibende Schwesig in eine Überle- enten in Zukunft zunehmen, da die Spezialisierung der bensinsel. Kliniken mit dem Fortschritt der Medizin natürlich auch weiter fortschreiten wird. (Vincent Kokert, CDU: Super.)

Die Luftrettung steht zurzeit allerdings vor besonderen Dort warteten die beiden darauf, dass sie von einem Herausforderungen. Einerseits müssen die Landeplätze Schiff aufgenommen wurden. Was in der Zwischenzeit für Hubschrauber einer neuen EU-Verordnung entspre- passierte, ist nicht überliefert. chen. Nicht alle Landeplätze im Land vor Kliniken ent- sprechen dieser Verordnung und einige könnten sogar (Vincent Kokert, CDU: Na, den Punkt vor der Schließung stehen. Andererseits besteht noch muss man erst mal aufbrechen.) immer eine Regelungslücke im Rettungsdienstgesetz, wegen der das Land keine Verantwortung für die Luftret- Zwei glückliche Umstände hatte die damalige Sozialmi- tung über See übernehmen will. Und genau deswegen nisterin auf ihrer Seite: Erstens war das Rettungsschiff thematisieren wir das heute, weil wir möchten, dass be- die ganze Zeit in direkter Nähe. Zweitens fand die Übung reits im Novellierungsprozess des Rettungsdienstgeset- nicht weit von der Küste entfernt statt. zes dieser Aspekt aufgenommen wird. Beiden Heraus- forderungen wollen wir, wie gesagt, mit dem vorliegen- (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: den Antrag begegnen. Da konnte sie noch stehen, oder was?) Zunächst zur EU-Verordnung: Diese wurde bereits im Oktober 2012 durch die EU-Kommission verabschiedet. Beide Umstände trugen dazu bei, dass Frau Schwesig Nachdem die Anwendung in Deutschland aufgeschoben noch weitere Termine an dem Tag wahrnehmen konnte. wurde, ist die Verordnung nun allerdings ab Oktober In einer echten Notsituation wäre sie möglicherweise erst auch hier bindend. Mit der Verordnung werden neue nach einigen Stunden gerettet worden, 86 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Zuruf von Jürgen Suhr, Zwischenzeitlich hat das Sozialministerium mir auf eine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kleine Anfrage geantwortet, hat auch noch mal eine Stellungnahme des ADAC eingeholt und diese Kosten denn Schiffe sind bekanntlich nicht die schnellsten Ret- nicht bestätigt, aber zumindest aufgeführt in meiner Klei- tungsmittel. Schon damals war also allen Beteiligten klar, nen Anfrage. Das Ministerium kommt auf ungefähr dass diese Übung nicht den schnellsten Rettungsweg 450.000 Euro Einmalkosten und hat dann noch aufge- nachstellte. Schneller geht es natürlich, wenn der Ret- führt, dass natürlich für das Training und für den laufen- tungshubschrauber nicht nur einen Rettungsschwimmer den Betrieb der Winde auch entsprechende Kosten zu absetzt, sondern mit einer Rettungswinde die verunglück- veranschlagen wären. te Person direkt aufnimmt und zu einer Klinik fliegt. Die therapiefreie Zeit könnte so enorm verkürzt werden. Momentan beruft sich die Landesregierung aber auf eine unklare gesetzliche Regelung, die jetzt im Zuge der No- Der Mediencoup der damaligen Sozialministerin war also vellierung des Rettungsdienstgesetzes behoben werden trotz eindrücklicher Bilder auch gleichzeitig ein Tritt ins könnte. Während das Land nämlich nach aktueller Ge- Fettnäpfchen, denn der eingesetzte Hubschrauber, der setzeslage der Träger der öffentlichen Luftrettung ist, „Christoph 47“ aus Greifswald, hatte keine Seilwinde zur sind die Landkreise und kreisfreien Städte Träger des schnellen Rettung, übrigen öffentlichen Rettungsdienstes einschließlich der Wasserrettung an Stränden und Binnengewässern je- (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU) weils für ihr Gebiet. Das finden Sie in dem Paragrafen 6 des aktuellen Rettungsdienstgesetzes Mecklenburg-Vor- weil das Land sich um eine größere Verantwortung für pommern. die Luftrettung auf See drückt. Der Rettungshubschrau- ber besitzt auch kein Wetterradar und kann nur zehn Die Luftrettung über Wasser beziehungsweise See ist Minuten auf offener See fliegen. nicht explizit geregelt. Deshalb sollten wir mit der anste- henden Novellierung des Rettungsdienstgesetzes die Meine Damen und Herren, die Lücke bei der Rettung auf Chance nutzen, hier für Klarheit zu sorgen. Es ist jetzt eine See sollte der tragisch verunglückte Hubschrauber ganz eigenartige Situation: Da steht drin, das Land ist für „Christoph Offshore 2“ auf Rügen übernehmen. Dieser die Luftrettung zuständig. Dann kommt die DRF auf das war vom Energiekonzern EnBW und vom Netzbetreiber Land zu und sagt, wir hätten gerne eine Rettungswinde, 50Hertz finanziert und von der DRF betrieben worden. kostet 450.000 Euro. Darauf sagt das Land, wir sind nicht So tragisch das Unglück ist, so schnell müssen wir als zuständig, da sind die Landkreise zuständig, weil die für Land jetzt Verantwortung übernehmen und einen Ersatz die Wasserrettung zuständig sind. Dann sagen die Land- organisieren, kreise und kreisfreien Städte: Ja, entschuldigen Sie, für die Luftrettung ist das Land zuständig. – Es ist nicht klar gere- (Minister Harry Glawe: Ist doch gelt in der momentanen Gesetzeslage. schon da. Ist doch schon da.) Meine Damen und Herren, Sie warten sicherlich schon denn momentan gibt es eine Lücke in der Rettungskette darauf, wann ich denn nun endlich den Bogen zu den auf offener See, Polizeihubschraubern hinbekomme.

(Minister Harry Glawe: Es gibt doch (Zurufe vonseiten der Fraktion der CDU: Jawoll! – schon einen neuen Hubschrauber. Heinz Müller, SPD: Das wär doch mal was. – Haben Sie das nicht mitgekriegt?) Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich finde das nicht so lächerlich. Das ist doch eine ernste wenn das Land und die Kommunen nicht auf die Hilfe des Angelegenheit hier. Genau.) Bundes zurückgreifen wollen. Natürlich kommen die Bun- despolizei oder die Bundeswehr und helfen im Notfall, aber Das möchte ich aber nicht, es gibt in der Tat – und das bemängelt auch die DRF – eine Lücke, und zwar auf See, und ich glaube, diese Lücke (Unruhe vonseiten der Fraktionen steht uns als Küstenland nicht besonders gut. der SPD und CDU)

(Andreas Butzki, SPD: Wir haben denn es geht uns heute um die wichtige Angelegenheit die Polizeihubschrauber noch.) der Luftrettung. Gerade vor dem Hintergrund des demo- grafischen Wandels sind hier wirklich auch Potenziale Eine Möglichkeit wäre nun, die entsprechende Ausrüs- vorhanden. tung des „Christoph 47“ in Greifswald vorzunehmen. Die Diskussion darum ist schon lange im Land bekannt, um- (Zuruf von Heinz Müller, SPD) so erstaunlicher ist es allerdings, dass bisher noch nichts zur Verbesserung der Situation geschehen ist. Hierzu fördert gerade das Bundesforschungsministerium das Projekt „PrimAIR“, in dessen Rahmen ein Konzept Bereits vor drei Jahren stand im „Hamburger Abendblatt“ zur primären Luftrettung in strukturschwachen Gebieten ein entsprechender Artikel, der sich genau mit diesem untersucht und erstellt wird. Ich gehe darauf gerne auch Thema beschäftigt hat, der ziemlich klar und deutlich und in der Aussprache nochmals ein. auch mit entsprechenden Zahlen dargelegt hat, was eine solche Ausrüstung kosten würde. Die Kosten für eine (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh nein!) Seilwinde belaufen sich auf etwa 400.000 Euro für die Anschaffung sowie auf jährliche Trainingskosten in Höhe Meine Damen und Herren, in Zeiten von enormen Steu- von 50.000 Euro. Diese Zahlen habe ich aus dem besag- ereinnahmen und Haushaltsüberschüssen kann das In- ten Artikel des „Hamburger Abendblattes“. nenministerium gerne – und jetzt hören Sie genau zu! –, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 87 gerne weiter seine Polizeihubschrauber betreiben und Das machen wir heute ja auch. ausstatten, Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Wir schießen als (Vincent Kokert, CDU: Wirklich?!) Land jährlich 1 Million Euro in den Flughafen Rostock- Laage, aber ein Hinweis sei mir diesbezüglich doch erlaubt: Beide Polizeihubschrauber haben Seilwinden, die kaum (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jaja.) benutzt werden. Da will ich jetzt auch keine Neiddebatte lostreten. der vor allem dazu genutzt wird, den Touristenexport im Land zu unterstützen. (Vincent Kokert, CDU: Natürlich nicht.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie haben Wenn aber schon die Polizeihubschrauber solche Tech- Redefin noch vergessen. Redefin auch noch!) nik vom Land bezahlt bekommen, dann muss auch das Geld dafür da sein, die Rettungshubschrauber im Land Wir schießen also in einen Mallorca-Flughafen 1 Million Euro, mit der entsprechenden Technik auszustatten. Ich will nicht, dass die Seilwinden von dem einen Hubschrauber (Dr. Norbert Nieszery, SPD: abgeschraubt und an den anderen angeschraubt werden. Ja genau. Und Redefin.)

(Unruhe und Heiterkeit haben aber angeblich kein Geld für die Ertüchtigung der vonseiten der Fraktion der SPD) Landeplätze vor den Kliniken. Meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen! Wir haben das Geld und Wie gesagt, es geht mir nicht um eine Neiddebatte, ich sollten jetzt etwas für die Stärkung der Luftrettung tun. möchte nur, dass das Land die Verantwortung für die Ausstattung der Rettungshubschrauber mit der gleichen (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hingabe übernimmt, wie es das bei den Polizeihub- Gott sei Dank räumt die Sozialministerin schraubern bisher gemacht hat. gleich damit auf, mit dem Unfug.)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ein Ja, warten wir doch mal ab. Ich bin auch sehr gespannt. bisschen hart an der Grenze, finde ich.) Ich rufe Sie daher dazu auf, Ich denke, das ist ein sehr legitimer Wunsch. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee, Das ist schon zu spät jetzt.) das ist wirklich hart an der Grenze.) die richtigen Prioritäten zu setzen und Ihr Handeln auch Gestatten Sie mir noch einen Hinweis, Herr Dr. Nieszery. danach auszurichten. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf- merksamkeit. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) (Beifall vonseiten der Fraktion Ich finde es momentan hart an der Grenze, dass wir über BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jahre eine Lücke bei der Rettung über See haben. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Saalfeld. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so? Und deswegen sind unzählige Menschen Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer verstorben, oder? Ist das so?) von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich Welcher Hubschrauber … eröffne die Aussprache.

Ich finde, das ist nicht gut für ein Küstenland. Ums Wort gebeten hat die Ministerin für Arbeit, Gleich- stellung und Soziales Frau Hesse. Bitte. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das so? Können Sie nachweisen, Ministerin Birgit Hesse: Sehr geehrte Frau Präsidentin! dass irgendwann dadurch ein Mensch Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich be- zu Schaden gekommen ist?) grüße es natürlich außerordentlich, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dem vorliegenden Antrag Es gibt momentan eine Gesetzeslücke, auf die die Ret- feststellt, dass die Luftrettung einen wichtigen Beitrag tungsdienste hinweisen. Ich glaube, das sollten wir nicht zum Rettungswesen leistet und in Mecklenburg-Vorpom- einfach vom Tisch wischen, mern gut organisiert ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr schön.) Ja, ist alles gut.) Auch freue ich mich sehr darüber, dass die Fraktion sondern mit dieser Lücke sollten wir uns intensiv be- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits ein positives Signal schäftigen. in Richtung Rettungsdienstgesetz ausgesendet hat. Wenn allerdings jetzt im Weiteren ausgeführt und speku- (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Machen Sie! Ja, liert wird, dass aufgrund erhöhter europäischer Sicher- machen Sie! Sie sind der Lückenspringer hier. – heitsanforderungen an die Hubschrauberlandeplätze an Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU) Kliniken deren Schließung droht und insbesondere der 88 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 in Greifswald stationierte Rettungshubschrauber „Chris- mefall küstennahe Rettungsunterstützung, also für die in toph 47“ mit einer Rettungswinde für eine effektive Luft- bis zu zehn Sichtflugminuten erreichbaren Ziele, kann rettung auf See auszustatten sei, kann ich dem aus fach- „Christoph 47“ im Bedarfsfall mit einer Rettungsinsel und lichen Gründen nicht folgen. einem Rettungsschwimmer ausgestattet werden und unterstützt damit die Erste Hilfe bis zum Eintreffen eines (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja. – Seenotkreuzers oder eines seetauglichen SAR-Hub- Tilo Gundlack, SPD: Das war bei den schraubers. Zudem steht der entsprechend ausgerüstete Polizeihubschraubern auch schon so.) Hubschrauber „Christoph 34“ für Einsätze über Binnen- gewässern zur Verfügung, wodurch eine bedarfsgerech- Zunächst zur Luftrettung über See: Die Verantwortung tere Versorgung sichergestellt werden kann. für die Rettung auf See hat nach dem Seeaufgabenge- setz der Bund. Punkt! Diese Aufgabe wird von der Deut- Nun zu Ihrem zweiten Punkt, die Ertüchtigung der Hub- schen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und dem schrauberlandeplätze: SAR-Dienst der Bundesmarine wahrgenommen. Eine Regelungslücke gibt es dort nicht. Diese beiden Organi- (Andreas Butzki, SPD: Da hättet ihr euch sationen sind für die Rettung auf See hervorragend aus- vorher mal informieren sollen, was?) gestattet. Sie arbeiten über das Havariekommando in Cuxhaven als gemeinsame Einrichtung des Bundes und Die von Ihnen angesprochene und bis Ende Oktober des der Küstenländer im Offshorebereich mit den Rettungs- Jahres umzusetzende EU-Verordnung sieht höhere Anfor- diensten der Länder zusammen. Die Luftrettung über derungen an Zulassungsstandards für Hubschrauberlan- See ist deshalb auch nicht im Rettungsdienstgesetz des deplätze hinsichtlich bestimmter technischer Vorschriften Landes Mecklenburg-Vorpommern geregelt. und Verwaltungsverfahren für den Flugbetrieb vor. Die im Antrag beschriebene luftverkehrsrechtliche Problematik Unser Landesgesetz regelt wie in den anderen Ländern betrifft aber vor allem die alten Bundesländer mit ihren die Rettung über Land. Sie reicht in Mecklenburg-Vor- hoch verdichteten Ballungsräumen und weniger Mecklen- pommern grundsätzlich bis an den Strand beziehungs- burg-Vorpommern mit unseren häufig neu angelegten weise das Ufer der Küstengewässer und der Binnen- Landeplätzen. Die Landeskrankenhausgesellschaft hat seen. Die Hilfsfrist von zehn Minuten gilt daher nicht für meinem Haus ebenfalls auf Nachfrage versichert, dass ihr Gewässer. Das ist wegen der Seltenheit und der Rah- von den Kliniken keine entsprechenden Problemlagen menbedingungen derartiger Rettungsfälle auch absolut angezeigt worden seien. vertretbar, denn auf etwa 1.000 Rettungsfälle an Land – und das entspricht dem Jahresdurchschnitt eines unserer (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so? Woher drei Rettungshubschrauber – fällt nur einer auf dem hat denn Herr Saalfeld seine Informationen?) Wasser an. Von zehn Fällen auf dem Wasser würde erfahrungsgemäß nur in zwei bis drei Fällen eine Seil- Derzeit sind 19 Hubschrauberlandeplätze an Kranken- winde an einem Rettungshubschrauber einer effiziente- häusern genehmigt. ren Ersten Hilfe dienen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mir ist bekannt, dass einzelne Funktionsträger sich wün- Allgemeine Verunsicherung.) schen, dass Rettungshubschrauber wie „Christoph 47“ noch umfassender ausgestattet werden, als sie ohnehin Diese Genehmigungen wurden unbefristet erteilt und blei- schon sind. Man muss dabei aber sehen, durch eine ben von der neuen EU-Verordnung aus dem Jahr 2012 Seilwinde werden Gewicht und Flugeigenschaften gera- unberührt. de eines leichten Rettungshubschraubers ungünstig beeinflusst. Ein vermehrter Einsatz eines entsprechend (Zuruf von Minister Harry Glawe) ausgestatteten Rettungshubschraubers über See würde übrigens dazu führen, dass er für sein Haupteinsatzge- Davon befinden sich derzeit acht Landeplätze in unter- biet über Land aus tatsächlichen wie rechtlichen Gründen schiedlichen Anpassungsverfahren an die Allgemeine nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Ich glaube, Verwaltungsvorschrift zur Genehmigung der Anlage und das kann keiner von uns ernsthaft wollen. des Betriebs von Hubschrauberflugplätzen aus dem Jahr 2005. Die Jahresangaben 2005 und 2012 zeigen, (Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – dass den Krankenhäusern bundesweit ein mehrjähriger Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.) Anpassungszeitraum zur Ertüchtigung ihrer Landeplätze zur Verfügung stand. Die Verordnung ist für unsere Ich finde es besonders bezeichnend, dass vor diesem Krankenhäuser jedenfalls nichts Neues und auch keine Hintergrund die Deutsche Rettungsflugwacht als Betrei- überraschende Entwicklung. ber von „Christoph 47“ auch bisher keinen Antrag auf Förderung einer Winde für ihren in Greifswald stationier- Aktuell liegen dem Sozialministerium dazu von zwei Kran- ten Hubschrauber an mein Ministerium gestellt und auf kenhäusern – nämlich Bad Doberan und Karlsburg – För- Nachfrage mitgeteilt hat, dass eine Nutzung des Hub- deranträge vor, die zeitnah abgearbeitet werden. Das ist schraubers für Windeneinsätze über offener See nicht normales Verwaltungshandeln, zu dem wir nicht gesondert möglich sei. aufgefordert werden müssen, sondern das wir tun. Dar- über hinaus stehen den Kliniken pauschale Fördermittel (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber das macht zur Verfügung, die auch für kleinere Investitionen an Hub- Herr Saalfeld mit seiner unendlichen Weisheit.) schrauberlandeplätzen von bis zu 100.000 Euro genutzt werden können. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehe ich Eine Winde wird auch für den in Neustrelitz stationierten daher davon aus, dass die Rettungshubschrauber auch Hubschrauber „Christoph 48“ oder den in Güstrow statio- zukünftig die Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern anflie- nierten „Christoph 34“ nicht benötigt. Für die im Ausnah- gen können. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 89

Abschließend gestatten Sie mir noch eine kurze Bemer- rungsvolle Arbeit. Die Teams sind teilweise rund um die kung: Für den Hubschrauber in Güttin, da ist mittlerweile Uhr und an 365 Tagen im Einsatz. bereits ein Ersatz eingetroffen. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, (Minister Harry Glawe: Sehr richtig. DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr gut, Frau Ministerin.) Ich finde, das zu würdigen, dafür muss die Zeit sein, und Vielen herzlichen Dank. es ist uns ein Herzensanliegen.

(Beifall vonseiten Die Luftrettung in Mecklenburg-Vorpommern ist gut or- der Fraktionen der SPD und CDU – ganisiert, Herr Kokert. Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) (Vincent Kokert, CDU: Genau.) Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Frau Hesse. Das sagt auch der vorliegende Antrag. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lindner von der CDU-Fraktion. (Vincent Kokert, CDU: Sehr gut.)

(Vincent Kokert, CDU: Er zieht zurück. Er will die Luftrettung im Land stärken und fordert des- Wir ziehen unseren Redebeitrag zurück.) halb neben dem Erhalt und der Ertüchtigung der Hub- schrauberlandeplätze an den Kliniken Okay, dann Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE. Bitte. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist völlig unnötig, wie (Andreas Butzki, SPD: Wir können auch gern wir jetzt gehört haben.) die Bundesmarine übernehmen als Land. Das wäre doch auch ein Vorschlag. – die Ausstattung des Greifswalder Rettungshubschrau- Zurufe von Minister Harry Glawe bers „Christoph 47“ mit einer Rettungswinde. und Vincent Kokert, CDU) (Zuruf von Andreas Butzki, SPD) Torsten Koplin, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsi- dentin! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen die Ich muss unsere Position auch ein bisschen herleiten – Position der Fraktion DIE LINKE zu der Thematik vorstel- ich merke, Sie sind sehr ungeduldig –, len und wenn es ein paar Dopplungen gibt, was die Auf- fassung betrifft, dann dient das an dieser Stelle … (Andreas Butzki, SPD: Ja.)

