inBaden-Baden

Highlights 1 IMPRESSUM Herausgeber Internationale Sport-Korrespondenz (ISK)

Objektleitung Beate Dobbratz, Thomas R. Wolf inBaden-Baden Redaktion Matthias Huthmacher, Sven Heuer

Fotos Baumann, Bernhart, Bongarts, Burkhardt, Frischmann, firo, GES, Golling, Herlich, Horstmüller, Perenyi, Rauchensteiner, Schreyer

Konzeption, Herstellung PRC Werbe-GmbH, Filderstadt

Sponsoring, Anzeigen Lifestyle Sport Marketing GmbH, Filderstadt Highlights Druck Druckerei Fischbach, Reutlingen

INHALT

3 ...... Seit 1947 Was macht Mang? ...... 54 5 ...... Der VDS-Präsident ZDF ...... 56 6–7 ...... Fotoausstellung Juniorsportler ...... 58 8–12 ...... Sydney 2000 Umfrage ...... 60–61 14 ...... Am Strand Der Winter ...... 62–64 16–18 ...... Olympia-Premiere Erfolgsdisziplinen ...... 66 20–22 ...... Im Olymp: Birgit Fischer Michele Mondiale ...... 68 24–25 ...... Interview mit Roland Baar Schloßgarten ...... 70 26–28 ...... Paralympics Bike-Boom ...... 72–75 30 ...... Sportpartner Moskau 1980 ...... 76–77 34–36 ...... EM-Zaungast Management...... 78 38 ...... Haare und Zahncreme Kampf um Olympia ...... 80–81 40–41 ...... Fußball-Debakel Fair Play ...... 82 42 ...... WM 2006 Ehrengäste ...... 84–87 44–46 ...... Tradition 2001 ...... 88 48–52 ...... Das Goldene Buch 3 ERST LEIDEN, DANN WÄHLEN: UND MEISTENS DAS RICHTIGE VOTUM

Seien wir mal mutig bei der Beantwortung der Frage: „Wer sind die Sportler des Jahres 2000?“ Natürlich alle Gold- kinder von Sydney. Und jene, die anderes Edelmetall erkämpf- ten, die strenge Qualifikationsnormen überwanden und fair ihre Chancen suchten. Global gesehen die Macher der wunderbaren Spiele von Sydney. Die Menschen, die Volunteers... und die Reporter. Man sollte nachzählen, wieviele Stories rund um die Spiele down under via E-Mail und Fax die Heimatredaktionen erreichten, wieviele Fotos, wieviele Sendeminuten. Ein Eintrag im Guinness-Buch wäre sicher. Olympia strapazierte auch die Medienschaffenden bis zum Letzten. Denn nie vorher gab es eine derart umfassende Berichterstattung. In der ersten Woche galt die Konzentration dem matten Medaillenglanz, danach rückten die Siegergeschichten in den Fokus. Und nachts, wenn die Heimatredaktion die letzte Frage losgeworden war, schliefen die Damen und Herren der Laptops, Kameras und Mikros in ungeheizten Containern, die nicht ganz so luxuriös wie Jugend- herbergen ausfielen. Hinzu kommt die technische Schicht. Er/sie übermittelt per Modem oder Handy, was a) manchmal nicht funktioniert, vor laufenden Kameras zwar nicht jedermanns Sache. Aber wer b) einen kleinen Crashkurs erfordert, c) lästig ist. Es galt, sich dem Sydney-Kühlcontainer trotzt, hält auch gleißendes Schein- um Tickets, Shuttle-Verbindungen, Interview-Termine, etc. zu werferlicht aus. kümmern. Wäre alles noch gegangen, hätte man auf die War- Mit-Sportler des Jahres, dieser Titel gebührt der Journail- nungen vor den frischen Frühlingstemperaturen bei Abendver- le (mit Abstrichen – siehe Beitrag von Gunter Barner) also durch- anstaltungen gehört. Keine dicken Jacken, dafür Schnattern, aus. Doch der wird gar nicht angestrebt. Wichtiger bleibt das Niesen und Schlangestehen beim Apotheker. Hatschi-Olympia- präzise Votum für die Athleten. Über 250 verschiedene Namen de. Dennoch ist keiner heimgereist. präsentierten die Fachjuroren, als sie das Jahr von A bis Z analy- sierten. Damit stehen die wahren Sportler des Jahres wieder im JUROREN FANDEN 250 KANDIDATEN Mittelpunkt – und denen gilt die traditionelle und bedeutendste Sportlerumfrage nun mal. Es gab kein Jahr, in dem die Presse bei der Wahl zum Sportler des Jahres völlig daneben gelangt hätte. Seit 1947 küren die Mitglieder des VDS die Besten – und blieben doch stets im Dunkel. Bis das ZDF vor zwei Jahren die gute Idee kreierte, bei der Präsentation Sportler des Jahres auch Journali- sten „on air“ als Paten zu präsentieren. Nun ist so ein Auftritt Klaus J. Dobbratz 5 DIE BILANZ DER SPORTJOURNALISTEN

Am Ende eines Jahres blickt man oft – und manchmal gern – zurück. Die Ehrung der Sportler des Jahres ist Anlass zur Bewertung der sportlichen Leistungen des Jahres 2000, ist Gelegenheit, erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler auszuzeich- nen und sie zu feiern. Irgendwie feiern sich die Sportjournalisten damit auch ein bisschen selbst. Am Ende des Jahres 2000 sollten die Journalisten, nicht nur die mit dem Fachgebiet „Sport“, beim Rückblick aber auch ihre eigene Arbeit bewerten. Das gibt weniger Anlass zum Feiern. Das abgelaufene Jahr hat neben sportlichen Erfolgen auch die Affäre Daum gebracht. Zu diesem Thema haben sich viele geäußert: Sportjournalisten, Chefredakteure, Klatschkolumnisten, aber auch Politiker, Medizi- ner, Juristen, Sportfunktionäre, Daum’s „gute Freunde“ und wer sonst noch alles. Auf der Jagd nach der Sensation wurden dabei oft Grenzen überschritten: Grenzen des guten Geschmacks, Grenzen der Intimsphäre, Grenzen der Verantwortung, Grenzen der Fairness. In der Präambel zur Satzung des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS) findet sich der Ehrenkodex der Sport- journalisten. Darin heißt es u.a.: „Im Umgang mit Beteiligten und Betroffenen sind die Würde des Einzelnen, der Schutz der Persönlichkeit und die Intimsphäre zu achten. In jedem Fall sind die Folgen der Berichterstattung mitzubedenken. Zu den Grund- lagen der Arbeit gehören sorgfältige Recherche, korrekte Wieder- gabe von Zitaten und unmissverständliche Sprache.“ Die Nähe zu Sportlern, Trainern oder Funktionären bringt Journalisten Wissen. Wissen ist Macht, aber mit Macht muss man sorgfältig umgehen; das ist die Verantwortung der Journali- sten in einer Zeit, in der Sendungen wie Big Brother und deren Auswüchse vor allem bei jüngeren Menschen großen Anklang finden. So ist es, glaube ich, nicht verkehrt, am Ende eines Jahres nicht nur große Leistungen und Erfolge zu feiern, sondern auch die eigene Arbeit kritisch zu bilanzieren. Erich Laaser, VDS-Präsident 6 7 8 von Klaus J. Dobbratz 9

doch nach Cairns, da gibt’s viel Platz“, schlug uns der Taxifahrer OLYMPIA DOWN UNDER – IN SYDNEY einen Umzug in den tropischen Vorposten am Great Barrier Reef vor. Aber die Organisatoren mussten gar nicht delogieren, sie SPRANG DER FUNKE WIEDER ÜBER meisterten mit einer nie gesehenen Bus-Armada, Flexibilität und Zügen im Minutentakt den größten Menschenauflauf in der Geschichte der 1788 gegründeten Hauptstadt von New South Wie ist der Mensch gewöhnlich nach 24 Stunden Flug Wales. Nur einmal, am Schlussabend mit den finalen Feuerwer- in der Economy-Class noch drauf? Griesgrämig, müde ken, da ging nichts mehr. 1,5 Millionen Menschen downtown, und steif, nur nicht olympiahungrig. Aber das aller mehr als bei der Millenniums-Party. Great. erste Negativerlebnis down under blieb das einzige. Die Sportler verabschiedeten sich in Homebush Bay, aber eigentlich würden alle gerne wiederkommen. Nichts gegen Athen, Peking oder Paris oder wo auch immer das Feuer künftig Unglaublich! Wie die Australier ihre Gäste schon am noch brennen mag. Sydney verdiente sich das Label „The Best Airport hofierten, zielgenau zu den Destinationen chauffierten, Ever“ ohne Wenn und Aber. Und das nicht nur aus sportlichen ihnen ihre Freude über den Besuch vermittelnd. Ein olympischer Gründen. Sicher, viele Wettkämpfe waren bombastisch: die Coming-Home-Effekt. Vor allem für jene, die Atlanta erlebt hat- stimmungsvolle Rekordjagd mit Ian Thorpe und Co. im Aquatic ten, wo kein Funke übersprang. In Sydney, sowieso eine Stadt Center, Cathy Freemans 400 m-Kür, die Triathlon-Premiere vor zum Verlieben, passierte das gleich mehrmals täglich. Zum dem Opera House. Aber die „kontrollierten Spiele“ servierten Beispiel in Darling Harbour, wo eine MonoRail über den Hafen leider auch so viele Dopingfälle, dass einer traditionellen Sport- fährt und so unglaubliche Blicke bietet, dass der gejetlagte art (Gewichtheben – schon seit 1896 im Programm) das Licht Sprung in den Olymp: Heike Drechsler Flugtourist im Nu wieder Oberwasser bekommt. Das Sydney- ausgepustet werden könnte. DAS LANGE WARTEN AUF MEDAILLEN Wille, Kampf, Power: Nils Schumann, der Siegertyp Einige düstere Visionen hatten zunächst auch die deut- sche Delegation befallen, als in Woche eins die Schwimmer Seht her! Ruder-Gold für Boron/Thieme baden gingen und die Schützen lauter Fahrkarten schossen. Zuhause wollte deshalb jene Stimmung, die Sydney von der Adrenalin. Oder mit dem Boot abends zum Pier tuckern, immer ersten Minute an zelebrierte, nicht so recht aufkommen. Kein die Harbour Bridge mit den fünf Ringen im Visier, die hell Superstar, keine Goldschwemme, nächtliche Übertragungs- erleuchteten Wolkenkratzer, das heitere Leben davor. Mittendrin zeiten, (ungewohnte) Konkurrenz durch Champions League, Sportler, in ihren Trainingsanzügen sofort zu erkennen. Die hielt Bundesliga und Formel 1. Gottseidank aber gab es da noch es nicht im Olympischen Dorf draußen in Homebush Bay. die Radfahrer um , die den Gordischen Knoten durchschlugen. Am Ende reihte sich Deutschland mit 13 mal VOM MÜLL BIS ZUM OLYMP Gold, 17 mal Silber und 26 mal Bronze hinter den USA, Russ- land, China und dem Gastgeber auf Platz 5 der Medaillenrang- Doch dort, wo ehedem eine Müllkippe war, präsentierten liste ein. Noch standesgemäß. die Aussies ihre bombastische Sportmeile. Fast des Großen Und einige Deutsche besaßen allerhöchsten Unterhal- zuviel, zum Beispiel das Stadium Australia für 115 000 Men- tungswert. Der tanzende Silber-Triathlet Stefan Vuckovic. Oder schen. Dazwischen Super Dome, Baseball-Stadion, die Pavillons Nils Schumann, der über 800 m die Gunst der Stunde nutzte. usw. Dieses olympische Herz schlug eine gute halbe Autostunde Heike Drechsler gab sogar Marion Jones das Nachsehen. Birgit vom Hafen entfernt. Uns schien es, als hätte jeder Einheimische Fischer gewann, 37-jährig, ihr siebtes Gold und im Olymp ist jetzt vorher schon den Olympic Park besichtigt. Voller Stolz, ängstlich ein Platz für sie frei. Nanu, Kanu? Klar, die DKV-Flotte setzte ihre nur wegen der erwarteten Menschenmassen. „Legt Olympia Medaillen-Regatta wie gewohnt fort – unberührt davon, dass 10

sich die Sonne down under anders herum bewegt und Sun- gen Parcours-Untergrund, kamen am besten mit Oxern und blocker mit Schutzfaktor 30 erforderlich sind, gerade auf spie- Wassergraben zurecht. Das reine Damen-Quartett um Isabell gelndem Wasser. Auf der besten Wildwasser-Anlage der Welt Werth verlängerte die Siegesserie im Dressur-Viereck – trotz der (mit Lift!) überraschte Kajakfahrer Thomas Schmidt. Canadier- zunehmend schärferen Konkurrenz aus den Niederlanden. Die Spezialist Andreas Dittmer, Zweier und Vierer der Frauen sorgten Bahn-Verfolger stifteten sogar eine ihrer wertvollen und vor allem für die nächsten goldigen Stunden am Penrith Lake, wo sich die schnellen FES-Maschinen für das Velo-Museum im Dunc-Gray- Blauen Berge erheben und die olympischen Maximaltemperatu- Stadion. Beileibe nicht die einzige Anlage, die auch nach den ren (35 Grad) gemessen wurden. Drum mussten auch die Rude- Spielen – sportlich – genutzt wird. Und von vier Pedalkollegen rer vormittags ran – aber als Morgenmuffel entpuppten sich die unterstützt, rollte auch zum Gold im Straßenrennen, Bootsbesatzungen nicht, obgleich Bundestrainer Ralf Holtmeyer was den dreimaligen Tour-Zweiten tief bewegte. Nur dass Alexan- vorher mächtig schwarz gemalt hatte. Beeindruckend Jana Thie- der Leipold seine so überschwänglich gefeierte Ringer-Goldme- me und Kathrin Boron, unschlagbar der Doppelvierer, die Ruder- daille wegen Nandrolon nachträglich wieder abgeben musste, frauen erhöhten die Schlagzahl scheinbar mühelos, so dass die beeinträchtigte nachhaltig die positiven Bilanzen der XXVII Olym- Abstinenz des Achters fast in Vergessenheit geriet. pischen Spiele. Dennoch: Unter dem Strich stehen nun 375 deutsche Olympiasiege bei allen Sommerspielen nach Athen DIE VIER HAT DEN DEUTSCHEN GLÜCK GEBRACHT 1896 und vor Athen 2004. Eingeprägt haben sich viele goldene Geschichten von Überhaupt, die Zahl 4, magische deutsche Olympiazif- Helden und Seriensiegern. Und natürlich die hilfsbereiten fer. Denn auch die vier Springreiter in den roten Röcken, zuerst 47 000 Volunteers, die zuvorkommend-freundliche Art der Ozzies gar nicht zufrieden mit der langen Quarantäne und dem sandi- („sorry for the rain“), ihre kleinen Sticheleien gegen „the ugly

So fuhren auch Gustav Kilians Mannen zum Sieg. Vier in Mit dem knappsten Ergebnis der Olympiageschichte zum einer Luftblase Sieg. Lars Nieberg (hier auf Esprit) und die Springreiter 12

american“, den sie zwar in vielen Dingen kopieren, aber doch nicht mögen. Aber Olympia hat längst Dimensionen angenom- men, die jedes Fazit bruchstückhaft bleiben lassen. Den Über- blick zu wahren, fällt immer schwerer. Die Geste von Säbelfech- ter Kothny, der seine Medaille an den Ersatzmann weitergab? Oder die Story um Franzi, der starke Auftritt von Tennisprofi Tommy Haas. Die Stimmung, zum Beispiel wenn ein Stadion andächtig „Waltzing Mathilda“ anstimmte, prägte „The best games ever“. Ebenso wie die sportlichen Helden. Bei der Wahl zur „Weltsportlerin des Jahres“ lief Marion Jones ihren Konkur- rentinnen locker davon, obgleich sie ihr großes Ziel von fünfmal Gold um zwei „Klunker“ verfehlte. Das Stadium Australia erbeb- te, als Cathy Freeman über 400 m gewann und anschließend minutenlang regungslos verharrte. Obgleich die Ozzies bei ihrer Lieblingsdisziplin Oberwasser hatten, ließen Inge De Bruin und Pieter van den Hoogenband die Fluten Oranje glitzern. Ein Exot wie Frei- und Fahrtenschwimmer Erik „The Eel“ aus Äquatorial- Guinea sorgte für die heitere Seite, während die deutsche Dele- gation eiskalt geduscht wurde. Ausnahme: Rückenspezialist Stev Theloke. Gibt es Gold-Abos? Nein, aber Damenpower hoch 4. Von links: Ulla Salzgeber, Alexandra Simons-de Ridder, „BRAUCHEN WIR ALLE DISZIPLINEN?“ Nadine Capellmann und Isabell Werth Ein bisschen verschlanken wäre ökonomischer – nur ein Teil der neu ins Programm gehievten Wettbewerbe imponierte. Dr. Thomas Bach, dessen Wahl zum IOC-Vizepräsidenten zu den Olympia-Highlights aus deutscher Sicht gehörte, plädiert „für eine Reduzierung von 300 auf 280 Entscheidungen. Und wenn noch mehr gestrafft würde, macht es auch nichts. Dabei bin ich nicht einmal für eine Reduzierung der Sportarten, aber nicht jede Disziplin, die bei Weltmeisterschaften durchgeführt wird, muss zwangsläufig auch bei Olympischen Spielen dabei sein.“ Beim postantiken Ringen 2004 unter der Akropolis kommt diese These erstmals auf den Prüfstand. Oder später vielleicht, in Peking, Buenos Aires, Kapstadt, Paris, Istanbul, Stuttgart…Bye-bye, Olympia.

