Thema: Gesetz zur Tarifeinheit WAHL-BETEILIGUNG GIPFEL-BETEILIGUNG Betrachtungen über stimmunlustige Bundeskanzlerin Merkel erklärt ihre Vorstoß gegen Kollisionen im Betrieb SEITE 1-3 Wähler und ratlose Politiker SEITE 9 Vorstellungen zur Außenpolitik SEITE 10

Berlin, Dienstag 26. Mai 2015 www.das-parlament.de 65. Jahrgang | Nr. 22 bis 24 | Preis 1 € | A 5544

KOPF DER WOCHE Vereidigter Wehrbeauftragter Nächster Halt Karlsruhe

Hans-Peter Bartels Er hat die Rollen getauscht. Der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels wurde am ver- TARIFEINHEIT Nach heftiger Debatte über das Streikrecht verabschiedet der das Gesetz gangenen Donnerstag durch Bundestagspräsident (CDU) vor dem Bun- s war der vorläufige, zumin- destag als neuer dest parlamentarische, End- Wehrbeauftragter ver- punkt unter ein heftig disku- eidigt. Am Tag zuvor tiertes und bis zum Schluss hatte der bisherige umstrittenes Gesetzesprojekt: Vorsitzende des Ver- Am Freitag verabschiedete teidigungsausschusses derE Bundestag in namentlicher Abstim- nach knapp 17 Jahren mung den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit sein Bundestagsman- (18/4062).Von 590 abgegebenen Stim- dat zurückgegeben. men votierten 448 für das Gesetz, 126 da- © picture-alliance/dpa Bartels war im De- gegen und 16 mit Enthaltung. Damit zember 2014 vom Par- stimmten auch einige Abgeordnete der lament als Nachfolger von Hellmut Königshaus, Koalitionsfraktionen gegen den Entwurf. dem letzten FDP-Vertreter im Bundestag, zum Grüne und Linke hatten aus ihrer ableh- Wehrbeauftragten gewählt worden. Seine Amtszeit nenden Haltung von Beginn an keinen beträgt fünf Jahre. Der 54-jährige Bartels hatte Hehl gemacht. Deren Anträge (18/4184; sich in den vergangenen Jahren als Wehrexperte 18/2875) fanden aber keine Mehrheit. durch sachkundige und abwägende Stellungnah- Im Juli soll also ein Gesetz in Kraft treten, men einen Namen gemacht. Er will der Bundesre- dessen Bekanntheitsgrad sich nicht zuletzt gierung nun Vorschläge machen, eine „attraktive, dank Claus Weselsky enorm gesteigert hat. leistungsfähige mit weniger Unzufrie- Zwar lehnten es Bundesregierung und Ko- denheit im Dienst zu verwirklichen“. kru T alitionsfraktionen bis zuletzt ab, von ei- nem Zusammenhang zum aktuellen Tarif- konflikt zwischen der Bahn und der Ge- ZAHL DER WOCHE werkschaft der Lokführer (GDL) zu spre- chen. Doch GDL-Chef Weselsky sieht die- sen Zusammenhang – wenig verwunder- 100 lich – sehr wohl (Seite 3).

Millionen Euro kostete ein Streiktag der Die Klage kommt Klar ist, der Entwurf Lokführergewerkschaft GDL die deutsche bietet viel Raum für Interpretationen und Volkswirtschaft im Schnitt. Dies berechnete dieser wurde in den vergangenen Monaten Freie Fahrt oder Stopp? Der Streik der GDL bei der Bahn hielt in den vergangenen Monaten das Land in Atem. © picture-alliance/Jochen Eckel der Bundesverband der Deutschen Industrie von Verfechtern und Gegnern des Projek- (BDI). Die GDL hatte am Donnerstag den tes gleichermaßen genutzt. Die Oppositi- mittlerweile neunten Streik abgebrochen. onsfraktionen erkennen in einer nach Gericht überzeugt. , Frakti- sen Sie die Regeln zu Leiharbeit und Werk- autonomie zu sichern. Sie lobte die ge- Mehrheitsprinzip gestalteten Tarifeinheit onsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grü- verträgen grundlegend umbauen und den plante Schlichtung zwischen der Lokfüh- EDITORIAL (Text unten) eine klare Benachteiligung nen, erläuterte, warum: „In Artikel 9 des Betriebsräten mehr Rechte geben“, forder- rergewerkschaft GDL und Bahn und sagte: kleiner Gewerkschaften und einen Angriff Grundgesetzes steht ganz klar drin, dass es te . „Das ist der Sinn des Gesetzes. Wie setzen ZITAT DER WOCHE auf das Streikrecht und werfen der Bundes- frei ist, Vereinigungen zu bilden, und zwar ließ diese Einwände auf Kooperation und Einigung.“ Nahles Macht statt regierung Verfassungsbruch vor. Bundesar- für alle Berufsgruppen. Da steht nichts da- nicht gelten. Ziel des Gesetzes sei, Frieden versicherte: „Das Koalitionsrecht und das beitsministerin (SPD), Ar- von, dass es pro Betrieb nur eine Gewerk- in die Betriebe hineinzubringen. „Wir Streikrecht tasten wir nicht an.“ Kollekti- »Schlichten beitgeberverbände und die Mehrheit des schaft geben darf.“ Klaus spalten nicht, wir schaffen ves Handeln werde aber ad absurdum ge- Moneten DGB argumentieren mit dem Schutz des Ernst (Die Linke) hatte Strategien, die Gewerk- führt, wenn nur für einzelne Gruppen auf statt Streiken Betriebsfriedens, der nachhaltig gestört nachgerechnet, dass das schaften gemeinsam zum dem Rücken der Belegschaft gekämpft VON JÖRG BIALLAS werde, wenn Spartengewerkschaften nur Wort „Freiheit“ 36 mal im »Wir schauen Wohle der Beschäftigten werde, so die Ministerin. ist das Gebot für ihre Einzelinteressen kämpfen und Grundgesetz auftaucht und mit nutzen können“, sagte er. Wer darauf angewiesen ist, regelmäßig mit nicht für die gesamte Belegschaft eines Be- kam zu dem Schluss: „Sie Es gehe nicht darum, klei- SPD verteidigt Vorhaben Dieses Argu- den Zügen der Deutschen Bahn zu fahren, der Stunde.« triebes. schränken mit dem Gesetz gespannter nere Gewerkschaften vor ment goss Bernd Rützel (SPD) in folgen- wird die Entscheidung des Bundestages vom Diese Trennlinie zog sich auch durch die, einen wesentlichen Grund- Gelassenheit, die Tür zu setzen. Viel- des Bild: Wenn jeder sein eigenes Süpp- vergangenen Freitag mit besonderem Interes- Ulrich Weber, Vorstand der Deutschen zuweilen heftig geführte dritte Lesung. satz des Grundgesetzes ein.“ mehr sollten die Gewerk- chen koche und dies dann auch noch al- se verfolgt haben. Das Parlament hat das um- Bahn AG, zur am Mittwoch beginnenden „Wie hälst Du’s mit der Verfassung?“, lau- Aber dabei blieb es nicht. was nun schaften animiert werden, leine esse, blieben jene hungrig, die das strittene Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg Schlichtung im Tarifstreit mit der Lokführer- tete hier die Gretchenfrage, die bei einigen Beide Fraktionen warfen der kommt.« sich zu einigen, wer für nicht können oder um die sich niemand gebracht. gewerkschaft GDL. Abgeordneten von Grünen und Linken für Regierung Etikettenschwin- welche Berufsgruppe ver- kümmere, mahnte Rützel. Auch wenn die Nach dessen Inkrafttreten, voraussichtlich zum hochrote Köpfe sorgte. Die Gemütslage del vor. Zum einen, „weil Karl Schiewerling (CDU) handelt. Opposition es hundertmal wiederhole, 1. Juli, wird es nicht mehr möglich sein, dass von Union und SPD brachte dagegen Karl die Tarifeinheit von vor Gründe dafür gebe es ge- „wir werden das Streikrecht niemals an- für Beschäftigte einer Berufsgruppe desselben IN DIESER WOCHE Schiewerling, der Arbeitsmarktexperte der 2010 eine ganz andere war“. nug, betonte Ministerin greifen“, versicherte er. Die GDL sei eine Betriebes unterschiedliche Tarifverträge gelten. Union, auf den Punkt: „Wir schauen mit Hofreiter spielte damit auf das Urteil des Nahles. „Was wir seit 2010 beobachten, der ältesten Gewerkschaften Deutschlands Maßgeblich sind dann die Verhandlungsergeb- INNENPOLITIK gespannter Gelassenheit, was nun Bundesarbeitsgerichts 2010 an, das den macht vielen Menschen Sorgen“, sagte sie. und habe auch vor 2010 gut existiert. Das nisse, die mit der mitgliedsstärksten Gewerk- Justiz Verfassungsrichter werden künftig kommt.“ Was kommen wird, ist eine Kla- Grundsatz der Tarifeinheit zugunsten der Gemeint waren Tarifkonflikte kleiner Be- Gesetz trage dazu bei, dass sich wieder schaft erzielt worden sind. vom Bundestagsplenum gewählt Seite 5 ge gegen das Gesetz vor dem Bundesverfas- Tarifpluralität aufgab. Zum anderen, weil rufsgenossenschaften, deren Macht seit mehr Tarifgemeinschaften bilden und die Streiks wie die jüngsten der Gewerkschaft sungsgericht in Karlsruhe. das Gesetz nicht tauge, Tarifeinheit in den 2010 tatsächlich gewachsen ist. Es sei Auf- Gewerkschaften klären, für welche Berufs- Deutscher Lokomotivführer (GDL) könnten WIRTSCHAFT UND FINANZEN Die Opposition ist von einem Scheitern Betrieben herzustellen. „Wenn Sie wirklich gabe der Bundesregierung, Tarifkollisionen gruppen sie jeweils verhandeln, verteidigte dann nicht mehr gesetzeskonform sein. Seit Kindergeld Anhörung im Finanzausschuss des Gesetzes vor dem obersten deutschen etwas für die Tarifeinheit tun wollen, müs- in Betrieben zu vermeiden, um die Tarif- Rützel das Vorhaben. Claudia Heine T Monaten piesackt die GDL die Bahn und deren zu Erhöhungsplänen Seite 8 Kunden mit immer wieder neuen, kostspieli- gen Ausständen. Neben der Industrie leiden EUROPA UND DIE WELT darunter Millionen Pendler, Geschäftsreisende Türkei Die Parlamentswahlen im Juni und Urlauber, die es nur noch schwer schaffen, werfen ihre Schatten voraus Seite 12 ihre Wut zu unterdrücken. Im Namen der Tarifautonomie Hintergrund ist auch die Befürchtung der GDL, KULTUR UND BILDUNG DAS GESETZ Neue Regeln stärken die großen Gewerkschaften. Schon bestehende Tarifverträge gelten weiter dass sie für ihre Mitglieder nichts mehr aus- Bundestag Regierung legt Bericht zur richten können wird, wenn das neue Gesetz Berufsbildung 2015 vor Seite 13 iel des Gesetzes für eine Tarifein- Die Bundesregierung betont, dass das Ge- greift. Es ist wohl wahr: Bei diesen Streiks geht heit soll es sein, „die Funktions- setz das Streikrecht nicht angreife. Es stehe es um Macht, weniger um Moneten. fähigkeit der Tarifautonomie zu den Gewerkschaften weiter frei, gemein- Die Politik hat sich ihre Entscheidung, die Tarif- sichern“. Diese werde gefährdet, sam Tarifverträge zu verhandeln. „Die Re- einheit gesetzlich vorzuschreiben, nicht leicht MIT DER BEILAGE wennZ in einem Unternehmen mehrere Ge- gelungen zur Tarifeinheit ändern nicht das gemacht. Immerhin werden davon ganz werkschaften für eine Berufsgruppe Tarif- Arbeitskampfrecht. Über die Verhältnismä- grundlegende Komponenten im Zusammen- abschlüsse durchsetzen wollen und es da- ßigkeit von Arbeitskämpfen wird aller- spiel zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh- bei zu „Kollisionen“ komme, lautet die Be- dings im Einzelfall im Sinne des Prinzips mern berührt. gründung im Gesetzentwurf. der Tarifeinheit zu entscheiden sein“, heißt Ein Argument der Befürworter ist, die Tarifein- Das Gesetz sieht nun vor, die Tarifeinheit es im Entwurf. heit sei ein wesentlicher Baustein für eine in einem Betrieb im Falle von Konflikten Weiter schreibt die Regierung, ein Streik funktionierende Tarifautonomie und den Ab- nach dem Mehrheitsprinzip zu ordnen. „diene nicht der Sicherung der Tarifauto- schluss von Flächentarifverträgen, die befrie- Können sich Gewerkschaften mit sich nomie, wenn dem Tarifvertrag, der mit ihm dend wirken. überschneidenden Tarifverträgen nicht ei- erwirkt werden soll, eine ordnende Funkti- So sehen es nicht nur Arbeitgeber, sondern üb- nigen, soll künftig nur der Tarifvertrag der on offensichtlich nicht mehr zukommen rigens auch die Vertreter der großen Gewerk- Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die würde, weil die abschließende Gewerk- schaften im Land. Kleinere Arbeitnehmer-Or- meisten Mitglieder hat. schaft keine Mehrheit im Betrieb haben ganisationen verweisen hingegen aus Eigen- Ministerin Andrea Nahles (SPD, Bildmitte) bei der Abstimmung im Bundestag. © picture-alliance/dpa würde“. Auf diesen Sätzen begründen die schutz darauf, dass der Zwang zur Tarifeinheit Rechte der Minderheiten Die Belange Kritiker ihre ablehnende Haltung, sehen das Streikrecht unzulässig einschränke. Der der Minderheitsgewerkschaften sollen sie dies doch als indirekte Einschränkung Deutsche Beamtenbund und die Ärztegewerk- Das Parlament durch „flankierende Verfahrensregeln“ be- durch die gesetzliche Tarifeinheit entste- lungen zur Tarifeinheit anzupassen. Die des Streikrechts. che T schaft Marburger Bund haben deshalb bereits Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH rücksichtigt werden. Dazu gehören ein vor- hen. Bestehenden Tarifverträgen wird darü- Gerichte sollen über den im Betrieb an- Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an- 60268 am Main verlagertes Anhörungsrecht gegenüber der ber hinaus bis zu einem Stichtag ein Be- wendbaren Tarifvertrag auf Antrag einer Ta- gekündigt. Arbeitgeberseite und ein nachgelagertes standsschutz gewährt. Für diese Ziele wird rifpartei mit bindender Wirkung für Dritte Die Debatte um das Tarifeinheitsgesetz ist also Nachzeichnungsrecht. Mit diesem soll ein neuer Paragraf in das Tarifvertragsge- entscheiden. Die Mehrheitsverhältnisse in- wohl noch nicht abgeschlossen. Die Kunden Nachteilen entgegengewirkt werden, die ei- setz aufgenommen. nerhalb eines Betriebes sollen durch das der Bahn sind indes froh, dass die Züge jetzt Weiterführende Links zu den ner Gewerkschaft durch die Verdrängung Außerdem sieht der Entwurf vor, das Ar- „Vorlegen öffentlicher Urkunden“ bewie- Themen dieser Seite finden wieder verlässlich fahren. Hoffentlich nicht nur ihres bereits abgeschlossenen Tarifvertrages beitsgerichtsgesetz entsprechend den Rege- sen werden. Sie in unserem E-Paper bis zum nächsten Streik. 2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Frau Müller-Gemmeke, die GDL will den DGB-Gewerkschaften. Es geht nicht GASTKOMMENTARE nicht nur für Lokführer, sondern auch nur um Groß und Klein. Es kann im End- für andere bereits durch die EVG vertre- effekt alle treffen. WIRD DAS STREIKRECHT EINGESCHRÄNKT? tene Berufsgruppen Tarifabschlüsse durchsetzen. Können Sie diese hartnäcki- Der DGB sieht das anders und hat ge Haltung verstehen? den Entwurf als Chance bezeichnet, die Ja, aus zwei Gründen: Die GDL hat in den Kooperation zwischen den Gewerkschaf- letzten Jahren nach eigenen Angaben viele »Es ist ein ten zu stärken. David ohne Chance Zugbegleiter als Mitglieder gewonnen. Des- Die Bundesregierung konnte mir keine halb ist es nachvollziehbar, dass sie auch Zahlen, keine Fakten zu kollidierenden Ta- ie Freiheit von Arbeitnehmern und für diese Gruppe verhandeln will. Im Lich- rifverträgen nennen. Mir ist im Endeffekt PRO Arbeitgebern, sich zu Gewerkschaf- te des Tarifeinheitsgesetzes ist es auch ganz ein kollidierender Tarifvertrag bekannt und ten und Verbänden zusammenzu- rational, was die GDL macht, denn sie das ist der bei der Bahn. In den meisten schließen, um ihre Interessen zu ver- muss größer und mächtiger werden, damit Fällen kooperieren die Gewerkschaften ge- Dtreten, ist ein hohes Gut. Das Tarifeinheitsgesetz in ihr Tarifvertrag nicht verdrängt wird. massiver räuschlos. Es kann nicht sein, dass die Poli- seiner jetzigen Form beschädigt dieses Gut. Denn tik sich da einmischt und zwischen er- der Kern des Gesetzes ist, dass im Falle rivalisie- Ist mit der am Mittwoch beginnenden wünschten und unerwünschten Gewerk- render Gewerkschaften in einem Betrieb nur der Schlichtung das Problem für die GDL er- schaften unterscheidet. Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, ledigt? die dort die meisten Mitglieder hat. Das bedeutet: Es ist gut, dass es nun zu einer Schlichtung Ein Knackpunkt ist die Frage, wie Be- David unterwerfe sich Goliath. Mehrheit ist Mehr- kommt. Die GDL muss jetzt alles daran trieb in diesem Zusammenhang definiert heit. Klingt nach Demokratie, aber nicht nach Be- setzen, einen guten und möglichst breiten Eingriff« wird. Der Beamtenbund befürchtet, dass triebsfrieden. Tarifvertrag abzuschließen. Und zwar be- künftig für jede Schule geprüft werden Künftig geht es nur noch darum, wer die meisten vor das Tarifeinheitsgesetz in Kraft tritt. muss, welche Gewerkschaft die meisten Mitglieder zählt. Vereinbarungen von Minderheits- Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass BEATE MÜLLER-GEMMEKE Mitglieder hat. gewerkschaften werden verdrängt. Doch mit wel- der jetzt ausgehandelte Tarifvertrag nicht Es kann tatsächlich sein, dass in jedem der chem Recht? Das ist nicht nachzuvollziehen. Letzt- mehr vom Gesetz betroffen sein wird. Sie Die Sprecherin für Arbeit- 300 Bahn-Betriebe die Mehrheit festgestellt lich wird so das Streikrecht der kleineren Gewerk- müssen ihre Ausgangsposition stärken, um werden muss, weil es konkurrierende Ge- © HNA Martina Hummel schaft ausgehebelt oder zumindest beschnitten. später, wenn das Gesetz greift, mehrheitsfä- nehmerrechte der Grünen lehnt werkschaften gibt. Im ganzen öffentlichen »Hessische Niedersächsische Beschnitten auch deshalb, weil künftig gerichtli- hig und streikfähig zu sein. Dienst haben wir ein Gemisch aus Beam- Allgemeine«, Kassel che Einzelfallprüfungen ergeben können, dass ein eine erzwungene Tarifeinheit ab tenbund, ver.di, zum Teil GEW. Da kann es Streik unverhältnismäßig ist, wenn ein Tarifvertrag Nun garantiert das Grundgesetz je- sein, dass in jeder Schule, jeder Behörde, erzwungen werden soll, der aufgrund der Mitglie- dem, Vereinigungen zu bilden. Warum jedem Krankenhaus die Mehrheit festge- derzahl nicht zum Zuge kommen wird. Denn was schränkt das Gesetz Ihrer Meinung nach stellt werden muss. auch immer David versucht auf den Weg zu brin- diese Koalitionsfreiheit ein? gen, es wird ohne Belang sein, wenn Goliath nicht Wenn künftig nur noch der Tarifvertrag der Ein anderer Knackpunkt war, wie die will. Sprich: David muss sich dem Tarifvertrag der Mehrheit gelten soll, wird das grundgesetz- Mehrheitsverhältnisse überhaupt ge- größeren Gewerkschaft beugen. liche Recht, Tarifverträge zu verhandeln richtsfest geprüft werden sollen. Dem Gesetz fehlen Regeln eines Interessenaus- und umzusetzen für alle anderen, die nicht Die Richter kritisieren, dass die Notare in gleichs zwischen den Gewerkschaften. Bevor man zu dieser Mehrheit gehören, ausgehebelt. keiner Weise die Richtigkeit der Listen be- streikt, sollte man gleichberechtigt und mit dem Und wenn, wie geplant, die Prüfung der legen müssen. Das bedeutet, dass die Prü- Willen der Verständigung miteinander reden. Das Verhältnismäßigkeit ein neues Kriterium fung der Mitgliederlisten im Endeffekt bei funktioniert aber nicht, wenn per Gesetz der Un- bekommt und das Kriterium eben ist, ob den Gerichten landet, denen die Verant- terlegene vorab feststeht. Daher braucht ein Tarif- dieser Tarifvertrag zur Anwendung kommt wortung zugeschoben wird. Natürlich einheitsgesetz ein festgelegtes Einigungsverfah- oder nicht, dann ist das nichts anderes als muss es eine Mitgliederzählung geben, ren. Damit würden rivalisierende Zuständigkeiten eine Einschränkung des Streikrechts. aber ab da hat die Bundesregierung keinen vermieden und kleine Gewerkschaften gestärkt. Plan, wie das tatsächlich rechtssicher Hans-Jürgen Papier, der ehemalige durchgesetzt werden kann. Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat die Pflicht des Gesetzgebers betont, Jetzt argumentiert die Bundesregie- Starker Tobak dieses Recht der Koalitionsfreiheit auszu- rung, dass es bis 2010 ja die Tarifeinheit gestalten. in Deutschland gegeben hat. iele Sympathien genießt Claus Weselsky, Andere Verfassungsrechtler sagen aber, dass Das stimmt so einfach nicht. Die so ge- CONTRA Chef der Lokführergewerkschaft GDL, es hier eben nicht um eine Ausgestaltung, nannte Tarifeinheit vor 2010 war etwas nicht in der Bevölkerung. Rückhalt be- sondern um einen Eingriff in die Koaliti- ganz anderes. Damals galt das Spezialitäts- V kommt er, wenn es um die Verteidigung onsfreiheit geht, wenn der Tarifvertrag der prinzip und jetzt kommt ein Mehrheits- der Grundrechte geht, für die er nach eigenem Be- kleineren Gewerkschaft nicht mehr gelten prinzip, was per se die Lage kleinerer Ge- kunden kämpft. Die Große Koalition schränke mit soll. Das ist doch ein massiver Eingriff, werkschaften verschlechtert. Wenn der spe- ihrem Tarifeinheitsgesetz nicht nur allgemein die denn diese Gewerkschaft verliert an Akzep- ziellere, sprich besser passende Tarifvertrag Koalitionsfreiheit ein, sondern auch und besonders tanz und Bedeutung. Man muss sich auch zur Anwendung kommt wie vor 2010, ist das Streikrecht, heißt es. Das ist starker Tobak, zu- überlegen, was es bedeutet, wenn zum Bei- das eine ganz andere Voraussetzung, als mal die Vorlage aus dem Haus der SPD-Arbeitsmi- spiel der Marburger Bund in einem Kran- wenn der Tarifvertrag der größten Gewerk- nisterin Andrea Nahles stammt. Einer sachlichen kenhaus knapp nicht die Mehrheit hat, schaft gilt. Prüfung halten derlei Vorwürfe nicht stand. Das aber 80 Prozent der Ärzte organisiert hat wird schon daran deutlich, dass der Bundestag mit und Verdi knapp die Mehrheit hat, aber Was halten Sie von einem generellen dem Gesetz lediglich die alten Verhältnisse wieder vielleicht nur zehn Prozent organisiert hat, Streikverbot in der Daseinsvorsorge oder herstellen möchte, die bis zu einer Kehrtwende das zeigt, dass diese 50-Prozent-Regel nicht einer Zwangsschlichtung? des Bundesarbeitsgerichts galten. Streiks hat es in wirklich passt. Das ist für mich ein absolutes NoGo, das der Bundesrepublik mit oder ohne Tarifeinheit im- geht gar nicht, weil das natürlich ganz ver- mer wieder gegeben. Und in der Begründung des Die Bundesregierung scheint ein Ver- schärfte Angriffe aufs Streikrecht sind. Wie

© DuMont Rege Gesetzes heißt es wörtlich: „Die Regelungen zur fahren in Karlsruhe jedenfalls nicht ab- will man denn „Daseinsvorsorge“ definie- Markus Sievers Tarifeinheit ändern nicht das Arbeitskampfrecht.“ zuschrecken. ren? Das kann man sehr weit fassen. Und »Berliner Zeitung« Was geht und was nicht, wird in der Bundesrepu- Die gesetzliche Tarifeinheit steht im Koali- dann gilt ein Streikverbot mal schnell für blik traditionell von der Rechtsprechung bestimmt tionsvertrag und mir kommt es jetzt ein sehr weite Teile der Wirtschaft. Aber Streik- und der Frage, ob ein Streik verhältnismäßig ist. bisschen so vor, als wenn der Zug einfach recht ist ein Freiheitsrecht. Es ist das einzi- Mit dem Tarifeinheitsgesetz werden die Gerichte losgefahren ist und anscheinend ist der ge Mittel, um auf Augenhöhe Tarifverträge dabei auch prüfen, ob der umstrittene Tarifvertrag momentan nicht mehr zu stoppen. Warum © mueller-gemmeke.de verhandeln zu können. Das Bundesarbeits- überhaupt angewandt werden kann. Damit ist die- genau kann ich natürlich aus der Oppositi- gericht hat 1980 festgestellt, ohne Streik se Reform noch lange kein Gesetz gegen Streiks, on heraus nicht sagen. wären Tarifverhandlungen kollektives Bet- sondern ein Versuch, einen praktikablen Mecha- gen, was sie möchte, aber das hat keine Nein. Natürlich wird nicht von heute auf teln. nismus zur Beilegung von Konflikten zu schaffen. Der Entwurf sieht vor, unter anderem Folgen. Das Nachzeichnungsrecht ist auch morgen sofort alles ganz anders aussehen, Das Gespräch führte Claudia Heine. Mit der Tarifeinheit hat Deutschland jahrzehnte- mit einem Anhörungsrecht die Rechte der schwierig. Wenn beispielsweise in dem Ta- sondern die Realität wird sich schleichend lang gut gelebt, weil sie für Solidarität zwischen Minderheitsgewerkschaften zu wahren. rifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft gewis- verändern. Warum sollen sich die Beschäf- Beate Müller-Gemmeke ist seit 2009 den Beschäftigten steht. Streiks werden nicht ver- Reicht das? se Bereiche des Arbeitslebens, die eine be- tigten in einer Gewerkschaft organisieren, für die Grünen im Bundestag und deren schwinden aus dem deutschen Alltag. Sie werden Es gibt jedenfalls einige Rechtsexperten, stimmte Berufsgruppe besonders tangie- die keinen Einfluss mehr auf ihre Arbeits- Sprecherin für Arbeitnehmerrechte. auch in Zukunft Verbraucher und Unternehmer be- die sagen, das reicht nicht aus, um das Ge- ren, überhaupt nicht verhandelt wurden: bedingungen nehmen kann? Aber wichtig lasten und Arbeitnehmer auf eine Durchsetzung setz verfassungsfest zu machen. Und wenn Was bringt mir dann das Recht, den Tarif- ist: Es geht hier nicht nur um die Berufsge- ihrer Interessen hoffen lassen. ich es jetzt mit meinem gesunden Men- vertrag nachträglich zu übernehmen? werkschaften. Verdi kann genauso betrof- schenverstand beurteile, dann kann ich mir fen sein, und Verdi ist die zweitgrößte nicht vorstellen, dass diese Rechte tatsäch- Ist die Angst der Berufsgewerkschaf- DGB-Gewerkschaft. Es kommt immer auf Weiterführende Links zu den Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. lich etwas bringen. Das Anhörungsrecht ten, die sich in ihrer Existenz bedroht se- den jeweiligen Betrieb an. Es gibt viele Kontakt: [email protected] Themen dieser Seite finden bedeutet, eine Gewerkschaft darf vortra- hen, also nicht übertrieben? Konkurrenzen, im Übrigen auch zwischen Sie in unserem E-Paper

PARLAMENTARISCHES PROFIL

Herausgeber Deutscher Bundestag Druck und Layout Abonnement Der Sozialpolitiker: Platz der Republik 1, 11011 Berlin Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH Jahresabonnement 25,80 €; für Kurhessenstraße 4–6 Schüler, Studenten und Auszubildende Mit der ständigen Beilage 64546 Mörfelden-Walldorf (Nachweis erforderlich) 13,80 € Aus Politik und Zeitgeschichte (im Ausland zuzüglich Versandkosten) alf Kapschack gibt sich gelassen: „Ich bin sehr zuver- sehr wenige Fälle geben, wo juristisch geklärt werden muss, wer Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bochum über „Ar- ISSN 0479-611 x Alle Preise inkl. 7% MwSt. (verantwortlich: Bundeszentrale Anzeigen-/Vertriebsleitung Kündigung jeweils drei Wochen vor sichtlich dass das Gesetz zur Tarifeinheit mit dem die größere oder kleinere Gewerkschaft ist.“ mut in der Bundesrepublik Deutschland“ geschrieben. für politische Bildung) Frankfurter Societäts-Medien GmbH Ablauf des Berechnungszeitraums. Grundgesetz vereinbar ist.“ Den Wittener SPD-Bundes- Kapschack wendet sich gegen Ideen aus dem Arbeitgeberlager, ins Der gebürtige Wittener ist geprägt durch seine sozialdemokrati- Klaus Hofmann (verantw.) Ein kostenloses Probeabonnement für vier Ausgaben kann bei unserer tagsabgeordnete schrecken die Klagedrohungen der Gesetz auch Regeln für Arbeitskämpfe für die Bereiche der Da- schen Eltern. Der Vater wirkte lange in der Kommunalpolitik. Mit 17 Anschrift der Redaktion Frankenallee 71– 81 Vertriebsabteilung angefordert (außer Beilage) 60327 Frankfurt am Main kleinerenR Gewerkschaften nicht. Das Streikrecht werde nicht durch seinsfürsorge wie Verkehr, Erziehung oder Gesundheit hineinzu- trat Sohn Ralf bereits in die SPD ein. Im „ersten Leben“ vor der Poli- werden. Platz der Republik 1, 11011 Berlin das Koalitionsvorhaben tangiert. Dies habe auch die öffentliche An- schreiben. Etwa eine Zwangsschlichtung: „Das wäre juristisch sehr tik war Kapschack Journalist. Nach dem Volontariat beim Deutsch- Telefon (030)2 27-30515 Telefax (030)2 27-36524 Leserservice/Abonnement Namentlich gekennzeichnete Artikel hörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales Anfang Mai gezeigt. heikel und würde einen direkten Eingriff in das Streikrecht bedeu- landfunk arbeitete er von 1987 bis 2010 als Redakteur beim WDR, Internet: Frankfurter Societäts-Medien GmbH stellen nicht unbedingt die Meinung Dort hätten die Experten mehrheitlich die Auffassung vertreten, die ten. Deshalb halte ich davon gar nichts.“ Im übrigen könne nie- danach als Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfrak- http://www.das-parlament.de Vertriebsabteilung Das Parlament der Redaktion dar. Für unverlangte E-Mail: Frankenallee 71– 81 Einsendungen wird keine Haftung Ausgestaltung des grundgesetzlich garantierten Koalitionsrechts sei tion. Ist er von diesem Beruf noch heute geprägt? „Ich bin immer redaktion.das-parlament@ 60327 Frankfurt am Main übernommen. Nachdruck nur mit Sache des Gesetzgebers. „Der Vertreter der Arbeitsrichter hat deut- ...... noch ein bisschen Journalist“, sagt Kapschack und lacht ein wenig. bundestag.de Telefon (069)7501-4253 Genehmigung der Redaktion. Telefax (069)7501-4502 Für Unterrichtszwecke können Kopien lich gemacht, dass seine Kollegen auch weiterhin sehr zurückhal- So sei seine Neugier geblieben, auch die Bereitschaft. zuzuhören E-Mail: [email protected] in Klassenstärke angefertigt werden. »Es wird wohl nur sehr Chefredakteur tend sein werden, Streiks von vornherein zu untersagen, bevor die und nicht auf alles sofort eine Antwort zu haben. Jörg Biallas (jbi) Verhandlungen abgeschlossen sind“, sagt Kapschack. wenige Fälle geben, wo Kapschack hat sich in der SPD immer als Linker gesehen. 1981 trat Anzeigenverkauf Gegen Kritik einer Arbeitnehmerfeindlichkeit wehrt sich Kapschack. er aus Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss aus der Partei aus, Verantwortliche Redakteure juristisch geklärt werden Frankfurter Societäts-Medien GmbH Er sei als Arbeitnehmer vom ersten Tag an in einer Gewerkschaft ge- 1987 aber wieder ein. Er nimmt sich auch heute die Freiheit, mal Claudia Heine (che) Katrin Kortmann muss, wer die größere oder Alexander Heinrich (ahe), stellv. CvD Frankenallee 71– 81 wesen. Die SPD sei aber nicht Erfüllungsgehilfe von Gewerkschaften. gegen die Fraktionslinie zu stimmen, so beim Bundestagsbeschluss Michael Klein (mik) kleinere Gewerkschaft ist.« 60327 Frankfurt am Main „Als Abgeordneter, auch als Gewerkschaftsmitglied, bin ich vor allem 2014 zu den Waffenlieferungen an Nordiraks Kurden: „Da hatte Claus Peter Kosfeld (pk) Telefon (069)7501-4375 © DBT/Achim Melde Hans Krump (kru), CvD Telefax (069)7501-4502 dem Gemeinwohl verpflichtet.“ Deshalb hält er die bisherigen Streik- ich eine schlaflose Nacht, aber ich habe dagegen gestimmt.“ Heu- Hans-Jürgen Leersch (hle) E-Mail: [email protected] aktionen der Lokführergewerkschaft GDL für „nicht vertretbar“. Kap- te sieht sich Kapschack als „pragmatisch links“ in der SPD. Träumt Johanna Metz (joh) „Das Parlament“ Annette Sach (as) ist Mitglied der schack: „Hier ging es nicht um Arbeitsbedingungen, Löhne oder Ur- mand genau definieren, wo die Daseinsfürsorge heutzutage anfan- er von Rot-Rot-Grün? Da ist er zurückhaltend und verweist auf die Helmut Stoltenberg (sto) Anzeigenverwaltung, Disposition Informationsgesellschaft laub, sondern nur darum, den eigenen Einfluss zulasten anderer Ge- ge und wo sie ende. Gegensätze zu außenpolitischen Positionen der Linkspartei. Aber Alexander Weinlein (aw) Frankfurter Societäts-Medien GmbH zur Feststellung werkschaften zu vergrößern. Dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Ralf Kapschack sitzt seit Herbst 2013 als direkt gewählter SPD-Ab- die Frage von Mehrheiten jenseits der Union sei virulent. Anzeigenabteilung der Verbreitung von Fotos Frankenallee 71– 81 Werbeträgern e. V. (IVW) Keine größeren Probleme sieht der Abgeordnete darin festzustel- geordneter des Wahlkreises Ennepe-Ruhr II im Bundestag. In sei- Was bleibt dem verheirateten Vater zweier Kinder als Hobbys? Stephan Roters 60327 Frankfurt am Main len, wer in einem Betrieb die größere Gewerkschaft sei, deren Ta- nen Wunschausschuss für Arbeit und Soziales sei er erst „auf den „Borussia Dortmund“, sagt Dauerkartenbesitzer Kapschack. Stolz Telefon (069)7501-4274 Für die Herstellung der Wochenzeitung Redaktionsschluss Telefax (069)7501-4502 „Das Parlament“ wird ausschließlich rifvertrag laut Gesetz dann auch für die kleinere Arbeitnehmerver- letzten Drücker“ gekommen, sagt er. Sozialthemen haben den zeigt er auf ein von den Profis von 1987 handsigniertes Trikot, das 22. Mai 2015 E-Mail: [email protected] Recycling-Papier verwendet. tretung gelte. „Es wird nach Einschätzung von Experten wohl nur 60-Jährigen immer schon interessiert. Seine Diplomarbeit hat der in seinem Bundestagsbüro hängt. Hans Krump T Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 THEMA DER WOCHE 3

Klein, aber kraftvoll. Nicht nur die großen DGB-Gewerkschaften, auch die kleinen Spartengewerkschaften wissen, was Streik ist. Nun fürchten sie, dass ihnen das Tarifeinheitsgesetz dieses Streikrecht verwehrt. © picture-alliance/dpa/Sueddeutsche Zeitung Photo

STICHWORTE

Koalitionsfreiheit In Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes Der Zwang zur Einheit heißt es: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschafts- bedingungen Vereinigungen zu bilden, GEWERKSCHAFTEN Die kleinen Berufsverbände fürchten um ihre Existenz – und kämpfen ist für jedermann und für alle Berufe ge- währleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, uletzt waren es die ange- Grundsatz „Tarifeinheit geht vor Tarifviel- Arbeitgebern, die möglichst schwache Ge- heitsgewerkschaft zwingen lassen. Dieses werkschaften die Republik ins Chaos stür- sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnah- stellten Lehrer, die streik- falt“ und urteilten, es gebe künftig keinen werkschaften in ihren Unternehmen haben Gesetz stiftet großen Unfrieden statt die zen, ist völlig realitätsfern“, meint jedoch men rechtswidrig.“ Die Kritiker des Ge- ten. Jetzt sind es die Erzie- Zwang für stets einheitliche Tarifregelun- wollten, und dem DGB, der die Konkur- grundgesetzlich gewährleistete Tarifauto- der Tarifexperte Reinhard Bispinck von der setzes sehen diesen Grundsatz in Gefahr. her, die Kindergärten lahm gen in Betrieben. Das heißt nichts anderes, renz klein halten wolle. „Allein die Initiati- nomie zu stärken.“ gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. legen. Und auch die Post- als dass seitdem mehrere Gewerkschaften ve, dieses Gesetz zu schaffen, hat dazu ge- Auch Hagen Lesch vom IW Köln ist skep- bediensteten streiken wie- in einem Unternehmen unterschiedliche führt, dass die Arbeitgeber keine Lust mehr Chaos nicht in Sicht Und die hat für alle tisch. „Zwar gibt es viele Berufsgruppen, Zulässige Streiks derZ einmal. Wer kann da noch einen Streik Tarifverträge für eine Berufsgruppe ab- haben, mit Berufsgewerkschaften Tarifver- diejenigen, die Zug fahren, ins Kranken- die in Frage kämen“, sagt er. Doch nur we- Das Recht des Arbeitskampfes und da- der Lokführer gebrauchen? Deutschland – schließen dürfen und gut organisierte Be- träge abzuschließen. Und hier an der GDL haus oder zum Arzt müssen oder aber auf nige davon hätten das Zeug zur Spartenge- mit auch das Streikrecht ist gesetzlich einig Streikland? Nicht ohne Grund spit- rufsgenossenschaften Überbietungstarifver- wird ein Pilotprojekt gefahren,“ glaubt We- das Flugzeug angewiesen sind, einen ho- werkschaft. Denn um eine solche zu grün- nicht geregelt, sondern durch die zen sich die Konflikte zwischen Arbeitneh- träge erkämpfen können. Denn seit dem selsky. hen Preis. Spartengewerkschaften agieren – den, brauche es mehrere Voraussetzungen. Rechtssprechung des Bundesarbeitsge- mern und Arbeitgebern zur Zeit zu. Denn Urteil können speziellere, vielleicht arbeit- das geht aus einer aktuellen Studie des ar- Die Berufsgruppe müsste homogen genug richts entwickelt worden. Ein Streik gilt es geht – natürlich – ums Geld. Aber noch geberfreundlichere Tarifverträge, nicht Gesetz mit Sprengkraft Deshalb hat sich beitgebernahen „Instituts der deutschen sein. Zudem müsse sich eine neue Sparten- demnach als zulässig, wenn er die Her- mehr geht es um eine Neuordnung der mehr die Tarifverträge an- der GDL-Chef den geball- Wirtschaft“ (IW) in Köln gewerkschaft überhaupt erst beiführung einer tarifvertraglichen Rege- deutschen Tariflandschaft insgesamt. Im derer Gewerkschaften ver- ten Missmut von Bahn- hervor, deutlich aggressiver einmal organisieren wol- lung zum Ziel hat. Deswegen werden Mittelpunkt steht dabei die Frage: Welchen drängen. pendlern, Fernreisenden, in Tarifverhandlungen als len. Erst wenn sich ihr ge- politische Streiks oder Streiks, die nicht Einfluss dürfen kleine, berufsorientierte Dagegen hat die Bundesre- »Wie halten eines großen Teils der Öf- die großen Branchenge- »Nur wenige nug Berufstätige anschlös- zu einem Tarifvertrag führen sollen, als Spartengewerkschaften künftig haben? gierung nun das Tarifein- wir es mit den fentlichkeit und der Politik werkschaften wie Verdi Berufsgruppen sen, verfüge sie auch über unzulässig angesehen. Auch „wilde Droht ihnen das Aus angesichts der Verab- heitsgesetz auf den Weg ge- zugezogen. Gleichzeitig oder die IG Metall, weil sie die notwendige Durch- Streiks“ von nicht in Gewerkschaften or- schiedung des umstrittenen Tarifeinheits- bracht, das in letzter Konse- Freiheits- kann er sich aber auch auf eng definierte Partikularin- haben das schlagskraft. Und selbst ganisierten Arbeitnehmern gelten als un- gesetzes im Bundestag? quenz nur noch der größ- rechten der die Unterstützung der übri- teressen vertreten und Zeug zur wenn all diese Vorausset- zulässig. Zwar haben sich die Gewerkschaft der Lok- ten Gewerkschaft in einem gen Spartengewerkschaften nicht mehrere verschiedene zungen erfüllt sind, sei führer (GDL) und die Bahn am vergange- Betrieb den Streik erlaubt. Minder- verlassen. „Das Grundrecht Berufsgruppen, für die Spartenge- auch die Macht von Spar- Deutscher Gewerkschaftsbund nen Donnerstag überraschend auf ein „Um den Koalitions- und heiten?« der Koalitionsfreiheit darf man erst einmal Kompro- werkschaft.« tengewerkschaften oft be- Schlichtungsverfahren geeinigt. Aber was Tarifpluralismus in geord- durch Tarifkartelle nicht misse finden muss, vertre- grenzt. Nicht alle erzielten Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zunächst von der GDL als Sieg verkauft nete Bahnen zu lenken, Claus Weselsky (GdL) ausgehebelt werden“, sagt ten. Die Forscher haben die Hagen Lesch (IW, Köln) so überdurchschnittliche ist die größte Dachorganisation von Mit- wurde, bedeutet nicht, dass die Kuh damit wollen wir den Grundsatz etwa der Vorsitzende des Tarifkonflikte in zwölf Ergebnisse wie die GdL gliedsgewerkschaften in Deutschland. vom Eis ist. Für GDL-Chef Claus Weselsky der Tarifeinheit nach dem Marburger Bundes, Rudolf Branchen seit 2000 ausge- 2007 oder Cockpit 2010. Ihm gehörten Ende 2014 rund 6,1 Millio- steht fest: Die GDL führt – ausgerechnet betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Henke. „Der DGB will seine Konkurrenz wertet. Sowohl bei der Konfliktintensität Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo etwa nen Mitglieder an. Zum DGB gehören: mit der mehrheitlich im Besitz des Bundes Einbindung der Spitzenorganisationen der bremsen und behindern, und die Arbeitge- als auch bei der Länge der Tarifauseinan- schaffte 2009 nur einen bescheidenen IG Metall (2,3 Millionen); Verdi (2 Millio- befindlichen Bahn – einen Stellvertreter- Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich ber wollen möglichst bequeme Verhältnis- dersetzungen liegen die Spartengewerk- Abschluss. Und die Ärztegewerkschaft Mar- nen); IG Bergbau, Chemie, Energie kampf, in dem es um die Zukunft des festschreiben“, heißt es dazu bereits im Ko- se. Wir gehen zum frühestmöglichen Zeit- schaften dabei deutlich vor den Branchen- burger Bund ließ Mitte Januar rasch (658.000); IG Bauen-Agrar-Umwelt Streikrechts in Deutschland insgesamt alitionspapier von Schwarz-Rot. Für die punkt nach Karlsruhe.“ Ähnlich äußert gewerkschaften. Während die Branchenge- ihre Streikdrohungen ruhen und gab sich (281.000); Gewerkschaft Erziehung und geht. Wer darf streiken – nur die Big Player mitgliederschwachen Arbeitnehmervertre- sich der Vize-Chef des „Deutschen Beam- werkschaften hierzulande durchschnittlich letztlich mit einer Lohnsteigerung Wissenschaft (272.000); Gewerkschaft vom DGB oder auch die kleinen Gewerk- tungen würde dies das Aus bedeuten, denn tenbundes“ (DBB), Willi Russ: „Die Zim- 4,2 Monate benötigten, um zu einem Er- von rund drei Prozent zufrieden, obwohl Nahrung-Genuss-Gaststätten (206.000); schaften? Weselsky: „Es geht uns um die eine Spartengewerkschaft, die keine eige- mer in Karlsruhe sind bereits gebucht.“ gebnis zu kommen, benötigten die Spar- sie ursprünglich das Doppelte gefordert Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft Frage: Wie halten wir es mit den Freiheits- nen Tarifverhandlungen führen und ein Er- Und auch der Chef der Bundesärztekam- tengewerkschaften mit 9,2 Monaten deut- hatte. (204.000) und die Gewerkschaft der Po- rechten von Minderheiten?“ gebnis nicht per Streik erzwingen kann, mer, Frank Ulrich Montgomery, beklagt lich länger. lizei (175.000). Kurz nach der Wiederver- wird für ihre Mitglieder unattraktiv. lautstark: „Dieses Gesetz führt zu undemo- Verfällt Deutschlands Wirtschaft also bald Flächentarife auf der Kippe Doch die einigung, 1991, waren noch 11,8 Millio- Wegweisendes Urteil Er nimmt dabei Be- Für Weselsky ist deshalb das Tarifeinheits- kratischen Einheitsgewerkschaften. Es be- dem Würgegriff gewerkschaftlicher Einzel- deutsche Tariflandschaft ist unwiderruflich nen Beschäftigte in DGB-Gewerkschaf- zug auf eine wegweisende Entscheidung gesetz ein Angriff auf die Koalitionsfreiheit. sitzt große Sprengkraft, denn die Ärztinnen interessen, wie es die Befürworter des Ge- in Bewegung gekommen. Und das zu ei- ten organisiert. des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni Die Große Koalition folge mit ihrem Vor- und Ärzte in den Krankenhäusern werden setzes immer wieder beschwören? „Die Er- nem Zeitpunkt, wo überhaupt nur mehr 2010. Damals kippten die Richter den alten haben allein dem ,Tarifkartell‘ zwischen sich nicht wieder unter das Joch einer Ein- wartung, dass bald Dutzende Splitterge- 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer- schaft durch einen Tarifvertrag erfasst wer- Berufsgewerkschaften den. Vielerorts, vor allem im Osten des Zu den kleineren Berufsgewerkschaften Landes, steht der Flächentarifvertrag gänz- zählen die Ärztegewerkschaft Marburger lich auf der Kippe. Und nun sitzen auch Bund (110.000 Mitglieder); die Gewerk- noch die Spartengewerkschaften dem DGB schaft der Lokführer (34.000); die Unab- im Nacken. Beim jüngsten Lehrerstreik et- hängige Flugbegleiter Organisation wa verhandelten Beamtenbund und die (13.500); die Vereinigung Cockpit DGB-Gewerkschaft Erziehung und Wissen- (8.300) und die Gewerkschaft der Flugsi- schaft (GEW) nicht mehr zusammen über cherung (3.500). eine bundeseinheitliche Eingruppierung angestellter Lehrer. Stattdessen drohten diese mit einer eigenen Standesvertretung. Flächentarife Und was ist, wenn sich die Altenpfleger in Das System der Flächentarifverträge ero- Deutschland zu einer eigenen Gewerk- diert seit Mitte der 1990er Jahre. So wa- schaft zusammenschließen? Nicht umsonst ren 1996 noch 70 Prozent der west- und fordert Verdi deshalb in der aktuellen Aus- 56 Prozent der ostdeutschen Beschäftig- einandersetzung im Sozial- und Erzie- ten an Branchentarife gebunden. 2010 hungsdienst im Schnitt zehn Prozent mehr wurden in ganz Deutschland nur noch Gehalt, bei genauerer Betrachtung für ein- 33 Prozent der Betriebe und 60 Prozent zelne Berufsgruppen sogar ein Plus von bis der Beschäftigten durch einen Tarifver- zu 20 Prozent, um zu beweisen: Was Spar- trag erfasst. che T tengewerkschaften können, können wir auch, lautet Verdis eindeutige Botschaft. Sie ist nicht etwa aus Stärke, sondern aus der Angst heraus geboren. Christoph Birnbaum T