(Julian Barlen, SPD: aber sonst können Sie nicht nachvollziehen, warum wir Lassen Sie die einfach weg! – am Ende ablehnen werden. Das muss ich, Herr Saalfeld, Andreas Butzki, SPD: jetzt schon mal ankündigen. Die Dopplungen weglassen.) (Unruhe vonseiten der Fraktionen Nee, weglassen kann ich die nicht, Herr Barlen, weil der SPD und DIE LINKE – wenn Historiker sich damit mal beschäftigen, wer hat was Vincent Kokert, CDU: Aber gewollt und gesagt, dann muss erkennbar sein, was DIE bitte, dann ist doch alles gesagt. – LINKE hierzu sagt. Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt hast du aber völlig verdutzte Gesichter gesehen. – (Heiterkeit und Beifall Zuruf von Andreas Butzki, SPD) vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie aus der Kleinen Anfrage des Kollegen Saalfeld vom Das sind die zahlreichen Abhandlungen, die 13. Juni zu entnehmen ist, wird damit vor allem die Aus- so geschrieben werden über die Debatten stattung mit Rettungswinden verstanden. Eine Rettungs- in Mecklenburg-Vorpommern. – winde ist eine zusätzliche Ausstattung, die an mittelgro- Zuruf von Andreas Butzki, SPD) ßen und großen Hubschraubern angebracht werden kann. Sie kann beim Einsatz in den Bergen und über der Also, meine Damen und Herren, durch den Rettungshub- See sinnvoll sein. Es gibt Rettungswinden an einigen schrauber hat sich die notfallmedizinische Versorgung Hubschraubern der Polizei und des Bundesgrenzschut- in Mecklenburg-Vorpommern verbessert. Rettungshub- zes, an den Hubschraubern des Typs Bell schrauber werden eingesetzt, wenn sie Patienten deut- lich schneller in eine Klinik bringen können als Kranken- (Zurufe von Andreas Butzki, SPD, wagen, auch überführen sie Patientinnen und Patienten und Dr. Norbert Nieszery, SPD) von einem Krankenhaus in ein anderes, und sie dienen dem schnellen Transport von Organen, Blutkonserven und an den SAR-Hubschraubern der Bundeswehr. SAR und Ähnlichem. steht für „Search and Rescue“, auf Deutsch „Suchen und Retten“. (Zuruf von Andreas Butzki, SPD) In der zivilen Luftrettung werden Rettungswinden ver- Ich möchte hier ausdrücklich – und ich denke, das sehen gleichsweise selten mitgeführt. In der Antwort auf meine Sie nicht anders – allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kleine Anfrage vom 21. März 2012 hieß es, dass keiner der Luftrettung sehr herzlich danken für ihre aufopfe- der drei Christoph-Hubschrauber in Mecklenburg-Vorpom- 90 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 mern über eine Rettungswinde verfügt und dass eine Wenn die zitierte Forderung keine Flüchtigkeit ist, sollten solche für die Notfallrettung auch nicht notwendig sei. wir uns dazu verständigen. Das wäre jedoch wiederum eine andere Diskussion. Den vorliegenden Antrag, wie (Andreas Butzki, SPD: Genau.) schon angekündigt, lehnen wir ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Diese Information ist heute nicht mehr aktuell. Das Bun- desministerium des Innern rüstet seine Zivilschutz- und (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Rettungshubschrauber mit Rettungswinden aus. Das bedeutet für Mecklenburg-Vorpommern, dass die Leit- Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke. stellen auf den Rettungshubschrauber „Christoph 34“ zurückgreifen können, der seinen Standort in Güstrow Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Barlen von der hat, und auf den SAR-21-Hubschrauber der Bundeswehr SPD-Fraktion. am Standort Warnemünde. Beide verfügen über eine Rettungswinde. (Julian Barlen, SPD: Jetzt gibts erst mal einen guten Hubschrauberwitz. – Heiterkeit bei Die maritime Rettung Schiffbrüchiger erfolgt seit 1982 Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mach mal!) durch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrü- chiger, ist also über See geklärt. Julian Barlen, SPD: Ja, ich kenne welche.

Um eine Forderung nach einer Rettungswinde für „Chris- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- toph 47“ und die anderen zivilen Rettungshubschrauber ren! in Mecklenburg-Vorpommern einzuschätzen, sollte man auch wissen, dass der Einsatz der Winden sehr selten Zunächst einmal, Herr Saalfeld, möchte ich richtigstellen, erfolgt. Bundesweit ist er so gering, dass allein durch die dass es beim Rettungsdienst und auch bei der Luftret- Notfalleinsätze die Rettungsteams nicht ihre Qualifikation tung keine Versorgungslücke gibt, sondern dass es mög- behalten würden. Sie müssten zusätzlich den Einsatz mit licherweise Ihrerseits eine Informationslücke gibt. der Rettungswinde trainieren. Durch die Rettungswinde wird der Hubschrauber schwerer und es muss ein zusätz- (Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Ja. – liches Teammitglied mitfliegen, das die Winde am Ein- Dr. Norbert Nieszery, SPD: satzort bedient. Alles Gründe, die uns – abgesehen von Aber eine ganz große.) den Anschaffungskosten von knapp einer halben Million Euro – veranlassen, die Forderung nach einer Ausrüs- Denn – das möchte ich an der Stelle nur ganz kurz zu tung mit Rettungswinden derzeit abzulehnen. Protokoll geben – es ist so, dass die Ministerin Hesse in ihrer Rede eigentlich alle zur Beurteilung des Sachver- Nun noch etwas zur Forderung nach dem Erhalt und der haltes relevanten Fakten vollständig referiert und auch Ertüchtigung der Hubschrauberlandeplätze: Wie die korrekt eingeordnet hat. Die Darstellung der Ministerin Antragsteller in der Begründung schreiben, gilt die Ver- möchte ich mir an dieser Stelle auch im Namen der SPD- ordnung 965 der Europäischen Kommission aus dem Fraktion ausdrücklich zu eigen machen. Jahr 2012 ab Oktober hierzulande dann auch. Die Klini- ken müssen sich darauf einrichten, den Hubschraubern (Vincent Kokert, CDU: Sehr gut. – einen An- und Abflugwinkel von 4,5 Prozent anstatt Wolf-Dieter Ringguth, CDU: 8 Prozent zu erlauben. Das tun die Kliniken auch. Das Auch im Namen unserer Fraktion.) Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg baut längst einen neuen Landeplatz. Wir müssen die Kliniken Ich erspare Ihnen ein inhaltsgleiches Koreferat und und die Landesregierung nicht auf diese Aufgaben hin- komme in Bewertung dieser Fakten zu dem Ergebnis, weisen. dass wir den vorliegenden Antrag ablehnen werden. – Herzlichen Dank. Vielleicht entstand der Antrag, so meinen wir, auch unter Zeitdruck. Die Argumentation ist nicht durchgängig lo- (Beifall vonseiten der Fraktionen gisch. der SPD und CDU)

(Vincent Kokert, CDU: Ja, das haben Vizepräsidentin Silke Gajek: Das Wort hat jetzt noch wir aber häufiger schon gehabt.) mal der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Saalfeld, vielleicht können Sie darauf noch mal eingehen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der entschuldigt sich jetzt, oder? Der So werden Erhalt und Ertüchtigung der Landeplätze entschuldigt sich jetzt für den Antrag. – gefordert, was durch das deutsche Gesundheitswesen Zuruf von Andreas Butzki, SPD) unterschiedlich finanziert wird. Wenn die Krankenkassen für die Ertüchtigung in die Pflicht genommen werden Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr sollen, was der Antrag fordert, dann halte ich das für geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsiden- höchst bedenklich. Nach geltendem Recht sind allein die tin! Ich werde mich natürlich nicht für meinen Antrag Länder für die Krankenhausinvestitionen zuständig. Was entschuldigen, da läuft und wie das läuft, hat Frau Ministerin gesagt, das wiederhole ich jetzt an dieser Stelle nicht. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schade.)

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: denn dazu besteht überhaupt kein Grund. Wir haben Da spricht der alte Fachmann wieder.) heute hier das Thema der Luftrettung im Landtag thema- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 91 tisiert, das ist es allemal wert. Und dass wir unterschiedli- dass die Luftrettung sehr gut organisiert ist und dass wir che Auffassungen haben, das gehört zu einer Demokra- diesen Menschen, tie dazu. (Vincent Kokert, CDU: Ich bin bloß der Meinung, dass wir hier nicht nur auf den Wir stellen erst mal fest, Ihr Bund vertrauen sollten als Küstenland, und ich frage Antrag war von vorne bis hinten mich: Warum musste in Güttin extra ein privatwirtschaft- Quatsch! Warum wollen Sie sich nicht lich finanzierter Rettungshubschrauber installiert werden, einfach hinsetzen und ihn zurückziehen?) wenn alles in Butter ist und alles sauber? Deswegen glaube ich schon, dass da ein Bedarf da ist, die sich hier tagtäglich für unsere Sicherheit einsetzen, auch dankbar sind. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bedarf ist immer da.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der wird dermaßen zerschossen.) der eben privatwirtschaftlich momentan abgedeckt wird. Nein, denn, Herr Kokert, ich möchte hier noch etwas zu Gestatten Sie mir den Hinweis, in meiner Einbringung der Wichtigkeit der Luftrettung in strukturschwachen hatte ich darauf hingewiesen, dass wir uns so schnell wie Gebieten darstellen. möglich auf den Weg machen müssen, diesen Hub- schrauber zu ersetzen in Güttin. Die Zielstellung des sogenannten PrimAIR-Programmes untersucht, ob die Notfallversorgung in dünn besiedelten (Minister Harry Glawe: Der ist schon da.) Regionen durch den flächendeckenden Einsatz von Ret- tungshubschraubern verbessert werden kann. Dabei Nun hat Frau Ministerin erklärt, dass ein Ersatz schon da werden unter anderem strukturelle, organisatorische und sei. Ich habe mit ihr vor circa zwei Stunden kurz geredet, ökonomische Aspekte in die Untersuchung mit einbezo- da war dieser Ersatz noch nicht da. Aber vielleicht habe gen. Ziel sei es, die Primärrettung in strukturschwachen ich sie auch falsch verstanden. Regionen durch Einhaltung der Hilfsfristen zu optimieren und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren. (Zurufe von Minister Harry Glawe und Helmut Holter, DIE LINKE) (Andreas Butzki, SPD: Deswegen haben wir doch die Hubschrauber.) Nun ist er da. Dann hätte ich das natürlich anders darge- stellt in meiner Einbringung. Das erste PrimAIR-Symposium fand am 17. und 18. Feb- ruar 2014 in Köln statt. Ob ein System der primären Luft- (Andreas Butzki, SPD: Sie müssen einfach rettung für den ländlichen Raum eine Lösung sein kann, mal hinhören, dann können Sie auch so wurde zumindest technisch bereits mit Ja beantwortet. was aufnehmen. – Vincent Kokert, CDU: Ich trage das hier nicht vor, um Land und Wasser mitei- Das ist auch nicht das erste Mal, dass nander zu vermischen, sondern ich möchte einfach sa- Sie was verkehrt verstanden haben.) gen, ich glaube, dass eine Investition in diesem Bereich uns insgesamt in unserem Land helfen kann. Und wenn Aber werfen Sie mir bitte nicht vor, dass ich mich vorher jetzt gesagt wird, eine Seilwinde ist zu schwer für den nicht informiert habe. Ich bin sogar extra zur Ministerin aktuell stationierten Hubschrauber vor Ort, gegangen. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir auch die Dann kaufen wir eben einen Frage, warum sich eigentlich Frau Schwesig medienwirk- neuen Hubschrauber, ne? Ja. – sam in einer Übung retten lässt vor der Küste von Meck- Zuruf von Andreas Butzki, SPD) lenburg-Vorpommern, dann müssen wir uns Gedanken machen, ob wir im Sin- (Vincent Kokert, CDU: Das war einfach ihr ne dieses Forschungsprojektes bei den Hubschraubern, Naturell. Geben Sie sich doch damit zufrieden!) die wir sozusagen überall haben, noch eine entspre- chende Aufrüstung vornehmen müssen. Ich denke, es ist wenn denn dafür der Bund zuständig ist. Möglicherweise ein ganz legitimer Vorgang, hierüber nachzudenken, die hat sie damit auch ihr Amt als Bundesministerin dahin Bedarfe zu ermitteln und entsprechende Schlussfolge- gehend schon vorwegnehmen wollen, weil sie noch mal rungen zu ziehen. die besondere Bedeutung des Bundes in der Luftrettung darstellen wollte. Ich glaube aber, dass das Land den- Wie gesagt, ob ein System der primären Luftrettung für noch eine sehr wichtige Funktion in der Luftrettung über den ländlichen Raum eine Lösung sein kann, wurde See wahrnehmen muss und wahrnimmt. zumindest technisch auf diesem Symposium bereits mit Ja beantwortet, wobei die Umsetzung natürlich noch (Dr. Norbert Nieszery, SPD: einige Jahre dauern würde und einige Fragen auch noch Wenn man die wertvolle Arbeit dieser offen sind, zum Beispiel: Welche Versorgungsaufgaben Leute unterstützen kann, dann sollte wären durch die Luftrettung zu übernehmen? Wie könnte man auch alles dafür tun, Herr Saalfeld.) der Hubschrauberlärm minimiert werden? Wie könnten die Rettungskräfte am Boden unterstützt werden? Wie Und ich habe in meinem Antrag – ich will mich da gar ließen sich Großschadenslagen bewältigen? nicht rechtfertigen – vor allem auch festgestellt, Darauf habe ich übrigens keine Antworten, Herr Dr. Nies- (Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD) zery, aber ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen. 92 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Zurufe von Tilo Gundlack, SPD, (Andreas Butzki, SPD: Da hat er recht. – und Dr. Norbert Nieszery, SPD) Vincent Kokert, CDU: Das stimmt.)

Entscheidend ist, dass sich hierbei Ansätze für ein inno- Und wie gesagt, Frau Ministerin Hesse hat es auch ge- vatives Konzept zeigen, sodass nicht leichtfertig eine sagt, sie begrüßt es, dass wir hier in einer vorgezogenen bereits bestehende Infrastruktur zur Luftrettung aufgege- Debatte die Aufgaben des Rettungsdienstgesetzes heute ben werden sollte. Ich denke, das ist hier nicht vorgese- thematisiert haben. hen, aber wir sollten es auch unterstützen, denn die Bedeutung der Luftrettung für die Versorgungsfunktion (Heiterkeit bei Minister Harry Glawe) sollte in einem Flächenland nicht unterschätzt werden. Ich danke Ihnen für den Dank an meine Fraktion und (Dr. Norbert Nieszery, SPD: danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Das tut doch auch keiner.) (Beifall vonseiten der Fraktion Dies wird auch vor dem Hintergrund der schon bekannt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewordenen Änderungen des Rettungsdienstgesetzes deutlich. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Saalfeld.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich Ich bin ja mal gespannt, ob die schließe die Aussprache. GRÜNEN dem Antrag zustimmen. Ich kann mir das nicht vorstellen.) (Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Wie die SVZ am 26.06.2014 berichtete, also vor wenigen Oder möchte noch jemand? Tagen, sieht der aktuelle Entwurf vor, dass die durch- schnittliche Rettungszeit zukünftig um 5 bis 6,5 Minuten Also ich schließe jetzt die Aussprache und wir kommen erhöht werden soll. Es gab schon diverse Auseinander- zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜND- setzungen in der Öffentlichkeit hierzu. Ich empfehle den NIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3065. Wer dem Artikel. zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) (Minister Harry Glawe: Das sind wenige.) Bisher darf die durchschnittliche Rettungszeit, das heißt die Zeit vom Anruf bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Die Gegenprobe. – Und die Stimmenthaltungen? – Dan- vor Ort, 10 Minuten im Durchschnitt nicht überschreiten. ke. Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Zukünftig soll die Zeit auf 15 Minuten verlängert werden, GRÜNEN auf Drucksache 6/3065 abgelehnt, bei Zu- allerdings von der Alarmierung des Notarztes bis zum stimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Eintreffen vor Ort. Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE und keinen Stimmenthaltungen. (Julian Barlen, SPD: Sie sollten mal dringend die Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag Qualität Ihrer Quellen überprüfen. – der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) NEN, …

Das bedeutet, dass die Zeit vom Eingang des Notrufes (Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD) bis zur Alarmierung des Notarztes künftig nicht mehr gemessen werden soll. Das bedeutet insgesamt vermut- Jetzt bitte zuhören! Jetzt zuhören! lich eine Verlängerung von 6 bis 5,5 Minuten. (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.) (Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wollen wir nicht über das Rettungsdienstgesetz sprechen, … der Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜND- wenn es vorliegt, Herr Saalfeld?) NIS 90/DIE GRÜNEN „Demonstrationskultur für Demo- kratie und Toleranz“ auf Drucksache 6/3060 wird zurück- Meine sehr geehrten Damen und Herren, … gezogen und ersetzt durch den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Andreas Butzki, SPD: Also Ihre Rede mit dem gleichen Titel auf Drucksache 6/3130. Das heißt, werde ich mal überall hinschicken lassen, dieser Antrag soll in der morgigen Sitzung auch unter zu jedem Hubschrauberstandort.) Tagesordnungspunkt 27 beraten werden.

Ja, machen Sie das! Machen Sie das, Herr Bützko, ach, (Minister Harry Glawe: Dann kann Entschuldigung, Herr Butzki. ich ja meine Rede nicht mehr halten.)

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, Herr Glawe, hier oben muss Ruhe sein. Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU) (Zuruf von Minister Harry Glawe)

… ich denke, das ist ein sehr spannendes Thema, auch Herr Glawe, das geht nicht. Also wenn Sie als Abgeord- ein sehr ergiebiges Thema. Das Rettungsdienstgesetz neter reden, bitte unten, aber hier oben bitte Ruhe halten. wird uns hier im Landtag noch intensiv beschäftigen. Ich möchte gerne weitermachen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 93