Brachte das Wildwater von Penrith zum brodeln: Thomas Schmidt gewann zwei Tage nach seinem 24. Geburtstag 14 von Jürgen Löhle IM REGEN AM BONDI-BEACH GEDEIHT BRONZE FÜR AHMANN UND HAGER

Am Strand der Träume haben Oldies normalerweise sein, mit Ausnahme des knorrigen Jake, dem Haiwächter am keine Chance. Es sei denn sie spielen Volleyball und Bondi-Beach. Der alte Mann blickt mit zusammengekniffenen kommen aus Deutschland. Augen hinaus aufs Meer, aber die Action geht in seinem Rücken ab. Aus einem riesigen Stahlrohrkäfig wummert eine Tonkonser- Der Taxifahrer ist eine ehrliche Haut. „Zum Bondi-Beach? ve von AC/DC, kurz danach rüttelt Techno am Höhrnerv. Laute Nehmen Sie besser den Bus, der braucht genauso lang und Musik ist ein ständiger Begleiter des olympischen Beach-Volley- kostet nicht mal die Hälfte. Ich habe sowieso keine Lust mehr, ball-Turniers. 10 000 auf den Tribünen jubeln den begnadeten da runter zu fahren, die ganze Stadt will da ja hin.“ Noch ein Körpern zu, die zu fetziger Musik baggern, hechten und schmet- Lächeln. Good day – und weg ist er. Der Mann hat zwar ein tern. Jubelstürme nach jedem Punktgewinn. bisschen übertrieben, aber im Prinzip Recht. Beach-Volleyball an Sydneys junger Seemeile war ein Magnet der Spiele, oder, um SAMBA FÜR DIE HERREN VOM IOC in der richtigen Sprache zu bleiben: ein Bringer, ein echter Hype. Bondi-Beach, Treffpunkt der Waschbrettbäuche, tiefge- „Die Atmosphäre ist unglaublich, das Turnier macht bräunten Schönheiten, gestählten Surfer, unerschrockenen riesig Laune“, erzählt Gudula Staub, zusammen mit Ulrike Schwimmer im 17 Grad kalten Pazifik. Keine zehn Busminuten Schmidt eines der beiden deutschen Frauen-Duos. Nächster von Downtown pflegt der Sydneysider seinen Körperkult. Wer Punkt, nächste Fanfare. La-Ola schwappt über die Tribüne, auf mehr als Hüftbreite 32 bei seinen Jeans zählt, fällt hier garan- der Napoleon, ein unglaublich fetter Mann mit blonder Perücke tiert auf, und zwar unangenehm. Keiner scheint älter als 25 zu und Edelfan der Brasilianer, den Takt vorgibt. Überhaupt: Wenn die Brasilianer spielen, schlagen auch die Herzen der hohen Cool Men am Hot Beach: Ahmann/Hager Herren vom IOC Samba. Das junge Gesicht von Olympia ist den altgedienten Funktionären zwar noch ein bisschen fremd, die Discostimmung am Strand lässt aber auch sie nicht kalt. Doch bei allem Spaß im Sand – die fitten Strandler sind Profis, die hart trainieren und zielgerichtet leben, um an die Preisgelder zu kommen. Stars wie der Brasilianer Jose Loiola sind längst Beachmillionäre – in Dollar. So weit hat es das deut- sche Männer-Duo Jörg Ahmann und Axel Hager zwar noch nicht gebracht, die Szene-Oldies schafften mit ihrer Bronzemedaille aber eine der Überraschungen am Bondi-Beach. Ahmann (34) und Hager (31) waren erst auf den letzten Drücker überhaupt in das Turnier gekommen und erreichten mehr, als sie selbst gedacht hätten. Platz drei in ihrem 82. Turnier durch einen Erfolg im kleinen Finale gegen die Portugiesen Maia/Brenha – ein Höhepunkt im achten Profijahr. Übrigens – beim Spiel um Bronze hat es geregnet am Bondi Beach. Die Stimmung im Stadion war trotzdem enorm. Nur am Strand war nichts los. Und für den Rückweg gab es auch wieder willige Taxifahrer. 16 von Oliver Bernhart EDELMETALL STATT IRONMAN: MIT DER PREMIERE ZUR OUVERTÜRE BEWIES DAS IOC EIN GLÜCKLICHES HÄNDCHEN

Nur Haie und Schlangen ließen sich nicht blicken. Bergab geht es mit Radcross nicht mehr. Auch dank Lado Das zweibeinige Publikum dagegen strömte zu Fumic, dem überragenden German Biker Triathlon und Mountain-Bikes.

Auch in Sydney hatten die Manager der fünf Ringe wieder zusätzliche Events in den ohnehin prall gefüllten Veranstaltungs- kalender gepackt. Aber, bei aller Kritik am teilweise unübersicht- lichen Programm, einmal gebührte dem IOC eine glatte 10: Die Triathlon-Premiere, obgleich selbst im Lager der Allrounder um- stritten, erwies sich als optimaler Opener der Spiele. Hunderte Quadratmeter an blauem Teppich hatten sie an der Wechsel- und Zielzone verlegt. So strahlend wie der Himmel über Opera und Harbour Bridge. Im tiefblauen Wasser ankerten die mächti- gen, weiß getünchten Ozeanriesen. Entlang der Schwimm- strecke bewegte sich eine ganze Armada von Begleit- und Zuschauerschiffen mit bunten Segeln – und die Sonne meinte es ebenso gut. Alles majestätisch.

Sporthilfe-Chef Grüschow (r.): „Typen wie Sie brauchen wir“ 18

Fast vergessen auch der Zwist zwischen den Ironmen, eloquent eine Privatpressekonferenz mit Medienvertretern, die ihr Fest auf Hawaii zelebrieren, und den Kurzdistanz-Athle- die einen so starken Typ schon lange nicht mehr erlebt hatten. ten. Für Zuschauer und Fernsehen erwies sich die rund zwei- Vuckovic (Markenzeichen Piratentuch): ein Olympia-Sieger auch stündige Sydney-Show als ideal. Auch weil die Australier absolu- ohne Gold. te Tria-Freaks sind und ihre Besten wie Michellie Jones (Zweite) „Triathlon ist nicht mehr aus dem olympischen oder Miles Stewart (Sechster) wie Nationalhelden verehren. Am Programm wegzudenken“, sagt heute Bundestrainer Reinhold Ende aber scheiterten die Gastgeber am riesigen Erfolgsdruck, Häußlein. Eine solch starke Premiere hatte die andere In-Sport- eine Schweizerin (Brigitte McMahon) und der Kanadier Simon art, Mountainbike, vor vier Jahren in Atlanta nicht erlebt. Forget Whitfield holten sich das historische erste Gold. it. In Australien präsentierte sich das Radcross als faszinierende Chose. Und ähnlich gefährlich wie Triathlon: Hatten Teilnehmer OLYMPIA-SIEGER AUCH OHNE GOLD und Veranstalter im Sydney Harbour Angst vor Hai-Attacken, so verteilten die Betreiber der Fairfield Ranch Handzettel mit Hin- Doch auch die deutschen Kurz-Triathleten, bislang rest- weisen auf Schlangen entlang des MTB-Parcours. Keine(r) wurde los im Schatten der populären Eisenmänner Zäck, Leder und gebissen, angebissen haben allerdings die Zuschauer, live oder Hellriegel, erlebten ihr Hurra. Bei den Frauen radelte die mutige via TV. „Na, wie hat es euch gefallen?“ interviewte Lado Fumic, Joelle Franzmann minutenlang im Weltbild vorneweg. Und dann guter Fünfter, zunächst die Reporter. 50 000 Zuschauer, Groß- kam der Auftritt von Stephan Vuckovic, der bei Thomas Spring- bildleinwand, coole Typen auf Rädern und dennoch weitgehende stein in Neubrandenburg trainiert und sich im Laufen quasi um Schonung für die Umwelt: Die Biker waren, obgleich 50 Kilome- Lichtjahre verbessert hat. Nach 1,5 km Schwimmen und 40 km ter von downtown entfernt, keine Randerscheinung. Und Fumics radeln (Windschattenfahren erlaubt) führte der Reutlinger ur- Trainer Thomas Schediwie fordert nun permanente Strecken in plötzlich das Feld an, freute sich am Ende ausgelassen über Deutschland. Denn, klare Sache: „Das war allerbeste Werbung Rang 2 und gab anschließend auf der Ehrentribüne versiert und für unseren Sport.“

Great: Opera House, Tria-Premiere, Stephan Vuckovic 20 von Rüdiger Fritz ZAHLEN SIND NUR SCHALL UND RAUCH, GLAUBT DIE OLYMPIA-REKORDLERIN – WIRKLICH?

Einen Spruch wie den von Steve Redgrave hat sich Birgit Fischers Einzug in die Hall of Fame. Mit sieben Gold- Birgit Fischer verkniffen: „Wer mich jetzt noch auf medaillen Deutschlands erfolgreichste Olympiateilnehmerin einer Ruderstrecke erwischt, der kann mich erschießen.“

1996, nach seinem vierten Olympiasieg, waren dem geadelten Briten diese Worte über die Lippen gekommen. Doch die Sucht nach dem schmalen Ruderboot schob alle mörderi- schen Gedanken beiseite: Sir Redgrave ward höchst lebendig am Lake Penrith bei Sydney gesichtet, nun mit Goldmedaille Nummer fünf am Halse. Auf eben diesem Wasser aber ist auch Birgit Fischer im Kanu Einmaliges gelungen. Doch selbst jetzt, nach ihrem siebten Olympiasieg im „letzten Rennen meiner Karriere“, würde die 38-Jährige den Abschluss ihrer Laufbahn nicht als unumstößlich bekräftigen. Zumal auch sie selbst schon rückfällig geworden ist und die Lust an schneller Fortbewegung auf dem Wasser nur zu gut kennt. 35 INTERNATIONALE TITEL

Doch vorerst soll es beim Abschied bleiben und manche der viel jüngeren Kontrahentinnen atmen auf. Denn wo Birgit Fischer mit ihrem Rennkanu auftauchte, da gab es für die ande- ren nicht viel zu lachen. Das war 21 Jahre lang so. Und was sie in dieser Zeit zusammengepaddelt hat, verhalf ihr als bester Kanutin aller Zeiten zum Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde. Außer den sieben olympischen Goldmedaillen und drei silbernen, die Birgit Fischer als erfolgreichste Deutsche in der 104-jährigen Geschichte der modernen Spiele ausweisen, sind das 27 Weltmeistertitel und ein Sieg bei der Europameister- schaft, errungen im letzten Jahr der Kanu-Karriere. Von solcher Aufzählerei hält die Heldin selbst allerdings nicht viel. „Das ist doch alles nur Statistik. Ich sehe in mir kei- nen historischen Typen“, sagt sie ohne Koketterie. Es gibt ande- re Dinge, die ihr im Moment höchster sportlicher Weihe eine Menge bedeuteten. Etwa, dass ihre Kinder, der 14-jährige Ole und die 10-jährige Ulla, neben ihre Mutter auf der Tribüne am 22

Lake Penrith die beiden letzten Triumphe miterlebten. Oder die Birgit Fischer musste aber schon ganz andere Dinge Gedanken daran, „in den letzten vier Jahren nicht jünger gewor- bewältigen, die ein ramponiertes Kanu eher als Lappalie den zu sein und bedeutend mehr Energie für die Erfolge verwen- erscheinen lassen. Nach den Olympischen Spielen 1988 hatte det zu haben“. sie ihre Laufbahn beendet. Die Wende in Deutschland brachte Außerdem glaubt sie, die Themen Kanu und Birgit die Diplomsportlehrerin zurück ins Boot, auch weil sie bei einem Fischer seien wenige Wochen nach Sydney ohnehin wieder ver- Besuch der Kanu-Weltmeisterschaften von 1991 in Paris gessen. Keine Bitterkeit schwingt in den Worten mit. Die mit erkannt hatte, dass sie mit ihren Nachfolgerinnen trotz der lan- manchen Widrigkeiten des Lebens fertig gewordene allein erzie- gen Pause würde mithalten können. Nur ein Jahr später stand hende Mutter weigert sich bloß, Luftschlösser zu bauen und hat sie erneut an der Spitze. Ihrer Scheidung folgte ein jahrelanger längst erkannt, dass Kanufahren nicht im Begriff steht, Fußball, Rechtsstreit mit dem Alteigentümer ihres Hauses in Kleinmach- Tennis oder Leichtathletik in der Popularität zu überholen. Es now. Wenige Tage vor den Spielen 1996 in Atlanta erhielt die hebt auch schon längst nicht mehr ihren Adrenalinspiegel, wenn Kanutin den Gerichtsbeschluss, der den früheren Besitzer im jemand sie mal wieder den Ruderinnen zuordnet. Recht sah. Mit den Kindern zog sie nach Berlin-Grünau in ein Hochhaus nahe ihres Trainingsflusses Dahme, auf dem 1936 OLYMPIA MAL 5 die olympische Regatta ausgetragen wurde. Da im Kanusport keine Reichtümer zu erwerben sind Sydney 2000 waren ihre fünften Olympischen Spiele. Die und Sponsoren für ihre Disziplin im Osten eine Rarität blieben, ersten, 1980 in Moskau, liegen für Birgit Fischer so weit zurück, schloss sich Birgit Fischer dem Wassersportverein Mannheim- dass die Erinnerung daran verschwommen ist. Abgesehen natür- Sandhofen an und fand bei einem Mäzen des Clubs eine Anstel- lich von der Goldmedaille im Einer-Kajak. Der Boykott des lung. Jetzt aber will sie schnellstens ihr Fernstudium als Sport- Ostens vier Jahre darauf in Los Angeles brachte die Potsdamerin und Tourismusmanagerin abschließen, um in Berlin eine Trainer- um das zweite Olympiaerlebnis und manchmal kocht in der stelle zu übernehmen und sich dann mit behutsam nachlassen- ehrgeizigen Athletin noch der Ärger hoch, dadurch um zwei bis den Wasserfahrten „aus dem Spitzensport zu schleichen“. drei Olympiasiege bestohlen worden zu sein. 1988 in Seoul triumphierte sie als Frau Schmidt, verheiratet mit einem erfolg- 140 PADDELSCHLÄGE DIE MINUTE: GOLD reichen Kanuten, im Zweier- und Viererkajak. Wenn sie etwas wurmt in ihrer Erfolgsgeschichte auf dem Wasser, dann die Die Dramaturgie wollte es, dass sich Birgit Fischers 21 Silbermedaille damals in Südkorea, als sie im Einer nur um Jahre währende internationale Laufbahn – 1979 in Duisburg war einen Wimpernschlag unterlag. Die Olympiasiege Nummer vier sie mit 17 erstmals Weltmeisterin – um zwei Stunden verlänger- 1992 in Barcelona im Soloboot und Nummer fünf im Vierer te. Durch ihren Sieg mit dem Vierer in Sydney war sie erfolgreich- 1996 in Atlanta, dort nach ihrer Scheidung wieder unter dem ste deutsche Olympia-Teilnehmerin vor den gleichfalls sechsmali- Mädchennamen Fischer, verliehen ihr schon das Prädikat der gen Goldmedaillengewinnern Reiner Klimke, dem verstorbenen Ausnahmeathletin. Dressurreiter, und Schwimmerin Kristin Otto, als am Abschluss- Bevor Birgit Fischer bei der Eröffnungsfeier in Sydney die tag ein mit 80 km/h über den Lake Penrith fegender Wind die Fahne für das deutsche Team ins Stadion trug, konnte sie sich Boote zu seinem Spielzeug zu machen drohte. Nach langer, läh- trotz der Abgeschiedenheit eines wochenlangen Trainings nicht mender Pause ging auf dem unruhigen Gewässer der Zweier mit über eine ereignislose Zeit beklagen. Beinahe im letzten Augen- Birgit Fischer und Katrin Wagner dann doch noch auf Fahrt. Und blick, einen Monat vor den Spielen, ging Zweier-Partnerin Katrin mit welcher Präzision: Mit 140 Paddelschlägen pro Minute fuhren Kieseler von Bord und wurde durch Katrin Wagner ersetzt, was die beiden allen anderen davon und Birgit Fischer konnte zum ein neues Harmoniebedürfnis erzeugte. Und als im Trainings- siebten Mal bei Olympia ihr Credo „gewinnen ist für mich das camp von Brisbane das wie ein Heiligtum gehütete Boot mit Schönste“ ausleben. Bundestrainer Josef Capousek durfte es beschädigter Außenhaut eintraf, machte sich erst recht Hoch- wohl so deftig sagen als damaliger Lebenspartner von Birgit spannung breit. Fischer: „Einfach phänomenal, was dieses Weib bringt.“ 24 von Manfred Neuber 25

Aber diese Perfektion gibt es nicht überall. Was die Anzahl der ROLAND BAAR IM GESPRÄCH: DAS IOC IST NOCH NICHT DORT Sportarten anbelangt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die olympische Bewegung universale Grundsätze verfolgt. ANGEKOMMEN, WO ES SEIN KÖNNTE Wenn man dazu steht, muss man sich auch für neue Sportarten öffnen.

„Ich bin noch heute stolz darauf, 1988 und 1989 mit Welche Aufgaben und Ziele haben Sie sich in der Athleten-Kom- Aber es gibt doch auch Wildwuchs und es gab früher skurrile dem Deutschland-Achter Sportler des Jahres gewe- mission des IOC gesetzt? Sportarten, die aus dem Programm gestrichen wurden. sen zu sein“, Die Olympischen Spiele gestalten sich immer aufwändi- Ja, nur steht hinter jeder Sportart eine gewachsene bekennt Roland Baar, mit 35 Jahren junges Mitglied der ger, so dass auch die Aufgaben an die Athletenkommission sehr Organisation, für die ein olympisches Aus schwere Konsequen- IOC-Vollversammlung. „Künftig werde ich die Interessen der komplex sind. Wir haben in der neuen Zusammensetzung noch zen hätte. Dennoch muss immer wieder geprüft werden, ob die Sportler in der Athleten-Kommission vertreten“, erklärte er nach nicht beraten und daher auch noch keine zentralen Ziele defi- Voraussetzung einer Disziplin zur Austragung bei Olympischen seiner Wahl in Sydney. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur niert. Aber meine Anliegen sind schon klar: 1. Der Reformpro- Spielen besteht. Denn wenn wir neue aufnehmen, müssen ande- war Schlagmann im Achter, der fünf Mal Weltmeister wurde und zess im IOC muss vorangebracht werden; vieles ist noch offen. re eingeschränkt werden. Das könnte durch eine interne Redu- je eine Silber- und Bronzemedaille bei olympischen Spielen hol- 2. Die Bewältigung des Dopingproblems wird in Zukunft eine zierung diverser Wettbewerbe in einer Sportart geschehen. Und Baar als Schlagmann des siegreichen WM-Achters 1989 te. Baar setzt sich heute als Botschafter des Projektes „Top zentrale Aufgabe bleiben. 3. Wir sollten über die Rolle von Ama- es geschieht durch die Begrenzung der Teilnehmerzahl durch die Junior Team – Pro Athen 2004“ für den Nachwuchs ein. Vor der teur und Profi nachdenken. Ich komme aus einer Amateursport- Qualifikation. so erfolgreich wie noch nie, die Männer haben diesmal Proklamation der „Sportler des Jahres 2000“ sprachen wir mit art und habe nichts gegen Profis. Allerdings sollte in der olympi- schwächer abgeschnitten. Nun muss analysiert werden, ob dem sympathischen Niedersachsen. schen Bewegung eine Ausgewogenheit zwischen beiden „DIE UNSCHULDIGEN SCHÜTZEN!“ und welche Fehler gemacht worden sind. Im übrigen sollten bestehen. wir realistisch bleiben. Deutschland ist doch ein kleines Land. Die Dopingdiskussion geht nach Sydney unvermindert weiter. Bei uns wird viel Geld für den Sport aufgewendet, aber nicht Blutauffrischung für das IOC – zum Beispiel Dr. Roland Baar Wie können die Sportler zur Reform der olympischen Bewegung Laufen die Kontrollen nach dem Prinzip von Hase und Igel? genug, um weiter oben in der Nationenwertung zu sein. Bei beitragen? Was hat für Sie Priorität? uns ist leistungssportlicher Erfolg kein echtes Staatsziel und Dieser Eindruck entsteht. Sobald eine Manipulationsme- wird also im Bezug auf Ressourcen nicht wirklich vorangetrieben. Es zeigt sich immer wieder: Das IOC ist noch längst nicht thode nachweisbar ist, gibt es neue, modernere Methoden. Das Auch andere Nationen, z.B. Gastgeber Australien, machen große da angekommen, wo es in unserer Zeit sein könnte und sein ist so und wird immer so sein. Auch wenn wir das Problem von Anstrengungen. So schlecht war unser Ergebnis nicht, wenn müsste. Das zeigt sich beispielsweise bei der Dopingdiskussion. EPO und Wachstumshormonen in den Griff bekommen, würden man von einigen Ausfällen absieht. Dafür gab es auch positive Das IOC ist nicht der Dachverband des gesamten Sports, wie es sicherlich neue Methoden entwickelt. Dem müssen wir uns Überraschungen. die Öffentlichkeit eigentlich erwartet, und man kann daher nicht stellen. Was an der Dopingdiskussion besonders stört, ist die umfassend genug handeln. Meiner Meinung nach müsste das öffentliche Annahme, die meisten Sportler würden sich dopen, Die Förderung des Spitzensports bei uns kommt nun auf den IOC hierbei eine größere Verantwortung übernehmen. Vorausset- um erfolgreich sein zu können. Das stimmt nun ganz und gar Prüfstand. Sollten die Strukturen stärker zentralisiert werden? zung dafür ist eine stärkere Legitimation. Aber dazu sind weitere nicht! Ich bin davon überzeugt, dass die große Mehrheit der Reformen erforderlich – ein langwieriger Prozess. Athleten „sauber“ ist. Diese werden jedoch in ihrem Ansehen Davon halte ich nicht viel. Leistungssport sollte dezen- durch die Übeltäter geschädigt. Deshalb halte ich es für eine tral, individuell betrieben werden, und nur dort zentrale Maßnah- „DAS LIMIT IST ERREICHT“ wichtige Aufgabe, die Unschuldigen zu schützen. men beinhalten, wo sie im Sinne von Mannschaften notwendig sind. Zuviel Zentralismus bringt uns nicht weiter. Der Sport kann Immer lauter wird eine Abkehr von olympischer Gigantomanie Mit dem Abstand einiger Wochen: Enttäuscht vom deutschen nur Abbild unserer Gesellschaft sein und unser Staat ist föderali- gefordert. Wie würden Sie die Spiele begrenzen? Abschneiden in Sydney? Woran hat es gelegen? stisch aufgebaut. Das heißt nicht, dass es keine Führung geben müsste, aber bitte ohne allzu viel hinderlichen Formalismus. Ich Das Limit ist erreicht, die Teilnehmerzahl mit 10 000 Man muss das differenziert betrachten. Es gibt große halte die Kette von einem Präsidium über Sportdirektoren, Bun- Athleten festgelegt. Zwar hat Sydney bewiesen, wie man bei Unterschiede zwischen und innerhalb etlicher Sportarten. des-, Landes- und Olympia-Stützpunkttrainer bis zum Heim- oder günstigen Voraussetzungen großartige Spiele veranstalten kann. Schauen wir meinen Sport, das Rudern, an: Die Frauen waren Vereinstrainer für zu lang. 26 von Wolfgang Fischer VON DER „AKTION SORGENKIND“ ZUR BESTEN SENDEZEIT: PARALYMPICS AUF DEM WEG ZUR ÖFFENTLICHEN EMANZIPATION

