Thema: Gesetz zur Tarifeinheit WAHL-BETEILIGUNG GIPFEL-BETEILIGUNG Betrachtungen über stimmunlustige Bundeskanzlerin Merkel erklärt ihre Vorstoß gegen Kollisionen im Betrieb SEITE 1-3 Wähler und ratlose Politiker SEITE 9 Vorstellungen zur Außenpolitik SEITE 10 Berlin, Dienstag 26. Mai 2015 www.das-parlament.de 65. Jahrgang | Nr. 22 bis 24 | Preis 1 € | A 5544 KOPF DER WOCHE Vereidigter Wehrbeauftragter Nächster Halt Karlsruhe Hans-Peter Bartels Er hat die Rollen getauscht. Der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels wurde am ver- TARIFEINHEIT Nach heftiger Debatte über das Streikrecht verabschiedet der Bundestag das Gesetz gangenen Donnerstag durch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vor dem Bun- s war der vorläufige, zumin- destag als neuer dest parlamentarische, End- Wehrbeauftragter ver- punkt unter ein heftig disku- eidigt. Am Tag zuvor tiertes und bis zum Schluss hatte der bisherige umstrittenes Gesetzesprojekt: Vorsitzende des Ver- Am Freitag verabschiedete teidigungsausschusses derE Bundestag in namentlicher Abstim- nach knapp 17 Jahren mung den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit sein Bundestagsman- (18/4062).Von 590 abgegebenen Stim- dat zurückgegeben. men votierten 448 für das Gesetz, 126 da- © picture-alliance/dpa Bartels war im De- gegen und 16 mit Enthaltung. Damit zember 2014 vom Par- stimmten auch einige Abgeordnete der lament als Nachfolger von Hellmut Königshaus, Koalitionsfraktionen gegen den Entwurf. dem letzten FDP-Vertreter im Bundestag, zum Grüne und Linke hatten aus ihrer ableh- Wehrbeauftragten gewählt worden. Seine Amtszeit nenden Haltung von Beginn an keinen beträgt fünf Jahre. Der 54-jährige Bartels hatte Hehl gemacht. Deren Anträge (18/4184; sich in den vergangenen Jahren als Wehrexperte 18/2875) fanden aber keine Mehrheit. durch sachkundige und abwägende Stellungnah- Im Juli soll also ein Gesetz in Kraft treten, men einen Namen gemacht. Er will der Bundesre- dessen Bekanntheitsgrad sich nicht zuletzt gierung nun Vorschläge machen, eine „attraktive, dank Claus Weselsky enorm gesteigert hat. leistungsfähige Bundeswehr mit weniger Unzufrie- Zwar lehnten es Bundesregierung und Ko- denheit im Dienst zu verwirklichen“. kru T alitionsfraktionen bis zuletzt ab, von ei- nem Zusammenhang zum aktuellen Tarif- konflikt zwischen der Bahn und der Ge- ZAHL DER WOCHE werkschaft der Lokführer (GDL) zu spre- chen. Doch GDL-Chef Weselsky sieht die- sen Zusammenhang – wenig verwunder- 100 lich – sehr wohl (Seite 3). Millionen Euro kostete ein Streiktag der Die Klage kommt Klar ist, der Entwurf Lokführergewerkschaft GDL die deutsche bietet viel Raum für Interpretationen und Volkswirtschaft im Schnitt. Dies berechnete dieser wurde in den vergangenen Monaten Freie Fahrt oder Stopp? Der Streik der GDL bei der Bahn hielt in den vergangenen Monaten das Land in Atem. © picture-alliance/Jochen Eckel der Bundesverband der Deutschen Industrie von Verfechtern und Gegnern des Projek- (BDI). Die GDL hatte am Donnerstag den tes gleichermaßen genutzt. Die Oppositi- mittlerweile neunten Streik abgebrochen. onsfraktionen erkennen in einer nach Gericht überzeugt. Anton Hofreiter, Frakti- sen Sie die Regeln zu Leiharbeit und Werk- autonomie zu