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Unterwasserprospektion im Sempachersee, Kanton Luzern (Schweiz)

EBBE NIELSEN

Zusammenfassung 2004 konnte die Zürcher Tauchequipe im Auftrag der Kantonsarchäologie Luzern eine Prospektionskampagne im Sem- pachersee durchführen. Während die Fundstellen am Westufer des 1806 um etwa 2 m abgesenkten Sees heute vollständig im verlandeten Bereich liegen, konnten am Ostufer zahlreiche Pfahlfelder und Kulturschichten festgestellt werden. Leider muss der Zustand der meisten erfassten Ufersiedlungen als desolat bezeichnet werden. Teilweise sind nur noch die Spitzen der Pfähle vorhanden. Die Bestandesaufnahme der Luzerner Ufersiedlungen sollte dringend weitergeführt wer- den. Die für die Prospektion und allfälligen Schutzmassnahmen nötigen Mittel sind jedoch nicht vorhanden.

Abstract In 2004 the archaeological diving crew of Zürich, , carried out a survey campaign at Lake , at the request of the Canton Archaeological Office of . While find sites on the western banks of the lake which was lowered some 2 meters in 1806, are nowadays totally on dry land, numerous piles and cultural layers could be located on the eastern bank. Unfortunately the condition of most of the pile dwellings recorded can only be described as desperate. In parts only the points of the piles are existent. The inventory of the Lucerne pile dwellings urgently needs to be continued however the necessary funds for prospection and protective measures are not available. Translation Jamie McIntosh

Einführung

3 Die Anfänge der Erforschung der Feuchtbo- 1 4 densiedlungen im Kanton Luzernn (LU) reicht 2 17 bis in die zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 16 zurück. In den späten 1980er Jahren fanden die 5 Nachforschungen ihr vorläufiges (?) Ende. Die 6 ersten Fundmeldungen gehen sogar auf das Jahr 1806 zurück, als der Sempachersee abge- Sem pachersee 7 senkt wurde und zahlreiche archäologische Ob- 15 8 jekte aufgelesen werden konnten. 14

9–12 Nach einer durch Laienforschern geprägten 13 Frühphase übernahmen vermehrt professionel- le Archäologen die Grabungstätigkeit. In den 1930er und frühen 1940er Jahren haben sich insbesondere der deutsche Archäologe Hans Reinerth um das Wauwilermoos und der Aar- gauer Lehrer Reinhold Bosch um die Siedlun- gen am Baldegger- und Sempachersee bemüht und zwischen 1950 und 1988 erforschte das 1 km Schweizerische Landesmuseum in Zürich meh- rere Fundstellen bei Egolzwil im Wauwiler- Abb. 1: Sempachersee. Karte mit den heute bekannten Ufersiedlungen. 1 , moos. Untersuchungen der Kantonsarchäolo- Mariazell. 2 Sursee, Gamma-Inseli, 3 , Trichtermoos, 4 Schenkon, Römer- hüsli, 5 Eich, Dorf, 6 Eich, Spiessmösli, 7 Eich, Wiesen, 8 Sempach, Gruebmatt, gie im Bereich der Seen blieben dagegen nach 9–12 Sempach, Uferzone, 13 , Eishütte, 14 Nottwil, Eibach, 15 Oberkirch, dem Krieg auf wenige Fundstellen beschränkt, St. Margrethen, 16–17 Oberkirch, Seehäusern (Grafik C. Jaeggi). 25 NAU 11/12 2005

Material in den höher gelegenen Schichtab- schnitten bereits stark zersetzt sind. Mehrere Pfahlbauten sind bis in die jüngere Vergangenheit ausserdem durch Baumassnah- men annähernd komplett oder in Teilen zer- stört worden. Es sind dies die Stationen Sursee Mariazell (1941), Schenkon Trichtermoos (1967) und Sempach Festhütte (1984). Auch beim Bau der Autobahn am Ostufer des Sem- pachersees in den 1970er Jahren dürften einige Ufersiedlungen tangiert worden sein, wobei hier, im Gegensatz zu anderen Kantonen, im Vorfeld der Baumassnahmen kaum systemati- sche Prospektionen durchgeführt wurden.