Gemäß Paragraf 74 Ziffer 1 unserer Geschäftsordnung sozialstaatlichen Arbeitsmarktpolitik sinngemäß aus, ist dies möglich, wenn eine Zweidrittelmehrheit der Mitglie- dass zwar die Beschäftigung steige und die Arbeitslosig- der des Landtages dem zustimmt. Wer stimmt der Be- keit sinke, man aber bei genauerem Hinsehen erkenne, handlung dieses Antrages unter Tagesordnungspunkt 27 dass den positiven Meldungen vom Arbeitsmarkt auch zu? – Die Gegenprobe. – Und die Stimmenthaltungen? – gravierende Fehlentwicklungen gegenüberstehen. Etwa Damit ist die Behandlung dieses Antrages unter dem Ta- ein Drittel der Beschäftigten arbeite in atypischen Be- gesordnungspunkt 27 einstimmig beschlossen. schäftigungsformen und mehr als eine Million Menschen seien langzeitarbeitslos. Folglich müsse endlich ein Um- (Präsidentin Sylvia Bretschneider denken in Sachen Arbeitsmarktpolitik einsetzen. übernimmt den Vorsitz.) Auch Arbeitsministerin Birgit Hesse hat die Herausforde- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Meine sehr geehrten rungen erkannt und benannt, zum Beispiel in ihrer Pres- Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungs- semitteilung zum Internationalen Kindertag. Sie machte punkt 32: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LIN- deutlich, dass die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosig- KE – Langzeitarbeitslosigkeit als Herausforderung ernst keit auch dazu beitrage, Kindern zu helfen, denn arme nehmen – Perspektiven für deren Überwindung schaffen, Kinder gebe es dort, wo auch arme Eltern sind. Deshalb auf Drucksache 6/3061. sei es so wichtig, dass Eltern wieder einer geregelten Tätigkeit nachgehen könnten, denn schließlich dürfe Antrag der Fraktion DIE LINKE soziale Benachteiligung durch Arbeitslosigkeit nicht auf Langzeitarbeitslosigkeit als Herausforderung die nächste Generation übertragen werden. ernst nehmen – Perspektiven für deren Überwindung schaffen Dieses Ansinnen kann ich nur begrüßen und ich bin den – Drucksache 6/3061 – drei Frauen für diese Einschätzungen auch ausdrücklich dankbar. Ein Kanzler a. D. hat jedoch einmal gesagt, Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr entscheidend ist, was hinten rauskommt. Darüber wollen Foerster für die Fraktion DIE LINKE. wir diskutieren und deshalb auch unser heutiger Antrag.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Herr Foerster Ich denke, der Feststellungsteil ist selbsterklärend. Wir ist es. Siehste, wusste ich doch! – haben hier in der Vergangenheit mehrfach die Instrumen- Zurufe von Andreas Butzki, SPD, te zur Integration in Arbeit und Beschäftigung, aber auch Vincent Kokert, CDU, und die Schwierigkeiten der Jobcenter mit ihrer Finanzaus- Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stattung, insbesondere bezogen auf die Verwaltungs- haushalte und die zu geringen Integrationshaushalte Henning Foerster, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Werte diskutiert. Ein neuer Aspekt ist die Frage der Vorschläge Kolleginnen und Kollegen! Die offiziellen Arbeitslosen- zur Rechtsvereinfachung im SGB II, auf die ich später zahlen sind im Juni auf 87.400 gesunken und das ist noch zu sprechen komme. zunächst eine gute Nachricht. Dennoch besteht kein Anlass, sich zurückzulehnen. Immer noch hält Mecklen- Noch mal zu den Forderungen. Im ersten Anstrich des burg-Vorpommern mit 10,5 Prozent Arbeitslosenquote Antrages im Punkt 2 fordern wir die Landesregierung auf, die rote Laterne unter den Flächenländern. sich dafür einzusetzen, dass der Bund neue Beschäfti- gungsprogramme auflegt und die Mittel für die aktive (Andreas Butzki, SPD: Nö, nö, nö!) Arbeitsmarktpolitik wieder aufstockt. Warum? Mit der Bürgerarbeit läuft bekanntlich das letzte große Beschäfti- Zählt man die über 58-Jährigen, die Kranken und die in gungsprogramm des Bundes aus, mit dem bei uns im Maßnahmen befindlichen Arbeitslosen dazu, kamen im Land immerhin circa 1.700 Arbeitsplätze für Langzeitar- Juni 2014 auf 118.000 Arbeitslose 9.556 sozialversiche- beitslose überwiegend im sozialen und kulturellen Be- rungspflichtige Stellen, von denen 8.281 sofort zu beset- reich geschaffen wurden. Das in Rede stehende, Bun- zen waren. Die Zahl derjenigen, die offiziell als langzeit- des-ESF-finanzierte Nachfolgeprojekt „Perspektiven in arbeitslos gelten, liegt den zehnten Monat in Folge über Betrieben“ stellt mit bundesweit 30.000 Plätzen bei ma- dem Vorjahreswert, im Juni waren das 6,8 Prozent be- ximal 18-monatiger Förderung aus mehreren Gründen ziehungsweise 2.177 Personen. Diese Probleme gehö- keine Kompensation dar. Ich werde in der Debatte darauf ren nach wie vor in den Fokus und deshalb waren in der zurückkommen. Auch der Haushaltsentwurf der Bundes- jüngsten Zeit für mich drei Äußerungen von Persönlich- regierung lässt leider keinen Kurswechsel in der Arbeits- keiten, die für arbeitsmarktpolitische Weichenstellungen marktpolitik erkennen, denn ein solcher hätte ja zwingend Verantwortung tragen, wichtig. erfordert, dass man die Folgen der bisherigen Kürzungs- politik analysiert und zumindest die Mittel für die aktive Frau Margit Haupt-Koopmann, Vorsitzende der Geschäfts- Arbeitsmarktpolitik wieder ein Stück aufstockt. führung der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, sagte am Dienstag in der Landespressekonfe- Dazu noch mal kurz zur Erinnerung einige Zahlen: Im renz, dass der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit seit Bund sank die Zahl der Arbeitslosen im Hartz-IV-Bezug 2011 immer schwieriger geworden sei und es statt dem zwischen 2010 und 2013 von 2,1 Millionen auf 1,98 Milli- Anzug von der Stange den Maßanzug brauche. Sie knüpf- onen und hierzulande von 76.000 auf 68.900. Das ent- te damit nahtlos an die Feststellung aus dem Mai 2014 an, spricht einer Abnahme von 8,5 Prozent beziehungsweise als sie besondere Beratungs- und Betreuungsangebote 9,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden aber die Aus- der Jobcenter und ein Umdenken in den Unternehmen gaben für die Arbeitsmarktpolitik um 41,2 Prozent im einforderte. Bund und um mehr als 50 Prozent im Land gesenkt. Diese Kürzungen waren unverhältnismäßig, aber anstatt Annelie Buntenbach, Mitglied des DGB-Bundesvorstan- jetzt die Mittelausstattung wieder zu verbessern, bleibt des, führt im Vorwort des neuen Strategiepapiers zur der Haushaltsansatz hinter dem Notwendigen zurück. 94 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Statt 5,5 Milliarden stehen eben nur 3,9 Milliarden Euro ist eine Ansicht, die diese Kollegen tatsächlich auch zur Verfügung. Auch die im Koalitionsvertrag angekün- teilen. digte Anhebung des Eingliederungstitels um 1,4 Milliar- den zwischen 2014 und 2017 ist nicht erfolgt. Die Mittel Der sechste Anstrich zielt auf eine gemeinsame Kam- verteilen sich auf vier Jahre und es steht zu befürchten, pagne des DGB mit 18 Organisationen ab, also Sozial-, dass sie vor allem für das Stopfen der Löcher in den Frauen- und Jugendverbänden, Kirchen, aber auch Er- Verwaltungshaushalten der Jobcenter herhalten müssen. werbsloseninitiativen, die deutlich macht, dass Würde keine Ausnahme kennt. Damit wird auch ganz klar die Im zweiten Anstrich fordern wir die Landesregierung auf, Behauptung des Ministerpräsidenten widerlegt, das im im neuen Arbeitsmarktprogramm den bewährten Ange- Moment in der Diskussion befindliche Gesetz zur Stär- boten der sozialen Stabilisierung, wie den Integrations- kung der Tarifautonomie und damit die vorgesehenen projekten AQuA, Integra oder Zenit, auch ein Beschäfti- Mindestlohnregelungen seien genau so formuliert, weil gung schaffendes Projekt zur Seite zu stellen. Hier muss die Gewerkschaften es ausdrücklich gewünscht haben. man den Dialog mit der Bundesagentur und den Kom- Ich denke, die Protestaktion von DGB, Frauenrat und den munen suchen und überlegen, wie man durch einen großen Sozialverbänden am 30. Juni vor dem Bundestag abgestimmten Mitteleinsatz aus dem Eingliederungstitel, hat die Ablehnung von Ausnahmen vom Mindestlohn die Aktivierung passiver Leistungen aus dem Regelsatz noch einmal deutlich bestätigt. und den Kosten der Unterkunft, möglicherweise auch noch ergänzt durch einen Landeszuschuss, einen geeig- Aus meiner Sicht haben Niedriglöhne bislang nicht zu neten Finanzierungsmix auf den Weg bringen kann. besseren Arbeitsmarktchancen für Langzeitarbeitslose Anders als in Baden-Württemberg sollten wir aber hier geführt, und ich bin auch überzeugt davon, dass sie das darauf achten, dass explizit auch der Zugang zu gemein- künftig nicht tun werden. Stattdessen besteht eher die nützigen Betrieben und Einrichtungen möglich ist. Gefahr, dass es neue Drehtüreffekte gibt, wenn sich Unternehmen einfach dadurch Wettbewerbsvorteile ver- Übrigens hat Frau Nahles, die sich auf einer Rundtour schaffen können, dass sie Langzeitarbeitslose sechs durch die Bundesrepublik befindet, neulich von mindes- Monate unter Mindestlohnniveau bezahlen und sie an- tens 20 Städten gesprochen, in denen derartige Modell- schließend wieder rausschmeißen. Daher sollte die Lan- projekte bundesweit noch einmal auf den Weg gebracht desregierung im Rahmen der Beteiligung des Bundes- werden müssten. rates am Gesetzgebungsverfahren auch auf die Strei- chung dieses Passus und anderer Ausnahmereglungen Der dritte Anstrich zielt auf die sich zunehmend durch- hinwirken. setzende Erkenntnis, dass die Regelungen zur Förder- höchstdauer, die mit der Instrumentenreform Eingang ins Auf die Anstriche 7 und 8 kann ich zusammenhängend SGB II gefunden haben, eher hemmend als befördernd eingehen. Sie wissen, die ASMK hat die Einsetzung einer auf die Integrationsbemühungen wirken. Viele Experten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Leis- sehen diese starre Vorgabe, nämlich maximal 24 Monate tungs- und Verfahrensrechtes auf den Weg gebracht. innerhalb von fünf Jahren fördern zu dürfen, problema- Schaut man in den Zwischenbericht, dann finden sich nur tisch und empfehlen, die mögliche individuelle Förder- wenige sinnvolle Maßnahmen, deswegen überrascht dauer auch ein Stück an der Dauer der Arbeitslosigkeit auch die fast einhellige Ablehnung der Landesdaten- zu orientieren. So schlägt der DGB in seinem aktuellen schutzbeauftragten nicht. Auch dazu werde ich im Detail Strategiepapier vor, sich bei Personen mit mehrfachen in der Debatte noch etwas sagen. – Vielen Dank für die Vermittlungshemmnissen, die nur langfristig an den Ar- Aufmerksamkeit. beitsmarkt herangeführt werden können, am Instrument des früheren Beschäftigungszuschusses zu orientieren. (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für diejenigen, die nicht wissen, was sich dahinter ver- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr birgt: Da konnte man bei den alten Regelungen nach Foerster. einer ersten Phase von 24 Monaten unbefristet weiterför- dern, wenn auch danach eine Erwerbstätigkeit auf dem Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten war. einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlos- Der vierte Anstrich orientiert sich an der Erfahrung, dass sen. Ich eröffne die Aussprache. insbesondere Langzeitarbeitslose nach langer Abstinenz vom Arbeitsmarkt trotz erfolgreicher Vermittlung vielfach Das Wort hat zunächst die Sozialministerin des Landes die Probezeit nicht überstehen. Daher sollte man eine Mecklenburg-Vorpommern Frau Hesse. Bitte schön. gesetzliche Grundlage dafür schaffen, um ihnen durch eine rechtskreisübergreifende Integrationsbegleitung – (Vincent Kokert, CDU: bei Bedarf eben auch über den Wiedereintritt ins Arbeits- Guten Tag, Frau Ministerin.) leben hinaus – Unterstützung anbieten zu können. Ministerin Birgit Hesse: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der fünfte Anstrich nimmt ebenfalls die Diskussion zur Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue Schaffung flexiblerer Möglichkeiten der Förderung öffent- mich über die Gelegenheit, mit Ihnen eines meiner licher Beschäftigung auf. Die Finanzierung und Steue- Schwerpunktthemen zu erörtern, und darüber, dass die rung von Instrumenten, wie unter dem Anstrich drei be- Fraktion DIE LINKE meinen Kurs offenbar teilt. reits erläutert, muss langfristig, will heißen, mehrjährig auch außerhalb der bisherigen Steuerungslogik der Job- Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit mit all seinen sozial- center möglich sein. Ich hatte gestern die Gelegenheit, politischen Folgen stellen wir in den Fokus, deswegen beim Sommerfest des Landtages noch einmal mit einem war ich dazu auch am Dienstag gemeinsam mit Frau Kollegen der Bundesagentur darüber zu sprechen. Das Haupt-Koopmann, Herr Foerster sagte es bereits, bei der Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 95

Landespressekonferenz. Mir ist wichtig, dass wir bei der arbeit als auch für Verwaltungskosten für die Durchfüh- Suche nach Lösungen, wie man der Langzeitarbeitslo- rung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereitge- sigkeit begegnen kann, alle Arbeitsmarktakteure im Land stellt. Die Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern haben mit ins Boot holt. Hierfür ist das „Bündnis für Arbeit und davon entsprechend der Verteilungsschlüssel der Ein- Wettbewerbsfähigkeit“ ein gutes Gremium. In der dritten gliederungsmittelverordnung 2014 11,6 Millionen Euro Hauptrunde haben wir uns Ende Mai mit den Sozialpart- erhalten. Im Klartext heißt das, den Jobcentern stehen nern, den Kammern und der Bundesagentur für Arbeit 11,6 Millionen Euro mehr Finanzmittel zur Verfügung. darauf verständigt, das Thema Langzeitarbeitslosigkeit intensiv zu bearbeiten. (Henning Foerster, DIE LINKE: Einmalig in diesem Jahr.) Die Landesregierung hat bereits mit der Vorlage des neuen Operationellen Programms des ESF für die För- Im Übrigen hat der Bund mit dem Bundeshaushalt 2014 derperiode 2014 bis 2020 deutlich gemacht, wo sie ihre das Gesamtbudget von fast 8 Milliarden Euro für Einglie- Schwerpunkte setzt. Dazu gehört insbesondere, dass wir derungsleistungen und Verwaltungskosten im Bereich ein stärkeres Gewicht auf die Förderung der sozialen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf dem Niveau Eingliederung legen werden. des Jahres 2013 gehalten, obwohl im Jahr 2014 bun- desweit mit einem weiteren Rückgang der Zahl der er- (Vincent Kokert, CDU: Hervorragend!) werbsfähigen Leistungsberechtigten zu rechnen ist. Für die Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern ist somit So soll die Teilhabe arbeitsloser Familien gezielt gestärkt insgesamt mit einem Gesamtvolumen für Eingliederungs- werden. Wir werden deshalb familienorientierte Maß- leistungen und Verwaltungskosten von rund 270 Millio- nahmen wie den Familiencoach gezielt fördern. Ebenso nen für 2014 ein Anstieg des Gesamtbudgets im Ver- werden Integrationsprojekte für Arbeitslose weiter ge- gleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent zu verzeichnen. Mit stärkt. Dabei stehen vor allem Arbeitslose im Mittelpunkt, diesem Ergebnis – Herr Foerster, Sie haben es bereits die schon länger ohne Beschäftigung sind. Sie brauchen angedeutet – können wir aber langfristig nicht zufrieden für die Integration eine besonders intensive Betreuung, sein. Insbesondere die deutlich angestiegenen Kosten im deshalb werden wir in der neuen Förderperiode eng mit Verwaltungskostenbudget, zum Beispiel durch Mieterhö- den Jobcentern zusammenarbeiten und unsere Kräfte hungen und Tarifanpassungen, müssen durch eine sach- bündeln. Die Jobcenter mit ihrer Erfahrung bei der Be- gerechtere Ausstattung gedeckt werden. treuung und Integration von Langzeitarbeitslosen sind in der neuen Förderperiode als stimmberechtigte Mitglieder (Henning Foerster, DIE LINKE: Richtig.) in den Regionalbeiräten vertreten. Aber auch das Eingliederungsbudget für eine Integration (Vincent Kokert, CDU: Das ist sehr weise.) von Personen mit besonders hohen Vermittlungsproble- men muss entsprechend auskömmlich sein. An dieser Sie bringen damit ihr fachliches Know-how in die Votie- Stelle werden wir in unseren Forderungen dem Bund rung der Integrationsprojekte, des Familiencoachs und gegenüber nicht nachlassen. der kleinen Projekte im besonderen Maße ein. Wir brau- chen diese Expertise, denn die Jobcenter kennen die Zu der Arbeit der AG „Eingliederung“ kann ich Ihnen regionalen Bedarfe und werden dementsprechend bei mitteilen, dass diese ihre Arbeit abgeschlossen hat. Die der Planung und Ausgestaltung der Projekte mitwirken. dort erarbeiteten Vorschläge werden jetzt im Bundesmi- nisterium geprüft und in den politischen Gremien disku- Sie sehen also, wir sind gut aufgestellt, und selbstver- tiert. Ziel ist es, diese Vorschläge in das geplante SGB-II- ständlich werde ich nicht nachlassen, die Bundesregie- Änderungsgesetz einzubringen, und zwar gemeinsam rung aufzufordern, für einen ausreichenden Haushalts- mit den Vorschlägen der Bund-Länder-AG „Rechtsverein- ansatz bei den Eingliederungsmitteln und ein auskömmli- fachung“. Diese Arbeitsgruppe hat vorgestern ihren Be- ches Verwaltungskostenbudget zu sorgen. richt fertiggestellt. In den letzten Wochen ist in der Pres- se eine ganze Menge zu diesem Bericht geschrieben (Henning Foerster, DIE LINKE: worden. Vielfach sind Vorschläge einzelner Länder oder Das ist auch schon ein Fortschritt. – sonstiger Akteure veröffentlicht worden. Dabei ist aber Vincent Kokert, CDU: Was sagt auch, und das möchte ich betonen, viel Unsinn geschrie- die Genossin Nahles dazu?) ben worden. Ich rate Ihnen, lesen Sie den endgültigen Bericht und Sie werden sehen, dass es zu vielen Erleich- Bereits im Januar des Jahres habe ich zu Ihrem Antrag terungen auch für die Leistungsbezieherinnen und Leis- „Arbeitsmarktpolitische Spielräume gewinnen – Haushal- tungsbezieher kommen wird. te der Jobcenter bedarfsgerecht ausstatten“ ausgeführt, dass die 90. ASMK einstimmig die Bundesregierung (Henning Foerster, DIE LINKE: Einige wenige.) dazu aufgefordert hat, und ich habe auch ausgeführt, dass die Arbeitsgruppe „Eingliederung“ beim Bund- Im Übrigen werden wir insbesondere auch bei dem von Länder-Ausschuss aufgefordert wurde, zur Überarbei- der Bundesregierung angekündigten neuen Bundes- tung und Fortentwicklung der arbeitsmarktpolitischen ESF-Programm genau hinsehen, was das Programm für Instrumente im SGB II und III bis Mitte 2014 konkrete Mecklenburg-Vorpommern und die Langzeitarbeitslosen Vorschläge zu erarbeiten. im Land bedeutet.

Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung Anfang April Lassen Sie mich abschließend mit aller Deutlichkeit sa- allen Jobcentern mitgeteilt hat, dass für die Haushaltsjah- gen, ich stelle mich den unbequemen und schwierigen re 2014 bis 2017 weitere insgesamt 1,4 Milliarden Euro Seiten des Arbeitsmarktes. Langzeitarbeitslose müssen für Arbeitsuchende zur Verfügung gestellt werden. Die wir noch stärker in den Fokus nehmen, um diesen Men- Mittel wurden sowohl für Leistungen zur Eingliederungs- schen wieder eine Perspektive geben zu können. Das 96 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 verstehe ich als Schwerpunktthema meiner Arbeit. – matisch sei die Langzeitarbeitslosigkeit, heißt es dann in Vielen herzlichen Dank. Ihrer Begründung. Hier kommt ein falscher Zungenschlag in Ihre Argumentation, sehr geehrter Herr Foerster. (Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU) Ich möchte auf die Bundestagsdrucksache 18/104 und eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Entwick- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau lung der Langzeitarbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt Ministerin. hinweisen. Hier wird Folgendes deutlich, Zitat: „Anteil Langzeitarbeitsloser an allen Arbeitslosen … Jahres- Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU- durchschnitt 2013“, das ist das Vorjahr, von dem Sie Fraktion Herr Kokert. gesprochen haben, „Mecklenburg-Vorpommern 33 %, Thüringen 34 %, Sachsen-Anhalt 36 %, Sachsen 37 %“, Vincent Kokert, CDU: Frau Präsidentin! Meine sehr ge- und besonders zutage tritt Brandenburg mit „40 %“. Der ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- Durchschnittswert in Deutschland ist übrigens „36 %“. gen! Ich darf heute meinen Kollegen Torsten Renz vertre- Zitatende. Klar, diese Zahlen variieren trotz des zitierten ten. Ich muss mich ausdrücklich entschuldigen, dass Sie Rückgangs im Juni. Der Anteil an Langzeitarbeitslosen auf seine charmante Art und Weise verzichten müssen. ist insgesamt nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den genannten anderen Bundesländern (allgemeine Heiterkeit) gegenüber dem Jahresbeginn leicht gestiegen. Parallel ist aber die Arbeitslosigkeit gesunken. Ich musste ihm dafür versprechen, dass ich wortwörtlich das vorlese, was er hier vortragen wollte, Richtig ist, dass davon nicht alle Arbeitslosen gleicher- maßen profitieren. Das ist ganz logisch, Langzeitarbeits- (Peter Ritter, DIE LINKE: Oooh! – lose haben es schwerer als, ich zitiere Ihren Antragstext, Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) Arbeitslose ohne „Vermittlungshemmnisse“. Aktuell lie- gen die Zahlen in Mecklenburg-Vorpommern über dem und den Kollegen Foerster soll ich ganz besonders herz- Jahresdurchschnitt von 2013, und zwar im Juni 2014 bei lich grüßen, was ich somit getan habe. 39,4 Prozent. Weil Sie den Bundesvergleich ins Spiel gebracht haben, will ich diesen für den Juni aktualisieren: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Anfang der In Brandenburg liegt die Zahl aktuell bei 42,1 Prozent. Woche wurde die Arbeitsmarktstatistik für den Juni 2014 vorgestellt. Die Zahlen in Kürze: Zum ersten Mal in einem Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte verstehen Juni wurde die Grenze von 90.000 Arbeitslosen unter- Sie mich nicht falsch, ich habe das Datenmaterial Ihres schritten. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Antrages, also die zentrale Botschaft hier in ein richtiges ist weiter angestiegen. 529.900 Beschäftigte, das ist ein Licht rücken müssen. Es geht aber ganz ausdrücklich Plus von 4.600 Beschäftigten oder 0,9 Prozent gegen- nicht darum, eine Herausforderung kleinzureden. Klar ist, über dem Vorjahresmonat. Die aktuellen ifo-Konjunktur- Langzeitarbeitslosigkeit muss vermieden und abgebaut prognosen prognostizieren weiteren wirtschaftlichen werden. Aufschwung bis ins nächste Jahr. Davon profitieren alle, ob über 55 oder unter 25, ob schwerbehindert oder lang- (Henning Foerster, DIE LINKE: zeitarbeitslos, das können Sie genau diesem Wortlaut Das ist ein Fortschritt für die CDU.) der aktuellen Arbeitsmarktstatistik entnehmen. Abgese- hen davon hat die Chefin der Regionaldirektion Nord, Darin stimmen wir, sehr geehrter Herr Foerster, sofort Margit Haupt-Koopmann, schon im April darauf hinge- überein. Wichtige Aufgabe des Sozialministeriums bleibt wiesen, dass neue sozialversicherungspflichtige Jobs deswegen die Integration Langzeitarbeitsloser. Deswe- von den Unternehmen in M-V immer häufiger mit arbeits- gen hat das Sozialministerium bereits im Mai 2014 darauf losen Frauen und Männern besetzt würden. hingewiesen, dass gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds Insofern können wir aufgrund der aktuellen Zahlen Ihrem die Beratung und spezifische Unterstützung von Lang- ersten Antragspunkt leider nicht zustimmen, sehr geehr- zeitarbeitslosen verbessert werden. Das ist richtig und ter Herr Foerster. Der Anteil an von Langzeitarbeitslosig- das ist auch sinnvoll, die Ministerin hat das hier vorgetra- keit Betroffenen ist gegenüber dem letzten Arbeitsmarkt- gen. Und weil die Zahlen, wie gesagt, eine bundesdeut- bericht nicht gestiegen, sondern gesunken, und zwar sche, keineswegs nur eine M-V-spezifische Herausforde- konkret um zwei Prozent gegenüber dem Vormonat. rung belegen, begrüße ich es auch, dass die Bundesre- gierung sich dieses Themas annimmt. Klar ist aber auch, Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns bei insgesamt rückläufiger Arbeitslosenquote muss es zunächst bei den Zahlen bleiben. In Ziffer 1 ihres Antra- um einen effizienten Mitteleinsatz der Bundes- und Ein- ges verweist DIE LINKE auf den hohen und wachsenden gliederungsmittel gehen. Anteil an Langzeitarbeitslosen. Ich habe Ihnen ja einlei- tend die aktuellen Junizahlen dargestellt. Diese Zahlen Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sprach stützen den genannten Befund auch laut Aussage der davon, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und abzu- Chefin der Regionaldirektion ausdrücklich nicht. bauen. Bleiben wir zunächst bei dem Stichwort „vermei- den“. Dieser Aspekt ist in Ihrem Antrag leider nicht aus- (Henning Foerster, DIE LINKE: Vergleichen reichend ausgearbeitet. Sie mal mit der Vorjahresentwicklung!) (Peter Ritter, DIE LINKE: Siehste!) Sie gehen aber noch einen Schritt weiter und sagen, der Anteil an Arbeitslosen ist in Mecklenburg-Vorpommern Sie wollen einen Istzustand verwalten, wir wollen den der höchste in einem Flächenland, und besonders proble- Istzustand verändern, das ist der zentrale Unterschied. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 97