Das Interesse von Medien und Bevölkerung am Zeitblende – Ende Oktober 2000: ARD und ZDF berichten Behindertensport nimmt zu, die Medaillenausbeute täglich am Nachmittag eine Stunde von den Paralympics aus ging zurück – welche Lehren lassen sich aus dem Sydney. Die mittlerweile 42-jährige Britta Jänicke bezeichnet Abschneiden von Sydney ziehen? dies als positive Zwischenbilanz auf dem Weg zu einer Anerken- nung der Behinderten als Leistungssportler. Eine Untersuchung 14 Jahre ist es her, da berichtete das Fernsehen über der Sport & Markt AG, Köln, bestätigt: In der Gunst der Bevölke- die Behinderten-Weltspiele mit Kurzbeiträgen in „Aktion Sorgen- rung gebe es keinen signifikanten Unterschied mehr zwischen kind“ und dem „Gesundheitsmagazin Praxis“. Britta Jänicke Behinderten- und Nichtbehindertensport. Für 92 Prozent der stand damals am Anfang ihrer Karriere und war geschockt, unter Befragten waren Paralympics-Medaillen genauso Anlass zur welcher Rubrik ihr Sport geführt wurde. Sie fühlte sich trotz des Freude wie der Gewinn olympischen Edelmetalls. Jänicke, die seit Geburt fehlenden linken Arms nicht als Behinderte. Warum ihre aktive Laufbahn mit einem Kugelstoß-Weltrekord und der auch? Sie spielte vorher bereits drei Jahre beim TSV Jarplund- Goldmedaille sowie Bronze im Diskuswerfen abschloss, kehrt Wedding in der Handball-Bundesliga. dennoch zum Handball zurück und wird beim Bundesligisten Flensburg-Handewitt die B-Jugend betreuen. One moment in time. Britta Jänicke steht nach 14 Jahren Leistungssport ganz oben „ANSCHLUSS NICHT VERLIEREN“

Just während dieser erfolgversprechenden Entwicklung bei Medien und Gesellschaft rutschten die Athleten des Deut- schen Behinderten Sportverbandes (DBS) im Medaillenspiegel in Sydney auf den zehnten Platz ab (15x Gold, 42x Silber, 38x Bronze). Dr. Karl Quade, deutscher Chef de Mission: „Wir woll- ten wieder Dritte insgesamt und beste Europäer werden – und zählen zu den Verlierern“. Noch auf dem Heimflug begann die Ursachen-Analyse. „Wir gehören bei der Anzahl der Medaillen immer noch zu den Top 6, aber wir müssen darauf achten, den Anschluss nicht zu verlieren“, warnt Jörg Frischmann, Geschäftsführer Behindertensport bei Bayer Leverkusen, dem Vorzeige-Club der Sparte. Frischmann selbst gehört zur erfolgreichen Sitzvolley- ball-Mannschaft des Vereins und als Leichtathlet holte er in Australien zweimal Bronze (Speer, Kugel). Gefordert sei mehr Professionalität in Vereinen und Landesverbänden; was nicht mit Profisport für die Athleten gleich zu setzen sei. Die Erfolgs- beispiele von Hochleistungstrainern legten aber nahe, ihre Anzahl zu erhöhen und sie möglichst flächendeckend einzuset- zen, glaubt Frischmann. 28

Den gut gemeinten Ratschlägen muss Dr. Quade jedoch eine bittere Realität entgegensetzen: die magere Verbandskasse. „Andere Länder haben Gelder zur Verfügung, von denen wir nur träumen können“, blickt er neidisch auf die Konkurrenz ringsum. Gesegnet ist, wer zum Beispiel das Glücksspiel hinter sich hat. In Spanien profitierten alle Behin- derten von der bekannten „Blinden-Lotterie“ (Once), in England von einem neuen Wettsystem – mit Geld zu Gold lautete denn auch das Fazit nach Sydney. Für die Australier war eine massi- ve Förderung nationales Anliegen, in den USA gilt für die Spit- zensportler unverändert das Erfolgs-Prinzip der „Selbstver- marktung“. Die für Bayer Leverkusen startende Britta Jänicke dagegen konnte in den letzten Jahren schon zufrieden damit sein, dass ihre Kosten für Training, Starts und medizinische Maßnahmen gedeckt waren. TALENTE ERNTEN SIEGE

Auf einem guten Weg scheint die gezielte Förderung von Talenten. Richtungsweisend ist hier das Otto-Bock-Nachwuchs- team in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Handicap Top- Die professionellsten Paralympics aller Zeiten. Nur 15mal Team Leichtathletik im Bereich Amputierte/Les Autres. Nach Gold für Deutschland, auch Lily Angoreny (unten) schaffte es zwei Jahren erntete es in Sydney bereits Medaillen und Spitzen- über 800 m nicht ganz plätze. Die Förderung beinhaltet eine qualitativ hohe Trainings- und Wettkampfbetreuung. Auch der DBS unterstützt mit Hilfe der Sporthilfe seit letztem Jahr einen sogenannten CN-Kader. In ihm werden auf Vorschlag der Abteilungen und deren Chef- trainer junge Sportler mit Perspektiven aufgenommen, also Medaillengewinner von übermorgen. Mit finanzieller Unterstüt- zung können Fahrten zu internationalen Wettkämpfen oder Trainingslagern bezahlt werden. Kaum aber, dass der Behindertensport an Reputation gewinnt und die Rolle der armen Kirchenmäuse hinter sich lässt, stellt sich auch schon die Versuchung ein: Linear mit der Weltrekordflut stieg in Sydney die Zahl der Dopingfälle. „Wenn das Geld den Spaß und die Moral in unserem Sport verdirbt und vielleicht sogar Freundschaften gefährdet, dann höre ich auf“, sagt Frischmann. Noch sieht er die Gefahr nicht, sortiert erste Unterlagen für den neuen Ordner „Athen 2004“. 30 Ford Werke AG FORD IM SPORT

Mit dem Engagement als Sponsor der Wahl zum Sport- Im Motorsport wird sich Ford nach einer konzernweiten ler des Jahres 2000 setzt Ford einen neuen Meilenstein im Neuordnung in Zukunft ausschließlich auf Rennen mit Produkti- Bereich der Sportförderung. Der Kölner Automobilhersteller onswagen konzentrieren. Im Blickpunkt stehen neben den ist seit Jahren einer der großen Förderer des Sports. So ist internationalen Einsätzen in der Rallye-Weltmeisterschaft die das Unternehmen Hauptsponsor und Namensgeber des Ford Deutsche Tourenwagen-Challenge (DTC) sowie der Ford Puma Köln Marathon, der sich seit seiner ersten Austragung 1997 Cup, der auch 2001 fester Bestandteil der BERU-Top-10-Serie schnell nach Berlin zum zweitgrößten Stadtmarathon in sein wird. Deutschland entwickelt hat. In diesem Jahr starteten in Köln Gemeinsam mit der Agentur Olympic Sport Promotion insgesamt 15 600 Läufer, Handbiker und Inliner. (OSP) betreibt Ford das weltgrößte Fahrzeug-Sportsponsoring- Als Trikotsponsor steht Ford dem vielfachen Deutschen Programm. Innerhalb von zwei Jahren sollen auf diesem Weg Meister im Eishockey „Kölner Haie“ seit Jahren zur Seite. Kaderathleten, Trainer, Betreuer und Funktionäre im Beim Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln gehört Ford nach vie- deutschen Spitzensport insgesamt 2 500 bis 3 000 Ford Fahr- len Jahren als Haupt- und Trikotsponsor zur Zeit dem Sponso- zeuge zu Vorzugskonditionen vermittelt werden. ren-Pool an, der vor allem die Jugendarbeit fördert. Europaweit engagiert sich Ford seit Jahren als einer der vier Hauptsponso- ren der UEFA Champions League. 32 von Beate Dobbratz DAS DEUTSCHE HAUS – EIN STÜCK HEIMAT IN DER WEITEN FERNE

Die Terminals im Internet-Café waren ebenso um- lagert wie die Tresen. Ob Arbeit oder Entspannung: Im Deutschen Haus in Sydney ging es stets hoch her.

Die Adresse war allererste Sahne: Hill Road. Einen Die zarte Judoka Anna-Maria Gradante wurde als Allererste von Steinwurf vom IBC (International Broadcastcenter) entfernt, Moderator Mike de Vries präsentiert, Segel-Guru Jochen Schü- gleich hinter dem Stadium Australia, angrenzend an den mann und seine Crew verließen die Showbühne am Finalabend Olympic Park und vom Olympischen Dorf aus bequem zu Fuß als Letzte. Aber nicht bevor Minister Otto Schily den Gästen erreichbar. Das Deutsche Haus in Sydney, ein Stückchen Heimat noch versichert hatte, dass sich die Bilanz durchaus sehen in 16 000 Kilometer Entfernung, die Weiterentwicklung der bis- lassen konnte. herigen Institutionen. 1992 trafen sich Athleten, Medien und Wirtschaft im stilvollen La Masia des FC Barcelona, 1996 MARK SPITZ KAM OHNE MEDAILLE gedieh die Kommunikation am Ententeich von Atlanta. Nun hatte die DSM (Deutsche Sport Marketing) ein Büroareal in Ob die Rekord-Pedaleure des Bahnvierers, Nils Schu- idealer Lage gemietet, eine sportliche Bar sowie repräsentative mann, Jan Ullrich, Nicolas Kiefer oder Birgit Fischer: Im Deut- Räume ausstaffiert. schen Haus ließen sich alle Erfolgreichen von Sydney blicken. Am „Abend der Athleten“ mischte sich gar ein gewisser Mark WELCOME TO SYDNEY Spitz unters feiernde Volk. Flotte Rhythmen und brasilianische Ballett-Grazien bildeten den rauschenden Gegensatz zum Das positive Feeling der gesamten Spiele am anderen sportlichen Interieur des Etablissements. Ende der Welt ließ sich auch auf das German House übertragen. Die meisten großen Nationen installieren heutzutage bei Zumindest, als sich die Athleten an die Games „gewöhnt“ hat- Top-Events heimische Plauschecken. Dort präsentieren sich die ten und zur abendlichen Feier echtes Edelmetall mitbrachten. Wirtschafts-Partner, im Deutschen Haus Adidas, Bitburger und Obi. Eine sinnvolle Einrichtung, weil es kaum bessere Kontaktzentren gibt für die Vertreter von Medien, Management, Sport, Wirtschaft, Politik und Kultur. An der Hill Road jedenfalls hätten sie an mehreren Abenden das Schild „Belegt“ an die Tür hängen können.

Die heimische Plauschecke an der Hill Road 34 von Volker Dietrich 35 ALS ZAUNGAST BEI DER EURO 2000: WAHNSINN, TOLERANZ GILT NICHT ALS TUGEND Schorsch hat keine Lust zum Jubeln, sondern nur eines: STRASSENSPERREN UND DIE SUCHE NACH DEM BIER „Mords an Duarscht.“ Zugeschaut hat er beim Einrollen der Gladiatoren, sich gewundert, wie groß dieses Mal die Kolonne war, wie martialisch das Polizeiaufgebot. Und sitzen geblieben Schauplatz Fußball-Europameisterschaft. Spektakel Nichts geht, alles steht. Keiner darf mehr rein in die Arena zu ist er. Schön weit weg von den Ordnungshütern, von den Gummi- für Millionen, dickes Geschäft – und Sittenbild der Rotterdam, niemand raus – und wehe dem, der es jetzt noch knüppeln, von den Jungs mit den blauen Stahlhelmen und dem Gesellschaft. Wo Sport am schönsten ist, wird er wagt, auch nur eine Zehenspitze auf dieses freigeräumte Stück harten Blick. Denn der Schorsch ist jemand, der schon froh ist, zum Spielball der Emotionen. Hier Tore, dort Tor- Asphalt zu setzen: Die Ordnungskräfte tragen Gummiknüppel auf dem Schwarzmarkt überhaupt noch eine Eintrittskarte heiten, für manchen auch Tortur: Nicht selten gerät am schwarzen Gürtel. Von nun an gibt’s für alle und jeden nur bekommen zu haben. Der Preis: „Zwoa hundert Mark.“ Katego- der Mensch in der Masse zur Nebensache. noch eines: Warten. Hunderte, nein, tausende Augenpaare rie blauer Sektor, also dort, wo es keine Vips, keine Logen, kein starren auf das, was nun gleich an ihnen vorbeirauschen wird Dach überm Kopf gibt. wie ein Monarch auf Staatsbesuch in einem vom Terror Fast zehn Stunden hat er für die Fahrt ins Stadion Plötzlich ist sie beendet, die routinierte Beflissenheit an verseuchten Land. gebraucht. Bei sengender Hitze. Die mitgebrachten Bierdosen der Stadioneinfahrt, wo knallgelb beschürzte Ordner die Kund- sind längst geleert, jetzt hat der Schorsch vom Tegernsee ein schaft nach Schusswaffen, Glasflaschen und Fahnenstangen AUFMARSCH FÜR DEN MANNSCHAFTSBUS Problem. Der nächste Getränkestand ist in Sichtweite, aber durchsuchen. Aufregung. Trillerpfeifen trillern, Polizisten fuchteln leider im roten Sektor – und die „Stewards“ der EM sind knall- mit den Händen. Metall kratzt auf Asphalt; eilig werden Eisengit- Da, die Vorhut. Ein Monstrum auf vier Rädern biegt um harte Ordner, denen man in Sicherheitsfragen ein Motto ins Hirn ter hin und her geschoben, bis aus der Straßensperre eine Gas- die Ecke. Rundum gepanzert. Nieten sprießen aus dem blauen tätowiert hat: keine Toleranz. Schon gar nicht bei einem wie ihm. Höchststrafe für deutsche Kicker (ausgeschieden) und Fans se wird. Eben breit genug, um einen Bus passieren zu lassen. Lack. Wie fette Pickel aus pubertierender Haut. Auf dem Dach Lederne Trachtenhose, abgewetztes Trikot der Münchner Löwen, (eingebuchtet) ein halbes Dutzend Antennen, hinter den vergitterten Scheiben um den Hals die Deutschland- und aus dem Mund die Bierfah- Alles im Griff: Die Euro-Security sortierte böse Buben aus blicken Männer, deren Gesichter man nicht sieht. Weil sie ne. Ja, der Schorsch hat wirklich schon mal vertrauenswürdiger und dann auf Leute treffen, die in Lederhose und Deutschland- Stahlhelme tragen, einige auch Sonnenbrillen. Und auf dem ausgeschaut. fahne durch eine Heerschar englischer Rabauken irren, dann Körper kugelsichere Kleidung. Das Monstrum stoppt, furzt hilft kein Bitten, kein Flehen, kein Englisch mehr. „Dia wollten nix pechschwarze Dieselrußschwaden ins Publikum, wartet auf SICHERHEIT STATT BÜRGERRECHT hearn, nix wissn, sondern nur oans: Auf di Knia, Händ aufn Befehle. Sekunden später der bewegende Moment: Vorneweg Rückn, abgfiart ins Gfängnis.“ Zwölf Stunden Schutzhaft, vorbeu- vier Polizeimotorräder mit Blaulicht, dahinter ein bunt bemalter Beispielsweise vor einer Woche, als sie zur EM aufgebro- gende Sicherheitsverwahrung. „Belgisch Roulette“ nennen die Reisebus. Drin hocken sie, die Objekte der Begierde: Deutsch- chen sind. Fünf Kumpels im gemieteten Wohnmobil und alle EM-Fans das rigorose Vorgehen der Ordnungskräfte, die wahllos lands Fußball-Nationalmannschaft. wollten keinen Ärger, keinen Stress, sondern nur eines: „a Gau- abräumen, was ihnen bei der Arbeit nicht sauber genug Das Volk johlt, applaudiert, reckt Fäuste – die Businsas- di“. Die Clique suchte in Charleroi nach Karten für die Partie erscheint. Wenn die Angst vor Ausschreitungen die Grenze zur sen gucken aus getönten Scheiben fast regungslos dem Trei- Deutschland gegen England, fand jedoch keinen Schwarzmarkt, Hysterie erreicht, ist für Bürger- und Persönlichkeitsrechte kein ben zu. Hinten links Lothar Matthäus, bohrt gerade in der sondern eine gemütliche Kneipe in der Innenstadt. Und dort, Platz mehr. Schorsch verbrachte die Nacht mit 50 weiteren Nase. Rechts daneben Jens Jeremies, Blick ins Leere. Gelang- sagt der Schorsch, habe man sich an einen freien Tisch gesetzt, beschützt Inhaftierten in einer zum Knast umgebauten Garage weilt? Hoch konzentriert? Die Kolonne biegt um die Ecke, dicht sogar mit Fans von der Insel geplaudert, das 18-Uhr-Spiel ange- der wallonischen Gendarmerie. Vorn ein Rollgitter, sonst nur gefolgt von sechs Limousinen mit Passagieren, die ebenfalls schaut, eben Spaß gehabt. Bis es irgendwann ordentlich voll Beton. Keine Stühle, kein Klo, keine Decken, nichts. „Samma der Polizeieskorte bedürfen. Bekannte Funktionäre (Gerhard wurde. Und die Gäste vom Tegernsee dann merkten, dass sie eam gstandn“ sagt der Schorsch, „woar net lustich“. Mayer-Vorfelder mit Gattin Margit, in einer Zeitung blätternd), ein klein wenig deplaziert waren, mitten im anwachsenden Pulk beliebte Helden (Rudi Völler) und Menschen, die man zwar nicht aus England. Was man in solch einem Fall tut? „Schnell zoalt NAH AN BRÜSSEL, FAST AM ENDE kennen muss, die aber den schnellsten Weg ins Stadion ken- und aussi.“ nen. Kein Stopp an roten Ampeln, kein Stehen im Stau, geparkt Draußen aber traf die Gruppe auf die angespannte Fußball? Nein, Wahnsinn. Und bei der Euro 2000 hatte wird unterm Stadiondach und geschwitzt nur dort, wo es keine Staatsgewalt. Wenn Polizisten auf der höchsten Sicherheitsstufe der Wahnsinn einen Namen: Charleroi. Einst Gruben-Metropole, Klimaanlage gibt. stehen, von Politik und Chefs zu null Toleranz verdonnert sind dann verdammt zum Niedergang. Mit Kohle macht man längst 36