Die Sicherung der Funde wie auch der Funddo- kumentation war überdies im Kanton Luzern Abb. 2: Sursee, Mariazell. besonderes problematisch. Auch noch nach den Neuzeitlicher Einbaum (Foto frühen Jahren der Pfahlbauforschung, als es Tauchequipe Zürich). auf die man bei Leitungsbauten gestossen war. gang und gäbe war Funde zu verkaufen oder zu Die Unterwasserprospektion aber lag haupt- tauschen, gelangten Funde und Grabungsdo- sächlich in den Händen des im Jahre 2003 ver- kumente ausser Landes. Im Falle der Grabun- storbenen ehrenamtlichen Mitarbeiters Arnold gen von H. Reinerth konnten die meisten Fun- Singeisen, der sich über Jahre hinweg hier enga- de in Luzern aufbewahrt werden, während die giert und wertvolle Arbeit geleistet hat. Seinen Dokumentation an verschiedene Orte in Nachforschungen vorausgegangen waren etli- Deutschland gelangte. Im Falle der Grabungen che Tauchgänge einer kleinen Tauchequipe um des Landesmuseums ist teilweise das Fundma- den Zürcher Amateurarchäologen Peter Kelter- terial und die Funddokumentation nach Zü- born. Soweit sich dies durch einzelne Tauch- rich gelangt. Dies steht im Widerspruch zur gänge feststellen ließ, war die Mehrzahl der kantonalen Gesetzgebung und erschwert die durch Singeisen betauchten Ufersiedlungen in Arbeit der Kantonsarchäologie bisweilen unge- den Luzerner Seen meist in desolatem Zustand mein. und massiver Erosion ausgesetzt, wobei die sys- tematische Dokumentation der Befunde unter Eines der dringlichsten Desiderate der Kan- Wasser nur selten möglich war. Durch den be- tonsarchäologie ist und war die systematische grenzten Zeitrahmen und eine bescheidene In- Inventarisierung der Luzerner Ufer- und Moor- frastruktur bedingt konnte Singeisen nur einen siedlungen. Ein erster Schritt gelang im Jahre kleinen Teil der Seeufer absuchen. Er konzen- 2004, als die Tauchequipe der Stadtarchäologie trierte seine Nachforschungen deshalb auf die Zürich für eine vierwöchige Prospektionsphase Uferplatte bei Hitzkirch, Seematt, wo ein um- zur Bestandesaufnahme der Siedlungsreste im fangreiches Fundmaterial aufgelesen und die Sempachersee engagiert werden konnte. Neben schnell fortschreitende Erosion durch Messun- dem Leiter der Tauchequipe, Beat Ebersch- gen dokumentiert werden konnte (vgl. JbHGL weiler nahmen folgende Mitarbeiter an der 18, 2000, 122 ff.). Prospektion Teil: Robert Auf der Mauer, Tho- mas Oertle, Thomas Reitmaier, Peter Rieth- Aus den Luzerner Seen und Mooren kennen mann und Christian Wymann. Seitens der wir heute etwa 40 Feuchtbodensiedlungen, die Kantonsarchäologie Luzern wurde das Projekt in die Zeit zwischen ca. 4300 und 900 v. Chr. von Ebbe Nielsen begleitet. datieren. Welche Bedeutung die Prospektion der Ufer- In den Mooren und den verlandeten Bereichen siedlungsareale für die Kantonsarchäologie be- der Seen werden die prähistorischen Siedlungs- sitzt, ist u. a. daraus ersichtlich, dass die Kan- schichten durch den Ackerbau aber auch durch tonsarchäologie kurz zuvor im selben Jahr noch Drainagen und Überbauungen bedroht. René ohne ausreichend dokumentiertes Inventar Wyss (Schweizerisches Landesmuseum Zürich) kaum in der Lage dazu war, umfassend Stellung hat dies eindrücklich für die Siedlung Egolzwil zur geplanten Kursschifffahrt im Sempachersee 3 nachgewiesen, wo die Funde aus organischem zu beziehen. 26 Unterwasserprospektion im Sempachersee, Kanton Luzern (Schweiz)