(Henning Foerster, DIE LINKE: Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere Das ist ja was ganz Neues. – hinsichtlich des zweiten Punktes ist die CDU-Fraktion Peter Ritter, DIE LINKE: Ja. – jedoch gegen die Wiederholung alter Fehler. Genau Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, dieses deuten Sie aber in Ihrem Antrag selbst an, Stich- DIE LINKE – Zuruf von Silke Gajek, wort „öffentlich geförderte Beschäftigungsprogramme“. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Glauben Sie ernsthaft, damit sozialversicherungspflichti- ge Beschäftigung zu schaffen? In der zitierten BA-Statistik zur Langzeitarbeitslosigkeit wird nämlich ein Zusammenhang besonders deutlich, (Peter Ritter, DIE LINKE: Ja.) jener zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Schulab- schluss. Mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen Wir sind gegen die Neuauflage solcher verstaubten Pro- haben keinen Schulabschluss. Ich nehme an, dass die- jekte, sehr geehrter Kollege Ritter. ser ganz wesentliche Aspekt in Ihrem Antrag unter „mul- tiple Vermittlungshemmnisse“ zusammengefasst ist. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gerade hier lohnt aber doch der Blick ins Detail, denn Das ist doch nicht verstaubt! – obwohl Besserung in Sicht ist, bleibt in Mecklenburg- Henning Foerster, DIE LINKE: Das hat Vorpommern noch sehr viel zu tun. Noch immer gibt es in Herr Renz immer noch nicht verstanden.) M-V deutlich zu viele junge Menschen, die eine Berufs- reife gar nicht erreichen. Im Schuljahr 2010 und 2011 Die Wiederauflage wenig nachhaltiger Arbeitsbeschaf- betraf das jeden siebenten Schulabgänger. fungsmaßnahmen darf doch nicht unser gemeinsames Ziel sein! Deswegen bin ich der Auffassung, dass ein (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ öffentlicher Beschäftigungssektor die schlechteste aller DIE GRÜNEN: Tja, warum wohl?) Lösungen wäre. Wir müssen uns am ersten Arbeitsmarkt orientieren. Im Schuljahr 2011 und 2012 hat sich diese Quote leicht verbessert, zufriedenstellend ist sie deshalb aber noch (Zurufe von Minister Harry Glawe und lange nicht. Die sehr positiven Zahlen des Anteils der Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Langzeitarbeitslosen an der Gesamtarbeitslosenzahl in Süddeutschland – Bayern liegt beispielweise bei 25 Pro- Wir müssen die Menschen in reguläre Jobs bringen und – zent – hängen natürlich auch mit der Schulabbrecherzahl die eingangs zitierten Zahlen geben uns doch recht – die zusammen, denn das Risiko, ohne Abschluss die Schule Chancen hierfür stehen besser denn je. zu verlassen, ist in Mecklenburg-Vorpommern mehr als doppelt so hoch wie etwa in Bayern oder Hessen. (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich male mir die Welt, na ja. Ah, ich (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: male mir die Welt.) Ja, das kritisieren wir ja immer.) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ablehnung Hier besteht noch Handlungsbedarf in Mecklenburg-Vor- von Ausnahmetatbeständen beim Mindestlohn erhöht die pommern. Chancen von Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt gerade nicht. Dies gilt insbesondere für Mecklenburg- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ Vorpommern, denn unser Land ist geprägt von kleinen DIE GRÜNEN: Genau, ganz viel. – und mittelständischen Unternehmen, die genau auf die Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Personalkosten schauen müssen. Zum Teil gibt es er- Genau.) heblichen Druck durch günstiger produzierende Betriebe in Nachbarländern. Das bedeutet, ohne Ausnahmetatbe- Fassen Sie solche Herausforderungen doch bitte nicht stände werden die Chancen auf Integration Langzeitar- lediglich in Sammelkategorien zusammen, sehr geehrter beitsloser insbesondere in M-V minimiert. Gehen Sie zu Herr Foerster! den KMU in Ihrem Wahlkreis, die werden Ihnen das be- stätigen. Oder gehen Sie zu Ihrer Genossin Frau Land- (Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE, rätin a. D. Kassner auf Rügen, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE) (Zuruf von Minister Harry Glawe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren – zum Ab- die wird Ihnen dieses Argument bestätigen müssen, denn schluss –, ich hoffe, wir stimmen in folgenden Punkten trotz der Mindestlohnbeschlüsse der LINKEN räumte überein: Die Risiken auf den Einstieg in eine Langzeitar- Frau Kassner – in Klammern: DIE LINKE, Klammer zu –, beitslosigkeit müssen minimiert werden, Betreiberin einer Pension auf Rügen ein, dass sie gerne den Beschlüssen der Genossen entsprechen würde, nur (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.) die Einnahmen sind dafür leider viel zu gering. siehe zum Beispiel Schulabbrecherquote. (Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist falsch, Herr Kokert. Ihr Mann ist der Betreiber.) (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.) Selbst wenn Sie aber Frau Kassner ignorieren, die heuti- Und zweitens: Die Chancen zur Wiedereingliederung von ge Abstimmung im Bundestag machen Sie damit nicht Langzeitarbeitslosen müssen maximiert werden. rückgängig, denn gestern wurde der Gesetzentwurf zur Stärkung der Tarifautonomie vom Bundestag angenom- (Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. – men. In einer Woche ist dieser Gesetzentwurf im Bun- Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.) desrat. Als Wirtschaftspolitiker mit Herz und Verstand 98 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE, wenn wir die Ganztagsschule haben, endlich die Spal- und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tung in Arm und Reich aufgeben. begrüße ich ausdrücklich, dass die Ausnahmetatbestän- (Vincent Kokert, CDU: Hmmm!) de auch Bestand haben. Das werden wir morgen noch mal diskutieren, auch mit (Helmut Holter, DIE LINKE: Herr Kokert der neuen Richtlinie. Also es gibt viele Fallstricke und, ich trägt die Rede von Herrn Renz vor.) denke, da müssen wir ran.

Ich bin sehr optimistisch, dass die Abstimmung im Bun- Frau Hesse, ich würde natürlich schon gern – ich denke, desrat in der kommenden Woche daran nichts ändern auch DIE LINKE und unsere Fraktion – noch mehr erfah- wird. ren über den Familiencoach. Wir haben am Rande des Sozialausschusses darüber gesprochen. Denn das ist Ihren Antrag müssen wir aus den vorgenannten Gründen wieder etwas, was in ein System reinkommt, wo unter- leider, leider ablehnen, sehr geehrter Herr Foerster. – schiedliche Gesetze, nicht nur das SGB II, sondern das Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. SGB VIII möglicherweise mit zugezogen werden müssen, auch das SGB III, das SGB XII, also sehr viele unter- (Helmut Holter, DIE LINKE: Herr Kokert, schiedliche Sozialgesetzbücher, die auch in ihrer Logik stand da zweimal „leider“?) so sehr anders funktionieren. Von daher, denke ich, sollten wir uns diesen Bereich auf alle Fälle in den Sozi- Zweimal „leider“ habe ich interpretiert. alausschuss ziehen, um das zu begleiten und insbeson- dere die Frage der Individualität dann auch zu prüfen. (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Also was ist dort? Hat es wieder einen Projektcharakter Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ oder wird es etwas sein, wo Strukturen gestärkt werden? DIE GRÜNEN: Leider, leider!) Ich denke, diese Ad-hoc-Aktionen, die wir in den letzten Jahren kannten, sind nicht mehr zielführend und bringen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr uns da auch nicht weiter. Kokert. Sehr geehrte Damen und Herren, nun zu dem Antrag. (Peter Ritter, DIE LINKE: Erwerbsarbeit ist mehr als Geldverdienen, Erwerbsarbeit Warum braucht Herr Renz dann bedeutet auch gesellschaftliche Teilhabe und Selbstach- immer so lange für so eine Rede?) tung, kurz: das Gefühl, dazuzugehören. Im Rahmen einer Forsa-Umfrage im Februar 2014 benannten zwei Drittel Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Vizepräsidentin der Befragten die Lage am Arbeitsmarkt als Hauptprob- Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. lem in unserem Bundesland.

Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte (Vincent Kokert, CDU: Machen Sie doch Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her- nicht immer eine Problembeschreibung! ren Abgeordnete! Bevor ich einsteige, zwei Worte: Bieten Sie doch mal eine Lösung!)

Herr Kokert, auch wenn Sie das jetzt in Vertretung des Lang anhaltende Arbeitslosigkeit führt zu gesellschaftli- wirtschaftspolitischen Sprechers gemacht haben, also ich cher Exklusion. Der Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vor- habe das Gefühl, dass es manchmal so Parallelwelten pommern ist zerrissen. gibt, (Vincent Kokert, CDU: Herr Foerster (Minister Harry Glawe: bietet ja wenigstens Lösungen an.) Arbeitsmarktpolitischer Sprecher.) Abwarten! denn die Dinge, die wir hier diskutieren, sind natürlich schon mehrfach diskutiert worden, aber gerade der so- Auf der einen Seite zeichnet sich das Problem des zu- ziale Arbeitsmarkt – Herr Renz redet dann ja vom ÖBS, nehmenden Fachkräftemangels ab. Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor – (Vincent Kokert, CDU: (Vincent Kokert, CDU: Ja, den Sie jammern bloß immer.) reden Sie uns nicht schön. Den reden Sie uns nicht schön, Frau Gajek.) Ich habe einen Vorschlag. Darf ich noch weiterreden, Herr Kokert? ist schon sehr einmalig. Es ist eine Darstellung, da frage ich mich, wie das dann in zwei, drei Jahren aussieht. (Vincent Kokert, CDU: Nur nicht so lange, bitte.) Und das ist die zweite Sache: Sie kritisieren die Bildung, Herr Kokert, die kritisieren wir auch, und zwar die Aus- Auf der anderen Seite gibt es eine große Anzahl Men- grenzung. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass ... schen, denen keine Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Die Symptome einer solchen Spaltung sind wach- (Vincent Kokert, CDU: Sie kritisieren viel, sende soziale Probleme, Verteilungs- und Beteiligungs- aber Sie haben keine Lösungsmöglichkeit.) gerechtigkeit korrelieren miteinander, gesellschaftliche Ungleichheit schwächt die Demokratie. Deshalb stellt die Wir haben die vorgestellt, aber, und das muss unser Ziel dauerhafte Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit eine der sein, auch aus diesem Antrag heraus ableitend, dass wir, großen Herausforderungen am Arbeitsmarkt dar, gerade Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 99 in unserem Bundesland. Ich glaube, da sind wir uns auch Sie sind weder finanziell ausreichend ausgestattet, noch alle einig. werden sie adäquat angewendet. In ihrer Wirksamkeit bleiben sie hinter den gewünschten Zielen weit zurück. (Vincent Kokert, CDU: Tolle Feststellung!) Gemessen an ihrem Anteil wurden und werden Langzeit- arbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern unterdurch- Die Strukturen am Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vor- schnittlich gefördert. So lag ihr Anteil bei beruflichen pommern liegen weit unter dem Optimalen. Das betrifft Weiterbildungsmaßnahmen 2013 lediglich bei 11,3 Pro- unter anderem das niedrige Lohnniveau, den hohen zent. Die Zahl der Eintritte in Maßnahmen zur Förderung Prozentsatz an prekärer Beschäftigung, die stark saiso- der beruflichen Weiterbildung arbeitsloser Menschen hat nal geprägte Wirtschaft und die im Bundesvergleich im- sich im Zeitraum von 2009 bis 2013 um rund zwei Drittel mer noch hohe Arbeitslosigkeit. Es gibt in Mecklenburg- reduziert. Vorpommern trotz insgesamt sinkender Arbeitslosen- zahlen noch immer zu viele Menschen, die von lang (Vincent Kokert, CDU: Sie machen immer anhaltender Arbeitslosigkeit betroffen sind. noch Beschreibung des Zustandes.)

(Vincent Kokert, CDU: Hier besteht Einigkeit.) Das gilt auch für die Gruppen der Langzeitarbeitslosen, obwohl sie auf solche Maßnahmen in besonderem Maße Der Rückgang der Arbeitslosigkeit beruht maßgeblich auf angewiesen sind. Der Anteil der Menschen, die 2013 ihre der demografischen Entwicklung. Langzeitarbeitslosigkeit durch Beschäftigung am soge- nannten ersten Arbeitsmarkt beenden konnten, belief (Zurufe von Heinz Müller, SPD, sich im Vergleich zur Gesamtgruppe auf knapp 2,3 Pro- und Vincent Kokert, CDU) zent.

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Zahl der Angesichts verfestigter Sockelarbeitslosigkeit in unserem Langzeitarbeitslosen entgegen dem Trend stetig ansteigt Bundesland gehen die aktuellen Mittelkürzungen der und seit Herbst 2013 kontinuierlich über dem Vorjahres- Bundesregierung in die völlig falsche Richtung. Für lang- wert liegt. Hinter den abstrakten Zahlen verbergen sich zeitarbeitslose Menschen gibt es aufgrund der sogenann- Schicksale. Lang anhaltende Arbeitslosigkeit hat immer ten Instrumentenreform und der massiven Mittelkürzung individuelle Ursachen und Folgen. Deshalb bedarf es zu im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer weniger ihrer Überwindung auch der individuellen Unterstützung adäquate Angebote. mit dem Ziel, eine dauerhafte Verbesserung der Beschäf- tigungsstabilität zu erreichen. Auch da sind wir uns einig. (Vincent Kokert, CDU: Donnerwetter!)

(Vincent Kokert, CDU: Kommen So sind die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in unse- wir mal zu Ihrem Vorschlag!) rem Bundesland allein im Zeitraum 2008 bis 2012 von 253 auf 110 Millionen zurückgegangen. Dieser drastische Jenseits der Individualität kristallisieren sich einige be- Kürzungstrend ist mit dem Rückgang der Arbeitslosen- sonders vulnerable – also diese, was Sie eben sagten – zahlen nicht ausreichend zu begründen.

(Vincent Kokert, CDU: Können Sie Wir brauchen eine ehrliche Debatte über die Effektivität das noch mal sagen, das Wort?) (Heinz Müller, SPD: Aha, jetzt kommen multiple Gruppen am Arbeitsmarkt heraus. Maßnahmen, ehrliche Debatte. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU) (Vincent Kokert, CDU: Kenne ich überhaupt nicht. Wo haben und Ausstattung der bestehenden Instrumente, und wir Sie denn das abgeschrieben?) brauchen Mut

Vorrangig betroffen sind Menschen über 45, in unserem (Vincent Kokert, CDU: Bundesland sind das rund 60 Prozent der Langzeitar- Erste Anschubmaßnahme der beitslosen. Dies ist teilweise auch in biografischen Brü- GRÜNEN: eine ehrliche Debatte.) chen der Wende- und Nachwendezeit begründet. Ver- stärkend kommen individuelle Faktoren hinzu, die sind zur Erprobung neuer Ansätze und zur stärkeren Einbin- schon genannt worden, wie fehlender Schul- und/oder dung aller Akteure. Berufsabschluss und individuelle Lebensumstände. Aber auch bei denjenigen, die über eine Ausbildung verfügen, (Vincent Kokert, CDU: führt lang anhaltende Arbeitslosigkeit zu einer sukzessi- Erste inhaltliche Äußerung.) ven Entwertung der Qualifikation. Die Erkenntnis, dass über die reine Maßnahmenfinanzie- Meine sehr geehrten Damen und Herren, rung hinaus individuelle ...

(Vincent Kokert, CDU: Liebe Frau Gajek!) (Heinz Müller, SPD: Aha! Ehrliche Debatte und Erkenntnisgewinn und gut.) langzeitlose Arbeitsmenschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gelingt mit den derzeitigen arbeitsmarktpoliti- Nun lass mich doch mal ausreden! schen Instrumenten nur unzureichend. ... Betreuungsangebote, Begleitung und Coaching gera- (Heinz Müller, SPD, und Vincent Kokert, CDU: de für langzeitarbeitslose Menschen besonders wichtig Ah, jetzt kommen die Vorschläge.) sind, hat in den vergangenen Jahren bereits Eingang in 100 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 die Gestaltung einzelner, einzelner Modellprojekte ge- halben Jahr, also nach sechs Monaten beendet wird. Das funden. wäre dann, Herr Foerster hat es schon gesagt, ein Dreh- türeffekt, bei dem Beschäftigte alle sechs Monate durch Wir Bündnisgrüne wollen diese Ansätze verstärken und bisher Langzeitarbeitslose ersetzt werden. systematisieren. Dafür haben wir ein Konzept vorgelegt, den grünen sozialen Arbeitsmarkt. Wir Bündnisgrüne (Vincent Kokert, CDU: Manche betrachten langfristige Integration und Qualifizierung als laufen auch gegen die Drehtür.) vorrangig vor kurzfristiger und kurzlebiger Vermittlung. Wir gehen dabei von einer ganzheitlichen Betrachtung Diese Ausnahmeregelung muss vom Tisch, meine Da- aus. Eine zusammenhanglose Aneinanderreihung isolier- men und Herren, und dafür sollte sich unsere Landesre- ter drittmittelgeförderter Modellprojekte bildet keine gierung auch im Bund starkmachen. – Ich danke für die Grundlage für individuell orientierte Förderung und ist Aufmerksamkeit. keine stabile Basis für ein grundlegendes, grundlegendes Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik. (Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und (Heinz Müller, SPD: Wohin steuern wir denn?) Henning Foerster, DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Hat das Wir wollen einen grundlegenden Wandel in der Arbeits- ein FSJ-ler aufgeschrieben?) marktpolitik. Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau (Vincent Kokert, CDU: Gajek. Aha, grundlegender Wandel!) Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für Wir wollen langfristige Planungsperspektiven schaffen. die Fraktion der SPD.

Erlauben Sie mir abschließend zwei Bemerkungen zu (Vincent Kokert, CDU: Schwerpunkte den Aspekten der Rechtsvereinfachung im SGB II waren: ehrliche Debatte, ganzheitliche Betrachtung und grundlegender Wandel. – (Heinz Müller, SPD: Nur Worthülsen.) Minister Harry Glawe: Und der Begriff „langzeitlose Menschen“ fiel auch. – und zu den Maßnahmen beim Mindestlohn. Zuruf von Heinz Müller, SPD)

(Unruhe vonseiten der Fraktionen Martina Tegtmeier, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! der SPD und CDU) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fensterfront ist ja nicht da, nicht vertreten, Ich würde jetzt gerne in Ruhe weiterreden. (Heinz Müller, SPD: Gott sei Dank!) (Vincent Kokert, CDU: Das ist aber jetzt nicht Thema, der Mindestlohn. – Heinz Müller, SPD: dann kann man das ja ruhig mal sagen, liebe Kolleginnen Aber zwischendurch ist er doch gestattet. – und Kollegen. Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Frau Gajek, erst einmal möchte ich einleiten mit den Erstens. Wenn es noch eines Beweises dafür bedarf, Worten: Ich bin sehr froh, dass wir die ESF-Fördermittel dass die SGB-II-Regularien ein Rechtslabyrinth darstel- haben, auch wenn wir dadurch immer einen überschau- len, dann liefert ihn die Tatsache, dass bundesweit jede baren Rahmen für Programme haben, gerade was die dritte Klage gegen Hartz-IV-Sanktionen vor Gericht Erfolg Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit zum Beispiel hat. Dass die gesetzlichen Regelungen unnötig kompli- angeht. ziert sind und zu hohen Fehlerquoten führen, ist mittler- weile unstrittig. Strittig ist das Portfolio möglicher Verbes- (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ serungen. Wir Bündnisgrüne sprechen uns ganz klar DIE GRÜNEN: Genau.) gegen Verschärfungen aus. Arbeitslose und insbesonde- re langzeitarbeitslose Menschen brauchen vor allem Aber ohne diese Mittel würde hier erst mal eine riesige Unterstützung, nicht Druck. Lücke klaffen,

Zweitens. Die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: vom Mindestlohn ist inakzeptabel. Eine solche Sonderre- Das stellt ja keiner in Abrede.) gelung für Langzeitarbeitslose ist diskriminierend die wir aus eigener Kraft zurzeit jedenfalls sicherlich nicht (Henning Foerster, DIE LINKE: Richtig.) füllen könnten. und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass diese Schon wieder eine Lücke, Lücken hatten wir heute schon Personengruppe dauerhaft nicht nur vom Mindestlohn, mehrere. sondern auch von regulärer Beschäftigung ausgeschlos- sen bleibt, (Heinz Müller, SPD: Ja, Mut zur Lücke. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU) (Henning Foerster, DIE LINKE: Ganz genau.) Die Langzeitarbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern dann nämlich, wenn das Arbeitsverhältnis jeweils nur für beschäftigte uns in den letzten Jahren immer wieder und die Dauer der Förderung existiert und nach exakt einem sie wird uns auch weiterhin beschäftigen. Ich möchte Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 101 noch mal daran erinnern, dass sich die SPD auf Bundes- Amt und diese Prioritätensetzung ist daher auch lange ebene im Regierungsprogramm durchaus einen öffentli- bekannt und bereits bei der Planung des Operationellen chen Beschäftigungssektor zum Ziel gesetzt hatte, weil Programmes eingeflossen. So ist es auch folgerichtig, wir nämlich nicht der Auffassung sind wie der Kollege dass die besondere Förderung Langzeitarbeitsloser in Renz, dass jeder Mann und jede Frau, egal wie lange sie dieses Programm ihren Eingang gefunden hat, unabhän- arbeitslos und wie groß die Vermittlungshemmnisse auch gig von dem Antrag der LINKEN. sind, auf Dauer wieder in den ersten Arbeitsmarkt inte- griert werden können. Bezüglich des Anstiegs der Langzeitarbeitslosigkeit – und wir sehen das auch so, Herr Kokert, im Vergleich (Henning Foerster, DIE LINKE: zum Vorjahr ist es ein Anstieg, auch wenn das für den Da haben Sie recht.) Vormonat vielleicht nicht gelten mag – ist darüber hinaus bei uns in Mecklenburg-Vorpommern noch die bedauerli- Da weichen unsere Auffassungen ganz eindeutig vonei- che Situation zu beklagen, dass gerade im Osten unse- nander ab. res Landes durchaus auch qualifizierte und motivierte ältere Arbeitsuchende keine passenden Stellen in zu- In der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene fand das mutbarer Entfernung zum Wohnort finden. Außerdem nicht seinen Niederschlag, obwohl einige sehr wichtige weist der IAB-Kurzbericht 11/2014 darauf hin, dass gera- Weichenstellungen darin aufgenommen wurden. Ich de im Osten die spezifische Arbeitslosenquote für niedri- zitiere: „Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig wie selten ge Qualifikationen mit circa 35 Prozent gut dreimal höher zuvor. Das eröffnet Chancen bei der Bekämpfung der liegt als in Süddeutschland. Langzeitarbeitslosigkeit. Deswegen wollen wir hier einen Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik setzen. Personen, Wir haben also im Land auch noch einmal ganz spezifi- die seit vielen Jahren arbeitslos sind, finden bisher selten sche Bedarfe, mit denen wir intelligent umgehen müssen. Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Häufige Gründe sind Das Arbeitsministerium hat, wie ich finde, richtige Wei- persönliche Vermittlungshemmnisse. Deswegen wollen chenstellungen getroffen und die Regionalbeiräte gestärkt. wir Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose verstärkt Die Jobcenter sind stimmberechtigte Mitglieder in diesen in existenzsichernde Arbeit vermitteln, sie passgenau Beiräten, das bedeutet natürlich auch mehr Verantwor- qualifizieren und begleiten sowie bei Bedarf auch nach- tung in den Regionen. In Bezug auf den öffentlichen gehend betreuen“ … Beschäftigungssektor insgesamt haben wir uns hier, ich hatte es vorhin schon erwähnt, schon mehrfach ausge- Herr Foerster, wo ist er? tauscht und auch mehrfach die unterschiedlichen Mei- nungen innerhalb der Koalition hinlänglich dokumentiert. (Vincent Kokert, CDU: Da sitzt er, neben Herrn Holter.) Ich persönlich hoffe aber – und das hatten Sie vorhin in einem Halbsatz mit angesprochen, ich hoffe, dass Sie Da sitzt er, okay. Das ist auch eine Forderung Ihres An- darauf gleich noch mal ein bisschen näher eingehen –, trags zum Beispiel. also ich persönlich hatte eigentlich eine ziemliche Hoff- nung an diesen Modellversuch in Baden-Württemberg … „und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. geknüpft, diesen Aktiv-Passiv-Transfer. Darüber hatten Besonderes Augenmerk richten wir auf die Personen- wir hier auch schon ausführlich gesprochen. Ich hatte gruppe langzeitarbeitsloser Menschen, die nur mit mas- gehofft, dass dieses Projekt dermaßen erfolgreich ist, siver Unterstützung Teilhabe und Integration am Ar- dass man da wirklich Anknüpfungspunkte finden kann beitsmarkt finden können. Dieses Ziel wollen wir u. a. und noch mal Fahrt in die Angelegenheit kommt. durch ein ESF-Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose und die Gewinnung von Arbeitgebern für die Gruppe Sie haben eben in einem Halbsatz gesagt, Frau Nahles arbeitsmarktferner Personen in den Vordergrund rücken.“ hätte auf ihrer Rundreise gesagt,