sichern. Sie lobte die ge- Mehrheitsprinzip gestalteten Tarifeinheit onsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grü- verträgen grundlegend umbauen und den plante Schlichtung zwischen der Lokfüh- EDITORIAL (Text unten) eine klare Benachteiligung nen, erläuterte, warum: „In Artikel 9 des Betriebsräten mehr Rechte geben“, forder- rergewerkschaft GDL und Bahn und sagte: kleiner Gewerkschaften und einen Angriff Grundgesetzes steht ganz klar drin, dass es te Klaus Ernst. „Das ist der Sinn des Gesetzes. Wie setzen ZITAT DER WOCHE auf das Streikrecht und werfen der Bundes- frei ist, Vereinigungen zu bilden, und zwar Karl Schiewerling ließ diese Einwände auf Kooperation und Einigung.“ Nahles Macht statt regierung Verfassungsbruch vor. Bundesar- für alle Berufsgruppen. Da steht nichts da- nicht gelten. Ziel des Gesetzes sei, Frieden versicherte: „Das Koalitionsrecht und das beitsministerin Andrea Nahles (SPD), Ar- von, dass es pro Betrieb nur eine Gewerk- in die Betriebe hineinzubringen. „Wir Streikrecht tasten wir nicht an.“ Kollekti- »Schlichten beitgeberverbände und die Mehrheit des schaft geben darf.“ Klaus spalten nicht, wir schaffen ves Handeln werde aber ad absurdum ge- Moneten DGB argumentieren mit dem Schutz des Ernst (Die Linke) hatte Strategien, die Gewerk- führt, wenn nur für einzelne Gruppen auf statt Streiken Betriebsfriedens, der nachhaltig gestört nachgerechnet, dass das schaften gemeinsam zum dem Rücken der Belegschaft gekämpft VON JÖRG BIALLAS werde, wenn Spartengewerkschaften nur Wort „Freiheit“ 36 mal im »Wir schauen Wohle der Beschäftigten werde, so die Ministerin. ist das Gebot für ihre Einzelinteressen kämpfen und Grundgesetz auftaucht und mit nutzen können“, sagte er. Wer darauf angewiesen ist, regelmäßig mit nicht für die gesamte Belegschaft eines Be- kam zu dem Schluss: „Sie Es gehe nicht darum, klei- SPD verteidigt Vorhaben Dieses Argu- den Zügen der Deutschen Bahn zu fahren, der Stunde.« triebes. schränken mit dem Gesetz gespannter nere Gewerkschaften vor ment goss Bernd Rützel (SPD) in folgen- wird die Entscheidung des Bundestages vom Diese Trennlinie zog sich auch durch die, einen wesentlichen Grund- Gelassenheit, die Tür zu setzen. Viel- des Bild: Wenn jeder sein eigenes Süpp- vergangenen Freitag mit besonderem Interes- Ulrich Weber, Vorstand der Deutschen zuweilen heftig geführte dritte Lesung. satz des Grundgesetzes ein.“ mehr sollten die Gewerk- chen koche und dies dann auch noch al- se verfolgt haben. Das Parlament hat das um- Bahn AG, zur am Mittwoch beginnenden „Wie hälst Du’s mit der Verfassung?“, lau- Aber dabei blieb es nicht. was nun schaften animiert werden, leine esse, blieben jene hungrig, die das strittene Gesetz zur Tarifeinheit auf den Weg Schlichtung im Tarifstreit mit der Lokführer- tete hier die Gretchenfrage, die bei einigen Beide Fraktionen warfen der kommt.