Sempachersee – eine vorläufige und mehreren Grabungen seit 1941 ist die Aus- Bestandesaufnahme dehnung der Siedlungsreste gegen Süden und Westen unbekannt. Etliche in Maulwurfhaufen Durch die 1806 erfolgte Absenkung des Was- aufgelesene Funde deuten auf ein grossflächig serspiegels um etwa 1,5 bis 2 m wurden die prä- ausgedehntes Siedlungsareal hin. historischen Ufersiedlungen im Sempacher- Die taucharchäologische Prospektion zeigte am see exponiert. Sie sind seither der Erosion aus- südlichen Ufer eine schmale, teilweise unter- gesetzt und wurden z. T. von Überbauungen, spülte Uferplatte mit den letzten Resten einer Kanalisation und Ackerbau in Mitleidenschaft Kulturschicht und einige stark erodierte Tan- gezogen. nenpfähle. Die braune Kulturschicht besteht aus einem lockeren organischen Material mit Im Zuge der Unterwasserprospektion sollte ur- vielen Blättern, Holzkohlen und wenigen Stei- sprünglich nur das Westufer des Sees unter- nen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um sucht werden. Es stellte sich jedoch alsbald her- Ausläufer der bereits erwähnten landseitig vor- aus, dass hier die Ufersiedlungen, mit Ausnah- handenen Kulturschichten. Es konnten einige me der Fundstelle Sursee, Gamma-Inseli, heute wenige spätbronzezeitliche Scherben, wie auch nicht mehr unter Wasser liegen sondern im seit verkohlte Getreidereste aufgelesen werden. der Seefällung trocken gefallenen Abschnitt der Eine Holzprobe war dendrochronologisch Flachwasserzone. Im Bereich des bemerkens- nicht zu datieren. Am Fusse der Abbruchkante wert schmalen Flachwasserbereichs waren des- lagen zahlreiche Steine, die wohl aus weg- halb abgesehen von Ausnahmen kaum Funde erodierten Kulturschichten stammen. oder Pfähle zu verzeichnen. Somit konnte die Frühere Grabungen haben interessante Sied- Prospektion hier rascher als vorgesehen abge- lungsbefunde aus dem Neolithikum und der schlossen und in der verbliebenen Zeit Teilbe- Spätbronzezeit geliefert (Wey 2001, 67 ff.; RI- reiche des Ostufers untersucht werden, was ab- GERT 1997). Insbesondere in den spätbronze- schnittsweise vom Boot aus geschah. Im Ge- zeitlichen Schichten gibt es umfassende Baube- gensatz zum Westufer, wurde hier eine eher funde, die neolithischen Schichten wurden bei breite Uferplatte mit einigen im Wasser gelege- den neueren Untersuchungen dagegen kaum nen Fundstellen angetroffen. Die Bestandesauf- berührt. nahme am Ostufers konnte nicht abgeschlossen Die Siedlungsschicht wird anscheinend nur in werden und sollte durch weitere Untersuchun- einem kleinen Bereich vom Wellenschlag er- gen unter Wasser und im heute verlandeten Be- fasst. Die bereits erfolgten Untersuchungen, reich der Flachwasserzone ergänzt werden. Das wie auch die Lesefunde zeigen jedoch, dass an Westufer wird ausschliesslich durch Nachfor- Land die organische Substanz zumindest der schungen an Land zu prospektieren sein. oben liegenden Schichten durch Austrocknung und Bioturbation gefährdet ist. Die folgenden Angaben zur Tauchprospektion Ein seit langem bekannter, in der Bucht vor der Abb. 3: Sursee, Gamma- 2004 sind dem Bericht der Züricher Tau- Halbinsel gelegener Einbaum wurde unter Inseli. Spätbronzezeit- chequipe entnommen und werden im Folgen- liches Pfahlfeld (Foto den zusammen mit den seit bald 150 Jahren Tauchequipe Zürich). zusammengetragenen Kenntnissen besprochen. Die bereits publizierten Übersichten zu den Ufersiedlungen am Sempachersee (WEY 1990; BILL 1993) werden durch die Ergebnisse der Tauchprospektion 2004 erheblich erweitert und ergänzt.