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EU-Erbrecht präzisiert

RECHT Mit einem Internationalen Erb- rechtsverfahrensgesetz will die Bundesre- gierung die Umsetzung einer entsprechen- den EU-Erbrechtsverordnung regeln. Der Gesetzentwurf (18/4201) wurde vergange- nen Donnerstag im Bundestag einstimmig verabschiedet. Das neue Gesetz enthält vor allem Durchführungsvorschriften für die ab 17. August 2015 anzuwendende Verord- nung Nr. 650/2012, die internationale Erb- fälle betrifft. In dem neuen Gesetz sollen Zuständigkei- ten, Zulassung von Zwangsvollstreckungen und Ähnliches geregelt werden. Zudem plant die Bundesregierung, die gerichtli- chen Zuständigkeiten nicht nur für das neu eingeführte Europäische Nachlasszeugnis zu regeln, sondern auch die entsprechen- den Regeln zum deutschen Erbschein an- zugleichen. Für beides soll künftig mög- lichst dasselbe Gericht zuständig sein. Zusätzlich zu dem Durchführungsgesetz will die Bundesregierung aus systemati- schen Gründen verfahrensrechtliche Rege- lungen zum Erbschein aus dem Bürgerli- chen Gesetzbuch in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts- barkeit übertragen. Zudem soll laut Bun- desregierung eine Regelungslücke im Be- reich der Gebühren in Grundbuchsachen geschlossen werden.. Die Erbverordnung gilt in allen Ländern der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks, des Vereinigten Königreichs und Irlands. Sie wurde vom Rat und EU-Parlament am 4. Juli 2012 auf den Weg Mit Spannung war die Aussage von BND-Chef Schindler im Ausschuss erwartet worden. Aber auch er konnte nicht erhellen, warum die Suchanfragen der Amerikaner nicht systematisch kontrolliert wurden. © picture-alliance/dpa gebracht. Teile der Verordnung sind bereits geltendes Recht. scr T

Mehr Geld für Gegner gibt es reichlich Reservisten VERTEIDIGUNG Reservisten der Bundes- wehr und ihre Familien erhalten zukünftig NSA-AUSSCHUSS BND-Chef Schindler setzt weiter auf internationale Geheimdienst-Kooperation höhere Leistungen nach dem Unterhaltssi- cherungsgesetz. Dies sieht ein Gesetzent- wurf der Bundesregierung zur Neuregelung ach über einem Jahr mit erste Besprechungen ohne BND statt“, be- ler, der seit 2012 im Amt ist. Der Aus- Bereichs Technische Aufklärung, D.B., den fung der Selektoren im Sommer 2013 den der Unterhaltssicherung und anderer sol- Zeugenvernehmungen richtete der BND-Präsident. Dies sei be- schussvorsitzende (CDU) Auftrag, die von den Amerikanern geliefer- gewünschten Erfolg gebracht hätte. Der datenrechtlicher Vorschriften (18/6632) auf der Arbeitsebene ist drohlich, da der Dienst auf die internatio- zeigte sich verwundert darüber, dass die ten Selektoren auf Ungereimtheiten zu BND darf deutsche Staatsbürger und Men- vor, den der Bundestag am vergangenen der NSA-Untersuchungs- nale Zusammenarbeit angewiesen sei. mit der Überprüfung der Selektoren befass- überprüfen. Ein Sachbearbeiter fand da- schen in Deutschland nicht überwachen. Donnerstag mit den Stimmen von CDU/ ausschuss vergangene ten BND-Mitarbeiter anscheinend keine raufhin Tausende bedenkliche Treffer. D.B. Renner sagte, es sei technisch nicht mög- CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen ge- Woche bei der Behör- Unzureichende Prüfung Zudem wider- belastbaren Kriterien geliefert bekommen verzichtete darauf, diese Funde an seine lich gewesen, alle Selektoren korrekt zu gen das Votum der Linksfraktion verab- denleitungN angekommen. Am Donnerstag sprach Schindler Berichten, dass die Bun- hätten, nach denen sie die Listen der Ame- Vorgesetzten zu melden. Auf die Frage, wa- prüfen. „Wenn man nicht alles prüft, kann schiedet hat. Mit der Gesetzesnovelle wer- sagte der Präsident des Bundesnachrichten- desregierung die Öffentlichkeit im Som- rikaner durchsehen sollten. „Denen, die rum er dies nicht tat, antwortete er vor man nicht nachvollziehen, ob alle Grund- den unter anderem die Mindestbeträge aus dienstes (BND), Gerhard Schindler, aus. mer 2013 über die Möglichkeit eines soge- prüfen sollten, war die Arbeitsgrundlage ja dem Ausschuss nicht und berief sich auf rechtsträger aussortiert wurden“, argumen- der Unterhaltssicherung für Reservisten an Sein Auftritt war mit Spannung erwartet nannten „No-Spy-Abkommens“ mit den gar nicht bekannt“, schlussfolgerte Sens- sein Zeugnisverweigerungsrecht. tierte sie. Schindler versicherte: „Das, was die Nettobezüge der aktiven Berufs- und worden – schließlich war USA getäuscht habe. „Ich burg. Schindler betonte, möglich war, haben wir getan.“ Bürger sei- Zeitsoldaten angepasst. Zudem werden vor vier Wochen bekannt kann Ihnen versichern: Es das Geheimdienstabkom- Schuld und Reue Schind- en allenfalls „ausnahmsweise“ erfasst wor- nichteheliche und eheliche Kinder von Re- geworden, dass der BND »Die NSA gab ein Angebot“, sagte men zwischen Deutschland ler zeigte sich überzeugt, den. Im November 2013 gab Schindler zu- servisten und auch von freiwillig Wehr- im Auftrag der NSA teils Schindler. Bis in das Jahr und den USA, in dem ent- »Niemand dass D.B. diese Entschei- dem die Anweisung, europäische Ziele zu- dienst Leistenden gleichgestellt. über Jahre Ziele ausgespäht hilft 2014 hinein sei intensiv sprechende Kriterien festge- sagt, dung heute bereue. Dem mindest aus den deutschen Selektoren he- Union und SPD verwiesen darauf, dass die hatte, die er nicht hätte verhandelt worden. legt sind, sei als „streng ge- widersprach SPD-Obmann rauszunehmen. Novellierung des Gesetzes überfällig gewe- aushorchen dürfen. Unter uns, Der Behördenchef räumte heim“ eingestuft. Er selbst bei mir Christian Flisek. „Ich habe „Bis 2013 hat sich also niemand darum sen sei. Das Gesetz stamme aus dem Jahr den Zielen befanden sich Deutschland aber auch Fehler ein. Die habe das sogenannte Me- liegt nicht den Eindruck, dass gekümmert, auf europäische Interessen 1957 und zuletzt seien 1990 Verbesserun- laut Medienberichten euro- Überprüfung der von den morandum of Agreement D.B. diese Entscheidung Rücksicht zu nehmen“, kritisierte Grü- gen vorgenommen worden. Die Novelle päische Institutionen und zu USA gelieferten Listen mit aus dem Jahr 2002 erst ge- der bereut“, sagte Flisek. Der nen-Obmann . Dies bilde einen weiteren Baustein, um den Politiker, sowie die Unter- schützen.« Suchkriterien sei von An- lesen, als durch die Veröf- Fehler.« Unterabteilungsleiter sei so sei mit Blick auf die Aussage von Bun- Dienst in den Streitkräften attraktiver zu nehmen EADS und Euro- Gerhard Schindler, fang an unzureichend ge- fentlichungen des Whistle- aufgetreten, als hätte er er- deskanzlerin (CDU) inte- gestalten. Die Grünen erklärten, es sei nach copter. Schon vor seiner BND-Präsident wesen. Schließlich seien blowers Christian Flisek (SPD) wartet, „dass wir ihm hier ressant, dass Ausspähen von Freunden Abschaffung der Wehrpflicht nur konse- Befragung stellte Schindler bereits 2005 erstmals Such- im Sommer 2013 Fragen einen Orden verleihen.“ gar nicht gehe. Auf die US-Selektoren quent, den Reservedienst attraktiver zu ge- klar, dass der BND auf die anfragen, sogenannte Se- über die Arbeitsweise der Flisek verwies auch auf die hatte Schindlers Anweisung zudem keine stalten. Reservisten dürften im Vergleich zu Zusammenarbeit mit der NSA angewiesen lektoren, aufgefallen, die gegen deutsche NSA aufgekommen seien. In der Befragung Vernehmung des Leiters der Abteilung Auswirkung, obwohl das Überwachen ihren zivilen Berufen keine Einkommens- sei. Die Amerikaner hätten den deutschen Interessen verstießen. Trotzdem wurde kei- ging es auch darum, seit wann Schindler Technische Aufklärung, Hartmut Pauland, europäischer Ziele gegen das Memoran- einbußen erleiden. Dienst über die Jahre großzügig unter- ne systematische Prüfung der restlichen Se- darüber informiert war, dass die fragwürdi- der angegeben hatte, sich nicht nach den dum of Agreement verstößt. „Ich war der Die Linke kritisierte, das Attraktivitätspro- stützt. Sie seien Partner. „Gegner haben wir lektoren vorgenommen oder für künftige gen Selektoren vom BND eingesetzt wur- Gründen für D.B.s Handeln informiert zu Auffassung, dass die NSA sich an das Me- gramm diene insgesamt nur dem Zweck, reichlich, die NSA gehört nicht dazu“, sag- Ziellisten eingeführt. Auch als die Selekto- den. Erst seit März dieses Jahres, sagte der haben. „Niemand sagt: Bei mir liegt der morandum hält“, sagte Schindler. Die ausreichend Soldaten für Auslandseinsätze te Schindler und fügte hinzu: „Die NSA renlisten ab 2008 maschinell und nicht BND-Chef. Dabei war die Existenz zahlrei- Fehler“, befand Flisek, „das ist ein fataler Frage von Hans-Christian Ströbele (Grü- zu rekrutieren. Zudem würden Freiwillige hilft uns, Deutschland zu schützen.“ Den- wie vorher manuell überprüft wurden, cher kritischer Selektoren im Dienst spätes- Eindruck von der Abteilung Technische ne), ob er diese Auffassung heute noch der Bundeswehr gegenüber anderen Frei- noch befinde sich der deutsche Dienst in kam es nicht zu einem Prüfverfahren. „Ich tens seit dem Sommer 2013 bekannt. Da- Aufklärung.“ Linken-Obfrau Martina Ren- habe, wollte der BND-Chef öffentlich willigendiensten bessergestellt. Deshalb einer kritischen Lage. „In Europa finden kann mir das nicht erklären“, sagte Schind- mals erteilte der Unterabteilungsleiter des ner zweifelte zudem an, dass die Überprü- nicht beantworten. Julian Heißler T lehne man die Novelle ab. aw T

Opposition: Regierung will vertuschen Rätselraten über Edathys Informanten AKTUELLE STUNDE Opposition verlangt Einsicht in ominöse Selektorenliste der NSA EDATHY-AUSSCHUSS Staatssekretär Fritsche nimmt Ex-Minister Friedrich in Schutz Die Affäre um die Verstrickungen von Bun- und auch zu lügen. Er konstatierte ein chungsausschusses der Einblick in die Se- Schon seit einiger Zeit nehmen die Mit- Rande der gerade laufenden Koalitionsver- ristische Literatur aber auch die Weiterga- desnachrichtendienst (BND) und US-Ge- „Desinteresse“ der Bundesregierung an lektorenliste wichtig sei. Es sei gerade bei glieder des 2. Untersuchungsausschusses handlungen darüber, was ihm später eine be an vertrauenswürdige Personen als heimdienst NSA hat erneut zu hitzigen Grund- und Freiheitsrechten der Bürger. der Befragung der mit den Selektoren be- fraktionsübergreifend an, dass der ehema- Anklage wegen Geheimnisverrats ein- durch das Gesetz gedeckt ansehe. Und Diskussionen im Bundestag geführt. Bei ei- „Staatsverantwortung“ nehme zurzeit nur fassten BND-Mitarbeiter „sehr unbefriedi- lige SPD-Abgeordnete brachte. Friedrich war daraufhin als Minis- „Gabriel ist eine vertrauenswürdige Per- ner von der Fraktion Die Linke beantragten die Opposition wahr. Korte kritisierte zu- gend“, darauf nicht zurückgreifen zu kön- lange vor der Durchsuchung seiner Wohn- ter zurückgetreten, das Verfahren wurde son“, betonte Fritsche. Die Tatsache, dass Aktuellen Stunde griffen in der vergange- dem den Umgang mit dem Parlament. nen. Allerdings verwies Flisek darauf, dass und Büroräume am 10. Februar 2014 ge- später wegen geringer Schuld eingestellt. Gabriel die Information über den Ver- nen Woche Vertreter der Opposition die Den aktuell diskutierten Vorschlag, einen die Entscheidung über die Übergabe der warnt war. Die Aussage von zwei Staatsan- Fritsche sagte nun aus, dass zwar nach dacht gegen Edathy umgehend an weitere Koalition und das Bundeskanzleramt mas- Sonderermittler damit zu beauftragen, die Liste eine schwierige Abwägung sei, denn wälten aus Hannover vergangenen Don- dem Wortlaut des Gesetzes Dienstgeheim- Vertraute in der SPD-Spitze weitergegeben siv an. Die Oppositionsvertreter bekräftig- Selektorenliste auszuwerten, lehnte Korte die Bundesrepublik sei auf die Kooperati- nerstag bestärkte sie noch darin. Thomas nisse nur an dienstlich zuständige Perso- hatte, wollte Fritsche nicht bewerten. ten ihre Forderung, dem NSA-Untersu- kategorisch ab. Das wäre eine „völlige Ent- on mit den USA angewiesen. Anders als Klinge, der die Ermittlungen leitete, und nen weitergegeben werden dürften, die ju- Im damaligen Verfahren gegen Friedrich chungsausschuss und auch dem Parlamen- machtung des Parlaments“. die Opposition sieht er im möglichen Ein- sein Vorgesetzter Jörg Fröhlich berichteten hatte dessen Anwalt erklärt, Fritsche habe tarischen Kontrollgremium (PKGr) schnell Konstantin von Notz (Grüne) wehrte sich satz eines Sonderermittlers „keine Ent- von wiederholten Erkundigungen des An- Friedrich geraten, Gabriel zu informieren. Zugang zu der sogenannten Selektorenliste gegen Vorwürfe der Koalitionsfraktionen, machtung des Parlaments“. Ein solches Ver- walts von Edathy nach möglichen Kinder- Dazu sagte Fritsche, er könne sich nicht er- zu verschaffen. Die Bundesregierung soll die Angelegenheit zu skandalisieren. Das fahren sei schon mehrfach praktiziert wor- porno-Ermittlungen gegen seinen Man- innern, einen solchen Rat gegeben zu ha- aktuell in Gesprächen mit den USA über Gegenteil sei der Fall: „Wir klären auf“, den und könnte ein erster Schritt sein. danten. Aus der Art dieser Anfragen habe ben. Vielmehr habe er erst nachträglich te- die Freigabe der Liste stehen. Die Selekto- sagte von Notz und warf im Gegenzug Aber dieser erste Schritt müsse zügig gegan- sich der Eindruck verstärkt, dass Edathy ei- lefonisch von Friedrich erfahren, dass die- ren stehen im Kern der aktuellen Debatte dem Bundeskanzleramt vor, zehn Jahre gen werden. Die Oppositionspolitiker for- niges wisse, berichteten die Ermittler. Da- ser „Gabriel kurz und vertraulich unter- über die Zusammenarbeit der Dienste. Die lang bei der Fach- und Rechtsaufsicht über derte Flisek auf, ihre Haltung zu überden- rüber, wer ihn informiert hat, gibt es aber richtet“ habe. Er habe das damals nicht NSA soll mit diesen Suchbegriffen auch den BND „geschlampt“ zu haben. ken. immer noch keine klaren Erkenntnisse. kommentiert, erklärte Fritsche. politische und wirtschaftliche Spionage ge- Zudem seien nach den Enthüllungen des (CDU) warf der Opposition Als weiterer Zeuge im Ausschuss sprang Dass er mit Hans-Peter Friedrich danach gen deutsche Interessen betrieben haben. früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Ed- vor, die Komplexität des Sachverhaltes zu der Staatssekretär im Bundeskanzleramt, nicht weiter über die Sache gesprochen ha- (siehe Text oben). ward Snowden notwendige Korrekturen verkennen. Es gehe um die innere und äu- Klaus-Dieter Fritsche, seinem früheren be, führte er darauf zurück, dass dieser we- (Die Linke) warf der Regierung bei der Kooperation mit den US-Amerika- ßere Sicherheit Deutschlands und seiner Vorgesetzten Hans-Peter Friedrich (CSU) gen der Koalitionsverhandlungen kaum vor, weiter zu vertuschen, zu schweigen nern „vorsätzlich“ unterlassen worden. Der Bürger. Daher sei es wichtig, sich damit zur Seite. Fritsche hatte am 16. Oktober im Haus gewesen sei. Außerdem sei für Zugang zu den Selektorenlisten müsse her- „ernsthaft“ zu beschäftigen. Sein Fraktions- 2013 als beamteter Innen-Staatssekretär ihn als Innen-Staatssekretär die Sache da- gestellt werden. Einen Sonderermittler kollege (CDU) bezeichnete seinen Minister Friedrich vom Kinderpor- mit „erledigt“ gewesen, dass er seinen Chef lehnte Notz ebenfalls ab. „Es geht um die die Idee, einen Ermittler einzusetzen als no-Verdacht gegen Edathy unterrichtet, informiert habe. Zudem sei die weitere Er- Rechte des Parlaments. Die sind für uns „charmant“. Die Übergabe der Selektoren- von dem er selbst kurz zuvor durch den mittlung Sache der Landesjustizbehörden nicht verhandelbar“, sagte der Grünen-Ab- liste an das PKGr oder eine Einsicht über Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Zier- gewesen, seit das seinem Haus unterste- Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden geordnete. Christian Flisek (SPD) betonte, das sogenannte Treptower Verfahren lehnte cke, erfahren hatte. Friedrich informierte © picture-alliance/dpa hende Bundeskriminalamt den Fall abge- Sie in unserem E-Paper dass für die Arbeit des NSA-Untersu- er hingegen entschieden ab. scr T tags darauf SPD-Chef am Staatssekretär Fritsche als Zeuge geben hatte. Peter Stützle T Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 INNENPOLITIK 5

anchmal, wenn die Tagesordnung im AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN Bundestag sehr um- fangreich ist und sich die Debatten Pflege-TÜV auf dem Prüfstand bis spät in Nacht ziehenM sollen, nutzen die Abgeordneten ei- GESUNDHEIT I Das Verfahren zur Bewertung werden, den ein Pflegequalitätsinstitut unter- ne kleine Abkürzung der Geschäftsord- »Ein Mehr an von Pflegeeinrichtungen ist nach Ansicht von stützt. nung. Dann werden die Reden zu Proto- Gesundheitsexperten fragwürdig. Der soge- Der GKV-Spitzenverband räumte in der Anhö- koll gegeben und die Vorlage direkt abge- nannte Pflege-TÜV spiegele die Wirklichkeit rung Veränderungsbedarf ein und machte stimmt. Statt knapp in 30 Minuten wird unzureichend wider, erklärten Sachverständige ,,Kompromisszwänge“ angesichts der vielen ein Tagesordnungspunkt dann auch mal in vergangene Woche bei einer Anhörung des Beteiligten für die ,,unbefriedigende“ Lage weniger als zwei Minuten abgehandelt. Gesundheitsausschusses über einen Antrag verantwortlich. Dadurch würden wesentliche Auch vergangenen Donnerstag behalf man der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3551), Kriterien in der Pflege nicht mehr richtig dar- sich im Plenum bei einigen Punkten so; Transparenz« die Pflegenoten sofort auszusetzen, und spra- gestellt und verwässert. Kurzfristig sollten we- nicht aber bei TOP 23, der Änderung des chen sich für Reformen aus. Die Regierung hat nige ,,Kernkriterien“ ins Zentrum rücken, um Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, den Änderungen in Aussicht gestellt. Die Experten Pflegesicherheit zu erreichen. Bundestagsvizepräsidentin RECHT Künftig sollen Bundesverfassungsrichter vom warnten aber davor, das Bewertungssystem Die meisten Fachverbände begrüßten die Ab- (SPD) um 22.27 Uhr aufrief. Dabei war fallen zu lassen, ohne eine praxistaugliche Al- kehr von der bisherigen Notenpraxis, die für nicht einmal eine kontroverse Debatte zu ganzen Bundestag gewählt werden ternative bereitzustellen, die den Schutz der Verbraucher irreführend sei. Der Sozialverband erwarten. Die Abgeordneten waren sich bei Pflegebedürftigen durch Qualitätsprüfungen VdK erklärte, die Pflegenoten ermöglichten die dem Punkt grundsätzlich einig, schließlich weiter umfassend garantieren könne. ,,Verrechnung“ ganz unterschiedlicher Berei- hatten alle Fraktionen – zum ersten Mal in Der Pflege-TÜV für stationäre Pflegeheime und che und verschleierten Qualitätsunterschiede. dieser Legislaturperiode – gemeinsam den ambulante Pflegedienste wurde 2009 einge- Die Neukonzeption einschließlich der Ausset- Gesetzentwurf (18/2737) eingebracht. Der führt und mündet in eine Art „Schulnote“, die zung der Veröffentlichung der Pflegenoten sei Verzicht auf den Debattenverzicht zur mit 1,3 im Schnitt sehr hoch ausfällt, aber zu zu begrüßen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft nächtlichen Stunde sei eine „kleine Remi- wenig über die Qualität der einzelnen Einrich- der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) forderte, niszenz an die Bedeutung dessen, was in tungen aussagt. Die Regierung sieht das Beno- eine Übergangslösung müsse sofort umsetzbar dieser Debatte beraten wird“, befand dann tungssystem als gescheitert an, weshalb der sein und dürfe keinen zusätzlichen Aufwand auch Elisabeth Winkelmeier-Becker Pflegebevollmächtigte Karl-Josef Laumann erfordern. Der Bundesverband privater Anbie- (CDU). Denn, so stellte (CDU) bereits einen Reformvorschlag vorlegte. ter sozialer Dienste (bpa) kritisierte einseitige (SPD) klar, es gehe „um etwas sehr Grund- Danach soll es ab 2016 statt der Gesamt- und Darstellungen des Pflegealltags. Behauptun- sätzliches“, es gehe um „die Balance der Bereichsnoten nur noch Prüfberichte geben. gen, mit einem gut lesbaren Speiseplan könne Gewalten in unserem Staat“. Eine Zusammenfassung der Berichte soll veröf- eine schlechte Wundversorgung im Notensys- Mit dem einstimmig verabschiedeten Ge- fentlicht werden. Zum 1. Januar 2016 soll tem ausgeglichen werden, seien von Unkennt- setzentwurf ändert der Bundestag das Ver- dann ein Pflegequalitätsausschuss eingerichtet nis geprägt. pk T fahren bei der Wahl der Richter des Bun- desverfassungsgerichtes: Künftig sollen sie vom gesamten Bundestag gewählt werden. Hintergrund ist eine langjährige Debatte: Denn Artikel 94 des Grundgesetzes sieht Neuer Pflegebegriff vorbereitet vor, dass die Richter je zur Hälfte von Bun- destag und Bundesrat gewählt werden. In GESUNDHEIT II Die von Union und SPD vor- ,,die Richtlinien zum Verfahren der Feststel- der Länderkammer werden die Kandidaten gesehene zügige Vorbereitung und Einführung lung der Pflegebedürftigkeit zu ändern“. seit jeher direkt vom Plenum gewählt. Der eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wird Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ein- Bundestag hatte sich hingegen für ein an- von Gesundheitsexperten begrüßt. Bei einer schließlich des sogenannten Neuen Begutach- deres, indirektes Verfahren entschieden. Anhörung vergangene Woche im Gesundheits- tungsassessment (NBA) soll noch in dieser Seit 1951 regelt das Bundesverfassungsge- ausschuss über einen Änderungsantrag der Wahlperiode umgesetzt werden. Zur Vorberei- richtsgesetz, dass ein zwölfköpfiger Wahl- Regierungsfraktionen zum Präventionsgesetz tung wurden im Frühjahr 2014 zwei Erpro- ausschuss von den Abgeordneten gewählt (18/4282) waren sich die Sachverständigen im bungsstudien in Auftrag gegeben, die nach wird, der dann die Richter nicht-öffentlich Grundsatz einig, dass bei dieser wichtigen Re- Angaben der begleitenden Gesundheitsexper- wählt. form keine Zeit verloren werden dürfe. ten positive Ergebnisse und wichtige Hinweise Diese Regelung sei „seit Jahrzehnten verfas- Der Änderungsantrag sieht im Wesentlichen gebracht haben. Fachleute sind sich einig, dass sungsrechtlich und verfassungspolitisch vor, im Sozialgesetzbuch XI (Soziale Pflegever- die Einführung des neuen Pflegebegriffs, mit hochstrittig“, sagte (SPD). sicherung) als Vorschaltgesetz einen Paragra- dem über die Zuordnung zu den künftig fünf Die Änderung des Wahlverfahrens sei da- fen 17a zu schaffen mit dem Titel ,,Vorberei- Pflegegraden entschieden wird, überfällig ist, her ein „guter Tag für unseren Rechtsstaat“. tung der Einführung eines neuen Pflegebedürf- zumal seit neun Jahren daran gearbeitet wird. Richard Pitterle (Die Linke) betonte, dass tigkeitsbegriffs“. Der Spitzenverband Bund der Das Ziel ist die Gleichbehandlung von körperli- die Entscheidungen des Bundesverfas- Hohes Ansehen, rote Roben: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts – hier Mitglieder des Ersten Senats – werden künftig nach ei- Pflegekassen wird darin beauftragt, unter Be- chen, geistigen und psychischen Beeinträchti- sungsgerichts Gesetzeskraft hätten. Eine nem neuen Verfahren gewählt. © picture-alliance/dpa teiligung des Medizinischen Dienstes des Spit- gungen. Ein Problem bleibt der zunehmende Wahl der Richter durch das gesamte Haus zenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) Fachkräftemangel in der Pflege. pk T werde dem daher eher gerecht als das alte Verfahren. Renate Künast (Bündnis 90/Die Becker. Auch SPD-Frau Barley warnte mit durch Die Linke an der Koalitionsmehr- fen. Zumindest eine Anhörung zu dem Grünen) verwies darauf, dass zum Beispiel Blick auf die Vereinigten Staaten davor, heit. Thema sei geboten. der Wehrbeauftragte vom Bundestagsple- dass Verfahren noch weiter zu öffnen. In Dabei zeigte sich Sozialdemokrat Bartke Bei der Union hingegen stieß der Vorschlag num gewählt werde. Es wäre „komisch“, den USA ist die Nominierung von Bundes- offen für eine Geschlechterregelung. „Die auf wenig Gegenliebe. Die „besten Frauen Kampf gegen Malaria und Tbc würde das nicht auch bei Verfassungsrich- richter, insbesondere von Richtern des Su- SPD ist die Partei der Quote“, betonte er. und Männer“ sollten am Verfassungsge- tern der Fall sein, argumentierte Künast. preme Courts, inzwischen ein Politikum. Es stellten sich aber zahlreiche Fragen zum richt dienen, sagte Volker Ullrich (CSU). FORSCHUNG Die internationalen Bemühun- ventions- und Diagnosemethoden sowie Medi- Die Christdemokratin Winkelmeier-Becker Kandidaten, die vom Präsidenten vorge- Antrag, etwa warum nur das Verfassungsge- Dabei gelte aber der Grundsatz: „Verfas- gen zur Erforschung und Bekämpfung weit kamente gegen solche Krankheiten zu fördern. sah durch die Verfahrensänderung ein schlagen werden, werden im Senat öffent- richt quotiert werden solle, die einem sungsorgane quotiert man nicht, man res- verbreiteter, tödlicher Infektionskrankheiten (CDU) mahnte, niemand sollte „Mehr an Legitimität“ und ein „Mehr an lich zu ihren Rechtsansichten, etwa zum „Schnellschuss“ in der Sache zuwiderlie- pektiert sie.“ Sören Christian Reimer T müssen nach Ansicht aller Bundestagsfraktio- sich in der globalisierten Welt der Illusion hin- Transparenz“ hergestellt. Thema Abtreibungsrecht, befragt; ein Pro- nen verstärkt werden. Vertreter von Union, geben, „dass Krankheiten weit weg sind“ und Bei allem Konsens in der Frage, wie viel zess, der sich über Monate hinziehen kann SPD, Grünen und Linken machten vergangene deswegen keine Bedeutung hätten. Für Krank- Transparenz die Verfassungsrichterwahl und schon einigen Kandidaten zur Aufga- > STICHWORT Woche deutlich, dass Milliarden Menschen al- heiten gebe es keine Grenzen, wie am Beispiel verträgt, zeigten sich Unterschiede zwi- be bewogen hat. lein von den drei großen Seuchen von Ebola oder Tuberkulose sehr deutlich wer- schen Rednern der Koalition und der Op- Das Bundesverfassungsgericht HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria betroffen de. (SPD) erinnerte daran, dass position. Künast betonte, dass sie sich auch Geschlechterfrage Zählbar wurde der seien und selten über ausreichende Mittel ver- Malaria zu den häufigsten Todesursachen zäh- öffentliche Anhörungen von Richter-Kan- Dissens zwischen Opposition und Koaliti- > Besetzung Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei fügten, um eine Therapie zu bezahlen, falls es le und Kranke oft sozial ausgegrenzt würden. didaten hätte vorstellen können. Das wird onsfraktionen angesichts eines Änderungs- Senaten, die sich aus jeweils acht Richtern zusammensetzen. überhaupt eine gibt. Es wird in dem Zusam- (Linke) beklagte, Millionen jedoch nicht passieren: Geplant ist, dass antrags der Grünen (18/4963). Darin for- Präsident des Gerichts ist aktuell Andreas Voßkuhle (Bild). menhang auch von vernachlässigten armut- von Menschen litten an Krankheiten, „weil der der Wahlausschuss mit Zweidrittelmehr- derte die Grünen-Fraktion zum einen eine sassoziierten Erkrankungen gesprochen. In ei- globale Wohlstand völlig ungerecht verteilt heit dem Plenum einen Wahlvorschlag un- Frauenquote für das Verfassungsgericht. In > Rolle Aufgabe des Gerichtes ist es unter anderem, die Verein- nem Antrag (18/4930) von Union und SPD, der ist“. Das allein sei „schlimm genug und eine terbreitet. Die Beratungen in dem Aus- den beiden Senaten sollten demnach je- barkeit von Gesetzen mit der Verfassung zu prüfen. Auch Or- vom Bundestag bei Enthaltung der Opposition Schande“. Dass es für die Pharmaindustrie kei- schuss unterliegen weiterhin einer Ver- weils mindestens drei der acht Richter ganstreitigkeiten fallen in seine Zuständigkeit. angenommen wurde, heißt es, Infektions- und ne Anreize gebe, wirksame Medikamente ge- schwiegenheitspflicht, sind also nicht öf- Frauen sein. Zum anderen sah der Antrag speziell Tropenkrankheiten stellten nach wie gen armutsassoziierte Krankheiten zu entwi- fentlich. Die Wahl im Plenum erfolgt dann ein geändertes Zählverfahren zur Beset- > Kritik Zuletzt hatte unter anderem Bundestagspräsident Nor- vor eine große Bedrohung für die globale Ge- ckeln, sei doppelt ungerecht. (Grü- ohne Aussprache. Dieses „Mehr an Trans- zung des Wahlausschusses vor. Wie auch bert Lammert (CDU) Kritik an der Reichweite der Urteile des sundheit dar. Die Bundesregierung wird aufge- ne) betonte, die Stärkung der Forschung im parenz“ führe daher nicht zu „amerikani- schon im Rechtsausschuss scheiterte die Gerichts, etwa hinsichtlich des Wahlrechts, geäußert. fordert, Produktentwicklungspartnerschaften Kampf gegen solche Krankheiten sei eine poli- © dpa schen Verhältnissen“, sagte Winkelmeier- Grünen-Fraktion trotz Unterstützung als Instrument zur Entwicklung adäquater Prä- tische und humanitäre Daueraufgabe. pk T

Bericht zum Zank um Bonitäts-Erhebungen Anzeige V-Mann »Corelli« DATENSCHUTZ Opposition will neue Regeln beim Scoring-Verfahren zur Kreditwürdigkeit VERFASSUNGSSCHUTZ Der vom Parlamen- Ein Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die da die Unternehmen sonst höhere Zah- Europa in der Krise tarischen Kontrollgremium (PKGr) als Grünen für Neuregelungen beim soge- lungsausfälle auf die Preise umlegen müss- Sachverständiger eingesetzte frühere Grü- nannten Scoring-Verfahren stößt im Bun- ten. Dabei hätten laut Schufa mehr als 97 Analysen und Lösungsvorschläge nen-Bundestagsabgeordnete destag bei der Großen Koalition auf klare Prozent aller Verbraucher in Deutschland hat dem Gremium zur Kontrolle der Nach- Ablehnung. Die Linksfraktion unterstützte eine „positive Bonität“. richtendienste des Bundes vergangene Wo- dagegen am Freitag in der ersten Lesung ei- Der SPD-Abgeordnete Gerold Reichenbach Europawissenschaftliche Schriften der Europa-Universität Flensburg Neue Reihe Miscellanies of the Europa-Universität Flensburg l 1 che seinen Bericht zum einstigen V-Mann nes entsprechenden Gesetzentwurfs (18/ betonte, dass man „so etwas wie Scoring“ „Corelli“ des Bundesamtes für Verfassungs- 4864) die Grünen-Initiative. Sie sieht unter brauche, also eine Vorhersage, „ob der Europe at a Crossroad schutz (BfV) vorgelegt. Das PKGr hatte anderem vor, mehr Transparenz für die Be- Kunde auch solvent ist“. Es gebe dabei aber From Currency Union to Political and Montag im November vergangenen Jahres troffenen herzustellen. Mit dem Scoring- auch bestimmte Probleme, über die man Brunkhorst | Gaitanides | Grözinger [eds.] Economic Governance? mit den Untersuchungen zu „Corelli“ be- Verfahren wird von Auskunfteien wie der nachdenken müsse. Die SPD werde sich Europe at a Crossroad auftragt. Wie das Gremium mitteilte, nahm Schufa oder anderen Unternehmen die dieser „Problematik nicht verweigern“, Herausgegeben von Hauke Brunkhorst, From Currency Union to Political and es nun den rund 300 Seiten umfassenden Kreditwürdigkeit einer Person ermittelt. doch würde der Gesetzesvorschlag der Grü- Economic Governance? Charlotte Gaitanides und Gerd Grözinger Bericht Montags entgegen. Diese Verfahren entschieden beispielswei- nen mehr Probleme bereiten als Probleme 2015, 268 S., brosch., 49,– € Darin stellt Montag den Angaben zufolge se, ob und zu welchen Konditionen man lösen. ISBN 978-3-8487-2033-0 unter anderem seine Erkenntnisse zu den einen Bankkredit bekommt oder einen Für Die Linke nannte ihr Abgeordneter Ha- (Europawissenschaftliche Schriften der Todesumständen von Thomas R. dar, der Mobilfunkvertrag abschließt, sagte die rald Petzold die von Künast genannten Europa-Universität Flensburg | Miscellanies of

bis 2012 als „Corelli“ V-Mann für den BfV Grünen-Abgeordnete Renate Künast in der © picture-alliance/ / ZB /JensMaßnahmen Kalaene „unverzichtbar“. Man brau- the Europa-Universität Flensburg, Bd. 1) war. Montag sei zu dem Ergebnis gekom- Debatte. Dabei würden Auskunfteien Auskunfteien wie die Schufa nutzen das che ein „Verbot von Personenprofilen“. Nomos men, „dass Thomas R. im Jahr 2014 mit an „massenhaft Daten von Verbrauchern erhe- Scoring-Verfahren. Auskunftsverfahren, die „nicht auf relevan- www.nomos-shop.de/24295 Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ben“ und bewerten. Dabei sollten nach te, individuelle und zweckgebundene Da- eines natürlichen Todes ohne Fremdein- dem Willen ihrer Fraktion künftig „diskri- ten setzen, sondern Aussagen allein auf- „Europa am Scheideweg“ diskutiert die gegenwärtigen Herausforderungen wirkung gestorben ist“. minierungsgeeignete Daten“ wie etwa ein Der CSU-Parlamentarier grund statistischer Daten, Wahrscheinlich- der Europäischen Union. Der Band basiert auf einer internationalen Konferenz Von „zentraler Bedeutung“ war für das Wohnort mit „negativem Image“ nicht nannte den Gesetzentwurf „überflüssig“ keiten oder diskriminierender Daten er- an der Europa-Universität Flensburg. Beiträge aus der Soziologie, Ökonomie, PKGr, ob Thomas R. „Kenntnisse oder Be- mehr über die Bonität entscheiden dürfen. und „kontraproduktiv“. Beim Scoring gehe rechnen“, müssten unterbleiben, forderte Philosophie und Jurisprudenz loten darin aus, wie mit der andauernden Krise ziehungen zum sogenannten NSU-Trio Auch solle das Geschlecht keine Rolle es darum, dass die Wahrscheinlichkeit be- Petzold. Helmut Stoltenberg T vor allem im Euroraum umgegangen werden kann. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe“ an das mehr spielen und soziale Netzwerke soll- rechnet wird, mit der ein Kunde seine BfV mitgeteilt hat. Hierzu habe Montag ten nicht mehr ausgewertet werden dürfen. Rechnungen begleicht. Es sei „vollkommen festgestellt, „dass diesbezüglich in den Ak- Ferner sollten Auskunfteien jährlich über natürlich“, dass Unternehmen dies wissen ten bis auf eine bereits bekannte Meldung die Daten und ihre Gewichtung informie- wollen. Scoring sei „unerlässlich und es- Bestellen Sie jetzt telefonisch unter 07221/2104-37. Nomos zu Mundlos im Jahr 1995 keine entspre- ren müssen. Zudem wollten die Grünen ei- sentiell für das Funktionieren unseres Wirt- Portofreie Buch-Bestellungen unter www.nomos-shop.de Weiterführende Links zu den Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer chenden Hinweise oder Informationen ne „zeitgenaue Löschung von negativen schafts- und Handelslebens“. Auch sei Sco- Themen dieser Seite finden enthalten sind“. sto T Einträgen“ erreichen. ring im Sinne aller redlichen Verbraucher, Sie in unserem E-Paper 6 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Umstrittene Instrumente ARBEIT Koalition bei Bewertung von Leiharbeit uneinig Fluch oder Segen? Bei der Bewertung von würden sie für Unternehmen doppelte Leiharbeit und Werksverträgen gibt es im Vorteile bringen: mehr Flexibilität und Bundestag starke Differenzen. Während „billige Arbeitsplätze“. Auch die Grünen Harte Grüne und Linke diese Möglichkeiten der fordern „equal pay ab dem ersten Tag“ und Beschäftigung am liebsten abschaffen wür- einen Flexibilitätsbonus. Sie wollen zudem den und auch die SPD damit nicht zufrie- sicherstellen, dass es keine Werksverträge den ist, hält die Union sie für wichtige ar- für Tätigkeiten gibt, die auch die Stammbe- beitsmarktpolitische Instrumente. legschaften verrichten. Dies wurde einmal mehr deutlich, als das Parlament vergangene Woche erstmals ei- Beratungen ab Herbst Auch die SPD Strafen nen Antrag der Linken (18/4839) zur Re- sieht erheblichen Handlungsbedarf. So be- gulierung von Leiharbeit und Werksverträ- klagte ihre Abgeordnete , Leihar- gen diskutierte. Die Fraktion will gleichen beit und Werksverträge führten zu „Zwei- DOPING Die Bundesregierung macht Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Tag und-drei-Klassen-Belegschaften“. In vielen plus einen zusätzlichen Branchen würden ganze Druck: Dopende Leistungssportler zehnprozentigen Bonus. Einheiten ausgegliedert Die „Kernfunktionen“ von und das Lohnniveau mas- müssen künftig mit Haftstrafen Leiharbeit seien es, Auf- »Es ist richtig, siv gedrückt. Die soziale tragsspitzen abzufedern dass Markwirtschaft sei deshalb rechnen. Die Opposition hat Bedenken und Personalengpässen „in Gefahr“. Mehr vorstel- schnell begegnen zu kön- Leiharbeit und len könne sich die SPD et- und fordert verstärkte Prävention nen, sagte für Die Linke ihr Werkverträge wa bei dem Zeitpunkt, ab Abgeordneter Klaus Ernst, dem Leiharbeiter und doch davon sei man in der reguliert Stammbelegschaften glei- Praxis „weit entfernt“. Mit werden.« ches Geld verdienen müs- der Leiharbeit werde Lohn sen. Aber neun Monate gedrückt, Streikbruch orga- Katja Mast (SPD) „sind besser als nichts“, nisiert und der Kündi- fügte Mast hinzu. Sie kün- gungsschutz umgangen; digte intensive Beratungen man nutze sie zur „Disziplinierung der zu dem Thema ab Herbst an. Stammbelegschaften“ und durchlöchere so Die wird es mit der Union wohl auch ge- das Tarifsystem. Die Ankündigungen der ben. Leiharbeit sei eine „Brücke in den ers- Koalition, etwa die Überlassungsdauer auf ten Arbeitsmarkt“ und somit ein Instru- 18 Monate zu begrenzen und nach neun ment, das wirke, argumentierte der CDU- Monaten gleichen Lohn verbindlich fest- Parlamentarier Karl Schiewerling. 55 Pro- schreiben zu wollen, wertete Ernst als un- zent aller Leiharbeitnehmer seien vorher zureichend. All das seien nur „Placebos“. arbeitslos gewesen, 29 Prozent hätten kei- Die Grünen-Parlamentarierin Beate Mül- nen Abschluss. Auch wenn man durchaus ler-Gemmeke kritisierte, mit Leiharbeit „Verwerfungen“ sehe, gebe es „kein blankes und Werksverträgen würden der Kündi- Elend“ in dem Bereich. Auch könne man gungsschutz und die Mitbestimmungsrech- nicht „permanent“ neue Gesetze machen, te umgangen sowie die tarifliche Bezah- weil gegen bestehende verstoßen werde; lung und der soziale Schutz der Arbeitneh- die Unternehmen müssten für „Ordnung mer insgesamt angegriffen. Momentan in der Branche“ sorgen. Susanne Kailitz T

Rezept gesucht SOZIALES Streit über Mittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Manche Sportler wollen mit Doping ihre Leistung steigern. Das verzerrt den Wettbewerb und gefährdet zudem die Gesundheit. © picture-alliance/Foto Huebner/dpa/Collage: Stephan Roters Rund eine Million Menschen sind in gezeigt, dass sich die Arbeitsmarktpolitik Deutschland länger als ein Jahr ohne Job der vergangenen Jahre „bewährt“ habe. und gelten damit als langzeitarbeitslos. Forderungen nach einer sozialeren Verga- ie Zeit, da das Selbstdo- (CDU). sagte, er teile die Bedenken einiger Sportler das Dopingmittel anzuwenden, um sich Dass dies ein Problem ist, darin sind sich bepraxis und einer besseren Evaluation der ping für Leistungssport- (SPD) betonte, die gesetzliche Regelung sei hinsichtlich der uneingeschränkten Besitz- im Wettkampf Vorteile zu verschaffen. Den die Fraktionen des Bundestages einig. Wie arbeitsmarktpolitischen Elemente seien be- ler strafrechtlich nicht richtig, weil es der organisierte Sport nicht strafbarkeit. Dabei nahm er Bezug auf Äu- Grünen warf der Unionsabgeordnete vor, ist es gelöst werden kann, darüber gibt es rechtigt. Aber die Forderung der Linken relevant war, geht offen- geschafft habe, mit seinen eigenen Mitteln ßerungen von Diskus-Olympiasieger Ro- den Ansatz des Gesetzes nicht verstanden jedoch Streit. Einen Antrag (18/3146) mit nach öffentlich geförderter Beschäftigung bar ihrem Ende entge- „den Dopingsumpf zu bekämpfen“. bert Harting, der darauf hingewiesen habe, zu haben. „Es geht nicht um Freizeitsport- Lösungsvorschlägen der Fraktion Die Linke mit einem Stundenlohn von zehn Euro gen. Dann jedenfalls, Innenminister de Maiziere betonte, nicht dass ein Sportler mit dem Asthmaspray in ler, denn die bedrohen nicht die Integrität lehnten die Parlamentarier am vergange- seien „nicht der Weisheit letzter Schluss“, wennD die entsprechenden Passagen des zuletzt angesichts der Tatsache, dass der der Tasche, das er für seine Ehefrau aus der des Sports“, sagte er. Zugleich wies er Be- nen Freitag mit den Stimmen von Union, weil dieser zweite Arbeitsmarkt reguläre Ar- von der Bundesregierung vorgelegten Anti- Spitzensport in Deutschland zu einem er- Apotheke geholt habe, mit strafrechtlicher denken zurück, das Gesetz schwäche die SPD und Grünen ab. Mit diesem Votum beitsplätze verdrängen könnte. Doping-Gesetzes (18/4898) auch nach den heblichen Teil mit Steuergeldern gefördert Verfolgung rechnen müsse. „Wir plädieren Sportgerichtsbarkeit. Das Gegenteil sei der folgten sie einer Beschlussempfehlung des Für die SPD konstatierte Matthias Bartke, anstehenden Ausschussberatungen Bestand werde, müsse streng gegen Betrug vorge- dafür, nur den Besitz nichtgeringer Mengen Fall, meinte Grindel. „Das Gesetz schafft Ausschusses für Arbeit und Soziales die Pläne der Linken seien „arbeitsmarkt- haben. Laut dem Entwurf wird mit einer gangen werden. Das Anti-Doping-Gesetz unter Strafe zu stellen“, sagte der Linken- für Schiedsgerichtsvereinbarungen eine (18/4967). politischer Nonsens“ und würden zu „Mit- Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, sei dabei ein erster Schritt, dem Regelun- Abgeordnete. Grundsätzlich begrüße er klare rechtliche Grundlage.“ Die Linke hält eine „falsche Arbeitsmarkt- nahmeeffekten ohne Ende“ führen. Anders wer „ein Dopingmittel oder eine Doping- gen zum Kampf gegen Spielmanipulatio- aber, dass im Regierungsentwurf viele An- und Beschäftigungspolitik“ für die Ursache als von der Linken behauptet, stehe im Üb- methode bei sich anwendet oder anwen- nen folgen würden. regungen aus einem Antrag seiner Fraktion Erbitterter Widerstand Auf ein deutsches der Misere. Das Konzept rigen die Bekämpfung der den lässt“. Während der ersten Lesung ver- Noch vor der Sommerpause, so kündigte umgesetzt worden seien. Anti-Doping-Gesetz hätten viele lange ge- zum Abbau der Langzeitar- Langzeitarbeitslosigkeit für gangenen Freitag waren die Befürworter ei- der Minister an, werde die Bundesregie- Die Einwendungen Hartings gegen die Be- wartet, sagte die SPD-Abgeordnete Freitag. beitslosigkeit, das Arbeits- »Viele Lang- die Koalition „ganz oben nes harten Vorgehens in Sachen Dopingbe- rung „neue Formulierungen für Vorschrif- sitzstrafbarkeit griffen nicht, urteilte hinge- „Viele versuchen es aber auch bis heute zu ministerin Andrea Nahles auf der Agenda“. kämpfung deutlich in der Mehrzahl. Sämt- ten zum Kampf gegen Spielmanipulatio- gen Grindel. Das Gesetz setze schließlich verhindern“, fügte sie hinzu. Dies geschehe (SPD) Ende 2014 vorgelegt zeitarbeitslose Auch von den Grünen gab liche Redner der Koalition unterstützen nen vorlegen“. Justizminister Maas sprach für eine Strafverfolgung die Absicht voraus, mit „fadenscheinigen und teils auch absur- habe, greife zu kurz und sei es keine Zustimmung für den von Innenminister Thomas de Maizie- von einem neuen Kapitel im Kampf gegen den Argumenten“, urteilte Freitag und ver- in weiten Teilen zu unver- haben den den Antrag. So sagte Brigit- re (CDU) und Justizminister Doping. Leistungssportler, die dopen, sei- wies in diesem Zusammenhang auf das bindlich. In der Debatte Glauben an die te Pothmer zwar, sie sei ir- (SPD) vorgelegten Entwurf. Neben der en künftig „nicht nur lässliche Sünder, son- > STICHWORT „mittlerweile zu einer Berühmtheit gewor- betonte Sabine Zimmer- ritiert über die „selektive strafrechtlichen Verfolgung des Selbstdo- dern Straftäter“. Die Regelungen zum dene Asthmaspray“. mann (Linke), viele Lang- Demokratie Wahrnehmung“ von Union pings ist darin auch die Schaffung einer Selbstdoping nannte er ein „zentrales Ele- Anti-Doping-Gesetz Dem erbitterten Widerstand des organisier- zeiterwerbslose hätten den verloren.« und SPD, was den Tenor uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit von ment des Gesetzes“. ten Sports stünden aber auch viele Befür- „Glauben an die Demokra- Sabine Zimmermann der Anhörung angehe. Es Dopingmitteln und eine gesetzliche Legiti- > Selbstdoping Mit einer Freiheitsstrafe worter der Regelung, auch aus den Kreisen tie“ verloren; dies müsse (Linke) sei klargeworden, dass bei mation der Sportgerichte vorgesehen. Bei Cannabis gescheitert Nicht zielfüh- bis zu drei Jahren kann bestraft werden, der Sportler, gegenüber. „Das sind Sportler, die Politik beschäftigen. In der Bekämpfung der Lang- Kritik an der Vorlage gab es von der Oppo- rend und nicht stimmig sei der Entwurf, wer „ein Dopingmittel oder eine Doping- die sich offensichtlich keine Sorgen um be- den Plänen der Arbeitsmi- zeitarbeitslosigkeit ein „Pa- sition. Mit dem Entwurf werde lediglich befand hingegen Özcan Mutlu. Doping, methode bei sich anwendet oder anwen- stimmte Grenzwerte machen, weil sie es nisterin sei „nichts Neues drin“. Statt effek- radigmenwechsel“ nötig und die „Strategie die Axt an die Symptome angelegt, statt die sagte der Grünen-Abgeordnete, sei Folge den lässt“. wohl nicht müssen“, sagte die Sozialdemo- tiver Programme setze sie auf „Schmal- der schnellen Vermittlung“ gescheitert sei. Ursachen des Dopings konsequent und eines gigantischen Leistungs- und Erfolgs- kratin. spurförderung“, von der einige wenige Be- Vom Antrag der Linken aber sei sie „richtig nachhaltig zu beseitigen, kritisierte Özcan drucks im Sport. Der Bundesinnenminister > Nada Die Nationale Anti-Doping Agen- Was die von der Opposition aufgeworfene troffene profitierten, die aber das grund- enttäuscht“, vor allem von den Vorschlä- Mutlu (Grüne). Die Linksfraktion unter- verstärke diesen Druck noch, indem er die tur wird berechtigt, personenbezogene Frage der Prävention angeht, machte sie sätzliche Problem nicht löse. Die Koalition gen zur Ausgestaltung eines sozialen Ar- stütze die Zielrichtung des Entwurfes, sagte Leistungssportförderung künftig mehr als Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu deutlich, dass Spitzenathleten selbst dafür aber wolle „Millionen von Menschen in beitsmarktes. „Das ist Quatsch mit Soße.“ Andre Hahn. Zugleich forderte er mehr bislang auf Medaillen und Erfolg ausrich- nutzen. verantwortlich seien, zu welchen Mitteln Arbeitslosigkeit und Hartz IV“ belassen, Die Linke fordert, dass durch ein staatli- Anstrengungen im Bereich der Prävention ten wolle. „Das passt nicht zusammen“, ur- sie greifen. „Heutzutage weiß jeder Spit- um ein „abschreckendes Beispiel“ für die ches Investitionsprogramm sozialversiche- und äußerte Bedenken hinsichtlich der teilte Mutlu. Er kritisierte überdies die Be- > Sportgerichte Schiedsvereinbarungen zensportler und auch jeder Breitensportler in Beschäftigung zu schaffen, mutmaßte rungspflichtige Beschäftigung geschaffen vorgesehenen „uneingeschränkten Besitz- sitzstrafbarkeit, die auch kleine Mengen zwischen Sportlern und Verbänden zur durch unzählige Informations- und Prä- Zimmermann. wird. Sie will die Qualifizierung ausbauen, strafbarkeit“. Im Interesse der Wahrung der umfasse. Der Ansatz sei schon bei Canna- Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sollen ventionsmaßnahmen, das Doping Betrug Dies bezeichnete für die Union Matthias die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in- Integrität des Sports müsse auch das Straf- bis gescheitert. „Warum also sollte es bei auch künftig zulässig sein. ist und zu schwersten gesundheitlichen Zimmer (CDU) als „Unverschämtheit“. Ei- dividueller gestalten und Sperrzeiten und recht Anwendung finden, urteilte hingegen Doping funktionieren“, fragte er. Hahn Schäden führen kann.“ Götz Hausding T ne Anhörung des Bundestages habe gerade Sanktionen abschaffen. suk T