(Henning Foerster, DIE LINKE: (Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist sehr problematisch. Dazu sage ich noch was, ja.) Da sag ich gleich noch was dazu.) dass noch weitere Modellprojekte in vielen Städten die- Auch der letzte Halbsatz, finde ich, ist durchaus bedeu- ses Landes nötig wären. Um das nachher vernünftig tungsvoll und sollte nicht aus den Augen verloren wer- evaluieren zu können, oder wie? Das habe ich jetzt leider den. Zur Verstetigung von Förderleistungen wollen wir nicht aus Ihren Worten herausgehört. die wirksame Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln von einer Haushaltsseite zur nächsten in der Grundsicherung Herr Foerster, Sie haben zahlreiche Einzelmaßnahmen verbessern. Auch die Übertragbarkeit steht drin. Entspre- in Ihrem Antrag beschrieben. Ob man sie gut findet oder chend der Koalitionsvereinbarung im Bund werden für nicht, festzustellen ist, dass Sie hier einen sehr bunten den Zeitraum 2014 bis 2017 1,4 Milliarden aus den Aus- Strauß zusammengefügt haben, der teilweise bereits in gaberesten der Jobcenter in Deutschland zur Bekämp- der Abarbeitung ist, teilweise bereits in früheren Diskus- fung der Langzeitarbeitslosigkeit zur Verfügung gestellt. sionen hier im Haus verworfen wurde, ergänzt durch Was das auch für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet, einige, wie mir scheint, noch nicht ganz ausgereifte As- hat die Ministerin schon referiert. Hier sprechen wir von pekte. Da möchte ich zum Beispiel die Forderung nach einem Bedarf für ungefähr 35.000 Langzeitarbeitslose, einem zusätzlichen Budget für die Jobcenter für die För- was immer noch eine viel zu große Anzahl ist. derung auf – wie ich Ihrem Antrag eigentlich nur entneh- men kann – unbestimmte Zeit erwähnen. Daher ist Ihr Ministerin Hesse hat ihr eigenes Bekenntnis zur Priorität Antrag auch nicht wirklich zustimmungsfähig. der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit abgelegt. Diese Prioritätensetzung hatte auch ihre Vorgängerin im (Heiterkeit bei Henning Foerster, DIE LINKE) 102 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Für die Weichenstellung im Land sitzen die Expertinnen Henning Foerster, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Werte und Experten unter anderem im „Bündnis für Arbeit und Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal darf ich sa- Wettbewerbsfähigkeit“ zusammen und dieses Bündnis gen, dass ich mich darüber freue, dass das seit längerer scheint mir besonders wichtig zu sein. Zum einen ist es Zeit die differenzierteste und, wie ich finde, fairste Debat- ein geeignetes Gremium, um für unser Land Positions- te zur Frage der Situation am Arbeitsmarkt war, die ich bestimmungen zu entwickeln. Besonders wichtig ist es zumindest in meinen zweieinhalb Jahren in diesem Haus nämlich, dass es ein breites Bündnis gibt, das entwickel- hier erlebt habe. te Maßnahmen auch trägt. Und dieses Bündnis, das hat sich ebenfalls darauf verständigt, dass das Thema Lang- Nun könnte ich mich natürlich hinstellen und könnte wie- zeitarbeitslosigkeit in den Fokus zu nehmen ist. Also, ich der mal sagen, ein Stück weit hat das auch Links bewirkt, glaube, hier rennen wir auch offene Türen ein. denn vor einem Jahr oder vor anderthalb Jahren war sicherlich noch nicht vorstellbar, dass eine Ministerin Aber was mich an den Ausführungen von Ministerin Hes- gerade zur Frage der Langzeitarbeitslosigkeit in die Of- se noch mal besonders bewegt: Frau Ministerin Hesse fensive geht, dass sie mit dem Thema in die Landes- hat in ihrer Rede auf die besondere Zielgruppe der ar- pressekonferenz geht, dass im Bündnis für Arbeit dar- beitslosen Familien hingewiesen. Sie hat das nicht weit über intensiv diskutiert wird. Und da laufen weitere Dinge ausgeführt, aber ich will das noch ein bisschen weiter hinter den Kulissen. Es wird an einem Format gearbeitet, tun, weil ich finde, das ist genau der richtige Ansatz. Da, gemeinsam von Politik, Erwerbslosenbeirat, Gewerk- wo Eltern arbeitslos sind, wirkt sich das auf die ganze schaften und anderen, das diesen Diskussionsprozess, Familie und insbesondere auf die Kinder aus. Das hat den wir heute sozusagen hier ein Stück weit mit eingelei- auch Herr Kokert, glaube ich, schon gesagt. tet haben, fortführen will und ausdrücklich auch fortführen soll. (Vincent Kokert, CDU: Stimmt.) Zur Frage der unterschiedlichen Bewertung von Statistik, Deshalb verdienen Eltern oberste Priorität bei der Ver- Herr Kokert, nur der Hinweis: Meine Ausführungen bezo- mittlung in Arbeit, gen sich auf die höchste Arbeitslosenquote in einem Flächenland. Dann ist das sozusagen auch ordentlich (Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe verständlich und wir sind uns an der Stelle einig. aus einer Pressemitteilung zitiert.) (Vincent Kokert, CDU: Ja.) und hier wiederum insbesondere, wie ich finde, Allein- erziehende. Das sind ja in der Regel mal wieder Frauen, Zur Frage der Notwendigkeit von Beschäftigungspro- weil sie ganz allein die Last der Unterhaltssicherung grammen: Also richtig ist, es wird ein Bundes-ESF- für sich und ihre Kinder auf ihren Schultern zu tragen finanziertes Beschäftigungsprogramm geben, das soll haben. „Perspektiven in Betrieben“ heißen. Und natürlich kann man sich jetzt hinstellen und sagen, besser als nichts, (Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: und die Sache abhaken. Ich möchte aber auf einige Ja, Niedriglohnsektor.) Probleme, die sich damit verbinden, hinweisen, denn es gibt durchaus auch sehr kritische Rückmeldungen von Zurzeit ist es aber leider umgekehrt. Kinder werden ihren denjenigen, die am Ende mit der Umsetzung solcher Eltern immer noch als Ausfallrisiko angerechnet. Das darf Programme befasst sind. man einer Arbeitsgesellschaft nicht durchgehen lassen! Solange wir es akzeptieren, dass Kinder ein Vermitt- So schrieb beispielsweise die Liga der freien Wohlfahrts- lungshemmnis darstellen, stimmt mit unserer Gesell- verbände Hessen an Bundesarbeitsministerin Andrea schaft irgendetwas nicht. Nahles zu diesem Thema Folgendes, ich darf aus dem Brief zitieren: „Es ist gut, dass Ihr Haus ein Programm Frau Ministerin Hesse, liebe Birgit, meine Erwartungen zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen plant. sind hoch, dass mit dem „Bündnis für Arbeit und Wett- Die … genannten Rahmenbedingungen zu ‚Perspektiven bewerbsfähigkeit“ endlich Fortschritte für arbeitslose in Betrieben‘ sind jedoch … völlig ungeeignet … eine Eltern erzielt werden. Und bei den arbeitslosen Eltern gilt langfristige Arbeitsmarktintegration bzw. Teilhabe von meine besondere Aufmerksamkeit, wie ich eben schon langzeitarbeitslosen Menschen auch nur annährend zu sagte, den arbeitslosen Frauen, denen der – in Anfüh- erreichen.“ Zitatende. Die kommen auch nicht von unge- rungszeichen – Familienanhang bekanntlich besonders fähr zu dieser Einschätzung, denn die haben sich mal auf die Füße fällt. Ihnen muss in Zukunft im weitaus hö- angeguckt, wie die Erfahrungen im gleichnamigen Mo- heren Maße als heute nicht nur die Arbeitsaufnahme, dellprojekt waren. Dort wurden nämlich bundesweit nur sondern die Aufnahme einer qualifizierten Vollzeitbe- 33 Personen mit Lohnkostenzuschüssen vermittelt und schäftigung mit der dazu notwendigen Absicherung von der maßgebliche Paragraf 16e im SGB II, die Förderung Kinderbetreuung ermöglicht werden. – Sehr geehrte von Arbeitsverhältnissen, wurde auch kaum umgesetzt. Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerk- Das Problem lag hier in erster Linie bei den Unter- samkeit. nehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD Also es geht darum, wenn wir nachhaltig in den Arbeits- und Vincent Kokert, CDU) markt integrieren und auch eine echte Erfolgschance damit verbinden wollen, dann müssen Maßnahmen Qua- Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Frau lifizierungsbestandteile haben, sie müssen sozialpäda- Tegtmeier. gogisch begleitet werden. Es geht darum, dass, um län- gerfristige Beschäftigung zu erreichen, externe Unter- Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr stützung auch für Arbeitgeber notwendig ist. Da kann Foerster für die Fraktion DIE LINKE. natürlich ein auf 18 Monate befristeter degressiver Lohn- Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 103 kostenzuschuss bestenfalls ein Einstieg sein, denn allein an 20 weiteren Standorten erproben zu wollen. Ich habe wird er kaum zu einer höheren Bereitschaft der Arbeitge- es ja schon einmal gesagt, vielleicht fragen Sie mal nach, ber führen, dieser Arbeitsmarktfernzielgruppe einen Ar- ob einer dieser Standorte nicht möglicherweise auch in beitsplatz anzubieten. Deswegen kann es auch keinen Mecklenburg-Vorpommern liegen könnte. verwundern, dass mittlerweile einen breites Bündnis von den Wohlfahrtsverbänden bis zu den Gewerkschaften (Vincent Kokert, CDU: Das hat allgemein einen ganzheitlichen Neustart der öffentlich die Ministerin längst erledigt.) geförderten Beschäftigung fordert. Dahinter steht eine ganz simple Erkenntnis und die lässt sich auch für unser Geprüft wird die Möglichkeit zur Einrichtung eines dauer- Land ablesbar machen, dass nämlich ein größerer Teil haften sozialen Arbeitsmarktes und der damit verbunde- der Langzeitarbeitslosen angesichts der Anforderungen nen Finanzierung ja auch laut einem Abgeordnetenbrief am heutigen Arbeitsmarkt auf längere Sicht gar keine von Frau Anette Kramme, das ist die Staatssekretärin im Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung hat. zuständigen Bundesministerium.

Was mir immer zu kurz kommt hier in der Diskussion, ist, (Vincent Kokert, CDU: Aha!) dass mal darüber diskutiert wird, was eigentlich die sozi- alpolitische Funktion von Arbeit als Sinnstifterin ist. Damit Sorgen wir also gemeinsam dafür, dass diese Prüferei verbinden sich ja soziale Kontakte, damit verbindet sich möglichst nicht bis 2017 dauert, Anerkennung über Entlohnung und andere Aspekte. Und da geht dann die Frage in Richtung der CDU. Sie haben (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) ja auch gesagt, wir müssen an dem Abbau der Langzeit- arbeitslosigkeit arbeiten, dann müssen Sie mal beantwor- und damit bis nach der nächsten Bundestagswahl, vor ten: Mit welchem Konzept und vor allem, was Sie bereit allen Dingen im Interesse der Betroffenen. sind, an Geld dafür einzusetzen? Auf die Notwendigkeit, die Mittel wieder aufzustocken, (Vincent Kokert, CDU: Anreize auf dem bin ich im Detail eingegangen. Das will ich hier an der ersten Arbeitsmarkt. Habe ich doch gesagt.) Stelle dann nicht noch einmal wiederholen. Ich will nur sagen, dass den 5,5 Milliarden, die unsere Bundestags- Eine ehrliche Diskussion über öffentlich geförderte Be- fraktion für notwendig erachtet, eine seriöse Prognose schäftigung oder sozialen Arbeitsmarkt, wie auch immer zugrunde liegt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Be- man das benennen will, die erfordert zunächst, dass man rufsforschung der Bundesagentur für Arbeit selbst geht einen gesellschaftlichen Konsens erreicht. Ich darf dann in der Prognose für 2014 davon aus, dass wir bis zu auch noch mal auf die Position des DGB verweisen. 1.965.000 Arbeitslose im SGB II haben werden. Wenn man den Betrag ansetzt, den man vor der Instrumenten- (Vincent Kokert, CDU: reform durchschnittlich pro Betroffenen investiert hat, Das muss nicht unbedingt sein.) dann kommt man exakt auf die 5,5 Milliarden.

Er sagt, wir brauchen erst mal eine klare Definition von Und dass wir insbesondere die SPD und die SPD- Zielen und eine flexible, an den Zielen ausgerichtete Arbeitsministerin dazu auffordern, immer wieder auffor- Gestaltung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Das dern, sich dieses Themas anzunehmen, das hat auch ist Fakt. etwas mit dem schon angesprochenen Bundestagswahl- programm zu tun, Frau Tegtmeier. Denn da steht – für Die Rückkehr zum flexiblen Beschäftigungszuschuss diejenigen, die es vergessen haben – habe ich in der Einbringung erläutert. Es wäre eine Möglichkeit, sich in diese Richtung zu bewegen. Die (Vincent Kokert, CDU: Frage, die immer im Raum steht, ist, wie man eine För- Da könnte doch mal der DGB derung von Langzeitarbeitslosen längerfristig finanzie- vermitteln zwischen euch beiden.) ren kann. Und da darf ich dann noch mal daran erin- nern, dass es leider bis heute nicht gelungen ist, zum eine unterstützenswerte Forderung: „Ein hohes Niveau entsprechenden Haushaltsvermerk im Bundeshaushalt der … Arbeitsförderung ist unerlässlich, um verfestigte zu kommen, der eine Möglichkeit einräumt, dauerhaft Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen“. Ich glaube, was öffentlich geförderte Beschäftigung zu schaffen. Folge- diese Zielstellung angeht, da sind wir uns einig. Aller- richtig fordern auch die unterschiedlichen Expertinnen dings bin ich der Auffassung, da gibt es noch reichlich und Experten, auch unsere Bundestagsfraktion, den Luft nach oben, und zwar nicht nur, weil ich mir das wün- Passiv-Aktiv-Tausch, also den Einsatz von Mitteln, die sche, sondern weil das im Interesse der Betroffenen ist, ich sowieso ausgeben muss – für den Regelsatz, für die sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Kosten der Unterkunft und Heizung –, endlich auch zur Finanzierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen Noch mal zur Frage Mindestlohn. Da sagte der Kollege zu ermöglichen. Kokert, das sei heute sozusagen nicht das Thema. Es ist aber leider ein Thema, weil eine der Ausnahmeregelun- An dieser Stelle müssen wir dann auch gemeinsam wei- gen genau den Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit be- ter Druck machen und damit, Frau Ministerin Hesse, Ihre trifft. Ich gehe immer noch davon aus, dass das intern ein Parteifreundin im Amt der Bundesarbeitsministerin ein- gemeinsames Anliegen von SPD, LINKEN und Gewerk- fach mal beim Wort nehmen. Auf einer Veranstaltung schaften ist, auch GRÜNEN. jüngst in Bad Kreuznach betonte Andrea Nahles, dass der Passiv-Aktiv-Tausch, der ja verschiedentlich erprobt Mal die Frage an Sie, Herr Kokert: Wissen Sie eigentlich, wurde, sozusagen noch weiter erprobt werden soll. In was Langzeitarbeitslose im ersten halben Jahr nach Gelsenkirchen hat sie im Mai angekündigt, den Passiv- einer ohnehin schwer zu erreichenden Vermittlung am Aktiv-Transfer in mindestens 20 weiteren Städten oder ersten Arbeitsmarkt durchschnittlich verdienen? 104 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

(Vincent Kokert, CDU: Nein.) danke, nämlich der einer nicht vorhandenen verwerfli- chen Gesinnung konstruiert wird. Dann will ich es Ihnen sagen: Das sind 5,70 Euro. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das sind Untersuchungen (Vincent Kokert, CDU: Das hoffen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes wir in dem Fall sogar gemeinsam.) der Hans-Böckler-Stiftung. Ich sage Ihnen, wenn das Schule macht, Durch den Verbleib dieses Ausnahmetatbestandes wer- den ihre Entgelte nach unten nur durch die allgemeinen (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Regelungen zur Sittenwidrigkeit begrenzt. Dadurch erhal- ten Unternehmen wieder einen starken Anreiz, die vor- kann es zu einem Dammbruch kommen, weil Arbeitgeber mals Langzeitarbeitslosen nach sechs Monaten zu ent- Langzeitarbeitslose dann immer mit der Begründung lassen. Deswegen ist die Befürchtung, dass diese Aus- beschäftigen könnten, sie eigentlich gar nicht zu brau- nahmeklausel eben nicht die Brücke in den Arbeitsmarkt chen. ist, die Sie immer heranziehen, um diese Frage zu be- gründen, sondern dass sie zur Drehtür wird (Vincent Kokert, CDU: Die Unternehmer schreien nach Fachkräften.) (Vincent Kokert, CDU: Aber nur, wenn man denkt, dass Deshalb bleibt festzustellen, hätten wir einen Mindestlohn alle Unternehmer Banditen sind.) für Langzeitarbeitslose, dann müssten wir über solche Exzesse überhaupt nicht diskutieren. und die Chancen auf einen dauerhaften Wiedereinstieg (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – (Zuruf von Vincent Kokert, CDU) Zuruf von Vincent Kokert, CDU) weiter verschlechtert. Die fehlende Lohnuntergrenze fördert bei Langzeitar- beitslosen zudem kurzfristige und instabile Arbeitsver- (Vincent Kokert, CDU: Das ist hältnisse. Die Untersuchungen des WSI zwischen 2008 der entscheidende Unterschied.) und 2011 zeigen, dass die Lohnhöhe nämlich nicht die entscheidende Beschäftigungshürde ist, um einen Lang- Wohin die fehlende Lohnuntergrenze führen kann, Herr zeitarbeitslosen einzustellen, denn – das habe ich Ihnen Kokert, das darf ich Ihnen dann auch noch mal vor Au- hier auch schon häufiger erzählt – die wirkliche Hürde ist, gen führen. Es gibt … dass diese Menschen häufiger von mehrfachen Vermitt- lungshemmnissen, angefangen bei Krankheit, über ge- (Vincent Kokert, CDU: Gehen Sie doch ringe Qualifikation, mangelnde Mobilität und so weiter, mal auf meine Zwischenrufe ein und betroffen sind. Das ist der entscheidende Faktor. Die dann können Sie weiterreden!) sozialintegrative und sozialpädagogische Begleitung

Ja, ja, Sie haben vom Banditentum unter den Unterneh- (Vincent Kokert, CDU: Aber Sie mern gesprochen. Ich glaube, das spricht für sich selbst. haben doch eben den Mindestlohn gefordert. Das war ich doch nicht.) (Vincent Kokert, CDU: Sie sprechen davon, nicht ich. – und die Hilfe beim Abbau dieser Probleme … Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!) (Vincent Kokert, CDU: Sie waren So einen Quatsch würde ich nie in den Mund nehmen. doch für den Mindestlohn und jetzt widerlegen Sie Ihre eigene Aussage.) (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD) Dann haben Sie nicht richtig zugehört.