Sursee, Mariazell Von der Halbinsel Mariazell sind Siedlungs- schichten aus der Spätbronzezeit und der jung- neolithischen Cortaillod-Kultur bekannt. Die älteste Fundmeldung (Bronzegeräte) stammt aus dem Jahr 1806, jedoch wurde das Fundma- terial erst im Rahmen der ab den 1850er Jahren herrschenden Pfahlbaueuphorie umfassender gewürdigt. Trotz Sondierungen im Jahre 1902 27 NAU 11/12 2005

Wasser in Augenschein genommen. Das Fahr- schen 1090 und 930 v. Chr. publiziert. Die da- zeug ist mit Eisenbeschlägen versehen und wird tierten Proben stammen vermutlich von Höl- somit neuzeitlich zu datieren sein (Abb. 2). Die zern, die bei Tauchgängen um 1970 entnom- verhältnismäßig wenige Jahrringe umfassende men worden sind (BILL 1995, 31). J. Bill stellt Sequenz des Einbaumes ließ sich dendrochro- in diesem Zusammenhang fest, dass der kleine nologisch nicht datieren. Fundkomplex keine weiterführenden Aussagen erlaubt. Trivun Sormaz vertritt die Auffassung, Sursee, Gamma-Inseli dass nach heutigem Kenntnisstand die Dendro- Die 1861 entdeckte Inselsiedlung hat neolithi- daten als unsicher einzustufen sind. sches (Silex, Stein, Keramik) und bronzezeitli- Erst mit der Tauchsondierung 2004 wird das ches (Bronze, Keramik) Fundmaterial geliefert. Bild etwas klarer. Um die Insel herum wurde J. Bill hat drei Dendrodaten mit Fälldaten zwi- bis in etwa 5 m Tiefe eine dichte Steinpackung festgestellt, die direkt auf einer Kulturschicht oder der Seekreide liegt. Der Seeboden fällt be- merkenswert steil ab, nämlich auf 10 m Länge um nicht weniger als 4,75 m. Vertikal stehende Pfähle reichen in 5 bis 6 m Wassertiefe, bis in 14 m unter der Wasseroberfläche sind schräg geneigte Pfähle anzutreffen (Abb. 3). Letzteres deutet auf abgerutschte Siedlungsreste hin. Ne- ben einer großen Anzahl an Pfählen waren Abb. 4: Sursee, zahlreiche liegende Hölzer zu verzeichnen. Gamma-Inseli. Kupfer- Durch Kernbohrungen ließen sich drei über- oder Bronzestück aus einander liegende Kulturschichten nachweisen. der spätbronzezeitli- chen Siedlung (Foto Der Fundkomplex umfasst u. a. zahlreiche und Thomas Wuhrmann). gut erhaltene spätbronzezeitliche Keramik- scherben (Abb. 5) und ein grösseres Rohkup- fer- oder Bronzestück (Abb. 4) mit einem Ge- wicht von 634 g. Ein Bohrer aus schwarz pati- niertem Silex weist auf eine neolithische Begehung hin, ein Armbrustbolzen (Abb. 6) ist mittelalterlich. Vier Eichenproben konnten dendrochronolo- gisch datiert werden, zwei davon weisen End- daten bei 1077 v. Chr. auf. Ein Kernholzdatum liegt bei 913 v. Chr. so dass das Fälldatum im 9. vorchristlichen Jahrhundert liegen dürfte. Das Gamma-Inseli könnte somit mit einer drei- schichtigen Stratigraphie aus der Spätbronze- zeit eine wichtige Station für die Erforschung der Endphase der Spätbronzezeit in der Zen- tral- und Ostschweiz werden.

Schenkon, Trichtermoos Die Pfahlbauten auf der Trichtermoos-Halbin- Abb. 5: Sursee, sel sind seit Anfang der 1860er Jahre bekannt. Gamma-Inseli. 1869 wurde an zwei Tagen nach Altertümern Spätbronzezeitli- gegraben, und dies gemäss einem kurzen Be- che Keramik richt mit einigem Erfolg. 1967 zerstörte ein (Zeichnung 2 Judith Bucher). neu erstelltes Ferienhaus etwa 250m des Pfahl- baus, gut 36 m2 konnten von der erst spät in- formierten Kantonsarchäologie nur summa- risch dokumentiert werden. Einer Profilzeich- nung ist zu entnehmen, dass eine untere und eine obere Kulturschicht von bis zu 60 cm mächtigen Verlandungs- und Seekreideschich- 28 Unterwasserprospektion im Sempachersee, Kanton Luzern (Schweiz)