keine Kohle mehr. Und als wär der schleichende Verfall, die Spieltagen einfallen. Lisbeth jedenfalls, 62 Jahre alt, lässt an grassierende Armut nicht schlimm genug, auch noch das: Im EM-Spieltagen das Rollgitter ihres kleinen Klamottenladens Sommer 1996 katapultierte Kinderschänder Marc Dutroux die runter. „Weil man so viel schlimme Dinge über diese betrunke- Stadt ins düstere Schattenreich des Mordes, des Missbrauchs, nen Fußballfans liest.“ Wenig später erlebt sie ihren Albtraum. der mafiösen Verbindung von Polizei, Politik und Pornografie. Randale. Blut, Verletzte, Verhaftungen. Der Fußball zeigt seine Und jetzt, im Sommer 2000, wird dem „Pays noir“, dem hässliche Fratze – der Staat antwortet mit Wasserwerfern, schwarzen Land, für ein paar Tage gleißend heller Lichtblick Schlagstöcken, Tränengas. gegönnt. Auch das Stadion spottet der Vernunft. Gleich neben Eigentlich weiß kaum jemand in der 207 000-Einwohner- dem Eingangstor steht ein Schild. „Bitte Ruhe, Krankenhaus!“ Stadt so recht, wie man hier zur Euro-Ehre kommt. Hier, das ist Das örtliche Plasmacenter ist ebenso beim Stadion beheimatet zwar nur eine dreiviertel Autostunde von Brüssel entfernt. Trotz- wie das Amt für Sozialhilfe. Und wenn Madame Bennaceur es dem fühlt man sich im Abseits, im Hinterland – und das Hinter- darauf anlegen würde, könnte sie von ihrer Wohnung in der Rue land von Belgien ist zwar nicht hinterm Mond, aber ziemlich am de la Neuville aus manch Unsinn veranstalten. Achter Stock, der Ende. Geklaut und gehauen wird in Charleroi so viel wie an kaum Balkon liegt ungefähr 20 Meter Luftlinie vom Stadionrasen ent- einem anderen Ort Belgiens. Während die örtliche Fußballmann- fernt. „Wenn ich wollte“, sagt Madame Bennaceur, „könnte ich schaft zuweilen im unteren Bereich herumdümpelt, mischt die den Fußballern meinen Müll auf die Köpfe werfen.“ Will sie Stadt in der Kriminalitätsstatistik Belgiens ganz oben mit. Übe- natürlich nicht. Aber vor die Haustür würde die bald 80-Jährige rall längs des Weges zur kommunalen Fußballarena „Stade du schon gern können, auch bei Fußballspielen. Geht leider nicht. Pays“ stehen verlassene Häuser, aufgegebene Geschäfte. „Wegen der Horden“, sagt sie. ANGST VOR DEN HEERSCHAREN AUCH DIE GAUDI GING VERLOREN

In der Stadionnähe der „Ville Haut“ mit den vielen Knei- Die Horden. Junge Männer stehen auf der anderen pen, Bars und Cafés geht die Angst um. Es ist die Angst vor der Straßenseite, dicht gedrängt, schubsen herum: In Charleroi heranstürmenden Heerschar fremder Menschen, die an den können Zaungäste von der Straße aus auf den Rasen gucken. Das Stadion ist ein waghalsiges Monument der Gerüstbauer. In Charleroi herrschte Ausnahmezustand Offen nach allen Seiten, umringt von Wohnhäusern, dem Kran- kenhaus und, recht praktisch, der städtischen Verwahranstalt. Der lang gestreckte Koloss aus Ziegelstein, Stacheldraht und vergitterten Fenstern ist ein optischer Kontrast zu diesem aufge- stelzten, steilen Zahn, dessen Tribünen der Kundschaft auch eine gehörige Portion Schwindelfreiheit abverlangt. Abpfiff in Rotterdam. 0:3 gegen Portugal. Blamage des deutschen Teams. Mit Blaulicht und Polizeieskorte verlässt der Mannschaftsbus das Stadion „de Kuip“. Auf deutsch: die Wan- ne. Sie war randvoll mit angereisten Fans. Menschen auf der Suche nach Spaß am Sport, Freude am Spiel. Jetzt ist es weit nach Mitternacht. Schorsch weiß nicht mehr so genau, wo genau das Wohnmobil steht. Da laufen sie einfach los, ins Dun- kel der Nacht. Müde, verschwitzt, gefrustet – und mit dem Gefühl, dass irgendwo auf dem weiten Weg vom Tegernsee zur Euro 2000 ziemlich viel auf der Strecke geblieben ist. Vor allem die Gaudi, die einmal zum Fußball gehörte. 38 von Gunter Barner 39 BAUMANNS ZAHNCREME, SCHUMI-TRÄNEN UND DIE HAARE DAUMS – WO BLEIBT DER KÜHLE KOPF DES JOURNALISTEN…

Ich sach mal, liebe Sportsfreunde. Wenn dieser Start nen. Doch wenn stimmt, was uns der selige Willi Daume hinter- ins neue Jahrtausend typisch war für unsere Branche lassen hat, dann ist der Sport nicht unbedingt besser als die der ewig Halbwissenden, dann sind wir endlich ange- Gesellschaft, die ihn betreibt. Das Jahr 2000 war – so betrach- kommen im ganz normalen Wahnsinn. tet – nicht gut für unsere Gesellschaft, gar nicht gut für den Sport und überhaupt nicht gut für uns Journalisten. Denn eint uns Freunde, was hat das alles noch mit Sport zu tun? Wir im Grunde nicht der fromme Wunsch, dass der Sport noch immer arbeiteten uns mit Dieter Baumann vor bis in die dunkelsten ein wenig heiler sein könnte als der Rest dieser Welt? Ecken seiner Zahnpasta-Tube. Wir quälten uns mit dem ein- silbigen Sir Erich durch die Niederlande und pfiffen zum bitteren MITMACHEN UM DABEI ZU SEIN Ende auf den Anton aus Tirol. Wir berieten mit Psychologen tiefschürfend über die vermeintlich wunde Seele eines hem- Bleiben wir bei Christoph Daum, bleiben wir bei den mungslos schluchzenden Michael Schumacher. Und dann Fakten, von denen es bei Lichte betrachtet gar nicht so viele machte uns Christoph Daum zwangsläufig zu Experten in der gab. Es gab allerdings Uli Hoeneß, der den Fehler machte, Abteilung üble Gerüchte, wilde Spekulationen und freiwillige Gerüchte öffentlich zu rezitieren. Und es gab Journalisten, die Haaranalysen. Die ökonomisch Ungeübten unter uns mussten Hoeneß bereitwillig zitierten, ihn dann mit verbaler Schwerakro- staunend lernen, dass zwischen dem Kranksein eines Fußball- batik verurteilten und sich am Ende ziemlich halbherzig bei ihm Profis und dem Wohlergehen der Börse ein unmittelbarer entschuldigten. Und es gab Christoph Daum, der sich stets der Zusammenhang besteht. Und kurz vor dem Abpfiff eines Medien geschickt zu bedienen wusste, die jetzt die öffentliche abwechslungsreichen Jahres überraschte uns die bayerische Hatz auf ihn eröffneten. Das Mitleid mit dem Trainer, der an Art der Nachwuchsförderung mittels Kaiser-Schnitt. guten Tagen auch einer Parkuhr ein Interview gegeben hätte, hält sich deshalb in Grenzen. Jeder ist seines Glückes Schmied. DIE SEITE EINS ALS FORTSCHRITT? Aber das Unwohlsein der Journalisten über die Maßstäbe an der eigenen Arbeit war wohl noch nie so stark wie in diesen Das alles wanderte – angesogen von den begehrlichen Tagen. Die mediale Eigendynamik im Fall Daum hat die doppelte Blicken der Nachrichten- und Hintergrund-Redakteure – vom Moral und den ethischen Verfall unserer Branche spektakulär Sport binnen Stunden auf die Seite eins. Und von dort über entlarvt. Wir machen häufig nur mit, um auch dabei zu sein. die Seite drei nach Tagen zurück in den Sport. Je nach Bedarf. Manche journalistische Kür hält der Frage nach den Inhalten Schröder, der Medien-Kanzler, saß zeitweilig nur noch auf der längst nicht mehr stand. In seichten Talkshows nehmen sich die Auswechselbank der öffentlichen Aufmerksamkeit, und der Journalisten im Kampf um die Hoheit über den Stammtischen Streit um die Rentenreform geriet darüber zu einem Stück mit wichtiger, als sie es bei Lichte betrachtet sind. Sind wir nur noch hoher Einschlafquote. Wir merken uns: Nicht die gefönten willfährige Entertainer oder weiterhin kritische und konstruktive Dumpfbacken aus dem RTL-Container sind die wahren Helden Begleiter des Sports? unseres reizüberfluteten Alltags, sondern handelsübliche Sport- Sagen wir es so: Wir können das eine tun ohne das ler mit dem deutlich längeren Verfallsdatum. andere zu lassen. Die Grenzen muss jeder für sich selber zie- Wir schließen daraus mit kriminalistischem Feingespür: hen. Denn soviel ist noch sicher: Die überhitzte Welt des Sports Meine Damen und Herren, liebe Chefredakteure: Der Sport hat erfordert mehr denn je den kühlen Kopf des verantwortlich arbei- in diesem Jahr weiter an gesellschaftlicher Bedeutung gewon- tenden Journalisten. 40 von Matthias Huthmacher 41

Rentner, der nicht in Rente gehen wollte. Vielleicht auch an UNRÜHMLICHES ENDE EINER SERIE: Carsten Jancker, ein Hüne von einem Kerl und gelernter Stür- mer, der aus vier Metern das Tor nicht traf. Vor allem aber: Die DIE MANNSCHAFT DER JAHRZEHNTE GEHT BADEN deutsche Nationalmannschaft gehörte auch früher nicht unbe- dingt zu jenen, die den fürs (neutrale) Auge schönsten Fußball zelebrierten – doch wenn es galt, dann kämpfte sie sich durch. Freie Fahrt und Bier und Fußball, das darfst du vorbei war – aber das Gesinge beim finalen Absturz auf der Und heuer? Ließ die Truppe sich im entscheidenden Spiel von dem Deutschen nicht nehmen. Weiß doch jeder. Hotelterrasse soll ja auch nicht gerade von übermäßigen Portugals zweiter Garde vorführen. Sie haben es trotzdem versucht: Das deutsche Qualitätsmerkmalen geprägt gewesen sein. Was ist bloß passiert mit dem ehemaligen Aushänge- EM-Gekicke war zum Abgewöhnen. Nun ist nicht weiter überliefert, wie der Männerchor in schild der deutschen Sportsnation? Es gibt ja diese Schlaumei- früheren Zeiten klang. Vergleichen kann man aber immerhin die er, die behaupten, ein jedes Volk bekäme eben die Regierung, Die deutsche Fußballnationalmannschaft. Ach ja. Sechs sportliche Seite. Vergleich eins: 1970 in Mexiko. Welche Drama- die es verdient. Gilt das auch für den Fußball? Womöglich haben Mal seit 1957 wurden die DFB-Kicker zum Team des Jahres tik! Was für ein Einsatz! Uns Uwe rackerte und rannte. Wolfgang aber die Fans Recht. Demnach handelt es sich bei der Kickereli- gekürt, zuletzt nach dem EM-Triumph von 1996. Und irgendwie Overath dirigierte und tobte. Und Müller, Gerd. Der Mann mit te vornehmlich um verhätschelte Heulsusen und Weicheier. Aber haben die Jungs es lange geschafft, Jahrzehnte an der Spitze dem deutschen Allerweltsnamen. Dem es vollkommen wurscht nun geloben ja alle Besserung. Spieler schnuppern wieder Ehre abzuschließen: 1970, 1980, 1990. Und heuer? Nicht mal zur war, wie er Tore machte. Aber er machte sie, zehn Stück bei der unterm verschwitzten Adlerhemd. Die Klubs wollen den Nach- Versteckspiel der deutschen Kicker bei der Euro Wahl vorgeschlagen. Wozu auch. Oder wofür? Sicher, bei der WM. Oder Franz Beckenbauer, ballstreichelnder Schöngeist und wuchs pflegen. Bundesliga-Manager bilden eine Task Force. Der Euro 2000 sorgten die deutschen Fußballer für viele Tore und schlenzende Arroganz, quälte sich im Viertelfinale gegen Eng- Beste unter den Besten soll Bundestrainer sein. Wie fragil diese WARTEN AUF DEN DOPPELPASS wir haben ja auch gut gelacht. Leider purzelten erstere in den land mit verrenkter Schulter durch die Verlängerung. Und Männerfreundschaft jedoch ist, zeigte sich sogleich, als die fein eigenen Kasten, fünf Stück in drei Spielen. Und zweiteres galt schließlich Karl-Heinz Schnellinger, sonst weniger für die Kreativ- ausgeklügelten Pläne wie Seifenblasen in einer Brise weißen Trotzdem. Es besteht Anlass zur Hoffnung in diesem nur kurz der Schadenfreude, ehe es in verzweifeltem Galgen- abteilung zuständig, der im Halbfinale gegen Italien die Sache Schnees zerplatzten: Da hob in der Szene ein Stechen und Hau- Land. Rudi Riese personifiziert diese Hoffnung, ob er das nun humor gefror: Sind die mittlerweile wirklich SO schlecht? Am kurz vor Schluss der regulären Spielzeit in die Hand nahm und en an, für das es auf dem Spielfeld lauter rote Karten gegeben mag oder nicht. Der alte Kämpe, der letzte Vokuhilaner (vorne auffälligsten agierten die Adlerträger bekanntlich erst, als alles mit dem Ausgleich den Verlängerungskrimi zum Spiel des Jahr- hätte. kurz und hinten lang) hat aus dem weitgehend identischen hunderts überhaupt erst möglich machte. Reservoir an Laumeiern und Euro-Versagern eine Truppe Als Triumphe noch selbstverständlich waren: Horst Hrubesch, Zehn Jahre danach, EM in Italien. Mit Bananen-Manny WM 1990 mit Netz und doppeltem Einsatz: Andy Brehmes geformt, die mit Hurra ins Gefecht zieht und tatsächlich öfter Matchwinner des EM Finals 1980 Kaltz. Dem eisernen Stielike. Dem robusten Briegel und Unge- Siegtor gegen Argentinien gewinnt als verliert. Rudi Riese hat moderne Abwehrarbeit ein- heuer Hrubesch. Dazwischen die Künstler, Jungs wie Schuster geführt, auf dass ein Jens Nowotny endlich so gut spielen kann, und Kalle Rummenigge. Am Ende gewann die feine Mischung wie er schon immer gekonnt hätte, wenn man ihn nur gelassen das Finale mit 2:1 gegen Belgien. Und weitere zehn Jahre spä- hätte. Ja, Rudi Riese hat sogar Teenie-Star Mehmet Scholl dazu ter, wieder da unten im Stiefel, der WM-Gewinn unter der Regie gebracht, mit 30 Jahren endlich die Bravo bravourös sein zu von Kaiser Franz, diesmal auf der Bank. Augenthaler, Kohler, lassen und selbst Verantwortung zu übernehmen im National- Brehme, die reinste Ahnengalerie deutscher Grätschertugend. team. Vorne rannte Klinsi sich die Lunge aus dem Leib, ackerte und In zehn Jahren aber, da ist wieder Fußball-WM. Gelegen- giftete jener Völler, von dem später noch die Rede sein wird. Von heit also, die alte Tradition wieder aufleben zu lassen: 2010 Lothar M auch, aber der war noch jung und frisch beim 1:0 im gewinnt eine DFB-Elf die Wahl zur Mannschaft des Jahres. Mit Finale gegen einen begnadeten Maradona und einen Haufen den echten Kerlen von früher am Steuer, den gerade in Zucht nicht ganz so begnadeter Argentinier. gehenden frischen Talenten für morgen in Aktion und mit ganz neuen Tugenden. Den DFB regiert der Kaiser, Teamchef bleibt SCHLENZER UND KÄMPFER der Riese. Unten auf dem Rasen aber schickt ein genialer Stra- tege den Ball auf die lange Reise zum Golden Goal. Er trägt das Und im Jahr 2000? Ein Hühnerhaufen in der Abwehr. Ein Trikot mit der Nummer 10, begann einst bei der SpVgg. Teutonia desorientiertes Mittelfeld ohne Lenker. Statt Sturm ein laues Unterstechingen und heißt – mit doppeltem Pass zum Doppel- Lüftchen. Man wird sich später einmal erinnern an Lothar M als pass – Özal Zinedona. Oder so. 42 von Johann Eibl EINE ENTHALTUNG ENTSCHEIDET DEN THRILLER: 2006 KOMMT DIE FUSSBALL-WM WIEDER NACH DEUTSCHLAND

Es war das spannendste Rennen des Jahres. Und das Ergebnis fiel entsprechend knapp aus. Mit 12:11 Stimmen entschied sich das FIFA-Exekutivkomitee am 6. Juli dafür, die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2006 nach Deutschland zu vergeben.

Wie dramatisch es beim Ringen um diese Endrunde zuging, verdeutlicht das Verhalten von Charles J. Dempsey aus Neuseeland, der mit seinen 78 Jahren der Nervenbelastung nicht mehr gewachsen war: Er enthielt sich der Stimme. Hätte Dempsey für Südafrika votiert, dann wäre bei einem Gleichstand von 12:12 das runde Leder wohl nach Johannesburg gerollt. FIFA-Präsident Joseph S. Blatter – dessen Votum hätte dann den Ausschlag gegeben – hatte des öfteren angedeutet, dass der afrikanische Kontinent endlich eine WM verdient hätte. Während Südafrika nach dieser bitteren Niederlage über einen offiziellen Protest nachdachte, wurde in Deutschland ein- The winner is: Kaiser Franz! Flankiert von WM-Manager Rad- mal mehr Franz Beckenbauer als Glücksbringer der Nation gefei- mann, erhält von FIFA-Chef Blatter den Zuschlag für 2006 ert. 1974, bei der ersten WM in Deutschland, durfte er als Kapitän den Weltcup in Empfang nehmen. 1990 führte er als der WM-Bewerbung seine unbestrittenen Qualitäten in puncto Teamchef die DFB-Kicker in Rom zum Triumph. Und nun agierte Organisation demonstrierte: Kein anderer Kandidat hatte sich er als Zugpferd für die deutsche Bewerbung, jettete mehrere beim Verfassen der Unterlagen so viel Mühe gemacht. Male um den Erdball und legte dabei innerhalb weniger Monate Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Denn die WM- mehr Kilometer zurück als Hans-Dietrich Genscher in seiner Zeit Endrunde 2006 mit 32 Nationalteams wird weit über die Welt als Außenminister. Kein Weg war Kaiser Franz zu weit in seinem des Sports hinaus Beachtung finden. Eine einmalige Gelegen- Bemühen, die Werbetrommel zu rühren und fleißig Stimmen zu heit für das vereinte Deutschland, sich als guter Gastgeber zu sammeln für den (Fußball-) Standort Deutschland. präsentieren. Mit im DFB-Boot sitzen bereits jetzt hochkarätige Konzerne, deren finanzieller Input und Manpower unerlässlich ES WAR NICHT NUR DER KAISER ALLEIN sind für eine Mammutveranstaltung, die wohl schon wieder neue Fernseh- und Umsatzrekorde erzielen wird. Rund drei Millionen Aber so wie schon früher ein Franz Beckenbauer selbst Zuschauer werden in den Stadien erwartet und weltweit 3,5 an besten Tagen eine Partie nicht alleine entscheiden konnte, Milliarden (!) an den Bildschirmen. Gigantisch, solche Dimensio- so gab er auch in diesem Fall keine Solovorstellung. DFB-Präsi- nen. Gastronomie und Übernachtungsgewerbe in Deutschland dent Egidius Braun hatte ebenso seine Hand mit im Spiel wie dürfen sich schon jetzt voller Vorfreude die Hände reiben. Und sein designierter Nachfolger Gerhard Mayer-Vorfelder. Mit ihren die Fußballfans hoffen leise auf ein kleines Wunder. Oft genug guten Kontakten zu vielen Funktionären hatten sie den Boden schon (bei sechs von 16 WM-Endrunden) holten sich die WM- bereitet für die Entscheidung pro Deutschland, das schon bei Veranstalter am Ende auch auf dem Rasen die Krone… 44 von Winfried Holtmann UND DAS FERNSEHEN WAR SCHON IMMER DABEI

Die Wahl zum Sportler des Jahres ist ohne Fernseh- übertragung im dritten Jahrtausend nicht mehr vorstellbar – aber wie war das in den Pioniertagen dieser weltweit populärsten Sportlerumfrage?

