3|2017 Magazin der Stiftung Liebenau

Arbeit: professionell und inklusiv 24

Ausgezeichnetes Quartier 22 Eingliederungshilfe in Sachsen 29 Inhalt

3 Editorial 9 4 kurz und knapp Infos Online 8 Impressum Das neue Regionale Geriatrische Notfall-Versor- 40 Spot an: Bernadette Peitler gungszentrum (GeriNoVe) schließt ab 2018 akute 3|2017 Versorgungslücken für Menschen. Magazin der Stiftung Liebenau Stiftung Liebenau 10 SROI: Studie mit Aufklärungs-

charakter n 12 Aufsichtsrätin und Herzensmensch n n 2 n a 22 nn 13 Fit für Innovation n an 2 14 Gratulation zum Jubiläum! 16 Ethik in der Praxis 17 Grundkurs in Demokratie Titelbild: Gundula Krause 18 Spiritueller Impuls In den Liebenauer Arbeitswelten arbei- 19 Buch: Das Vermächtnis 12 ten Menschen mit Behinderungen pro- 20 Schönes zum Schenken fessionell und inklusiv zum Beispiel im Ihre königliche Hoheit Mathilde Fürstin von Wald- AIP (S. 24) oder im Textilservice (S. 36). Stiftung Liebenau Pflege burg-Zeil ist seit 20 Jahren im Aufsichtsrat. 21 Hochgenuss bei Kerzenschein „Anstifter“ als e-book: www.stiftung-liebenau.de/anstifter Stiftung Liebenau Lebensräume 22 Quartier mit Auszeichnung Newsletter „Liebenau inklusiv“ Bestellen Sie den Newsletter Stiftung Liebenau Teilhabe „Liebenau inklusiv“ unter 24 AIP: professionell und inklusiv www.stiftung-liebenau.de/inklusion 26 Uhldingen: Neubürger willkommen 27 Leichte Sprache Tochtergesellschaften online 28 Eingliederungshilfe in Sachsen Auch die Tochtergesellschaften der Stiftung Liebenau informieren 28 Stiftung Liebenau Gesundheit regelmäßig über ihre Arbeit. 30 Sozialtherapie in Vogt Das Christliche Sozialwerk ist Sachsens einziger Näheres finden Sie unter: landesweit tätiger Träger der Eingliederungshilfe. „anna live“ Österreich: Stiftung Liebenau Bildung www.stiftung-liebenau.at/anna-live 31 Aufbruch in die digitale Zukunft „wir“: www.st.gallus-hilfe.de/wir 33 Leichte Sprache „wir-mittendrin“: 34 Pädagogik mit Leidenschaft www.st.gallus-hilfe.de/wir-mittendrin „Auf Kurs“: www.bbw-rv.de/auf-kurs Stiftung Liebenau Familie 35 Gastfamilie ermöglicht Inklusion Freude Stiftung Liebenau Service inklusive 36 Arbeit ganz flexibel Ihre Spende 37 Leichte Sprache 31 für die Stiftung Liebenau Spendenkonto Sparkasse Bodensee Stiftung Liebenau Österreich „Ausbildung 4.0“: Berufsbildungswerk reagiert auf IBAN: DE35 6905 0001 0020 9944 71 38 Leichter loslassen können die fortschreitende Digitalisierung. BIC: SOLADES1KNZ 39 Festtag im St. Antonius Spenden-Newsletter Text in Leichter Sprache Wollen Sie regelmäßig unseren Spenden-Newsletter lesen? Abonnieren Sie ihn unter www.stiftung-liebenau.de/ spenden-newsletter