Sorge um die Kleinsten und deren Betreuer FAMILIE Koalition weist Forderungen von Linken und Grünen nach bundeseinheitlichen Qualitätskriterien für Kindertagesstätten zurück Der Bund wird keine gesetzlichen Quali- titativen Ausbau der Kitaplätze in den ver- spiegle sich jedoch nicht auf dem Gehalts- eine Milliarde Euro auf, sagte Marks. Zu- tätsvorgaben für die Betreuung in Kinderta- gangenen Jahren. Allerdings fehlten noch scheck. Die Betreuerinnen hätten Anspruch dem erhöhe der Bund 2017 und 2018 sei- gesstätten machen. Die Linke und Bündnis immer rund 185.000 Betreuungsplätze für auf eine qualitativ gute Ausbildung und ei- ne Beteiligung an den Betriebskosten um 90/Die Grünen sind mit ihren Forderun- Kinder unter drei Jahren, um den seit Au- ne entsprechende Bezahlung. weitere 100 Millionen Euro und leiste so- gen nach bundesweit gültigen Kriterien am gust 2013 geltenden Rechtsanspruch auf ei- mit einen wichtigen Beitrag, um die Be- vergangenen Freitag im Bundestag geschei- nen Betreuungsplatz erfüllen zu können. Beteiligung des Bundes Die Parlamenta- treuungsqualität zu erhöhen. tert. Mit den Stimmen von CDU/CSU und Müller kritisierte zudem, dass parallel zum rische Staatssekretärin im Familienministe- Der Kita-Ausbau der vergangenen Jahre sei SPD lehnte das Parlament gemäß einer Be- quantitativen Ausbau die Qualität der Be- rium, (SPD), und Abgeordne- „eine Erfolgsgeschichte“, sagten der famili- schlussempfehlung des Familienausschus- treuung gesunken sei. So habe sich das te der Koalitionsfraktionen wiesen die Kri- enpolitische Sprecher der Unionsfraktion, ses (18/4368) die Anträge der Oppositi- Zahlenverhältnis zwischen Betreuern und tik der Opposition unter Verweis auf den (CDU), und der SPD-Fa- onsfraktionen (18/2605, 18/1459) ab. Kindern verschlechtert. Zudem müsse die Fünften Bericht der Bundesregierung zur milienexperte Sönke Rix übereinstim- Der Familienexperte Norbert Müller (Lin- bauliche Substanz vieler Kitas verbessert, Evaluation des Kinderförderungsgesetzes mend. Weinberg widersprach der Behaup- ke) begrüßte in der Debatte zwar ausdrück- ein möglichst kostenfreies Mittagessen in (18/4268) zurück. So sei die Zahl der Kin- tung, die Qualität der Betreuung habe un- In vielen deutschen Kommunen streiken derzeit die Kita-Betreuerinnen für höhere Ge- lich die erreichten Fortschritte beim quan- jeder Kita angeboten und der Beruf des Ki- der unter drei Jahren, die in Kitas oder in ter dem Ausbau gelitten. Der Personal- hälter und bessere Arbeitsbedingungen. © picture-alliance/dpa ta-Betreuers aufgewertet werden. der Tagespflege betreut werden, von 2008 schlüssel und die Gruppengrößen in den , Familienpolitikerin der bis März 2014 um fast 300.000 auf insge- Kitas hätten sich eben nicht verschlechtert. Grünen, verwies darauf, dass sich die An- samt 660.750 gestiegen. Mit dem dritten Zudem sei dies von Bundesland zu Bun- forderungen an die Kita-Betreuerinnen in Investitionsprogramm stocke der Bund in desland höchst unterschiedlich. lich festzulegen. Dies dürfe den Wert von für Kitabetreuer angemahnt. Weinberg und den vergangenen Jahren etwa durch dieser Legislaturperiode das bestehende Linke und Grüne hatten in ihren Anträgen eins zu vier nicht überschreiten. Zudem Rix lehnten die Forderung nach einem Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sprachförderung, Inklusion und frühkind- Sondervermögen für den Betreuungsplatz- gefordert, das zahlenmäßige Verhältnis von hatten sie verbindliche Qualifikationen bundesweiten Gesetz ab. Dies liege in der Sie in unserem E-Paper liche Bildung deutlich erhöht hätten. Dies ausbau um 550 Millionen auf insgesamt Betreuern zu Kindern bundesweit einheit- und eine Offensive in der Weiterbildung Verantwortung der Länder. aw T Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 WIRTSCHAFT UND FINANZEN 7

KURZ NOTIERT

Regierung plant neues Gesetz zur Fischetikettierung Die Verbraucher sollen mehr über die Herkunft und die Produktionsmethoden von Fischerei- und Aquakulturerzeugnis- sen erfahren. Das geht aus einem Ge- setzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Fischetikettierungsgeset- zes und des Tiergesundheitsgesetzes (18/4892) hervor, der am Donnerstag im Bundestag beraten wurde. Die Änderung ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 1379/2013 über die gemeinsame Markt- organisation für Erzeugnisse der Fische- rei und der Aquakultur, die die Vorschrif- ten zur Verbraucherinformation der Ver- ordnung (EG) Nr. 104/2000 ablöst. Da- nach sollen für die Gebiete des Nordost- atlantiks und für die Fanggebiete im Mittelmeer und im Schwarzen Meer dif- ferenziertere Angaben über die Herkunft der Produkte gemacht werden. Weil au- ßerdem bestimmte Fanggeräte die Um- welt stärker belasten als andere, soll die Art des Fangvorgangs angegeben wer- den. Mit der Änderung des Tiergesund- heitsgesetzes soll zudem eine Rege- lungslücke hinsichtlich der Bußgeldvor- schriften geschlossen werden, die Verbo- te der Einfuhr oder der Ausfuhr von Tie- ren innerhalb der EU vorschreiben. eis T

Endlager-Kommission wegen Veränderungssperre gepalten

Die Mitglieder der Kommission Lagerung Auch 70 Jahre nach Kriegsende soll Unrecht unvergessen bleiben: Bundespräsident Joachim Gauck (Mitte) mit ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen © picture-alliance/dpa hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager- Kommission) sind bezüglich der Verän- derungssperre für den möglichen Endla- ger-Standort Gorleben tief gespalten. Die Kommission beschloss vergangene Woche mehrheitlich, Bundesregierung und Bundesrat um Prüfung zu bitten, ob darauf verzichtet werden kann, die Ver- änderungssperre zu verlängern. Voraus- Späte Entschädigung setzung dafür soll eine Erklärung des Landes Niedersachsen sein, den Schutz des möglichen Standorts durch die An- HAUSHALT Bundestag bewilligt zehn Millionen Euro für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene wendung eines entsprechenden Paragra- phen im Bundesberggesetz sicherzustel- len. Für die von einer Arbeitsgruppe der ür Bundespräsident Joachim rungsschatten“, hatte Gauck in seiner An- scheitert. Bei der Entschädigung ehemaliger etwas geleistet wurde, so an sowjetischen änderte“. Den sowjetischen Kriegsgefange- Kommission ausgearbeitete Beschluss- Gauck war es „eines der größ- sprache zum 70. Jahrestag des Kriegsendes osteuropäischer Zwangsarbeiter durch die Kriegsgefangenen. Insofern halte ich diese nen seien grundlegende Rechte vorenthal- vorlage stimmten zwölf der insgesamt ten Verbrechen“ des Zweiten gesagt. Ihr „grauenhaftes Schicksal“ sei in im Jahr 2000 gegründete Stiftung „Erinne- Überlegungen für ernsthaft notwendig.“ Ein ten worden. 32 stimmberechtigten Mitglieder, elf Weltkrieges: Etwa drei Millio- Deutschland „nie angemessen ins Bewusst- rung, Verantwortung und Zukunft“ waren für Deutschland nachteiliger völkerrechtli- Die deutsche Militärführung habe die stimmten gegen die Vorlage, drei ent- nen von insgesamt mehr als sein gekommen“, beklagte er bei einem Kriegsgefangene ausgeklammert worden. cher Präzedenzfall könne daraus nicht er- „Hemmschwelle für Misshandlung und hielten sich, die übrigen Mitglieder wa- fünf Millionen sowjetischen Besuch im früheren „Stammlager 326“ un- Antragsberechtigt waren nur jene ehemali- wachsen. Das Schicksal des sowjetischen Mord“ im Umgang mit Angehörigen der ren nicht anwesend.. scr T FKriegsgefangenen sind bis 1945 in deut- weit Paderborns, wo während des Krieges gen Rotarmisten, die in Konzentrationslager Kriegsgefangenen sei so singulär, dass daraus Roten Armee bewusst herabgesetzt, betonte schen Lagern umgekommen. Sie starben 65.000 gefangene Rotarmisten starben. verschleppt worden waren. In der Anhörung keine weiteren Ansprüche abzuleiten seien. Rolf Keller von der „Stiftung niedersächsi- an Hunger, Krankheiten und Entkräftung. Den „Erinnerungsschatten“ aufzuhellen, schilderte (Grüne) die Vorge- Wichtiger als der Geldbetrag einer symboli- sche Gedenkstätten“. In den Lagern seien sie Linke will Rüstungsbeseitigung Zehntausende wurden von Wehrmacht ist auch das Anliegen der Fraktionen Bünd- schichte: In den Verhandlungen über die schen Entschädigung sei, dass sie „so aus nichtigsten Anlässen erschossen wor- anders finanzieren und SS erschossen. Unter nis 90/Die Grünen und Die Zwangsarbeiterentschädi- schnell wie irgend möglich“ den. Lange Zeit hätten sie unter freiem den Opfern des National- Linke, die im vorigen gung habe sich aus den erfolge, sagte der Historiker Himmel in Erdlöchern vegetieren müssen, Die Linke will die Finanzierung der Be- sozialismus waren gefange- Herbst zwei Anträge Nachfolgestaaten der Sow- Christian Streit, der 1978 weil es für sie keine Baracken gegeben habe. seitigung von Rüstungsaltlasten in ne Angehörige der Roten »Deren (18/2694, 18/3316) mit jetunion niemand dafür ein- »Die die erste grundlegende Stu- Sie seien insofern Opfer spezifisch national- Deutschland neu regeln. Dazu hat sie ei- Armee nach den Juden die Schicksal ist gleicher Zielrichtung for- gesetzt, auch ehemalige Entschädigung die über die Behandlung sozialistischen Unrechts, als die Täter sich nen Gesetzentwurf (18/4841) vorgelegt, zweitgrößte Gruppe. Denn mulierten: Sie plädieren Kriegsgefangene einzubezie- sowjetischer Kriegsgefange- primär von rassenideologischen Erwägun- der an die Ausschüsse überwiesen wur- das Massensterben, so lau- nie ange- dafür, das Massensterben hen. Die russische und muss so ner im Dritten Reich vorge- gen hätten leiten lassen. de. Damit will die Fraktion den „bisher tet ein mittlerweile unter messen ins sowjetischer Kriegsgefange- ukrainische Seite habe auch schnell wie legt hat: „Man muss damit unbefriedigenden Zustand einer soge- Historikern weithin akzep- ner als nationalsozialisti- nicht sagen können, wie vie- rechnen, dass die Zahl der Wichtige Anerkennung Die Heidelberger nannten Staatspraxis des Bundes“ been- tierter Befund, war die Fol- Bewusstsein sches Unrecht anzuerken- le Betroffene überhaupt möglich Betroffenen täglich ab- Osteuropa-Historikerin Tanja Penter erin- den, wonach der Bund den Ländern nur ge eines rassenideologisch gekommen.« nen und den Überleben- noch leben. Es sei daher re- erfolgen.« nimmt. Wenn das irgendei- nerte daran, dass Heimkehrer aus deut- die Aufwendung für die etwaige Kampf- motivierten Kalküls der den eine symbolische Ent- lativ frühzeitig entschieden ne Wirkung haben soll, scher Kriegsgefangenschaft in der Sowjet- mittelräumung auf bundeseigenen Lie- Machthaber des Dritten Bundespräsident Gauck schädigung zukommen zu worden, die Kriegsgefange- Christian Streit, Historiker muss schnell gehandelt wer- union als Verräter diffamiert und vielfach genschaften sowie für die Bergung und Reiches. Das Schicksal der lassen. nen unberücksichtigt zu las- den.“ Streit erinnerte daran, ins Straflager verschleppt worden seien. Vernichtung sogenannter reichseigener sowjetischen unterschied sen. Aktuellen Schätzungen dass führende Nazis von Umso wichtiger sei für die Überlebenden Munition und Kampfmittel auf sonsti- sich insofern grundsätzlich von dem der Bis zu 3.000 Betroffene In einer Öffentli- zufolge könnten noch 2.000 bis 3.000 Be- den gefangenen Rotarmisten als „Unter- eine Anerkennung des Unrechts von deut- gen, nicht bundeseigenen Flächen er- Kriegsgefangenen aus westlichen Ländern, chen Anhörung des Haushaltsausschusses troffene in den Genuss einer Entschädigung menschen“ und „Menschentieren“ geredet scher Seite. Ein teilweise abweichendes Vo- stattet. Nach dem Willen der Abgeordne- von denen nur drei Prozent im Gewahr- fand die Initiative vergangene Woche die kommen. In der Anhörung wies der Völker- hätten. In Dienstanweisungen für deutsche tum formulierte der in der Konrad-Aden- ten soll der Bund auch die Finanzierung sam der Wehrmacht umkamen. Der Kampf einhellige Unterstützung der sechs gelade- rechtler Jochen Frowein darauf hin, dass die Wachmannschaften habe es geheißen, der auer-Stiftung tätige Historiker Klaus Jochen der Bergung und Vernichtung alliierter an der Ostfront wurde von beiden Seiten nen Sachverständigen. Auch dies bewog Bundesregierung zwar zu Recht die Frage Gebrauch der Schusswaffe gegen sie „gilt in Arnold. Er bezeichnete eine finanzielle An- Munition und Kampfmittel auf sonsti- mit äußerster Härte geführt. Von den ge- den Bundestag dazu, vergangenen Don- von Reparationen für erledigt halte. Es sei der Regel als rechtmäßig“. Als sich der Krieg erkennung für die Betroffenen als wün- gen, nicht bundeseigenen Flächen be- fangenen deutschen Soldaten kamen die nerstag im Nachtragsetat 2015 zehn Millio- ihr aber unbenommen, durch „einseitige wider Erwarten hinzog, seien die deutschen schenswert. Er widersprach aber der These, zahlen. I2014 und 2015 waren im Bun- meisten in der Sowjetunion um, rund eine nen Euro für die Entschädigung bereitzu- Maßnahmen“ Wiedergutmachung zu leis- Machthaber davon abgekommen, gefange- die kriegsgefangenen Rotarmisten seien deshaushalt jeweils 25 Millionen Euro Million von drei Millionen. stellen. Ein erster Vorstoß in diese Richtung ten. Dies sei bisher schon „in beispielloser ne Rotarmisten in großer Zahl sofort zu er- wie die Juden „Opfer eines zielgerichteten für die Beseitigung angesetzt. mik T Das Verbrechen an den sowjetischen Ge- war vor knapp zwei Jahren an der damali- Weise“ geschehen: „Es gibt aber noch eine morden, weil sie als Arbeitskräfte gebraucht Vernichtungswillens“ von Wehrmacht und fangenen liege bis heute „in einem Erinne- gen Mehrheit von Union und Liberalen ge- Reihe von Unrechtsmaßnahmen, für die nie wurden, „ohne dass sich ihre Behandlung NS-Führung gewesen. Winfried Dolderer T

Anzeige AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN Geldspritzen gegen den Verfall DAS WILL ICH Wirtschaft in günstiger Position NACHTRAGSHAUSHALT 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen ONLINE LESEN! Die Städte und Gemeinden können mit 300 Millionen Euro sollen für den Hoch- titionen für die Zukunft angestoßen wür- Jetzt auch als E-Paper. WIRTSCHAFT Die Bundesregierung sieht sich Bericht im großen Überschuss in der deut- Geld für Investitionen vom Bund rechnen. wasserschutz ausgegeben werden. den. Die Koalition gebe nur das aus, was bei ihren Prognosen zum Wirtschaftswachstum schen Leistungsbilanz „Anlass zur Sorge“ se- Vergangene Woche hat der Bundestag dazu „Das Land kann sich freuen“, sagte der zur Verfügung stehe. Mehr Information. vom Internationalen Währungsfonds (IWF) be- he. Andere Länder in der EU würden „davon mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen haushaltspolitische Sprecher der SPD-Frak- Der haushaltspolitische Sprecher der Frak- Mehr Themen. stätigt. Das machte der Parlamentarische Schaden nehmen“, so Ernst. CDU/CSU und SPD einen Nachtragshaus- tion, Johannes Kahrs. Er hob besonders her- tion Die Linke, , kritisierte Staatssekretär beim Ministerium für Wirtschaft (CDU) verwies schlicht auf die halt 2015 (18/4600, 18/4950) verabschie- vor, dass die Mehrausgaben in Höhe von vor allem, dass die Mittel für die Asylbe- Mehr Hintergrund. und Energie, (SPD), in einer Zahlen. Sie belegten die positiven Auf- det. Danach sollen die Ausgaben des Bun- rund 15 Milliarden Euro ohne neue Schul- werber bei weitem nicht ausreichen wür- von den Regierungsfraktionen beantragten schwung-Prognosen der Bundesregierung und des in diesem Jahr auf 301,6 Milliarden den finanziert würden. Damit habe die Ko- den. Außerdem würden die Kommunen Mehr Köpfe. Aktuellen Stunde im Bundestag in der vergan- wiesen einen „neuen Beschäftigungsrekord“ Euro steigen. Bisher waren 299,1 Milliar- alition bewiesen, dass sie handlungsfähig weiterhin „Bittsteller“ bleiben. Mehr Parlament. genen Woche deutlich. Der IWF hatte erklärt: auf. Um die gute Entwicklung fortzusetzen, sei den Euro eingeplant. Trotz der Erhöhung sei. (CDU/CSU) beton- Für (Bündnis 90/Die Grü- „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer die digitale Entwicklung ein Schwerpunkt: der Ausgaben um 2,5 Milliarden Euro sol- te, dass mit dem Nachtrag sinnvolle Inves- nen) ist der Nachtrag nur ein erster kleiner günstigen Position.“Der Aufschwung komme „Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind Daten.“ len weiterhin keine neuen Kredite aufge- Schritt in die richtige Richtung. Bei den bei den Menschen an, hob Beckmeyer hervor. (Grüne) stufte die Reaktion nommen werden. Kommunen gebe es einen Investitionsstau Denn der sei nicht zuletzt „vom Konsum ge- der Koalition auf den IWF-Bericht so ein: „Hö- Mit dem Nachtragshaushalt werden die In- von mehr als 150 Milliarden Euro. Da sei- Direkt tragen“, verwies er auf steigende Einkommen ren, was man will.“ Doch das Verdienst der vestitionen in diesem Jahr um 3,6 Milliar- en 3,5 Milliarden Euro vom Bund in den zum E-Paper und weiter sinkende Arbeitslosigkeit. Freilich Koalition sei die „gute Wirtschaftslage“ kei- den Euro auf 30,05 Milliarden Euro er- kommenden drei Jahren „viel zu wenig“. handle es sich bei der globalen Betrachtung neswegs, befand sie mit Blick auf Niedrigzin- höht. 3,5 Milliarden Euro davon sind für Für den Parlamentarischen Staatssekretär www.das-parlament.de der wirtschaftlichen Situation um eine „nicht sen, den niedrigen Ölpreis und schwachen ein Sondervermögen „Kommunalinvestiti- im Bundesfinanzministerium, Steffen [email protected] ganz wolkenfreie Großwetterlage“. Krisen wie Euro. Sie hielt der Regierung vor, bei Investitio- onsförderungsfonds“ vorgesehen, mit dem Kampeter (CDU), ist der Nachtragsetat ein in der Ukraine oder im Nahen Osten und die nen zu wenig zu machen: „Das ist das, was die Kommunen in den kommenden Jah- Zeichen der soliden Finanzpolitik der Re- Entwicklung in China oder Brasilien ließen den der IWF konstatiert.“ Vor allem mangele es an ren in die Lage versetzt werden sollen, zu gierung. Er kündigte an, dass diese mit IWF auf Abschwächungsgefahren hinweisen. besseren Bedingungen für die private Industrie investieren. Weiter wurde mit dem Nach- dem Haushaltsentwurf 2016, den die Re- Beckmeyer blätterte einen Katalog von Investi- – Energiewende war dabei ein Stichwort. tragsetat festgelegt, wie das „Zehn-Milliar- gierung im Juli dieses Jahres vorlege, fort- tionsförderungen durch die Bundesregierung Matthias Ilgen (SPD) rief vor Jahresfrist geäu- den-Euro-Investitionspakt“ aufgeteilt wer- gesetzt werde. Michael Klein T auf – insgesamt „gute Voraussetzungen“ für ßerte Befürchtungen der Opposition vor einem den soll. Der größte Teil mit 4,35 Milliar- Wirtschaftswachstum. Abschwung in Erinnerung. Und jetzt: „Wir ha- den Euro soll dabei in die Verkehrsinfra- Nach Ansicht von Klaus Ernst (Die Linke) gibt ben einen stabilen Wirtschaftsaufschwung.“ struktur und in die digitale Infrastruktur der IWF-Bericht „zum Jubeln nicht großen An- Einige Punkte in der Analyse des IWF seien fließen. 1,19 Milliarden Euro sind für Na- lass“. So werde ausdrücklich festgestellt, dass „nachdenkenswert“ – etwa die nötige Stär- tionalen Aktionsplan Energieeffizienz re- Weiterführende Links zu den die Investitionsanstrengungen in Deutschland kung der privaten und öffentlichen Investitio- serviert und 450 Millionen Euro für die © picture-alliance/dpa Themen dieser Seite finden nicht ausreichten. Er strich heraus, dass der nen. . fla T Nationale Klimaschutzinitiative. Weitere Mehr Geld für Straßenreparaturen Sie in unserem E-Paper 8 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Disput um Grüne fordern Klimaabgabe Wertstoffgesetz

KLIMA Über die von Bundeswirtschaftsmi- UMWELT I Die Fraktion Bündnis 90/Die nister Sigmar Gabriel (SPD) ins Spiel ge- Grünen fordert die Bundesregierung auf, brachte Klimaabgabe für Kohlekraftwerke, ein ökologisches und Transparenz schaf- die älter als 20 Jahre sind, hat der Bundes- fendes Wertstoffgesetz vorzulegen. Dieses tag vergangenen Freitag im Rahmen einer solle den Anteil der Wertstoffe in Abfällen, Aktuellen Stunde diskutiert. Dabei machte die mindestens stofflich verwertet werden, der Wirtschaftsminister deutlich, dass der sofort deutlich erhöhen, schreibt sie in ei- von ihm gemachte Vorschlag zur Einspa- nem Antrag (18/4648). Die Recyclingquo- rung von Kohlendioxid-Emissionen „keine ten für Wertstoffe sollten selbstlernend Zwangsabschaltung von Braunkohlekraft- ausgestaltet werden. Außerdem sollten die werken“ vorsehe. Vielmehr sollten die Kommunen die Organisationsverantwor- Laufzeiten alter ineffizienter Braunkohle- tung für die Erfassung der in der Wertstoff- kraftwerke verkürzt werden, sagte Gabriel. tonne gesammelten Wertstoffe zurücker- Unternehmen und Gewerkschaften hätten halten. Jährlich verpflichtend sollen sie jedoch vor Arbeitsplatzverlusten und nach Ansicht der Grünen über die Menge Strukturabbrüchen gewarnt. Diesem Argu- der anfallenden Wertstoffe und deren Ver- ment müsse man nachgehen, sagte er vor bleib berichten. „Zehn konkurrierende allem in Richtung der Grünen. duale System finanzieren vor allem ihre ei- Deren Umweltexpertin Bärbel Höhn hatte gene Struktur, mit Systemkosten von mehr zuvor Gabriels Plan einer Klimaabgabe als als 100 Millionen Euro,“ kritisierte Peter „intelligentes Instrument“ gelobt und be- Meiwald (Bündnis 90/Grüne) in der De- dauert, dass die Abgabe „jeden Tag ein batte am vergangenen Donnerstag. Die bisschen weiter geschreddert wurde“. Ver- Grünen wollten daher substanziell „Pro- antwortlich machte Höhn dafür vor allem duktdesign und Recyclingquoten“ verbes- Angriffe von CDU-Politikern auf die Pläne. sern. Zugleich bedauerte sie, dass die Bundes- (CDU) sprach sich eben- kanzlerin dazu geschwiegen habe. falls für ein Wertstoffgesetz aus. Dabei solle Angela Merkel habe sich in dieser Woche die Entsorgung des Abfalls in Zukunft „nicht sehr wohl deutlich zur Klimapolitik geäu- mehr über Müllgebühren laufen, sondern ßert, entgegnete (CDU). Auf beim Kauf gleich mitbezahlt werden“, dem Petersberger Klimadialog habe sie schlug er vor. Auch die SPD sprach sich für sich „glasklar“ zu dem deutschen Klima- eine Wertstofftonne und eine „geschlossene ziel, die Kohlendioxid-Emission bis 2020 Kreislaufwirtschaft aus. Gleichzeitig betonte um 40 Prozent zu reduzieren, bekannt. Zu- , dass die Kommunen dabei gleich habe sie auf das von der Bundesre- mehr Mitsprache erhalten sollten. Ralph gierung vorgelegte Aktionsprogramm hin- Lenkert (Die Linke) kritisierte den Zeitpunkt gewiesen, in dem ganz konkrete Maßnah- der Debatte: „Mit einem Wertstoffgesetz, men enthalten seien, sagte Jung. machen wir dieses Fass, das bisher dicht war, (Die Linke) machte deut- wieder auf.“ joh T lich, dass zum Gelingen der Energiewende auch die Akzeptanz der Bevölkerung benö- tigt werde. Gabriels Vorgehen, „erst die Lippen zu spitzen und dann doch nicht zu pfeifen“, sei jedoch kein verantwortungs- Zu wenig voller Umgang mit den Ängsten der Bevöl- kerung, befand der brandenburgische Ab- Meeresschutz geordnete. „So treiben Sie Gegner und Be- fürworter der Kohlekraftwerke in Scharen UMWELT II Seit Juli 2008 ist die Meeresstra- auf die Straße“, sagte er. tegie-Rahmenrichtlinie (MSRL) der EU in „Braunkohle ist der Garant für Versor- Kraft. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, gungssicherheit und Preisstabilität“, sagte bis Ende 2015 konkrete Maßnahmen für (SPD). Schon deshalb sei den Meeresschutz zu beschließen. Das Ziel: ein kurzfristiger Ausstieg nicht zu realisie- Bis 2020 sollen sich alle europäischen ren. Die SPD, so machte er deutlich, neh- Meere in einem guten ökologischen Zu- me die Sorgen der Beschäftigten sehr ernst Nach einer Pause sollen die Staatsleistungen an Familien verbessert werden. © picture-alliance/Westend61 stand befinden. Die Bundesregierung hat und sei offen für Gespräche mit allen Ak- daher im März gemeinsam mit den Lan- teuren.. Götz Hausding T desregierungen der fünf Küstenbundeslän- der einen ersten Entwurf eines Maßnah- menkatalogs vorgelegt. Doch den kritisier- ten Umweltverbände vergangene Woche Wohngeld im Umweltausschuss als unzureichend. Nach Ansicht von Nadja Ziebarth vom soll steigen Bund für Umwelt und Naturschutz Tempo für Familien Deutschland e. V. (BUND) weist er beson- BAU Für mehr Wohngeld sind im Bundes- ders im Bereich Biodiversität und Ressour- tag alle. Dennoch verteidigten bei der ers- censchutz „massive Lücken“ auf. So fehlten ten Lesung am vergangenen Freitag nur FINANZEN Steuerförderung und Kinderleistungen sollen erhöht werden neue, effektive Maßnahmen zur Beschrän- die Koalitionsfraktionen den Gesetzent- kung der Fischerei sowie zur Reduzierung wurf der Bundesregierung (18/4897), mit des Nähr- und Schadstoffeinträge. Jochen dem diese das Wohngeld an die Entwick- indergeld, Kinderfreibeträ- des um zehn Euro pro Monat aussprach. eine rückwirkende Erhöhung ab 2014 hat Rechtsverschiebung könne die Kalte Pro- Krause vom Bundesamt für Naturschutz lung der Einkommen und Warmmieten ge, Kinderzuschläge, und Der Deutsche Verein für öffentliche und für ihn das Merkmal „eindeutiger Verfas- gression wohl vollständig beseitigt werden. bemängelte, dass die Schaffung von Ruhe- seit der letzten Reform im Jahr 2009 an- Freibeträge für Alleinerzie- private Fürsorge und der Neue Verband der sungswidrigkeit“. In seiner Stellungnahme bezifferte er den räumen im Meer, in denen sich die Natur passen will. Rund 870.000 Haushalte wür- hende: Das Steuerrecht ist Lohnsteuerhilfevereine hielten eine rück- Auch wenn der Gesetzentwurf dazu keine Entlastungseffekt der Rechtsverschiebung erholen könne, nicht vorgesehen sei. den künftig Anspruch auf Wohngeld ha- voll mit Leistungen für Fa- wirkende Erhöhung ab 2014 für „verfas- Regelung enthält, war der Freibetrag für Al- des Tarifs für einen nicht verheirateten Ar- Als „teilweise windelweich“ bezeichnete ben, führte der Parlamentarische Staatsse- milien mit Kindern. Aller- sungsrechtlich geboten“. Johannes Selder, leinerziehende ein Thema der Anhörung. beitnehmer mit einem Monatsbrutto von Gerd Kraus vom Johann-Heinrich-von- kretär im Bundesbauministerium, Florian dingsK ging der Gesetzgeber mit Anpassun- Richter am Bundesfinanzhof, argumentier- Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanz- 3.000 Euro auf 72 Euro im Jahr bezifferte. Thünen-Institut die von der Regierung vor- Pronold (SPD), aus. Das seien 324.000 gen dieser Leistungen in letzter Zeit etwas te dagegen: Seiner Ansicht nach reicht der hof und Präsident des Deutschen Finanz- Die Rechtsverschiebung des Steuertarifs geschlagenen Maßnahmen. Außerdem mehr als bisher, darunter rund 90.000 stiefmütterlich um. Jetzt kommt wieder bisherige Kinderfreibetrag in diesem Jahr gerichtstages, verwies auf den Vorschlag des würde dazu führen, dass der Spitzensteuer- bleibe zu wenig Zeit „für eine vollwertige Haushalte, die bisher die Grundsicherung Tempo in die steuerliche Förderung der Fa- aus und sei 2016 geringfügig zu niedrig: Bundesrates, den Entlastungsbetrag für Al- satz erst bei einem höheren Einkommen und zielführende Umsetzung“. Er mutmaß- benötigen. Das durchschnittliche Wohn- milien, wie in einer öffentlichen Anhörung Dass für 2014 keine Anhebung erfolge, sei leinerziehende um 600 Euro auf 1.908 als heute erreicht wird. Hechtner sagte, te, bis 2020 werde sich am Zustand der geld werde um 39 Prozent steigen. des Finanzausschusses des Deutschen Bun- „verfassungsrechtlich unbedenklich“ Euro anzuheben und den Entlastungsbe- man könne aber auch die Auffassung ver- Meere nichts substanziell ändern. Christi- (Die Linke) kritsierte je- destages in der vergangenen Woche deut- trag nach der Kinderzahl gestaffelt für jedes treten, dass der Spitzensteuersatz von an Buschbaum vom Alfred-Wegener-Insti- doch, dass der Gesetzentwurf keine Dyna- lich wurde. Und sogar eine Überraschung Schieflage bei Entlastung Mehrere Sach- weitere Kind um jeweils 240 Euro anzuhe- 45 Prozent „bei einer festen Grenze begin- tut verwies dazu auf große Wissenslücken. misierung des Wohngelds vorsieht, also bahnt sich an: Danach könnte in das Ge- verständige gingen auf die unterschiedliche ben. Der Vorschlag findet auch in den Ko- nen soll, die nicht durch Tarifanpassungen Es sei noch viel Forschungsarbeit notwen- keine automatische Anpassung „in Echt- setzgebungsverfahren auch eine Änderung Wirkung von Kinderfreibetrag und Kinder- alitionsfraktionen Zustimmung. Die Erhö- verschoben wird“. Der Deutsche Gewerk- dig, um verlässliche Aussagen über den Zu- zeit und nicht alle fünf oder sechs Jahre, je des Steuertarifs hineingenommen werden, geld ein. Nach geltendem Recht prüfen die hung sei geeignet, „dieser Diskussion mit schaftsbund (DGB) reagierte ablehnend., stand der Meere treffen zu können. joh T nach den Farben der Koalition oder nach um die kalte Progression zu beseitigen. Steuerbehörden in jedem Fall, ob Kinder- Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Es gebe andere Möglichkeiten, die kalte Kassenlage“. Christian Kühn (Bündnis 90/ Familienverbänden geht die von der Bun- geld oder Freibetrag günstiger sind und Gewährleistung des Existenzminimums in Progression zu reduzieren. Durch eine Ab- Die Grünen) bemängelte, dass die von der desregierung geplante Anhebung des Kin- wenden die für den Steuerzahler günstigere rechtskonformer Weise Rechnung zu tra- flachung des Tarifverlaufs müsse die Ent- Vorgängerkoalition abgeschaffte Heizkos- dergeldes und des steuerlichen Kinderfrei- Regelung an. Der Deutsche gen“, so Brandt. lastung auf kleinere und mittlere Einkom- tenkomponente nicht wieder eingeführt betrages allerdings nicht weit genug. So Gewerkschaftsbund (DGB) Der Neue Verband der men konzentriert werden. Recycling von wird. sprach der Deutsche Familienverband in erklärte, der Dualismus Lohnsteuerhilfevereine Die unterschiedlichen Positionen zeigen: Dem hielt (CSU) ent- der Anhörung von einem „enormen Nach- von Kindergeld und Kin- »Eine machte auch Probleme Ganz einfach wird das Verfahren nicht wer- Elektroschrott gegen, dass sich das Wohngeld auf die holbedarf“, da Kindergeld und Kinderfrei- derfreibetrag sei verfas- Verschiebung beim Steuertarif aufmerk- den. Hans-Jürgen Leersch T Warmmieten beziehe und deshalb die betrag schon seit 2010 nicht mehr erhöht sungsrechtlich nicht zwin- sam. Durch die Erhöhung UMWELT III Die Pläne der Bundesregie- Heizkosten „mit drin“ seien. Sein Frakti- wurden. Inzwischen sei nicht einmal mehr gend und führe zu einer des Tarifs kann des Grundfreibetrages kom- rung, die Recycling- und Verwertungsquo- onskollege betonte, man die verfassungsrechtlich gebotene steuerli- verteilungspolitischen die kalte me es zu einem starken An- > STICHWORT ten von alten Elektro- und Elektronikgerä- müsse insgesamt „dafür sorgen, dass unse- che Freistellung des Kindesexistenzmini- Schieflage. Denn die Ent- stieg der Steuer in der ers- ten zu erhöhen, sind am vergangenen re Menschen hier im Land eine menschen- mums garantiert. Die von der Bundesregie- lastungswirkung der Kin- Progression ten Progressionszone. Der Steuerpläne der Regierung Donnerstag im Bundestag auf ein gemisch- würdige und vor allem eine bezahlbare rung vorgesehenen Erhöhungen sind nach derfreibeträge steige pro- beseitigen.« extreme Anstieg der Steuer tes Echo gestoßen. Nach Ansicht von Tho- Wohnung haben“. Dazu sei das Wohngeld Ansicht des Familienverbandes „völlig un- gressiv mit dem Einkom- unmittelbar nach dem > Grundfreibetrag Der steuerliche mas Gebhart (CDU) ist das Elektro- und ein geeignetes Mittel neben anderen wie zureichend“. Ähnlich äußerte sich der Fa- men der Eltern. „Der Fami- Professor Frank Hechtner Grundfreibetrag mache den Grundfreibetrag (8.354 Euro) soll rück- Elektronikgerätegesetz (18/4901) eines der der gerade eingeführten Mietpreisbremse. milienbund der Katholiken. lienausgleich sollte so er- Einstiegssteuersatz von wirkend zum 1. Januar 2015 um 118 wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben im Die Sozialdemokratin hob Der Gesetzentwurf der Bundesregierung folgen, dass jedes Kind 14 Prozent „nahezu zur Euro auf 8.472 Euro erhöht werden soll. Bereich der Abfallwirtschaft in der aktuel- hervor, dass mit der Novelle das Wohngeld (18/4649) sieht vor, dass das Kindergeld dem Staat gleich viel wert ist und nicht be- Makulatur“. Auch für die Bundessteuerbe- Ab dem 1. Januar 2016 ist eine weitere len Legislaturperiode. Es werde dafür sor- in Städten mit besonders hohem Mietni- rückwirkend ab 1. Januar 2015 um vier stehende Ungleichheiten noch verstärken“, raterkammer ist bereits seit längerer Zeit zu Anhebung um 180 Euro .vorgesehen. gen, dass mehr Geräte, die nicht mehr ge- veau überdurchschnittlich angehoben Euro monatlich je Kind erhöht werden forderte der DGB, der die vorgesehene Kin- beobachten, dass sich die Belastungen im- braucht werden, getrennt gesammelt und werde. soll. Ab dem 1. Januar 2016 ist eine Erhö- dergelderhöhung um sechs Euro in zwei mer mehr in den mittleren Einkommens- > Kinderfreibetrag Der steuerliche Kin- wieder zurück genommen werden. Michael Der Bundestag überwies den Gesetzent- hung um weitere zwei Euro monatlich je Jahren als unzureichend bezeichnete. bereich verschieben würden. Der Gesetzge- derfreibetrag beträgt aktuell 7.008 Euro Thews (SPD) lobte, dass die in den Gerä- wurf zur weiteren Beratung an den Um- Kind vorgesehen (Details siehe Kasten). Professor Joachim Wieland (Universität ber solle dafür sorgen, „dass die höchste und soll rückwirkend zum 1. Januar 2015 ten enthaltenen Rohstoffe, wie Kupfer oder weltausschuss. Da das Wohngeld je zur Außerdem soll der aktuell maximal Speyer) machte die unterschiedliche Wir- Progressionsstufe nicht bereits beim ca. um 144 Euro auf 7.152 Euro je Kind er- Gold, wieder in den Wirtschaftskreislauf Hälfte von Bund und Ländern gezahlt 140 Euro monatlich betragende Kinderzu- kung von Kindergeld und Freibetrag an 1,5-fachen eines Facharbeitergehalts be- höht werden. Ab 2016 ist eine Anhebung zurückgebracht werden sollen. Außerdem wird, muss neben dem Bundestag auch schlag soll ab 1. Juli 2016 um 20 Euro mo- Zahlen deutlich. 2014 wurden beim ersten ginnt“, empfahl die Steuerberaterkammer. um 96 Euro auf 7.248 Euro vorgesehen. dämme die Novelle den illegalen Export der Bundesrat der Wohngeldreform zu- natlich steigen. und zweiten Kind 2.208 Euro Kindergeld Aus Fragen von Abgeordneten der ein. Nachbesserungen forderte hingegen stimmen. Sie soll nach dem Willen der Nach Ansicht des Familienverbandes muss pro Kind gezahlt. „Dem steht eine steuerli- CDU/CSU- und SPD-Fraktion nach einer > Kindergeld Das Kindergeld beträgt 184 Peter Meiwald (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesregierung Anfang 2016 in Kraft tre- der steuerliche Kinderfreibetrag auf die che Entlastung von 3.327 Euro bei Steuer- Rechtsverschiebung des Steuertarifs um Euro für das erste und zweite Kind, 190 etwa Vorgaben für ein ökologischeres De- ten. pst T Höhe des Grundfreibetrages angehoben pflichtigen gegenüber, die den Reichen- 1,5 Prozent wurde deutlich, dass sich Maß- Euro für das dritte Kind und 215 Euro für sign sowie die Langlebigkeit und Repara- werden. Und der Verzicht auf eine rückwir- steuersatz von 45 Prozent sowie den Soli- nahmen gegen die kalte Progression in ei- das vierte Kind und weitere Kinder. Es turfähigkeit von Geräten. kende Erhöhung des Kinderfreibetrages für daritätszuschlag zahlen.“ Da jedes Kind ner konkreten Prüfungsphase befinden. soll rückwirkend ab 1. Januar 2015 um (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, 2014 sei „verfassungsrechtlich hoch pro- Anspruch auf staatliche Förderung in glei- Durch die Tarifverschiebung können infla- vier Euro monatlich je Kind erhöht wer- mit dem Gesetz das nächste duale System blematisch“. Diese Ansicht vertrat auch der cher Höhe habe, sollte die steuerliche Ent- tionsbedingte Steuererhöhungen vermie- den. Ab dem 1. Januar 2016 ist eine Er- zu schaffen, das genauso schlecht funktio- Familienbund der Katholiken, der sich au- lastung durch einen Grundfreibetrag erfol- den werden. Professor Frank Hechtner höhung um zwei Euro je Kind geplant. nieren werde wie das bestehende. Er forde- ßerdem für eine Anhebung des Kindergel- gen, schlug Wieland vor. Einen Verzicht auf (Freie Universität Berlin) erklärte, mit der rete unter anderem die Einführung einer Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Ressourcenabgabe für die Hersteller. joh T Sie in unserem E-Paper Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 IM BLICKPUNKT 9

Schwächelnde Demokratie: Mit 50 Prozent sank die Wahlbeteiligung bei den Bremer Bürgerschaftswahlen auf einen historischen Tiefstand in den alten Bundesländern. © picture-alliance/dpa Demokraten wie Flasche leer WAHLEN Der Abgeordnete Jakob Maria Mierscheid über Nichtwähler, Journalisten und Politiker – eine Polemik

as ist eigentlich los Seit 35 Jahren versuche ich als Bundestags- Um es mit den Worten eines berühmten Die Chefredakteurin der „tageszeitung“ Wie es Parteien und Politiker machen, sie verfassungsgericht meine Überlegungen für in ? Meine abgeordneter, meinen Beitrag für das Ge- Fußballtrainers zu sagen, dessen Namen weiß es natürlich besser. Die Wahlbeteili- machen es falsch. Und dies dient als Argu- eine grundlegende Wahlrechtsreform prä- Partei geht aus den meinwesen zu leisten. Für was eigentlich? wahrscheinlich mehr Deutsche kennen als gung sinke deshalb, weil die Unionspar- ment dafür, nicht wählen zu gehen. Laut sentiert. Und die sind denkbar einfach: Die Landtagswahlen er- Um mich anschließend von Journalisten den ihres jeweiligen Wahlkreisabgeordne- tien, die SPD und auch die Grünen sich einer Forsa-Studie im Auftrag der von mir Parteien erhalten für jedes Jahr ihres Beste- neut als stärkste dafür kritisieren zu lassen, dass das Volk ten: Was erlauben Wähler? Erdreisten sich, „ununterscheidbar“ in der politischen Mit- so geschätzten Friedrich-Ebert-Stiftung hens ein Grundmandat im Bundestag. Le- Kraft hervor, aber nicht wählen geht? Als Politiker ist man der Wahl fern zu bleiben nach zwei Dikta- te tummelten. Wählen könne aber nur der, glauben 69 Prozent der Nichtwähler, dass diglich die verbleibenden Mandate werden meinW geschätzter Genosse, Bürgermeister schlecht beraten, die Wähler oder gar die turen auf deutschem Boden. Demokraten der auch eine echte Wahlalternative habe. die Wahlbereitschaft steigen würde, wenn durch Wahl vergeben. Da die Wahlbeteili- Jens Böhrnsen schmeißt hin. Ist das der Medien zu beschimpfen. Deshalb ducken wie Flasche leer! Was soll ich denn daraus schließen? Dass die Parteien wieder unterscheidbarer wäre. gung immer weiter absinkt, ist das auch neue Umgang mit einem faktischen Wahl- sich die meisten meiner Kolleginnen und Aber ich sollte mich nicht wundern. Die die Linkspartei, die FDP, die AfD, die Pira- So weit so gut. Doch ebenso glauben 69 nur folgerichtig. Und mal ehrlich, mein sieg? Ja, die Sozialdemokraten an der We- Kollegen in dieser Journaille gibt sich ja auch die größte Mü- tenpartei, die Bürger in Prozent, die Wahlbereit- Vorschlag ist mindestens so fundiert wie ser haben ordentlich Federn lassen müs- Frage auch weg he, die Wahlverweigerer auch noch zu er- Wut, die Tierschutzpartei, schaft würde steigen, wenn die Vorstellung, dass im Supermarkt zwi- sen. Aber die stärkste Kraft sind sie trotz- und beschuldigen muntern. Entweder sie outen sich selbst als die Partei bibeltreuer sich die CDU/CSU und die schen Konservenregalen und Käsetheke ge- dem. Ja, umgerechnet auf alle Wahlberech- sich lieber gegen- Nichtwähler. Oder aber schwadronieren Christen, die Pogo-Partei Das ist ein SPD in wichtigen Fragen ei- wählt werden soll, und das bis spät in den tigten hat die SPD gerade mal 15 Prozent seitig, mit ihrer über die „prekäre Demokratie“ oder gar und wie sie alle heißen of- Schlag ins nigen und nicht immer ge- Abend. Glaubt wirklich jemand, dass des- geholt. Aber alle Parteien haben in absolu- Politik für die die „Erosion der Demokratie“. Die Schuld fenbar keine wählbaren geneinander kämpfen wür- halb die Wahlbeteiligung steigt? Es wird ja ten Zahlen Wähler verloren. Sowohl Die schlechte Wahl- dafür verorten sie unisono bei uns Politi- Alternativen sind? Als So- Gesicht all den. Der Nichtwähler – das auch nicht mehr Milch getrunken, nur weil Linke als auch die FDP und die AfD, die beteiligung ge- kern. Bei wem auch sonst? Wenn wir schon zialdemokrat freut mich jener Bürger, schizophrene Wesen. der Ladenschluss gekippt wurde. sich in diesen Tagen als die wahren Gewin- sorgt zu haben. den lieben langen Tag, faul, unfähig, volks- das natürlich. Aber Alter- Den größten Anteil der Als ich im Dezember 1979 für den verstor- ner der Landtagswahl feiern, wären nicht Das gleicht dem fern, korrupt und machtversessen unsere nativen sind da. die ihr Wahl- Nichtwähler findet man üb- benen Carlo Schmid erstmals in den Bun- in der Bürgerschaft vertreten. Alle drei sind © SPD-Fraktion Sägen des Astes, üppigen Diäten verprassen, dann sollten Die Genossen von der recht genutzt rigens unter den einkom- destag einzog, musste sich kein Abgeord- an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Jakob Mierscheid auf dem man wir wenigstens als Buhmänner und Sün- Linkspartei haben den mensschwachen Bevölke- neter über Nichtwähler Gedanken machen. Zurücktreten müssten wenn schon die sitzt. Und das denböcke herhalten dürfen. Zumindest Marsch in die Mitte bei- haben. rungsschichten. So sagen es Die Wahlbeteiligung war seit Gründung Spitzenkandidaten aller Parteien. Doch zu meinte Max We- diese Rolle macht uns keiner mehr streitig. spielsweise noch nicht an- alle Studien. Als Sozialde- der Bundesrepublik stetig gestiegen. Bei was soll das führen? Letztlich nur zu der ber sicherlich nicht mit dem Bohren harter Im „Spiegel“ durfte ich die Mahnung lesen, getreten. Ein Umstand, der mokrat schmerzt mich das der Bundestagswahl 1972 strömten gar Einschätzung, dass Wahlverweigerung ei- Bretter. der Wähler habe einen Anspruch darauf, ihnen von Journalisten anderer Couleur sehr. Diese Menschen fühlen sich gesell- 91,1 Prozent der Wahlberechtigten zu den nen größeren Einfluss auf den Wahlaus- Wenn es stimmt, dass das Volk sich mehr ernst genommen zu werden. Was für ein gerne als Zeichen ihrer Nichtregierungsfä- schaftlich abgehängt und glauben, dass wir Urnen. „Mehr Demokratie wagen“, hatte gang hat als Wählen. Und genau das ist in Ehrlichkeit bei seinen Volksvertretern Satz. Wenn dies das Feuer aus dem „Sturm- higkeit um die Ohren gehauen wird. Oder als Politiker ihre Interessen nicht mehr ver- Bundeskanzler Willy Brandt 1969 gefor- Bremen passiert. Böhrnsen leitet vor allem wünscht, wie die neunmalklugen Journa- geschütz der Demokratie“ ist, dann wird muss ich daran erinnern, welch mediales treten. Doch welche Logik steckt dahinter, dert. Und die Menschen haben ihn offen- deshalb nicht mehr die Geschicke der Han- listen kommentieren, dann muss es diese mir angst und bange um die Demokratie. Feuerwerk die Springer-Presse gegen die nicht wählen zu gehen? Werden sie dann sichtlich verstanden. So schwer ist das übri- sestadt, weil jeder zweite Wähler zu faul, Ehrlichkeit auch verkraften. Ich fürchte Mit Verlaub, aber wer ernst genommen Wahl des ersten Ministerpräsidenten aus besser vertreten? Wer sich nicht bemerkbar gens gar nicht. Jakob Maria Mierscheid T zu borniert, zu ungebildet, zu überheblich den Volkszorn nicht, schließlich wurde ich werden will, muss sich selbst ernst neh- den Reihen der Linken in Thüringen abge- macht, der wird nicht gehört. Der Andrang oder zu larmoyant ist. Mit Verlaub, das ist schon lange vor dem digitalen Zeitalter als men. Wahlabstinenz ist jedenfalls kein In- fackelt hat? Den Grünen wurde in den in den Bürgersprechstunden vieler Abge- Der Parlamentarier zog 1979 erstmals ein Schlag ins Gesicht all jener Bürger, die virtueller Abgeordneter diffamiert. Schlim- diz dafür. Wer seine Stimme nicht abgibt, 1980er Jahren auch nachgesagt, sie seien ordneter ist jedenfalls sehr überschaubar. in den Bundestag ein. Obwohl er sich ihr Wahlrecht genutzt haben. Das sollte mer kann es nicht kommen. Und meinen dem ist es offensichtlich egal, von wem er nicht regierungsfähig. Als sie dann regie- Ich könnte es mir ja einfach machen. Be- regelmäßig zu tagespolitischen Fragen sich kein Wähler bieten lassen. Und auch Wahlkreis im Hunsrück gewinne ich stets regiert wird. Oder er signalisiert still- rungsfähig in der Mitte angekommen wa- reits in der vergangenen Wahlperiode habe zu Wort meldet, halten sich die unbe- kein gewählter Politiker. ohne Gegenstimme. schweigende Zustimmung. ren, wurde ihnen genau das angekreidet. ich gemäß des Auftrags durch das Bundes- wiesenen Gerüchte, er existiere nicht.