Erstaunlich: Das moderne Medium kümmerte sich schon in den fünfziger Jahren um die Besten des Landes. Auch als die Athleten durchweg Amateure waren, die für die Ehrung einen freien Tag beantragen mussten: Auszeichnungen unter Aus- schluss der Öffentlichkeit, die gab’s nie. „Lieber ein hartes Schwimmen als soviel Zauber um meine Person“, wollte sich Herbert Klein an jenem Dezembertag vor 50 Jahren sogar ver- stecken, als Star-Rundfunksprecher Sepp Kirmaier mit dem großen Mikrofon, der Reporter der Wochenschau „Welt im Film“ mit Kamera und Wahl-Initiator Kurt Dobbratz mit dem Ehrenpo- kal auftauchten – an Kleins Arbeitsplatz bei der Siemens & Hals- Ministerpräsident Lothar Späth: „Darf ich bitten, Frau Als das Fernsehen noch schwarzweiß sendete. Georg Thoma Hanisch!“ (r.) erhält den Pokal von Kurt Dobbratz (1960) ke AG in München. Und dann erzählte der bescheidene Europ- ameister (100 m Brust) allen, dass er bei 60 Starts (!) im In- und Ausland keine einzige D-Mark verdient habe. WO POLITIKER NOCH MIT LEIDENSCHAFT BUSSERLN

Das Schlossgarten-Hotel in Stuttgart, Schauplatz der Feierstunde (so nannte man das damals), sorgte bereits 1953 für das erste Get-Together (so heißt’s heute) zwischen Sportlern, die sich sonst eher selten treffen. Und folgender Dialog zwi- schen Motorrad-Crack Werner Haas (Platz 1) und Sprinter Heinz Fütterer (Platz 2) ist überliefert. Der Leichtathlet zum Schrägla- genkünstler: „Mach’ doch künftig jeden Tag einen Waldlauf, das tut dir gut. Aber nimm keinen anderen Menschen mit, das lenkt nur ab. Ein Hund als Begleiter ist ideal. Und mach’ unterwegs ein paar Klimmzüge.“ Der Ur-Bayer darauf: „I muss mi immer wundern, wenn oaner bloß mit seinen Haxl, ganz ohne Gas- hebel, so schnell ist wie du.“ 46

Natürlich stand die Politik nicht mehr abseits, als die duktion eines Siegerplakates schon in Auftrag gegeben. Am Ehrungen langsam aber sicher zum gesellschaftlichen Ereignis „Punktesieg“ des Pedaleurs gab es ebenso wenig zu deuteln reiften. 1959 in Hannover ließ es sich Oberbürgermeister Hol- wie an Michael Schumachers „Pole-Position“ 1995 – die Mana- weg nicht nehmen, der Sportlerin des Jahres Marika Kilius ger Willi Weber marktgerecht begleitete. Und Schorsch Hackls höchstpersönlich eine Porzellanvase zu überreichen: „Heute Triumph (1998) lancierte gleich eine Anzeigenkampagne. möchte ich mit keinem Minister tauschen. Diese charmante Eiskunstläuferin zu beglückwünschen, ist ein besonderer Vor- KEIN SPECK FÜR MARTIN SCHMITT UND CO. zug.“ In Baden-Baden, wo die Sportler des Jahres 1960 erst- mals Station machten, geriet der OB-Kuss vollends zum Ritual. Das Fernsehen ist nach wie vor nicht wegzudenken, Die Stadtherren buhlten um die Damen-Kür und busserlten mit unter der Ägide des ZDF aber eher beobachtend denn dominant, Charme und Leidenschaft. Ursel Brunner, Liesel Westermann, die Sportlerfete abfilmend, nicht bestimmend. Und die Blaulicht- Heide Rosendahl können ein Lied davon singen. Einsätze der Baden-Badener Polizei sorgten im Vorjahr für einen Politiker als Gratulanten standen in den sechziger Jahren Guinnessbuch-reifen Schnelltransport der Skispringer um Martin hoch im Kurs – und Innenminister Herrmann Höcherl fühlte sich Schmitt vom Baden-Airport zum Kurhaus. Wird jetzt alles überor- (1965) auf Anhieb wohl in diesem Kreis, die Bezeichnung „Fami- ganisiert? Nein. Als Schumi vor fünf Jahren kam, lenkte er den lienfest des Sports“ wurde kreiert. Sie verlor ihre Gültigkeit Mercedes des Fahrdienstes lieber eigenhändig – und ermöglich- ebenso wenig wie die Bedeutung der Worte des Bundespoliti- te mittels Autogrammkarten längere Öffnungszeiten auf dem kers: „Ich habe den Eindruck, dass das Menschliche bei der Airport. Und als im Vorjahr die Boygroup von den Schanzen im Sportpressewahl ausschlaggebend ist. Den höchsten Sinn die- Kurhaus eintraf, war der leckere Speck am Stand von Südtirol ser Veranstaltung sehe ich in ihrer Strahlungskraft auf unseren schon ausgegangen – dafür sprudelten anderswo die Quellen bis Sportlernachwuchs.“ um 5 Uhr morgens. Dialoge aber wie jener zwischen Haas und Aber die Politik hatte nicht immer Zeit, die Wirtschaft Fütterer haben sich nicht nur zigfach wiederholt, sondern sind adaptierte den Sport konsequenter. Als Didi Thurau (1977) mit zum Kennzeichen einer Veranstaltung für Sportler und Stars aller dem Rennrad auf die Bühne rollte, hatte sein Sponsor die Pro- Couleurs geworden.

Martin Schmitt stößt mit Tim Lobinger und Sven Hannawald (von links) auf seinen Wahlsieg an 48 SPORTLER DES JAHRES SEIT 1947

1947 Gottfried von Cramm Tennis Roland Matthes Schwimmen 1987 Harald Schmid Leichtathletik 1948 Gottfried von Cramm Tennis 1969 Hans Faßnacht Schwimmen Torsten Voss Leichtathletik 1949 Georg Meier Motorrad Roland Matthes Schwimmen 1988 Michael Groß Schwimmen 1950 Herbert Klein Schwimmen 1970 Hans Faßnacht Schwimmen Olaf Ludwig Radsport 1951 Ehepaar Falk Eiskunstlauf Roland Matthes Schwimmen 1989 Boris Becker Tennis 1952 Karl Kling Motorsport 1971 Hans Faßnacht Schwimmen Andreas Wecker Turnen 1953 Werner Haas Motorrad Roland Matthes Schwimmen 1990 Boris Becker Tennis Gustav-Adolf Schur Radsport 1972 Klaus Wolfermann Leichtathletik 1991 Michael Stich Tennis 1954 Heinz Fütterer Leichtathletik Wolfgang Nordwig Leichtathletik 1992 Dieter Baumann Leichtathletik Gustav-Adolf Schur Radsport 1973 Klaus Wolfermann Leichtathletik 1993 Henry Maske Boxen 1955 Hans Günter Winkler Reitsport Roland Matthes Schwimmen Gustav-Adolf Schur Radsport 1974 Eberhard Gienger Turnen 1956 Hans Günter Winkler Reitsport Hans-Georg Aschenbach Skisport Gustav-Adolf Schur Radsport 1975 Peter-Michael Kolbe Rudersport 1957 Manfred Germar Leichtathletik Roland Matthes Schwimmen Gustav-Adolf Schur Radsport 1976 Radsport 1958 Fritz Thiedemann Reitsport Waldemar Cierpinski Leichtathletik Gustav-Adolf Schur Radsport 1977 Radsport 1959 Martin Lauer Leichtathletik Rolf Beilschmidt Leichtathletik Gustav-Adolf Schur Radsport 1978 Eberhard Gienger Turnen 1960 Georg Thoma Skisport Udo Beyer Leichtathletik Gustav-Adolf Schur Radsport 1979 Harald Schmid Leichtathletik 1961 Graf Berghe von Trips Motorsport Bernd Drogan Radsport Gustav-Adolf Schur Radsport 1980 Guido Kratschmer Leichtathletik 1962 Gerhard Hetz Schwimmen Waldemar Cierpinski Leichtathletik Helmut Recknagel Skisport 1981 Toni Mang Motorrad 1963 Gerhard Hetz Schwimmen Lothar Thoms Radsport Klaus Ampler Radsport 1982 Michael Groß Schwimmen 1964 Willi Holdorf Leichtathletik Bernd Drogan Radsport Klaus Urbanczyk Fußball 1983 Michael Groß Schwimmen 1965 Hans-Joachim Klein Schwimmen Uwe Raab Radsport 1994 Markus Wasmeier Ski alpin Jürgen May Leichtathletik 1984 Michael Groß Schwimmen 1995 Michael Schumacher Motorsport 1966 Radsport Uwe Hohn Leichtathletik 1996 Frank Busemann Leichtathletik Frank Wiegand Schwimmen 1985 Boris Becker Tennis 1997 Jan Ullrich Radsport 1967 Kurt Bendlin Leichtathletik Jens Weißflog Skispringen 1998 Georg Hackl Rodeln Roland Matthes Schwimmen 1986 Boris Becker Tennis 1999 Martin Schmitt Skispringen 1968 Franz Keller Skisport Olaf Ludwig Radsport 2000 50 SPORTLERINNEN IN OST UND WEST

1947 Marga Petersen Leichtathletik 1971 Ingrid Mickler-Becker Leichtathletik Kristin Otto Schwimmen 1948 Mirl Buchner-Fischer Ski alpin Karin Balzer Leichtathletik 1990 Katrin Krabbe Leichtathletik 1949 Lena Stumpf Leichtathletik 1972 Heide Rosendahl Leichtathletik 1991 Katrin Krabbe Leichtathletik 1950 Ria Baran-Falk Eiskunstlauf Karin Janz Turnen 1992 Heike Henkel Leichtathletik 1951 Ria Baran-Falk Eiskunstlauf 1973 Uta Schorn Turnen 1993 Franziska v. Almsick Schwimmen 1952 Ria Baran-Falk Eiskunstlauf Kornelia Ender Schwimmen 1994 Katja Seizinger Ski alpin 1953 Christa Seliger Leichtathletik 1974 Christel Justen Schwimmen 1995 Franziska v. Almsick Schwimmen 1954 Ursel Happe Schwimmen Kornelia Ender Schwimmen 1955 Helene Kienzle Rollkunstlauf 1975 Ellen Wellmann Leichtathletik 1956 Ursel Happe Schwimmen Kornelia Ender Schwimmen 1957 Wiltrud Urselmann Schwimmen 1976 Rosi Mittermaier Ski alpin 1958 Marianne Werner Leichtathletik Kornelia Ender Schwimmen Karin Beyer Schwimmen 1977 Eva Wilms Leichtathletik 1959 Marika Kilius Eiskunstlauf Rosemarie Ackermann Leichtathletik Gisela Birkemeyer Leichtathletik 1978 Maria Epple Ski alpin 1960 Ingrid Krämer Kunstspringen Marita Koch Leichtathletik Ingrid Krämer Wasserspringen 1979 Christa Kinshofer Ski alpin 1961 Heidi Schmid Fechten Marita Koch Leichtathletik Ute Starke Turnen 1980 Irene Epple Ski alpin 1962 Jutta Heine Leichtathletik Maxi Gnauck Turnen Ingrid Krämer Wasserspringen 1981 Ulrike Meyfarth Leichtathletik 1963 Ursel Brunner Schwimmen Ute Geweniger Schwimmen Ingrid Krämer Wasserspringen 1982 Ulrike Meyfarth Leichtathletik 1964 Zimmermann/Esser Kanusport Marita Koch Leichtathletik Ingrid Krämer Wasserspringen 1983 Ulrike Meyfarth Leichtathletik 1965 Helga Hoffmann Leichtathletik Marita Koch Leichtathletik Hannelore Suppe Leichtathletik 1984 Ulrike Meyfarth Leichtathletik 1966 H. Hoffmann/K. Frisch Leichtathletik Katarina Witt Eiskunstlauf Gabriele Seyfert Eiskunstlauf 1985 Cornelia Hanisch Fechten 1967 Liesel Westermann Leichtathletik Marita Koch Leichtathletik Karin Janz Turnen 1986 Steffi Graf Tennis 1968 Ingrid Becker Leichtathletik Heike Drechsler Leichtathletik Margitta Gummel Leichtathletik 1987 Steffi Graf Tennis 1996 Katja Seizinger Ski alpin 1969 Liesel Westermann Leichtathletik Silke Möller Leichtathletik 1997 Astrid Kumbernuß Leichtathletik Petra Vogt Leichtathletik 1988 Steffi Graf Tennis 1998 Katja Seizinger Ski alpin 1970 Heide Rosendahl Leichtathletik Kristin Otto Schwimmen 1999 Steffi Graf Tennis Erika Zuchold Turnen 1989 Steffi Graf Tennis 2000 52 MANNSCHAFTEN AUS DEM LEHRBUCH

1957 Borussia Dortmund 1980 Fußball-Nationalmannschaft 1958 Leichtathletik-Nationalmannschaft Handball-Nationalmannschaft 1959 Deutschland-Achter 1981 Wasserball-Nationalmannschaft Handball-Nationalmannschaft SC Magdeburg (Handball) 1960 Deutschland-Achter 1982 Leichtathletik-Staffel 4x400 m Friedensfahrt-Mannschaft Friedensfahrt-Mannschaft 1961 1. FC Nürnberg 1983 VfL Gummersbach SC Empor Rostock (Fußball) Volleyball-Nationalteam, Frauen 1962 Ratzeburger Ruder-Achter 1984 Degenfechter 4x100 m-Lagenstaffel, Frauen Viererbob-Team 1963 Hockey-Nationalmannschaft 1985 Daviscup-Team Fußball-Nationalmannschaft Leichtathletik-Nationalteam, Frauen 1964 Berliner Ruder-Vierer 1986 Degenfechter Fußball-Olympia-Auswahl Fußball-Junioren-Auswahl 1965 Leichtathletik-Nationalmannschaft 1987 Federationscup Team Fußball-Nationalmannschaft Volleyball-Nationalmannschaft, Frauen 1966 Fußball-Nationalmannschaft 1988 Deutschland-Achter Fußball-Nationalmannschaft Straßenrad-Vierer 1967 FC Bayern München 1989 Deutschland-Achter Trophy-Motorrad-Team Straßenrad-Vierer 1968 Deutschland-Achter 1990 Fußball-Nationalmannschaft Vierer ohne Steuermann 1991 1. FC Kaiserslautern 1969 Springreiter-Equipe 1992 Hockey-Nationalteam Volleyball-Nationalmannschaft, Männer 1993 Basketball-Nationalmannschaft 1970 Fußball-Nationalmannschaft 1994 Skispringer-Nationalmannschaft Volleyball-Nationalmannschaft, Männer 1995 Borussia Dortmund 1971 Borussia Mönchengladbach 1996 Fußball-Nationalmannschaft 4x400 m-Staffel, Frauen 1997 Team Deutsche Telekom 1972 Hockey-Nationalmannschaft 1998 1. FC Kaiserslautern 4x400 m-Staffel, Frauen 1999 Skispringer-Nationalmannschaft 1973 Bahnrad-Vierer 2000 Dynamo Dresden 1974 Fußball-Nationalmannschaft 1. FC Magdeburg 1975 Borussia Mönchengladbach Europacup-Mannschaft Leichtathletinnen 1976 Bahnrad-Vierer Fußball-Olympia-Auswahl 1977 Florett-Fechter Welt-/Europacup-Team Leichtathleten 1978 Handball-Nationalmannschaft Ruder-Achter 1979 TV Großwallstadt Straßenrad-Vierer 54 von Wolfgang Fischer TROTZ SCHRÄGLAGE BEIM TANZEN: TONI MANG WAR AUCH ALS KLEINSTER DER GRÖSSTE

1981 wurde Toni Mang zum Sportler des Jahres leibliche Wohl des Bayern sind die Montagabende: Da ruft der gekürt, sieben Jahre später stieg er aus dem Renn- Stammtisch beim Stroblwirt in Eching, warten ein gutes Bier und sport aus. Was ist aus ihm geworden? alte Freunde. Allen voran sein Spezi und ehemaliger „Schmier- maxe“ (Mechaniker) Sepp Schlögl. Fit für den Motorrad-Grand-Prix fühlt sich der „Mang Toni“ Gefragt ist der Altmeister auch bei Autogrammstunden noch immer. Natürlich nicht als Fahrer, sondern wenn, dann nur und Fahrer-Lehrgängen. Siebenmal im Jahr, stets für drei Tage, als Team-Manager. „Verkaufen musst dich halt können“, verrät zeigt er Hobbyfahrern „das richtige Bewegen auf der Maschine. der heute 51-jährige fünffache Weltmeister. Dem Ur-Bayer wäre Sieger wird, wer am letzten Tag seine Runden harmonisch es zuzutrauen, dass er den deutschen Motorradsport wieder auf immer in der gleichen Zeit dreht.“ Trotzdem bleibt noch genü- die Höhe bringt, wie damals in den 80er Jahren als Rennfahrer. gend Zeit fürs Hobby: Der Harley-Davidson-Fan baut die amerika- Vielleicht sogar mit internationalen Spitzenfahrern in einem nischen Edel-Maschinen im Maßstab 1:4 mit richtigen Viertakt- deutschen Rennstall. „Aber der Automobilsport hat die Zweirä- motoren – sogar die Werkzeugmaschinen dazu fertigt er selbst. der weit überholt und die Chancen auf einen neuen Höhenflug „G’lernt is g’lernt": Vater Alois hatte dem Toni einst eine Werk- sind gering“, schätzt der Sportler des Jahres von 1981 die zeugmacher-Lehre verordnet. Zukunft wenig optimistisch ein. Schon 1988, als er in Brünn nach seiner 13. Saison aus dem Rennzirkus ausstieg, ließ er „NUR DAS RENNEN ZÄHLT“ die Hände vom Managerjob, weil sich in Deutschland zu wenig Gelder auftreiben lassen. Der erfolgreichste deutsche Motorrad-Rennfahrer aller Zeiten verfolgt heute die Rundenjagden fast nur noch vor dem POLE-POSITION FAMILIE Fernseher – „wenn sie zu einer halbwegs normalen Tageszeit laufen“. Distanziert fallen auch die Kommentare über seine Mang ging mit seinem, wie er das nennt „g’sunden, Nachfolger aus: „Irgendwann hätte Waldmann den Titel gewin- bayrischen Egoismus“, andere, nicht minder erfolgreiche Wege. nen müssen“. Nicht die Versprechen nach guten Trainingszeiten Auf der persönlichen würden zählen, sondern das Resultat am Renntag. „Ich hab’ in Pole-Position stehen den Trainingsrunden vor allen Dingen meine Maschine getestet, heute die Familie, in der egal ob ich am Start dann ganz vorn oder in der Mitte stand“. die fünfjährige Veronika Trotzdem fuhr er insgesamt 42 Mal als Grand-Prix-Gewinner oft genug für Budenzau- über die Ziellinie und damit unter die ewigen Top-Ten des Motor- ber sorgt, das großzügige rad-Rennsports. Haus in Türkenfeld-Zan- Wenn Toni Mang heute zurückdenkt an die Wahl zum kenhausen – nicht weit Sportler des Jahres von 1981, muss er noch immer schmun- von seinem Heimatort zeln. Als Doppel-Weltmeister in der 250er- und 350er-Klasse Inning am Ammersee kürten ihn die Sportjournalisten zur Nummer eins des deut- vor den Toren Münchens schen Sports. Der Größte war auf der Bühne aber der Kleinste gelegen – und seine und neben ihm stand Hochspringerin Ulrike Meyfarth als Sportle- Autowaschanlage in rin des Jahres – und die war die Längste: „Als ich mit ihr auch Olching. Wichtig für das noch den Tanz eröffnen musste, das war ein Bild!" 57

DANKESCHÖN: FÜR DIE FREUNDLICHE UNTERSTÜTZUNG

......