ten getrennt werden (WEY 2001, 75 ff). Die Fun- de wurden bedauerlicherweise nur vereinzelt nach Schichten getrennt, eine Beschreibung der Befunde wurde nicht erstellt. Die untere Schicht kann der Cortaillod-Kultur zugewiesen werden, wobei interessanterweise Einflüsse aus der Pfyner-Kultur erkennbar sind (BILL 1993, 173 ff.; WEY 2001, 189 ff.). Die obere Schicht Sursee, Gamma-Inseli. ist schnurkeramisch und bereits stark erodiert. Mittelalterlicher Armbrust- Die Tauchprospektion 2004 ergab ein wenig bolzen (Foto Thomas dichtes Pfahlfeld auf der schmalen Uferplatte. Wuhrmann). Auf dem Seegrund findet sich eine vielleicht re- sedimentierte Kulturschicht mit schnurkerami- schen Scherben (Abb. 7), landwärts ließ sich in mehreren Kernbohrungen eine gut ausgebilde- te Kulturschicht feststellen. Die seeseitige Ab- bruchkante der Flachwasserzone (Abb. 12) ist starken Erosionsvorgängen ausgesetzt, was nicht nur die archäologischen Befunde zerstört sondern auch die direkt am Ufer stehenden Fe- rienhäuser ernsthaft bedroht.

Schenkon, Römerhüsli Zu dieser Fundstelle gibt es wenig gesicherte Altmeldungen, die Fundstelle ist jedoch auf der Landeskarte von 1862 verzeichnet. P. E. Scher- rer meldet 1915 ein 60 bis 80 m langes Pfahl- feld und 1924 wird die Bergung von neolithi- scher Keramik vermerkt. Gemäss den Akten der Kantonsarchäologie wurde 1948 bei einer Abb. 7: Schenkon, Trichtermoos. Schnurkeramische Scherben Überbauung nach Funden gesucht, jedoch nur zählt der Pfahlfeldbefund zu den fraglichen (Zeichnung Judith Bucher). Weniges gefunden. Im Jahre 1971 konnten bei Fundstellen (WEY 1993). einer Tauchprospektion zwar mehrere Pfahl- 2004 wurde ein Pfahlfeld im Bereich der gruppen festgestellt, aber nur wenige Funde ge- schmalen Uferplatte festgestellt, Funde wurden macht werden. Eine Scherbe wird als „vermut- jedoch keine gemacht. Eine Kernbohrung er- lich cortaillodzeitlich“ eingeordnet. In Weys gab eine mehrere Zentimeter mächtige organi- Übersicht von 1993 wird die Fundstelle als sche Schicht, wobei es ungewiss ist, ob es sich fraglich eingestuft. um eine Kulturschicht handelt. 2004 wurden im Rahmen der Tauchprospek- tion zwei Pfahlfelder beobachtet. Das nördliche Eich, Spiessmösli Pfahlfeld dürfte relativ klein sein. Eine Bohrung Die Ufersiedlung Eich, Spiessmösli wurde ergab eine wenige Zentimeter mächtige Kultur- 1857 entdeckt. Landseitig konnten im 19. schicht. Eine einzige unverzierte Keramikwand- Jahrhundert Silices, Steinbeile sowie ein früh- scherbe kann nicht näher datiert werden. bronzezeitliches Randleistenbeil geborgen wer- Das etwas grössere südliche Pfahlfeld konnte den. Eine erste Tauchprospektion im Jahre aus Zeitmangel nicht näher untersucht werden. 1985 lieferte wenige Scherben und Silices (WEY Einige Scherben sowie Pfahlschuhe belegen 1990, 284). Eine kleine Sondierung im Jahre eine frühbronzezeitliche Ufersiedlung. 1993 zeigte eine durch Erosion stark bedrohte Fundstelle. Sie ergab Funde der Pfyner Kultur Eich, Dorf und der Schnurkeramik. Die Ufersiedlung wurde 1858 entdeckt und hat Im Zuge der Tauchprospektion 2004 wurde ein neolithische und frühbronzezeitliche Artefakte grösseres Pfahlfeld festgestellt, es fanden sich geliefert. Um 1863 wurden im trockenen Be- wenige neolithische und spätbronzezeitliche reich Grabungen durchgeführt. Die Grösse des Keramikscherben und Silices. Parallel verlau- Pfahlfelds wird mit 6000 Quadratfuss angege- fende Pfahlreihen dürften First- und Seitenpfo- ben. Funde sind jedoch keine bekannt; bei Wey sten nebeneinander stehender Häuserreihen 29 NAU 11/12 2005