2 anstifter 3 | 2017 Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, was bedeutet es eigentlich, wenn wir von uns werden. Dabei sind Entscheidungen zu treffen: selbst als Stiftung sagen, dass wir kirchlich-ka- Definieren wir unser „Katholisch-Sein“ allein aus tholisch sind? Es gibt verschiedene Lesarten: Zum dem „Lateinisch- oder Römisch-Sein“? Wir meinen, einen haben wir an unseren Stammorten Liebenau, das wäre zu eng. Heißt doch „katholisch“ als erstes Hegenberg und Rosenharz Kirchen. In unseren „allumfassend und weltoffen“. Und wieder bedarf Einrichtungen sind Kapellen und Gottesdienst- es einer Entscheidung: Für uns heißt weltoffen, räume eine Selbstverständlichkeit. Wir feiern Got- dass wir für alle Menschen offen sind. Unabhängig tesdienste – geprägt vom Kirchenjahr – und spen- von Herkunft, Nationalität und Glauben. Wir öffnen den Sakramente: Taufe, Erstkommunion, Firmung, uns der Welt mit allem, was das Mensch-Sein aus- Ehe, Krankensalbung. Am Ende der Tage geleiten macht. Wir teilen Freude und Leid der Menschen wir Menschen hin zum Übergang des Lebens und und wollen Wegbegleiter sein im Namen Jesu, dem begleiten Menschen im Sterben. Uns ist bewusst, es in seinem Leben immer um das Heil des einzel- dass diese Handlungen des Glaubens wichtige Mei- nen Menschen ging. Wir begreifen uns alle als Seel- lensteine sind im Stiftungsalltag. Eigene Seelsorger sorger. sind neben vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Weil es unserer Haltung entspricht, dass wir uns tern, haupt- wie ehrenamtlichen, wichtige Lebens- sorgen – nicht nur um den Leib, sondern auch um begleiter in unserer Stiftung. Immer wieder stellen die Seele der Menschen. Wir wollen nicht überse- wir uns die Frage, ob diese Formen kirchlichen hen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst und christlichen Handelns auch unserer tatsächli- auch der Sorge bedürfen. Und wollen uns herzlich chen Haltung gegenüber Gott und den Menschen bedanken bei allen, deren Haltung es ist, Mensch Wie ist Ihre entsprechen. Wieder ist uns gegenwärtig, dass das zu sein um des Menschen Willen. Diese Haltung ist Meinung? Kirchlich-Katholische nicht automatisch mit der eine Entscheidung, bedarf aber auch der Fort- und Die Vorstände der Taufe gegeben ist. Weiterbildung. Fachtage und Kurse, Exerzitien – Stiftung Liebenau Immer wieder machen wir uns bewusst, dass und dabei ist uns immer wieder die Rückbindung freuen sich auf Haltung auch gelernt, eingeübt und gepflegt wer- an die Person und das Leben Jesu wichtig. Sym- Ihre Rückmeldung: den muss. Mit unserer Fachlichkeit verbinden wir pathisch, dass die Diözese Rottenburg-Stuttgart vorstand@ ganz selbstverständlich Fort- und Weiterbildung. unsere Angebote der Seelsorge seit zwei Jahren mit stiftung-liebenau.de Unsere Wirtschaftlichkeit hinterlegen wir mit über- je rund einer halben Million Euro anerkennend zeugenden Prüfmechanismen. Aber wie kommen unterstützt. Wir sagen heute Dank in alle Richtun- wir immer wieder neu zu einer katholischen Hal- gen. An unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, tung? Wir haben eine Überzeugung: Unsere Hand- an alle, die wir begleiten dürfen, an unsere Ehren- lungen im Glauben müssen immer wieder neu mit amtlichen und sehr herzlich an unsere Leserinnen unserer Haltung in Übereinstimmung gebracht und Leser des Anstifters.