Sieling beklagt »Akzeptanzkrise der Demokratie in Bremen« LANDTAGSWAHL In Bremen ist die Wahlbeteiligung auf einen neuen Tiefststand von 50,1 Prozent gefallen. Die Wahlmüdigkeit der Bürger ist aber nicht das einzige Problem Niemand hatte mit einer Überraschung bei Probst. Der Bundestagsabgeordnete Cars- wahlleiter Weyand die wichtigste Ursache ziale Abseits. „40 Prozent der Arbeitslosen Dazu gehöre mehr soziale Gerechtigkeit. rot-grünen Bündnis die bei der Wahl ge- der Bürgerschaftswahl am 10. Mai in Bre- ten Sieling (SPD) soll nun Amtsnachfolger für die sinkende Wahlbeteiligung. „Es gibt sind Langzeitarbeitslose – da verfestigt sich Bremen hat die meisten Arbeitslosen, die stärkte Linke bei wichtigen Abstimmungen men gerechnet: Seit 70 Jahren regiert im an der Spitze des Senats werden. einen wachsenden Teil der Bevölkerung in über Generationen ein Muster“, sagt ärmsten Kinder und liegt bei der interna- mit Angeboten an Bord holt, um eine soli- kleinsten Bundesland die SPD, zuletzt seit Bemerkenswert außerdem: Die Wahlbetei- solchen Stadtteilen, der nichts mehr von Probst. Als hochverschuldetes Land, das je- tionalen Schulleistungsstudie „PISA“ tradi- de Mehrheit im Senat zu erzielen. acht Jahren in einer Koalition mit den Grü- ligung sackte auf einen neuen Tiefstwert der Politik erwartet“, sagt Probst und fügt den dritten eingenommenen Euro an die tionell weit hinten – einerseits. Anderer- Außerdem werde die SPD bei den Koaliti- nen. Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) von 50,1 Prozent (2011: 55,5). Nur in hinzu: „Diese Leute haben sich aus dem Banken geben und die Schuldenbremse seits gehört Bremen zu den Bundesländern onsverhandlungen mit den Grünen ver- wollte auch die nächsten vier Jahre im Amt Sachsen und Brandenburg hatten zuletzt System des Wählens grundsätzlich verab- einhalten muss, hat Bremen kaum Spiel- mit den meisten Millionären gemessen an mutlich stärker als bisher ihre Forderungen bleiben. Und dann kam es doch zu einer prozentual weniger Bürger ihre Stimme ab- schiedet.“ raum, die Armut zu bekämpfen. der Einwohnerzahl. Dort betreibt Merce- durchsetzen wollen, glaubt Probst. So wird kleinen Sensation: Zwar erzielte Rot-Grün gegeben. Nimmt man nur die Wahlbeteili- Verstärkt wird der Trend durch die immer des sein zweitgrößtes Werk, der Auto- und die Einstellung von Lehrern ein wichtiger wieder die meisten Stimmen, doch von der gung in der Stadt , sieht es größer werdende Kluft zwischen Arm und Arm und Reich Die künftige Landesregie- Containerumschlag im Überseehafen Punkt sein. Eltern beklagten zuletzt laut- komfortablen Zweidrittelmehrheit der Sit- noch schlimmer aus: Dort lag sie bei 40,5 Reich. Nicht zuletzt durch die Werftenkrise rung wird es deshalb nicht leicht haben. boomt, es werden an der Weser Teile für stark den immensen Unterrichtsausfall vor ze im Parlament sind SPD und Grüne nun Prozent. „Die Wahlbeteiligung ist die gro- in den 1980er Jahren gerieten in Bremen Der designierte Bürgermeisterkandidat Sie- die Internationale Raumstation ISS gebaut allen an den Gymnasien. Bislang hatte Fi- weit entfernt: Gerade einmal fünf Sitze hat ße negative Nachricht dieser Wahl“, räum- einst traditionelle Arbeiterviertel in das so- ling kündigte indes einen Neuanfang an. und allein die Bremer Kaffee-Familie Ja- nanzsenatorin (Grüne) eine künftige rot-grüne Regierung mehr als te Landeswahlleiter Jürgen Wayand ein. cobs investierte 200 Millionen Euro in die angesichts der Sparzwänge den Finger da- die Opposition aus CDU (20 Sitze), Linke Sieling sprach gar von einer „Akzeptanzkri- gleichnamige private Hochschule. „Bre- rauf gehalten, wenn es um Neueinstellun- (8 Sitze), FDP (6 Sitze), AfD (4 Sitze) und se der Demokratie in Bremen und Bremer- men ist ein gespaltenes Land“, meint gen von Lehrern ging. Sieling will nun den Bürger in Wut (1 Sitz). haven“. Probst. Unterrichtsausfall kurzfristig mindern. Mit Die eigentlichen „Wahlsieger“ seien die Wie der künftige Bremer Senat aussehen einem „leistungsfähigen Bildungsangebot“ Böhrnsen tief getroffen Die Grünen, die Nichtwähler, meint auch Probst. Die Grün- wird, ist noch nicht festgezurrt. Die SPD will er die Bremer auch wieder motivieren, bei der Bürgerschaftswahl 2011 von der Fu- de dafür sind vielschichtig. Nach Ansicht muss zunächst auf einem Landesparteitag wählen zu gehen. Den Grund für die nied- kushima-Katastrophe profitierten und mit des Politologen war der Wahlkampf „lau“. am 2. Juni den 56-jährigen Sieling zum rige Wahlbeteiligung sieht er auch im kom- 22,5 Prozent zweitstärkste Partei wurden, Keiner Partei sei es gelungen, politisch zu Bürgermeisterkandidaten küren. Erst dann plizierten Wahlsystem mit fünf Stimmen büßten 7,4 Prozentpunkte auf 15,1 Pro- polarisieren, es habe auch kein spannen- können die Koalitionsverhandlungen be- pro Wähler. Sieling versprach, alsbald neue zent ein. Sie sind nach SPD (32,8 Prozent) des Thema gegeben und keine Wechsel- ginnen. Eine Neuauflage des rot-grünen Ideen zu präsentieren. Janet Binder T und CDU (22,4 Prozent) nur noch dritt- stimmung. „Die Menschen hatten wenig Bündnisses gilt als wahrscheinlich. „Wenn stärkste Kraft. Auch die SPD bekam einen Motivation, zur Wahl zu gehen.“ Die SPD es möglich ist, wollen wir die Koalition Die Autorin ist Journalistin in Bremen. herben Dämpfer: 5,8 Prozentpunkte weni- habe allein auf die Popularität des Bürger- mit den Grünen fortsetzen“, kündigte Sie- ger als 2011 und das schlechteste SPD-Er- meisters gesetzt. „Das ist nicht aufgegan- ling an, der in der SPD-Bundestagsfraktion gebnis in Bremen seit 1946. Der Bürger- gen“, resümiert Probst. Viele SPD-Wähler Sprecher der Parlamentarischen Linken ist meister zog denn auch die Konsequenz blieben zu Hause. und früher in Bremen Fraktions- und Lan- und verzichtete nach zehn Jahren im Amt Nicht zur Abstimmung gingen aber auch deschef der SPD war. Eine große Koalition auf eine erneute Kandidatur. „Böhrnsen viele Menschen in sozial benachteiligten schloss der Ökonom und Finanzfachmann Weiterführende Links zu den war persönlich zutiefst getroffen“, meint Stadtteilen wie Tenever. Die Sozialstruktur zwar nicht kategorisch aus. Probst rechnet Themen dieser Seite finden der Bremer Politikwissenschaftler Lothar in Bremen ist nach Angaben von Landes- jedoch eher damit, dass Sieling in einem Sie in unserem E-Paper 10 EUROPA UND DIE WELT Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

s werde ein guter Tag für Europa und seine östlichen AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN Partnerländer Ukraine, Georgien, Moldau sowie Ar- menien, Aserbaidschan und UNRWA warnt vor Flüchtlingskrise Belarus. Das hatte die EU-Au- Eßenbeauftragte Frederica Mogherini am MENSCHENRECHTE Der Generalsekretär des Prozent jünger als 25 Jahre seien, nannte Krä- vergangenen Freitag vor Beginn des EU- Ausgebremst Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästi- henbühl einen „Riesendruck“ und warnte vor Osteuropagipfels in Riga versichert. Doch na-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), der Perspektivlosigkeit der Menschen. Er hob ganz so gut wie von manchem Teilnehmer Pierre Krähenbühl, hat vor einer „existenziel- daher auch die Bedeutung der Bildungsarbeit erwartet, lief der Tag dann doch nicht. EUROPA I Die östlichen Nachbarn der EU bekommen len Krise“ der Flüchtlinge in der Region ge- für die Flüchtlinge hervor. So unterhalte Mehrmals hatten führende Politiker der warnt. Als ein Beispiel nannte er in der Sitzung UNRWA, das im Mai seit 65 Jahren in der Re- Ukraine, Georgiens und Moldaus im Vor- zunächst keine Perspektive für einen Beitritt des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- gion arbeite, in seinem Einsatzgebiet rund 700 feld die Erwartung geäußert, die EU möge manitäre Hilfe in der vergangenen Woche die Schulen, um jungen Menschen die Möglichkeit ihnen in der lettischen Hauptstadt bitte ei- Abhängigkeit der Flüchtlinge von Hilfsleistun- zu geben für neun Jahre die Schule zu besu- ne konkrete Beitrittsperspektive eröffnen. gen von UNRWA: Während vor 2007 insge- chen. Ziel von UNRWA sei es, den Flüchtlingen Die im Juni 2014 mit der EU geschlosse- samt 80.000 Menschen in Gaza von UNRWA- zu ermöglichen, „Akteure ihrer eigenen Situa- nen Assoziierungsabkommen sollten Nahrungshilfen abhängig gewesen seien, sei tion“ zu sein. Gleichzeitig erinnerte er daran, „nicht das Endziel unserer Beziehungen ihre Zahl 2014 nach dem Gaza-Krieg auf dass die Problematik palästinensischer Flücht- sein“, hatte etwa die georgische Außenmi- 860.000 Menschen gestiegen, erklärte Krähen- linge bereits seit 67 Jahren bestehe – und es nisterin Tamar Beruchaschwili gefordert. bühl. Problematisch sei auch, dass in dem Ge- bislang weiterhin noch keine Lösung der Doch in der „Erklärung von Riga“, die zum biet noch immer rund 120.000 Personen ob- Flüchtlingsfrage gebe. UNRWA ist ein Hilfspro- Abschluss des Treffens von allen Teilneh- dachlos seien und eine hohe Arbeitslosigkeit gramm der Vereinten Nationen zur Unterstüt- mern verabschiedet wurde, ist von einem herrsche. Die Tatsache, dass von den 1,8 Mil- zung von derzeit rund 5 Millionen palästinen- EU-Beitritt keine Rede. Zu den „europäi- lionen Menschen im Gaza-Streifen rund 65 sischen Flüchtlingen. as T schen Bestrebungen“ der Partner im Osten heißt es darin lediglich, diese würden „an- erkannt“. Dass mehr auch nicht zu erwarten war, hat- te Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) EU-Handel mit Lateinamerika bereits am Vortag in ihrer Regierungserklä- rung vor dem Bundestag betont. „Die Öst- ENTWICKLUNG I Die Fraktion Die Linke ist im ke das Thema Rechtsstaatlichkeit und Korrupti- liche Partnerschaft ist kein Instrument der Vorfeld des EU-Lateinamerika-Gipfels Mitte Juni onsbekämpfung ausblenden würde. Zudem sei Erweiterungspolitik der Europäischen Uni- in Brüssel mit ihrer Forderung nach einer „Neu- aus seiner Sicht auch die Ablehnung des transat- on“, stellte sie klar. „Wir dürfen deshalb ausrichtung der wirtschaftlichen Beziehungen“ lantischen Freihandelsabkommens (TTIP) falsch – keine falschen Erwartungen wecken, die zwischen beiden Kontinenten gescheitert. Einen dieses würde positive Auswirkungen auch für wir dann später nicht erfüllen können.“ entsprechenden Antrag (18/4799) lehnten die Entwicklungs- und Schwellenländer haben. Merkel fügte hinzu, dass die Partnerstaaten Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD ver- Die SPD-Fraktion warf der Linken eine „unkriti- noch „erhebliche Anstrengungen“ unter- gangene Woche im Ausschuss für wirtschaftliche sche“ Haltung gegenüber umstrittenen Regie- nehmen müssten, um die für die Imple- Zusammenarbeit und Entwicklung ab, die Frakti- rungen wie in Venezuela vor, dessen Präsident mentierung der Assozierungsabkommen on Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich. Die Lin- Maduro den „autoritären Stil“ seines Vorgängers notwendigen Reformen umzusetzen. Kon- ke hatte die Bundesregierung unter anderem Chavez fortsetze. Zugleich sprach ein Vertreter kret nannte sie die Stärkung der staatlichen aufgefordert, sich für eine grundsätzliche Neu- der Fraktion von einigen „leeren Versprechen“ Leistungsfähigkeit, die Korruptionsbe- ausrichtung der EU-Handelspolitik gegenüber La- der EU-Freihandelsabkommen: Gewerkschafts- kämpfung sowie die Verbesserung von teinamerika einzusetzen. vertreter beider Kontinente würden kritisieren, Wirtschaftsstruktur und Justizwesen. Eine Vertreterin der Fraktion sprach von einem dass sich mit solchen Abkommen wenig bei den „Umgang auf Augenhöhe“ lateinamerikanischen Arbeitsbedingungen verbessern würde. Auch ein Im Schatten der Krise Der EU-Gipfel in Ländern, deren Regierungen mehr auf soziale Vertreter der Grünen sagte, dass die EU-Freihan- Riga war der vierte seit Gründung der Öst- Gerechtigkeit drängen würden statt dem Kon- delsabkommen „kein Segen“ für die Partnerlän- lichen Partnerschaft im Jahr 2009. Über- zept von freien Märkten und der Privatisierung der sei. Er verwies unter anderem auf das Bei- schattet wurde er vom schwierigen Verhält- der Daseinsvorsorge zu folgen. Ein Vertreter der spiel Perus, das nach Abschluss des Abkommens nis der EU zu Russland. So wehrten sich Unionsfraktion kritisierte daraufhin, dass die Lin- Umweltstandards gelockert habe. ahe T Belarus und Armenien, die nach wie vor engste Beziehungen zu Moskau haben, lange gegen einen Passus im Abschluss- kommuniqué, der Russlands Vorgehen in der Ukraine kritisiert und den Schutz der Landflucht in Ländern des Südens territorialen Unversehrtheit eines jeden Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (li., mit Bundeskanzlerin Angela Merkel) will sein Land in die EU führen. Auf dem Gipfel Landes betont. in Riga stellten die EU-Spitzen jedoch klar, dass er auf einen Beitritt zunächst nicht hoffen kann. © picture-alliance/dpa ENTWICKLUNG II Die Fraktionen von CDU/ entwicklungspolitischen Aktivitäten stärker zu Die Annäherung der Ukraine an die EU CSU und SPD fordern die Bundesregierung auf, bündeln. Als einen Aspekt nachhaltiger Stadtent- hatte 2013 die Maidan-Proteste in Kiew sich im Vorfeld der im Jahr 2016 geplanten UN- wicklung nannte er die „grundbuchliche Siche- und den darauf folgenden Konflikt mit stimmungsrecht der Völker darf durch nie- ßen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, macht und das militärisch stärkste und Gipfelkonferenz „Habitat III“ für nachhaltige rung“ und die Investitionssicherheit . Eine Vertre- Russland angefacht. Trotzdem sollte der manden eingeengt und bedroht werden.“ wie den Klimaschutz oder eine gerechtere größte Land Europas. Ohne Russland sei es Stadtentwicklung umfassend zu „Urbanisierung, terin der SPD-Fraktion betonte, es sei an der Zeit, Gipfel in Riga das politische Signal aussen- Merkel führte die Annexion der Krim und Globalisierung beraten. Dass Russland da- auch „ziemlich albern“ in Elmau über den Kommunal- und Stadtentwicklung“ für die deut- nachhaltige Stadtentwicklung und die Stärkung den, dass die EU die Partnerschaft mit den die „massive Destabilisierung der Ost- ran nicht teilnehmen könne, nannte SPD- Klimaschutz zu reden, konstatierte Gysi. sche Entwicklungspolitik zu positionieren. „Bis kommunaler Selbstverwaltung in der Entwick- Ex-Sowjetrepubliken vertiefen will. Kon- ukraine“ durch Russland als Grund dafür Fraktionschef „be- Ob mit Russland oder ohne – der Grünen- zum Jahr 2050 soll der Verstädterungsgrad auf lungszusammenarbeit voranzubringen, in der die kret zugesagt wurden neue Finanzhilfen, an, dass Moskau wie schon im vergange- dauerlich, aber unvermeidlich“. Moskau Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter äu- 66 Prozent oder um 2,5 Milliarden Menschen ländliche Entwicklung oft im Vordergrund stehe. außerdem sollen Georgien und die Ukrai- nen Jahr nicht an dem bevorstehenden habe die europäische Friedensordnung in- ßerte in seiner Rede ganz grundsätzliche wachsen. 90 Prozent dieses Zuwachses entfällt Die Linke bemängelte, dass die Koalition die Ur- ne bis Jahresende eine „klare Perspektive“ Treffen der sieben führenden Industriena- frage gestellt, weshalb man nicht einfach Bedenken, dass es auf dem G7-Gipfel zu auf asiatische und afrikanische Entwicklungs- sachen für das Anwachsen der Megastädte in für eine Visafreiheit bekommen tionen (G7) teilnehmen werde. Eine Rück- zur Tagesordnung übergehen und so tun tiefgreifenden Beschlüssen kommen wird. und Schwellenländer“, schreiben die Abgeordne- Entwicklungs- und Schwellenländer ausblende Dass sich diese Kooperation nicht gegen kehr zum Format der G8 sei ausgeschlos- könne, „als sei nichts gewesen“. Er warf der Kanzlerin vor „die Tat durch ten in einem Antrag (18/4425), den der Aus- und keinen Zusammenhang zu Fehlentwicklun- Russland richtet, versicherten im Bundes- sen, „solange Russland sich nicht zu den Linken-Fraktionschef warf den Vorsatz, den Inhalt durch die Über- schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und gen der Globalisierung wie Landgrabbing und tag wiederholt sowohl die Kanzlerin als grundlegenden Werten des Völkerrechts Merkel hingegen vor, nicht dem „Mumm“ schrift und die Politik durch PR“ zu erset- Entwicklung vergangene Woche gegen das Vo- fehlende Perspektiven für Kleinbauern herstelle. auch Unionsfraktionschef bekennt“. gehabt zu haben, den russischen Staatschef zen. Dadurch gefährde Merkel „die Lebens- tum der Linksfraktion und bei Enthaltung der Auch die Kritik der Grünen ging in diese Rich- (CDU). Die Länder könnten „in freier Auf dem G7-Gipfel am 7. und 8. Juni im Putin einzuladen. Zudem bezeichnete er es grundlagen für Millionen von Menschen“. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen tung: Bei den Themen Hunger, Vertreibungen, Selbstbestimmung entscheiden, was sie bayrischen Elmau wollen die Staats- und als „naiv“, zu glauben, „dass man ohne Das sah die Kanzlerin naturgemäß anders. hat. Landgrabbing blieben die Forderungen auf sehr gern möchten, und damit auf ein Angebot Regierungschefs von Deutschland, Frank- Russland in der Friedens- und Außenpoli- Sie versprach, in Elmau würden die G7 un- Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion betonte, dass allgemeiner Ebene, auch die Frage eines mögli- der EU zukommen“, erklärte Kauder. Zu- reich, Großbritannien, Japan, USA, Kanada tik vorankommt“. Schließlich sei das Land ter deutscher Leitung „konkrete Fortschrit- es darum gehe, im Vorfeld der Habitat-Konferenz chen Zusammenhangs mit der Handelspolitik des gleich warnte er Moskau: „Das Selbstbe- und Italien über zentrale Fragen der Au- Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, Atom- te“ erzielen. Johanna Metz T „Pflöcke einzuschlagen“ und bereits bestehende Westens werde nicht thematisiert. ahe T

Ja zu Junckers Fonds Noten aus Brüssel EUROPA II Bundestag stellt sich hinter Investitionspläne des EU-Kommissionspräsidenten EUROPA III Kommission sieht Spielraum bei Investitionen in Bildung und Infrastruktur in Deutschland Es soll ein großangelegtes Konjunkturpro- Plan, mit einem „komischen Hebelmechanis- ropäischen Investitionsbank“, über das Geld Der Kommissar sieht viel Licht – aber eben Gerade beim letzten Punkt seien Fort- vestitionen der öffentlichen Hand ins Auge gramm für Europa werden, das ohne neue mus“ auf 315 Milliarden zu kommen sei privater Anleger gesammelt und in „Projekte auch Schatten: „Sehr gut“ sei die Bundesre- schritte zu verzeichnen: Erstmals seit Aus- fassen könne – man dann aber auch wieder Schulden auskommt: Die Fraktionen von „Voodoo-Ökonomie“. Europa brauche viel- mit erhöhtem und hohem Risiko“ investiert publik mit einem strukturell ausgeglichenen bruch der Krise 2008 betrage das Staatsde- in ein „Spannungsverhältnis“ zur Haus- CDU/CSU und SPD machen sich für den ge- mehr einen „Marshall-Plan“ – 500 Milliarden werde. Der Fonds sei zeitlich befristet, zudem Haushalt aufgestellt, wirtschaftlich sei fizit EU-weit weniger als drei Prozent. Der- haltskonsolidierung gerate. Die SPD-Frakti- planten Europäischen Fonds für strategische Euro im Jahr, finanzierbar durch Kredite der würden „Investitionsentscheidungen losge- Deutschland ein „wichtiger Treiber“ in zeit gebe es noch, abgesehen von den on wertete die Brüsseler Empfehlungen als Investitionen (EFSI) stark, mit dem bis 2017 Europäischen Zentralbank und die stärkere löst von regionalen Quoten oder ähnlichen Europa, sagte Pierre Moscovivi, EU-Kommis- Hilfsprogramm-Ländern Griechenland Zeichen eines Abrückens von der Austerität Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Besteuerung von Konzernen und „Superrei- Vorgaben“ getroffen. „Der Staat ist eben nicht sar für Wirtschaft und Währung, vergangene und Zypern, Defizitverfahren im Falle Spa- „hin zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Euro mobilisiert werden sollen. Zu klein sei chen“. der bessere Unternehmer, und er ist auch Woche im Ausschuss für die Angelegenhei- niens, Irlands, Sloweniens, Kroatiens und mehr Investition“ – gab jedoch zugleich zu dieses sogenannte „Juncker-Paket“ , zu mut- Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) machte nicht die bessere Bank“, sagte Groden-Kra- ten der Europäischen Union. Und dennoch Portugals, während die Verfahren gegen Bedenken, dass Deutschland bei den Lohn- los das Agieren Deutschlands – so lautete das deutlich, um welche Art Investitionslücke es nich. gab Moscovici bei der Vorstellung der län- Malta und Polen bald eingestellt werden kosten und beim späteren Renteneintritt be- Urteil der Opposition am vergangenen Don- ihrer Fraktion geht: In der EU würden zwar (Bündnis 90/Die Grünen) derspezifischen Empfehlungen im Rahmen könnten. Frankreich müsse bis Mitte Juni reits eine Menge getan habe. nerstag in der Debatte zum Koalitionsantrag mehr Patente angemeldet als in den USA, für wertete unter anderem die zeitliche Befris- des Europäischen Semesters zu verstehen, Reformpläne für den Defizitabbau vorle- Ein Vertreter der Linksfraktion sagte, dass (18/4929) und zu einem Antrag der Links- die Finanzierung solcher Ideen stünde aller- tung als Zeichen der Mutlosigkeit der Großen dass Deutschland aus Brüsseler Sicht unter gen, Großbritannien habe eine Frist bis Deutschland heute einen der größten Nied- fraktion. Diese hatte ein„sozial-ökologisches dings nur ein Zehntel des Kapitals zur Verfü- Koalition, die diese Befristung überhaupt erst seinen Möglichkeiten bleibe, weil es seine 2017. Sorge bereite der EU-Kommission riglohnsektoren Europas habe. Wenn die Zukunftsinvestitionsprogramm“ im Umfang gung. Der Fonds schließe „eine Finanzie- auf die Tagesordnung gehoben habe. Dabei Spielräume zur stärkeren Konjunkturbele- Finnland, das wegen einer Rezession zur Kommission eine weiteres Drücken der von 500 Milliarden Euro jährlich gefordert. rungslücke in Europa, die nachhaltige und biete der Fonds eine gewaltige „integrations- bung nicht voll ausschöpfe. Zeit ein Staatsdefizit von mehr als drei Pro- Lohnkosten empfehle, gehe das auch zu Joachim Poß (SPD) machte deutlich, dass tragfähige Investitionen bisher verhindert“. politische Chance“, weil er sich mit seiner zent aufweise und dessen Staats schulden Lasten der Binnennachfrage. Die Grünen das Investitionsniveau in der EU heute 15 Groden-Kranich betonte die „klare ordnungs- Förderung von „Projekten mit europäischem Investitionspaket Moscovici begrüßte die bei mehr als 60 Prozent des BIP liegen kritisierten, dass die Bundesregierung bis- Prozent unter dem des Jahres 2007 liegen politischen Linie“ des Vorhabens. Über den Mehrwert“ außerhalb der bisherigen EU-Lo- Ankündigung der Bundesregierung, ein In- würden. lang nur einen Bruchteil der Empfehlungen würde. „Wir brauchen mehr Investitionen in Fonds würden keine Subventionen ausge- gik stelle, „dass ein Staat wieder so viel he- vestitionspaket in Höhe von zehn Milliar- Die CDU/CSU-Fraktion wies in der Diskus- im Rahmen des Europäischen Semesters Europa“, sagte Poß, diese Einsicht sei mittler- reicht, er sei vielmehr eine Art „Konto der Eu- rausbekommen möchte, wie er eingezahlt den Euro bis 2018 und weitere fünf Milliar- sion mit Moscovici darauf hin, dass die umgesetzt habe. Brüssel müsse mit mehr weile Konsens. Es gehe nun darum, den von hat“. den Euro für Kommunen aufzulegen. Die Bundesregierung zwar mehr als die ange- Nachdruck auf die Umsetzung der Empfeh- EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Der Antrag der Koalition wurde bei Enthal- Kommission habe aber auch mit Blick auf kündigten zusätzlichen 15 Milliarden an In- lungen dringen. ahe T Juncker initiierten Fonds so schnell wie tung der Grünen und gegen die Stimmen der den deutschen Exportüberschuss den Ein- möglich auf den Weg zu bringen: „Ein Jahr > STICHWORT Linken angenommen. Union und SPD unter- druck, dass die größte Volkswirtschaft nach der Europawahl müssen wir jetzt vom stützen das Ziel des Fonds, „Investitionen in Europas mehr für die Binnennachfrage tun Reden und Verhandeln zum Handeln kom- Fonds für strategische Investitionen strategisch wichtigen Zukunftsfeldern mit eu- und mehr in Infrastruktur, Bildung und For- men.“ Es dürfe in den Krisenländern nicht ropäischem Mehrwert zu ermöglichen wie schung investieren sollte. Zudem empfehle zu einer verlorenen Generation kommen, > Ziel Der EU-Fonds soll mit einem Eigen- beispielsweise Bildung, Forschung, Verkehrs- die EU-Kommission, im Bereich des Arbeits- sagte Poß mit Blick auf die hohe Jugendar- kapital in Höhe von 21 Milliarden Euro und Telekommunikationsinfrastruktur und marktes Akzente zu setzen, für einen späte- beitslosigkeit im Süden Europas. ausgestattet werden und zwischen 2015 dem Energiesektor einschließlich erneuerbare ren Renteneintritt etwa und für weniger (Die Linke) bezeichnete und 2017 vor allem privates Investitio- Energien und Energieeffizienz“. Gleichzeitig Steuern und Abgaben für Geringverdiener. den Juncker-Plan als „Tropfen auf den hei- nen in Höhe von mindestens sollen Kapitalengpässe und Marktversagen Moscovivi sprach von einer drohenden „In- ßen Stein“. Er rechnete vor, dass innerhalb 315 Milliarden Euro mobilisieren. für die Finanzierung kleiner und mittlerer vestitions-Lücke“ in Europa. Die Investitions- der EU eine Investitionslücke von rund 430 Unternehmen vermindert werden. rate liege heute 15 Prozent niedriger als im Milliarden Euro pro Jahr klaffen würde. Der > Projekte Die Mittel sollen nach Anga- Die Linksfraktion scheiterte mit ihrer Initiati- Jahre 2007, andere große Volkswirtschaften ben der Kommission in tragfähige Pro- ve für ein Programm in Höhe von 500 Milli- wie die USA hätten dieses Problem nicht. jekte mit echtem Mehrwert für die EU arden Euro am Votum von CDU/CSU, SPD Die Kommission versuche mit dem geplan- fließen. Dazu zählt sie Investitionen in und Grünen. Die Fraktion hatte unter ande- ten Europäischen Fonds für strategische In- Breitband- und Energienetze sowie in rem gefordert, den EFSI zurückzuziehen, weil vestitionen (EFSI) gegenzusteuern (siehe Bei- Aus- und Fortbildung, Forschung und In- er eine „konzeptionslose Mobilisierung pri- trag links), ohne dabei den Kurs der Struk- Weiterführende Links zu den novation. Themen dieser Seite finden vaten Kapitals nach dem Vorbild der zu Recht turreformen und der Haushaltskonsolidie- EU-Währungskommissar Pierre Moscovici (links) mit dem Vorsitzenden des Europaaus- Sie in unserem E-Paper kritisierten PPP-Modelle vorsieht“. ahe T rung aufzugeben, sagte Moscovici. schusses (CDU). © Deutscher Bundestag/Achim Melde Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 EUROPA UND DIE WELT 11

Treffen mit al-Sisi abgesagt

ÄGYPTEN Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat ein für Anfang Juni ge- plantes Treffen mit dem ägyptischen Staats- präsidenten Abdel Fattah al-Sisi abgesagt. In einem Schreiben an den ägyptischen Bot- schafter in Berlin begründete Lammert dies vergangene Woche mit der aktuellen Ent- wicklung in dem arabischen Land. „Statt der seit langem erwarteten Terminierung von Parlamentswahlen erleben wir seit Monaten eine systematische Verfolgung oppositionel- ler Gruppen mit Massenverhaftungen, Verur- teilungen zu langjährigen Haftstrafen und ei- ner unfassbaren Anzahl von Todesurteilen, darunter der ehemalige Parlamentspräsident Katatni“, heißt es in dem Schreiben Lam- merts. Angesichts dieser Situation, die weder zur inneren Befriedung des Landes noch zu einer demokratischen Entwicklung beitrage, sehe er derzeit für ein Gespräch mit Präsi- dent al-Sisi keine Grundlage. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält unterdessen an ihrem geplanten Treffen mit al-Sisi fest. Die Einladung für Anfang Juni nach Berlin gelte weiter, sagte Regierungs- sprecher Steffen Seibert vergangene Woche. Ägypten sei ein „unheimlich wichtiger Ak- teur im arabischen Raum“ und könne zur Stabilisierung beitragen, etwa im Nahost- Konflikt. Die Bundesregierung wolle den Ge- sprächsfaden weiterspinnen. Al-Sisi, einst Oberbefehlshaber der ägypti- schen Streitkräfte, ging 2014 aus der Präsi- dentschaftswahl als Sieger hervor. Vorausge- gangen war 2013 ein Militärputsch gegen den 2012 gewählten Präsidenten Mohammed Mursi. Ein Gericht in Kairo hat Mursi jüngst wegen Spionage zum Tode verurteilt, das Ur- Mitarbeiter der „Migrant Offshore Aid Station“ (MOAS), einer privaten Hilfsorganisation aus Malta, werfen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer Wasserflaschen zu. © picture-alliance/dpa teil ist noch nicht rechtskräftig. DP/dpa T

Mexiko-Vertrag bleibt

Einer trage des anderen Last MENSCHENRECHTE Die Opposition ist mit mehreren Anträgen zu Sicherheitsabkom- men mit Mexiko gescheitert. In einem der FLÜCHTLINGE EU-Parlamentarier fordern mehr Solidarität und eine faire Lastenverteilung in Europa Anträge (18/3548) hatte die Fraktion Die Linke gefordert, die Verhandlungen für ein geplantes Sicherheitsabkommen zwischen ie Kommission fordert der EU und den betroffenen Mittelmeeran- urteile jene Länder, die sagen, dass sie soli- tät zerstören wir nicht mit Militäraktionen“, wanderung vorgeht. Ähnlich äußerte sich Mexiko und der Bundesregierung vorerst mehr Solidarität der Eu- rainern“ fair zu verteilen darisch handeln wollen, aber die Quote sagte sie. So würde das Problem nur vom Marine Le Pen vom Front National. Die auszusetzen. Die Fraktion Bündnis 90/Die ropäer in der Flücht- Insgesamt sollen nach dem Kommissions- ablehnen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Mittelmeer weg und hinter die libysche Flüchtlingspolitik sei ein „Angriff auf das Grünen hatte sich in ihrem Antrag (18/ lingspolitik ein – und ei- vorschlag zur Quotenregel in den kom- der Liberalen, der Belgier Guy Verhofstadt Grenze verlagert. französische Volk.“ 3552) auf den Fall Iguala bezogen und die ne Mehrheit im Europa- menden zwei Jahren bis zu 20.000 schutz- in Anspielung auf Paris. Bemerkenswert waren einige Zwischentöne Zusammenarbeit Deutschlands mit mexi- parlament stellt sich hin- bedürftige Migranten aufgenommen wer- „Beugen Sie sich nicht der Erpressung je- Schlepper Die Kommission betrachte Mi- in der Debatte. So monierte Verhofstadt, kanischen Sicherheitsbehörden als proble- Dter sie: Die Regierungen der EU-Staaten den. Großbritannien, Frankreich, Spanien ner, die Angst verbreiten wollen“, forderte gration vor allem unter sicherheitspoliti- dass die EU keine Antworten auf die Krise matisch bezeichnet. Zudem wurde ein wei- müssen ihre Blockade in der Migrationspo- und Polen haben jedoch bereits signali- der Chef der sozialdemokratischen Frakti- schen und ökonomischen Aspekten, sagte in Libyen und anderen afrikanischen Län- terer Antrag der Grünen (18/3553) abge- litik aufgeben und eine sichere Aufnahme siert, dass sie den Vorschlag ablehnen. on, der Italiener Gianni Pitella. Der Vor- Zimmer. Im Vordergrund müssten aber hu- dern habe. Mehrere Abgeordnete wiesen da- lehnt, in dem höhere Standards für Sicher- und faire Verteilung der Flüchtlinge ermög- Auch in Ungarn, Tsche- schlag der Kommission ent- manitäre Erwägungen stehen. Mit dieser rauf hin, dass ihre jeweiligen nationalen heitsabkommen gefordert wurden. lichen. Dies forderten führende Europaab- chien und den baltischen halte alle Antworten, Ansicht stand die Linke in der Aussprache Systeme schon jetzt überfordert seien – et- In der Debatte am vergangenen Donners- geordnete vergangene Woche in einer Aus- Ländern gibt es massive Europa müsse nun schnell jedoch ziemlich allein. Sogar der Sozialde- wa in Frankreich, Tschechien oder Kroatien. tag räumte (SPD) ein, sprache des Europaparlaments in Straß- Vorbehalte. »Ich verurteile handeln. mokrat Pitella forderte, die Schleppernetze Der Widerstand gegen die von der EU- dass die Anträge der Opposition „durchaus burg. Zuvor hatte die EU-Kommission ihre Der Fraktionsvorsitzende Länder, die sich Grüne und Linke äußerten zu zerstören und „keine Schüchternheit“ Kommission geforderte Quotenregelung Wichtiges und Richtiges“ enthielten, ihre „Agenda für Migration“ vorgestellt. der konservativen EVP- sich hingegen skeptisch. an den Tag zu legen. Auch die CSU-Abge- reicht also bis ins Parlament hinein. Ohne Forderungen für Sicherheitsabkommen Fraktion, Manfred Weber solidarisch Die Kommissionsagenda ordnete Monika Hohlmeier sprach sich für die Quote bleibt die Migrations-Agenda je- „schießen jedoch über das Ziel hinaus“, Quotenregel Der Vorschlag aus Brüssel (CSU), begrüßte den Vor- geben, aber die sei nicht vollständig, denn „gezielte militärische Aktionen“ aus. Zu- doch Stückwerk, wie der CDU-Abgeordne- kritisierte sie. Egon Jüttner (CDU/CSU) sieht eine Quote zur Verteilung der Flücht- schlag der Kommission. Es sie klammere die Reform dem müsse die EU ein effizientes Rückfüh- te Elmar Brok betonte. „Es muss alles ge- verteidigte das geplante Sicherheitsabkom- linge auf alle EU-Länder vor. Sie käme Län- gebe in seiner Fraktion Quote ab- der Dublin-Regeln aus, kri- rungsprogramm auf den Weg bringen. Da- macht werden: gerechte Verteilung, Kampf men und erklärte, dass Mexiko „Hilfe be- dern wie Deutschland und Schweden entge- zwar noch viele Diskussio- lehnen.« tisierte Judith Sargentini für setzt sich auch Weber ein: „Wir müssen gegen Schmuggler, Hilfe für Libyen“, be- nötigt bei der Bekämpfung von Unrecht, gen, die bisher die Hauptlast der ungesteu- nen, doch die Richtung von den Grünen. Bislang das Recht auf Abschiebung durchsetzen, tonte er. Kriminalität, Straflosigkeit und Korrupti- erten Einwanderung nach Europa tragen. stimme: „Wir brauchen eu- Guy Verhofstadt (Liberale) müssen alle Flüchtlinge sonst verlieren wir das Vertrauen der Bür- Angesichts der Blockadehaltung vieler on“. Hans-Christian Ströbele (Bünd- Auch Italien, Malta und Griechenland, wo ropäische Antworten“, be- nach der Dublin-Verord- ger in den Rechtsstaat.“ EU-Staaten könnte beim EU-Gipfel im Ju- nis90/Die Grünen) sagte dazu: „Man muss die meisten „Boat People“ anlanden, wür- tonte der Chef der größten nung in dem Land Asyl be- Den Rechtspopulisten im Europaparla- ni jedoch zunächst nur der Militäreinsatz einfach zur Kenntnis nehmen, dass Polizei, den entlastet. Auch Bundestagspräsident Fraktion. Scharfe Kritik übte Weber dage- antragen, in dem sie ankommen. Dies trifft ment geht das alles noch nicht weit genug. beschlossen werden. „Dies war eine äu- Justiz und Militär unzuverlässig sind.“ Dies Norbert Lammert (CDU) hatte im Rahmen gen am Rat, der Vertretung der Mitglieds- vor allem Mittelmeer-Anrainer. „Wir disku- Nachdem er mehrfach wegen seiner Wahl- ßerst wichtige Aussprache“, fasste Zanda gelte nicht für alle, aber es sei unvermeid- der Parlamentarischen Versammlung der staaten. Dort werde eine „kleinkrämerische tieren über 20.000 Neuansiedlungen, doch niederlage in Großbritannien attackiert Kalnina-Lukasevica vom lettischen Rats- bar, dass damit auch „Hilfen in die fal- Union für den Mittelmeerraum in Lissabon Debatte“ geführt, es gebe zu viele „Neinsa- es gibt allein vier Millionen Flüchtlinge aus worden war, ging UKIP-Chef Nigel Farage vorsitz zusammen. „Es wird nicht einfach schen Hände kommen“. Heike Hänsel (Die Anfang Mai dafür geworben, die mit der hu- ger“. Er hoffe, dass die Widerstände gegen Syrien“, ergänzte Ska Keller (Grüne). zum Gegenangriff über: Von der Migrati- sein, sich zu einigen“, fügte sie vieldeutig Linke) kritisierte, dass G36-Gewehre nach manitären Krise im Mittelmeerraum ver- eine Flüchtlings-Quote bis zum EU-Gipfel Massive Kritik am geplanten Militäreinsatz ons-Agenda gingen „große Gefahren“ aus, hinzu. Eric Bonse T Mexiko exportiert worden seien. Dafür bundenen „ökonomischen Lasten wie poli- im Juni überwunden werden können. gegen Schlepper äußerte Gabi Zimmer, die da sich unter den Flüchtlingen auch Terro- müsse die Bundesregierung die Verantwor- tischen Anstrengungen sowohl innerhalb Ähnlich äußerten sich die Redner der Sozi- Fraktionschefin der Linken. „Die Geschäfts- risten befänden. Besser wäre das australi- Der Autor berichtet als freier tung übernehmen. as T der EU als auch zwischen den Mitgliedern aldemokraten und der Liberalen. „Ich ver- grundlage organisierter Schlepperkriminali- sche System, das rigoros gegen illegale Ein- Korrespondent in Brüssel.