« sich zu einigen, wer für nicht können oder um die sich niemand gebracht. gewerkschaft GDL. Abgeordneten von Grünen und Linken für Regierung Etikettenschwin- welche Berufsgruppe ver- kümmere, mahnte Rützel. Auch wenn die Nach dessen Inkrafttreten, voraussichtlich zum hochrote Köpfe sorgte. Die Gemütslage del vor. Zum einen, „weil Karl Schiewerling (CDU) handelt. Opposition es hundertmal wiederhole, 1. Juli, wird es nicht mehr möglich sein, dass von Union und SPD brachte dagegen Karl die Tarifeinheit von vor Gründe dafür gebe es ge- „wir werden das Streikrecht niemals an- für Beschäftigte einer Berufsgruppe desselben IN DIESER WOCHE Schiewerling, der Arbeitsmarktexperte der 2010 eine ganz andere war“. nug, betonte Ministerin greifen“, versicherte er. Die GDL sei eine Betriebes unterschiedliche Tarifverträge gelten. Union, auf den Punkt: „Wir schauen mit Hofreiter spielte damit auf das Urteil des Nahles. „Was wir seit 2010 beobachten, der ältesten Gewerkschaften Deutschlands Maßgeblich sind dann die Verhandlungsergeb- INNENPOLITIK gespannter Gelassenheit, was nun Bundesarbeitsgerichts 2010 an, das den macht vielen Menschen Sorgen“, sagte sie. und habe auch vor 2010 gut existiert. Das nisse, die mit der mitgliedsstärksten Gewerk- Justiz Verfassungsrichter werden künftig kommt.“ Was kommen wird, ist eine Kla- Grundsatz der Tarifeinheit zugunsten der Gemeint waren Tarifkonflikte kleiner Be- Gesetz trage dazu bei, dass sich wieder schaft erzielt worden sind. vom Bundestagsplenum gewählt Seite 5 ge gegen das Gesetz vor dem Bundesverfas- Tarifpluralität aufgab. Zum anderen, weil rufsgenossenschaften, deren Macht seit mehr Tarifgemeinschaften bilden und die Streiks wie die jüngsten der Gewerkschaft sungsgericht in Karlsruhe. das Gesetz nicht tauge, Tarifeinheit in den 2010 tatsächlich gewachsen ist. Es sei Auf- Gewerkschaften klären, für welche Berufs- Deutscher Lokomotivführer (GDL) könnten WIRTSCHAFT UND FINANZEN Die Opposition ist von einem Scheitern Betrieben herzustellen. „Wenn Sie wirklich gabe der Bundesregierung, Tarifkollisionen gruppen sie jeweils verhandeln, verteidigte dann nicht mehr gesetzeskonform sein. Seit Kindergeld Anhörung im Finanzausschuss des Gesetzes vor dem obersten deutschen etwas für die Tarifeinheit tun wollen, müs- in Betrieben zu vermeiden, um die Tarif- Rützel das Vorhaben. Claudia Heine T Monaten piesackt die GDL die Bahn und deren zu Erhöhungsplänen Seite 8 Kunden mit immer wieder neuen, kostspieli- gen Ausständen. Neben der Industrie leiden EUROPA UND DIE WELT darunter Millionen Pendler, Geschäftsreisende Türkei Die Parlamentswahlen im Juni und Urlauber, die es nur noch schwer schaffen, werfen ihre Schatten voraus Seite 12 ihre Wut zu unterdrücken. Im Namen der Tarifautonomie Hintergrund ist auch die Befürchtung der GDL, KULTUR UND BILDUNG DAS GESETZ Neue Regeln stärken die großen Gewerkschaften. Schon bestehende Tarifverträge gelten weiter dass sie für ihre Mitglieder nichts mehr aus- Bundestag Regierung legt Bericht zur richten können wird, wenn das neue Gesetz Berufsbildung 2015 vor Seite 13 iel des Gesetzes für eine Tarifein- Die Bundesregierung betont, dass das Ge- greift. Es ist wohl wahr: Bei diesen Streiks geht heit soll es sein, „die Funktions- setz das Streikrecht nicht angreife. Es stehe es um Macht, weniger um Moneten. fähigkeit der Tarifautonomie zu den Gewerkschaften weiter frei, gemein- Die Politik hat sich ihre Entscheidung, die Tarif- sichern“. Diese werde gefährdet, sam Tarifverträge zu verhandeln. „Die Re- einheit gesetzlich vorzuschreiben, nicht leicht MIT DER BEILAGE
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