Das meint Ihr Vorstand Prälat Michael H. F. Brock Dr. Berthold Broll Dr. Markus Nachbaur

anstifter 3 | 2017 3 kurz und knapp

Stiftung Liebenau 147 Auszubildende am Start

Breit ist die Palette der Berufe, in denen 147 junge Menschen Gegenseitiges Kennenlernen, Einblicke in die Stiftungsstruk- ihre Ausbildung bei der Stiftung Liebenau und ihren Toch- tur sowie ein erster Überblick zur Ausbildung standen in allen tergesellschaften begonnen haben. Sie starten als Heilerzie- Gesellschaften am Beginn der Ausbildung. Darüber hinaus hungspfleger, Jugend- und Heimerzieher, Altenpfleger oder haben in diesen Tagen auch 57 neue Teilnehmerinnen und Arbeitserzieher. Anzutreffen sind auch Kauffrauen oder -män- Teilnehmer am Freiwilligen Sozialen Jahr in der Stiftung Lie- ner für Büromanagement, Hauswirtschafter, Köche, Gärtner, benau begonnen. Viele von ihnen nutzen diese Zeit, um sich Landwirte, DH-Studenten, Elektroniker für Betriebstechnik beruflich zu orientieren und ihre Entscheidung für einen Beruf und Anlagenmechaniker. im Sozialbereich zu festigen.

Stiftung Hospital zum Heiligen Geist Termine Stift zum Heiligen Geist 7. November 2017 feiert Jubiläum Fachkongress: Pflege kommunal gestalten – Neues Miteinander im Quartier richtung, in der sich die Menschen wohl Maikammer fühlen“, so Pater Eugen Kloos beim öku-

menischen Festgottesdienst. Das Stift 15. und 16. Dezember 2017 zum Heiligen Geist verfügt über 60 Pfle- Winterfeuer geplätze und zwei Kurzzeitplätze. Direkt Liebenau nebenan im Schloss wohnen Mieter mit leichtem Hilfebedarf selbstständig in 17. Dezember 2017 13 Heimgebundenen Wohnungen. Die Adventskonzert Geschäftsführerin der Heilig Geist – Liebenau Leben im Alter, Stefanie Locher, würdig- Seit über 535 Jahrne hat das Stift zum te die ehrenamtlich Engagierten im Stift Heiligen Geist seinen Platz in der Stadt zum Hl. Geist als einen wesentlichen 29. Januar 2018 Bad Wurzach: Im Januar 2004 übernahm Bestandteil des Hauses: „Sie schenken Gedenktag Euthanasie die Heilig Geist – Leben im Alter die Trä- ihr wichtigstes Gut, Ihre Zeit, und stär- Liebenau gerschaft. Im Jahr 2007 konnte der Neu- ken den Zusammenhalt in der Gesell- bau bezogen werden. Dieses 10-jährige schaft.“ Sie lobte auch die Gemeinde Näheres erfahren Sie unter Jubiläum feierten Bewohner mit ihren Bad Wurzach als verlässlichen und www.stiftung-liebenau.de/aktuell/termine Gästen. „Das Stift ist eine lebendige Ein- guten Partner.

4 anstifter 3 | 2017 kurz und knapp

Stiftung Liebenau Pflege Zehn Jahre Haus Magdalena

Vor zehn Jahren zogen die ersten Menschen mit allen Pflegegraden wer- Konzerte und Feiern im Jahreskreis. „In Bewohner in das Haus Magdalena in den betreut. Im Dachgeschoss befinden Ihrem Haus pflegen Sie eine berühren- Ehningen: für die Stiftung Liebenau sich fünf Heimgebundene Wohnungen. de Kultur für die Bewohnerinnen und Ende Juli Anlass, mit den Bewohne- Von Anfang an stand das Haus Magda- Bewohner – zusammen mit den Ange- rinnen und Bewohnern, mit Mitarbei- lena in engem Kontakt mit Ehrenamt- hörigen und Ehrenamtlichen“, dankte terinnen und Mitarbeitern sowie Ver- lichen, Kirchengemeinden, Kindergär- Geschäftsführer Dr. Alexander Lahl vor tretern der politischen und kirchlichen ten, Schulen und Vereinen. In dieser allem auch den Mitarbeiterinnen und Gemeinden zu feiern. Das Haus der Pfle- Gemeinschaft gelingen viele Feste, Mitarbeitern. ge umfasst insgesamt 47 Plätze. Hinzu Veranstaltungen, Kaffeemittage, Got- kommen zwei Kurzzeitpflegeplätze. tesdienste in der hauseigenen Kapelle,