Aber es gibt natürlich Beispiele, die erschreckend sind, (Vincent Kokert, CDU: Ja, dann wiederholen Sie das noch mal, damit ich es auch (Vincent Kokert, CDU: Da gebe ich verstehe! Dauert ein bisschen länger.) Ihnen ja recht, aber Sie pauschalisieren.) Was ich besonders problematisch finde, ist die Prognose und ein aktuelles, das darf ich Ihnen dann auch mal der Forschung, dass die Ausnahme vom Mindestlohn vor Augen führen: Das Arbeitsgericht Cottbus hat im das Interesse von Unternehmen an einer langfristigen April 2014 zu folgendem Sachverhalt ein Urteil gefällt. Förderung möglicherweise sogar konterkarieren könnte. Da hatte das dortige Jobcenter gegen einen Anwalt aus Großräschen, der zwei Bürokräfte zu Stundenlöhnen Und noch eine Bemerkung: Das Gesetz heißt ja „Gesetz von 1,54 Euro beziehungsweise 1,65 Euro beschäftigte, zur Stärkung der Tarifautonomie“. Auch tarifpolitisch ist geklagt. Das Urteil lautete zusammengefasst, die Löh- diese Ausnahme vom Mindestlohn bei Langzeitarbeitslo- ne, die da gezahlt wurden, sind sittenwidrig, aber nicht sen widersinnig. Das WSI weist darauf hin, dass es für ausbeuterisch, da es sich um eine Gefälligkeit des An- die Unternehmen jetzt unattraktiver wird, nach Tarif zu walts gehandelt habe, um den Betroffenen den Wieder- bezahlen. Der Grund dafür ist folgender: Nur wer nicht einstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Also da kann tarifgebunden ist, kann den Mindestlohn bei Langzeitar- man dann nur hoffen, dass die Berufungsinstanz, das beitslosen bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit, also bis zu Jobcenter hat nämlich angekündigt zu klagen, dieses einem Drittel weniger beziehungsweise bis 5,67 Euro Urteil korrigiert, weil sonst ein völlig neuer Rechtsge- unterschreiten. Da, wo es nämlich Tarifverträge gibt, Herr Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 105

Kokert, schützen diese in der Regel auch gering qualifi- tigen Bewilligungszeitraum gegangen werden soll, dann zierte Kolleginnen und Kollegen. erleichtert das den Kollegen im Jobcenter die Arbeit und es ist auch positiv für die Hartz-IV-Empfängerinnen und Und der letzte Punkt: Rechtsvereinfachung im SGB II. -Empfänger. Also wenigstens teilweise scheinen mit der Überar- beitung massive Eingriffe in die Grundrechte der Be- Ich will nur zum Ausdruck bringen, dass mich beim troffenen verbunden zu sein. Schon die Einführung von Gesamtpaket das ungute Gefühl beschleicht, dass ein Hartz IV stand ja unter dem Eindruck, dass vor Bezug tatsächlicher Neustart in Sachen öffentlich geförderter einer Leistung die totale Entblößung der persönlichen Beschäftigung zumindest dadurch erschwert werden Lebensumstände erforderlich ist. Vorgeschlagen werden könnte – ich will das bewusst in den Konjunktiv setzen –, nun unter anderem eine weitere Erhöhung des automati- dass noch repressiver auf Hartz-IV-Empfängerinnen sierten Datenabgleichs, und -Empfänger eingewirkt wird.

(Vincent Kokert, CDU: Das steht alles Ich glaube, unser heutiger Antrag und die Diskussion schon in Ihrer Begründung. Das brauchen dazu haben deutlich gemacht, vor welchen Herausforde- Sie uns nicht noch mal vorzulesen, das rungen wir tatsächlich stehen. – Ich danke Ihnen für Ihre ist wortwörtlich das Gleiche.) Aufmerksamkeit. die Hinzuziehung der Daten von Versicherungsunter- (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) nehmen sowie das Ausspähen aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, ganz gleich, ob sie Leistungen Präsidentin Sylvia Bretschneider: Vielen Dank, Herr beziehen oder nicht. Foerster.

Und jetzt hören Sie sich vielleicht mal an, was auch un- Ich schließe die Aussprache. ser Landesdatenschutzbeauftragter dazu gesagt hat, Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der (Vincent Kokert, CDU: Das hab ich. Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3061. Wer dem Das steht in Ihrer Begründung. zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Hand- Das habe ich alles schon gelesen.) zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthal- tungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der und zwar im Detail. Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3061 bei Zustim- mung der Fraktionen der LINKEN und der GRÜNEN und (Vincent Kokert, CDU: Das steht Gegenstimmen der Fraktionen von SPD und CDU abge- da drin, lesen Sie es sich durch!) lehnt.

Na, das glaube ich nicht, dass das im Detail da drinsteht. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Förderung der „Ge- Also verschiedene Linksfraktionen in Thüringen, sundheitswirtschaft“ im neuen Haushalt bündeln, auf Drucksache 6/3057. (Vincent Kokert, CDU: Sie reizen mich fast, noch mal ans Pult zu gehen!) Antrag der Fraktion DIE LINKE Förderung der „Gesundheitswirtschaft“ in Berlin, auch in Mecklenburg-Vorpommern haben sich im neuen Haushalt bündeln mit diesem Anliegen an den für Datenschutz verantwort- – Drucksache 6/3057 – lichen Landesbeauftragten gewandt und im Detail ist den Papieren aus Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Folgendes zu entnehmen: Koplin für die Fraktion DIE LINKE.

„Die Erhöhung des bislang einmal im Quartal vollzoge- Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Sehr nen Datenabgleichs auf eine monatliche Frequenz auf- geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2005 begann eine grund des starken Eingriffs in das Grundrecht auf infor- Erfolgsgeschichte bei uns im Land, die nationalen Bran- mationelle Selbstbestimmung ist abzulehnen.“ chenkonferenzen – im Mai dieses Jahres in Warnemün- de – gingen an den Start und die haben etwas sehr Ver- Zweitens. „Dass die Erweiterung des Datenabgleichs um dienstvolles gleich zu Beginn dieser langen Reihe von Vermögensanlagen nicht notwendig ist, da bereits im beachtenswerten Veranstaltungen getan: Sie haben Rahmen des Datenabgleichs nach § 45d Abs. 1 Ein- definiert, was man unter „Gesundheitswirtschaft“ verste- kommenssteuergesetz Kapitalerträge ermittelt werden.“ hen darf, sonst ist das ja eher so eine Art Kunstbegriff. Gesundheit und Wirtschaft, wie passt das zusammen? Oder: „Die Ausweitung des Datenabgleichs auf alle Mit- Wir haben damals gesagt, Gesundheitswirtschaft um- glieder der Bedarfsgemeinschaft ist abzulehnen, da re- fasst all das an Erstellung und Vermarktung von Gütern gelmäßig auch Partner ohne Leistungsbezug betroffen und Dienstleistungen, was der Bewahrung und Wieder- sein könnten. In diesem Fall wäre der Eingriff in Grund- herstellung von Gesundheit dient. rechte der Betroffenen nicht zu rechtfertigen.“ Das Spektrum der Unternehmen, der Institutionen, der Nicht meine Worte, sondern die Worte unseres gemein- Einrichtungen, die der Gesundheitswirtschaft zuzuordnen samen Landesbeauftragten für den Datenschutz. sind, ist immens. Das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen hat die Akteure in der Gesundheitswirt- Natürlich gibt es auch soziale Aspekte, da gibt es Dinge, schaft vor einigen Jahren mal in einem sogenannten die vernünftig sind. Also wenn jetzt auf einen zwölfmona- Zwiebelmodell versucht zu visualisieren und zu illustrie- 106 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 ren, wer gehört da eigentlich dazu. Und im Kern, dieses Wunden heilen nie zu, das sind diese chronischen Wun- haben sie sich patentieren lassen, im Kern dieses Zwie- den, und da haben die in Greifswald etwas entwickelt mit belmodells sind die stationären und ambulanten Versor- diesen Plasmateilchen. gungseinrichtungen des Gesundheitswesens abgebildet. (Vincent Kokert, CDU: (Vizepräsidentin Silke Gajek Plasma-Pen heißt das.) übernimmt den Vorsitz.) Ja, dieses. Das ist so ein kleiner Stift, genau. Also ich bin Umgeben wird dieser Kernbereich von den Einrichtungen beeindruckt, dass Sie das so alles draufhaben. der Gesundheitsverwaltung, vom Kur- und Bäderwesen, von den Apotheken sowie der Selbsthilfe. Ein weiteres (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Tja.) Segment der Gesundheitswirtschaft bilden die, die mit Biotechnologien, mit Medizin- und Gerontotechnik, mit Na gut, bei einer Wirtschaftspartei muss man das er- dem Gesundheitshandwerk, mit der Produktion von warten. pharmazeutischen Erzeugnissen befasst sind, sowie die, die Handel mit Gesundheitsprodukten betreiben, und die, (Vincent Kokert, CDU: Ich bin die Gesundheitsberatung durchführen. Zur Gesundheits- Generalist, das wissen Sie doch.) wirtschaft gehören schließlich noch Unternehmungen des Gesundheitstourismus, des Wellness, von Sport und Ich darf mich noch wundern, Freizeit, des betreuten Wohnens sowie von den Akteu- ren, die mit gesunder Ernährung befasst sind. Das ist (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.) immens viel. aber gleichwohl, allein die Tatsache, dass wir uns mit In einem Vorgespräch haben Herr Gundlack und ich diesem Thema derartig befassen, zeigt, dass wir zumin- schon mal darüber geredet, was gehört eigentlich dazu. dest in dieser Frage nahe beieinander sind, Das ist ein ganz breites Spektrum. Wenn man die alle aneinanderreiht, könnte man kaum glauben, dass die so (Vincent Kokert, CDU: Ganz klar, ganz klar. – miteinander zu tun haben, aber alle die aufgezählten Zuruf von Minister Harry Glawe) Unternehmungen haben mit der Gesundheitswirtschaft im engeren beziehungsweise im weiteren Sinne zu tun. uns dafür interessieren, Herr Glawe, dass wir uns ge- meinsam dafür interessieren, was die Forscherinnen und Zusammengenommen, das ist das Beachtliche, sind in Forscher und die Unternehmen hierzulande zustande all den genannten Bereichen in unserem Bundesland bringen. über 100.000 Menschen beschäftigt. Mehr als jede oder jeder siebente sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Also mit diesem kleinem Stift, unscheinbar geradezu, und arbeitet in diesen Bereichen der Gesundheitswirtschaft. mit diesen Plasmastrahlen erreichen die mit einer hohen Sie erzielen eine immense Bruttowertschöpfung von über Trefferquote, dass solche schwer heilenden Wunden 4 Milliarden Euro. Im Rahmen dieser werden grandiose geschlossen werden und somit offene Beine und auch Dinge erforscht und entwickelt. Zwei will ich mal ganz schwerwiegende Erkrankungen oftmals einer Heilung kurz benennen. Es fasziniert mich immer wieder zu le- zugeführt werden können. Das ist toll und das zeigt, dass sen, zur Kenntnis zu nehmen, was Forscherinnen und der Anspruch, den wir haben, den wir als Landtag auch Forscher hierzulande auf den Weg bringen, um nur mal in vorherigen Legislaturperioden formuliert haben, wir ein kleines Segment aus der Gesundheitswirtschaft her- wollen Gesundheitsland Nummer eins werden, gar nicht auszugreifen. so eine Illusion ist, sondern dass durchaus viele Sachen zu vermerken sind, wo wir auf einem guten Weg sind, wo So ist im Jahr 2008 bekannt geworden – die Forschungs- sich einiges tut. reihe lief zu dem Zeitpunkt schon vier Jahre –, dass ein Expertenteam der Uni Rostock mit zwei Schrauben aus Aber Gesundheitsland Nummer eins zu sein, bedeutet Elektroden und einer elektrischen Spule Knochenzellen eben, spitze sein bei der Entwicklung innovativer medizi- wachsen lassen und auf diese Art und Weise dafür sor- nischer und medizintechnischer Leistungen – zwei hatte gen kann, schwer heilende Knochenbrüche bei der Kno- ich eben ganz kurz skizziert –, vorne zu sein, was die chenneubildung zu unterstützen. Auch können hierdurch gesundheitliche Situation der Bevölkerung betrifft – da viele Hüftoperationen, das ist also sozusagen auch der verweise ich nur auf die Gesundheitsberichterstattung –, gesundheitliche Mehrwert – in Anführungsstrichen –, und vorbildlich zu sein in Fragen der Prävention. Und all viele Hüftoperationen mit Protheseneinsatz vermieden diese Ansprüche, Gesundheitsland zu sein, das zu errei- werden. Die Erfolgsquote, die sie 2008 aufzuweisen chen, was ich gerade sagte, haben andere Bundesländer hatten, lag damals bereits bei 80 Prozent. aber auch. Niedersachsen beispielsweise hat deshalb einen Masterplan Gesundheitswirtschaft aufgelegt und Faszinierend ist auch, was Forscherinnen und Forscher Schleswig-Holstein, unser Nachbarland, strebt das Prä- des Leibniz-Institutes für Plasmaforschung in Greifswald dikat „Gesundheitsland“ ebenfalls an und forciert in die- bei der Wundheilung mittels Plasmatherapien vorzuwei- sem Zusammenhang die gesundheitswirtschaftlichen sen haben. Potenziale genauso wie wir.

(Vincent Kokert, CDU: (Minister Harry Glawe: Wir sind besser.) Sehr gutes Unternehmen.) Worauf will ich hinaus, Herr Glawe? Wir wissen das ganz Ja. Also ich wusste das vorher nicht, was die so machen, genau: Wir sind in einem ganz harten Konkurrenzwett- und war nicht schlecht erstaunt. Wir wissen, dass gerade bewerb und müssen uns kräftig nach der Decke stre- bei älteren Menschen Wunden schwerer heilen. Manche cken, dass wir da was reißen, wie man so lax formuliert. Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 107

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU) (Vincent Kokert, CDU: Ach so, nachher redet der Fraktionsvorsitzende.) Aus all dem wächst dann letztlich die Herausforderung, unsererseits ebenfalls alles in die Waagschale zu werfen, und weiß natürlich noch, … um den Bereich Gesundheitswirtschaft zu stärken. Dies ist angezeigt, weil es zwischen der Gesundheitswirtschaft Ja, der Fraktionsvorsitzende. Das ist bei uns auch eine als Leit- und Zukunftsbranche und dem Anspruch, Ge- Chefsache, das Thema. sundheitsland Nummer eins sein zu wollen, einen direk- ten Zusammenhang gibt. Insofern gilt es, systematisch (Helmut Holter, DIE LINKE: Ich halte aber und konzertiert vorzugehen. meine Rede, nicht die von Herrn Renz.)

Die inhaltlichen Grundlagen haben wir mit dem Masterplan … und er weiß natürlich genau, wo, wie man so sagt, der Gesundheitswirtschaft 2020, das ist eine Fortschreibung Hase im Pfeffer liegt. dessen von 2010. In dem Masterplan für 2020 sind fünf Gestaltungsfelder benannt worden und ein Aktionsplan (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) wurde entwickelt, Projekte wurden aufgelegt und Teilpro- jekte unterlegt. Das ist sozusagen auch untersetzt mit den Aber ein Kritikpunkt, den wir ausgemacht haben, ist die Unternehmungen und den Akteuren, die sich in unserem Zersplitterung der einzelnen Fördermöglichkeiten und die Land auf diesem Gebiet verdient machen. Und letztlich, Zersplitterung letztendlich auch dieser ganzen Haushalts- wenn man diese Projekte und Teilprojekte zusammen- titel, die mit diesem Thema verbunden sind. nimmt, kommt eine immense Summe an Investitionen heraus. Das ist wirtschaftsbelebend, und letztendlich wich- Insgesamt, Herr Glawe, sind fünf Ministerien mit der tig, um auch zu erreichen, dass wir Gesundheitsland Gesundheitswirtschaft befasst, fünf verschiedene Einzel- Nummer eins sein können. Die Frage ist nur: Kriegen wir pläne werden angefasst, und die Frage ist immer, ob das auch umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben? diese einzelnen Projekte und Teilprojekte passgenau sind zu dem, was im Haushalt, in den Haushaltstiteln (Vincent Kokert, CDU: Da ist verankert ist. der Minister ganz vorneweg.) (Egbert Liskow, CDU: Natürlich!) Und da ist unsere Wahrnehmung zumindest – und des- wegen, das war die Motivation für unseren Antrag –, ist Nach unserer Wahrnehmung passt das nicht so richtig unsere Wahrnehmung, das stockt. zusammen. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, es kann optimiert werden, es kann noch besser laufen, (Vincent Kokert, CDU: Nein. – wenn wir mit dem nächsten Haushalt … Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wie kommen Sie darauf?!) (Vincent Kokert, CDU: Soll denn der gesamte Haushaltstitel beim Wirtschafts- Sie können gerne erwidern und sagen: Mensch, da sieht ministerium zusammengeführt werden, er mal gerade wieder das Glas halb leer, oder wie ist da Ihre Planung?)

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist eine Überlegung, das machen übrigens welche. Wie kommen Sie darauf, dass es Das machen welche, das muss man sich aber genau stockt? – Helmut Holter, DIE LINKE: angucken. Das erkläre ich nachher.) (Vincent Kokert, CDU: Dann wäre das der bei uns ist alles auch an dieser Stelle wunderbar. Das Vorschlag der LINKEN, entsprechend?) wird dann nachher im Debattenbeitrag noch mal, denke ich, vertieft. Der Vorschlag von uns, der ist niedergeschrieben. Unser Antrag ist selbsterklärend. Sie täten gut daran zu sagen, Da gibt es – Herr Glawe, da werden Sie mir recht geben –, na ja, auch wenn wir die Auffassung der LINKEN nicht eins zu eins teilen, lassen Sie uns das Ganze noch mal (Andreas Butzki, SPD: vertiefend in den Fachausschüssen behandeln, Sie sollten zum Plenum sprechen!) (Vincent Kokert, CDU: Sie gehen jetzt da gibt es auf alle Fälle Dinge, die besser werden können schon von einer Ablehnung aus. – und besser werden müssen. Helmut Holter, DIE LINKE: Das noch nicht. Wir sind Optimisten.) (Vincent Kokert, CDU: Wenige, wirklich wenige.) wischen Sie es nicht vom Tisch, das ist meine Botschaft an dieser Stelle. – Ich bedanke mich recht herzlich für die Mag sein, dass es wenige sind, aber es sind schwerwie- Aufmerksamkeit und freue mich auf die interessante gende. Debatte.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nein, das sind viele. – (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE) Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Vizepräsidentin Silke Gajek: Ja, danke, Herr Koplin.

Ja, ja, aber mein Fraktionsvorsitzender ist in den ent- Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit sprechenden Gremien auch präsent einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe 108 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlos- für dieses Ansinnen durchaus bedanken sen. Ich eröffne die Aussprache. (Vincent Kokert, CDU: Siehste!) Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Bau und Tou- rismus Herr Glawe. und für das Engagement der letzten Jahre. Das muss man auch mal sagen. Ich glaube, dass das natürlich Minister Harry Glawe: Sehr geehrte Frau Präsidentin! ebenfalls für alle anderen Fraktionen gilt, aber wenn man Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! in dieser Frage mal der Opposition Dank sagen kann, Gesundheitswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern, das mache ich das hier gern, weil das Feld „Gesundheitswirt- Ziel ist, Gesundheitsland Nummer eins in Deutschland zu schaft“ es verdient hat, parteiübergreifend vernünftige werden. Ich denke, dass wir seit über zehn Jahren auf Politikfelder abzustecken. einem guten Weg sind – Kollege Koplin hat das schon vorgetragen –, und es gab weitestgehend parteiübergrei- Die Forderung nach einem eigenen Haushaltstitel hat fend und fraktionsübergreifend eigentlich in der Zielrich- auch Professor Klinkmann aufgemacht, wegen der Ge- tung gar keinen Streit. Das, was DIE LINKE jetzt vor- sundheitswirtschaft … schlägt, ist ja eine Bündelung von Haushaltstiteln in Höhe von 450 Millionen Euro. (Vincent Kokert, CDU: Kennen die sich?)

(Andreas Butzki, SPD: Mehr nicht?) Ja, sie waren alle da

Das ist ja zumindest aus der Gesundheitswirtschaft vor- (Vincent Kokert, CDU: Ach so!) getragen worden. auf der jüngst stattgefundenen 10. Nationalen Branchen- Ich will darauf hinweisen, dieses Zwiebelmodell ist be- konferenz. Das ist ja öffentlich diskutiert worden, vorge- kanntermaßen aus NRW, aus Bochum. Herr Koplin hat tragen worden, und der Urheber war Professor Klink- das auch erwähnt. All diese Dinge sind wichtig. mann.