markieren. Die Pfähle sind teilweise bereits bis Pfähle durch Erosionsvorgänge freigelegt wer- in den Spitzbereich erodiert. Kulturschichtreste den. In einem Bohrkern wurde etwa 10 cm un- ließen sich durch Kernbohrungen nicht fest- terhalb des heutigen Seebodens möglicherweise stellen. eine Kulturschicht festgestellt. Einige wenige Aufgrund der Ergebnisse aus früheren Auf- unverzierte Wandscherben sind nicht datierbar. sammlungen, die neolithische und frühbronze- zeitliche Funde ergeben haben, darf von mehre- Sempach, Gruebmatt ren Ufersiedlungen in Eich, Spiessmösli ausge- Der ursprünglich der Gemeinde Eich zugewie- gangen werden. Der Erhaltungszustand der im sene „Pfahlbau südlich Dorf“ wurde 1977 bei See gelegenen Siedlungsreste ist prekär, die bal- einer Tauchprospektion entdeckt. Es konnten dige Dokumentation des substantiell im Ab- zwar Eichenpfähle gesichtet, jedoch keine prä- gang befindlichen Pfahlfeldes ist dringend ge- historischen Funde geborgen werden. boten. 2004 wurde hier ein lockeres, jedoch klar abge- grenztes Pfahlfeld festgestellt. Ob dieses mit Eich, Wiesen der 1977 entdeckten Siedlung identisch ist, ist Im Jahre 1859 wurde ein etwa 50 m langes allerdings unklar. Die Benennung des 2004 do- Pfahlfeld gemeldet, Funde wurden jedoch an- kumentierten Pfahlfeldes besitzt deshalb vor- scheinend bis 2004 keine gemacht. Wey hat die läufigen Charakter. Von den Pfählen sind häu- Fundstelle deshalb als fraglich eingestuft (WEY fig nur die Pfahlspitzen erhalten, Kulturschich- 1993). ten ließen sich anhand der Bohrkerne nicht 2004 konnte in der vergleichsweise breiten belegen. Bemerkenswert ist der Fund eines Flachwasserzone ein Pfahlfeld nachgewiesen Pfahlschuhs (Abb. 8), eines grossen Steins mit werden, dessen teils in Reihen angeordneten deutlich eingearbeiteter Schale (Abb. 9) und ei- nes Bronzebeiles (Abb. 10–11). Dies und die wenigen Keramikscherben datieren frühbron- zezeitlich. Ob landseitig ebenfalls Siedlungsreste vorhan- den sind, muss offen bleiben. Die seeseitig unter Wasser liegenden Siedlungs- reste sind jedenfalls substantiell stark erosions- gefährdet, die baldige Dokumentation des Pfahlfeldes ist dringend geboten.

Sempach, Uferpromenade Die Station Sempach, Uferpromenade erstreckt Abb. 9: Sempach, sich vom See in die verlandeten ehemaligen Gruebmatt. Seebereiche. In den 1980er-Jahren wurde ein Frühbronzezeitli- Teil des Pfahlfeldes vermessen und einzelne cher Pfahlschuh in Hölzer dendrodatiert. Das Fundmaterial Fundlage (Foto Tauchequipe scheint durchgehend spätbronzezeitlich zu Zürich). sein, was zu den Dendrodaten um 1130 v. Chr. passen würde. Weitere vereinzelte Dendrodaten weisen ins Spätneolithikum, wobei passende Funde hier jedoch nicht anzuführen sind. Im heutigen Seebereich sind offenbar keine Kul- turschichten erhalten geblieben. Das in der akuten Erosionszone befindliche Pfahlfeld soll- te in Bälde durch Probeentnahmen gesichert werden.

Abb. 10: Sempach, Sempach, Festhütte I Gruebmatt. Beim Neubau der Festhütte 1984 sowie im Frühbronzezeitli- Garten des benachbarten Privathauses sind cher Schalenstein zahlreiche neolithische Steinbeile und Silices in Fundlage (Foto Tauchequipe geborgen und Pfähle festgestellt worden. Kera- Zürich). mik scheint in dieser vollständig verlandeten 30 Unterwasserprospektion im Sempachersee, Kanton Luzern (Schweiz)

Ufersiedlung nicht erhalten zu sein. Eine syste- matische Dokumentation des Pfahlfeldes liegt nicht vor; die Ausdehnung der Siedlung ist un- bekannt. Bemerkenswert ist, dass die neolithi- sche Siedlung deutlich höher liegt als die seesei- tig vorgelagerten Pfahlbauten der Bronzezeit.