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Heimatlose ohne Hoffnung 5

Ausgabe 2015

Kürschners Handbuch Kürschners Handbuch ROHINGYA Grüne scheitern mit Antrag gegen Menschenrechtsverletzungen an bedrohter Minderheit in Myanmar Ausgabe 2015 Ausgabe 2015

alt, Finanzen Sie können kurzfristig Hoffnung schöpfen, flohen 2014 mehr als 25.000 Rohingya aus folgt, vertrieben, vergessen – Völkermord tisch darauf reagiert werden sollte. Viele wandert“, erklärte er. Seine Fraktion sprach Gesundheit Haushalt, Finanzen aber ihr Leiden ist nicht beendet: Seit Wo- Myanmar und Bangladesch – bis zum an den Rohingya verhindern“ auf das Menschen hätten bis vor kurzem „über- sich bei der Abstimmung jedoch, ebenso Politikkontakte Bund·Land·EuropaPolitikkontakte Bund·Land·Europa chen harren mehr als 7.000 Bootsflüchtlin- März 2015 waren es bereits doppelt so vie- Schicksal dieser bedrohten Volksgruppe haupt nichts von der Existenz, geschweige wie die SPD-Fraktion, gegen den Antrag ge – entkräftet und ohne ausreichend Was- le. Noch lange bevor das Flüchtlingsdrama aufmerksam machte. Bei der Debatte am denn von der besorgniserregenden Situati- der Grünen aus. „Auch wenn die Situation ser und Nahrung – auf völlig überfüllten in Südostasien durch die Bilder in den Me- vergangenen Donnerstag im Bundestag on dieser 1,4 Millionen Menschen in Süd- der Rohingya verheerend und durch nichts Booten im südostasiatischen Meer aus. Ei- dien große Betroffenheit auslöste, hatte die wurde die große Sorge über die Situation ostasien gewusst“, sagte Angelika Glöckner zu entschuldigen ist, warne ich davor, sol- nige Boote hatten sogar das rettende Ufer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sep- der Rohingya von allen Fraktionen geteilt. (SPD). Sie erläuterte, warum diese musli- che Geschehen vorschnell als Völkermord in Indonesien erreicht, waren dann aber tember 2014 einen Antrag (18/2615) ein- Unterschiedlich bewertet wurde allerdings mische Minderheit seit Jahren unter Verfol- einzustufen.“ Die Bundesregierung sei be- wieder von der Küstenwache mit neuem gebracht, in dem sie unter dem Titel „Ver- von Regierung und Opposition, wie poli- gung und Menschenrechtsverletzungen kannt dafür, Menschenrechte überall dort Proviant aufs offene Meer in Richtung Ma- und damit Perspektivlosigkeit zu leiden zu thematisieren, wo dies notwendig sei, Kürschners Kürschners laysia zurückgeschickt worden. Ein Groß- habe. „Den Rohingya wird noch immer die „und das meist mit Erfolg“, sagte er. Handbuch Handbuch teil der „Boatpeople“ sind muslimische Staatsbürgerschaft Myanmars und damit Die SPD begründete ihre Ablehnung da- Gesundheit Haushalt, Rohingya, die wegen Menschenrechtsver- die Teilhabe an grundlegenden Rechten mit, dass sie sich mit ihren Schwesterpar- Ausgabe 2015 Finanzen letzungen aus Myanmar geflohen sind, an- verwehrt“, berichtete sie. teien im Europäischen Parlament für ei- 504 Seiten, Broschur Ausgabe 2015 EUR 39,80 dere Flüchtlinge der Volksgruppe kommen (Die Linke) warnte, dass die Flüchtlinge oft ne gemeinsame Resolution einsetze. Als 620 Seiten, Broschur ISBN 978-3-87576-768-1 aus Bangladesch. Nach internationalen ein noch schrecklicheres Schicksal erwarte: Europäer müsse man „gemeinsam agie- EUR 39,80 Protesten hatten Malaysia und Indonesien „In Thailand fallen sie skrupellosen Men- ren und mit gemeinsamer Stimme spre- ISBN 978-3-87576-769-8 sich in der vergangenen Woche bereit er- schenhändlern in die Hände, die sie als Ar- chen“, sagte Angelika Glöckner. Tom klärt, die Flüchtlinge für ein Jahr befristet beitssklaven ausbeuten; viele Flüchtlinge Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) ent- Über 400 Fachpolitiker aus Bund, aufzunehmen. Thailand weist die geflüch- bezahlen das mit ihrem Leben.“ Nach Mei- gegnete auf die Kritik der CDU/CSU: „In Ländern und Europa teten Menschen weiterhin zurück. In den nung der Vereinten Nationen, sagte Bernd dem Antrag steht nicht, dass ein Völker- Übersichten der Fachausschüsse in den Parlamenten und Abteilungen letzten Monaten hat sich die Flüchtlings- Fabritius (CSU), gelten die Rohinya „als mord passiert, sondern dass man ihn in den Ministerien krise weiter zugespitzt: Nach Angabe des die am meisten verfolgte Minderheit der verhindern muss.“ Davor habe bereits Namen und Kontaktdaten der UN-Flüchtlingshochkommissars (UNHCR) Welt“. Im buddhistisch geprägten Myan- vor einem Jahr der Sonderberater des zuständigen Ansprechpartner mar mit 135 ausgewiesenen Minderheiten, Generalsekretärs der Vereinten Nationen würden die eine Million Rohingya nicht für die Verhütung von Völkermord, Ada- als solche anerkannt und wie Rechtlose be- ma Dieng, gewarnt. Gleichzeitig räumte Kürschners handelt. „Der Ursprung dieser Ausgren- er ein. „Ja, wir können dort nicht sehr Politikkontakte Hauptstraße 74 zung liegt unter anderem in der Behaup- viel tun. Wir können im Mittelmeer sehr E-Mail [email protected] 53619 Rheinbreitbach Weiterführende Links zu den Datenbank www.kuerschner.info Telefon 02224 3232 Themen dieser Seite finden Protest in Malaysia vor der Botschaft von Myanmar gegen Menschenrechtsverletzungen tung, die Rohingya seien nicht in Myanmar viel mehr tun. Was wir aber tun können, Shop www.ndv.info/buchshop Telefax 02224 78639 Sie in unserem E-Paper an der Rohingya-Minderheit © picture-alliance/dpa beheimatet, sondern aus Bengalen einge- das sollten wir auch tun.“ Annette Sach T 12 EUROPA UND DIE WELT Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Piratenjagd geht weiter

SOMALIA Die Bundeswehr wird sich auch in den kommenden zwölf Monaten an der EU- Mission Atalanta zur Bekämpfung der Pira- terie vor der Küste Somalias beteiligen. In namentlicher Abstimmung entschied sich der Bundestag vergangenen Donnerstag für die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/4964), den Antrag der Bun- desregierung (18/4769) zur Verlängerung des Mandats anzunehmen. Im Verlauf der Debatte hieß es von Seiten der Koalition sowie der Grünen, der Atalan- ta-Einsatz sei ein Erfolg. Die Linksfraktion vermochte sich dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Keine noch so große Kriegs- flotte könne die Piraterie nachhaltig be- kämpfen, sagte (Die Linke). Piraterie sei ein Ausdruck von Verarmung und Rechtlosigkeit. Statt dagegen anzuge- hen, gehe es der Bundesregierung bei dem Einsatz um Rohstofflieferungen, den Welt- handel und die Absatzbedingungen für eu- ropäische Produkte. kritisierte sie. Die Atalanta-Mission sei eine humanitäre Verpflichtung, entgegnete (CDU). „Ich finde es überhaupt nicht ver- werflich sondern richtig, dass wir auch am Horn von Afrika unsere Interessen schützen und vertreten“, betonte der Unionsabgeord- nete. Als drittgrößte Exportnation der Welt habe Deutschland nun mal ein Interesse an sicheren See- und Handelswegen. Dagmar Freitag (SPD) erinnerte daran, dass seeräuberische Überfälle und Entführungen vor der Küste Somalias lange Zeit an der Ta- gesordnung gewesen seien. Seit dem Beginn Wahlkampfveranstaltung der AKP in Istanbul: Bei der vergangenen Parlamentswahl errang die Partei mit 318 von insgesamt 548 Sitzen im türkischen Parlament die absolute Mehrheit. © picture-alliance/dpa der Atalanta-Mission im Jahr 2013 habe es jedoch nur noch vier Angriffe gegeben, die allesamt erfolglos geblieben seien. „Das ist ein Erfolg der Operation Atalanta“, schluss- folgerte sie. Diese Bewertung teilte Doris Wagner (Grü- ne). Zugleich kritisierte sie, dass die Bundes- regierung sich auf EU-Ebene dafür einsetze, Länder wie Somalia mit Waffen auszustat- Auf Messers Schneide ten. hau T TÜRKEI Die AKP ist klarer Favorit der Wahlen am 7. Juni, könnte aber die absolute Mehrheit verlieren

b in den vergangenen Streiks in der türkischen Industrie, die das kaum berichtet wurde, da viele Zeitungen Parlament versucht die HDP nun zu ge- meist im Staatsfernsehen in voller Länge Kein einfaches Jahren ein Parlament, ohnehin nie zutreffend gewesene Bild des und Sender den bestreikten Konzernen winnen, indem sie außerhalb ihrer Hoch- übertragenen Reden nicht gefolgt. Zwei neue Gemeinderäte scheinbar unaufhaltsamen ökonomischen oder deren Geschäftspartnern gehören. Für burgen im kurdisch geprägten Südosten Mitglieder des Rates, die eine Verletzung Verfahren oder wie im Sommer Aufstiegs der Türkei erschüttern. die AKP kommen die Arbeitskämpfe mit- des Landes im Westen der Türkei sowie in der Amtspflichten erkannt haben wollten, vergangenen Jahres ein Die glitzernde Fassade des türkischen Wirt- ten im Wahlkampf zur Unzeit. Zentralanatolien um linke und andere un- konnten sich nicht durchsetzen. Erdogan LIBERIA Statt im vereinfachten Verfahren, Staatspräsident gewählt schaftswachstums hat in den vergangenen Die Hauptgegner, auf die es Staatspräsi- zufriedene Wähler wirbt, die sich von kei- sagte auf einer Wahlveranstaltung unver- wie von der Bundesregierung geplant, hat wurde,O stets standen in der Türkei die Sie- Jahren immer deutlichere Risse bekom- dent Erdogan, Regierungschef Ahmet Da- ner maßgeblichen Partei repräsentiert se- drossen: „Ich halte die gleiche Distanz zu der Bundestag vergangenen Donnerstag in ger schon fest, bevor die erste Stimme ge- men. Das Grubenunglück von Soma, bei vutoglu und andere AKP-Politiker im hen. Erdogan sieht durch den möglichen allen Parteien ein. Aber jeder hat eine Par- namentlicher Abstimmung den Einsatz zählt war: Die ,,Partei für Gerechtigkeit dem im Mai 2014 mehr als 300 Bergarbei- Wahlkampf abgesehen haben, sind jedoch Erfolg dieser Strategie die absolute Mehr- tei in seinem Herzen, und auch in meinem von maximal fünf Bundeswehrangehörigen und Entwicklung“ (AKP) und ihr langjäh- ter ihr Leben verloren, warf ein grelles nicht streikende Arbeiter, heit der AKP gefährdet und ist eine. Aber ich würde ihren Namen nicht im Rahmen der UN-geführten Militärmis- riger Vorsitzender Recep Licht auf die Zustände hin- sondern die ,,Demokrati- überschüttet die HDP da- auf Kundgebungen nennen.“ sion in Liberia (UNMIL) beschlossen Tayyip Erdogan, seit 2014 ter dieser Fassade: Schlech- sche Partei der Völker“ her auf seinen Wahlkampf- Ob Erdogans Wahlkampfhilfe der AKP (18/4768, 18/4965). Die Linksfraktion, das erste direkt gewählte te Arbeitsbedingungen, (HDP). Mit der Frage, ob Hauptgegner veranstaltungen mit Kritik hilft und dazu beiträgt, die HDP unter die die bei der Abstimmung den Einsatz ge- Staatsoberhaupt der Türkei, Die glitzernde mangelnde Sicherheitsvor- der HDP der Sprung über und Häme – auf Wahl- Zehn-Prozent-Marke zu drücken, ist unge- schlossen ablehnte, hatte sich im Vorfeld setzten sich durch. Bei der Fassade des kehrungen, ungeregelte Ar- die undemokratisch hohe Erdogans sind kampfveranstaltungen wiss. Zudem könnten mehr als 100 gewalt- gegen die Anwendung des vereinfachten türkischen Parlamentswahl beitszeiten und oft sehr Hürde zum Parlamentsein- nicht wohlgemerkt, die er eigent- same Übergriffe auf HDP-Büros und Wahl- Verfahrens gewehrt, das laut Parlamentsbe- am 7. Juni hingegen wird türkischen niedrige Löhne bestimmen zug gelingen wird (in der lich gar nicht abhalten stände in den vergangenen Wochen, be- teiligungsgesetz möglich ist, wenn es sich die AKP zwar wiederum die Wirtschafts- nicht nur in türkischen Türkei gilt immer noch die streikende dürfte. Als Staatspräsident gangen von unbekannten Tätern, der ange- um Einsätze „von geringer Intensität und meisten Stimmen erhalten, Bergwerken, sondern auch Zehn-Prozent-Klausel, de- Arbeiter, ist Erdogan laut Verfassung griffenen Partei womöglich mehr nutzen Tragweite“ handelt. doch womöglich ihre abso- wachstums auf vielen Baustellen und ren Abschaffung die AKP nämlich zur Überpartei- als schaden. Umfrageinstitute sagen, je Es sei richtig, dass ihre Fraktion darauf ge- lute Mehrheit verlieren. hat Risse Fabriken das Bild. Zwar ha- einst versprochen hatte) sondern lichkeit verpflichtet. Doch nach Auftraggeber, einen Erfolg oder ein drängt habe, den Einsatz „im Licht der Öf- Dann müsste die Partei ben die Türken insgesamt steht und fällt alles in die- die HDP. daran hält sich der mäch- Scheitern der HDP voraus. Kommt die fentlichkeit zu beraten“, sagte Sevim Dag- erstmals seit ihrer Grün- bekommen. von dem Wirtschaftswachs- sem Wahlkampf. Sollte die tigste Mann des Landes HDP ins Parlament, wird sich die AKP wo- delen (Die Linke) und warnte vor der dung formal eine Koalition tum ihres Landes profitiert, riskante Strategie der HDP nicht, er ignoriert die Be- möglich in der für sie neuen Disziplin von „Aushöhlung des Parlamentsbeteiligungs- bilden und die Macht tei- und es geht ihnen heute im unter Führung ihres charis- schwerden der Opposition. Koalitionsverhandlungen üben müssen. gesetzes durch die sogenannte Parlaments- len – das wäre in jedem Fall eine Zäsur in Durchschnitt besser als vor einem Jahr- matischen Vorsitzenden Selahattin Demir- Formal sind seine Auftritte Teil eines präsi- Als wahrscheinlichster Partner in einem kommission“. Diese gewähre den Abgeord- der Türkei des Recep Tayyip Erdogan. zehnt. Doch der Aufschwung ist zumindest tas aufgehen, ist es durchaus möglich, dass dialen Pflichtprogramms: Erdogan eröffnet solchen Fall gilt die „,Partei der Nationalis- neten noch nicht einmal Einsicht in ihre Drei Ereignisse ragen aus dem türkischen partiell durch eine (weitere) Aushöhlung die AKP ihre absolute Mehrheit verliert. Brücken, Sozialbauten und Krankenhäuser, tischen Bewegung“ (MHP), eine dezidiert Unterlagen. (CDU) Wahlkampf heraus: Die Übergriffe gegen der Arbeitnehmerrechte erkauft worden – Scheitert die HDP, käme Erdogan dagegen um nebenbei politische Reden zu halten kurdenfeindliche Kraft. Ausgerechnet warf der Linksfraktion vor, sich selbst aus- die vor allem von Kurden, immer stärker und das ist dieser Tage, gegen den Willen seinem Traum einer Umwandlung der Tür- und für die Einführung eines Präsidialsys- die türkischen Ultranationalisten könnten zugrenzen. „Hätten Sie doch bei der Kom- aber auch von einem Teil der türkischen der AKP, zum Wahlkampfthema geworden. kei in ein autokratisches Präsidialsystem tems zu werben. Mehr als ein Dutzend sol- damit von einem Erfolg der HDP profitie- mission mitgemacht und sich bei der Erör- Linken unterstützten ,,Demokratischen In Bursa, dem Zentrum der türkischen Au- ein großes Stück näher. Es steht auf Messer cher Großkundgebungen hat der heimli- ren. Michael Martens T terung der Fragen der Verbesserung und Partei der Völker“, die dubiose Rolle das tomobilindustrie, hat sich die aufgestaute Schneide. Das Potential einer rein kurdi- che AKP-Chef in den vergangenen Wochen Stärkung der Parlamentsrechte, beteiligt“, formal zur Überparteilichkeit verpflichte- Wut über mit Konzernlenkern verbandelte schen Klientelpartei liegt bei etwa sieben, absolviert, auch im Ausland. Die elf Mit- Der Autor ist Korrespondent der sagte er. . hau T ten Staatspräsidenten Erdogan in der Kam- Gewerkschaften in Streiks entladen, über höchstens acht Prozent der Stimmen. Die glieder des Hohen Wahlrats sind opposi- „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. pagne der AKP sowie eine Welle von die in türkischen Massenmedien zunächst fehlenden Stimmen zum Einzug in das tionellen Beschwerden über Erdogans

Anzeige Werben um Stimmen aus Deutschland VOR DER WAHL Derzeit leben hier 1,4 Millionen wahlberechtigte Deutsch-Türken. Sie könnten entscheidend für den Wahlausgang sein

„Diesmal sind Sie wahlentscheidend! Bis- rekt antreten. Bislang war die überwiegend die HDP punktet in Deutschland besser kampf als bisher. Die Chefs der CHP und neuen Türkei in Deutschland. „Sie sind die her traten wir nicht als Partei an und durf- von Kurden unterstützte Partei aus takti- als in der Heimat: Mit 14 Prozent rangiert der nationalistischen MHP gingen auf neuen Alperen“, reif er. So wurden die Wer hat ten deshalb nie auf Ihre Stimme zählen“, schen Gründen nur mit „unabhängigen“ sie in der Wählergunst gleich hinter der Stimmenjagd im Ruhrgebiet. Doch es ist kämpfenden türkischen Derwische ge- noch Platz für ruft Selahattin Demirtas Ende März in ei- Kandidaten und lediglich in der Türkei an- sozialdemokratischen CHP, die auf etwa Erdogans AKP, die zittern muss. Das ist nannt, die den Besatzerarmeen der Osma- ein Gedeck? nem Berliner Hotelsaal den Zuhörenden getreten, um die Zehn-Prozent-Hürde zu 17 Prozent kommt. neu. Bislang erhielt sie, sekundiert durch nen den Weg nach Europa ebneten. Doch zu. Damit eröffnet er den Wahlkampf sei- unterlaufen. Doch nun versucht sie sich Diese neue politische Gemengelage unter gut organisierte Moscheevereine und der Erdogan fuhr noch größere Wahlkampfge- ner „Partei der Demokratischen Völker“ dem „Westen“, also den Türken, zu öff- den Deutsch-Türken nötigt die anderen finanzstarken Union Europäisch-Türki- schütze auf. „Wir sind nicht mit Unterstüt- (HDP) im Ausland. „Gehen Sie hier dis- nen. Das eröffnet ihr eine reale Chance, Parteien nun zum noch aktiveren Wahl- scher Demokraten (UETD) von Deutsch- zung bewaffneter Organisationen an die zipliniert zur Urne, den Rest erledigen direkt ins Parlament gewählt zu werden. Türken zuverlässig hohe Prozentpunkte. Macht gekommen“, sagte er, „aber jetzt Bereichern Sie Ihr Familien- wir!“, trägt er ihnen auf und rund Tau- Dazu muss die HDP einen Prozentpunkt Da die HDP die Wählenden aufzumischen wollen einige mit Unterstützung bewaffne- leben durch ein internationales send Anhänger jubeln. Der kurdische Po- gewinnen, den die Wählenden im Ausland droht, musste diesmal die AKP-Führungs- ter Organisationen etwas bewegen“. Damit Mitglied auf Zeit! litiker kandidierte bereits bei der türki- liefern sollen. riege ran. Ministerpräsident Ahmet Davuto- unterstellt Erdogan der HDP nur der ver- Als Gastfamilie für einen von 50 schen Präsidentschaftswahl im vergange- In dieser Strategie spielt Deutschland die glu trat am 3. Mai in Dortmund auf, um längerte Arm der kurdischen Guerillaorga- Austauschschülern aus den USA nen August und trat gegen den starken Hauptrolle. Hier leben 1,4 Millionen Stimmung zu machen. Dabei warb er mit nisation PKK zu sein. erleben Sie eine neue Kultur in Mann der türkischen Politik, Recep Tayyip wahlberechtigte türkische Staatsbürger, die anti-deutschen Ressentiments. Er spielte auf Bereits am 19. Mai hatten mehr als den eigenen vier Wänden. Die Erdogan, an. Obwohl aussichtslos, erhielt seit dem 7. Mai in türkischen diplomati- die jüngste Debatte über den Völkermord 330.000 – und damit jeder vierte Wahlbe- Schüler sind Stipendiaten des der bis dahin unauffällige Demirtas insge- schen Vertretungen ihre Stimme abgeben an den Armeniern an und warnte den Bun- rechtigte – seine Stimme abgegeben. Bis Parlamentarischen samt 9,8 Prozent der Stimmen. Eine Sen- dürfen. Sie machen fast drei Prozent aller destag, die Türken zu belehren. Er fügte zum 31. Mai haben die Deutsch-Türken Patenschafts-Programms (PPP), sation in der politischen Monokultur der Wählenden der Türkei aus. Da ab den hinzu: „Niemand kann unseren Kindern ei- Zeit, um die nächste Regierung in Ankara das vom Deutschen Bundestag AKP-Türkei. Seitdem ist Demirtas auch für 1960er Jahren mehr Kurden als Türken nen Lehrplan aufzwingen, in dem unsere mitzubestimmen. Cem Rifat Sey T und dem Kongress der USA getra- viele Türken ein Hoffnungsträger. Wenn er nach Deutschland emigrierten, sind nahe- Geschichte verleumdet wird. Kämpfen Sie gen wird. Ihr Gastkind freut sich seine HDP über die Zehn-Prozent-Hürde zu die Hälfte aller türkischen Wahlberech- dagegen!“ Davutoglus Auftritt schien nicht Der Autor ist freier schon auf Sie! hieven kann, bringt er die Herrschaft der tigten in Deutschland Kurden. Das weiß auszureichen. Denn obwohl türkische Ge- Journalist in Berlin. AKP ins Wanken. auch die HDP. setze es dem Staatspräsidenten verbieten, MEHR INFORMATIONEN: Eine aktuelle Umfrage der Türkisch-Euro- sich am Wahlkampf aktiv zu beteiligen, www.yfu.de/gastfamilie und Zünglein an der Waage Die Wähler im päischen Stiftung für Bildung und wissen- reiste auch Erdogan an, um in Deutschland www.bundestag.de/ppp Ausland, vor allem in Deutschland, sind schaftliche Forschung (TAVAK) bekräftigt AKP-Werbung zu machen.

deshalb bei dieser Wahl das Zünglein an Demirtas‘ Hoffnungen. Demnach sympa- © picture-alliance/dpa Am 10. Mai sprach er vor mehreren Tau- Mail [email protected] Weiterführende Links zu den Tel. 040 22 70 02 -0 der Waage. Zum ersten Mal will die HDP thisieren noch 53 Prozent der Wählenden Premierminister Davutoglu bei einer send Menschen in Karlsruhe und meinte, Themen dieser Seite finden bei den Parlamentswahlen am 7. Juni di- in Deutschland mit Erdogans AKP. Doch Wahlkampfveranstaltung in Dortmund seine Zuhörer seien die Vorkämpfer der Sie in unserem E-Paper Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 KULTUR UND BILDUNG 13

Die Linksfraktion überzeugt dies jedoch KURZ REZENSIERT nicht. Die Wirtschaft mache zwar immer Herausragende wieder Versprechungen, tatsächlich stelle Thomas Meyer: sie aber zu wenige Ausbildungsplätze zur Arbeiten Verfügung: „Selbstverpflichtungen der Wirtschaft hatten wir in den letzten Jahren WISSENSCHAFTSPREIS Der Politikwissen- Die Unbelangbaren. wahrlich genug, sie haben nichts gehol- schaftler Benjamin Höhne von der Univer- Wie politische fen“, monierte Hein. Aber auch die Ausbil- sität Potsdam und der Historiker Tim Neu Journalisten dungsqualität, so fordert ihre Fraktion in von der Georg-August-Universität Göttin- mitregieren. einem Antrag (18/4931), soll durch gesetz- gen werden mit dem Wissenschaftspreis liche Vorgaben verbessert und künftig im 2014 des Deutschen Bundestages für Arbei- Suhrkamp Verlag, Berufsbildungsbericht thematisiert werden. ten zum Parlamentarismus ausgezeichnet. Berlin 2015; Die Verleihung des Preises durch Bundes- 186 S., 15 € Ausbildungsgarantie Beate Walter-Rosen- tagspräsident Norbert Lammert (CDU) fin- heimer (Grüne) stieß ins gleiche Horn: Ei- det am 10. Juni im Reichstagsgebäude statt. Bedrohen politisch einflussreiche Journalis- ne Viertelmillion junger Menschen sei bei Mit der Festveranstaltung wird zugleich das ten die Demokratie in Deutschland? Im der Suche nach einem Ausbildungsplatz in 25-jährige Bestehen des Wissenschaftsprei- Prinzip Ja, meint Professor Thomas Meyer, diesem Jahr leer ausgegangen und im soge- ses gefeiert. Den Festvortrag hält der ehe- Chefredakteur der renommierten Zeitschrift nannten Übergangssystem gelandet, wäh- malige Bundesverfassungsrichter Udo Di „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“. Die rend die Wirtschaft gleichzeitig über Fach- Fabio. Er hatte 1989 als erster die damals Diskussion über die Unbelangbarkeit von kräftemangel klage. „Wer all diese Men- noch als „Förderpreis für den wissenschaft- Journalisten wäre längst in aller Munde, schen als versorgt bezeichnet, der ist ent- lichen und publizistischen Nachwuchs“ merkt der Autor an, hätte sie nicht der viel weder ahnungslos oder verantwortungs- bezeichnete Auszeichnung erhalten. zu frühe Tod eines Alpha-Journalisten im los“, kritisierte die Abgeordnete. Union Benjamin Höhne erhält den Preis für seine Keim erstickt: Erst Frank Schirrmachers und SPD hätten das im Koalitionsvertrag 2012 publizierte Dissertation „Rekrutie- schonungslose Analyse dieses Phänomens gemachte Versprechen einer Ausbildungs- rung von Abgeordneten des Europäischen hatte Meyer zu seinem Essay bewegt. In ei- garantie nicht gehalten. „Wo ist sie denn, Parlaments. Organisation, Akteure und nem seiner letzten Artikel hatte der frühere die Ausbildungsgarantie, wir haben sie Entscheidungen in Parteien“. Nach Auffas- Feuilleton-Chef der FAZ im März 2014 auf nicht gefunden“, schimpfte die Parlamen- sung der Jury ist Höhnes Dissertation eine die wachsende Tendenz zu einem „journa- tarierin. Die Grünen fordern in einem An- herausragende Studie, die die gewachsene listischen Übermenschentum“ hingewie- trag (18/4938) ausdrücklich die Garantie Bedeutung des EU-Parlaments für die deut- sen. Schirrmachers Kernthese lautete: Die auf eine Berufsausbildung mit anerkann- schen Parteien darstellt. Die 2013 erschie- „Großjournalisten“ missbrauchen ihr Publi- tem Abschluss ab dem Ausbildungsjahr nene Dissertation von Tim Neu über „Die kationsprivileg, um im politischen Prozess 2016. Erschaffung der landständischen Verfas- als „Großinquisitoren“ mitzumischen und Weitgehend einig waren sich alle Fraktio- sung, Kreativität, Heuchelei und Repräsen- mitzuregieren anstatt sich auf ihre eigentli- nen in der Forderung, die berufliche und tation in Hessen 1509-1655“ würdigt die chen Aufgaben zu konzentrieren. akademische Ausbildung gesellschaftlich Jury als glänzende Arbeit über die Wurzeln In seinem herausragenden Essay beschreibt als gleichwertig zu bewerten. Der CDU- des deutschen Parlamentarismus. Thomas Meyer ausführlich, wie die „de- Bundestagsabgeordnete Michael Kretsch- Der mit 10.000 Euro dotierte Wissen- struktive Selbstüberschätzung eines maß- mer sagte: „Wir müssen das Bild zurechtrü- schaftspreis wird alle zwei Jahre vergeben. geblichen Teils der politischen Journalis- cken, dass nur das Studium einen vernünf- Er würdigt hervorragende Arbeiten, die zur ten“ das Zusammenwirken zwischen Poli- tigen Job und ein vernünftiges Einkommen Beschäftigung mit Fragen des Parlamenta- tik und Gesellschaft verändert. Mit Hilfe garantiert.“ In einem von CDU/CSU und rismus anregen und zu einem vertieften bekannter aktueller Fallbeispiele (der Wahl- SPD gemeinsam eingebrachten Antrag Verständnis parlamentarischer Praxis bei- kampf des SPD-Kanzlerkandidaten Peer (18/4928) heißt es: „Entscheidend für die tragen. aw T Steinbruck, der Rücktritt von Bundespräsi- Zukunft ist die Durchsetzung der Gleich- dent Christian Wulff u.a.) analysiert der Au- wertigkeit der beruflichen und der akade- tor das Veröffentlichungsmonopol der mischen Bildung.“ Auch die Grünen-Abge- Schlüsseljournalisten. Erfolgreiches Net- ordnete Walter-Rosenheimer teilte im Die Herkunft working und das „Mainstreaming“ (Homo- Grundsatz diesen Gedanken. Zugleich genisierung) des journalistischen Feldes als mahnte sie, es sei mehr politische Unter- bei Studenten Folge der Konzentration des Medienmark- stützung nötig, um die Gleichwertigkeit tes verschärften die Entwicklung. Massen- Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 522.232 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. © picture-alliance von beruflicher und akademischer Bildung BILDUNG Die wirtschaftliche und soziale La- medien würden nur noch ein verzerrtes durchzusetzen. ge von Studenten hängt sehr stark von ihrer Bild der politischen Welt darstellen und das Herkunft ab. Das zeigte sich bei einem öf- Politische durch die Fokussierung auf Ge- Studienanfänger Folgt man dem Be- fentlichen Fachgespräch des Bildungsaus- zänk, Geschacher und spektakuläre Effekte rufsbildungsbericht, so steht die berufli- schusses in der vergangenen Woche. Isabella entpolitisieren. che Ausbildung in einem zunehmenden Albert vom Freien Zusammenschluss von Meyers Fazit lautet: Auf Dauer kann es Wettbewerb mit den Hochschulen um StudentInnenschaften (fzs), machte deut- nicht gutgehen, wenn ausgerechnet jene Nachwuchskräfte. So ist die Zahl der be- lich, dass Studenten laut der 20. Sozialerhe- Gewalt, die auf alle politische Prozesse ein- ruflichen Ausbildungsverhältnisse in bung des Deutschen Studentenwerkes wirken kann, den Status der prinzipiellen Weniger Azubis den letzten Jahren gesunken, während durchschnittlich 35 Stunden pro Woche in Unbelangbarkeit innehabe. Die erschlaffen- die Zahl der Studienanfänger in ihr Studium investierten und von 864 Euro de Demokratie brauche eine „Erneuerung Deutschland in der gleichen Zeit stark im Monat lebten. Bei niedriger Bildungsher- des demokratisch-kulturellen Mandats des BERUFSEINSTIEG Kleine Betriebe bilden seltener aus. gewachsen ist und sich nun auf hohem kunft arbeiteten 64 Prozent der Studenten, politischen Journalismus“. manu T Niveau stabilisiert. Die Studienanfän- bei hoher 59 Prozent. Der Unterschied wir- Aber weniger Jugendliche haben keinen Ausbildungsplatz gerquote lag nach Angaben des Statisti- ke gering, so Albert, doch tatsächlich wür- schen Bundesamtes seit dem Jahr 2011 den 72 Prozent der Studenten mit niedriger Michael Pauen, bei über 50 Prozent, im Jahr 2013 bei Bildungsherkunft angeben, dass sie arbeite- Harald Welzer: ie Zahl der neu abge- So unterschiedlich die Befunde des Be- dem lobten sie das duale Ausbildungssys- 53,1 Prozent und im Jahr 2014 bei 57,3 ten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. schlossenen Ausbil- richts sind, so unterschiedlich interpretier- tem in Deutschland, das auch im Berufs- Prozent. Der SPD-Abgeordnete Willi Der Präsident der Hochschulrektorenkonfe- Autonomie. dungsverträge in ten sie Vertreter der Regierungskoalition bildungsbericht als „wesentlicher Pfeiler Brase wies die Kritik der Linksfraktion renz, Horst Hippler, betonte, dass die Wei- Eine Verteidigung. Deutschland sinkt. Im und der Opposition. Während Bundesbil- der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zurück. Ihre Darstellung der Ausbil- terentwicklung des Bafög zu einer moder- vergangenen Jahr ging dungsministerin (CDU) der Wirtschaft und zentral für den sozialen dungssituation stimme „in Teilen nicht nen Form der Studienfinanzierung unerläss- ihre Zahl um 1,4 Pro- die Lage am Ausbildungsmarkt positiv be- Zusammenhalt der Gesellschaft“ bezeich- mit der Realität überein“. Gleiche Bil- lich sei. Es müsse regelmäßig an die aktuel- zentD auf 522.232 zurück. Vor allem kleine wertete und betonte, „dass sich aus Sicht net wird. dungschancen bezeichnete Brase als len Lebensverhältnisse angepasst werden. S. Fischer Verlag, Betriebe bilden seltener aus als früher. Der der Jugendlichen die Situation weiter ver- zentrales Ziel: „Für uns ist der Aufstieg Hierzu gehöre zuallererst eine angemessene Frankfurt/M. 2015; Rückgang an betrieblichen Ausbildungsver- bessert“ habe, warf ihr die Opposition 20.000 neue Plätze Ministerin Wanka für alle, egal, wo sie herkommen, ein finanzielle Ausstattung, aber auch eine 328 S., 19,99 € trägen ist unter anderem auf den zuneh- „Schönfärberei“ vor. Die bildungspoliti- kündigte an, die Regierung werde in weni- absolutes Muss, und davon gehen wir strukturelle Weiterentwicklung des BAföG menden Wettbewerb um die ebenfalls sin- sche Sprecherin der Linksfraktion, Rosema- gen Wochen eine Ausschreibung für ein auch nicht einen Millimeter runter.“ Die im Sinne des lebenslangen Lernens. Andreas Autonomie und Freiheit, die beiden zentra- kende Zahl von Bewerbern, auf verstärkte rie Hein, sagte, die Ministerin spreche von spezielles Programm starten, das die Aus- Durchlässigkeit des Bildungssystems sei Keller, stellvertretender Vorsitzender und len Werte moderner demokratischer Staa- Passungsprobleme sowie eine potenziell „leichten Verbesserungen auf dem Ausbil- bildungsbereitschaft der kleinen Betriebe „der absolut richtige Weg“, um die Stär- Vorstandsmitglied für Hochschule und For- ten, müssen verteidigt werden! Diesen höhere Attraktivität von größeren Ausbil- dungsmarkt für Jugendliche, obwohl sie erhöhen solle. Aber auch die Wirtschaft ke des Industriestandortes Deutschland schung der Gewerkschaft Erziehung und dringenden Appell richten Michael Pauen dungsbetrieben zurückzuführen. Gleich- wieder einen Rückgang bei den abge- soll stärker als bisher mit zur Verantwor- zu erhalten und jungen Menschen eine Wissenschaft, sagte, in keinem anderen In- und Harald Welzer in ihrem großartigen zeitig sank aber auch die Zahl derer, die schlossenen Ausbildungsverträgen konsta- tung gezogen werden. In Zusammenarbeit gute Ausbildung anzubieten“. Entschie- dustrieland hänge der Bildungserfolg so eng Buch an die Bürger der westlichen Demo- keinen Ausbildungsplatz erhielten, gegen- tieren muss“. Es sei eine komische Logik, mit der Bundesregierung, den Ländern und den wandte er sich gegen Pläne aus der mit der sozialen Herkunft zusammen wie in kratien. Sie verweisen auf die Wahrneh- über dem Vorjahr um 0,8 Prozent. Dies dies als Erfolg zu feiern. den Gewerkschaften sollen mit der neuen Wirtschaft, im dualen System zertifizier- Deutschland. mungen des Privaten in den 1980er Jahren geht aus dem Berufsbildungsbericht der Unions- und SPD-Abgeordnete hingegen Allianz für Aus- und Weiterbildung 20.000 te Teilqualifikationen einzuführen. „Mit Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär und vergleichen sie mit dem heutigen „in- Bundesregierung hervor, über den der Bun- bezeichneten die Anstrengungen, mög- zusätzliche Ausbildungsplätze im Jahr der SPD wird es eine solche Modulari- des Deutschen Studentenwerkes, bemängel- formationellen Totalitarismus“. Vor 30 Jah- destag am vergangenen Donnerstag debat- lichst jedem Jugendlichen einen Ausbil- 2015 zur Verfügung entstehen, heißt es im sierung der dualen Berufsausbildung te zudem die mangelnde Mobilität vieler ren konnte eine Volkszählung nicht stattfin- tierte. dungsplatz zu verschaffen, als Erfolg. Zu- Berufsbildungsbericht. nicht geben.“ Annette Rollmann T Studenten hierzulande. rol T den, weil die Öffentlichkeit keine „Gläser- nen Bürger“ wollte. In Zeiten von Face- Anzeige book, Google und Amazon schaffen wir die Privatsphäre jedoch freiwillig ab, das Ein- schalten des Mobiltelefons liefert ein Viel- faches der Daten, die man dem Staat frü- Umstrittene Bilanz DAS WILL ICH ONLINE LESEN! her selbstbewusst verweigerte. BILDUNG Opposition will Bundesmittel für Deutschlandstipendium umwidmen Eindringlich warnen Pauen und Welzer vor Jetzt auch als E-Paper. einer Informationsindustrie, die das wirt- Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen for- folg, die SPD-Fraktion hingegen betonte, das Deutschlandstipendium ein Erfolg ist“. schaftliche und politische Verhalten der dert die Bundesregierung auf, die staatliche dem Stipendium von Anfang an „absolut Mit diesem Stipendium könne der Bund Menschen fremdsteuere und so deren Förderung für das Deutschlandstipendium kritisch“ gegenüber gestanden zu haben. jetzt etwa doppelt so viele Studierende för- Mehr Information. Selbstbestimmung radikal untergrabe. Die- einzustellen. Den Stiftern soll zwar freige- Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring dern wie vorher über die Begabtenstipen- ser neue Totalitarismus komme scheinbar stellt werden, das Angebot in Eigenregie mahnte, der Zugang zur Hochschule dürfe dien. Indem private Förderer wie Unter- Mehr Themen. Direkt unideologisch und ohne Uniform daher. weiterzuführen, die Bundesmittel für das nicht von der sozialen Herkunft oder dem nehmen, Stiftungen oder auch Privatperso- zum E-Paper Charakteristisch für das neue Regime sei Stipendium sollen hingegen zur Finanzie- Konto der Eltern abhängen. Gebraucht nen die eine Hälfte der Stipendien trügen, Mehr Hintergrund. die Erosion zwischen privater und staatli- rung einer Bafög-Erhöhung und zur Anhe- werde eine Studienfinanzierung, die kein habe sich in Deutschland eine ganz neue www.das-parlament.de cher Verfügungsmacht über die Daten. Be- bung der Studienpauschale („Büchergeld“) Talent zurücklasse. Daher sollten die Bun- Stipendienkultur etabliert. Benning verwies Mehr Köpfe. [email protected] gründet werde der Datenhunger mit der für die bundesfinanzierten Aufstiegsstipen- desmittel des „erfolglosen Deutschlandsti- zugleich darauf, dass es „weit mehr Bewer- Telefon 069-75014253 überaus freundlichen Absicht, die Welt für dien von 80 auf 300 Euro genutzt werden, pendiums“ umgewidmet werden, weil die- ber als Stipendien“ gebe. Was man jetzt die Menschen immer noch ein bisschen um für die Gleichwertigkeit von akademi- se Mittel in BAföG und Stipendien für brauche, seien „mehr Stipendiengeber aus Mehr Parlament. „besser“ und bequemer zu machen. scher und beruflicher Bildung in der Be- Flüchtlinge viel besser investiert wären. Wirtschaft und Gesellschaft“. Pauen und Welzer kritisieren auch die Vor- gabtenförderung zu sorgen. Zudem soll die Für Die Linke kritisierte ihre Parlamenta- Die SPD-Parlamentarierin Marianne Schie- stellung, Politiker sollte sowohl in ihrem Stipendienförderung für geflüchtete Stu- rierin , als das Deutschland- der beklagte, der Erfolg des Deutschland- privaten als auch beruflichen Kontexten im- denten und Studieninteressierte aus Kriegs- stipendium vor fünf Jahren von Schwarz- stipendiums bleibe „weit hinter den Erwar- mer und überall „gläsern“ sein. Dieser An- und Krisengebieten nach dem Willen der Gelb aus der Taufe gehoben worden sei, tungen zurück“. Man habe aber in den Ko- spruch sei ebenso totalitär wie die Vorstel- Grünen stärker auf die tatsächliche Nach- habe „die FDP im Schlepptau mit der Uni- alitionsverhandlungen vereinbart, „beim lung vom gläsernen Bürger. frage ausgerichtet werden und die Vergabe on den Einstieg in eine andere Form der Deutschlandstipendium zu bleiben“ und Pflichtlektüre in der Schule sollten jene Ka- sich nicht allein an den Studienleistungen Studienfinanzierung durchdrücken“ wol- zu prüfen, ob man auf dem eingeschlage- pitel des Buches über die Verteidigungsre- orientieren. Über den entsprechenden An- len, und zwar in eine „Elitenförderung auf nen Weg die „dringend erforderlichen Ver- gel der Autonomie werden: Jedem müsse trag der Grünen (18/4692) debattierte der Kosten der Breite“. Im Jahr 2013 seien gera- besserungen“ erreichen könne. Es mache widersprochen werden, der Sicherheit ge- Bundestag erstmals vergangene Woche. de einmal 0,8 Prozent der Studenten mit keinen großen Sinn, „jetzt mittendrin ein- gen Freiheit ausspiele. Nur freie Gesell- dem Deutschlandstipendium gefördert fach umzukehren“. sto T schaften könnten ihren Mitgliedern Sicher- Koalition uneins Während die Linksfrakti- worden. Derweil kritisiere der Bundesrech- heit garantieren. Die größte Gefahr für die on sich der Forderung der Grünen an- nungshof das Deutschlandstipendium re- menschliche Autonomie seien aber nicht schloss, stieß das Deutschlandstipendium gelmäßig für die ausufernden Verwaltungs- die staatlichen Sicherheitskräfte, sondern innerhalb der Koalition auf ein geteiltes kosten und für die Verschwendung von die Bürger, die freiwillig auf ihre Souveräni- Echo. Die Union verteidigte das von der Steuergeldern. Weiterführende Links zu den tät verzichten. manu T früheren schwarz-gelben Bundesregierung Die CDU-Abgeordnete Themen dieser Seite finden eingeführte Deutschlandstipendium als Er- sagte dagegen, es sei „offenkundig, dass Sie in unserem E-Paper 14 KEHRSEITE Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

AUFGEKEHRT ORTSTERMIN: SYMPOSIUM BEIM PARLAMENTARISCHEN BEIRAT PERSONALIA >Burkhard Hirsch Die dunkle Bundestagsabgeordneter 1972-1975, Seite der Bär 1980-1998, FDP Am 29. Mai begeht seinen raurig, aber wahr: Dorothee Bär 85. Geburtstag. Der promovierte Jurist aus (CSU) hat sich von der dunklen Düsseldorf trat 1949 der FDP bei. Von 1979 Seite der Macht verführen lassen bis 1983 war er Landesvorsitzender in T– und damit ist nicht ihre Partei Nordrhein-Westfalen und gehörte von 1973 gemeint. Vergangenen Donnerstag trom- bis 2005 dem FDP-Bundesvorstand an. Von melte die Parlamentarische Staatssekre- 1975 bis 1980 amtierte er als NRW-Innen- tärin im Verkehrsministerium kräftig in minister. Hirsch war in allen Wahlperioden der Lobby des Reichstagsgebäudes für Mitglied des Innenausschusses und gehörte die „Dank Helm“-Kampagne ihres Mi- zuletzt auch dem Auswärtigen Ausschuss nisteriums. Sicherheit von Radfahrern. an. Von 1994 bis 1998 amtierte er als Bun- Eigentlich eine gute Sache, möchte man destagsvizepräsident. meinen. Doch als Poster-Model wählte das Ministerium ausgerechnet „Darth >Wolfgang Lohmann Vader“, den Erzbösewicht aus der Sci- Bundestagsabgeordneter 1983-1987, ence-Fiction-Saga „Krieg der Sterne“. Der 1990-2002, CDU Grund: Ein technisch komplexer Helm Wolfgang Lohmann vollendet am 29. Mai rettete in „Episode III“ den zur dunklen sein 80. Lebensjahr. Der Diplom-Kaufmann Seite der Macht abgewanderten Darth aus Lüdenscheid trat 1967 der CDU bei und Vader das Leben. Das geschenkte Leben gehörte von 1968 bis 1984 dem Kreistag nutzte er redlich – unter anderem, um des Märkischen Kreises an. Lohmann, Vor- in späteren Episoden mit dem Todes- sitzender der AG Gesundheit in der CDU/ stern ganze (bewohnte!) Planeten zu CSU-Bundestagsfraktion, engagierte sich sprengen. Das mag manchen nun zum überwiegend im Gesundheitsausschuss. Nachdenken über die Ethik des Helm- tragens führen. Nicht so Dorothee Bär. >Wolf-Dieter Zumpfort Sie ließ sich im Reichstag gar mit „Darth Bundestagsabgeordneter 1979-1983, Vader“-Maske ablichten. Wo ist Yoda, FDP wenn man ihn mal braucht? Am 29. Mai wird Wolf-Dieter Zumpfort Zugegeben: Man hätte es wissen müs- 70 Jahre alt. Der promovierte Volkswirt trat sen. Nicht zum ersten Mal macht die 1972 der FDP bei, war von 1984 bis 1988 bayrische Abgeordnete aus ihrer Sympa- Landeschef in Schleswig-Holstein und gehör- thie für dunkle Imperien keinen Hehl. te von 1984 bis 1988 dem FDP-Bundesvor- Ihre im Plenum des Bundestages offen stand an. Im Bundestag war Zumpfort unter zur Schau getragene Solidarität mit dem anderem Mitglied des Haushaltsausschusses. FC Bayern München nach der Hinspiel- Niederlage gegen Barcelona – sie trug >Harald Friese ein Trikot unter ihrem Blazer – sorgte Bundestagsabgeordneter 1998-2002, für Ärger mit einem Abgeordneten der Günther Bachmann, Klaus Töpfer und Ernst Ulrich von Weizsäcker diskutierten beim Symposium des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Dessen Vorsitzender ist SPD Links-Fraktion. Die Soli-Bekundung half Andreas Jung (CDU, von links). © DBT/Achim Melde Harald Friese begeht am 2. Juni seinen allerdings nicht. Das Fußball-Imperium 70. Geburtstag. Der Jurist und Heilbronner konnte nicht zurückschlagen. Bürgermeister von 1984 bis 1998 schloss Bayern beiseite, in Bezug auf Radfahrsi- sich 1964 der SPD an. 1967/68 war er Bun- cherheit muss man „Darth Dorothee“ desgeschäftsführer des Sozialdemokrati- allerdings wohl in bester Jedi-Tradition »Nachhaltigkeit muss ins Grundgesetz« schen Hochschulbundes. Friese gehörte dem wünschen: „Möge die Macht mir ihr Innenausschuss an. sein.“ Sören Christian Reimer T Klaus Töpfer hat wahrlich schon viel erlebt in seiner poli- Hintergrund des Wohlstandgefälles zwischen Nord und sich Bachmann zuversichtlich. „Das Thema Nachhaltig- tischen Karriere. Und dennoch gab es für den ehemaligen Süd „ausschließlich an Wachstum interessiert sind“. Weiz- keit ist in der Lebenswirklichkeit der Menschen >Gerhard Zwerenz Bundesumweltminister am vergangenen Mittwoch bei ei- säcker übte zugleich auch Kritik an falscher Subventions- angekommen und nicht mehr nur ein Seminarthema“, Bundestagsabgeordneter 1994-1998, VOR 20 JAHREN... nem öffentlichen Symposium des Parlamentarischen Bei- politik. „Heute werden mehr als tausend Milliarden Dol- urteilte er. parteilos rats für nachhaltige Entwicklung eine Premiere. „15 Mi- lar jährlich in das Subventionieren des zusätzlichen Ver- Bei der Frage, ob der Begriff Nachhaltigkeit aber tatsäch- vollendet am 3. Juni sein nuten Redezeit hat man mir zugebilligt. 14 Minuten habe brauchs fossiler Brennstoffe gesteckt“, sagte er und forder- lich immer als schonender Umgang mit den Ressourcen 90. Lebensjahr. Der Schriftsteller, 1949 der Kohl ist ich nur gebraucht – das gab es noch nie“, sagte Töpfer. te: „Das muss endlich ein Ende haben.“ verstanden wird, waren sich die Experten nicht sicher. SED beigetreten und acht Jahre später von Was der ehemalige CDU-Politiker in seinem Impulsrefe- Töpfer und Weizsäcker waren sich mit dem dritten Refe- Nicht selten sei schließlich von nachhaltigem sportlichen ihr wieder ausgeschlossen, flüchtete 1957 nicht genug rat ansprach, hatte gleichwohl Brisanz. Etwa seine Kritik renten des Abends, dem Generalsekretär des Rates für Erfolg oder auch nachhaltigem Wirtschaftswachstum die in die Bundesrepublik. Zwerenz war Mit- an der Europäischen Union: Nachhaltigkeit, so der Um- nachhaltige Entwicklung (RNE), Günther Bachmann, ei- Rede, gab Bachmann zu bedenken. Daher seine Forde- glied des Verteidigungsausschusses. 27.5.1995: Biedenkopf kritisiert CDU weltexperte, finde derzeit unter lettischer EU-Ratspräsi- nig, „dass die Politik zur Nachhaltigkeit aufgewertet wer- rung: „Wir müssen über das Verständnis von Nachhaltig- Norbert Blüm (CDU) war sauer. In sei- dentschaft eher im nachgeordneten Bereich statt. Die den muss“, wie Bachmann sehr zur Freude von Klaus keit reden.“ Dieser Diskurs dürfe aber nicht nur mit >Gerlinde Hämmerle nem Strategiepapier zur Lage der Union ökonomische Entwicklung stehe ganz eindeutig im Mit- Töpfer sagte. „Wir singen die gleiche Melodie“, konsta- Gleichgesinnten geführt werden. Bundestagsabgeordnete 1987-1994, hatte Sachsens Ministerpräsident Kurt telpunkt des Interesses, urteilte er. Eine Feststellung, die tierte Töpfer und stimmte in den Appell seiner beiden Mit Blick auf die weltweite Nachhaltigkeit stellte Klaus SPD Biedenkopf dem Arbeits- und Sozialmi- auch Ernst Ulrich von Weizsäcker, ehemaliger Vorsitzen- Mitstreiter ein: „Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss im Töpfer die große Verantwortung Deutschlands heraus: Am 5. Juni wird Gerlinde Hämmerle 75 Jah- nister „systematische Desinformation“ der des Umweltausschusses im Bundestag, teilte. Weltweit Grundgesetz verankert werden.“ Der Spagat, als exportorientierte Volkswirtschaft auch oh- re alt. Die Studiendirektorin und Karlsruher über die Sicherheit der Renten vorgewor- gesehen könne von einer nachhaltigen Entwicklung über- RNE-Generalsekretär Bachmann erinnerte daran, dass ein ne Kernenergie und mit ständig abnehmenden Kohlendi- Regierungspräsidentin von 1994 bis 2005 fen. Für Blüm Grund, sich während ei- haupt keine Rede sein, betonte Weizsäcker. Dies habe solcher Versuch vor zehn Jahren schon einmal gescheitert oxid-Emissionen wirtschaftliche erfolgreich zu sein, trat 1967 der SPD bei und war von 1971 bis ner Sitzung des CDU-Bundesvorstandes auch damit zu tun, dass die Entwicklungsländer vor dem sei. Heute gebe es aber bessere Voraussetzungen, zeigte „muss uns gelingen“, forderte er. Götz Hausding T 1987 Gemeinderätin in Karlsruhe. Von 1983 bis 1987 gehörte sie dem SPD-Landesvor- stand Baden-Württemberg an. Hämmerle, Parlamentarische Geschäftsführerin von LESERPOST 1991 bis 1994, engagierte sich unter ande- rem im Innenausschuss. Zur Ausgabe 18-19 vom 27. April 2015, weltweit anerkannten demokratischen gerieten. Nicht bekannt ist aber, dass die vom „Nürnberger Prozess“ oder von der „Die Mär von der Stunde Null“ auf Sei- Rechtsstaat machen konnte. Natürlich geflüchteten Zivilisten aus Ost- und Befreiung der Opfer des Naziregimes >Ursula Lehr te 9: war dies ein langsamer Prozess. Westpreußen sowie aus Pommern – etwa mit. Als die Internierten dann endlich im Bundestagsabgeordnete 1990-1994, Auch ich halte das Gerede von der „Stun- Die 68er haben zweifellos eine neue kri- eine Viertelmillion alte Männer, Frauen Westen ankamen, hatten sie nichts ande- CDU de Null“ für eine „Mär“, ziehe daraus tische Auseinandersetzung mit der NS- und Kinder – interniert wurden und das res im Sinn, als ihr Leben neu auszurich- Am 5. Juni begeht Ursula Lehr ihren aber völlig andere Schlüsse als der Autor. Vergangenheit bewirkt. Mit ihrem ideo- für bis zu vier Jahre, bis sie auf den Wes- ten. Die Vergangenheit wurde ausgeblen- 85. Geburtstag. Die promovierte Psycholo- Einen solchen Nullpunkt hat es 1945 nie logischen Wahrheitsanspruch waren sie ten Deutschlands verteilt werden konn- det. Erst als sie mit dem Alter zur Ruhe gin und Professorin in Heidelberg trat 1986 gegeben und konnte es historisch gar aber zu keiner Selbstkritik fähig und ha- ten. In ihrer Heimat konnten sie nicht kamen, begannen sie, ihre Erinnerungen der CDU bei. Von 1988 bis 1991 war sie nicht geben. ben ihrerseits neuen (linken) Diktatoren, mehr zurück. Die verlorene Heimat war aufzuschreiben. Aber sie werden an den Bundesministerin für Jugend, Familie, Frau- Die Beurteilung Adenauers durch den beispielsweise Ho Chi Minh, gehuldigt. der Preis für einen dauerhaften Frieden. Schulen nicht beachtet. Wir haben aber en und Gesundheit. In ihrer Amtszeit erfuhr Autor weise ich entschieden zurück. Der Wolfram Ender, Es bestand damals mit der Zeit die Mög- sehr viele Menschen mit Migrationshin- erstmalig die Seniorenpolitik einen Stellen- von den Nazis verfolgte Adenauer hat in Escherhausen lichkeit, Post mit den Angehörigen aus tergrund bei uns, die unsere Geschichte wert. Lehr gehörte dem Ausschuss für Bil-