Stiftung Liebenau Teilhabe FC Rosenharz zeigt, wie Fairplay geht

Ausgesprochen hoch war die Spielqualität der Mannschaften beim Baden-Württembergischen Landesfinale der „Special Olympics Feld“ Mitte Juli in Stuttgart. Dem FC Rosenharz der Stiftung Liebenau reichte es nicht für einen Titel. Was aber als besonderer Erfolg zu werten ist: Das Team erhielt zum zwei- ten Mal in Folge die Auszeichnung als Fairplay-Mannschaft bei einem großen Turnier. Der Preis: ein originaler Champions-Le- ague-Fußball. „Ich bin stolz auf die Spieler“, kommentierte Trainer Holger Zielonka diese Leistung. Bei der Turniersitua- tion die eigenen überbordenden Emotionen im Griff zu haben und das soziale Verhalten zu steuern, sei für die Spieler nicht immer leicht. Den Rosenharzern gelang dies vorbildlich, auch mit Hilfe der Motivation des Trainers.

anstifter 3 | 2017 5 kurz und knapp

Stiftung Liebenau Soziales und Integration im Zentrum

wirkung des neuen Bundesteilhabegesetzes, des Heimgeset- zes sowie der Landesheimbauverordnung auf die Tätigkeit von sozialen Organisationen. Stefan Teufel MdL und Vorsitzender des Arbeitskreises mach- te deutlich, dass der fachpolitische Dialog mit Trägern der Sozialen Arbeit wichtig sei, um Erkenntnisse über die Auswir- kungen von Landesgesetzen auf die Praxis zu erlangen. Die Arbeitskreise der CDU-Fraktion pflegten daher auch den regel- mäßigen Praxisaustausch. Paul Locherer, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, sowie Dr. Berthold Broll, Vorstand Stiftung Liebenau, betonten die hohe Notwendigkeit dieses regelmäßigen Dialogs. In der Diskussion verdeutlichte Paul Locherer die mittlerweile hohe Regelungsdichte der in Kraft tretenden Gesetze und Verordnungen für den Sozialbereich. Aktuelle sozialpolitische Themen standen auf der Tagesord- Es würde immer schwieriger werden, bedarfsgerechte und nung beim Besuch des Arbeitskreises Soziales und Integration nachgefragte soziale Wohn- und Assistenzangebote für hilfe- der CDU-Fraktion des baden-württembergischen Landtags in und unterstützungsbedürftige Menschen passgenau umzuset- der Stiftung Liebenau. Im Zentrum des Austausches mit Vor- zen. Vor allem die vorgesehenen Umsetzungszeiträume stell- stand und Geschäftsführungen stand insbesondere die Aus- ten eine große Herausforderung dar.

Stiftung Liebenau Teilhabe Diözesan-Caritasdirektorin zu Besuch

Einblicke in das Leben von Menschen umfangreiches Unterstützungsangebot Mitarbeiter. „Das ist großartig, was sie mit Behinderung verschafften sich Ver- je nach individuellem Bedarf. Pädagogi- da leisten“, meinte Dr. Holuscha-Uhlen- treter des Caritasverbandes der Diözese sche, therapeutische und fachmedizini- brock. Rottenburg-Stuttgart: Diözesan-Caritas- sche Hilfen sind eingebettet in eine ver- direktorin Dr. Annette Holuscha-Uhlen- lässliche Tagesstruktur. Der besondere brock besuchte mit den beiden Refe- Förder- und Betreuungsbedarf in allen renten Ulrike Lehnis und Wolfgang Lebenssituationen reicht von freizeitpä- Mohn die Fachzentren in Hegenberg dagogischen Angeboten über individu- und Rosenharz der Stiftung Liebenau elle Begleitung bis hin zu Hilfen für die Teilhabe. Geschäftsführer Jörg Munk Teilhabe. präsentierte ihnen die tägliche Arbeit Im Fachzentrum Rosenharz mit Spezi- bei der Begleitung und Betreuung von alisierung auf das längerfristig intensiv Menschen mit geistiger und/oder mehr- betreute Wohnen von Menschen mit fachen Behinderungen. geistiger Behinderung sowie komplexen Im pädagogisch-therapeutischen Fach- pflegerischen Anforderungen waren die zentrum in Hegenberg erhalten Kinder, Gäste beeindruckt von der fachlichen Jugendliche und junge Erwachsene ein Kompetenz der Mitarbeiterinnen und