Sempach, Festhütte II 1964 wurde hier im Zuge einer Privatgrabung ein frühbronzezeitlicher Bronzedolch gebor- gen. Weitere Angaben zu dieser heute vollstän- dig an Land gelegenen Fundstelle gibt es nicht.

Sempach, Schiffshütte Oberkirch, St. Margrethen Beim Bau der Schiffshütte konnten im 19. Die Ufersiedlung von St. Margrethen ist späte- Jahrhundert frühbronzezeitliche Funde gebor- stens seit 1862 bekannt, wobei es nur wenige gen werden. Informationen dazu gibt. Angeblich weist die 1987 wurden in einem Kanalisationsgraben Lokalität eine Grösse von ca. 1 ha auf und ist eine dünne Kulturschicht und einige Pfähle hauptsächlich im verlandeten Seebereich gele- festgestellt. Die wenigen Scherben deuten auf gen. Steinbeile und Silexartefakte weisen auf eine frühbronzezeitliche Zeitstellung hin, ein eine neolithische – wahrscheinlich horgenzeit- Dendrodatum ist dagegen spätbronzezeitlich. liche – Zeitstellung hin. Eine kürzlich unternommene Sondierung im 2004 konnten im Bereich der Flachwasserzone Zusammenhang mit dem Neubau eines Boots- einige wenige Pfähle beobachtet werden, dar- stegs ergab, dass im See keine Siedlungsreste unter befand sich auch ein Eichenpfahl. Dies Abb. 11: Sempach, Gruebmatt. vorhanden sind. bestätigt die frühere Annahme, dass die Sied- Frühbronzezeitliches Bronzebeil lung wohl hauptsächlich im heute verlandeten in Fundlage und gezeichnet (Foto Tauchequipe Zürich, Die letztgenannten vier Ufersiedlungsareale Seebereich liegen dürfte. Die kurzen Jahrring- Zeichnung Judith Bucher). setzen sich räumlich teilweise nur undeutlich folgen der Pfähle erlaubten keine dendrochro- voneinander ab. Die Siedlungsareale von Ufer- nologische Datierung der Fundstelle. Verein- promenade und Schiffshütte gehen ineinander zelte in der Seekreide gefundene Scherben und über. Die Eigenständigkeit der Siedlung „Fest- Silices sind neolithisch, zwei Bodenscherben hütte I“ ist dagegen durch die Zeitstellung ihrer dürften schnurkeramisch zu datieren sein. Eini- Funde zu belegen. „Festhütte II“ ist bis anhin ge stark erodierte und verrundete Wandscher- nur durch den Fund eines Bronzedolchs belegt. ben sind bemerkenswert dünnwandig, sehr kompakt und fein gemagert, so dass eine bron- Nottwil, Eishütte zezeitliche Datierung erwägenswert erscheint. Gemäss einem Brief von Oberst Schwab aus dem Jahre 1860 wurde in Eibach eine bis

ceknRömerhüsli Schenkon

useGammainseli Sursee

ceknTrichtermoos Schenkon

useMariazell Sursee bric t agehn??? ? ? St. Margrethen Oberkirch

bric Seehäusern I Oberkirch epc Uferzone Sempach

ihSpiessmösli Eich

bric Seehäusern II Oberkirch

epc Schiffshütte Sempach epc Gruebmatt Sempach

oti Eibach Nottwil

epc Festhütte Sempach

oti Eishütte Nottwil

ihWiesen Eich

epc Festhütte II Sempach 0,45 m mächtige Kulturschicht festgestellt, die Dorf Eich Tab. 1: Ufersiedlungen am neolithisches Fundmaterial lieferte (WEY 1990, Sempachersee. Kultureller 284). Kontext und Datierung. Im Rahmen der Tauchprospektion 2004 waren jedoch weder Funde noch Befunde im See an- zutreffen, die Siedlungsreste dürften demnach v.Chr. im verlandeten Bereich zu suchen sein.