Für uns geht es in erster Linie darum, Cortronik voranzu- (Vincent Kokert, CDU: Ach so!) bringen, dort voranzubringen, Technologiezentren/Inno- vationszentren zu entwickeln, und da haben wir jetzt Ich vermute, dass Professor Klinkmann auch mit allen mittlerweile zwei. Das eine ist in Rostock-Warnemünde gesprochen hat, und DIE LINKE diesen Antrag jetzt vor- und das andere wird demnächst in Greifswald-Karlsburg legt. Ja? ans Netz gehen, zumindest mit der Grundsteinlegung. Dann, denke ich, sind die Rahmenbedingungen für die (Vincent Kokert, CDU: Ach so!) Gesundheitswirtschaft, für die Forschung und für neue Innovationen im Bereich von Wirtschaft und Wissen- So könnte es gewesen sein. schaft deutlich besser. Die Rahmenbedingungen werden dafür Sorge tragen, dass wir in dem Bereich auch neue (Helmut Holter, DIE LINKE: Pilotprojekte, neue Instrumente und neue innovative Wir hören eben auf Volkes Meinung.) wissenschaftliche Ergebnisse in den nächsten Jahren entwickeln können, die weltmarktfähig sind. Das ist das Meine Damen und Herren, auch wir wollen natürlich vor Ziel. allen Dingen die Transparenz der öffentlichen Leistungen und ich als Minister kann mich bei diesem Thema Ge- Die Fraktion DIE LINKE hat einen Antrag in den Landtag sundheitswirtschaft, das wir ja federführend im Wirt- eingebracht, hinter dem interessante Überlegungen ste- schaftsministerium haben, es obliegt uns, durchaus mit cken. Auf den ersten Blick klingt das durchaus plausibel dem Gedanken anfreunden. Aber schauen wir mal ge- nauer hinter die Kulissen, dann wird wohl sehr schnell (Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!) klar, dass dies längst nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. und auch sachgerecht, das ist in der Sache nicht zu bestreiten, (Henning Foerster, DIE LINKE: Einfach können die anderen. – (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Torsten Koplin, DIE LINKE: Einfach können Das ist schon mal was wert.) wir immer. Wir machen das Schwere.) einem wichtigen Wirtschafts- und Wachstumsbereich Die Gesundheitswirtschaft ist ein Querschnittsbereich der unseres Landes, wie es die Gesundheitswirtschaft nun deutschen Wirtschaft, sie „umfasst die Erstellung und mal ist, einen Haushaltstitel direkt zuzuordnen, und zwar Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen, die der komplett im Wirtschaftsministerium. Bewahrung und Wiederherstellung von Gesundheit die- nen“, nachzulesen im Ergebnisbericht „Nationale Bran- (Vincent Kokert, CDU: Ja. – chenkonferenz Gesundheitswirtschaft 2005“. Herr Koplin Helmut Holter, DIE LINKE: Das könnte hat auch teilweise daraus zitiert. doch den Wirtschaftsminister freuen.) (Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU: Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei Ihnen, Herr Er hat sich bemüht, daraus zu zitieren.) Holter, Den Kernbereich der Gesundheitswirtschaft bildet das (Vincent Kokert, CDU: Gesundheits- und Sozialwesen mit der stationären und Für das Vertrauen bedanken.) ambulanten Gesundheitsversorgung. Um diesen Kern Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 109 herum gruppieren sich zahlreiche wirtschaftliche Akteure Forschungsaktivitäten der Wirtschaft zu erhöhen. Die aus dem verarbeitenden Gewerbe, dem Handel, dem forschungsbezogene Zusammenarbeit mit den For- Gesundheitstourismus sowie aus weiteren Wirtschafts- schungseinrichtungen zu verbessern, bleibt eine der zweigen, die im engeren beziehungsweise weiteren Sin- Hauptaufgaben. Noch eindeutiger und eindringlicher wird ne mit dem Thema Gesundheit verbunden sind. Das dies, wenn wir uns verdeutlichen, dass die Unterstützung dargestellte Zwiebelmodell ist im Masterplan Gesund- der Gesundheitswirtschaft nicht allein durch das Wirt- heitswirtschaft abgebildet. schaftsministerium erfolgt.

Das Bundeswirtschaftsministerium ordnet unter volks- Wir haben gerade im Zusammenhang mit den Leitprojek- wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Branche der Ge- ten Gesundheitswirtschaft für die kommenden Jahre, die sundheitswirtschaft gegenwärtig 36 Wirtschaftszweige durch das Kuratorium – also auch Herr Holter sitzt da – zu, darunter die direkt zugehörigen Wirtschaftszweige bestätigt worden sind, erörtert, dass sich alle Ressorts wie Medizintechnik und Pharmaindustrie, aber auch dieser Verantwortung stellen müssen. Erfolgt die Förde- solche Wirtschaftszweige mit dem Bezug zur Gesund- rung eines Leit- oder Teilprojektes durch ein anderes heitswirtschaft, wie zum Beispiel Biotechnologie, Touris- Ressort, zum Beispiel durch das Landwirtschaftsministe- muswirtschaft – hier in besonderer Weise Gesundheits- rium, fließen diese Mittel hierfür natürlich aus dem für tourismus –, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – hier dieses Haus vorgesehenen Einzelplan in einen Haus- altersgerechtes Wohnen –, Ernährungswirtschaft, Ernäh- haltstitel, um dann das Projekt zu fördern. Hinzu kommt, rung für die Gesundheit, Informations- und Kommunikati- dass wir die verschiedenen Maßnahmen der Gesund- onstechnologie, Telematik, Telemedizin und auch die heitswirtschaft in der Hauptsache über europäische För- Automobilbranche – hier in besonderer Weise altersge- dermittel fördern und uns hier natürlich durch die Europä- rechte Innenraumgestaltung – sind ein Thema. Also Sie ische Kommission auch an die Systematik gebunden sehen, die Spanne ist breit. fühlen. Das Operationelle Programm ist dazu da und die einzelnen Strukturfonds müssen gehalten werden. In all diese Bereiche fließen auch öffentliche Mittel. Schon unter diesem Aspekt wird deutlich, dass die Zu- Hierbei ordnen sich natürlich mehrere Maßnahmen ei- ordnung zur Verfügung stehender Mittel, die die öffentli- nem thematischen Ziel unter. che Hand direkt oder auch indirekt für die Branche der Gesundheitswirtschaft zur Verfügung stellen will, nicht in (Torsten Koplin, DIE LINKE: Es geht da einem Haushaltstitel veranschlagt werden kann. Das, auch noch um eine Maßnahmegruppe.) glaube ich, haben diese Beispiele zumindest schon be- legt. Die Steigerung von Wachstum und Beschäftigung hat die höchste Priorität und ist umzusetzen. In der Gesund- Lassen Sie es mich jetzt noch mal deutlicher sagen: Mein heitswirtschaft gilt das als ein spezielles Ziel im Operatio- Haus verwendet an verschiedenen Stellen Mittel für die nellen Programm, in den Europäischen Fonds für die Gesundheitswirtschaft. Zum einen erfolgt dies ganz konk- regionale Entwicklung EFRE und natürlich geht es auch ret durch das Fachreferat Gesundheitswirtschaft, hier darum, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU, zum Beispiel die Finanzierung des Dienstleistungsvertra- der kleinen und mittleren Unternehmen weiter systema- ges mit BioCon Valley zur Koordinierung von Maßnah- tisch zu unterstützen. Auch da geht es um die Entwick- men der Gesundheitswirtschaft und die Förderung von lung neuer Produkte, um eine Vernetzung zwischen Projekten im Rahmen von Ideenwettbewerben zur Ge- Wirtschaft und Wissenschaft. All das bleibt auch weiter sundheitswirtschaft, mit welchen wir insbesondere Netz- Ziel in der Gesundheitswirtschaft allgemein. werkaktivitäten und Marketingmaßnahmen unterstützen. Netzwerke sind auch in der Gesundheitswirtschaft äu- Wir haben allein für die Förderung im Dienstleistungsver- ßerst wichtig. Zum anderen kommt über das Technolo- trag zu BioCon Valley eine deutliche Steigerung vorge- giereferat die Förderung von wirtschaftsnaher Forschung, sehen von 13 Millionen. Im Zeitraum 2007 bis 2013 wur- Entwicklung und Innovation hinzu, die sich teilweise de das Fördervolumen auf 20,8 Millionen bis 2020 aufge- ebenfalls auf den Bereich der Gesundheitswirtschaft stockt. Insgesamt geht es also darum, auch weiter die beziehen. Haushaltstitel in den Bereichen zu belassen.

Ferner unterstützen wir im Rahmen der Wohnungs- Ich kann Ihr Anliegen verstehen, aber von der Systematik bauförderung vielfältige Maßnahmen, die in Bezug zur und dem Haushaltsansatz her kann ich diesem Antrag Branche der Gesundheitswirtschaft stehen. Ich will da nicht zustimmen und der Fraktion, meiner Fraktion und auch das Modellprojekt „Dorf im Dorf“ mal genannt ha- auch dem Hohen Haus nicht empfehlen, den Antrag ben, auch das ist so ein Thema. Mein Verständnis der anzunehmen. Andererseits, glaube ich, bleibt das Ziel, Transparenz öffentlicher Leistungen sagt mir, dass aus Gesundheitsland, Gesundheitswirtschaft als wichtige einem Haushaltstitel heraus all die Dinge nicht bedient Bausteine für die nächsten Jahre nicht aus den Augen zu werden können, weil sie teilweise aus verschiedenen verlieren und da in besonderer Weise Gas zu geben, Fördertöpfen kommen. denn die Gesundheitswirtschaft bietet Chancen.

(Vincent Kokert, CDU: Aus all den genannten Gründen bitte ich Sie aber, diesen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. – Antrag abzulehnen. Vom Ziel her, Förderung der Gesund- Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE) heitswirtschaft insgesamt, glaube ich, sind wir nicht weit entfernt. Wir haben in den nächsten Jahren zusammen Ja, meine Damen und Herren, von daher glauben wir, alle noch viel vor. Dazu lade ich natürlich weiterhin die dass es darum geht, einerseits Forschung und Entwick- Opposition zu den Gesprächen ein, die wichtig sind, um lung voranzutreiben, Implantate- und Medizintechnik die Zielrichtung auch weiter auszutarieren. – Vielen Dank. zuzuordnen – es bleiben auch die F&E-Förderungen weiter Schwerpunktthema in unserem Haus – und die (Beifall vonseiten der Fraktion der CDU) 110 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Glawe. (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Jochen Schulte, SPD: Och, du willst doch Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Gundlack von jetzt nicht auf seine Figur anspielen? – der SPD-Fraktion. Vincent Kokert, CDU: Das war hoffentlich auf die Rede bezogen.) Tilo Gundlack, SPD: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das hoffe ich mal auch, das hoffe ich mal jetzt auch. Ich hoffe zumindest, Herr Schulte meint das nicht so, wie er Herr Kollege Koplin, Sie haben gesagt, Ihr Antrag ist es gesagt hat. Oder doch? selbsterklärend – für mich aber nicht. (Torsten Koplin, DIE LINKE: (Torsten Koplin, DIE LINKE: Oh!) Da solltet ihr mal miteinander reden.)

Also ich weiß nicht, was daran selbsterklärend sein soll. Wir sollten mal miteinander reden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: (Jochen Schulte, SPD: Na, es gibt immer welche, die eine Tilo, ich habe nicht dich gemeint.) Erklärungshilfe brauchen. Das ist so.) Ja, ist schon klar, ich habe es verstanden. Gut, versu- Ich möchte jetzt gar nicht allgemein auf das Thema Ge- chen wir, ernst zu bleiben oder wieder ernst zu werden. sundheitswirtschaft eingehen, weil es darum eigentlich in diesem Antrag auch gar nicht geht. Es geht einfach darum, Ich kann Ihnen gleich sagen, wir lehnen diesen Antrag die Systematik im Haushaltsplan zu bündeln, mehr nicht. ab, weil wir ihn nicht für sachdienlich halten.

(Zuruf aus dem Plenum: (Vincent Kokert, CDU: Können wir das mal zuziehen?) Weil der Minister ihn auch ablehnt.)

Ja, das wäre ganz gut. Sie schreiben in den Antrag rein, dass Sie zwar einiges zusammenlegen wollen, aber Sie schreiben nicht genau (Die Fenster im Plenarsaal werden verdunkelt.) rein, was Sie genau zusammenlegen.

Das eine, was mich jetzt erst mal interessiert, (Torsten Koplin, DIE LINKE: Kriegen Sie.)

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) Wollen Sie jetzt aus jedem Einzelplan alles zusammen- packen, Sie schreiben … (Helmut Holter, DIE LINKE: (Jochen Schulte, SPD: Tilo, du Das erkläre ich Ihnen gleich.) stehst immer in der Sonne bei uns.) sozusagen einige Ministerien ein wenig stutzen und das Ich stehe immer in der Sonne, ja. Ich habe einen großen Wirtschaftsministerium stärken? Dann frage ich mich jetzt Schatten. mal,

(Peter Ritter, DIE LINKE: (Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie kriegen Er ist die Sonne. Er ist die Sonne.) eine Antwort. Sie kriegen eine Antwort.)

Nee, ich bin nicht die Sonne, Herr Ritter, das überlasse was passiert wäre, wenn Sie in einer Koalition mit uns ich Ihnen doch gerne. gewesen wären und wir diesen Part hätten auskämpfen sollen. (Peter Ritter, DIE LINKE: Na gut, dann haben wir das jetzt mal fürs Protokoll festgestellt.) (Vincent Kokert, CDU: Das ist eine schreckliche Vorstellung. Darüber möchte Bitte, unbedingt. Da haben wir wenigstens eins geklärt ich mir heute keine Gedanken machen.) heute Abend. Das möchte ich mir mal nicht vorstellen, was da passiert Herr Kollege Koplin oder meine liebe Fraktion DIE LIN- wäre, KE, Sie schreiben einmal hier in Punkt 2 von „Maßnah- megruppe“ und in der Begründung sprechen Sie vom (Zurufe von Jochen Schulte, SPD, „Haushaltstitel“. Das müssen Sie mir noch mal sagen, und Torsten Koplin, DIE LINKE) was Sie jetzt genau meinen. Meinen Sie nur den Titel oder meinen Sie eine Maßnahmegruppe, weil eine Maß- wie da die Hahnenkämpfe ausgegangen wären. nahmegruppe ist ja aus Haushaltstiteln zusammenge- setzt? Also sprechen wir jetzt nur von der Maßnahme- (Vincent Kokert, CDU: Ja, aber wie! Oh! – gruppe. Das ist schon mal ganz gut, dann wissen wir Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh Gott, auch, worüber wir alle reden wollen. oh Gott, oh Gott! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU) Herr Minister Glawe hat ja schon einen riesengroßen Teil ausgefüllt, sodass es mir eigentlich gar nicht mehr Und deshalb ist es für mich auch nicht sachdienlich, die so bei … Haushaltstitel zusammenzupacken, weil bei der Vielfalt, Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 111 die wir hier haben, die wir wirklich haben, das haben Sie Vizepräsidentin Silke Gajek: Herr Gundlack, das Wort ja schon gesagt – ich habe dieses Zwiebelmodell auch erteilen immer noch wir hier oben, und das hat jetzt Frau vor mir liegen –, bei der Vielfalt, die wir hier haben, weiß Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. ich nicht, ob das auch alles unter einer Maßnahmegrup- pe zusammengepackt werden kann. Ich glaube, nicht. (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist jetzt ungerecht, er hat mir das Wort schon erteilt.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Wollen wir das nicht mal im Ausschuss bereden?) So ist das mit der Geschäftsordnung.

Das wird wohl nicht passieren, dass wir das im Aus- (Egbert Liskow, CDU: Sonst sind Sie schuss bereden. doch nicht so streng, Frau Gajek.)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, das Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also ange- nennt man dann Verweigerung.) sichts der fortgeschrittenen Zeit und angesichts …

Nein, das nennt sich nicht Verweigerung. (Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) Vizepräsidentin Silke Gajek: Die Begrüßung!

Na, das können Sie doch gerne machen, Herr Ritter. Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so! Oh, Dafür sind Sie doch bekannt. Entschuldigung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- Na sicher. Der Antrag ist schon ren! Ich muss mal sagen, angesichts der fortgeschritte- fertig. Verlassen Sie sich mal drauf!) nen Zeit und auch angesichts des Themas ist es viel- leicht interessanter, Lockerungsübungen mit Ihnen zu Na gut, dann brauche ich ja gar nicht mehr lange zu machen oder auch mal … reden, (Beifall und Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU) (Peter Ritter, DIE LINKE: Eben, eben.) Ich würde Ihnen auch gerne kulinarische Genüsse bieten, dann können wir das gleich, ne? aber okay. Ne, das wäre passend bei dem Thema? Geht leider nicht, wir sind im Landtag und wir halten noch durch. (Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU) (Andreas Butzki, SPD: Gut, Herr Ritter, dann nehme ich das doch gleich zum Kann man trotzdem machen. – Anlass, meine Rede zu kürzen, Herrn Ringguth das Wort Vincent Kokert, CDU: Ich dachte, zu erteilen, sozusagen fast, Sie kürzen jetzt Ihre Rede ab.)

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oha, das Ist auch recht kurz. macht er jetzt gleich! Donnerwetter! – Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD, Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Förde- und Helmut Holter, DIE LINKE) rung der Gesundheitswirtschaft ganz weit oben auf seine Agenda gesetzt, weil, wenn der Antrag sowieso kommt, Herr Ritter, wir uns das hier alles sparen können, dann führen Sie das (Andreas Butzki, SPD: Ja.) Parlament ad absurdum das ist in der Debatte bereits deutlich geworden. Auch (Torsten Koplin, DIE LINKE: Eh, jetzt wissen aus Sicht der Bündnisgrünen ist das durchaus eine rich- wir gleich, wer hier der Chef im Ring ist.) tige Entscheidung, denn die Gesundheitswirtschaft er- möglicht neben den wirtschaftlichen Wachstumspotenzia- und dann lohnt sich das auch gar nicht mehr, dass ich len und der Schaffung von Arbeitsplätzen durchaus die meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition Realisierung von Ansätzen grüner Politik, die da zusätz- noch weiter mit meinen Ausführungen drangsaliere. lich sind: Förderung der Lebensqualität, Förderung des Mittelstandes, Förderung einer qualifizierten Ansied- (Vincent Kokert, CDU: Genau, lungspolitik, Förderung des ländlichen Raumes, um an wir können nämlich nichts dafür.) dieser Stelle nur mal einige wenige zu nennen.

Sie können nichts dafür, ich kann auch nichts dafür. In (Peter Ritter, DIE LINKE: Und da wird dem Sinne vielen Dank für das Gespräch, Herr Ritter, wir Ihnen immer vorgehalten, Sie wären sehen uns im Ausschuss. nur dagegen. Das stimmt ja gar nicht.)

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen Mit der Fortschreibung des Masterplans Gesundheits- der SPD und CDU) wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern 2020 wird eine langfristig ausgerichtete Entwicklungsstrategie ange- Vielen Dank. strebt, die sich in fünf Gestaltungsfeldern darstellt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen Ich bin selbst Mitglied des Kuratoriums Gesundheitswirt- der SPD und CDU) schaft und arbeite hier in der Strategiegruppe „Ernährung 112 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 für die Gesundheit“. Hier sind drei Projekte zur Entwick- Danke. lung regionaler Produkte priorisiert. Eines davon liegt mir besonders am Herzen: regionale Lebensmittel in Groß- (Beifall vonseiten der Fraktionen versorgungseinrichtungen. Unterstützung finden sollen in DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diesem Rahmen beispielsweise Markteinführungspro- gramme. Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke.

Wenn denn nun an dieser Stelle der Masterplan be- Und jetzt hat das Wort der Abgeordnete Herr Ringguth schlossene Sache ist, die Gestaltungsfelder feststehen, von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort. die Projekte in einem umfangreichen Abwägungsprozess ausgewählt worden sind und Mittelzusagen des Landes (Vincent Kokert, CDU: Die Menschen für den Zeitraum 2014 bis 2020 für die Gesundheitswirt- tanzen auf den Straßen. – schaft getroffen worden sind, dann scheint es doch nur Zuruf von Jürgen Suhr, folgerichtig, dass im Sinne von Transparenz, Haushalts- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) klarheit und Haushaltswahrheit für so ein ausgewähltes Zukunftsprogramm des Landes, wie das hier auch immer Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Danke schön, Frau Präsi- wieder betont wird, im Haushalt des Wirtschaftsministeri- dentin! Meine hoch verehrten und meistens lieben Kolle- ums eine eigene Maßnahmegruppe eingerichtet wird. ginnen und Kollegen!

So lässt sich gegenwärtig im Haushalt des Wirtschafts- (Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ ministeriums unter der Maßnahmegruppe „Allgemeine DIE GRÜNEN: Meistens?!) Bewilligungen“ der Titel „Förderung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen der Ge- Ich bin der Bitte meines Kollegen Wolfgang Waldmüller, sundheitswirtschaft“, veranschlagt mit 200.000 Euro, heute seine Rede hier vorzutragen, gerne gefolgt, und finden. Da weiß man, wofür das ist – immerhin. das umso mehr, weil – anders als vorhin beim Fall mei- nes Fraktionsvorsitzenden und Kollegen Renz – diese Ein weiterer Titel unter „Allgemeine Bewilligungen“ nennt Bitte an keinerlei Bedingungen geknüpft war. sich „Förderung der unternehmerischen Fähigkeiten zur Markterschließung und -durchdringung“. Hier sind für (Heinz Müller, SPD: 2014 4,8 Millionen Euro eingestellt. Diese finanziellen Fraktionsvorsitzender Renz? – Mittel sind einmal sowohl für die komplexe Aufgabe zur Stefanie Drese, SPD: Haben wir was „Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU“ als auch verpasst? Fraktionsvorsitzender Renz?! – für den „Ausbau der Potenziale der Gesundheitswirt- Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD) schaft“ bereitgestellt worden. Es ist aber offensichtlich nicht erkennbar, wie viel Mittel für die Projekte der Ge- Ja, das ist in der Tat richtig. sundheitswirtschaft in diesem Titel wirklich enthalten sind. Transparenz, meine Damen und Herren, sieht (Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE) wahrlich anders aus. Also erstens: Was lernen wir schon an dieser frühen (Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja. – Stelle daraus? Nummer eins … Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) (Zuruf von der Regierungsbank) Daraus ergibt sich für uns: Durch die Ausweisung der Mittel für die Gesundheitswirtschaft in einer Maßnahme- Das habe ich jetzt ein wenig abgekürzt. gruppe entstünde Klarheit über die bereitgestellten Mittel. Positiv wäre sogar eine projektbezogene Darstellung. Aber was lernen wir schon jetzt? Also der Kollege Waldmüller ist mindestens so charmant wie der Kollege (Zuruf von Egbert Liskow, CDU) Renz.

Einen weiteren Vorteil sehen wir in der besseren Über- (Heiterkeit bei Tilo Gundlack, SPD, prüfbarkeit. Wie viele Mittel sind bereitgestellt? Welche und Vincent Kokert, CDU – Mittel sind in einem Berichtszeitraum bereits abgeflos- Jochen Schulte, SPD: Das war aber sen? Welchen Stand haben die Projekte? nur bedingt höflich, Herr Ringguth. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das steht Meine Damen und Herren, wir verweisen an dieser Stelle aber nicht in der Rede.) nochmals auf die mehrfach von unserer Fraktion betonte Notwendigkeit der Errichtung einer Fördermitteldaten- Und zweitens: Wir können daraus lernen, dass so ein bank in Mecklenburg-Vorpommern. geplagter Fraktionsvorsitzender manchmal mit Bedin- gungen seiner eigenen Fraktionskollegen umgehen (Tilo Gundlack, SPD: muss, während PGFs – Herr Müller, Herr Ritter, ne? –, Ach, nicht schon wieder!) die können so locker vor sich hin machen.