SÜDTIROL

DEKRA Radsport- akademie Südtirol Tourismus Werbung

Strohauer’s Backstube und Spezialitäten Versand GmbH 58 von Guido Dobbratz DIESEN MUND KANN KEINER HALTEN – EIN BIATHLET ALS BEISPIEL FÜR DIE GROSSE ZUKUNFT DER JUNIOREN

Da sage noch einer, der deutsche Nachwuchs sei nur Mittelmaß. Er hinterlässt eine Erfolgsspur von Junioren-WMs bis nach Olympia.

In Sydney, bei den Millenniumsspielen, trumpften die von der Sporthilfe einst und jetzt geförderten Juniorsportler mächtig auf. Laut Statistik stellten sie einen Anteil von 13 Prozent an der Olympiamannschaft, waren aber an 35 Prozent der Medaillen beteiligt. Zudem gewannen von fünf früheren Preisträgern der Einzelwertung, die in Sydney an den Start gingen, vier eine Medaille. Dazu gehörten die Surferin Amelie Lux (Preisträgerin 1995), Kajakspezialist Mark Zabel (Preisträger 1991), Bahnrad- Doppelolympiasieger Robert Bartko (1994) und nicht zuletzt Schwimmsternchen Franziska van Almsick (1992). Diese Ausbeute spricht für eine entsprechende Lei- stungsstärke der jetzigen und ehemaligen Juniorsportler und „Rühren, Gefreiter .“ Eberhard Gienger ehrt den Junior- kündet vom glücklichen Händchen einer Jury, die alljährlich unter sportler 2000 Vorsitz von DSB-Präsident Manfred Freiherr von Richthofen die besten „Juniorsportler des Jahres“ auszeichnet. erwies sich die Jury auch bei ihrer Entscheidung für den Junior- sportler auf Platz 2. Hier hatten die Mitglieder noch vor den VIER STARTS, VIER GOLDMEDAILLEN Olympischen Spielen ihr Votum abgegeben und zugunsten des deutschen Ranglistenersten und zweimaligen Junioren-Weltmei- Doch nicht nur bei Olympia erntet man nun die Früchte. sters im Säbel, Dennis Bauer, gestimmt. Der Koblenzer bestätig- In diesem Jahr war der 20-jährige Biathlet Fabian Mund in aller te diese Wahl nachträglich, indem er mit der Mannschaft in Munde, der in die Fußstapfen seines großen Vorbildes Peter Sydney sensationell Bronze holte. Angerer trat. Viermal war der Schützling von Gerald Hänig bei der Junioren-WM am Start, viermal gewann er Gold: über 15 Kilome- OPTIMISTISCH IN DIE ZUKUNFT ter, im Sprint, in der Verfolgung und in der Staffel. Seine Aus- zeichnung im Einzel wie in der Mannschaft, überreicht auf der Aber auch die übrigen Top-Ten-Junioren bestätigten das Expo in Hannover, bedeutete auch Anerkennung für die Winter- hohe Niveau im Nachwuchsbereich und deuteten ihre Leistungs- sportart Biathlon, die in der Öffentlichkeit zunehmend populärer bereitschaft für künftige Großereignisse an. Ihre Ausbeute bei wird und im Fernsehen entsprechende Einschaltquoten verzeich- Junioren-Welt- und Europameisterschaften: 19 Goldmedaillen, net. Fabian Mund aus Oberhof aber setzt sich bereits das näch- viermal Silber und dreimal Bronze. Damit fügten sich diese Top- ste Ziel: die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2004 in seiner athleten würdig in die Reihe so bekannter Vorgänger wie Anja Heimatstadt. Aber vielleicht schafft der Zeitsoldat vorher sogar Fichtel, Katja Seizinger oder Markus Scherer ein. Die „Junior- die Aufnahme in den Olympiakader 2002. sportler des Jahres 2000“ können also beruhigt ins dritte Mille- Ähnlich treffsicher wie bei der Wahl von Fabian Mund nium blicken. 60 von Jürgen C. Braun 61 UMFRAGESIEGER: DIE SCHÖNSTEN SPIELE ALLER ZEITEN UND seit ‘72 dabei gewesen, aber diese waren zweifellos die besten. FRANZ-HELLMUT URBAN, ABENDZEITUNG 2.) Mich hat der Lauf von Nils Schumann beeindruckt. Außer- 1.) Stil, Klasse und Professionalität, mit der Franz Beckenbauer DIE REIFE DAME MIT DER GOLDMEDAILLE dem ist er bei allen Erfolgen normal geblieben. Beeindruckend und Fedor Radmann die Fußball-WM 2006 nach Deutschland auch sein Auftreten und sein Erscheinungsbild. holten. 2.) Heike Drechsler – und somit leider wieder keine deutsche 2000 – ein Sportjahr, das die Medien elektrisierte. heran kommen. Vollkommen richtig, was Samaranch bei der PETER STRACKE, SID Funktionärin… Wir fragten namhafte deutsche Sportjounalisten Abschlussveranstaltung gesagt hat: Es waren die besten Spiele nach ihren nachhaltigsten Eindrücken. aller Zeiten. 1.) Sydney. Es gab kein Ereignis, das sich in diesem Jahr von 1.) Was war für Sie das herausragende Ereignis? seiner faszinierenden Ausstrahlung her mit Olympia hätte mes- HORST WALTER, STUTTGARTER ZEITUNG 2.) Wer war der/die überragende Athlet/in 2000? 2.) Nils Schumann hat trotz seiner Jugend ein hohes Maß an sen können. Professionalität bewiesen. Er war trotz gesundheitlicher Proble- 1.) Die Fußball-EM. Noch nie waren die Einschaltquoten so hoch, me das ganze Jahr über vernünftig aufgebaut, ist nicht jeder 2.) Es ist schwer, einen überragenden Athleten zu finden. Natur- wurde so viel über Fußball gesprochen, obwohl wir die schlechte- Mark hinterher gerannt und hat offensichtlich kluge Berater. gemäß stehen in einem Jahr mit olympischen Spielen deren ste Mannschaft hatten, die jemals bei einer Europameister- JÖRG HAHN, FAZ Außerdem hat er Charisma. Solche Sportler brauchen wir. Athleten besonders im Vordergrund. Wenngleich sich aber in schaft vertreten war. Sydney ein Nils Schumann oder ein Jan Ullrich besonders her- 1.) Für mich gab es zwei Höhepunkte, einen positiven und einen MARTINA MARTIN, FREIE PRESSE vorgetan haben, sollte man auch einen Martin Schmitt 2.) Heike Drechsler. Es war sensationell: Von der Hausfrau zur negativen. Der positive war die Art und Weise, wie Heike Drechs- nicht vergessen. Olympiasiegerin. Noch nie da gewesen. ler Leistung und Persönlichkeit bestätigt hat. Der negative Höhe- 1.) Das Highlight war für mich Heike Drechsler – was ich live punkt war das ganze Fußball-Theater um die Nationalmann- miterleben durfte. Diese grandiose Atmosphäre und ihr Olympia- WOLFGANG UHRIG, KICKER-SPORTMAGAZIN CAROLA WITTKOWSKI, SPORT-BILD schaft mit dem Fall Daum als „krönendem“ Abschluss. sieg, den ich ihr von ganzem Herzen gegönnt habe. 1.) Highlight: Sydney, einfach unglaublich schön, das Größte, 1.) Highlight: Sydney, ein Ereignis, das einfach überwältigend 2.) Beim Sportler des Jahres hat man die Wahl zwischen „zwei- 2.) Auf meiner Liste steht ganz oben. was ich je erlebt habe. schön war. mal Schu“. Ich ziehe Nils Schumann Michael Schumacher vor, Beeindruckend, was er vollbracht hat, dass er nach allen Tiefen weil in seinem Fall die Leistung des Menschen ohne technische jetzt als Lokomotive den Bahn-Vierer zum Sieg führte. 2.) Sportler des Jahres: Heike Drechsler. Ich habe sie 1983 als 2.) Sportler des Jahres: Ganz klar Heike Drechsler. Fantastisch, Hilfsmittel eher in den Mittelpunkt rückt. Außerdem hat Schuma- Heike Daute gesehen und 17 Jahre später als Heike Drechsler. wie sie über mehr als eineinhalb Jahrzehnte ihre Leistung kon- cher angekündigt, keinerlei Wahlen oder Ehrungen zu besuchen. PETER REINHART, TRIERISCHER VOLKSFREUND Ihre Leistung ist grandios, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, serviert hat, wie sie zur Persönlichkeit gereift und zum Vorbild Also brauche ich ihn auch nicht zu wählen. wie sie den Wechsel der jeweils geworden ist. 1.) Sydney. herrschenden gesellschaftlichen THEO JÄGERSBERG, DSF Systeme bewältigt hat. HANS-JOACHIM ZWINGMANN, DPA 2.) Heike Drechsler, weil sie sich so unheimlich über ihr Gold 1.) Das Highlight war für mich Jan Ullrichs Olympiasieg – die Art freute und bewies, dass man auch als „reifere Dame“ noch 1.) Die UEFA-Cup-Partie Werder Bremen – Olympique Lyon, als und Weise, wie er beim Straßenrennen die Konkurrenz in Grund sportliche Höchstleistungen erbringen kann. die Bremer nach dem 0:3 im Hinspiel noch 4:0 gewannen und und Boden fuhr. damit eine Runde weiterkamen. KLAUS SCHWARZE, WDR 2. ) Mein Sportler des Jahres überhaupt ist Heike Drechsler. Sie 2.) Heike Drechsler. Ich habe bewundert, wie sie trotz der vielen ist eine riesen Persönlichkeit und hat sich nach jahrelangem 1.) Das Highlight waren Verletzungen es immer wieder geschafft hat, ganz nach oben zu Pech mit Verletzungen und persönlichen Tiefschlägen nie hän- mit Abstand die Olympi- kommen. Wenn man jahrelang die Leichtathletik beobachtet hat, gen lassen. schen Spiele in Syd- kann man ihre Leistung sehr gut einschätzen. Es war sicher ney, an denen ich auch für sie selbst das größte Ereignis ihrer Karriere. HANS-JOSEF JUSTEN, WAZ erfreulicherweise teilnehmen durfte. Ich 1.) An Sydney kam nichts heran, und wird auch so schnell nichts bin bei allen Spielen 62 von Sven Heuer 63 EIN WINTERMÄRCHEN MIT DEUTSCHEN ADLERN, RÜCKBLICK LOIPENJÄGERN UND DEM GRUPPENBILD MIT LAUTER DAMEN

„Ski und Rodel gut“ lautet eine Zustandsbeschrei- Highlight“ bezeichnet der Deutsche Ski-Verband (DSV) die letzte bung für wintersportfreundliche Verhältnisse. Gut? Saison, obwohl nur Biathleten und Skiflieger Weltmeisterschaf- „Super!“ lautet die Bilanz unserer Wintersport-Asse. ten im Kalender stehen hatten. Zu wahren Quoten-Giganten stiegen die Schwarzwälder Die stärkste Nation von Nagano stellte auch 1999 Ski-Adler empor. Sie hoben erneut (weitenmäßig) gewaltig ab, reichlich Edelmetall zur Schau. Und im vergangenen „Millenni- verloren dabei aber trotz des unglaublichen Trubels um Martin ums-Winter“ herrschte erneut eitel Sonnenschein über den Schmitt nie die Bodenhaftung. Sogar Sprungtrainer Wolfgang deutschen Bretterl- und Kufen-Stars. Da steigt das Erwartungs- Steiert wundert sich: „Man sollte meinen, er muss doch irgend- Thermometer und mit ihm die Hoffnungen, dass auch in den wann mal in ein Motivationsloch fallen.“ Doch Schmitt wurde Loipen, auf dem Eis und den Pisten am Großen Salzsee 2002 Weltcup-Gesamtsieger, Sven Hannawald Weltmeister bei der mächtig Gold geschürft werden möge. Als „außergewöhnliches chaotischen Skiflug-WM in Vikersund. Und Erfolg macht nei- disch. So bemerkt Steiert, dass „die anderen Nationen wahnsin- Wer am Ende lacht… Skiflug-Weltmeister Sven Hannawald nig Dampf machen. Offenbar haben wir in den vergangenen zwei Jahren zu oft gewonnen, so dass wir nicht mehr so viele Freunde haben. Das merkt man in diesem Geschäft.“ RICHTIGE KOMBINATION GEFUNDEN

Etwas verhaltener ist der Optimismus bei den Nordi- schen Kombinierern. Aber immerhin: Mit Ronny Ackermann an der Spitze verließen die Weinbuch-Mannen das Jammertal und sehen nun den Silberstreif am Horizont. Ackermann beendete in Vuokatti eine 13 Jahre währende Serie ohne jeglichen Weltcup- Sieg. Und Medaillen bei der Junioren-WM deuten an: Der Weg führt zurück in die Erfolgsloipe. Auch bei den Langläufern? Peter Schlickenrieder, Tobias Angerer, René Sommerfeldt – diese Namen haften noch nicht so richtig im Gedächtnis. Doch sie, sowie die Junioren Ron Spanuth und René Reisshauer, machen Hoffnung. Erste Weltcupsiege wurden verbucht. Nur die Frauen fahren hinterher. Deshalb trainieren Damen und Herren nun unter gemeinsamer Führung, die Arbeit an den Stützpunkten soll forciert werden. Die Biathleten hatten nichts als Edelmetall im Sinn, und das Visier war goldrichtig eingestellt. Sieben WM-Medaillen erbeuteten sie, demonstrierten beeindruckend ihre Dominanz. Besondere Freude herrscht bei den Skijägern darüber, dass im Windschatten der bekannten Routiniers um Frank Luck auch der 64

Nachwuchs glänzt. Alexander Wolf, Martina Glagow, Andrea stens im Februar in St. Anton die vereinzelt guten Platzierungen Henkel – Namen, die man schon mit Erfolgen in Verbindung bestätigen. Wie sagte noch DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller: bringt. Und ein weiteres Ass im Ärmel des DSV ist der vierfache „Wer zur WM nicht den großen Ruck nach vorne schafft, hat bei Junioren-Weltmeister Fabian Mund. Olympia nichts zu erwarten.“ Cheftrainer Martin Oßwald hat noch viel Arbeit vor sich. AUCH BERGAB SOLL’S AUFWÄRTS GEHEN Freestyle und Buckelpiste sind die Snowboard-Diszipli- nen, auf die sich der DSV konzentriert. Nach dem schrecklichen Beinahe zu schnell hatte man sich an Erfolgsserien im Unfall-Tod der jungen Sandra Schmitt am Kitzsteinhorn ruhen die alpinen Skisport gewöhnt. So wird der letzte Winter zwar nicht Hoffnungen auf Buckelspezialistin Tatjana Mittermayer, Sabine als Absturz, wohl aber als Rückschlag gewertet: kein Einzelwelt- Wehr-Hasler (Halfpipe) und Sandra Farmand (Cross). Probleme cup-Sieg, nur vereinzelte Podestplatzierungen. Doch der Gesamt- macht selbst der Funsport-Abteilung die Nachwuchsarbeit, nun sieg im Abfahrts-Weltcup durch Regina Häusl und die Resultate versucht man es mit Strukturveränderungen. des neuen Ski-Winters können sich sehen lassen. Mit dem „Weltrekord-Sieg“ in Sölden (nach dem ersten Lauf war sie 17.) FULL HOUSE BEIM GRAND MIT VIEREN beendete Martina Ertl eine 22-monatige Durststrecke. Die Män- ner um Max Rauffer und Markus Eberle hingegen sollten späte- Die sind im Bob- und Schlittenverband offenbar nicht nötig. Selbst die erfolgsverwöhnten Funktionäre erlebten zuletzt Eiskalte Perfektion sorgt für Pechsteins Glücksmomente ein Novum, als die deutschen Zigarren-Lenker und Rodler sämtli- che WM-Titel in den olympischen Disziplinen aus den Eiskanälen holten. Ebenfalls nicht mehr zu toppen sind die Ergebnisse der Kufenflitzerinnen. Gunda Niemann-Stirnemann, Anni Friesinger, Claudia Pechstein und Monique Garbrecht erwiesen sich als Grand mit Vieren und sahnten mächtig ab: Die vier Gesamtwelt- cups und die fünf Einzelstrecken-WM-Titel gingen restlos an das glorreiche Quartett, und dazu noch alle drei Mehrkampf-Cham- pionate – die Konkurrenz wurde böse aufs Glatteis geführt. Und bei den Männern, so Gerd Zimmermann, Präsident der Eisschnelllauf-Gemeinschaft, zeichnet sich Besserung ab – rechtzeitig vor den Spielen in der Mormonenstadt? Riesenjubel gab es bei Hans Zachs Puckjägern nach dem B-WM-Sieg und dem Aufstieg in die A-Gruppe. Nun dürfen die Eishockey-Cracks vor „eigenem Publikum“ beweisen, dass sie in die erste Riege der Welt gehören. Dort haben die Eiskunstläufer leider schon lange nichts mehr zu suchen. Ob der junge Erfurter Stefan Lindemann, immerhin Junioren-Weltmeister, oder das Pirouetten-Duo Lohse/Winkler irgendwann zu ähnlichen Wertun- gen fähig sind wie die besten Russen, Franzosen oder Amerika- ner? Man kann eben nicht alles haben. Obwohl: Auch die Skisprung-Herren Schmitt, Hannawald & Co. haben trotz ihrer Erfolge noch lange nicht genug, wie Trainer Wolfgang Steiert versichert: „Der Martin brennt ohne Ende, der ist brutal gut drauf. Und Hanni auch.“ Wir freuen uns… 66 von Ulrich Blankenhorn WIE DEUTSCHLAND WIEDER MEHR MEDAILLEN ERNTEN KANN: KUNSTRADFAHRER BEI OLYMPIA!

Preisfrage: Zwei Sportarten, in der die Deutschen mit der Konkurrenz Schlitten fahren und die Konkur- renten höchstens die Parkett-Löwen mimen?