© picture-alliance / ZB vielen Reden die NS-Verbrechen beim Deutschland auszutauschen. Aber es nicht kennen. Schon allein ihretwegen dung und Wissenschaft an. Sie ist Vorsitzen- Kurt Biedenkopf (CDU) 1995 Namen genannt und die Verantwortung Es ist vielen in Deutschland lebenden durften nur 25 Wörter in großen Block- sollten Zeitzeugen noch gehört oder ge- de der Bundesarbeitsgemeinschaft der Se- der neuen Bundesrepublik zur Wieder- Menschen bekannt, dass nach dem Ende buchstaben mit lediglich nur familiären lesen werden. nioren-Organisationen. gutmachung anerkannt. Indem er mit des Zweiten Weltkrieges alle Wehr- Befindlichkeiten ausgetauscht werden. Elisabeth Polten, über den Parteifreund bei Kanzler Hel- dem Luxemburger Abkommen 1952 – machtsangehörigen in Gefangenschaft So bekamen die Internierten auch nichts Frankfurt a.M. >Carl Otto Lenz mut Kohl zu beschweren. Seine Thesen gegen Widerstände in Bundestagsabgeordneter 1965-1984, seien das „Salz in jeder Diskussion“, ver- Deutschland und Israel – CDU teidigte sich Biedenkopf. „Salz habe ich die Wiedergutmachungs- Haben Sie Anregungen, Carl Otto Lenz vollendet am 5. Juni sein noch genug, wir können es gerne heute zahlungen an Israel und SEITENBLICKE Fragen oder Kritik? 85. Lebensjahr. Der promovierte Jurist trat austeilen“, konterte Blüm. Der Kanzler einzelne NS-Opfer einlei- Schreiben Sie uns: 1957 der CDU bei. Von 1959 bis 1966 war sprach ein Machtwort und beendete die tete, begründete er die bis er Generalsekretär der christlich-demokrati- Diskussion. Dabei dürfte sich auch Kohl heute bestehende Freund- Das Parlament schen Fraktionen im Europäischen Parla- wenig über das 21 Seiten starke Bieden- schaft der Bundesrepu- Platz der Republik 1 ment und in der Versammlung der WEU. kopf-Papier vom 27. Mai 1995 gefreut blik mit Israel. Auch der 11011 Berlin Von 1984 bis 1997 war er Generalanwalt haben. Denn mit Blick auf die Bundes- Ulmer Einsatzgruppen- redaktion.das-parlament beim Europäischen Gerichtshof in Luxem- tagswahl 1998 warnte Biedenkopf: Kohl prozess 1958 mit der an- @bundestag.de burg. Lenz gehörte fast ausnahmslos dem alleine reicht nicht. schließenden bis heute Rechtsausschuss an, an dessen Spitze er Biedenkopf befürchtete, die CDU könn- hervorragenden Arbeits- Leserbriefe geben nicht von 1969 bis 1980 stand. te sich auf der Popularität Kohls ausru- leistung der Ludwigsbur- die Meinung der Redaktion hen und die Jahre bis zur Wahl nicht für ger „Zentralstelle der Lan- wieder. Die Redaktion >Hans-Otto Wilhelm einen programmatischen Neuanfang desjustizverwaltung zur behält sich vor, Leserbriefe Bundestagsabgeordneter 1994-2002, nutzen. Neben der Rente standen auf Aufklärung von NS-Ver- zu kürzen. CDU seiner Agenda die europäische Integrati- brechen“ fällt in Aden- Am 5. Juni wird Hans-Otto Wilhelm 75 Jahre on, die Rolle der Bundeswehr und die auers Amtszeit. Die nächste Ausgabe alt. Der Mainzer Verwaltungsangestellte Zuwanderung. „Die CDU muss als die Das ist ja gerade Aden- von „Das Parlament“ schloss sich 1962 der CDU an und stand von Partei gesehen werden, der die Wähler auers historische Leis- erscheint am 15. Juni. 1988 bis 1992 an deren Spitze in Rheinland- sowohl die europäische Entwicklung wie tung, dass er trotz der bis Pfalz. Von 1974 bis 1994 gehörte er dem die innenpolitische Erneuerung heute andauernden Be- Landtag in Mainz an und amtierte von 1981 Deutschlands und damit seine Vorberei- lastungen durch die bis 1987 und von 1991 bis 1994 als Frakti- tung auf die kommende Zeit anvertrau- NS-Zeit die Nachkriegs- onsvorsitzender. Im Bundestag engagierte en können“, schrieb er. Ganz aus der Bundesrepublik zu einem BUNDESTAG LIVE sich Wilhelm zuletzt im Innenausschuss. Luft gegriffen war Biedenkopfs Warnung Topthemen vom nicht. Im Wahljahr 1998 machten die 8. – 12.6.2015 >Horst Jaunich Begriffe „Reformstau“ und „Kanzlermü- PANNENMELDER Bundestagsabgeordneter 1978-1994, digkeit“ die Runde. Die Regierung Kohl Bürokratieabbau (Do) SPD In der Ausgabe 20-21 vom IT-Sicherheitsgesetz wurde abgewählt. Benjamin Stahl T Am 7. Juni vollendet Horst Jaunich sein 11. Mai 2015 heißt es auf 85. Lebensjahr. Der Gewerkschaftssekretär Seite 12, dass das „Rote Te- Phoenix überträgt live trat 1952 der SPD bei, war von 1968 bis 1975 lefon“ 1962 eingerichtet ab 9 Uhr Unterbezirksvorsitzender in Hamm und stand worden sei. Tatsächlich Auf www.bundestag.de: von 1975 bis 1985 an der Spitze des SPD in wurde der direkte Draht Die aktuelle Tagesordnung Ahlen. Hier amtierte von 1984 bis 1995 als Weiterführende Links zu den am 30. August 1963 eröff- sowie die Debatten im Bürgermeister. Er gehörte vorwiegend dem Themen dieser Seite finden net. Livestream Sie in unserem E-Paper Gesundheitsausschuss an. bmh T DEBATTENDOKUMENTATION Regierungserklärung u.a. zum Gipfel Östliche Partnerschaft / 106. Sitzung des 18. Deutscher Bundestages am 21. Mai 2015

Dr. Angela Merkel, CDU, Bundeskanzlerin: und das in vielen, vielen Berei- näherung an die Europäische Uni- chen. on einerseits und dem russischen Meine Damen und Herren, es Wunsch nach einer engeren Part- Wir brauchen individuelle sind drei Elemente, die die Hal- nerschaft mit diesen Ländern an- tung Deutschlands zur Östlichen dererseits. Deshalb sind und blei- Partnerschaft leiten. Erstens. Die ben wir da, wo zum Beispiel Sor- Angebote für unsere Partner Östliche Partnerschaft ist kein In- gen über die Vereinbarkeit von strument der Erweiterungspolitik Freihandelszonen vorgetragen der Europäischen Union. Wir dür- werden, bereit, über diese Sorgen bieten. Wir wollen, dass dies zu keres Wirtschaftswachstum. fen deshalb auch keine falschen zu sprechen. Die Bundesregierung mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Ar- Unser Ziel bleibt es, dass wir die Erwartungen wecken, die wir dann sagt immer und immer wieder beitsplätzen und mehr Wohlstand Assoziierungsabkommen vollstän- später nicht erfüllen können. Das auch, dass die Europäische Union führt. Wir wollen helfen, den All- dig umsetzen. Ich freue mich da- müssen wir – ich diese Gespräche tag der Menschen in diesen Län- her besonders, dass der Bundestag tue das auch – un- führen wird – sie dern zu verbessern. Gute Nachbar- und der Bundesrat hierfür mit gro- seren östlichen führt sie im Übrigen schaft verbinden wir zum anderen ßer Mehrheit ihre Zustimmung er- Partnern in aller Wir sind im Augenblick mit mit dem Anspruch, uns zu ge- teilt haben. Damit hat Deutsch- Offenheit deutlich bereit, Russland -, und wir meinsamen Werten und Prinzi- land das parlamentarische Ratifi- machen. die Zusammen- werden sie sehr pien zu bekennen. Dazu gehören zierungsverfahren noch vor dem Zweitens. Uns ist arbeit mit Weiß- konstruktiv beglei- Demokratie und freie Marktwirt- heute beginnenden Gipfel ab- bewusst, dass wir russland zu ten. schaft, Menschenrechte und gute schließen können. Die Teilnahme es mit höchst un- intensivieren. Aber – auch das Regierungsführung. Es ist mir des ukrainischen Parlamentspräsi- terschiedlichen werde ich wieder © DBT/Achim Melde Angela Merkel (*1954) wichtig, diesen Anspruch in Riga denten Groysman an der Plenar- Partnerstaaten zu und wieder sagen -: Bundeskanzlerin noch einmal zu unterstreichen. sitzung des Deutschen Bundestags tun haben. Nicht Es ist und bleibt die Seit dem letzten Gipfeltreffen Ende März hat gezeigt, dass dies nur die Entwicklungsperspektiven souveräne Entscheidung unserer or fast genau sechs Jahren im November 2013 haben wir – auch von unseren östlichen Nach- sind verschieden, sondern auch östlichen Partnerstaaten, wenn sie haben die Europäische trotz schwieriger Rahmenbedin- barn – in diesem Fall der Ukraine die gegenseitigen Erwartungen an sich den Werten der Europäischen VUnion und ihre östlichen gungen – konkrete Fortschritte in – als wichtiges politisches Signal eine Zusammenarbeit mit der Eu- Union annähern wollen. Nie- Nachbarn – Ukraine, Moldau, der Zusammenarbeit mit unseren wahrgenommen wird. ropäischen Union. Wir respektie- mand hat das Recht, ihnen diesen Georgien, Weißrussland, Arme- östlichen Partnern erzielt. Das be- Jetzt geht es darum, dass die ren die Entscheidung Armeniens, selbstgewählten Weg zu verstellen. nien, Aserbaidschan – gemeinsam legen besonders anschaulich die Partnerstaaten ihrerseits die not- dass sie neben intensiveren Bezie- Ein Denken in Einflusssphären eine neue Partnerschaft mit dem Assoziierungsabkommen mit der wendigen Reformen umsetzen, die hungen zur Europäischen Union nehmen wir im Europa des 21. Ziel begründet, ihre Beziehungen, Ukraine, mit Georgien und mit dann für die Implementierung des auch eine engere wirtschaftliche Jahrhunderts nicht hin. wie es in der Prager Gipfelerklä- Moldau. Durch diese Abkommen Assoziierungsabkommens nötig Bindung an Russland suchen und Das gilt unverändert auch für rung vom 7. Mai 2009 formuliert ermöglichen wir einerseits eine ge- sind. Das wird an vielen Stellen der Eurasischen Wirtschaftsunion die Lage in der Ukraine. Für die wurde, auf eine neue Ebene zu genseitige Marktöffnung – auch noch erhebliche Anstrengungen beitreten wollen. Wir respektieren Wiederherstellung des Rechts in bringen. Heute Abend beginnt in wenn diese mit langen Übergangs- erfordern: bei der Stärkung der auch die Entscheidung Aserbai- diesem so geplagten Land werden Riga das bereits vierte Gipfeltref- fristen verbunden sind -, anderer- staatlichen Leistungsfähigkeit, bei dschans, das derzeit keine Assozi- wir noch viel Geduld und einen fen der Östlichen Partnerschaft. Es seits ist in den Abkommen eine der Korruptionsbekämpfung, bei ierung mit der Europäischen Uni- langen Atem brauchen. Wir haben steht unter völlig anderen Vorzei- Annäherung an die Standards der der Verbesserung der Wirtschafts- on anstrebt und das im Übrigen diese Geduld und diesen langen chen als das letzte Treffen im No- Europäischen Union verankert, struktur und bei der Verbesserung auch keine Rolle für sich in der Atem. Das Maßnahmenpaket von vember 2013 in Wilna; denn in und zwar durch die Stärkung von des Justizwesens. Visaerleichterun- Eurasischen Wirtschaftsunion Minsk weist uns den richtigen der Zwischenzeit wurden wir Zeu- Demokratie und Rechtsstaatlich- gen zum Beispiel sind nur dann sieht. Weg. Deutschland wird – der Bun- gen der völkerrechtswidrigen An- keit, durch einen besseren Schutz möglich, wenn hierfür alle vorge- Wir sind trotz aller offenkundi- desaußenminister genauso wie ich nexion der Krim der Menschenrechte sehenen Voraussetzungen erfüllt gen Differenzen auch bereit, die – hier weiter die Verhandlungen durch Russland. und durch die An- sind. Zusammenarbeit mit Weißruss- begleiten, und das Normandie- Wir wurden Zeu- gleichung techni- Die Europäische Kommission land zu intensivieren. Es liegt an Format zusammen mit Frankreich gen einer massiven Die Idee scher Standards und ist in einem jüngst vorgelegten Be- Weißrussland selbst, hierfür die behält seine Bedeutung. Destabilisierung der der gesamten Ver- richt zu dem Schluss gekommen, nötigen Voraussetzungen zu schaf- Die Entwicklung in der Ukraine der Ostukraine. Östlichen Part- waltungspraxis. Seit dass Georgien und die Ukraine fen. Das gilt vorneweg für die ist auch der Grund, weshalb wir Wir wurden Zeu- nerschaft ist vergangenem bereits große Anstrengungen un- Wahrung der Menschenrechte. uns am 7. und 8. Juni in Schloss gen davon, wie die wichtiger Herbst werden ternommen haben, dass diese An- Wichtige Gradmesser hierfür wer- Elmau als Gruppe der Sieben und europäische Frie- denn je. wichtige Elemente strengungen aber noch nicht aus- den der Umgang mit den politi- nicht der Acht treffen werden. densordnung nach- der Assoziierungs- reichen und es noch einiges zu schen Gefangenen und die Präsi- haltig infrage ge- abkommen vorläu- verbessern gilt. Die Europäische dentschaftswahlen im November stellt wurde. Um es fig angewendet. Kommission wird daher Ende des sein. Fortsetzung auf nächster Seite gleich zu Beginn klar zu sagen: Dies hat dazu geführt, dass die Ex- Jahres erneut – das ist etwas Be- Wir brauchen also – das ist un- Russland wird, wie schon im ver- Nicht zuletzt auch unter diesen porte Georgiens und Moldaus in sonderes; normalerweise macht sere Erfahrung – für die verschie- Umständen ist die Idee der Östli- die Europäische Union bereits sie das nur einmal im Jahr – über denen Partnerstaaten individuell chen Partnerschaft wichtiger denn deutlich angestiegen sind, aus die Fortschritte berichten. Das gibt ausgestaltete Angebote. Die Östli- Dies ist eine gekürzte Version der Debatte. je. Georgien zum Beispiel um 12 beiden Ländern die Möglichkeit, che Partnerschaft bietet hierfür ei- Das Plenarprotokoll und die vorliegenden Mit ihr werden wir unsere Prozent. bis dahin noch einen entscheiden- nen wichtigen gemeinsamen Rah- Drucksachen sind im Volltext im Internet Nachbarn auf ihrem Weg zu de- Für alle Partnerstaaten gilt, dass den Schritt voranzukommen. men. abrufbar unter: mokratischen und rechtsstaatli- die Assoziierungsabkommen Denn es geht ja darum, unseren Drittens. Die Östliche Partner- http://dip21.bundestag.de/dip21.web/bt chen Gesellschaften weiterhin un- wichtige Impulse für den innen- Partnern zu helfen, die Reformen, schaft richtet sich gegen nieman- terstützen. politischen Reformprozess geben. zu denen sie sich verpflichtet ha- den, insbesondere nicht gegen Der Deutsche Bundestag stellt online Gute Nachbarschaft bedeutet Das wiederum ist Voraussetzung ben, auch wirklich umzusetzen. Russland. Ich werde es deshalb die Übertragungen des für uns zum einen, unseren Part- für mehr Investitionen, für die Deutschland bietet hierfür seine wieder und wieder sagen: Es ging Parlamentfernsehens als Live-Video- und nern politische Annäherung und Modernisierung der Wirtschaft Unterstützung an, ebenso wie die nicht und es geht nicht um ein Audio-Übertragung zur Verfügung. www.bundestag.de/live/tv/index.html wirtschaftliche Integration anzu- und damit natürlich auch für stär- Europäische Union insgesamt, Entweder-oder zwischen einer An- 2 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

gangenen Jahr in Brüssel, nicht den langfristigen und globalen che Epidemien und Pandemien bei den konkreten Verhandlungen Europa und Lateinamerika sind dabei sein; denn genauso, wie wir Herausforderungen liegt. Erstens. reagieren zu können. kommen, kann man noch nicht seit Jahrhunderten eng miteinan- dies für die Östliche Partnerschaft Wir wollen im Rahmen der G 7 Im Rahmen der G 7 wollen wir ganz genau absehen. der verbunden. Wir teilen ein rei- anstreben, verstehen wir die G 7 dazu beitragen, Frauen zu stärken außerdem daran arbeiten, dass le- Dies alles steht unter dem Mot- ches kulturelles und historisches bereits heute als eine Gemein- und die Stärkung von Frauen bes- bensrettende Antibiotika ihre to des G-7-Gipfels „An morgen Erbe. Europa und Lateinamerika schaft der Werte. Dazu gehört, ser als bislang zu nutzen. Wirksamkeit behalten. Der gerade denken. Gemeinsam handeln.“ werden auch wirtschaftlich immer dass wir uns gemeinsam für Frei- Wenn weltweit mehr Frauen ak- beschlossene Aktionsplan der Davon sollten sich nicht nur die wichtiger füreinander. Die Euro- heit, Demokratie und Rechtsstaat- tiv am Wirtschaftsleben teilhaben, Weltgesundheitsorganisation ist Regierungen der G-7-Staaten ange- päische Union ist für Lateinameri- lichkeit einsetzen. Dazu gehört, nutzt das allen. Hier gibt es Defi- hierfür ein wichtiger Schritt. Das sprochen fühlen. Gemeinsam ka und die Karibik der zweitgrößte dass wir das Völkerrecht und die zite in den Industrieländern ge- Bundeskabinett hat vor wenigen handeln bedeutet für mich viel- Handelspartner. Im vergangenen territoriale Integrität der Staaten nauso wie in den Entwicklungs- Tagen auch eine nationale Strate- mehr auch, gemeinsam mit der Jahrzehnt hat sich unser Handels- achten. ländern. Das reduziert Armut und gie beschlossen. Wir wollen beim Zivilgesellschaft zu handeln. Wir volumen verdoppelt. Bei den Di- Das Vorgehen Russlands in der Ungleichheit, das fördert Innovati- G-7-Gipfel darüber sprechen, was haben deshalb in den vergange- rektinvestitionen liegt die Euro- Ukraine ist damit nicht in Ein- on und Wachstum, und das nützt zusätzlich noch getan werden nen Tagen und Wochen viel mit päische Union noch vor den USA klang zu bringen. Solange sich dem gesellschaftlichen Zusam- kann. Hier geht es vor allen Din- Wissenschaftlern, mit Nichtregie- an erster Stelle. Wir erkennen die Russland nicht zu den grundle- menhalt. gen um gleiche Standards zwi- rungsorganisationen, mit Vertre- Fortschritte an, die in der Region genden Werten des Völkerrechts Eine wichtige Voraussetzung schen den G-7-Ländern beim Um- tern von Wirtschaft und Gewerk- bei der Armutsbekämpfung, bei bekennt und danach handelt, ist hierfür ist, dass mehr Mädchen gang mit Antibiotika und um die schaften gesprochen. Zum Beispiel der Förderung von Demokratie für uns eine Rückkehr zum For- und Frauen eine berufliche Quali- Wechselwirkungen zwischen waren am vergangenen Montag und friedlicher Konfliktlösung er- mat der G 8 nicht vorstellbar; fizierung bekommen. Das gilt Mensch und Tier. Teilnehmer des Jugendgipfels zu zielt wurden. denn nur wenn wir als G 7 über- nicht nur, aber insbesondere in Drittens. Wir wollen den welt- Gast, die mehrere Tage hier in Enge und freundschaftliche Be- zeugend für unsere gemeinsamen den Entwicklungsländern. Wir weiten Handel stärken. Damit Deutschland verbracht haben: 54 ziehungen zu den Staaten Latein- Werte einstehen, können wir über- wollen es Frauen zudem leichter schaffen wir Impulse für die Erho- Jugendliche aus 19 Ländern, die amerikas und der Karibik sind für zeugend auch auf internationaler machen, den Weg in die unterneh- lung der Weltwirtschaft, für nach- uns ihre Vorstellungen für eine uns von großer strategischer Be- Bühne Verantwortung überneh- merische Selbstständigkeit zu ge- haltiges Wachstum und für Be- Welt der Zukunft deutlich ge- deutung. Bei unserem gemeinsa- men. Wie nötig dies ist, führt uns hen. Überall auf der Welt müssen schäftigung. Auf globaler Ebene macht haben. men Gipfeltreffen in Brüssel wol- nicht zuletzt die Vielzahl interna- wir beobachten, dass Frauen weit- steht dabei weiterhin die Welthan- Gemeinsam handeln, das heißt len wir deshalb neue Impulse für tionaler Krisen vor Augen: die La- aus seltener zu Gründern werden delsorganisation im Zentrum un- für mich auch, gemeinsam mit in- die politische, wirtschaftliche, wis- ge in der Ukraine, im Nahen und als Männer. Das wollen und – ich serer Bemühungen. Es bleibt un- ternationalen Partnern zu han- senschaftliche und kulturelle Zu- Mittleren Osten, die Bedrohung denke – das müssen wir ändern. ser Ziel, die Doha-Runde so rasch deln. Deswegen haben wir Gäste sammenarbeit setzen. Die EU-La- durch den internationalen Terro- Der Zugang zu Finanzierungs- wie möglich abzuschließen. Das nach Elmau eingeladen. Dazu ge- teinamerika-Stiftung in rismus, die Ebolaepidemie in möglichkeiten – so hat es uns die wird nicht einfach, aber wir halten hören die Chefs der großen inter- ist hierfür ein besonders sichtbares Westafrika, um nur wenige Bei- OECD noch einmal aufgearbeitet es für möglich. Gleichzeitig wol- nationalen Organisationen, allen Element. Dass sie nach Hamburg spiele zu nennen. Wir werden uns – und zu Netzwerken ist hierfür len wir bei den bilateralen und re- voran der Generalsekretär der Ver- kommt, dafür haben wir lange ge- beim G-7-Gipfel eng darüber ab- besonders wichtig, aber er ist heu- gionalen Handelsvereinbarungen einten Nationen, und auch weite- kämpft. Deshalb wird sich die stimmen, wie wir gemeinsam auf te strukturell schlechter als für zügig vorankommen. Das gilt aus re Staats- und Regierungschefs. Bundesregierung jetzt auch dafür die großen außen- und sicher- Männer. europäischer Sicht vor allem für Wir wollen in zwei Sitzungen drei einsetzen, dass die Stiftung sobald heitspolitischen Herausforderun- Zweitens. Wir wollen weltweit die Abkommen der Europäischen große Themen besprechen. Wir wie möglich zu einer internatio- gen reagieren können. die Gesundheitssysteme stärken. Union mit den G-7-Partnern Ja- wollen das Thema „Terroristische nalen Organisation aufgewertet Das Treffen in Elmau ist aber Die Ebolaepidemie ist eine pan, Kanada und den Vereinigten Bedrohung“ besprechen – der neu wird. weit mehr als akute Krisendiplo- schreckliche Heimsuchung für die Staaten von Amerika; jetzt ist bald gewählte nigerianische Präsident, Ganz im Zentrum der Beratun- matie. Wir müssen als G 7 voraus- von ihr betroffenen Menschen, der EU-Japan-Gipfel, und auch der tunesische Präsident und der gen am 10. und 11. Juni werden schauend handeln und Verantwor- und sie ist hoffentlich so etwas mit den anderen beiden Staaten Ministerpräsident des Irak haben jedoch die gemeinsamen globalen tung für die Zukunft übernehmen. wie ein Weckruf für uns alle. Je- sind wir in Verhandlungen. Unser zugesagt, zu kommen -, und wir Herausforderungen stehen; denn Unser Ziel als deutsche G-7-Präsi- denfalls habe ich zusammen mit gemeinsames Ziel bleibt es, bis wollen das Thema „Nachhaltige auch bei der Förderung von nach- dentschaft ist es, auf diesem Weg meinem Kollegen aus Ghana und Ende 2015 den politischen Rah- Entwicklungsziele“, das im Sep- haltiger Entwicklung, beim Klima- konkrete Fortschritte zu erzielen. der Ministerpräsidentin Norwe- men für ein Transatlantisches Frei- tember in New York eine Rolle schutz und bei der Bekämpfung Das gilt für die Post-2015-Ziele gens den Generalsekretär der Ver- handelsabkommen festzulegen. spielen wird, und das Thema „Ge- des internationalen Terrorismus zur nachhaltigen Entwicklung, das einten Nationen gebeten, ein Kon- Eine Stärkung des Freihandels sundheit“ mit der liberianischen sind Lateinamerika und die Kari- gilt für die Entwicklungsfinanzie- zept zu entwickeln, wie Gesund- erfordert auch eine bessere Umset- Präsidentin, mit dem äthiopi- bik für Europa ein wichtiger Part- rung, und das gilt für ein zukünfti- heitskrisen in Zukunft effektiver zung sozialer und ökologischer schen Ministerpräsidenten und ner. Deshalb freue ich mich be- ges globales Klimaabkommen, das bewältigt werden können, als das Standards, insbesondere in inter- dem Präsidenten des Senegal be- sonders, dass wir bei vielen The- Ende des Jahres in Paris beschlos- bislang der Fall ist. nationalen Lieferketten. sprechen. men direkt an die Diskussionen sen werden soll. Hierzu wollen Ich habe in dieser Woche auch Das furchtbare Unglück in der Eines ist für mich ganz klar: Ins- und auch an die Ergebnisse des wir als G 7 – ich sage allerdings: die Versammlung der Weltgesund- Textilfabrik Rana Plaza in Bangla- besondere der Dialog mit den afri- G-7-Gipfels anknüpfen können. das sind schwierige Verhandlun- heitsorganisation besucht. Sowohl desch vor zwei Jahren hat uns dies kanischen Staaten ist von zentra- Meine Damen und Herren, in gen – deutliche Signale der Unter- die Weltgesundheitsorganisation auf schreckliche Art vor Augen ge- ler Bedeutung. Wir wissen, dass einer sich immer schneller verän- stützung senden. als auch die Weltbank werden ei- führt. Ich setze mich dafür ein, die Zusammenarbeit mit Afrika dernden globalisierten Welt kön- Ich möchte drei weitere Beispie- ne zentrale Rolle bei den Vorschlä- dass die Opfer und ihre Familien intensiviert werden soll. Deshalb nen wir unsere Werte nur behaup- le herausgreifen, die veranschauli- gen spielen, die wir machen wer- endlich vollständig entschädigt wird es im Herbst dieses Jahres ei- ten und unsere Interessen nur chen, dass unser Schwerpunkt auf den, um in Zukunft besser auf sol- werden. Das werden wir zu einem nen Gipfel mit afrikanischen Staa- wirksam vertreten, erfolgreich nur Thema machen. Ich halte es für ten und der EU geben, um über dann sein, wenn wir für die ge- ein Unding, dass das noch nicht die Bekämpfung der Ursachen der meinsamen Herausforderungen erfolgt ist. Flüchtlingsbewegungen zu spre- auch gemeinsame Antworten über Ich möchte mich bei dem Ent- chen. Länder und Kontinente hinweg wicklungsminister Gerd Müller Es ist vollkommen klar: Wenn entwickeln. Dafür werde ich mich, und der Arbeitsministerin Andrea wir nachhaltige Antworten auf die dafür wird sich die ganze Bundes- Nahles bedanken, dass sie auch zu drängenden globalen Herausfor- regierung mit ganzer Kraft einset- den Fragen der Lieferketten einen derungen unserer Zeit finden wol- zen: im Rahmen der Partnerschaft intensiven Dialog geführt haben. len, dann müssen wir als Europäer mit unseren östlichen Nachbarn, Wir haben das mit den internatio- und natürlich auch Deutschland im Rahmen der G-7-Präsident- nalen Gewerkschaften gemacht mit allen Regionen der Welt eng schaft und in der Zusammenarbeit und mit vielen anderen. zusammenarbeiten. Deshalb wer- zwischen Europa, Lateinamerika Unser Ziel sind menschenwür- de ich am 10. und 11. Juni, also und der Karibik. dige Arbeitsbedingungen weltweit. nur wenige Tage nach dem Deshalb machen wir uns für eine G-7-Gipfel, am Gipfeltreffen der bessere Prävention stark, also für Europäischen Union mit den 33 (Beifall bei der CDU/CSU und der Vertreter der Opposition machten auch den BND-NSA-Skandal zum Thema die Stärkung von Arbeitssicherheit Staaten Lateinamerikas und der der Debatte. © dpa und Arbeitsschutz. Wie weit wir Karibik in Brüssel teilnehmen. SPD) Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 DEBATTENDOKUMENTATION 3

Dr. Gregor Gysi, DIE LINKE: zurzeit meilenweit entfernt. und die Aufhebung der Sanktio- Frau Bundeskanzlerin, Sie sind nen gegenüber Russland bedeuten die Vorsitzende beim G-7-Treffen. Friedenspolitik. Beides liegt im In- Sie können sich nicht mit Da frage ich Sie mal: Warum hat- teresse des ukrainischen und des ten Sie nicht den Mumm, Herrn russischen Volkes, im Interesse Putin einzuladen? Dass die Grü- ganz Europas und auch in unse- Schweigen aus der Affäre ziehen nen so naiv sind, zu glauben, dass rem Interesse. Wenn Sie denken, man in der Friedens- und Außen- die Zuspitzung zwischen der politik vorankomme, indem man Ukraine und Russland nütze der leramtschef, seine Vorgänger und ziemlich albern; die bringen ein ständiges Mitglied des UN-Si- Ukraine, Herr Vaatz, dann zeigt auch Sie unter Eid im Untersu- nichts. Allerdings gibt es eine cherheitsrates, eine Vetomacht im sich, dass Sie Außenpolitik gar chungsausschuss aussagen müs- Chance, dass man sich jetzt selbst Sicherheitsrat, eine Atomwaffen- nichts verstehen. Das muss ich Ih- sen. Wir brauchen Aufklärung und mit China verständigen kann. macht, das militärisch stärkste nen einmal ganz klar sagen. Klarheit; es wird höchste Zeit. Wissen Sie auch, warum? Weil die und größte Land Europas, Russ- Deeskalation liegt übrigens (Beifall bei der LINKEN – Mi- Luft in Peking so schlecht gewor- land, zu isolieren versuche, mag auch im Interesse unserer Wirt- chael Grosse-Brömer (CDU/CSU): den ist, und die Luft macht nicht zum Teil mit deren Jugend zusam- schaft. Diese Interessen und nicht Kommen Sie mal zum Thema! halt vor dem Politbüro, auch menhängen; aber Sie können das die Interessen der USA haben Erst Behauptungen aufstellen und nicht vor dem Partei- und Staats- nicht ernsthaft glauben, Frau Bun- maßgebend zu sein. Beim danach Aufklärung fordern! – Vol- chef. Sie wissen ja: Wenn es die deskanzlerin. Das G-7-Gipfel und da- ker Kauder (CDU/CSU): Es kann Menschen selbst betrifft, werden ändert aber nichts nach beim EU-CE- sein, dass Sie noch schneller unter sie gelegentlich einsichtig. Also, daran, dass Kritik LAC-Gipfel wird es Eid aussagen müssen, in Ham- ich kann nur hoffen, dass wir in an Putin und sei- Wir haben schon ja – Sie haben darü- © DBT/Achim Melde Gregor Gysi (*1948) burg! Das kann alles noch kom- dieser Menschheitsfrage endlich ner Regierung not- vor längerer Zeit ber gesprochen – Wahlkreis Berlin-Treptow - Köpenick men!) etwas erreichen. wendig ist. festgestellt, dass auch um die Östli- Im Übrigen hat der frühere Aber wie kommen Sie eigentlich Vor kurzem ha- die NSA Deutsch- che Partnerschaft ch habe geahnt, Frau Bundes- Bundesinnenminister Friedrich – darauf, dass sieben Staats- und Re- ben wir den 70. land komplett und damit ebenfalls kanzlerin, dass wir von Ihnen passen Sie auf, Herr Kauder! – der gierungschefs Weltpolitik machen Jahrestag der Be- ausforscht. um den Ukraine- Ikeine einzige Äußerung zum deutschen Wirtschaft versprochen, könnten? Wie kommen Sie eigent- freiung von der Konflikt gehen. Am Spionageskandal, der langsam zu dass die US-Spionage in der Wirt- lich darauf, dass Sie die UNO er- Nazidiktatur und 28. Juni 2015 sollen einer Staatskrise wird, hören wer- schaft aufhört. Das war offenkun- setzen dürften? Wie kommen Sie des Endes des Assoziierungsab- den. Ich wusste, dass Sie sagen dig falsch. Deshalb ist die Wirt- eigentlich darauf, dass sich diese Zweiten Weltkrieges gefeiert. Ich kommen der EU mit der Ukraine, würden: „Es ist kein Thema“, Herr schaft zutiefst enttäuscht, auch Staaten anmaßen könnten, für al- finde, es hätte sich gehört, dass mit Moldawien und mit Georgien Kauder. Aber das stimmt nicht. Bei von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin. le anderen Staaten zu entschei- viele, auch westliche Staatsober- unterzeichnet werden. Es handelt allen Treffen, zu denen sie fährt, Schließlich könnten Sie Präsi- den? Das ist völlig indiskutabel. häupter und Regierungschefs – sich hierbei um drei souveräne findet sie Leute, die abgehört wor- dent Obama doch einmal eins er- Deshalb wird es einen sehr breit auch Sie, Frau Bundeskanzlerin – Staaten. Seit einem Vierteljahr- den sind; insofern ist das ein The- klären: Seit dem Zwei-plus-Vier- angelegten Protest dagegen geben, an der traditionellen Feier zu die- hundert sind sie nicht mehr Be- ma, kann ich nur sagen. Vertrag ist der Besatzungsstatus und ich meine auch: zu Recht. sem 70. Jahrestag am 9. Mai in standteil der Sowjetunion, und Sie Wir haben schon vor längerer Deutschlands letztlich beendet. Außerdem ist selbst das Moskau teilgenommen hätten. haben völlig recht, Frau Bundes- Zeit festgestellt, dass die NSA Deutschland ist ein souveränes G-7-Treffen gar nicht in der Lage, Ich sage Ihnen auch, warum: 27 kanzlerin: Diese drei Staaten ha- Deutschland komplett ausforscht. Land. Wir und kein anderer haben Weltpolitik zu machen; denn es ist Millionen Sowjetbürger haben ihr ben das souveräne Recht, Abkom- Die behandeln uns immer noch zu entscheiden, mit welchen Ge- die internationale Finanzwelt, die Leben im Kampf gegen Hitler ver- men mit der EU zu schließen. Es wie ein besetztes ehemaliges Fein- heimdiensten wir wie zusammen- bestimmt, was dort geschieht. Wir loren, und sie haben unsere Eh- darf aber nie wieder passieren, desland. Ich sage Ihnen klipp und arbeiten. Wenn es gegenseitig kei- haben kein Primat der Politik rung verdient. Dabei bleibe ich. dass auch die EU-Kommission wie klar: Das dürfen wir uns nicht län- ne Spionage geben soll, dann ha- mehr. Selbst die Union müsste Frau Bundeskanzlerin, immerhin bei der Ukraine eine Alternative ger bieten lassen! ben Sie das auch durchzusetzen. doch daran interessiert sein, dass waren Sie wenigstens einen Tag daraus macht und sagt: entweder Darunter ist übrigens auch eine Aber nun komme ich zum wir wieder ein Primat der Politik später da und haben gemeinsam mit Russland oder mit uns. Sie ha- gravierende Wirtschaftsspionage. G-7-Treffen. Da wollen Sie ja über herstellen, dass nicht die Banken mit Putin einen Kranz am Grab- ben gesagt, Sie seien dafür. Alle Nun hat sich herausgestellt, dass den Klimaschutz reden. Ich darf bestimmen, was Sie machen, son- mal des Unbekannten Soldaten drei Staaten brauchen gute Bezie- der BND für die NSA und sich Ihnen mal sagen: Ohne Russland dern Sie wieder eine Chance ha- niedergelegt und auch ein Ge- hungen zur Europäischen Union, selbst Abertausende rechtswidrige und vor allen Dingen ohne China ben, zu bestimmen, was die Ban- spräch geführt. aber auch gute Beziehungen zu Handlungen beging. Die deutsche sind Gespräche zum Klimaschutz ken machen. Aber davon sind wir Ich sage Ihnen: Deeskalation Russland, und genau dafür müs- Wirtschaft ist davon betroffen, eu- sen wir uns einsetzen. – Das ha- ropäische Regierungen sind davon ben Sie gesagt, und ich habe das betroffen, die EU-Kommission ist mit Wohlwollen zur Kenntnis ge- davon betroffen. Die Mär, dass das nommen. Ganze der Terrorismusbekämp- Wir dürfen aber eins nicht ver- fung dienen soll, ist damit wider- gessen: Die Ukraine ist auch in ei- legt – vielleicht ein kleiner Anteil; ner tiefen wirtschaftlichen und so- aber der ganze Rest ist politische zialen Krise. Die Ukraine hat grö- und Wirtschaftsspionage. Das ist ßere Schulden als Griechenland; beim besten Willen nicht hin- ich sage das nur mal. nehmbar, und es ist strafbar. Die Bundesregierung macht ge- Ich sage Ihnen auch, Frau Bun- genüber Südeuropa die gleiche deskanzlerin: Sie zeigen viel zu falsche Politik wie mit der Agenda wenig Rückgrat gegenüber der US- 2010 in Deutschland. Wieder wird Administration. Willfährigkeit von der Ukraine verlangt, Renten und Duckmäusertum führen zu zu kürzen, die Löhne zu senken Verachtung. Was wir brauchen, ist und die öffentliche Daseinsvorsor- jedoch Respekt. Respekt ist die ge zu privatisieren. Das ist der fal- Grundlage, um eine Freundschaft sche Weg. Wissen Sie, was die Leu- aufzubauen. Anders funktioniert te nicht verstehen? Sie verstehen das nicht. nicht, wieso eigentlich nicht die Wir haben höchstwahrschein- Oligarchen des Landes, sondern lich eine tiefe Schuld gegenüber die Rentnerinnen und Rentner europäischen Partnern auf uns ge- und die Arbeitnehmerinnen und laden. Frau Bundeskanzlerin, dies- Arbeitnehmer für die Krise bezah- mal können Sie sich nicht mit Schweigen aus der Affäre ziehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (links) und der französi- Ich gehe davon aus, dass der Kanz- sche Präsident Francois Hollande zu Beginn ihres Treffens am Rande des EU-Gipfels. © dpa Fortsetzung auf nächster Seite 4 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

len müssen. Das ist nicht akzepta- den USA, um CETA zwischen der vereinbart werden. Das heißt, dass lich Lebensmittel erlaubt werden zwischen unabhängiger von den bel, und zwar in keinem Land – EU und Kanada, um TPP zwi- soziale, gesundheitliche und öko- dürfen, die bei uns verboten sind, USA als Deutschland. Ich finde, weder in der Ukraine noch in schen den USA und Ostasien und logische Standards eingefroren und zwar aus guten Gründen. das sollten Sie ändern, liebe Frau Russland noch in anderen Län- um das Dienstleistungsabkom- und nicht mehr erhöht werden Nicht einmal das Reinheitsgebot Bundeskanzlerin. dern. Das ist auch unverantwort- men TiSA zwischen 23 Staaten in dürfen. Sie machen damit jede für Bier – ich bitte die Bayern: Sie Lateinamerika hat, wie gesagt, lich. Europa, USA, Lateinamerika und vernünftige Veränderung in der müssen doch wenigstens darauf entscheidende politische Verände- Minsk II hat einen fragilen Frie- Asien. Überall geht es um den un- Politik unmöglich. achten – bliebe unter diesen Be- rungen erlebt. Ich bin froh, dass es densprozess ausgelöst, der von al- begrenzten Zugang der Finanz- Ich sage es noch einmal: Es gibt dingungen erhalten. endlich zu einem Handschlag len Seiten umgesetzt werden konzerne zu den Daten der Bürge- auch schwere Kritik an der Investi- Deshalb sind wir gegen diese zwischen dem amerikanischen muss. Das bedeutet aber, dass die rinnen und Bürger. Den Daten- tionsschutzklausel. Ich will Ihnen Abkommen und meinen, das ist und dem kubanischen Präsiden- NATO aufhören sollte, in Polen schutz könnten wir dann ab- sagen, was sie bedeutet: Ein ameri- der falsche Weg. Den Gipfel der ten gekommen ist. Wir müssen und in den balti- schreiben. Das ist kanischer Konzern kommt nach EU mit der Gemein- den Kalten Krieg schen Staaten die überhaupt nicht Deutschland, begründet seinen schaft der Latein- hinter uns lassen; militärischen Mus- hinnehmbar. Sitz. Zu diesem Zeitpunkt gibt es amerikanischen und die Blockadezeit keln spielen zu las- Minsk II hat Die USA wollen eine Rechtslage. Danach wählen Karibischen Staaten Wir brauchen muss endlich sen. Wenn die einen fragilen erreichen, dass Un- die Bürgerinnen und Bürger eine in Brüssel finde ich jetzt doch keine überwunden wer- NATO ihre Provo- Friedensprozess ternehmen, die in vernünftige Bundesregierung, sa- auch spannend. Wis- gegenseitige den. kationen einstellt, ausgelöst, der einem anderen gen wir mal: eine mit Linken. sen Sie was, Frau Hochrüstung. Frau Bundes- dann haben wir umgesetzt Land Dienstleistun- Mein Problem ist ein anderes. Bundeskanzlerin: Sie Wohin soll das kanzlerin, haben auch viel bessere werden muss. gen anbieten, dort Wenn diese vernünftige Bundesre- werden dort lauter denn führen? Sie doch einfach Voraussetzungen keinen Firmensitz gierung mehr Mitbestimmung Staats- und Regie- einmal den Mut dafür, von Russland mehr benötigen. und etwas höhere Steuern be- rungschefs treffen, und besuchen Sie zu verlangen, die Das würde bedeu- schließen würde, dann würden die immer eigen- – bei aller Kritik – Manöver, die ich abenteuerlich ten, dass dann auch das europäi- die Konzerne sagen: Nein, das ver- ständiger und selbstbewusster einfach die Perle der Karibik, die finde, ebenfalls einzustellen. Wir sche Recht für sie nicht mehr gilt. stößt gegen das Verbot von Inves- werden. Es gibt dort auch viele schöne Insel Kuba. Was meinen brauchen jetzt doch keine gegen- Wo soll das Ganze enden? titionshemmnissen. – Sie machen linke Regierungen, die aus diesem Sie, was das für eine Geste wäre, seitige Hochrüstung. Wohin soll Die öffentliche Daseinsvorsorge eine Politik in diese Richtung un- ganzen neoliberalen Mist heraus- wenn Sie das machten! das denn führen? Wir brauchen soll privatisiert werden, und zwar möglich. Das ist zutiefst undemo- wollen und endlich Hunger und Lassen Sie mich zum Schluss ei- Abrüstung und Deeskalation, und vom Gesundheitswesen über den kratisch und darf nicht passieren. Elend überwinden und beseitigen nen Satz sagen: Wir sind wichtig – dafür müssen Sie stehen, Frau Verkehr, den Handel, die Energie Ich sage Ihnen ganz klar: Auch wollen. Aber da ist noch etwas: ich weiß -, die USA sind selbstver- Bundeskanzlerin. und die Telekommunikation bis die Schiedsgerichte sind ein Skan- Die USA spielen in Lateinamerika ständlich wichtig – ich weiß -, Sie haben über die geplanten hin zur Bildung. Dann soll auch dal. Die deutschen Unternehmen täglich eine geringere Rolle. Russland ist auch wichtig, China Freihandelsabkommen gespro- noch vereinbart werden – Sie ma- müssen den Gerichtsweg gehen, Zum Beispiel hat China zum wird immer wichtiger. Aber bitte chen und sie nur gewürdigt. Sie chen das alles ja geheim; man ist die amerikanischen machen das Teil schon die USA als stärksten unterschätzen Sie nicht die Bedeu- haben nur die Chancen betont immer auf die Informationen an- über ein Schiedsgericht; mit Geld Handelspartner abgelöst. Dadurch tung und Relevanz von Afrika, und gehen auf die Kritik daran gewiesen, die man bekommt -, und drei Advokaten kriegen die al- werden die lateinamerikanischen Asien und Lateinamerika. überhaupt nicht ein. Es geht ja dass eine Privatisierung nie mehr les geregelt. Ich kann nur sagen: Staaten jeden Tag unabhängiger. mindestens um vier Abkommen: rückgängig gemacht werden darf. Das ist absurd. Wissen Sie, was ich für einen um TTIP zwischen der EU und Dann soll auch noch Standstill Dann kommt hinzu, dass plötz- Skandal halte: Kolumbien ist in- (Beifall bei der LINKEN)