4200-3500 Cortaillod

Nottwil, Eibach 3800-3500 Pfy n

Eine schriftliche Notiz von P. E. Scherrer ver- 3500-2800 Horgen merkt bei Eibach eine 30 m lange, vollständig 2800-2400 Schnurkeramik an Land gelegene Ufersiedlung ohne Pfähle (!). 4200-2200 Neolithikum allgemein

Die Tauchprospektion 2004 ergab keinerlei Be- 2200-1550 Frühbronzezeit funde oder Funde. Falls Siedlungsreste tatsäch- 1350-800 Spätbronzezeit lich existieren, so sollten sie sich, wie bereits 2200-800 Bronzezeit allgemein von Scherrer angegeben, im Bereich der verlan- Unbestimmt deten Flachwasserzone befinden. 31 NAU 11/12 2005

Oberkirch, Seehäusern Pfahlbauten aufgezeigt. Die Flächenerosion In Oberkirch, Seehäusern sind durch Lesefun- greift fortlaufend und massiv in die Sedimente de im Bereich des Sureausflusses die beiden des Flachwasserzone ein, so dass in absehbarer Ufersiedlungen Seehäusern I und II belegt. See- Zeit auch die letzten dort liegenden Siedlungs- häusern I erstreckt sich südlich des Sureausflus- reste verloren sein werden. In zahlreichen Fäl- ses auf etwa 100 m, Seehäusern II liegt nördlich len sind daher sofortige Maßnahmen zum davon und ist angeblich 20 bis 30 m lang. Schutze der Siedlungsreste erforderlich. 1871 wurde von einem Lehrer Bucher aus Lu- Ursprünglich war vorgesehen, eine Bestandes- zern eine kleine Grabung durchgeführt, die aufnahme in sämtlichen Luzerner Seen durch- eine unterhalb des Humus und einer Seekreide- zuführen, deren Sinn sein sollte, Zustand und schicht gelegene Kulturschicht mit dünnen Gefährdung der Pfahlbauten zu dokumentie- Pfählen („3 bis 5 Zoll“) ergab. Die Kultur- ren und somit ein Instrument für die zukünfti- schicht lag 1,20 bis 1,50 m (4 bis 5 Fuss) unter- ge Arbeit der Kantonsarchäologie zu erhalten. halb der Oberfläche. Aufgrund der kantonalen Haushaltslage wird Die erwähnten Funde von Keramik, Steinbei- dies kaum möglich sein. len und Silices weisen auf eine neolithische, Die Zerstörung der Ufersiedlungen durch Flä- eventuell cortaillodzeitliche, Datierung hin. chenerosion und Baumassnahmen schreitet un- 2004 konnten wenige bodeneben erodierte terdessen rasch und unaufhaltsam voran. Die Pfähle beobachtet und vereinzelte neolithische notwendigen Schutzmassnahmen für den Er- Keramikscherben und Silexabschläge geborgen halt dieses bedeutenden Kulturerbes sollten werden. Einige Sondierbohrungen blieben er- deshalb nicht in eine ungewisse Zukunft ver- folglos. Es wird angenommen, dass die Pfähle schoben werden. den äussersten Rand einer heute an Land gele- Dass die Pfahlbauten ein Kulturerbe von be- genen Ufersiedlung markieren. sonderem Rang sind, wird durch den jüngst er- folgten Vorstoss des Schweizer Bundesamtes für Kultur belegt. Auf Vorschlag der Behörde hat Wie soll es weitergehen? der Schweizer Bundesrat jüngst die Pfahlbauten in die „liste indicative“ der UNESCO aufge- Die unternommene Tauchprospektion hat ein- nommen. Es bleibt zu hoffen, dass ihrer kultur- drücklich die Bedeutung, das Potential, aber historischen Bedeutung entsprechend, mittel- auch die Gefährdung der uns anvertrauten fristig die dringend benötigten Mittel bereitge- stellt werden, die ihren Schutz und ihre auf lange Sicht konzipierte Erhaltung sicherstellen.

Anschrift des Verfassers

Dr. EBBE NIELSEN Kantonsarchäologie Luzern Libellenrain 15 CH-6002 Luzern www.archaeologie-LU.ch

Literatur JbHGL 18, 2000: Jahrb. Hist. Ges. Luzern.

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