Im Kunstradfahren und Rodeln nimmt die Dominanz derart gewaltige Dimensionen an, dass dem „Rest der Welt“ zunehmend der Spaß am Mitmachen vergeht. In Böblingen gewannen die Bike-Artisten um Astrid Ruckaberle und Martin Rominger vier von fünf WM-Titeln. Deren Drehsprünge und Sat- tellenker-Handstände sowie jeder Torerfolg beim Radball elektri- sierten das Publikum, „als habe man 5 000 Menschen gleichzei- tig mit einer Nadel gepiekt. Das kann man gar nicht beschreiben, das muss man erlebt haben“, lief es selbst WM- Sprecher Herbert Watterott kalt den Rücken hinunter. Die Unter- legenen äußerten derweil den Verdacht, dass viele deutsche Babys statt mit Bollerwagen und Buggy die ersten Lebensetap- Vollkommener Radartist: Martin Rominger pen pedalierend bewältigen – siehe auch Zabel, Ullrich und Bartko. Jammerschade nur, dass Kunstradfahren auf dem olym- RODLERFRUST – BEI DEN ANDEREN pischen Programm fehlt. Aber auch die Hallenradler boten nicht das Superlativ. Im Aerodynamisch und schnell Sylke Otto Rodlerlager blieben selbst untere Podestplätze bei Weltmeister- schaften, Europameisterschaften und Weltcup für die ausländi- sche Konkurrenz nahezu unerreichbar. Sylke Otto gewann im Jahr 2000 alle zu vergebenden Titel. Flankiert wurde sie abwech- selnd von Barbara Niedernhuber, Silke Kraushaar oder Sonja Wiedemann. „Wir trainieren eben athletischer“, sagt Babs Nie- dernhuber. Zudem wurden die Kunsteisanlagen von Berchtes- gaden und Altenberg für Einsätze im Sommer hergerichtet – die Kühlaggregate surren sogar, wenn die Sonne brennt. Die Kehrseite der Medaille kennt Bundestrainer Martin Schwab: „Wir sind zum gewinnen verdammt.“ Und seine Mädels bleiben diesem Slogan treu. Sie eröffneten den Weltcup 2000/2001 in gewohnter Manier. Diesmal: Kraushaar vor Otto. Während die beiden Schlitten-Senioren, Weltmeister Jens Müller, 35, und Schorsch Hackl, 34, Sportler des Jahres 1998, ihre Konkurrenz mit dem Hinweis schockten, dass ihr großes Ziel Salt Lake City 2002 heiße. 68 von Elmar Brümmer 69

Tugenden in der Boxengarage, sie ist keine. Und Schumacher MICHELE MONDIALE RETTET DIE EHRE FERRARIS UND STARTET hat die Fahrermitbestimmung in Maranello eingeführt. Nicht Passagier ist er, wie viele seiner berühmten Vorgänger im Rot- DURCH ZU NEUEN REKORDEN Runner, sondern echter Steuermann. Er lenkt und denkt. Die wahre Leidenschaft des Piloten, den öffentlichen Heulkrampf in Monza mal ausgenommen, ist die Perfektion. Damit liegt er auf Der Champagner, der in der Millenniums-Saison der ERST PROST, DANN FANGIO? einer Ideallinie mit den Ferrari-Strategen Jean Todt und Ross Formel 1 auf dem Podium verspritzt wurde, trug ein Brawn. Ein Schumacher fährt auf Sieg, immer. Denn eins kann rotes Band. Zufall oder Bestimmung? Dreimal Champion, das hebt ihn auf eine Stufe mit Niki er gar nicht gut: verlieren. Meist geht die Souveränität dann Lauda, Jackie Stewart und Ayrton Senna. Schumacher hat von gleich mit verloren. Und das hasst er am meisten. So entsteht Es gibt wohl keinen, der diesen Weltmeistertitel mehr allen Dreien etwas: den Dickschädel Laudas, Sennas Risikobe- ein Perpetuum mobile der Motivation. verdient hätte als Michele Mondiale alias Michael Schumacher. reitschaft und Stewarts öffentlichkeitswirksames Auftreten. Starke Premiere für BMW und Schumi II Eine Erlösung – für den Fahrer, das Team und den Grand-Prix- Dazu kommt noch die Verliebtheit ins technische Detail eines EIN FALL FÜR ZWEI: DAS DUELL GEHT WEITER Sport überhaupt. Wer aber nun an eine neue Dekade der Gelas- Alain Prost, der mit vier Titeln in der ewigen WM-Tabelle vor ihm Die Königsklasse ist in Wirklichkeit zur Zwei-Klassen- senheit denkt, kennt die Gesetze der mobilen Champions Lea- rangiert. Noch. Denn zusammen ergeben diese Eigenschaften All die realen und verbalen Crashs in seinen zehn Formel- Gesellschaft geworden. Schumacher gegen Häkkinen, Ferrari gue schlecht. Michael Schumacher ist nach fünf Jahren am Ziel die Mischung, die das Fernziel erreichbar erscheinen lässt: Juan 1-Jahren haben Schumacher jenseits seiner Fangemeinde nicht gegen McLaren-Mercedes – keiner der Beteiligten sieht momen- seiner Wünsche – fürs Erste. Der Titelgewinn mit Ferrari ist die Manuel Fangios fünf WM-Titel aus den Fünfziger Jahren, immer beliebter gemacht, aber erfolgreich. Die Achtung in Rennfahrer- tan einen plausiblen Grund, warum sich die Duell-Besetzung Erfüllung eines Traumes – aber eben längst noch nicht aller noch Formel-1-Rekord. kreisen ist groß, wie es auch der nach zwei Titeln in Folge dies- kurzfristig dramatisch ändern könnte. Wie auch? Sportlich wie Träume. Der 31-Jährige will so lange fahren, wie es ihm Spaß Michael Schumacher ist wohl der kompletteste aller mal knapp geschlagene Mika Häkkinen ausdrückt: „In gewisser technisch tobt der Kampf auf so hohem Niveau, dass es minde- macht. Das kann dauern, denn der Kerpener gedenkt eine neue aktiven Rennfahrer. Ausgerechnet ein Deutscher musste es Weise freue ich mich, dass er Weltmeister ist. Michael hat die stens noch für die zwei Jahre taugt, die Michael Schumacher auf Ära zu begründen. Er spricht im Namen von Ferrari, meint aber sein, der der Autonation Italien nach 21 Jahren ohne Titel den beste Arbeit geleistet.“ Und Häkkinen ist im Silberpfeil ein gleich- jeden Fall bei Ferrari bleiben wird. auch sich selbst. Stolz zurück gab. Die Mär von den mitgebrachten preußischen wertiger, ein großer Gegner. Auch für die Zukunft. Und die anderen? Das verstärkte Engagement mehrerer großer Automobilkonzerne könnte neue Farbtupfer neben das I did it my way – Schumacher am Ziel… …weil der italienische Renner wie ein Schweizer Uhrwerk lief Der Silberpfeil sieht Rot Rot und Silber aufs Podest bringen. Ralf Schumacher (Platz fünf in der Gesamtwertung) und sein Team sind nach dem auf Anhieb gelungenen Comeback von BMW zum weiteren Favoritenkreis zu rechnen. Schumi zwo war der einzige der restlichen deutschen Piloten, der gelegentlich aus dem Schatten des übergroßen Bruders treten konnte: „Hauptsächlich geht es für uns jetzt darum, ob wir dem Ziel näher kommen, eins der beiden Top- Teams schlagen zu können." Für den WM-Neunten Heinz-Harald Frentzen („Meine Saison war im Vergleich zum letzten Jahr ein Desaster“) und seinen ebenfalls in Mönchengladbach und Monaco beheimate- ten Kollegen Nick Heidfeld („Ich habe eine Menge gelernt“) kann es ohnehin nur noch vorwärts gehen. Das zarte Pflänzchen Hoffnung knüpft sich an technische Änderungen: Frentzen, in 17 Rennen acht Mal Opfer des anfälligen Jordan-Rennwagens (bei zwei dritten Plätzen) wird künftig mit Honda-Werksmotoren ein neuer Antrieb verliehen. Heidfeld verlässt den unfahrbahren Prost-Peugeot in Richtung Schweiz, das Sauber-Team darf die abgelegten Weltmeister-Aggregate von Ferrari auftragen. Ein bisschen ist Schumi eben überall. 70 EIN PROLOG AN HISTORISCHER STÄTTE

1953 fand die erste offizielle Feierstunde statt… die Ehrung von Martin Schmitt, Steffi Graf und den Ski-Adlern. 47 Jahre später traf man sich wieder im „Schloß- Fast alle Medaillengewinner von Sydney, Stars aus garten“ dem Wintersport und anderen Bereichen werden am Rande des Schwarzwalds erwartet, aber auch zahlreiche bisherige Sportler Ausnahmsweise nicht in Baden-Baden, der guten Stube des Jahres: von Täve Schur bis Marika Kilius und Eberhard der Wahl Sportler des Jahres, sondern im Stuttgarter Schloßgar- Gienger. Das Fest im Kurhaus steht unverändert hoch im Kurs. ten-Hotel ging der „Prolog“ zur 54. Umfrage über die Bühne. Die Dass das Schloßgarten-Hotel gegenüber dem Haupt- traditionelle Vor-Pressekonferenz – mit hochkarätigen Gästen wie bahnhof der Schwabenmetropole gar historischer Boden der Dressur-Olympiasiegerin Ulla Salzgeber, Paralympics-Fechterin Sportlerwahl ist, wussten die wenigsten Gäste. 1953 hatte hier Esther Weber-Kranz und Triathlon-Star Stephan Vuckovic. die allererste Feierstunde überhaupt stattgefunden, vorher zeich- Das ZDF übertrug im Rahmen des Mittagsmagazins, nete Wahl-Initiator Kurt Dobbratz die Erstplatzierten jeweils an die Printmedien verbreiteten die von Wolf-Dieter Poschmann ihrem Arbeitsplatz aus. Von einer großen Gala freilich konnte vor skizzierte Konzeption. „Wir machen so weiter, wie wir uns bis- 47 Jahren keine Rede sein. Niemand kam im Smoking, eine her präsentiert haben. Es soll familiär sein – keine Show! Und Bigband war nicht erforderlich, die Teilnehmerzahl blieb über- wir stehen nicht unter Quotendruck.“ Dabei können sich die schaubar – der frühere Motorrad-Weltmeister Werner Haas Einschalt-Zahlen bisher sehen lassen. 4,26 Millionen Men- stand, als siebter Sportler des Jahres, ganz im Mittelpunkt schen verfolgten vergangenes Jahr die TV-Übertragung und der Ehrung. 72 von Klaus J. Dobbratz DIE LANGE TOUR DER ERFOLGE: BRABANT – SYDNEY – MANCHESTER ALS HÖHEPUNKTE DIESER RADSAISON

Es war morastig und kühl Ende Januar – und das Namen wie noch nie: von Arndt bis Zabel. Fast ein Überangebot, 26 000 Einwohner-Städtchen St. Michielsgestel aber auch ein Synonym für die Klasse der rollenden Protagoni- kannte fast kein Mensch. Doch dann begann bei sten. Die einzig (bange) Frage: Wie lässt sich dieses Ergebnis den Cross-Weltmeisterschaften eine Saison, wie toppen oder zumindest halten, wenn der BDR ab dem Frühjahr sie die deutschen Radler noch nicht erlebt hatten. 2001 von einem neuen Vorstand angeführt wird? Der scheidende Präsident Manfred Böhmer nennt Erfolgsgründe wie „Professionalität“, aber auch eine entspre- In Nordbrabant leitete Hanka Kupfernagel mit dem WM- chende „Konzentration auf Top-Ereignisse“. Wie Olympia. In Titel im Querfeldein das dream year ein, neun Monate später Sydney lobte er die gute Kooperation zwischen Verband und zogen die Bahnfüchse ihre Show in Manchester ab. Dazwischen Team Telekom. Längst wird im deutschen Radsport an einem lagen Weltcup, Rundfahrten, die Olympischen Spiele, lauter Strang gezogen, und zwar in der gleichen Richtung. Schon in der Stationen einer sagenhaften Pedal-Odyssee. Als an deren Ende Woche vor Hanka hatten zwei Männer in T-Trikots das Superjahr die deutschen Journalisten zum 54. Mal ihre Sportler des Jah- 2000 mit Etappensiegen eingeläutet: Steffen Wesemann und res wählten, fanden sie auf den Vorschlagslisten so viele Radler- bei der Tour Down Under, offenbar eine Doublette mit Signalcharakter an symbolträchtigem Ort. Und so ging es Schlag Mensch und Maschine harmonierten perfekt: Erik Zabels auf Schlag weiter. Der beste Erik, den es je gab, triumphierte märchenhaftes Jahr zum drittenmal bei Mailand – San Remo, weil ihm Neuzugang Fagnini den Weg geebnet hatte – wieder einmal hatten die Renn- leiter Godefroot und Pevenage alles richtig gemacht. Mit And- reas Klöden schob sich ein Star von morgen ins Rampenlicht, dessen Namen die Franzosen beim Sieg in Nizza noch ziemlich drollig aussprachen. Zabel baute die Führung im Weltcup aus, lanciert von Wesemann, der sich zum Frühlingsroller entwickelte. „Er selbst hatte sich das nicht zugetraut, ich ihm schon“, meinte Rudy Pevenage. Diese Telekom-Strategen. DIE DEUTSCHEN SIND AUFS RAD GEKOMMEN

Bei der Deutschland-Tour, in ihrem zweiten Jahr aufgrund der Zuschauerresonanz und guten Organisation noch beein- druckender, mussten die Gastgeber zwar den Sieg dem Spanier Plaza überlassen – aber auf jeder Etappe wurde deutlich, welche Bedeutung der Radsport heutzutage in deutschen Landen ein- nimmt. Hinter dem Begriff Velo-Nation steht nicht mehr ein Fra- ge- sondern ein Ausrufezeichen! Und das nicht bloß wegen dem steigenden Kurs der Team-T-Aktien. Das Team Gerolsteiner mit Steinhauser, Schmidt, Rich und Co. beispielsweise darbt längst 74 75

nicht mehr in der anonymen Zweitklassigkeit. Künftig können Bartko und Co. doch noch zu Telekom zu holen… Die Medaillen Teamboss Hans Holczer und Rennleiter Rolf Gölz noch tiefer in von Niemke und Fiedler sorgten für weitere tägliche Feierstun- den Etatsäckel greifen – und dem großen Rivalen machte man den mit den weiß-blau gekleideten Rundendrehern. Und Hanka den Österreicher Georg Totschnig abspenstig. Das Jahr 2001 Kupfernagel, mit der in Brabant alles begonnen hatte? Sie ließ aber wird sowieso spannend, denn mit der Coast-Truppe von sich nur von der sagenhaften Holländerin Leontien Zijlaard-Van Wolfram Lindner meldet eine zweite deutsche Formation GSI- Moorsel überspurten. Great, die bikenden Olympioniken. Ansprüche an. Um Jan Ullrich sorgte sich die Nation zunächst, weil der NIMM ZWEI: JENS LEHMANN TAT’S Tour-Sieger von 1996 nur langsam in Form kam – aber bei der Tour de Suisse ward dieses Problemchen ausgesessen und im Entspannen, Urlaub, Autogrammstunden, Werben, Geld Zukunftspark von Futuroscope beim Prolog zur Frankreich-Rund- verdienen? Nichts von alledem hatten die Medaillendekorierten fahrt zählte der Merdinger zu den großen Favoriten. Am Ende von Sydney anschließend im Sinn: In der „Holzklasse“ heimge- stand der dritte zweite Platz – hinter einem souveränen Lance flogen, einmal ausgeschlafen und dann via Hessen-Rundfahrt Armstrong. Und die Erkenntnis, 2001, mit mehr Konsequenz, zur Weltmeisterschaft nach Manchester! Die Verfolger plünder- wieder ganz nach oben klettern zu können. Um Erik Zabel, ten in England die Kleiderkammer, wo die begehrten Regenbo- schon bald in gewohntem Grün, zitterten die Fans auch – bis gentrikots hingen, Jens Lehmann stieg gar zum Doppelweltmei- dem unermüdlichen Sprinter am vorletzten Tag, auf der längsten ster auf, neun Jahre nach seinem Gold von Stuttgart und Etappe über 254 km, endlich der langersehnte Tagessieg diversen Talsohlen. Lehmann, ein „Radsportler der Saison“ – gelang. wie Bartko, Zabel, Ullrich, Hanka Kupfernagel, so viele. Und Vorher jedoch gastierte die Grande Boucle in Freiburg. Ergriffener Jan Ullrich… Olympia ist kein 08/15-Radrennen Down under on top: Robert Bartko Michael Rich gewann dazu WM-Silber im Zeitfahren. Uncroyable, „Chapeau“ zog Jürgen Löhle in seinem Tour-Buch anerkennend die Gerolsteiner-Chefs zuhause glaubten zunächst an einen den Hut – denn was sich zwischen Schweizer Grenze und Frei- Zum Beispiel Jan Ullrich, der einen möglichen Treppchenplatz bei Druckfehler. Eric Weispfennig und Stefan Steinweg fuhren aus Hanka Silbernagel burger Messegelände abspielte, hat die junge Radsportnation der Vuelta d’Espana sausen ließ, um sich für die fünf Ringe zu der zweiten Reihe (im Madison) zum WM-Titel. Völlig unerwartet, noch nicht erlebt. Eine Menschenkette durch das Breisgau, nur trimmen. Das tat keiner so konsequent – beim Straßenrennen aber mit Motivation und Durchsetzungsvermögen. Eigenschaf- erpicht darauf, die Radler zu hofieren. 2002 wollen die TdF- um Gold spielte der Merdinger scheinbar mit seinen Gegnern. ten, die im Jahr 2000 die ganze Sportart der radelnden Spezies Macher um Jean-Marie Leblanc „Allemagne“ wieder in ihren Am Ende konnten nur zwei folgen: Alexander Winokurow auszeichnete. Chapeau, messieurs les coureurs. Parcours einbauen, 2001 werden Hunderttausende zur elsässi- (Kasachstan/Telekom) und Andreas Klöden (Deutschland/Tele- schen Etappe (Straßburg – Colmar am 14. Juli) pilgern. Ob sie kom). Wie stille Genießer saßen Walter Godefroot und Rudy „Ich probier’s nochmal, aber dann mit einem halben Jahr dann Marcel Wüst wiedersehen? Der Rheinländer, Bonvivant Pevenage bei der Feier im Deutschen Haus. Wieder alles richtig Vorbereitung“, sagt Gelegenheits-Ironman Udo Bölts heute, Vorzeige-Profi morgen, schnappte Zabel ausgerechnet an gemacht, die Herren. dessen Geburtstag nicht die Torte, sondern den Tagessieg weg Bevor Ullrich dann beim Zeitfahren seinen kurzen olympi- und rückte für dieses eine Mal in den Mittelpunkt des Interes- schen Aufenthalt auch noch versilberte, machte eine Sportart ses. Die Lorbeeren durfte er jedoch nicht ernten. Nach einem von sich reden, die manche schon aufs Abstellgleis geschoben schlimmen Sturz ringt der 33-Jährige um die Sehkraft auf dem hatten: der Bahnradsport. Im Dunc Gray-Stadion wurde viel linken Auge – Momente des Schreckens inmitten der ganzen deutsch gesprochen. Nicht nur bei den Kommandos von Bundes- Pedalekstase. trainer Bernd Dittert, der den Vierer fernsteuerte, bis die Bombe platzte. Nach 3:59,710 Minuten blieben die Uhren stehen, der GOLD UND SILBER FÜR JAN ULLRICH 1999 wiedergeborene Goldvierer war zum Rekordvierer avan- ciert. Nachdem vorher Robert Bartko und Jens Lehmann bei der Zabel fuhr bei den Weltcups in Hamburg, San Sebastian Einzelverfolgung das Finale im fernen Australien zu einer und Zürich weiter im Leadertrikot, verschwendete aber schon deutsch-deutschen Angelegenheit umfunktioniert hatten – so erste Gedanken an Sydney. Nach dem lauwarmen Aufguss von staunend und ruhig saßen die sonst Cycling-animierten Aussies 1996 in Atlanta elektrisierte Australien die Profis ungleich mehr. selten auf ihren Plätzen. Und zuhause reiften plötzlich Pläne, 76 von Manfred Hönel 77