Thomas Oppermann, SPD: auf die Separatisten nutzen, damit einer imperial anmutenden Mili- die Waffenruhe eingehalten wird tärparade in Moskau teilzuneh- und der Abzug der Waffen sicher- men. G-7-Partner agieren auf einem gestellt ist. Auch der Westen sollte Lieber Gregor Gysi, was haben dabei bleiben, keine Waffen in die Sie sich als Pazifist eben eigentlich Ukraine zu liefern. dabei gedacht? Das hat mich an gemeinsamen Fundament Die Konfliktparteien in der unsere Gedenkstunde zum Ende Ukraine brauchen nicht mehr des Zweiten Weltkrieges erinnert. Waffen; sie brauchen einen politi- Als Professor Winkler hier ausge- sucht wurden, da war nicht die Seite seiner Partner, um die gro- schen Dialog, um wieder Frieden rufen hat: „Nie wieder dürfen wir G 7, sondern die G 20 das richtige ßen Probleme dieser Zeit zu meis- herzustellen. Deutschen zum Nachteil und auf Gremium. tern. In diesem Zusammenhang dem Rücken unserer osteuropäi- Aber so wünschenswert es auch Das G-7-Treffen findet – darauf möchte ich dem Haushaltsaus- schen Nachbarn Entscheidungen wäre, wenn die G 20 weiter an Be- hat die Bundeskanzlerin schon schuss dafür danken, dass er ges- zu deren Lasten treffen oder über deutung gewänne, so behält die hingewiesen – nach 15 Jahren tern den Beschluss gefasst hat, 10 deren Schicksal bestimmen“, hat G-7-Runde für Deutschland doch jetzt zum zweiten Mal ohne Russ- Millionen Euro für die 4 000 zum sich in Ihrer Fraktion keine Hand eine ganz entscheidende Bedeu- land statt. Das ist bedauerlich, Teil unter ganz kläglichen Verhält- zum Beifall gerührt. Außenpoli- tung; denn alle G-7-Partner agie- aber es ist unvermeidlich; denn nissen lebenden ehemaligen sow- tisch bzw. geopolitisch sind Sie in ren auf einem gemeinsamen Fun- mit der völkerrechtswidrigen An- jetischen Kriegsgefangenen bereit- Ihrer Fraktion über den Stand der dament. Was uns mit den USA, nexion der Krim und mit der of- zustellen. Ich glaube, das ist eine Breschnew-Doktrin noch nicht hi- mit Kanada, mit Japan, mit Frank- fenkundigen militärischen Unter- ganz wichtige Geste, die zeigt: nausgekommen. Das ist leider so. reich, Italien und Großbritannien stützung der Separatisten in der Trotz aller grundlegenden Mei- Aber das größte Problem ist © DBT/Achim Melde Thomas Oppermann (*1954) verbindet, sind die Werte Freiheit, Ostukraine hat Wladimir Putin nungsverschiedenheiten, die wir nicht die Fraktion Die Linke. Das Wahlkreis Göttingen Demokratie und Herrschaft des die europäische Friedensordnung im Augenblick mit Russland ha- größte Problem auf der Welt ist Rechts. infrage gestellt. Da kann man ben, wissen wir und vergessen wir im Augenblick die Tatsache, dass iele bezweifeln, dass der Nur auf der Grundlage dieser nicht einfach zur Tagesordnung nicht, welche ungeheuren Opfer 50 Millionen Menschen auf der G-7-Gipfel noch das richti- Werte können wir die großen glo- übergehen und so tun, als sei Russland im Zweiten Weltkrieg Flucht sind, um ihr Leben zu ret- Vge Format ist, um die Pro- balen Herausforderungen wie Kli- nichts gewesen. hat erbringen müssen. ten und eine Heimat zu finden. bleme dieser Welt zu lösen. Als mawandel, wirtschaftliche Not, Gleichwohl können wir kein In- Ich möchte mich auch bei Vol- Nur ein ganz geringer Teil von die G 7 vor 40 Jahren von Valéry Flüchtlings- und Hungerkatastro- teresse an einer Isolation Russ- ker Kauder ganz herzlich dafür be- diesen Flüchtlingen kommt hier Giscard d’Estaing und Helmut phen oder Bedrohung durch den lands haben. Langfristig muss es danken, dass in dieser Frage so bei uns in Europa an. Deshalb er- Schmidt gegründet wurde, da wa- islamistischen Terrorismus bewäl- darum gehen, zurückzufinden zu schnell eine Verständigung zwi- warten die G-7-Partner zu Recht, ren die Teilnehmer noch die wirt- tigen. Deshalb ist die wichtigste den guten und freundschaftlichen schen den Fraktionen möglich ge- dass wir bei dem Flüchtlingsdra- schaftlich stärksten Länder der Botschaft, die von diesem Gipfel Beziehungen. Aber klar ist auch: wesen ist. Aber ich finde 70 Jahre ma im Mittelmeer und im Nahen Welt. Das ist heute nicht mehr un- in Elmau ausgehen muss: Wir werden nur dann die Sanktio- nach dem Ende des Zweiten Welt- Osten nicht nur zuschauen, son- eingeschränkt der Fall. Als nach Deutschland denkt nicht national, nen aufheben, wenn das Minsker krieges diese kleine Geste überzeu- dern Verantwortung übernehmen. der Lehman-Pleite Antworten auf Deutschland handelt nicht alleine, Abkommen umgesetzt wird. Russ- gender als den Aufruf von Gregor Im wichtigsten Punkt haben wir die internationale Finanzkrise ge- sondern Deutschland agiert an der land muss seinen großen Einfluss Gysi an die Bundeskanzlerin, an jetzt zum Glück eine Wende ein- Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 DEBATTENDOKUMENTATION 5

geleitet. Die humanitäre Seenot- sein. Parlamentarischen Kontrollgremi- denn wir erleben eine völlig neue zum Beispiel bei der Entlastung rettung steht wieder an erster Stel- Der G-7-Gipfel ist auch ein An- um gelingt. Wir werden die Fakten Form der Bedrohung. Mehrere der Alleinerziehenden und beim le. Ich freue mich, dass sich jetzt lass zum Nachdenken über unser klären, die Ergebnisse bewerten Hundert junge Deutsche, mehrere Abbau der kalten Progression. Wir auch Schiffe der Bundesmarine Verhältnis zu den Vereinigten und daraus die richtigen Konse- Tausend junge Europäer ziehen in haben ein Maßnahmenpaket ge- daran beteiligen und schon über 1 Staaten. Der Irakkrieg, Guantána- quenzen ziehen. Das ist die richti- den Krieg im Nahen Osten und gen Wohnungseinbrüche ge- 000 Menschen das Leben gerettet mo und die NSA-Affäre haben in ge Reihenfolge. Aber ich bin mir beteiligen sich an Terrorakten. Sie schnürt. Auch bei einem so haben. Ich möchte den Soldaten den letzten Jahren dazu geführt, schon jetzt sicher, dass wir ein können jederzeit zurückkommen. schwierigen Thema wie der Vor- von hier aus unse- dass das Ansehen neues BND-Gesetz brauchen. Auf diese Internationalisierung ratsdatenspeicherung haben wir ren ganz herzlichen der USA in Die Bürger und Bürgerinnen ak- des Terrors dürfen wir nicht mit uns geeinigt. Dank aussprechen. Deutschland ge- zeptieren Nachrichtendienste. einer Renationalisierung und Ab- Ich bin ganz sicher: Wir werden Es kann nicht Wir dürfen sunken ist. Ameri- Aber dabei müssen sie sich auf schottung unserer Nachrichten- uns in den nächsten Wochen auch sein, dass sich nur nicht den ka wird zuneh- zwei Dinge verlassen können, dienste antworten. Das wäre der in der Frage einigen, wie wir die vier oder fünf Län- Fehler machen, mend skeptischer nämlich erstens darauf, dass der falsche Weg. Kommunen in Deutschland bei der in Europa um uns auseinander- betrachtet. Die Ent- Schutz ihrer Privatsphäre respek- Wir brauchen auch in Zukunft der Aufnahme von Flüchtlingen die Flüchtlinge dividieren fremdung in Teilen tiert wird und sie nicht vom eige- eine Zusammenarbeit mit der stärker entlasten. Ich freue mich kümmern. Was wir zu lassen. der Bevölkerung nem Auslandsnachrichtendienst NSA; aber sie muss auf klaren jedenfalls darüber, dass diese Ko- brauchen, ist eine wächst, und sie ausgespäht werden, und zweitens rechtlichen Grundlagen gesche- alition den festen Willen hat und solidarische Flücht- verstärkt auch die darauf, dass der BND im Rahmen hen. ohne Einschränkungen bereit ist, lingsaufnahme in Kritik an gemeinsa- klarer gesetzlicher Vorgaben unter Schwierige Themen tragen die Aufnahme von Flüchtlingen in ganz Europa. Die Vorschläge der men Projekten wie dem Freihan- effektiver exekutiver und parla- schwierige Entscheidungen in eine Deutschland so zu organisieren, EU-Kommission sind mutig. Sie delsabkommen. Ich sage: Wir dür- mentarischer Kontrolle unsere Si- Koalition. Aber auch wenn etwas dass wir eine Spaltung der Gesell- sind ein richtiger Schritt. Das Eu- fen nicht den Fehler machen, uns cherheit gewährleistet und uns kompliziert ist, kann man es lö- schaft verhindern. Daran lassen ropäische Parlament hat darüber auseinanderdividieren zu lassen; mit dem Sammeln von Informa- sen. Das haben wir in den vergan- Sie uns gemeinsam arbeiten. gestern mit großem Zuspruch dis- denn die USA bleiben Europas tionen vor Anschlägen schützen genen Wochen immer wieder ge- kutiert. Ich finde, der G-7-Gipfel wichtigster Bündnispartner. Die kann. schafft. ist eine gute Gelegenheit, auch un- weltweiten Krisen erfordern, dass Wir alle wissen: Ein effektiver Wir haben uns in etlichen nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abge- serem Partner Großbritannien zu wir zusammenarbeiten und dass Schutz ist heute wichtiger denn je; ganz einfachen Punkten geeinigt, ordneten der CDU/CSU) sagen, dass er hier nicht außen vor wir uns auf unser gemeinsames bleiben kann. Wertefundament besinnen. Ich halte es für beschämend, Zu diesen Werten gehört ohne Dr. Anton Hofreiter, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: dass es in Europa Regierungen Zweifel auch der Grundsatz, dass gibt, die meinen, sie hätten mit die Ausübung jeglicher Staatsge- dem Flüchtlingsdrama im Mittel- walt – dazu gehört für mich ganz Das Kanzleramt hat die meer nichts zu tun. besonders die Tätigkeit der Ge- Die Tatsache, dass jetzt noch heimdienste – an Recht und Ge- mehr Flüchtlinge aus Jordanien setz gebunden ist. Öffentlichkeit getäuscht und dem Libanon nach Europa Wenn es jetzt den begründeten kommen, hat einen ganz einfa- Verdacht gibt, dass die NSA die chen Grund: Das UNO-Flücht- Kooperation mit dem BND ge- wenn nichts passiert; Hauptsache, nern Sie sich? Damals war Wahl- lingswerk muss die Nahrungsra- nutzt haben könnte, um private es sieht irgendwie schön aus. kampf. Im Jahr 2013 ist die reale tionen kürzen, weil es nicht genü- Unternehmen und befreundete Die reale Welt braucht aber rea- Welt in Form von Edward gend Geld hat. Geldmangel der Regierungen in Europa auszuspä- le Politik, Frau Merkel. Daran Snowden in die Merkel-Welt ein- UN ist ein Grund für weitere hen, so wäre dies jedenfalls mit müssen Sie sich messen lassen, gebrochen. Das war natürlich total Flüchtlinge. Deutschland hat sei- Recht und Gesetz in Deutschland und genau dabei fallen Sie durch. unangenehm; denn Sie hatten die nen Beitrag im letzten Jahr geleis- nicht vereinbar. Ob bei den entscheidenden Zu- Republik doch so schön einge- tet und dafür gesorgt, dass keine Sollte sich dies als wahr erwei- kunftsfragen, beim Datenschutz, lullt. Aber dann kam die reale Flüchtlingslager geschlossen wer- sen, würde das nicht nur das Ver- bei einer gerechten Globalisie- Welt zum Vorschein, und was ta- den mussten. Jetzt müssen wir da- trauen in den Verbündeten be- rung, beim Klimaschutz oder bei ten Sie? Sie schickten einen Gauk- für sorgen, dass sich weitere Län- schädigen, sondern vor allem der Energiewende: Überall herr- ler namens Pofalla. Und was ha- der an der Finanzierung der auch das Vertrauen in den eigenen schen Stillstand, Apathie und ben Sie den Gaukler Pofalla sagen Flüchtlingsversorgung beteiligen. Nachrichtendienst. Ein Dienst, in Gleichgültigkeit. lassen? Sie haben © DBT/Achim Melde Auch darüber sollte auf dem dem solche Vorgänge nicht unver- Anton Hofreiter (*1970) Die Probleme der den Gaukler Pofalla G-7-Gipfel gesprochen werden. züglich an die Behördenleitung, Landesliste Bayern Welt sind echt, die schönen Worte Natürlich müssen wir Schlep- an das Kanzleramt und an das für aber Ihre Politik ist Sie sind die an die Deutschen perbanden gezielt bekämpfen. die Kontrolle zuständige parla- ir haben von Ihnen nicht echt. Kanzlerin der richten lassen: Die Aber am Wichtigsten ist es natür- mentarische Gremium gemeldet heute wieder einmal ei- Nach bestem Tagesordnung, Amerikaner haben lich, daran zu arbeiten, dass die werden, führt ein Eigenleben, das Wne typische Regierungs- Wissen und Gewis- Frau Merkel. uns den Abschluss Fluchtursachen beseitigt werden. ihm in einem demokratischen erklärung gehört, so eine schöne sen, Frau Merkel? Daran besteht eines No-Spy-Ab- Lieber Herr Minister Müller, Sie Rechtsstaat nicht zusteht. Ankündigungsrede. Sie haben vie- Seien wir ehrlich: kein Zweifel. kommens angebo- sind einer der ganz wenigen, mög- Ein Nachrichtendienst, der be- le Themen kurz gestreift: die Kli- Sie wissen es doch ten. licherweise der einzige Minister schränkende Gesetze missachtet, makrise, die Finanzierung der Ent- viel besser. Sie wis- Sie wollten beru- für wirtschaftliche Zusammenar- ist kein Schutz für die Menschen, wicklungszusammenarbeit, die sen doch, dass der higen, Lösungen beit, der im Augenblick einen so sondern eine Gefahr für die De- Gefahr eines postantibiotischen Klimaschutz in Deutschland vortäuschen und verschleiern. Ihre kräftigen Etatzuwachs hat: 8,3 mokratie, und schon deshalb Zeitalters und die mangelnde Fair- stockt, dass unsere Daten nicht si- Botschaft sollte sein: Wir haben Milliarden Euro mehr bis 2019. müssen wir diese Vorgänge genau ness der ökonomischen Globali- cher sind, dass die Ungleichheit alles im Griff. – Doch es war eine Ich habe die klare Erwartung, dass aufklären, sierung. Sie haben viele Probleme zunimmt und unsere Autos nicht falsche Fährte, eine Fährte, wie sie wir diese Mittel schwerpunktmä- übrigens auch im Interesse der der Welt auf die Tagesordnung des sauberer werden. Das wissen Sie ein Geheimdienst nicht besser ßig zur Beseitigung der Ursachen Mitarbeiter unserer Sicherheitsbe- G-7-Gipfels in Elmau gesetzt. Sie sehr wohl. Warum handeln Sie hätte legen können. Es war Trick- der Flucht von Menschen einset- hörden. Die allermeisten Mitar- sind die Kanzlerin der Tagesord- dann nicht endlich? serei. So geht es nicht, Frau Mer- zen, die keine Arbeit, keine Per- beiter leisten eine ungemein wert- nung, Frau Merkel. Daran besteht Bisher ist es Ihnen oft gelungen, kel. spektive und keinen Schutz ha- volle Arbeit für unser Gemeinwe- kein Zweifel. die Fassade aufrechtzuerhalten Denn an der Beendung der Mas- ben. sen. Ich finde, an deren Loyalität So eine Tagesordnung schreiben und die Arbeit nur vorzutäuschen. senüberwachung waren Sie gar Deshalb muss ein großer Teil zu Recht und Verfassung bestehen Sie bestimmt nach bestem Wissen Aber nach zehn Jahren Wind und nicht interessiert. Es sollte nie ein dieser Mittel in Afrika eingesetzt nicht die geringsten Zweifel. Sie und Gewissen, wie Sie es selbst Wetter aus der echten Welt be- No-Spy-Abkommen geben. Die werden. Wirtschaftliche Entwick- dürfen nicht für die Fehler einiger ausdrücken. Ich finde, dieser Satz kommt die schönste Fassade Risse. Amerikaner hatten es nie angebo- lung, fairer Handel und sicher- in Mithaftung genommen werden. verkörpert, wofür Sie stehen: Sie Morsches Gebälk kommt zum ten. heitspolitische Zusammenarbeit, Ich bin zuversichtlich, dass die ersetzen die Tat durch den Vorsatz, Vorschein. das gehört zusammen, und das Aufklärung im parlamentarischen den Inhalt durch die Überschrift Ein tiefer Riss in dieser Fassade sollte auch die Botschaft der G 7 Untersuchungsausschuss und im und die Politik durch PR. Egal stammt aus dem Jahr 2013. Erin- Fortsetzung auf nächster Seite 6 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Ihr Kanzleramt hat die Öffent- zu tun. Erst täuschen Sie die Wäh- vor! den ist? Es ist richtig, dass diese tagsfraktion hat Minister Gabriel lichkeit getäuscht, hinter die Fich- lerinnen und Wähler, und jetzt Liebe Kolleginnen und Kolle- Menschen Entschädigungen be- so lange in die Kniekehlen getre- te geführt oder, wie man es land- versuchen Sie, sie mit ihrer Angst gen, dieses Jahr ist auch entschei- kommen. Aber es ist doch noch ten, bis er eingeknickt ist. läufig auch nennt, schlichtweg ge- vor Terroranschlägen einzu- dend für den Klimaschutz und die viel wichtiger, dass man dafür Ihr Ministerpräsident Seehofer logen. Und Sie haben es zugelas- schüchtern. Das ist im Kern wirk- globale Gerechtigkeit. Mit den sorgt, dass es zu solchen Unglü- wütet gegen den Netzausbau, der sen. Sie sind schließlich die Kanz- lich unanständig. Konferenzen zur Entwicklungsfi- cken gar nicht erst kommt. Ist ir- die Grundlage für den Atomaus- lerin. Deshalb vermute ich, dass Frau Merkel, Sie untergraben nanzierung und zu den Nachhal- gendetwas besser geworden, seit stieg ist. Sie versprechen zusam- Sie Einfluss auf Ihr Kanzleramt ha- auch die Legitimität der Geheim- tigkeitszielen der UN sowie der Sie zum letzten Mal eine solche men mit Frankreich einen besse- ben. Vielleicht haben Sie es sogar dienste, des Rechtsstaats und am Klimakonferenz in Paris werden Rede gehalten haben? Nein, nichts ren Emissionshandel. Aber es sind selbst veranlasst. Ist es das, was Sie Ende unserer Demokratie, wenn Weichen für die nächsten Jahr- ist besser geworden für die Nähe- doch Ihre Parteifreunde von der mit bestem Wissen und Gewissen Sie jetzt nicht endlich aufklären. zehnte gestellt. In Ihrem Video- rinnen, und wir fürchten, dass CDU, die in Brüssel im Europa- meinen? Dieses Untergraben der Legiti- podcast haben Sie, Frau Merkel, auch Ihre jetzige Rede wieder kon- parlament genau das verhindern, Ihr Gewissen ist Ihre Sache, Frau mität gefährdet am Ende unser al- angekündigt, dass die Globalisie- sequenzlos bleibt und auch dies- was Sie hier versprechen. Das darf Merkel. Ihr Wissen war allerdings ler Sicherheit; denn wir brauchen rung jetzt fair und gerecht gestaltet mal nichts besser wird für die Nä- doch nicht wahr sein! schon damals eine funktionieren- werden soll. Wieder eine schöne herinnen in Ban- Was tun Sie, Frau deutlich besser als de Zusammenarbeit, Überschrift. Sie werden sich ganz gladesch. Merkel? Sie schrei- Pofallas Gaukler- und wir brauchen bestimmt nach bestem Wissen Fragen Sie sich ben nach bestem spiel. Eine Ent- eine rechtsstaatliche, und Gewissen dafür einsetzen. eigentlich, ob die Handeln Sie end- Wissen und Gewis- Der belegte schuldigung bei verlässliche Zusam- Aber können wir irgendetwas Risiken der globa- lich! Verändern sen schöne Über- E-Mail-Verkehr legt den Bürgern menarbeit. davon erwarten? Ich fürchte, nein. len Finanzwelt Sie die Realität! schriften für diese nahe, dass Sie ganz wäre angesichts Aber was wir Erinnern Sie sich noch an 2007? kleiner geworden Dafür sind Sie falsche Politik. Die genau wussten, dieser Täuschung nicht brauchen, ist, Da gab es schon einmal einen sind, seit Sie viele zur Kanzlerin Merkel-Union ist dass es dieses Ab- das Mindeste. nach Ihrer markt- Gipfel in Deutschland, den schöne Reden ge- gewählt. längst zu einer Be- kommen nie ge- konformen Demo- G-8-Gipfel in Heiligendamm. Im halten haben? drohung für das Kli- ben würde. Frau kratie, auch noch Vorfeld haben Sie eine schöne Re- Auch hier lautet ma geworden. Merkel, es war alles die geheimdienst- de gehalten. Diese Rede hat den die Antwort Nein. Sie gefährden da- nur ein faules Ei aus Ihrer PR-Ab- konforme Demokratie. Es kann Titel getragen: „Globalisierung fair Die Risiken sind nicht kleiner ge- durch, dass Sie nicht handeln, teilung. doch nicht wirklich Ihr Ernst sein, gestalten“. Was ist aus dieser Über- worden. Oder nehmen wir die sondern immer nur schöne Worte Frau Merkel, Sie hätten heute Frau Merkel, was Sie da zulassen. schrift gefolgt? Es ist immerhin brutale Ungleichheit, die viel mit sagen, die Lebensgrundlagen für die Gelegenheit gehabt, sich zu Legen Sie endlich die Selektoren- schon viele Jahre her. Ich kann es einer fairen und gerechten Globa- uns alle; Sie gefährden dadurch äußern. Eine Entschuldigung bei listen auf den Tisch! Ihnen sagen: Finanztransaktions- lisierung zu tun hat. Nein, auch die Lebensgrundlagen von Millio- den Bürgerinnen und Bürgern wä- Sie haben noch am 11. Mai in teuer – gibt es nicht; verbindliche die brutale Ungleichheit in der nen von Menschen. re angesichts dieser Täuschung das Bremen versprochen, dass selbst- Arbeitsmarkt- und Sozialstandards Welt ist kein bisschen kleiner ge- Frau Merkel, „nach bestem Wis- Mindeste; sie wäre angemessen. verständlich alle Unterlagen dem – nicht mit Frau Merkel; harte Re- worden. Nächstes Jahr wird das sen und Gewissen“, das ist die ver- Stattdessen imitieren Sie Hel- BND-Untersuchungsausschuss zu- geln für die Banken – Pusteku- reichste 1 Prozent der Menschen bale Krücke für Ihr Regierungs- mut Kohl und versuchen, die Pro- geleitet werden. Sie selbst haben chen; 0,7-Prozent-Ziel für die Ent- genauso viel besitzen wie alle üb- prinzip. Wenn Politik allerdings bleme auszusitzen. Das lassen wir gesagt: Selbstverständlich wird al- wicklungszusammenarbeit – kein rigen 99 Prozent zusammen. nicht liefert, was sie verspricht, nicht zu, Frau Merkel. Der BND les zugeleitet. – Stimmt das jetzt, Plan vorhanden. Schützen Sie diejenigen besser, wenn sie nicht sagt, was sie wirk- hat der NSA jahrelang geholfen, oder stimmt es nicht? An Ihren Slogans und Über- die zu Hunderttausenden vor lich will, wenn sie nur Fassade ist, deutsche und europäische Unter- Offensichtlich hat das Verspre- schriften ist genauso viel dran wie Krieg, Armut und Vertreibung flie- dann nimmt unsere Demokratie nehmen und europäische Nach- chen nicht einmal drei Tage gehal- an der schönen Show Ihres dama- hen? Nein, der Großteil des Mit- Schaden. Niedrige Wahlbeteili- barn auszuspionieren. Gegen die- ten. Wo sind jetzt die Selektoren- ligen Gauklers Herrn Pofalla, es ist telmeers bleibt immer noch eine gungen und Politikverdrossenheit se Realität hilft keine PR, Frau listen, wo sind die Unterlagen, die schlichtweg gar nichts dran. Todeszone, und humanitäre Visa sind Folgen davon. Das ist mit Ihr Merkel. der Untersuchungsausschuss for- Fragen Sie sich manchmal, ob gibt es immer noch nicht. Frau Verdienst, Frau Merkel. Eine träge Liebe Kolleginnen und Kollegen dert? Halten Sie sich in diesem seitdem für die Näherinnen in Merkel, Ihre Rede enthält wunder- und politisch sedierte Bundesre- von der Union, das hat rein gar Fall an Ihre eigenen Worte, und le- Bangladesch irgendetwas an ihren bare Überschriften, sie enthält publik ist die Folge von zehn Jah- nichts mit dem Schutz vor Terror gen Sie die Unterlagen endlich Lebensumständen besser gewor- schöne Worte, aber an der Realität ren Kanzlerschaft Merkel. Ihre ändert sich nichts. Seit zehn Jah- asymmetrische Demobilisierung, ren verbessert sich die Realität mit der Sie erfolgreich Wahlkämp- nicht. Da können Sie noch so oft fe geführt haben, ist längst zu ei- schöne Worte wie die von fairer ner flächendeckenden Entpoliti- Globalisierung finden. Handeln sierung geworden. Sie endlich! Verändern Sie die „Nach bestem Wissen und Ge- Realität! Dafür sind Sie zur Kanz- wissen“ – an diese Worte kann ich lerin gewählt. mich gut erinnern. Die habe ich Frau Merkel, Sie sprechen von von einem anderen Politiker einem guten Signal, das vom Pe- schon einmal gehört. Dieser ande- tersberger Klimadialog ausgehen re Politiker war auch einmal der müsse. Ein gutes Signal. Es kann beliebteste Politiker in ganz sein, dass Sie in Signalen und Deutschland. Können Sie sich Symbolen denken. Wir erwarten noch an ihn erinnern, liebe Kolle- beim Klimaschutz aber nicht Sig- ginnen und Kollegen von der Uni- nale und Symbole, wir erwarten on? Es war Karl-Theodor Gutten- beim Klimaschutz längst Taten; berg. Mit denselben Worten vertei- denn Taten müssen den Worten digte er einst seine Promotionsar- folgen, nicht nur immer weitere beit. So substanzlos wie seine Pro- schöne Worte. motionsarbeit, so zusammenge- Aber was passiert pünktlich zum schustert, ideenlos und inhaltsleer Auftakt des Petersberger Klimadia- ist inzwischen Ihre Politik gewor- logs? Sie weichen die CO2-Ein- den. Auch Sie werden nicht länger sparziele Ihres Energieministers mit Ihrem Einlullen, Täuschen auf. Mit dem Verbrennen der dre- und Vortäuschen davonkommen. ckigen Braunkohle reißen Sie alle Die „Methode Merkel“ kommt in- selbstgesteckten Klimaziele und zwischen an ihr Ende, und das ist heizen die Erde weiter auf. Sie las- auch gut so. sen unentwegt die Kohle- und Atomideologen aus der Unions- fraktion und aus Bayern die Ener- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE Auf Schloss Elmau findet Anfang Juni der G-7-Gipfel statt, vermutlich mit weniger Schnee. © dpa giewende sabotieren. Ihre Bundes- GRÜNEN) Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 DEBATTENDOKUMENTATION 7

Volker Kauder, CDU/CSU: wir nicht“. Und weiter hat er ge- Bestimmte Dinge gehen redlich sagt, dass im Islam der Grundsatz nicht. Man kann nicht aus Nord- gelte – diesen lasse man sich auch rhein-Westfalen rufen: „Wir lassen Religionsfreiheit muss weltweit von niemandem nehmen -, dass nicht zu, dass der Kohle irgendet- die Religion über dem Einzelnen was geschieht“, aber dann, wenn steht und nicht der Einzelne mit es darum geht, etwas für das Kli- eingefordert werden seinen Rechten über der Religion. ma zu tun, damit es bei der Kohle Solange es Religionen gebe, die weitergehen kann, nämlich Maß- genau das Gegenteil behaupten, nahmen zur energetischen Gebäu- den Fall. in den ärmsten Ländern der Welt, könne er dies nicht hinnehmen. – desanierung zu beschließen, nicht Liebe Kollegen, ich halte es aber auch dort, wo es überhaupt Deshalb kann ich denjenigen, die mitmachen. auch für richtig, dass die EU deut- keine staatliche Gewalt mehr gibt. anderer Meinung sind, nur sagen: Haben Sie sich eigentlich ein- lich macht, dass wir in der Vertie- Ich kann nur sagen: Was in Libyen Sie können ihre Position für sich mal überlegt, ob das, was Sie heu- fung von Nachbarschaftsbezie- passiert, hat mit einem funktio- und ihre Religion vertreten. Wenn te hier gesagt haben, nicht logi- hungen keinen Alleinvertretungs- nierenden Staat überhaupt nichts aber jemand glaubt, seine Auffas- scherweise zum Austritt aus der anspruch für uns behaupten, son- mehr zu tun. Wir sehen ja, dass es sung, was religiös Regierung in Nord- dern dass wir natürlich sagen: Wir für uns fast unmöglich ist, das richtig ist und was rhein-Westfalen wollen eine Vertiefung der Bezie- Thema der Flüchtlinge, die aus Li- nicht, unbedingt führen müsste? Die hungen, haben aber auch Ver- byen kommen, mit irgendjeman- und absolut durch- Das Selbst- Frage müssen Sie ständnis dafür, wenn es darüber dem in Libyen zu besprechen. setzen zu müssen, bestimmungs- sich einmal stellen, hinaus noch weitere Organisati- Deswegen ist es eine zentrale Auf- dem kann ich nur recht der Völker Herr Hofreiter, statt onseinheiten gibt, zu denen man gabe der internationalen politi- sagen: Dann wird hier solche Sprüche

© DBT/Achim Melde darf durch Volker Kauder (*1949) gehören möchte, wie beispielswei- schen Arbeit, dass wir dafür sor- es keinen Frieden niemanden be- zu machen. Wahlkreis Rottweil - Tuttlingen se im Fall Armeniens. So können gen, dass es funktionstüchtige in den betreffenden droht werden. Ich kann nur sa- wir einen Beitrag leisten, um auch Staaten gibt. Ich sehe in weiten Regionen geben. gen: Wir bleiben ie Bundeskanzlerin hat in diesem Teil Europas und in eu- Teilen Afrikas eine immer stärkere Religionsfreiheit bei unserem Ziel. in ihrer Regierungserklä- ropanahen Regionen für Entwick- Auflösung. Dort, wo keine ord- bedeutet, dass jeder Wir werden mit Drung zu zwei, drei wich- lung zu sorgen. nende staatliche Gewalt mehr da das Recht hat, seinen Glauben zu dem Wirtschafts- und Energiemi- tigen globalen Themen und He- Wir sollten mit diesen Nach- ist, wo terroristische Gruppen mit leben. Das müssen wir in den Dis- nister Gabriel eine Lösung dieses rausforderungen gesprochen. Bei barn aber auch darüber reden, den Leuten machen können, was kussionen mit vielen Ländern die- Problems finden. Aber ich sage den Treffen in den nächsten Tagen dass auch sie einen Beitrag dazu sie wollen, sind die Menschen am ser Welt so klar und deutlich sa- auch: NRW muss endlich bereit wird darüber entschieden, wie es leisten können, Flüchtlingsbewe- meisten betroffen und verfolgt. gen und auch einfordern. Es geht sein, bei der energetischen Gebäu- bei zentralen Aufgaben, die nicht gungen zu unterbinden, und da- Das müssen wir unterbinden. nicht – wie der eine oder andere desanierung mitzumachen, zumal mehr national gelöst werden kön- mit zu der Frage, wie wir mit Frau Bundeskanzlerin, ich glau- in der Türkei meint – um den Vor- jetzt die finanziellen Möglichkei- nen, weitergeht. Da kann ich Flüchtlingen umgehen. Es gibt be, die Bedeutung eines anderen rang der christlichen Religion. ten dazu bestehen. Es hat nicht mich, Herr Hofreiter, nur wun- nämlich nicht nur die Flüchtlinge, Themas, das bei den Vereinten Na- Vielmehr hat jede Religion das nur der Bundesfinanzminister dern, mit welch kleinem Karo Sie die über das Mittelmeer kommen, tionen nicht so richtig aufgenom- Recht, ihren Glauben überall auf mehr Steuereinnahmen in die heute hier angetreten sind. sondern auch Tausende von men wird, sollte in den Gesprä- der Welt frei zu leben. Das muss Bundeskasse bekommen, sondern Da geht es zunächst einmal um Flüchtlingen, die auf dem Land- chen sowohl im Rahmen der Öst- durchgesetzt werden. Nur so sor- in gleicher Höhe sind auch die die Vertiefung und den Ausbau weg über osteuropäische Staaten lichen Partnerschaft als auch in El- gen wir für eine wirkliche Be- Einnahmen in den Ländern gestie- der Partnerschaft der EU mit den zu uns kommen. Deswegen gehört mau deutlich gemacht werden: Ei- kämpfung radikalisierter Gruppen gen. Dann wird es doch möglich östlichen Ländern. Es ist tatsäch- das Thema Flüchtlinge nicht nur ne zentrale Ursache für terroristi- in den entsprechenden Regionen. sein, dass Sie hier für das Klima et- lich so, wie es die Bundeskanzle- in diesen Bereich hinein, sondern sche Bewegungen und die Verfol- Zum Klimaziel. Die Bundesre- was machen. Da helfen die Reden rin und der Bundesaußenminister auch in den Rahmen des G-7-Tref- gung von Menschen ist die zuneh- gierung und die Koalitionsfraktio- hier nichts! Dort, wo Sie in der mehrfach gesagt haben: Dabei fens. mende Bereitschaft, Religionsfrei- nen haben auch in diesen Tagen Regierung sind, müssen Sie ein- geht es nicht darum, dass die EU Ich bin froh, dass wir hier bei heit nicht mehr als einen zentra- immer wieder betont, dass es mal handeln, Herr Hofreiter, statt und dass wir aus Deutschland un- uns in Deutschland klare Positio- len Bestandteil der politischen Ar- beim Klimaziel bleibt, dass es also hier große Reden zu führen! seren Willen durchsetzen wollen – nen gefunden haben, was wir tun beit zu betrachten. Ich meine da- keine Abstriche gibt. Aber, Herr Wir werden das Thema wieder überhaupt nicht! -, sondern da- wollen, und dass wir uns dieser mit nicht nur die besondere Situa- Hofreiter, Sie haben heute an die- bringen. Sie werden Gelegenheit rum – darauf hat Thomas Opper- Herausforderung stellen und da- tion verfolgter Christen. Vielmehr sem Rednerpult so getan, als ob haben, zu zeigen, ob das, was Sie mann auch hingewiesen -, dass für im Nachtragshaushalt, den wir sehe ich, dass Religion im Nahen Sie in ganz Deutschland in der hier vollmundig verkünden, dann Länder in freier Selbstbestimmung in dieser Woche beschließen, Mit- Osten teilweise missbraucht wird, Opposition wären. Das wäre zwar nachher wenigstens in einer klei- entscheiden, was sie gern möch- tel zur Verfügung stellen. Ich fin- um Macht und Gewalt ausüben zu kein Problem, wenn dem so wäre. nen Tat gelingt. ten, und damit auf ein Angebot de, dass auch dies ein Thema ist, können. Davon sind Muslime ge- Aber dem ist nicht so. der EU zukommen. Es war in vie- das man in Elmau besprechen nauso betroffen wie Angehörige Sie sind in Nordrhein-Westfa- len Festreden hier im Deutschen kann: Was müssen wir tun, um anderer Religionen. Ich kann auf- len, einem Kohleland, in der Re- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Bundestag die Rede davon: Das Flüchtlingsbewegungen nicht zu grund meiner jahrelangen Erfah- gierung. Da kann ich nur sagen: Abgeordneten der SPD) Selbstbestimmungsrecht der Völ- stoppen, sondern immer weniger rung und Arbeit nur sagen: Wir ker darf durch niemanden einge- notwendig zu machen, damit die müssen deutlicher machen, dass engt und bedroht werden, liebe Menschen eine Perspektive in ih- es, wenn das Recht jedes Einzel- Kolleginnen und Kollegen. ren Ländern haben? Da ist es völ- nen, sich zu einer Religion zu be- Genau dies setzen wir jetzt um. lig richtig, dass wir uns die Frage kennen oder nicht und dies auch Herr Gysi, dass Sie sich noch im- stellen: War die bisherige Entwick- zu leben, nicht durchgesetzt wird, mer nicht entscheiden können, lungshilfepolitik tatsächlich über- keine Ruhe in den betreffenden Unrecht vonseiten Russlands als all richtig und erfolgreich? Da Regionen geben wird. Unrecht zu bezeichnen, weil Sie müssen wir natürlich mit Ländern Deswegen muss die Religions- offenbar noch immer nicht richtig sprechen, die zu den G 7 gehören, freiheit ein zentrales Thema sein. wissen, wo Sie hingehören, ist Ihr und mit Ländern, die nicht zu den Es wird nicht immer einfach sein, Problem. Aber schade ist es auf je- G 7 gehören. Da muss man auch das deutlich zu machen. mit China einmal darüber reden, Ich habe vor wenigen Wochen dass das, was China in Afrika ein Gespräch mit dem Groß- macht, mit Entwicklungshilfepoli- scheich der Al-Azhar-Universität Dies ist eine gekürzte Version der De- batte. Es sprachen außerdem noch tik an vielen Stellen relativ wenig in Kairo geführt. Er hat mir gesagt Fran Thönnes (SPD), zu tun hat. – da sieht man, wo die Auseinan- (CDU/CSU), Bärbel Kofler (SPD), Flori- Wenn wir über Sicherheit reden, dersetzungslinie verläuft -: Ihre an Hahn (CDU/CSU), dann müssen wir auch darüber re- westliche Vorstellung von Men- (SPD), Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) und den, dass die Sicherheit gefährdet schenrechten teilen wir nicht. – Er (CDU/CSU). ist: durch ausbleibende wirtschaft- hat also nicht gesagt: „Das akzep- liche Entwicklung, beispielsweise tieren wir“, sondern: „Das teilen Klimaschutz war auch Thema der Debatte. © dpa 8 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Debatte zur Leiharbeit / 106. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am 21. Mai 2015

Klaus Ernst, DIE LINKE: tun? Unsere Forderungen sind gen, warum. Ein Arbeitgeber stellt ganz einfach: Gleicher Lohn bei einen Arbeitnehmer nur dann ein, gleicher Arbeit ab der ersten Stun- wenn er weiß, dass dieser ihn we- Leiharbeit ist de plus 10 Prozent wie in Frank- niger kostet, als er ihm bringt; reich! Warum soll der Arbeitneh- sonst macht es für ihn keinen mer in Deutschland schlechterge- Sinn. Ein Arbeitnehmer in einem ein Riesenproblem stellt werden als der Franzose? normalen Arbeitsverhältnis muss Warum? einem Arbeitgeber die Kohle brin- Es würde genü- gen. Bei einem Ver- zu. Wenn Sie nur halb so schnell ist doch nichts anderes als ein Pla- gen, Leiharbeit für leiher ist noch einer wie bei der Tarifeinheit wären, die cebo, was Sie hier in Ihrem Koali- drei Monate zu ak- da. Da muss der Ar- Sie gesetzlich regeln wollen, dann tionsvertrag vereinbart haben. zeptieren. Dann Leiharbeit beitnehmer prak- hätten wir für viele Hunderttau- Meine Damen und Herren, wir müsste das in einen brauchen wir tisch zwei Arbeitge- sende von Menschen bessere Ar- haben inzwischen ein Riesenpro- Vollzeitjob umge- nicht! Machen ber bedienen. Er beitsbedingungen und nicht das, blem. Ein Drittel der Beschäftigten wandelt werden. wir Ordnung muss sozusagen für was wir gegenwärtig erleben. in der Metallindustrie sind als Verbot von Streik- auf dem zwei Arbeitgeber Leiharbeit dient auch dazu, Leiharbeitnehmer oder als Werk- bruch – ganz wich- Arbeitsmarkt! gewinnbringend Streikbruch zu organisieren. Ge- vertragsbeschäftigte eingestellt. In tig! Und: Synchro- sein. Deshalb wird genwärtig ist das bei der Deut- der Automobilindustrie kommen nisationsverbot! er auch schlechter schen Post der Fall, die sich in ei- auf 736 000 Stammbelegschafts- Das heißt, der Leih- bezahlt als woan- nem Arbeitskampf befindet. Die leute inzwischen 100 000 Leihar- arbeiter darf nicht nur für die ders. Deshalb sagen wir: Leihar- Deutsche Post ist zum Teil im Ei- beitnehmer und 250 000 Werkver- Dauer, für die er verliehen wird, beit brauchen wir nicht! Machen © DBT/Achim Melde Klaus Ernst (*1954) gentum des Bundes. Wir haben tragsbeschäftigte. Da wäre Han- beim Verleiher eingestellt werden, wir Ordnung auf dem Arbeits- Landesliste Bayern Anfragen gestellt, wie Sie dort die deln dringend geboten. Sie aber sondern die Beschäftigung bei sei- markt! Schauen wir, dass jeder an- Tarifflucht verhindern wollen. Sie sitzen dieses Problem einfach aus. nem Verleiher muss unbefristet ständig beschäftigt wird – Vollzeit, m Koalitionsvertrag steht – tun so, als würde Ihnen der Be- Die Lage der Arbeitnehmer ist dra- sein. Das wären Regelungen, die unter Geltung von Tarifverträgen – lassen Sie mich das zitieren -: trieb gar nicht gehören und als matisch: Zwei Drittel sind unter dringend notwendig wären, meine und nicht verliehen wird wie eine I„Die Koalition will die Leihar- hätten Sie als Eigentümer null dem Niedriglohnsockel; sie sind Damen und Herren. Kuh! beit auf ihre Kernfunktionen hin Einfluss auf den Aufsichtsrat. Das oft Aufstocker und landen in Al- Ich sage Ihnen zum Schluss: Die orientieren.“ Was wären die Kern- ist unerträglich. Auch dort sage ich tersarmut. Linke ist eigentlich prinzipiell ge- funktionen bei Leiharbeit? Zum Ihnen: Wenn Sie wirklich etwas re- Meine Damen und Herren, was gen Leiharbeit. Ich kann Ihnen sa- (Beifall bei der LINKEN) Beispiel Auftragsspitzen abbauen, geln wollen und Einfluss auf Leih- zum Beispiel Personalengpässe arbeit nehmen wollen, dann ver- ausgleichen. Wir sind weit von hindern Sie, dass bei der Post, de- Karl Schiewerling, CDU/CSU: dieser Praxis entfernt, und ich ren Eigentümer Sie sind, Leihar- kann bis jetzt noch keine Anstren- beiter als Streikbrecher eingesetzt gung der Koalition erkennen, das, werden. Das wäre einmal eine gu- Wir müssen Menschen in was sie in den Koalitionsvertrag te Idee. geschrieben hat, auch umzuset- Ich komme zu Ihren Vorschlä- zen. gen im Koalitionsvertrag. Sie sa- Beschäftigung bringen Wie ist die Praxis? Leiharbeit- gen, die Überlassungsdauer solle nehmer und Leiharbeitnehmerin- bei Leiharbeitnehmerinnen und nen verdienen bis zu 30 Prozent Leiharbeitnehmern auf 18 Monate schen Post unterwegs sind, weil da ben ihrem normalen Einkommen, weniger als die, die sonst im Be- begrenzt werden. Gleichzeitig gestreikt wird, will ich Ihnen am und 2 Millionen Menschen, die trieb fest beschäftigt sind. Leihar- wollen Sie regeln, dass nach neun Anfang nur sagen – ich finde auch ausschließlich aus einem solchen beit wird eingesetzt, um den Kün- Monaten das gleiche Geld wie in nicht alles toll, was da stattfindet - Job Einkünfte haben. Daneben digungsschutz zu umgehen. Dem der Stammbelegschaft zu zahlen : Der Bund ist nicht Eigentümer gibt es etwa 250 000 Menschen, Leiharbeitnehmer muss nämlich ist. Warum eigentlich erst nach der Post. Er hat gerade mal ein die im haushaltsnahen Bereich tä- nicht gekündigt werden, wenn er neun Monaten? Aufsichtsratsmitglied. Er hat nie- tig sind; eine besondere Situation. aus dem Betrieb entfernt wird. Wenn Sie Ahnung hätten, wür- manden im Vorstand. Der Vor- – Das sind die Rahmenbedingun- Leiharbeit dient zur Disziplinie- den Sie wissen, dass jeder, der neu stand handelt. Der Aufsichtsrat gen. rung der Stammbelegschaften, im Betrieb anfängt, egal ob er führt Aufsicht, und da ist der Die Arbeitslosigkeit liegt bei 2,8 und Leiharbeit dient auch zur Leiharbeitnehmer ist oder nicht, Bund nur mit einer Person vertre- Millionen. Davon sind allerdings Durchlöcherung des Tarifsystems. natürlich nicht dasselbe Geld be- ten. Deswegen gibt es Grenzen. – das stimmt – 1,9 Millionen Meine Damen und Herren, Sie kommt wie einer, der schon zehn Da Sie von Leiharbeit offen- langzeitarbeitslos. Es kommt da- © DBT/Achim Melde betreiben zurzeit einen großen Jahre beschäftigt ist. Es gibt in je- Karl Schiewerling (*1951) sichtlich genauso viel Ahnung ha- rauf an, diese Menschen wieder in Aufwand, um möglichst schnell dem Betrieb so etwas wie Einar- Wahlkreis Coesfeld - Steinfurt II ben wie von Unternehmensrecht, Beschäftigung zu bringen. Was der ein Gesetz zur Tarifeinheit herbei- beitung. Dass aber der Leiharbeit- wissen Sie nicht, dass die Einfluss- Zusammenhang mit der Zeitarbeit zuführen, über das wir morgen nehmer noch einmal schlechterge- err Kollege Ernst, wir nahme nicht gegeben ist. Im Klar- ist, will ich Ihnen sagen: Zurzeit diskutieren. Wenn Sie wirklich et- stellt werden soll als der, der nor- kennen die Reden, die text: Da Sie das offensichtlich sind etwa 900 000 Menschen in was für die Tarifeinheit tun wollen mal im Betrieb neu anfängt, ist HSie halten, mittlerweile nicht wissen, will ich Ihnen einige der Zeitarbeit tätig. Das sind gera- – denn jeder Leiharbeitnehmer nicht hinzunehmen. nahezu auswendig; sie werden da- Minuten Nachhilfe zum Thema de einmal 2,6 Prozent aller sozial- und jede Leiharbeitnehmerin Das ist auch deshalb nicht hin- durch nicht besser. Sie sind hier Zeit- und Leiharbeit geben. versicherungspflichtig Beschäftig- steht außerhalb des Tarifvertrags- zunehmen, weil Sie genau wissen, mit Abstand einer der Lustigsten Meine Damen und Herren, wir ten in Deutschland. Ich rate Ih- systems der anderen -, dann schaf- dass in der Regel ein Leiharbeit- unter der Sonne. Sie bringen per- haben in Deutschland über 42 nen, Herr Ernst, hier nicht wieder- fen Sie endlich klare Verhältnisse nehmer im Schnitt gerade einmal manent ein Beispiel mit der Kuh – Millionen erwerbstätige Men- um den Eindruck zu vermitteln, auf dem Arbeitsmarkt und regulie- drei Monate beschäftigt ist. Was und das auch noch bei dem Kolle- schen, davon über 30 Millionen in als sei ganz Deutschland in Zeit- ren Sie Leiharbeit. würde es ihm nützen, wenn die gen Stegemann, einem Milchland- sozialversicherungspflichtigen Be- und Leiharbeit angestellt. Das Verhindern Sie, dass dort Men- Überlassungsdauer auf 18 Monate wirt. Wenn Sie hier sagen, der ha- schäftigungsverhältnissen. Es gibt sind gerade einmal 2,6 Prozent. schen, die dieselbe Tätigkeit wie festgelegt wird, wenn er nur drei be keine Ahnung von Kühen, 7,2 Millionen Minijobs. 1,5 Mil- Und da Sie auf die Entwicklung die anderen ausführen, entweder Monate beschäftigt ist? Was würde dann muss ich Ihnen sagen: Sie lionen Schülerinnen und Schüler eingegangen sind: Ja, es geht da- in einem anderen Tarifvertrag es ihm nützen, wenn er nach neun müssen das schon gut überlegen. und Studenten haben Minijobs, rum – das steht im Koalitionsver- oder – wie meistens – in gar kei- Monaten gleichen Lohn für glei- Es geht übrigens auch nicht um 1,5 Millionen Rentnerinnen und trag -, über die Frage der Kern- nem beschäftigt sind. Da machen che Arbeit kriegt, wenn er dann das Verleihen von Kühen. Rentner, 2 Millionen Menschen, funktion von Zeitarbeit nachzu- Sie nichts, sondern Sie schauen gar nicht mehr im Betrieb ist? Es Weil Sie gerade mit der Deut- die obendrauf Geld verdienen, ne- denken. Aber die Kernfunktion Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 DEBATTENDOKUMENTATION 9

von Zeitarbeit hat sich im Laufe le 98 Prozent aller Zeit- und Leih- Ich will Ihnen noch einmal ei- schen Handwerk geführt. Wenn recht. Außerdem gibt es klare Ab- der Zeit, seitdem es Zeitarbeit gibt, arbeiter in Tarifverträgen, und wir nige wenige Zahlen zur Zeit- und mir in der Diskussion ein Maler- grenzungen, Kriterien und Defini- gewandelt. Die gesetzlichen Rege- haben mittlerweile einen allge- Leiharbeit nennen: 55 Prozent al- meister aus dem Rhein-Main-Ge- tionen gegenüber der Zeit- und lungen wurden aus gutem Grun- mein verbindlichen, anerkannten ler neuen Mitarbeiterinnen und biet erzählt, dass er mit Zeitar- Leiharbeit sowie anderen Beschäf- de, weil man auf Entwicklungen Mindestlohn, der im Westen bei Mitarbeiter, die seit 2014 in Zeitar- beits- und Leiharbeitsunterneh- tigungsformen. Wenn es Miss- auf dem Arbeitsmarkt zeitnah und 8,80 Euro und im Osten bei 8,50 beitsunternehmen tätig werden, men zu tun hatte, die sich offen- brauch gibt, ist auch dort Kontrol- vernünftig reagie- Euro liegt und der waren zuvor arbeitslos. 10 Prozent sichtlich nicht an Recht und Ord- le auszuüben. Wir können uns ren musste, immer in weiteren Schrit- aller Zeitarbeitnehmer, die dort tä- nung halten, und er als Maler- hier bei der Finanzkontrolle wieder vom Gesetz- ten bis 2016 ange- tig sind, waren zuvor noch nie be- meister schon nicht bezahlte Sozi- Schwarzarbeit informieren. geber entsprechend Wir haben passt und um 10 bis schäftigt. 29 Prozent aller Zeitar- alabgaben nachzahlen musste, Diese Stelle hat mittlerweile viel angepasst. mittlerweile 98 13,4 Prozent erhöht beitnehmer haben keinen Berufs- weil der Betrieb, der entliehen hat, Erfahrung in diesem Bereich ge- Richtig ist auch, Prozent aller wird. Deswegen gibt abschluss. Ich sage Ihnen: Zeitar- das nicht getan hat, dann sage ich sammelt und kann uns sagen, wie dass angesichts der Zeit- und Leih- es in der Zeit- und beit und Leiharbeit sind von ihrer Ihnen: Das sind Situationen, die wir Kontrolle ausüben können. Verwerfungen, die arbeiter in Tarif- Leiharbeit kein Kernfunktion immer noch das, wir nicht gutheißen können. Aber Wir sollten uns aber wirklich gut wir seit dem Jahr verträgen. blankes Elend und und zwar in verstärktem Maße, das, was diese Unternehmen ma- überlegen, ob wir zusätzliche Ge- 2004 aufgrund der keine Verelendung. was sie ursprünglich waren, näm- chen, ist illegal, verstößt gegen setze brauchen. Wenn die beste- hohen Arbeitslosig- Vielmehr haben wir lich neben dem Abfangen von Recht und bestehende Gesetze. henden Gesetze und Regelungen, keit in Deutschland dort eine ganze Auftragsspitzen auch für viele, ob Wir können nicht permanent die durch Richterrecht geschaffen hatten, manche meinten, alles Menge reguliert und nach vorne uns das passt oder nicht, eine Brü- noch weitere Gesetze machen. worden sind, offensichtlich in der und jedes müsste bis zur Un- gebracht. cke in den ersten Arbeitsmarkt. Wenn gegen bestehende Gesetze Praxis nicht richtig angewandt kenntlichkeit dereguliert werden. Insofern rate ich Ihnen, sich mit Das Instrument wirkt also. Das ist verstoßen wird, dann müssen die werden, dann muss man bei der Deshalb haben einige – ja, das ist Ihrem Antrag zurückzuhalten, ins- nicht umsonst 2004 in entspre- Dinge vernünftig kontrolliert und Kontrolle ansetzen. richtig – in der Zeit- und Leihar- besondere was so eine verrückte chender Weise organisiert worden auch angepackt werden. Deswegen Herr Ernst, was Sie wollen, ist in beit Grenzen überschritten und Forderung nach einem Mindest- und entfaltet nicht umsonst jetzt sind die Zeit- und Leiharbeits- Wirklichkeit nichts anderes als die geglaubt, sie könnten machen, lohn in Höhe von 10 Euro angeht. seine entsprechende Wirkung. branche und die entsprechenden Abschaffung der Zeit- und Leihar- was sie wollten. Aber das ist regu- Das bestätigt meine schlimmsten Ich will Ihnen in aller Deutlich- Unternehmerverbände aufgefor- beit; das haben Sie deutlich ge- liert worden. Das haben wir in der Befürchtungen, dass es zu einem keit sagen, dass wir natürlich auch dert, die Spreu vom Weizen zu sagt. Es ist ehrlich, dass Sie das so letzten Koalition bereits gemacht. Überbietungswettbewerb käme, Verwerfungen sehen. Aber Verwer- trennen und dafür zu sorgen, dass gesagt haben. Aber dann sagen Sie Das Problem, dass Leute einfach wenn wir hier im Deutschen Bun- fungen gibt es in jeder Branche. es Ordnung in ihrer Branche gibt. es auch so; dann können Sie Ihre ausgegliedert wurden in einen destag die Höhe des Mindestlohns Ich habe gestern auf Einladung Zu Ihrem Hinweis betreffend Rede auf einen Satz reduzieren. Zeitbetrieb desselben Unterneh- festlegen würden. Deswegen bin der Präsidentin der Handwerks- die Werkverträge: Die Werkverträ- mers, wie es bei der sogenannten ich froh, dass wir eine Mindest- kammer Ostwestfalen-Lippe zu ge sind ein uraltes Instrument, ge- Schlecker-Drehtür der Fall war, ha- lohnkommission haben, die sach- Bielefeld, unserer Kollegin Lena regelt im BGB seit über 100 Jah- ben wir bereits angepackt und un- gerecht die entsprechenden Ent- Strothmann, ein Gespräch mit ren. Zu Problemfällen, die wir in (Beifall bei der CDU/CSU und der terbunden. Wir haben mittlerwei- scheidungen trifft. Wirtschaftsjunioren aus dem deut- letzter Zeit hatten, gibt es Richter- SPD)