Im Sinne von Transparenz, Sparsamkeit und zur Vermei- (Stefanie Drese, SPD: dung von Mehrfachförderungen sehen wir diese als not- Immer raufhauen! – wendig an. Wir stimmen dem Antrag der Fraktion DIE Vincent Kokert, CDU: Immer LINKE zu. so locker vor sich hin.)

(Helmut Holter, DIE LINKE: Danke, Frau Gerkan. – So, nachdem das geklärt ist, liebe Kolleginnen und Kol- Torsten Koplin, DIE LINKE: Sehr schön.) legen … Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 113

(Unruhe vonseiten der Fraktionen Insofern ist der Vorschlag der LINKEN großartig und der der SPD, CDU und DIE LINKE – Minister hat sich ja schon intensiv bei den LINKEN für Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE) diesen Antrag bedankt.

Ja, Peter, bei dir ist immer alles schön, ich weiß. (Jochen Schulte, SPD: Das hat er auch höchst suspekt gemacht.) (Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE) Eines ist ja auch richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Natürlich war auch die CDU-Fraktion beim diesjährigen Die Gesundheitswirtschaft ist in Mecklenburg-Vorpom- Branchentreff. Natürlich waren wir da und natürlich ist es mern, in unserem Bundesland überaus erfolgreich. Also auch uns nicht entgangen, dass der Professor Dr. Klink- Bruttowertschöpfung 15 Prozent, 100.00 Arbeitnehmer, mann dort für einen eigenen Titel Gesundheitswirtschaft 70 Prozent in stationärer, teilstationärer und ambulanter geworben hat. Versorgung, und seit 1990 sind sage und schreibe in diese Segmente der Branche mehr als 2 Milliarden Euro inves- (Vincent Kokert, CDU: tiert worden. Das ist doch zweifelsohne ein Erfolg und wir Ein sehr umtriebiger Professor.) wollen, genau wie die LINKEN, dass die Branche auch in Zukunft an die Erfolge der Vergangenheit anknüpft. Das hat er, wie unser Minister das schon angedeutet hat, auch nachträglich noch mehrfach und offensichtlich (Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.) nachhaltig getan Dabei setzen wir auch auf das neue EFRE-OP, das wur- (Helmut Holter, DIE LINKE: Da ist er hartnäckig.) de ja am vergangenen Donnerstag – so hat es mir mein Kollege aufgeschrieben – im Wirtschaftsausschuss vom und – da ist er hartnäckig – DIE LINKE hat diesen Vor- Wirtschaftsministerium vorgestellt, und wir wollen eine schlag heute aufgegriffen. enge Vernetzung der Gesundheitswirtschaft mit For- schung und Entwicklung. (Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) Soweit ist noch alles gut. Dass diese Branchenkonferenz und natürlich auch der von uns hochverehrte Professor Da muss ich mal sagen, an dieser Herangehensweise ist Dr. Klinkmann dazu einen Beitrag leisten, ist unbestritten. wirklich überhaupt nichts Ehrenrühriges, das ist völlig in Aber es gibt auch noch eine Menge weiterer Institutionen, Ordnung, denn Anträge sollen ja nicht immer nur irgend- wie das Institut für ImplantatTechnologie und Biomateria- wo im Elfenbeinturm lien in Rostock unter dem Vorsitz des Institutsdirektors Professor Dr. Schmitz oder zum Beispiel die Diabetesfor- (Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau. – schung um Professor Dr. Motz in Karlsburg. Die genann- Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) ten Institutionen und Personen sind wichtige Dreh- und Angelpunkte, um die Gesundheitswirtschaft wirklich weiter sozusagen bei den Landtagsfraktionen entstehen, son- voranzubringen. Die Landesregierung tut dies ja auch dern die sollen aus der Praxis kommen. nach Kräften und sehr erfolgreich, wie wir meinen. Denken Sie nur an die Perspektiven bei der Internationalisierung – (Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.) zum Beispiel bei Professor Dr. Motz in Karlsburg, wenn es um die Diabetesforschung geht – und die Chancen, die wir Genau das hat DIE LINKE getan. dann auch auf dem arabischen Gesundheitsmarkt haben!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.) Meine Damen und Herren, da auch Ihr Antrag dafür plä- diert, alle Mittel für die Gesundheitswirtschaft im federfüh- Auch wir haben uns im Nachgang zur Branchenkonferenz renden Ressort, nämlich bei Herrn Glawe im Wirt- natürlich mit der Idee von Professor Klinkmann auseinan- schaftsministerium zusammenzufassen, darf ich zu- dergesetzt. Das wird Sie jetzt vielleicht gar nicht wundern, nächst einmal davon ausgehen, dass Sie mit der aber grundsätzlich haben wir sogar eine Menge Sympathie Gesundheitswirtschaft, und zwar so, wie sie der Wirt- für Ihre Idee, der Minister hat es schon gesagt, schaftsminister Harry Glawe seit Jahren mitgestaltet, voranbringt … (Helmut Holter, DIE LINKE: Es kommt bloß von uns, ne?) (Beifall Helmut Holter, DIE LINKE: Stürmischer Beifall!) denn wenn perspektivisch damit möglichst viele Mittel in einem B-Haus konzentriert sind, Ja, es gibt Leute, die sagen, er sei die Inkarnation, also sozusagen die fleischgewordene Gesundheitswirtschaft (Heiterkeit bei Tilo Gundlack, SPD) selbst – Herr Glawe, ne? dann ist es noch leichter, eine erfolgreiche CDU-Politik (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – nach außen darzustellen. Zuruf von Stefanie Drese, SPD)

(Tilo Gundlack, SPD: Wie schön. – Wenn das die LINKEN meinen, dann schließen wir uns Vincent Kokert, CDU: Noch erfolgreicher als CDU natürlich der Auffassung der LINKEN hier dies- geht gar nicht. – Zuruf von Jürgen Suhr, mal und ausnahmsweise vorbehaltlos an. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU, und (Torsten Koplin, DIE LINKE: Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist diskutierfähig, ja?) 114 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, (Zuruf von Andreas Butzki, SPD – nicht anschließen allerdings können wir uns dem An- Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD) tragstext selbst. Denken Sie nur mal an die vielen Operationellen Pro- (Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist bedauerlich.) gramme: EFRE, ESF, ELER. Diese Operationellen Pro- gramme sind doch an ganz konkrete Zuständigkeiten Das ist auch bedauerlich, und zwar nicht etwa, weil wir gebunden sagen, dass Ihre Kreativität, Herr Koplin, für die Planung des Doppelhaushaltes ein bisschen verfrüht kommt – das (Helmut Holter, DIE LINKE: könnte man ja meinen –, nein, sondern weil Ihr Antrag, Da komme ich gleich zu.) wie wir finden, ein definitorisches Problem hat, und das, obwohl, Herr Koplin, Sie ja gleich am Anfang Ihrer Rede, und das bindet doch auch logischerweise uns. Diese genau wie nachher der Minister selbst, mal Gesund- ganzen Mittel nun zusammenzufassen, was vielleicht heitswirtschaft wirklich definiert haben. Und weil es ja unseren Wirtschaftsminister sehr freuen würde, bedeutet hilft, wenn man das immer wieder wiederholt, wenn kluge aber das Gegenteil von klaren Zuständigkeiten, es be- Sätze da sind, will ich das jetzt als Dritter auch noch tun. deutet das Gegenteil von Nachvollziehbarkeit Also, Zitat: „Gesundheitswirtschaft ist die Erstellung und Vermarktung von Gütern und Dienstleistungen,“ (Torsten Koplin, DIE LINKE: Das sehen wir nicht so.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist jetzt Phase 5: Festigen.) und es bedeutet auch das Gegenteil von Transparenz.

„die der Bewahrung und Wiederherstellung von Gesund- (Helmut Holter, DIE LINKE: Man kann immer heit dienen.“ So, das war heute nun zum dritten Mal. so argumentieren, wie man es gerade braucht.)

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Jetzt Ich argumentiere jetzt so, wie mein Kollege Waldmüller haben wir es drauf, aber jetzt alle.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Wie Herr Jetzt hat es jeder, jetzt sitzt es. Aber wir müssen sagen, Waldmüller es aufgeschrieben hat, ja. – Ihr Antrag ist nicht selbsterklärend und … Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: es mir klar und deutlich aufgeschrieben hat, Herr Frakti- Können Sie den Satz noch mal wiederholen?) onsvorsitzender.

Das kann ich gerne. Das mache ich nachher, wenn wir Soll etwa das Wirtschaftsministerium perspektivisch draußen sind, mit Ihnen ganz allein. Einnahmen, Ausgaben, Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen, Stellen und so weiter nun von allen anderen (Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Ressorts quasi mitverwalten? Also da würden allein, was Zuruf von Andreas Butzki, SPD) das Sozialministerium betrifft, dadurch Aspekte in eine Maßnahmegruppe des Einzelplans 06 einfließen, die Aber jetzt für die anderen noch mal: eine rechtlich saubere Trennung zwischen den Ressorts eigentlich gar nicht mehr möglich machen. Nehmen wir (Zurufe von Torsten Koplin, DIE LINKE, und es mal ganz praktisch, nehmen wir mal das Sozialminis- Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) terium, da ist der Einzelplan 10. Ich verweise auf das Kapitel 1002 „Öffentliches Gesundheitswesen“, Meine Damen und Herren, was heißt denn diese Definiti- on, wenn man sie sich wirklich einmal zu Gemüte führt (Helmut Holter, DIE LINKE: Aber das hat doch und durchdenkt? mit der Gesundheitswirtschaft nichts zu tun! Mein Gott noch mal! Hat nichts mit der Gesund- (Heinz Müller, SPD: Was will heitswirtschaft zu tun. Keine Ahnung habt ihr.) uns der Dichter damit sagen?) das umfasst zum Beispiel, und jetzt kommen wir dahin, Was will uns der, der diese Definition geschrieben hat, das umfasst im Titel 282.01: „Auf der Grundlage einer denn damit sagen? Vereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen und durch Beteiligung des Verbandes der Privaten Kranken- (Helmut Holter, DIE LINKE: versicherung … werden dem Land die Ausgaben für Professor Klinkmann.) Impfungen erstattet, die über den Betrag, den der Öffent- liche Gesundheitsdienst zur Durchführung unentgeltlicher Das ist ganz einfach, dass nämlich Gesundheitswirt- Schutzimpfungen zur Verfügung gestellt bekommt, hin- schaft überaus umfassend ist, und weil sie überaus um- ausgehen.“ fassend ist, sind auch mehrere Ressorts mit ihr befasst. Das ist ja irgendwie logisch. Wir bitten wirklich um mehr definitorische Klarheit in Ihren Anträgen, Herr Holter. (Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, nun sag doch, dass ihr das nicht wollt, und dann ist es gut.) (Helmut Holter, DIE LINKE: Dazu komme ich gleich.) Deswegen gibt es übrigens auch auf Bundesebene hier unterschiedliche Zuständigkeiten und die gibt es eben Und sehen Sie hier überhaupt irgendwo die Zuständigkeit auch auf EU-Ebene. des Wirtschaftsministeriums? Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014 115

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE) zusammengesetzt und gesagt, wie finden wir jetzt das Geld und bündeln dieses Geld, denn das ist ja genau der Also mir erklärt sich das nicht. Ich könnte Ihnen jetzt Ansatz: Wir bündeln Geld, um ein politisches Ziel durch- noch ein paar andere Titel nennen, es ist spät, ich ver- zusetzen. zichte darauf, aber ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Wie wollen Sie die Gesundheitswirtschaft gegenüber den (Torsten Koplin, DIE LINKE: Richtig.) Zuständigkeiten anderer Ressorts sauber abgrenzen? Da gibt Ihr Antrag leider überhaupt keine Antwort. Deshalb Wir haben die 40 Millionen zusammengebracht … schließen wir uns zwar dem Dank des Ministers an die Linksfraktion für einen großartigen Antrag gerne an, aber (Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) aus dem genannten Grund – der Antrag gibt hier gar keine Antwort – können wir leider Ihren Antrag nicht Das ist nicht Quatsch, Herr Gundlack. annehmen, (Tilo Gundlack, SPD: Da müssen Sie (Martina Tegtmeier, SPD: Leider, leider.) sich mal Ihren Antrag durchlesen!) müssen ihn ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf- Die 40 Millionen wurden zusammengebracht, um genau merksamkeit und wünsche einen schönen Feierabend. das politische Ziel umzusetzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – (Torsten Koplin, DIE LINKE: Helmut Holter, DIE LINKE: Erst das Ziel, dann das Geld.) Aber vorher komme ich dran.) Und wenn jetzt nach dieser Sitzung der Finanzausschuss Vizepräsidentin Silke Gajek: Na, Herr Ringguth, wir tagen wird über die Ehrenamtsstiftung, die der Minister- haben hier jetzt noch einen Redner. Das ist der Frakti- präsident auf den Weg bringen will, und die Stiftung den onsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter. Bitte. Weg unterstützen will, stellt sich auch die Frage: Wo kommt das Geld her? Zu Recht, weil mitten in einem (Egbert Liskow, CDU: Wünschen laufenden Haushalt eine neue politische Richtung, ein kann er sich so viel, wie er will.– neues politisches Ziel formuliert wird. Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, Herr Liskow!) Jetzt will ich nicht über das Ziel diskutieren. Ich habe Helmut Holter, DIE LINKE: Danke, Frau Präsidentin! meine Wertung dazu schon eben gesagt. Es stellt sich Meine Damen und Herren! Auch wenn wir ein Stück weit doch zu Recht die Frage, nicht nur durch den Minister- lustige Emotionen in diese Debatte reinbringen – das ist präsidenten Erwin Sellering, sondern durch alle: Wie wird ja gut so –, geht es doch um ein ernstes Thema. denn diese Stiftung mit Geld gespeist? Also werden Sie doch in der Koalition darüber reden müssen, woher Wir Demokratinnen und Demokraten in diesem Landtag kommt das Geld, um diese Stiftung tatsächlich zu ermög- sind uns ja in Bezug auf die Entwicklung der Gesund- lichen – wiederum Bündelung von Mitteln aus verschie- heitswirtschaft einig, das will ich hier noch mal unterstrei- denen Ressorts. Wir werden nachher im Finanzaus- chen. Das ist gar kein Dissens, das hat Minister Glawe schuss hören, welche Quellen dort entsprechend ange- auch zum Ausdruck gebracht. Ich will jetzt auch nicht zapft werden sollen. immer Definitionen hier vorlesen und all die Entwick- lungswege aufzeigen. Das nehme ich jetzt als gegeben Ja, Herr Ringguth und Herr Gundlack, wir haben die hin, als bekannt setze ich das voraus. europäischen Fonds und in diesen europäischen Fonds sind Prioritäten, sind Schwerpunkte vorgegeben. Aber Ich will mal an einer anderen Stelle anfangen, und gar ist es nicht so, dass zum Beispiel beim Europäischen nicht da, wo es um die Gesundheitswirtschaft geht. Wir Sozialfonds auch bestimmte Teile, Fördertöpfe von ande- sind uns auch in der Frage der erneuerbaren Energien ren Ministerien als dem Sozialministerium bewirtschaftet einig. Wir streiten uns manchmal über Detailfragen, wel- werden? che Wege wir da gehen. Da ist ganz bewusst jetzt mit Minister Pegel ein besonderes Ministerium geschaffen (Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: worden, das Energieministerium. Ich kann mich gut erin- Selbstverständlich.) nern an die Haushaltsberatung. Als dieses Ministerium eingerichtet wurde, gab es dort Leertitel. Und die Frage, Das heißt, hier gibt es einen umgekehrten Weg. Man hat wie dann das Geld in diese Leertitel kommt, hat uns im also Mittel in diesem Topf und sagt: Justizministerium, Wirtschaftsausschuss und auch im Finanzausschuss Bildungsministerium, andere Ministerien, diesen Bereich sehr wohl beschäftigt – zu Recht –, weil es ist ein neuer bewirtschaftet ihr, um diesen Ministerien für ihre Politik- Weg. Es war eben nicht Tradition, dass wir erneuerbare schwerpunkte die Möglichkeit zu geben, sie auch finanzi- Energien und diesen neuen Weg in der Energie mit Fi- ell zu untersetzen. nanzen ausstatten. Das ist dann beantwortet worden. Das erspare ich mir jetzt, setze es als bekannt voraus. (Torsten Koplin, DIE LINKE: So läuft das.)

Die Koalition aus SPD und CDU hat sich entschieden, im Das ist unser Verständnis von Haushaltssystematik. Ich Zusammenhang mit der Losung „Kinderfreundliches rede nicht über mehr Geld, ich rede nicht über neues Land Mecklenburg-Vorpommern“ 40 Millionen in das Geld, ich rede über Haushaltsklarheit und eine andere System für die Kindertagesstätten zu geben. Die 40 Milli- Haushaltssystematik. onen waren ja damals bei Frau Schwesig, jetzt bei Frau Hesse auch nicht vorhanden. Also, und das kenne ich Und wie Herr Glawe gesagt hat, ich arbeite – und andere auch aus meiner Tätigkeit in der Regierung, hat man sich ja auch – im Kuratorium mit und wir haben dort intensive 116 Landtag Mecklenburg-Vorpommern – 6. Wahlperiode – 72. Sitzung am 3. Juli 2014

Diskussionen in den Strategiegruppen. Es sind Projekte, (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Leitprojekte und weitere Projekte erarbeitet worden, die Torsten Koplin, DIE LINKE: So ist es.) jetzt finanziell untersetzt werden sollen. Das hat der Mi- nisterpräsident auf der Kuratoriumssitzung – also einmal Es geht also von der Systematik her, genau das zu ma- im Januar und jetzt im Juni noch mal – auch entspre- chen, und darum geht es uns. Es geht um Wettbewerb chend präsentiert. und es geht darum, ja, auch um das, was wir als Koaliti- on schon mal gemacht haben, dass man vor der Haus- Das Problem, warum wir diesen Antrag hier eingebracht haltsberatung einen politischen Willen formuliert und haben, besteht doch im Folgenden, nämlich dass dieje- sagt: Wir haben die Absicht, in der Haushaltsberatung nigen, und jetzt meine ich die Ehrenamtlichen, die Wis- mit der Aufstellung des Haushaltes 2016/17 und der senschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Praktike- Folgehaushalte für den Bereich der Gesundheitswirt- rinnen und Praktiker, die in den Strategiegruppen arbei- schaft eine Maßnahmegruppe einzurichten, um genau ten, natürlich ihre kreativen Ideen eingebracht haben und das, was jetzt läuft, die ganze Abstimmerei zwischen den jetzt erwarten, dass diese Projekte sehr schnell umge- Ressorts zu vermeiden: Welches Projekt des Kuratori- setzt werden. Und das hat – Herr Ringguth, das können ums wird von welchem Ministerium finanziert? Wie holen Sie Herrn Waldmüller ja dann bitte mal mitteilen – nichts wir das Geld zusammen? Weil möglicherweise Ministeri- damit zu tun, dass wir die Bewirtschaftung dessen, was um A nicht die ausreichende Summe hat, um das gesam- im Sozialministerium für das Gesundheitswesen, für te Projekt zu finanzieren, müssen weitere Ministerien sich Krankenhäuser und andere Bereiche zur Verfügung beteiligen. Ist es dort nicht richtiger, diese Projekte aus steht, da wegnehmen wollen und bei Harry Glawe im einer Hand zu finanzieren, bitte schön beim Wirtschafts- Wirtschaftsministerium zusammenbringen wollen – über- minister? Das ist unser Ziel. Wir wollen also in der Tat haupt nicht. Es hat tatsächlich mit den Projekten für die mehr Tempo, mehr Klarheit und damit auch ein deutli- Gesundheitswirtschaft, und zwar ausgehend von der ches Zeichen setzen, damit wir das Ziel „Gesundheits- Definition, die hier dreimal vorgelesen wurde, zu tun. land Nummer eins“ erreichen.

Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass das Ge- Ich bedaure, dass Sie unseren Weg nicht mitgehen kön- sundheitswesen und die medizinische Betreuung mit nen, aber Sie können sich darauf verlassen, bei der der Gesundheitswirtschaft nur bedingt, eigentlich gar Haushaltsberatung kommen wir spätestens wieder mit nichts zu tun haben. Man muss das eigentlich – nicht diesem Antrag. – Danke schön. nur eigentlich –, man muss das gedanklich trennen, und darum geht es! (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD) (Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Tilo Gundlack, SPD: Das steht aber Vizepräsidentin Silke Gajek: Danke, Herr Holter. nicht im Antrag drin.) Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlie- Das, genau das ist es, Herr Ringguth – ße die Aussprache.

(Tilo Gundlack, SPD: Das steht Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der aber nicht im Antrag drinne.) Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3057. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein auch wenn er da mit der Präsidentin redet –, worum es Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Und die Stimment- an dieser Stelle geht. Es geht also um eine Haushalts- haltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion systematik. DIE LINKE auf Drucksache 6/3057 abgelehnt, bei Zu- stimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ (Tilo Gundlack, SPD: DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD Das steht nicht im Antrag drin. – und CDU und keinen Stimmenthaltungen. Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind da- Und wenn andere Länder … mit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Freitag, den Ich kann ja sehr kleinlich sein und schauen, ob das in 4. Juli 2014, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen dem Antrag steht. Ich erläutere Ihnen den Geist des und ich wünsche allen einen guten Nachhauseweg. Antrages. Schluss: 19.29 Uhr (Tilo Gundlack, SPD: Das steht da nicht drin.) Es fehlten die Abgeordneten Katharina Feike, Regine Wenn andere Länder wie Bayern eine Maßnahmegruppe Lück, Marc Reinhardt, Bernd Schubert und Thomas einrichten – genau das, was wir hier machen – und dort Schwarz. einzelne Titelgruppen formulieren wie „Gesundheits- standort Bayern“, „Gesund. Leben. Bayern.“, weitere Titelgruppen einrichten und auch entsprechende Mittel für eine innovative Gesundheitswirtschaft zusammen- bringen oder andere Länder wie Niedersachsen, Rhein- land-Pfalz und Schleswig-Holstein Haushaltstitel formu- lieren, festlegen, aus denen Maßnahmen für die Ge- sundheitswirtschaft finanziert werden, dann spricht das genau gegen Ihre Argumentation, die Sie hier die ganze Zeit gebracht haben.