südkoreanischen Metropole Seoul tobte dann zum letzten Mal Einfluss des Kommerz drückt auch bei Olympia auf das Pro- OLYMPIA ZWISCHEN 1980 UND 2000: auf olympischem Terrain der Wettkampf der Systeme Ost gegen gramm. Der gesamte Komplex des Dopings belastet den Sport West. Schon ein Jahr später zerriss der eiserne Vorhang. Was wie nie zuvor: Da versuchen einerseits Sportler ihre Leistungen NICHTS IST SO GEBLIEBEN, WIE ES EINMAL WAR 1988 weder Funktionäre, Journalisten oder Sportler dies- und mit unerlaubten Mitteln zu steigern. Andererseits müssen sich jenseits der Elbe zu hoffen wagten, in Barcelona war es Wirklich- Athleten mitunter von Kontrolleuren behandeln lassen, als gäbe keit: Nach 28 Jahren der Trennung marschierten deutsche Athle- es für sie keine Menschenwürde. Erst unlängst beklagte sich Zusammenrücken, Übernachten im Container, wie das NOK der UdSSR an den Amerikanern rächen und durfte ten wieder unter einer Flagge und einem Namensschild in die darüber Kanu-Olympiasiegerin Josefa Idem (Italien) in der „FAZ“. jüngst bei den Olympischen Spielen in Sydney? keine Athleten nach Los Angeles schicken. Sehr zum Ärger des olympische Arena. Dazu fallen bisweilen Journalisten auch ohne jeden stichhaltigen Davon konnte 1980 in Moskau nicht die Rede sein. DTSB der DDR und seines damaligen Präsidenten Manfred Beweis mit Vorverurteilungen über Athleten und Trainer her. Ewald zogen die Russen die Garotte auch bei ihren „Bruderstaa- NEUE ZEITEN, NEUE PROBLEME 20 Jahre liegen zwischen den Spielen von Moskau und Die Athleten durften sich im olympischen Dorf breit ten“ fest: Für die DDR-Athleten war Startverbot angesagt. Wie Sydney. Der Sport muss heute mit Problemen kämpfen, an die machen. Ähnlich sah es bei den Medienvertretern aus. Selten 1980 zahlreiche Athleten der USA, der Bundesrepublik und Mit dem Zerbröckeln von „der Volksrepubliken Bastion“ vor zwei Jahrzehnten niemand auch nur annähernd gedachte quetschten sich überfüllte Journalisten-Busse durch den wabern- anderer Länder, so wurden 1984 die Sportler des so genannten nur neun Jahre nach den Spielen von Moskau erlebte Olympia hätte. Nur wenn die Macher des Sports sich diesen neuen Her- den Dunst des dichten Verkehrs in der damaligen sowjetischen sozialistischen Lagers (bis auf die Rumänen) von der Politik um einen Totalwandel. Seither ist nichts mehr so wie vorher. Das ausforderungen mit aller Kraft stellen, kann der Sport überleben. Metropole. Die USA und einige ihrer Verbündeten – darunter die den Lohn ihres jahrelangen Trainingsfleißes betrogen. In der Duell der Systeme wurde von anderen Problemen abgelöst. Der Sydney gab dafür wichtige Signale. Bundesrepublik Deutschland – verzichteten wegen des Afghani- stan-Krieges der Sowjetunion auf die Olympia-Teilnahme im 47mal Gold für die DDR… wie für Renate Stecher über 100 m Olympia vor zwanzig Jahren. Das letzte sowjetische Sportspektakel Machtzentrum des Kommunismus. Statt der über 100 erwarte- ten Länder marschierten nur Sportler-Delegationen aus 80 Staa- ten in das mit mehr als 100 000 Zuschauern besetzte Lenin- Stadion ein. Natürlich zog es nur ein kleines Häuflein westlicher Journalisten als Chronisten an die Moskwa, zu denen aus der Bundesrepublik etwa Frank Quednau (Die Welt) und Günter-Peter Ploog (dpa) gehörten. WENN SPORT ZU POLITIK VERKOMMT

Oberflächlich betrachtet, wurden die Athleten aus den USA, Kanada oder der Bundesrepublik kaum vermisst. Intern aber wurmte die Sowjets das Fernbleiben ihres Hauptkonkurren- ten USA schon. Da tröstete es die Sportfans auch nicht, dass die Hymne von „Russland dem Großen auf ewig verbündet, steht machtvoll der Volksrepubliken Bastion...“ wegen der mehr als 80 Olympiasiege fast zum Hit wurde. Die DDR-Athleten, Journalisten und Fans freuten sich über 47 Goldmedaillen. Natürlich war den Sportlern zwischen Oder und Elbe klar, dass die Goldkette mit der Konkurrenz aus Amerika und Westdeutsch- land nicht ganz so lang hätte geschmiedet werden können. „Aber wer nicht startet, kann nicht gewinnen“, ließ der Moskau- er Journalist Wladimir Snigerjow keinen Makel am Goldglanz aufkommen. Vier Jahre später galt das offenbar nicht mehr: Unter dem Druck von KPdSU-Boss Tschernenkow musste sich nämlich 78 www.managementakademie.de SPORT UND WIRTSCHAFT SETZEN AUF PROFESSIONALISIERUNG

Karrierebegleitendes Qualifizierungsprogramm – Die MANAGEMENTAKADEMIE GÖTTINGEN bietet Forum für Spitzensport und Wirtschaft Sportlerinnen und Sportlern in puncto Nachkarriereplanung mit „Productmanagement Professional Sports“ eine Qualifizie- Sport und Sportvermarktung haben sich national wie rungsalternative für das Job-Profil Sportbusiness-Manager, das international zu einem sehr komplexen und lukrativen Geschäft auf die besonderen Lebens- und Lernumstände von Sportlern entwickelt. Schon heute verdienen nahezu zwei Prozent aller ausgerichtet ist. Auf mehr als 30 000 multimedial aufbereiteten Beschäftigten in Europa ihren Lebensunterhalt in der Wirt- Internetseiten können sich Sportler an allen Orten der Welt schaftsbranche Sport. Zukunftsmärkte mit großer volkswirt- rund um die Uhr Wissensinhalte abrufen, um sich fit für die schaftlicher Bedeutung sind entstanden und produzieren die Zukunft zu machen. Nachfrage nach immer professionelleren Managementstruktu- Täglich aktualisierbare e-Learning-Programme sind ren. Bedarfsgerecht ausgebildete Macher aus dem Spitzen- die zeitgemäße Antwort auf die Anforderungen sich dynamisch sport und Manager mit ausgeprägtem Insiderwissen sind das verändernder Branchen. Unser Konzept ermöglicht mehreren Traumpaar im Spiel um Milliardenmärkte. tausend Menschen den schnellen und gezielten Einstieg in modularisierte Wissenswelten. Über eine persönliche ID-Num- mer erhält jede/r Teilnehmer/in der Online-Programme freien (v. l.: Akademiedirektor Dirk Artmann, Projektleiterin Zugang zu ausgewählten Lernmodulen und dem Akademie- Anke Barnkothe und Pressesprecher Jörn Hutecker) Service. Bequem von Zuhause oder unterwegs erschließen sich Sportler Kompetenzen für die „Karriere nach der Karriere“ im Sportbusiness. Der intensive Dialog mit anderen Usern, Fachautoren oder Experten ist über Chat, Telefon-Hotline und per E-Mail rund um die Uhr möglich. Expertenbeirat „Productmanagement Professional Sports“: Dr. Jürgen Emig (Sportchef Hessischer Rundfunk), Christian Keller (Schwimmwelt-/-europameister), Michael Preetz (Fußballprofi, Hertha BSC Berlin), Dr. Sven Baumgarten (Stiftung Deutsche Sporthilfe), Bernd-Uwe Hildebrandt (OSP- Leiter u. Handball-Manager, Magdeburg), Dr. Herbert Dierker (Führungsakademie Deutscher Sportbund). 80 von Beate Dobbratz 81

Nur positive! Wir haben in Sydney auch nur verkündet, OB WOLFGANG SCHUSTER SIEHT STUTTGART GUT GERÜSTET Stuttgart ist bereit und gerüstet, künftig wieder große internatio- nale Wettkämpfe und Meisterschaften auszurichten. Erste Rück- FÜR DEN KAMPF UM OLYMPIA 2016 meldungen von Verbandspräsidenten machen mich zuversicht- lich, dass die Sportjournalisten künftig wieder öfter nach Stuttgart reisen werden. Sydney und Stuttgart – zwei Städte, wie sie unterschiedli- gart (Umkreis 50 km) wohnen über 4 Millionen Menschen in cher nicht sein könnten. Auch wenn Stuttgarts Oberbürgermei- einer Hightech-Region, die ihr Wissen in vielen Bereichen ein- WAS BIETET STUTTGART SPORTLICH IM JAHRE 2001? ster Dr. Wolfgang Schuster Gemeinsamkeiten ausmachen konn- bringen kann. Und dann gibt es in Stuttgart eine Symbiose von te: „Beide fangen mit einem S an, beide verfügen über Wasser Sport und Kultur, die ihresgleichen sucht. Das Gottlieb-Daimler-Stadion wird als eines der ersten – Sydney hat Meerwasser, Stuttgart Mineralwasser – und sie deutschen Stadien WM-tauglich sein und offiziell eingeweiht. haben einen Hafen, auch wenn der Stuttgarter ungleich kleiner Wäre es nicht hilfreich und unbedingt erforderlich, einen popu- Die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften, ein anerkanntes ist.“ Und irgendwann, 2012 oder 2016 oder… will die schwäbi- lären Mann wie Franz Beckenbauer (der die WM 2006 nach Hallen-Leichtathletik-Meeting, drei der hochkarätigsten Tennis- sche der australischen Metropole das viel zitierte Wasser rei- Deutschland holte) als Aushängeschild zu haben? Wer käme in turniere Deutschlands, das beliebteste Hallenreitturnier und der chen. Ein ehrgeiziges Ziel, das sich Wolfgang Schuster gesteckt Frage? renommierte DTB-Pokal im Kunstturnen bilden die Eckpfeiler. hat. Dafür präsentierte er der Weltpresse down under regionale Weitere Sport-Events kündigen sich an, so z.B. am Pfingstmon- Vorzüge, bezirzt zu Hause die umliegenden Gemeinden für seine Auf internationaler Ebene kann nur der offizielle deut- tag die Schlussetappe der Deutschland-Tour im Radsport. Fünf-Ringe-Version. Doch ganz so einfach läuft die Sache nicht: sche Kandidat die Werbetrommel rühren. Wir werden uns zu Der Zuschlag für das Deutsche Turnfest 2005 ging an die Haupt- gegebener Zeit nach Sympathieträgern umsehen. Dabei muss Braintrust vor Sydneys Skyline (v. l.): DLV-Präsident Digel, städter. Dafür ist ein waschechter Stuttgarter – Rainer Brecht- bedacht werden, dass die notwendige Lobbyarbeit nicht von OB Schuster, NOK-Chef Tröger ken – nun Präsident des Deutschen Turner-Bundes. Und für die einer Person bewältigt werden kann. Unter Beachtung strenger zunächst nationale Ausscheidung (gegen Düsseldorf, Leipzig, Richtlinien müssen die IOC-Mitglieder und derzeit 28 Fachver- Berlin) glaubt man im Rathaus am Marktplatz gerüstet zu sein. bände sowie rund 200 NOKs überzeugt werden. Dr. Schuster stand dazu Rede und Antwort. „AUFBRUCHSTIMMUNG IN DER REGION“ Würden Sie den „Verlust“ des Turnfestes als Rückschlag in der Bemühung um Olympische Spiele 2016 in Stuttgart bezeichnen? Die Resonanz aus der Region ist nicht durchweg zustimmend. Gelingt das Unternehmen Olympia auch mit einer „Zweidrittel- Nein, auf keinen Fall! Stuttgart und sein Umland haben Mehrheit“? bei der Bewerbung bewiesen, dass sie gemeinsam Veranstaltun- gen bewerben und ausrichten wollen. Niederlagen können auch Ich bin mir sicher, dass wir mit mindestens 50 unterstüt- zusammenschweißen. Unsere Niederlage war knapp und ehren- zenden Städten und Gemeinden ins Rennen gehen. Wenn zwei voll. Wir haben gezeigt, dass wir eine ernstzunehmende Größe oder drei Kommunalparlamente nicht von der olympischen Auf- im Wettbewerb der Sportstädte sind. bruchstimmung in der Region profitieren wollen, ist das deren Entscheidung. Da wir am Beginn einer langen Wegstrecke sind „DAS BESTE PUBLIKUM DER WELT“ und bisher wenig „Aufklärung“ betrieben haben, bin ich zuver- sichtlich, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung hinter unserer Wie wollen Sie beim ersten Schritt darlegen, dass Stuttgart die Bewerbung stehen werden, wenn wir es zum nationalen Kandi- bessere Lösung im Vergleich zu den nationalen Konkurrenten daten schaffen. (beispielsweise dem Ruhrgebiet) wäre? Welche Reaktionen gab es auf die Sydney-Präsentation auf der Wir haben das beste Sportpublikum der Welt, internatio- MS Deutschland? nale Erfahrung und exzellente Sportstätten. Im Großraum Stutt- 82 ENGAGEMENT FÜR DEN SPORT

Für die Sparkassen-Finanzgruppe stellt der Sport ein wichtiges Bindeglied für gesellschaftlichen Zusammenhalt dar. Deshalb unterstützt sie sowohl den Spitzensport als auch den Vereins- und Breitensport. Insgesamt fördert die Sparkassen- Finanzgruppe den Sport jährlich mit rund 80 Millionen Mark. Die bundesweite Förderung der Eliteschulen des Sports und des Fair Play-Gedankens nimmt dabei durch ihre sportartüber- greifende Funktion einen besonderen Stellenwert ein. ELITESCHULEN DES SPORTS

In mittlerweile 33 Eliteschulen erhalten junge Sporttalen- te die Chance, sich sowohl auf hohe sportliche Anforderungen nach internationalen Maßstäben als auch auf qualifizierte Bild- ungsabschlüsse vorzubereiten. Die Schulen werden vom Deut- schen Sportbund und der Stiftung Deutsche Sporthilfe ausge- wählt und arbeiten eng mit den Olympiastützpunkten zusammen. Mit diesen Einrichtungen ist ein wichtiger Baustein der Nachwuchsförderung im deutschen Leistungssport geschaf- fen worden. Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt die Eliteschu- len des Sports seit ihrer Initiierung im Jahre 1997. Das Engage- ment ist Teil eines Förderkonzepts, mit dem die Sparkassen- Finanzgruppe Nachwuchstalente systematisch fördert. FAIR PLAY

Wenn der Sport seine gesellschaftliche Vorbildfunktion ausüben will, muss er den Fair Play-Gedanken bewahren. Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt dieses Anliegen, indem sie Sportler und Meinungsbildner auszeichnet, die diesen Gedanken beherzigen oder dem Thema durch einen kritischen Diskurs Aufmerksamkeit verschaffen.

Der mehrmalige Weltmeister Majgurov erhielt den Sparkassen Fair Play-Preis 1999 88 AUSBLICK AUF DIE HÖHEPUNKTE IM JAHR 2001: DIE SKISPRINGER UND RUUUUDI

Keine Olympiade, kein WM- oder EM-Fußballturnier. fiebert dem rot-weiß-roten Goldrausch in St. Anton entgegen, Sportliche Langeweile im nächsten Jahr? Hightime für „Herminator“ Maier und Renate Götschl. Die Ski- Von wegen… jäger gehen im slowenischen Pokljuka auf Pirsch. Und die im Vorjahr unschlagbaren Rodler wollen im Eiskanal von Calgary Ein Jahr, das beinahe vom Glanz der „besten Olympi- kräftig weiterfeiern. Die schönsten Pirouetten und Axel dürfen schen Spiele“ erdrückt wurde, ist garantiert nicht zu toppen. die Zuschauer bei der Eiskunstlauf-WM in Vancouver beklat- Längst aber haben wir uns der schnelllebigen Zeit angepasst, schen. hetzen von einem „Spitzen-Event“ zum nächsten „Highlight“, bewundern Super-, Mega- und Giga-Stars, fressen Rekord- oder FORMEL 1 ERÖFFNET DIE SOMMERSAISON Skandal-Nachrichten und verdauen sie ebenso schnell. Man blickt eben nach vorne. Warum auch nicht? Dann heulen die Motoren auf. Ferrari und die Silber- pfeile treiben sich ab 4. März wieder zu technischen Höchst- GEBALLTE LADUNG WINTERSPORT leistungen an. Am letzten Juli-Wochenende gastieren der Formel-1-Zirkus in Hockenheim und die Motorrad-Artisten auf Nach Olympia bedeutet vor Olympia. Der Wintersport, dem Sachsenring. Und stets rollt das Leder. Nahziel für Ruuudis eben erst in Schwung gekommen, rechnet im Vierjahre-Rhyth- Kicker ist die WM-Qualifikation. Dick anstreichen im Kalender: mus zum „Tag X“ in Salt Lake City 2002 auf. Das bedeutet drei 1. 9. 2001, das Duell gegen Lieblings-Konkurrent England. Inner- geballte Monate voller Weltcups, Europa- und Weltmeisterschaf- halb dreier Tage im Mai entscheiden sich Champions League ten im Bretterl- und Kufenzirkus. Ein paar Mal und DFB-Pokal. ist auch Deutschland Gastgeber. Beispiels- Aus dem Rhythmus geraten ist die weise bei der Bob-EM in Königssee, dem Handball-Szenerie. Gleich zu Jahresbeginn Appetitanreger für die Weltmeisterschaft in muss der junge Frank von Behren die Brand- St. Moritz. Und die WM-Sprinter unter den Männer bei der WM in Frankreich anführen. Kufenflitzern gleiten übers Eis-Oval in Inzell. Die Leichtathleten treffen sich in Lissabon Im Frühjahr gehen die Eishockey-Gladiatoren zur Hallen-WM und in Edmonton unter freiem auf Puckjagd, dann zieht WM-Atmosphäre Himmel. Ebenfalls in Kanadas mittlerem durch Nürnberg, Hannover und Köln. Westen: Die Triathlon-Weltmeisterschaft Reduziert auf Weltmeisterschaften, über die olympische Distanz. Die Radsport- sieht das Winterprogramm so aus: Am kanadi- nation blickt gespannt auf die Tour de Fran- schen Whistler Mountain jumpen Snowboard- ce – leider ohne deutsche Etappen. Und in Freestyler, das Restprogramm der Fun-Freaks Luzern pullen die Ruderer um WM-Medaillen. geht über die mondäne Bühne von Madonna Am 16. Juli aber blickt die Welt für di Campiglio. Die Schwarzwald-Adler wollen in einen Moment schon mal sieben Jahre in Lahti zu weiteren Höhenflügen durchstarten, die Zukunft, wenn in Moskau über die Olym- ebenfalls in der finnischen Wintersport-Metro- piastadt 2008 entschieden wird. Favorit ist pole suchen die Nordischen Kombinierer und Peking, wo im Spätsommer die Universiade die Langläufer die Goldspur. Und Österreich über die Bühne geht. inBaden-Baden

Highlights