Beate Müller-Gemmeke, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: bedeutet nun einmal „nur auf ben. Fündig werden wir auch in Zeit“, je nach besonderen Auf- Hotels, im Transportbereich, na- tragslagen. Diese Definition ist türlich in der Metallbranche. Bei Mit Leiharbeit wird der gesell- ausreichend, damit Betriebsräte den Werkverträgen sind der Fanta- oder eben auch Gerichte tätig wer- sie keine Grenzen gesetzt. den können. Die geplante Höchst- Häufig leisten die Beschäftigten schaftliche Konses aufgekündigt überlassungsdauer von 18 Mona- mit Werkvertrag die gleiche Arbeit ten – aber auch eine Höchstüber- auf demselben Betriebsgelände lassungsdauer von drei Monaten – wie die Kolleginnen und Kollegen den Kündigungsschutz, die be- tätsbonus von 10 Prozent. Für die lehnen wir ab; denn dadurch ent- mit einem regulären Arbeitsver- triebliche Mitbestimmung, die Be- Betriebe lohnt sich Leiharbeit stehen nur Drehtüreffekte. Ent- trag, allerdings oft für deutlich we- zahlung nach Tarif und somit den dann nur vorübergehend, und die leihbetriebe, die die Beschäftigten niger Lohn. Und wenn irgendet- sozialen Schutz der Beschäftigten. Beschäftigten erhalten dann end- nicht übernehmen wollen, son- was am Arbeitsplatz nicht stimmt, Gewerkschaftliche Errungenschaf- lich einen fairen Lohn und somit dern weiterhin auf billigere Ar- dann können sie sich nicht ein- ten stehen damit nur noch auf Anerkennung und Wertschätzung. beitskräfte setzen, mal beim Betriebs- dem Papier. So wird der gesell- Die Koalitionsfraktionen planen geben doch ganz rat beschweren. schaftliche Konsens der Sozial- hingegen, Equal Pay erst nach einfach die Leihar- Denn der ist für sie partnerschaft aufgekündigt. So neun Monaten vorzuschreiben. beitskräfte nach Diese Korrektur nicht zuständig. zersplittern die Belegschaften. Das Das macht überhaupt keinen neun Monaten oder geht nur über Das alles geht gar ist nicht akzeptabel. Sinn; denn die wenigsten Leihar- spätestens nach 18 den Preis. Des- nicht. Für uns hört Es ist also gut, dass die Linken beitskräfte werden davon profitie- Monaten zurück. halb wollen auch die unternehmeri- heute dieses Thema auf die Tages- ren. Wir alle wissen – das wurde Und das geht nur sche Freiheit bei © DBT/Achim Melde wir Equal Pay ab Beate Müller-Gemmeke (*1960) ordnung gesetzt haben. Die De- schon angesprochen -, dass die zulasten der betrof- dem ersten Tag. Lohndumping auf. Landesliste Baden-Württemberg batte ist notwendig. Inhaltlich Leiharbeitskräfte in der Mehrzahl fenen Leiharbeits- Denn bei sol- sind wir uns an manchen Stellen schon nach drei Monaten wieder kräfte. Deshalb leh- chen Werkverträgen ie Zersplitterung der Ta- einig, aber nicht in jedem Punkt. arbeitslos sind. nen wir diese Rege- geht es darum, riflandschaft ist ja gerade Darüber werden wir aber im Aus- Liebe SPD, ich finde, das ist lungen ab. Sie sind nicht gerecht Lohnkosten einzusparen. Es geht Ddas große Thema der Ko- schuss noch ausführlich diskutie- schon hart: Die Wartezeit von und auch nicht fair. um Tarifflucht von einem guten in alitionsfraktionen. Verantwortlich ren. neun Monaten, das war ein Vor- Jetzt zu den Werkverträgen – die einen schlechteren Tarifvertrag. machen Sie dafür die Tarifplurali- Zum Thema Leiharbeit: Für uns schlag von der FDP. Das wurde Entwicklung dort ist eigentlich das Und häufig besteht überhaupt kei- tät, also die Konkurrenz zwischen Grüne ist und bleibt die Leihar- von Ihnen in der letzten Legisla- größere Problem -: Die menschen- ne Tarifbindung mehr. den Gewerkschaften. Tatsächlich beit ein Instrument für mehr Fle- turperiode heftigst kritisiert. Ich unwürdigen Bedingungen durch Vor kurzem ist ja die Studie der zersplittert die Tariflandschaft xibilität. Heute profitieren die Un- höre noch immer die permanen- Werkverträge in der Fleischbran- Bertelsmann Stiftung veröffent- aber durch Scheinwerkverträge, ternehmen von der Leiharbeit ten Zurufe aus Ihrer Fraktion in che sind bekannt; die kennen wir licht worden; darin sind die Fol- Leiharbeit und Scheinselbststän- aber doppelt. Sie erhalten Flexibi- der damaligen Debatte. Das heißt, alle. Im Einzelhandel gibt es die gen beschrieben. Heute sind nur digkeit. Also lassen Sie das, was lität und billigere Arbeitskräfte. Sie sind an diesem Punkt heftig Regaleinräumerinnen und -ein- noch 35 Prozent der Betriebe tarif- Sie mit dem Gesetz zur Tarifein- Diese Fehlentwicklung wollen wir eingeknickt. Daran werden wir Sie räumer, und mittlerweile wird der gebunden. Der Lohnunterschied heit vorhaben, und kümmern Sie korrigieren. immer wieder erinnern. gesamte Kassenbereich über Werk- zwischen den Betrieben mit und sich endlich um die echten Pro- Diese Korrektur geht nur über Wir wollen übrigens keine verträge organisiert. Im Druckbe- ohne Tarifbindung ist gestiegen, bleme! den Preis. Deshalb wollen auch Höchstüberlassungsdauer. Auf- reich werden Schichten, aber auch Mit Werkverträgen und Leihar- wir Equal Pay ab dem ersten Tag. tragsspitzen sind unterschiedlich der Betrieb von ganzen Rotations- beit unterlaufen die Arbeitgeber Auch wir wollen einen Flexibili- je nach Branche. „Vorübergehend“ maschinen per Werkvertrag verge- Fortsetzung auf nächster Seite 10 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

und zwar auf 19 Prozent. Wenn lichem Charakter oder für spezia- werden. Dann ist das kein „Werk“, stoppt werden. und Tarifflucht. Nehmen Sie diese der Anstand in Teilen der Wirt- lisierte Tätigkeiten eingesetzt wer- sondern dann handelt es sich Sehr geehrte Kolleginnen und Entwicklung endlich ernst! An- schaft verloren geht, dann müssen den, dann ist das unbedenklich. schlichtweg um nichts anderes als Kollegen aus der Regierungskoali- kündigungen sind aber zu wenig. die Rahmenbedingungen verän- Das entspricht einer modernen Scheinwerkverträge und Tarif- tion, Sie haben wegen des verfas- Legen Sie endlich etwas auf den dert werden zum Schutz der Be- Arbeitswelt. Problematisch wird es flucht. sungswidrigen Tarifeinheitsgeset- Tisch! schäftigten, aber auch zum Schutz aber, wenn Werkvertragsbeschäf- Die Arbeitswelt ist schon heute zes wertvolle Zeit verloren. Ich sa- der verantwortungsvollen Betrie- tigte die gleichen Tätigkeiten ver- gespalten, und die Fehlentwick- ge es noch einmal: Die Tarifland- be. richten wie das Stammpersonal lungen durch Scheinselbstständig- schaft und die Belegschaften zer- Notwendig sind eindeutige Kri- oder bisherige Tätigkeiten, die keit und Scheinwerkverträge wer- splittern nicht wegen der Tarifplu- terien. Wenn Werkverträge für dem Wesen des Betriebs entspre- den das noch verschärfen. Diese ralität, sondern aufgrund von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fachfremde Arbeiten mit gelegent- chen, per Werkvertrag vergeben Entwicklung muss endlich ge- Scheinwerkverträgen, Leiharbeit und bei der LINKEN)

Katja Mast, SPD: ner guten Mitbestimmung und gut nehmen. Aber die Regelung mit ausgestatteten Arbeitssituationen, den neun Monaten ist an der Stel- die in weniger stark tarifgebunde- le immerhin besser als nichts. Es gibt in Betrieben eine Zwei- ne und mitbestimmte Strukturen Wir wollen nicht, dass Leihar- gehen, eben in Richtung Werkver- beitnehmer als Streikbrecher ein- tragskonstellationen. Genau des- gesetzt werden. Und wir wollen ei- und Dreiklassenbelegschaft halb muss das Parlament handeln. ne gesetzliche Klarstellung, dass Wir können nicht zuschauen; die Zahl der Leiharbeitnehmer bei denn an dieser Stelle ist die sozia- der Berechnung der Schwellenwer- Da müssen wir noch etwas mehr Kollegen. Klar ist: Zu einer sozia- le Marktwirtschaft in Gefahr. te für Mitbestimmung einbezogen Gehirnschmalz hineinlegen als in len Marktwirtschaft gehört, dass Im Betrieb sieht das dann oft so wird, sodass die Firmengröße bei die genannten Punkte, die in der diejenigen, die das Gleiche tun, aus, dass die Kolleginnen und Kol- den Betriebsratswahlen tatsächlich Tat einfacher zu regeln waren. Sich das Gleiche verdienen müssen. legen in Leiharbeit oder mit Werk- abgebildet wird. hier nun hinzustellen und uns zu Deshalb ist es richtig, dass Leihar- verträgen unterschiedliche Arbeits- Wir stellen aber eines fest: In sagen: „Sie beschäftigen sich mit beit und Werkverträge reguliert kleidung haben, unterschiedliche der Leiharbeit stagnieren seit 2011, Tarifeinheit und kümmern sich werden. Preise in der Kantine bezahlen als wir durchgesetzt haben, dass es nicht um Tarifautonomie“, halte Die IG Metall hat eine Umfrage und nicht auf den gleichen Park- dort einen Mindestlohn gibt, die ich an der Stelle für eine Unver- zu diesem Thema durchgeführt – plätzen parken dürfen etc., weil Beschäftigtenzahlen, während schämtheit. der Kollege Ernst hat es vorhin sie eben keine Mitarbeiterinnen Werkvertragskonstellationen zu- Bezüglich Leiharbeit und Werk- schon erwähnt – und festgestellt: und Mitarbeiter der Stammbeleg- nehmen. Deshalb ist es wichtig, verträgen ist für uns Sozialdemo- In der Automobilindustrie stellen schaft sind. Deshalb haben wir im dass wir nicht das eine regulieren, kratinnen und Sozialdemokraten ungefähr 760 000 Kolleginnen Koalitionsvertrag vereinbart, dass ohne das andere im Auge zu be- © DBT/Achim Melde Katja Mast (*1971) klar, dass im Betrieb gelten muss: und Kollegen die Stammbeleg- wir Leiharbeit regulieren. Alle, die halten. Deshalb wollen wir auch Landesliste Baden-Württemberg gemeinsam arbeiten, gleich ver- schaft, 100 000 Kolleginnen und diese Debatte schon länger verfol- Werkverträge regulieren, rechts- dienen und gleich behandelt wer- Kollegen sind Leiharbeiter und gen, wissen: Die SPD hätte sich widrige Vertragskonstruktionen ir reden über die Regu- den. 250 000 in Werkvertragskonstella- ein bisschen mehr vorstellen kön- zulasten der Arbeitnehmer verhin- lierung von Leiharbeit Das ist für uns Recht und Ord- tionen. Es besteht dort also ein nen als das, was im Koalitionsver- dern, die Kontroll- und Prüftätig- Wund Werkverträgen, nung auf dem Arbeitsmarkt. Dass Verhältnis von 2 : 1. In der Luft- trag steht. Aber wer glaubt, da sei keiten bei der Finanzkontrolle aber ich will am Anfang meiner das nicht immer der Fall ist, ha- fahrt stellen 73 000 Kolleginnen keine Musik drin, irrt. Denn wir Schwarzarbeit konzentrieren. Wir Rede doch noch einmal klarstel- ben einige meiner Vorredner ja und Kollegen die Stammbeleg- bekommen laufend Anfragen von wollen die Informations- und Un- len: Für uns in der Regierungsko- schon gesagt. Es gibt in den Betrie- schaft, 10 000 Kolleginnen und Verbänden, Unternehmen und Ar- terrichtungsrechte der Betriebsräte alition ist die Frage der Stärkung ben eine Zwei- und Dreiklassen- Kollegen sind Leiharbeiter und 10 beitnehmerorganisationen, die sicherstellen und Abgrenzungskri- der Tarifautonomie eine ganz zen- belegschaft. Es ist beispielsweise 000 Kolleginnen und Kollegen in mit uns über dieses Thema reden terien, die durch Rechtsprechung trale. so, dass es in der Automobilindus- Werkvertragskonstellationen. wollen, und zwar sehr intensiv. Al- geschaffen wurden – das hat mein Deshalb haben wir den flächen- trie in der Montage eine Stamm- Zum Dienstleistungsbereich: In so, da ist ordentlich Musik drin. Kollege Schiewerling auch schon deckenden gesetzlichen Mindest- belegschaft, Leiharbeitnehmerin- Krankenhäusern – dazu liegen Bei der Leiharbeit wollen wir gesagt -, gesetzlich niederlegen. All lohn eingeführt, die Möglichkeit nen und -arbeitnehmer und Mit- zurzeit mehrere Petitionen im Pe- definieren, was der Gesetzgeber das steht im Koalitionsvertrag. Wir für Allgemeinverbindlichkeitser- arbeiterinnen und Mitarbeiter mit titionsausschuss vor – gibt es bei- unter „vorübergehend“ versteht. werden da ab Herbst ganz gut zu klärungen verbessert und das Ar- einem Werkvertrag gibt. Die Leih- spielsweise die Tendenzen, ganze Nachdem wir uns da lange Zeit tun haben. beitnehmer-Entsendegesetz für al- arbeitnehmerinnen und -arbeit- Krankenhauseinheiten auszuglie- gelassen haben, bin ich froh, dass Zur Frage der Abschaffung von le Branchen geöffnet. Ursprüng- nehmer verdienen ungefähr 30 dern und Aufträge über Werkver- wir jetzt eine Regelung gefunden Werkverträgen – ja oder nein – zi- lich wollten wir all das gemein- Prozent weniger als ihre Kollegin- tragskonstellationen zu vergeben. haben und unter „vorübergehend“ tiere ich kurz mit Zustimmung der sam mit dem Gesetz zur Tarifein- nen und Kollegen, Mitarbeiterin- Zu sagen: „Es gibt kein Problem“, grundsätzlich 18 Monate verste- Präsidentin den IG-Metall-Vorsit- heit verabschieden, haben dann nen und Mitarbeiter mit einem negiert diese Realität in den Be- hen. Wir wollen Leiharbeit auf ih- zenden Detlef Wetzel: „Ich habe aber wegen der heiklen verfas- Werkvertrag ungefähr 70 Prozent trieben in unserem Land. re Kernfunktion zurückführen. nichts gegen Werkverträge gene- sungsrechtlichen Fragen gesagt: weniger als ihre Kolleginnen und Wenn wir sagen: „Wir in der Re- Wir wollen sie also nicht abschaf- rell“, sagte Wetzel im SPIEGEL. gierungskoalition aus CDU/CSU fen, sondern auf ihre Kernfunkti- „Ich habe aber entschieden etwas und SPD wollen Leiharbeit und on zurückführen. Wir wollen, dass dagegen, wenn sie genutzt wer- Werkverträge regulieren“, dann sie ein Instrument ist, um bei Auf- den, das Lohnniveau massiv zu geht es uns nicht nur darum, zu tragsspitzen und zu Urlaubszeiten drücken.“ Die von der IG Metall erklären: Das ist für die Kollegin- schnell zusätzliche Mitarbeiterin- erhobenen Zahlen zeigten, dass – nen und Kollegen im Betrieb nicht nen und Mitarbeiter zu bekom- davon habe ich gerade schon ge- in Ordnung. Vielmehr ist das auch men. Wir wollen aber nicht ganze sprochen – „weite Teile der deut- für die ehrlichen Arbeitgeberinnen Produktionszyklen oder sogar schen Wirtschaft den Gesell- und Arbeitgeber nicht in Ord- mehrere Produktionszyklen über schaftsvertrag des Landes aufkün- nung; denn am Schluss sind sie Leiharbeit organisieren. digen wollen“, so Wetzel. „Das ist die Dummen. Sie werden dann Wir wollen, dass spätestens ein Anschlag auf die soziale durch den Konkurrenzdruck dazu nach neun Monaten gilt: gleiches Marktwirtschaft.“ gezwungen, ähnliche Betriebs- Geld für gleiche Arbeit. Liebe Bea- Da hat er recht. Deshalb disku- praktiken einzuführen. Wer te Müller-Gemmeke, natürlich tieren wir ab Herbst über die Re- glaubt, dass das nicht der Fall sei, hätten wir es gerne gesehen, wenn gulierung von Leiharbeit und sollte sich einmal die aktuellen das noch früher gelten würde. Werkverträgen in der Koalition. Debatten bei DHL und Post sowie Aber Koalitionen sind Bündnisse in den Krankenhäusern ansehen. auf Zeit. Wir können uns im (Beifall bei der SPD sowie bei Abge- Leiharbeit war auch bei den Gewerkschafts-Demonstrationen am 1. Mai Da sehen wir sehr genau, was pas- nächsten Bundestagswahlkampf ein großes Thema. © dpa siert. Es gibt Unternehmen mit ei- darüber streiten, was wir uns vor- ordneten der CDU/CSU) Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015 DEBATTENDOKUMENTATION 11

Albert Stegemann, CDU/CSU: Nein, Sie kaufen ein fertiges Pro- senphänomen. dukt. Die neue TÜV-Plakette in Da, wo sich die Anforderungen der Autowerkstatt: ein Werkver- zulasten einer Gruppe verschieben Und täglich grüßt trag! und wo Tarifparteien nicht gestal- Aber auch der Auftrag eines Un- ten können, gibt es allerdings ternehmens an eine andere Firma, Handlungsbedarf seitens der Poli- das Murmeltier... um die Fenster oder Büroräume tik. Diesem sind wir in der Ver- zu einem festen Preis zu reinigen: gangenheit nachgekommen, und ein Werkvertrag! Und wenn ein wir werden dies auch weiterhin dern Sie verschließen Menschen leben zurückkehren können. Wir Autokonzern die Entwicklung ei- tun. So haben die Regierungspar- auch eine Zukunft für sich und ih- dürfen diese Menschen nicht auf- nes speziellen Bau- teien klug ent- re Familien. Eine Beschäftigung geben. Niemals! teils an eine Fremd- schieden, Miss- bietet immer auch eine Perspekti- Die Bundesregierung legt viele firma auslagert, ist brauch anzuge- ve, Selbstbestätigung und Chan- Programme auf, die viel Geld kos- das auch ein Werk- Wir sollten hen. In den nun cen auf ein besseres Leben. ten, um die Betroffenen zu errei- vertrag. Damit geht die guten anstehenden Ver- So möchte ich im Folgenden chen. Aber viel zu häufig fehlt in aber doch nicht au- Seiten handlungen wird diese drei Punkte weiter ausführen der Praxis der direkte Bezug zum tomatisch Lohn- dieser noch zu klären und beginne mit Punkt eins, der Arbeitsmarkt. Zeitarbeitsfirmen dumping einher. Ein Beschäftigungs- sein, wie wir den Zeitarbeit. In keinem anderen schaffen das jedoch. Vor diesem Produkt ohne eige- form bewahren. Realitäten des mo- Wirtschaftsbereich ist die Tarifbin- Hintergrund sollten wir diese Tür nen Aufwand und dernen Arbeitens dung heute so hoch wie in der Ar- nicht leichtfertig verschließen. Si- Risiko zu kaufen, und den Chancen beitnehmerüberlassung. cherlich: Die Unternehmen ver- das ist Teil der unter- der Zeitarbeit © DBT/Achim Melde (*1976) Und wir reden hier nicht über dienen auch Geld damit. Aber wa- nehmerischen Freiheit. Rechnung tragen können. Wahlkreis Mittelems irgendwelche Tarifverträge. In rum nicht? Gerade deshalb sind Sicherlich müssen wir sehen, Ich möchte Ihnen keineswegs ganz intensiven – und sicherlich viele mit viel Kreativität und Ener- dass es in den vergangenen Jahren die guten Absichten absprechen. nd täglich grüßt das nicht immer einfachen – Verhand- gie unterwegs. Sie fahren Mitarbei- auch hier schwarze Schafe gege- Der Schutz des Einzelnen in der Murmeltier, ein weiterer lungen haben Arbeitgeber und der ter zum Arbeitsplatz und vermit- ben hat. Nun aber direkt mit der Arbeitswelt ist ein hohes Gut. Die UAntrag Ihrer Partei, ein Deutsche Gewerkschaftsbund die- teln in ungewohnte Tätigkeiten. Schrotflinte das Problem aus der Maßgabe kann aber nicht lauten: weiteres Schreckensszenario auf se gemeinsam unterzeichnet. Seit Nicht immer klappt dies, und das Welt schaffen zu wollen, da sage Viel hilft viel. Schaffen Sie keine dem Arbeitsmarkt und ein weite- 2011 gibt es einen allgemeinver- hält auch nicht immer für längere ich Ihnen: Sie treffen mit Sicher- Branche ab, nur weil einige Dinge rer Ruf nach staatlichen Eingrif- bindlichen Mindestlohn in der Zeit, aber eine gute Chance ist es heit vor allem die Falschen. nicht funktionieren! Lieber Herr fen. Wenn ich Ihre Begründung le- Zeitarbeit. Das, was wir uns sei- allemal. Abschließend möchte ich zu Ernst, Sie würden doch auch nicht se, werde ich das Gefühl nicht los, tens der Politik wünschen und mit Punkt zwei, Werkverträge. Auch Punkt drei kommen und damit zu Ihren Porsche verschrotten, nur dass auf dem deutschen Arbeits- den Gesetzen, wie zum Beispiel hier wäre es zur Abwechslung meiner Bewertung Ihres Antrags. weil der Aschenbecher voll ist. markt vorindustrielle Zustände dem Tarifautonomiestärkungsge- schön, von Ihrer Seite einmal eine Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen Wir sollten die guten Seiten die- grassieren müssen. Ich lese von ei- setz, fördern wollen, hat hier in andere Platte als die des Miss- von der Linken, Zeitarbeit und ser Beschäftigungsform bewahren nem „Klima der Angst“ bei den der Praxis funktioniert. Die Tarif- brauchs der Werkverträge vorge- Werkverträge sind konstruktive und an den Defiziten schrauben. Arbeitnehmern. Arbeitgeber wür- partner haben sich zusammenge- spielt zu bekommen. Mehr als 95 Elemente auf dem Arbeitsmarkt. Zu diesem konstruktiven Ge- den jedwede Möglichkeit nutzen, setzt und haben ihre Hausaufga- Prozent der Werkverträge in unse- Sie sind notwendig für das Funk- spräch lade ich Sie herzlich ein. um geltende Regelungen zu umge- ben gemacht. rem Land sind nicht zu beanstan- tionieren einer arbeitsteiligen hen und ihre Mitarbeiter unter Darüber hinaus hat die Bundes- den. Der Gang zum Friseur: ein Wirtschaft in einer globalen Welt. Druck zu setzen. Sie schmeißen regierung umfassende gesetzliche Werkvertrag! Oder bringen Sie Ih- Die Zeitarbeit ist heute weitge- Werkverträge und Zeitarbeit lustig Änderungen auf den Weg ge- re eigene Schere mit zum Friseur? hend reguliert und kein Mas- (Beifall bei der CDU/CSU) in einen Topf und negieren, dass bracht: zum Ersten die Abschaf- solche Formen der Beschäftigung fung der Drehtürklausel, zum ihren festen Platz auf dem Arbeits- Zweiten Verbot der konzerninter- markt haben. Hierbei blenden Sie nen Überlassung und schließlich drei Punkte aus. die Einführung von Equal Pay ab Punkt eins. Sie erwähnen mit dem ersten Tag, zumindest dann, kaum einem Wort, dass sich in der wenn ein Tarifvertrag vorliegt. Zeitarbeit die Situation grundle- Das Instrument der Arbeitneh- gend verbessert hat. merüberlassung – das habe ich ge- Die vielen gesetzlichen und ta- rade ausgeführt – stellt eine her- riflichen Änderungen sparen Sie vorragende Möglichkeit für den aus: Zeitarbeit ist ein gut regulier- Einstieg in den ersten Arbeits- ter und spezieller markt dar. Das gilt Teil des Arbeits- insbesondere, wie marktes, der Men- auch schon gesagt, schen auch Chan- Zeitarbeit ist für Menschen mit cen bietet. ein gut regu- geringer Qualifikati- Punkt zwei. lierter und on, die sonst nur Werkverträge sind spezieller Teil ganz wenige Chan- selbstverständli- des Arbeits- cen auf dem Arbeits- cher Bestandteil marktes. markt haben. Zahlen des Wirtschaftsle- belegen dies – sie bens. Sie sind wurden auch schon Grundpfeiler einer angeführt -: 60 Pro- arbeitsteiligen Wirtschaft, deren zent waren vor ihrer Beschäftigung Kriterien in der Rechtsprechung arbeitslos, und 50 Prozent arbei- vollumfänglich behandelt wur- ten im Helferbereich. Und ma- den. chen wir uns nichts vor: Eine Stu- Punkt drei – schließlich als die des IAB aus dem vergangenen Letztes. Sie streuen den Menschen Jahr belegt, es gibt immer weniger leichtfertig Sand in die Augen. Jobs mit sogenannter Helfertätig- Sie fordern Einschnitte mit dem keit in unserem Land, die Gering- Vorschlaghammer, sagen aber qualifizierte für ihren Einstieg ins nichts über deren gravierende Aus- Berufsleben so dringend benöti- wirkungen. Sie schaden damit gen. Unser aller Ziel ist es, dass nicht nur den Unternehmen, son- Langzeitarbeitslose in das Arbeits- Auszubildende protestierten vergangenes Jahr vor den Werkstoren der Salzgitter AG. © dpa 12 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 22 bis 24 - 26. Mai 2015

Jutta Krellmann, DIE LINKE: Punkt zwei. Auch legale Werk- ständige beschäftigt hat. Die nach- verträge werden genutzt, um träglich erhobenen Sozialversiche- Lohndumping zu betreiben. rungsbeiträge wurden nun nach- Ausbeutung auf dem Selbst wenn Werkverträge rechts- gezahlt. Die Quittung dafür kas- konform angewandt werden, siert der Beschäftigte, der das Gan- wenn also die Arbeit von Werkver- ze öffentlichgemacht hat. Er hat Arbeitsmarkt hat viele Namen tragsunternehmen völlig in Eigen- zwar nach wie vor einen Rahmen- regie erbracht wird, kann es sich arbeitsvertrag, bekommt jetzt aber um Tarifflucht handeln. Tarif- keine Aufträge mehr von der Bun- haus oder das Fliesenlegen im Me- lassung – die sind doch heute flucht liegt eindeutig immer dann destagsverwaltung. Nun lebt er tallbetrieb. Werkvertragsbeschäf- schon völlig überlastet. Das geht vor, wenn diese Arbeiten von dem von Hartz IV und muss sehen, tigte übernehmen heute ganz re- doch auch alles gar nicht! Betrieb vorher selbst erledigt wur- dass er über diesen Weg Geld be- guläre Arbeiten in Betrieben, sie Anstatt sich engagiert mit dem den. Eine gesetzliche Regulierung kommt. Was ist das im Grunde für ersetzen Stammbeschäftigte, und Problem zu beschäftigen, will die muss auch diesem ein Signal, das wir das zu Bedingungen weit unter Ta- Bundesregierung dieses Problem Sachverhalt Rech- als Bundestag an rifstandards. Das geht doch alles nur mit der Kneifzange anpacken. nung tragen. Die der Stelle aussen- gar nicht! Ein bisschen Frieden reicht uns Regierung scheint Die Regulierung den! Ich finde, das, Beispiele wie die Wareneinräu- nicht, ein bisschen Regulieren von das völlig zu igno- von Leiharbeit was da passiert, ist mer im Einzelhandel gibt es ge- Werkverträgen auch nicht. rieren. und Werkver- unmöglich. nug. Über die Baubranche und die Zwei Punkte aus unserem An- Wir Linke sagen: trägen muss in Wir wollen, dass Fleischindustrie haben wir hier trag möchte ich gerne herausgrei- Bei der Auftragsver- Angriff ge- eine gerechte Ar- auch schon geredet. Der Miss- fen, die für eine konsequente Re- gabe an Fremdfir- beitswelt entsteht © DBT/Achim Melde nommen werden. (*1956) brauch von Werkverträgen ist gulierung von Werkverträgen ent- men, die die glei- und dass sich auch Landesliste Niedersachsen mittlerweile ein Flächenbrand. scheidend sind. che Arbeit verrich- die Bundestagsver- Dagegen muss unbedingt etwas Punkt eins: Stichwort „Mitbe- ten, muss auch für waltung beim Um- usbeutung hat auf dem Ar- unternommen werden! Was aber stimmung“. Betriebs- und Perso- deren Beschäftigte ein Gleichbe- gang mit den Kollegen anders ver- beitsmarkt viele Namen. macht die Regierung? Sie begnügt nalräte müssen ein erzwingbares handlungsgebot festgeschrieben hält; denn das, was wir da erlebt AEin Name davon: Werkver- sich mit Ankündigungen und lässt Mitbestimmungsrecht beim Ein- werden. Mit anderen Worten: haben, ist absolut nicht akzepta- träge. Das Problem ist: Die Zahl sich Zeit. Das, liebe Kolleginnen satz von Fremdfirmen in Unter- Gleicher Lohn für Stammbeschäf- bel. der Missbräuche steigt. Mittlerwei- und Kollegen, ist ein Aussitzen nehmen erhalten. tigte und Werkvertragsbeschäftigte Meine Damen und Herren, die le stehen Werkverträge für Lohn- von Problemen. Das möchten wir Informationsrechte, wie sie die in einem Betrieb! Nur so kann Ta- Regulierung von Leiharbeit und betrug, für ungerechte Bezahlung, nicht. Regierung im Koalitionsvertrag an- rifflucht schon im Ansatz ausge- Werkverträgen muss jetzt in An- für unwürdige Behandlung von Fantasielos ist auch die Ankün- gekündigt hat und die teilweise trocknet werden. griff genommen werden. Unsere Beschäftigten und für die Spaltung digung selbst: Die Bundesarbeits- auch schon vorhanden sind, rei- Ich möchte zum Schluss auf ein Vorschläge liegen vor. Jetzt warten ganzer Belegschaften. Das hat ministerin stellt in Aussicht, dass chen nicht aus. Betriebsräte müs- Problem aufmerksam machen, wir noch auf Ihre, und dann nichts damit zu tun, was Werkver- der Zoll kontrollieren soll, ob in sen den Einsatz von Fremdfirmen das uns auch hier im Bundestag schauen wir einmal, was am Ende träge einmal waren, Herr Schie- den Unternehmen illegale Werk- verhindern können. Nutzen wir unmittelbar betrifft bzw. das wir dabei herauskommt. werling. Es geht nicht mehr da- verträge zur Anwendung kommen. den Sachverstand dieser Kollegin- erlebt haben. Es geht um das The- rum, dass Spezialaufgaben in den Was sollen die Kolleginnen und nen und Kollegen! Die wissen so- ma Scheinselbstständigkeit. Es ist Betrieben von externen Dienstleis- Kollegen vom Zoll denn noch al- fort, ob mit Werkverträgen Tarif- beschämend, dass der Bundestag tern übernommen werden, zum les kontrollieren? Schwarzarbeit, standards unterlaufen werden sol- als Arbeitgeber über Jahre hinweg Beispiel die Elektrik im Kranken- Mindestlohn, Arbeitnehmerüber- len oder nicht. Besucherführer als Scheinselbst- (Beifall bei der LINKEN)

Markus Paschke, SPD: festgestellt, dass er gar nicht als Ar- uns solche Fälle bekannt: der beitnehmer, sondern als Selbst- Kommissionierer, der seit zehn ständiger gearbeitet haben soll. Jahren als Leiharbeiter in einem Werkverträge befördern Das bedeutet: keine Sozialversi- Betrieb arbeitet und nur 60 Pro- cherung, Steuerpflicht usw. Ich zent dessen bekommt, was sein nenne das Missbrauch. Kollege neben ihm verdient. moderne Sklaverei Oder im Bereich der Landwirt- Diese Liste ließe sich beliebig schaft: Da gibt es konkrete Fälle, fortführen. Deshalb sage ich ganz gerade in der Saison, wo Men- klar – ich komme zum Fazit -: Es der Beratungsstelle für mobile Be- als versprochen: Er wurde in einer schen zehn, elf, zwölf Stunden muss gehandelt werden. Das sind schäftigte in Oldenburg. Kurz zu- Massenunterkunft mit 1 500 an- körperlich hart arbeiten, Spargel wir den Menschen in unserem vor war dort ein rumänischer Ar- deren Arbeitern untergebracht. In ernten und Erdbeeren pflücken. Lande schuldig. Wir sind es ihnen beiter, der um Hilfe gebeten hat. dem Raum, der ihm zugewiesen Aufgeschrieben und bezahlt wer- schuldig, dass sie einen anständi- Seinen Fall will ich einmal kurz wurde, standen 16 Betten, die alle den aber nur sieben oder acht gen Lohn für anständige Arbeit schildern: Er hat drei Monate auf belegt waren. Dafür Stunden. Auch das bekommen. Wir sind es ihnen einem Schlachthof gearbeitet und wurden ihm 240 ist Missbrauch. schuldig, dass sie ein menschen- musste Tierdärme auswaschen. Euro monatlich Die krassesten würdiges Leben führen können. Nach diesen drei Monaten erhielt vom Lohn abgezo- Wir müssen Fälle von Miss- Ich frage Sie: In was für einem er einen Lohn von 1.300 Euro gen. Auch die Kos- mit aller brauch kennen wir Land wollen wir leben? In einem, ausgezahlt. Das war das erste Mal, ten der Fahrt zum Kraft diese aus der Fleischin- das tatenlos den Auswüchsen mo- dass er Geld gesehen hat. Schlachthof wurden Not und dustrie, aber es gibt derner Sklaverei zusieht? Da sage Aber beim ersten Aufbegehren vom Lohn abgezo- sie ebenso im ich Nein. Wir müssen mit aller © DBT/Achim Melde Ungerechtigkeit (*1963) und Einfordern des in Rumänien gen. In einem frem- bekämpfen. Stahlbau, auf Werf- Kraft diese Not und Ungerechtig- Landesliste Niedersachsen versprochenen Lohnes wurde er den Land, der Spra- ten, im Baugewer- keit bekämpfen. fristlos entlassen und aus seiner che nicht mächtig, be, im Hotel- und ir alle kennen die Be- Unterkunft geworfen. In Rumä- ausgebeutet und be- Gaststättengewerbe (Beifall bei der SPD) richte über die systema- nien hatte man ihm 10 Euro pro trogen – das nenne ich moderne und in vielen anderen Wirtschafts- Wtische Ausbeutung ost- Stunde, freie Unterkunft und freie Sklaverei. bereichen. Da gibt es den Spüler europäischer Arbeitnehmer in der Fahrten zur Arbeit versprochen. Unter dem Deckmantel der im Nobelhotel – auch das ist ille- Dies ist eine gekürzte Version der De- Fleischindustrie und über Beschäf- Dafür musste er sogar eine Ver- Werkverträge passiert viel Miss- gal -, der angeblich als Selbststän- batte. Es sprachen außerdem noch tigungsverhältnisse, die unter dem mittlungsgebühr von knapp 800 brauch. Was meine ich, wenn ich diger arbeitet, Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Deckmantel von Werkverträgen Euro zahlen; aber er hatte sich ja von Missbrauch spreche? Bleiben Arbeiter auf der Baustelle des Grünen), (CDU/CSU), nichts anderes sind als moderne ausgerechnet, dass sich das lohnt. wir bei dem beschriebenen Fall Einkaufstempels Mall of Berlin, (SPD) und Wilfired Oel- Sklaverei. Nach der Ankunft im Oldenbur- des rumänischen Schlachters. In die um ihren Lohn geprellt wur- lers (CDU/CSU). In der letzten Woche war ich in ger Land war es allerdings anders der Beratungsstelle wurde dann den. Auch aus der Leiharbeit sind Informationen in leichter Sprache Ausgabe-Nr. 12 Beilage für:

leicht Tarif-Einheit erklärt! Was ist das?

Sitzung des In der leichten Sprache wird das Bundestages so erklärt:

Was bedeutet Arbeits-Verhältnis? Am 22. Mai 2015 hat der Bundestag Ein Arbeits-Verhältnis ist die über die Tarif-Einheit gesprochen. Beziehung zwischen dem Arbeiter und dem Chef. Denn: Es soll für alle Arbeiter einer Das Arbeits-Verhältnis regelt: Berufs-Gruppe in einem - die Arbeits-Zeiten, Betrieb eine Tarif-Einheit geben. - den Urlaub, - die Kündigung - und noch vieles mehr. Dazu wird es ein Gesetz geben.

Das Gesetz heißt „Gesetz zur Regelung der Was ist ein Betrieb? Tarif-Einheit“ Ein Betrieb ist eine Firma, oder in der der Arbeiter arbeitet. „Tarif-Einheits-Gesetz“.

Was ist ein Tarif-Vertrag? Ein Tarif-Vertrag regelt Absprachen Was bedeutet Tarif-Einheit? zwischen dem Chef und dem Es bedeutet: Arbeiter. In einem Arbeits-Verhältnis oder in einem Betrieb soll es nur noch Für die Arbeiter verhandelt einen Tarif-Vertrag geben. eine Gewerkschaft. Tarif-Einheit • Was ist das?

In dem Tarif-Vertrag steht Denn: zum Beispiel: Arbeiter konnten nicht mitbestimmen. - wie viel Geld der Arbeiter bekommt, - wie viel Urlaub der Arbeiter Zum Beispiel: bekommt, Der Chef konnte die Arbeiter einfach aus der Firma entlassen. - wie viele Stunden er arbeiten muss - und noch vieles mehr. In der schweren Sprache heißt das: Kündigung.

Was bedeutet Einheit? Etwas soll für alle gleich sein. Der Chef konnte auch alleine bestimmen, wie viel Geld er den Arbeitern gibt. Was ist eine Gewerkschaft? Es gab keine Pausen für die Arbeiter. Um den Arbeiter zu unterstützen, gibt es Gewerkschaften. Und wenn ein Arbeiter krank wurde, bekam er kein Geld. Eine Gewerkschaft ist eine Art „Verein der Arbeiter“. Das ist zum Glück nicht mehr so.

Sie vertritt die Arbeiter in einer Firma. Für jedes Arbeitsgebiet gibt es Und setzt sich für die Rechte der eine Gewerkschaft. Arbeiter ein.

Zum Beispiel: Viele dieser Gewerkschaften haben Die Gewerkschaft möchte die sich zusammen-geschlossen. Arbeits-Plätze der Arbeiter sichern. Den größten Zusammen-Schluss nennt man: Deutschen Gewerkschafts-Bund. Gewerkschaften verhandeln zum Beispiel über: Die Abkürzung ist: DGB. - mehr Geld, - kürzere Arbeitszeiten, - mehr Mitbestimmung Der DGB hat über 6 Millionen - und noch vieles mehr. Mitglieder.

Und es gibt insgesamt 8 große Gewerkschaften gibt es seit Gewerkschaften. 150 Jahren. Die größten Gewerkschaften im Als es die Gewerkschaften DGB heißen: noch nicht gab, - IG Metall und ging es den Arbeitern schlecht. - ver.di. IG Metall: Das sind zum Beispiel: IG ist die Abkürzung für: - die Gewerkschaft Industrie-Gewerkschaft. Deutscher Lokomotivführer, - die Piloten-Gewerkschaft Die IG Metall hat ihren Sitz in Vereinigung Cockpit, Frankfurt am Main. - der Marburger Bund Und ist die größte Gewerkschaft mit Fach-Gewerkschaft für Ärzte. über 2 Millionen Mitgliedern.

Warum wird gestreikt? Die IG Metall vertritt die Arbeiter, die zum Beispiel in den Berufen mit: In manchen Betrieben gibt es - Holz, mehrere Gewerkschaften. - Metall, - Stahl, Deshalb gibt es im selben Betrieb - Elektro, auch verschiedene Tarif-Verträge. - Textil - und vieles andere Für den Chef des Betriebes ist das arbeiten. oft sehr schwer.

Denn: ver.di: Der Chef muss mit vielen Das ist die Abkürzung für: Gewerkschaften verhandeln. Vereinte Dienst-Leistungs- Gewerkschaft. Und er will mit allen Gewerkschaften zum selben Ziel kommen. ver.di hat ihren Sitz in Berlin.

Und ist die zweit-größte Gewerkschaft im DGB. Das ist zum Beispiel bei der Deutschen Bahn gerade so.

Sie vertritt zum Beispiel Arbeiter, Das ist ein großes Problem. die in den Arbeits-Gebieten arbeiten: - Medien, Die Deutsche Bahn will: - Verkehr, 2 Gewerkschaften sollen sich auf - Forschung, einen Tarif-Vertrag einigen. - Postdienste, - Gesundheit - und noch viele mehr.

Aber das will die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer nicht. Es gibt noch kleine Gewerkschaften, die nicht zum DGB gehören. Weil jede Gewerkschaft über die Rechte ihrer Arbeiter verhandeln will. Sie vertreten einzelne Berufe.

Man nennt sie auch: Aus diesem Grund gibt es gerade Berufs-Gewerkschaften. immer wieder Streiks. Tarif-Einheit • Was ist das?

Ein Streik ist: Was soll verändert werden? Arbeiter gehen nicht mehr zur Arbeit. Einige Politiker wollen etwas gegen Und das machen sie für eine die vielen Streiks machen. leicht bestimmte Zeit. Und deswegen soll es das Gesetz zur Denn: „Tarif-Einheit“ geben. Sie wollen ein bestimmtes Ziel damit Das bedeutet für den Betrieb: erklärt! erreichen. Er verhandelt nur noch mit der Gewerkschaft, die die meisten Zum Beispiel: Mitglieder in seinem Betrieb hat. Die Arbeiter möchten mehr Geld verdienen.

Einige Politiker fi nden das aber nicht gut. Das haben die Lokführer gerade gemacht. Sie sagen: Das Gesetz macht die kleinen Sie haben gestreikt, weil sie mit den Gewerkschaften kaputt. Verhandlungen nicht zufrieden sind. Und das ist ein Problem. Für viele Menschen ist das ein großes Weil die kleinen Gewerkschaften Problem. dann nicht mehr verhandeln und streiken können.

Wenn Züge nicht fahren, kommen viele Menschen zu spät zur Arbeit. Weitere Informationen in leichter Sprache gibt es unter: Oder sie kommen an ihrem www.bundestag.de/leichte_sprache Arbeitsplatz nicht an.

Die vielen Streiks wollen die Betriebe nicht. Impressum Denn: Diese Streiks kosten sehr viel Geld. Dieser Text wurde in leichte Sprache übersetzt von: Und die Betriebe verlieren ihre Kunden. Nachrichten Das bedeutet: Werk Betriebe verdienen weniger Geld. www.nachrichtenwerk.de

Ratgeber Leichte Sprache: Auch wird gerade in den http://tny.de/PEYPP Kindergärten gestreikt. Die Bilder sind von Picto-Selector und: Viele Erzieher bleiben zu Hause. Titelbild: dpa/picture-alliance

Und die Eltern können deswegen Beilage zur Wochenzeitung nicht zur Arbeit gehen. „Das Parlament“ 22-24/2015

Weil sie ihre Kinder zu Hause Die nächste Ausgabe erscheint am betreuen müssen. 15. Juni 2015