6 anstifter 3 | 2017 kurz und knapp

Stiftung Liebenau Teilhabe Landrat Sievers besichtigt BBF in Bad Waldsee

Der Bildungs-, Begegnungs- und Förder- der IWO, und Stefan Fricker, Bereichs- individuelle Förderung und Betreuung. stätte (BBF) der Stiftung Liebenau in Bad leiter Arbeit und Bildung der Liebenau Zusätzlich gibt es zwölf Plätze für Men- Waldsee stattete Harald Sievers, Land- Teilhabe, begrüßten Sievers zusammen schen mit Handicap, die für die Arbeit rat des Landkreises einen mit dem Bürgermeister von Bad Wald- auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Besuch ab. Die tagesstrukturierende see, Roland Weinschenk und mehreren qualifiziert werden. Die beiden Träger Einrichtung für Menschen mit hohem Gemeinderäten. entschieden sich bewusst im Zuge des Hilfebedarf wird in Kooperation der Sievers zeigte großes Interesse an der Dezentralisierungsprozesses und auch Integrations-Werkstätten Oberschwa- innovativen Kooperation des BBF. Hier unter Synergieaspekten für die betreu- ben (IWO) und der Liebenau Teilhabe finden 36 Menschen mit hohem Hilfe- ten Menschen für einen gemeinsamen geführt. Dirk Weltzin, Geschäftsführer bedarf neben einer Tagesstruktur auch Standort.

Stiftung Liebenau Entwicklungen in der Sozialpolitik

Wie kommt mehr Prävention ins Sozialsystem? Wie wirkt sich das Bundesteilhabegesetz auf die Arbeit sozialer Träger aus? Und wie kann es gelingen, unterschiedliche Leistungssysteme zum Nutzen der Leistungsbezieher besser zu verzahnen? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt eines Gedankenaustauschs der Stiftung Liebenau mit Professor Dr. Georg Cremer. Der langjährige Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands war wenige Tage nach Ende seiner Amtszeit nach Liebenau gekommen, um aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Sozialpolitik zu dis- kutieren. Das Subsidiaritätsprinzip, das das deutsche Sozialsystem prägt, kam dabei ebenso zur Sprache wie das Zusammenspiel im sozialleistungsrechtlichen Dreieck zwischen Klienten, Kostenträ- gern und sozialen Anbietern.

Stiftung Liebenau Beeindruckende Vielfalt

Vielschichtig und vielseitig erlebte der außer in Deutschland seit langem in Generalsekretär des Bundesverbandes Österreich, der Schweiz, Bulgarien, der Deutscher Stiftungen, Felix Oldenburg, Slowakei und auch in Italien tätig. Von die Stiftung Liebenau bei seinem ers- ihren 104 Standorten liegen 28 im Aus- ten Besuch. Oldenburg war besonders land. Oldenburg ist seit dem vergange- daran interessiert, eine Stiftung kennen- nen Jahr an der Spitze des Verbandes, zulernen, die mit vielen sozialen Dienst- dem die Stiftung Liebenau seit Jahren leistungen operativ tätig ist und auch angehört und in dem sie sich in mehre- konkrete Erfahrungen im europäischen ren Arbeitskreisen und Foren aktiv ein- Ausland hat. Die Stiftung Liebenau ist bringt.

anstifter 3 | 2017 7 Stiftung Liebenau

Wir sagen Danke!

Impressum

Anstifter Auflage: 6 200 Herausgeber: Stiftung Liebenau Redaktion: Helga Raible (hr); verantw., Anne Oschwald (ao), Daniel Krüger (dk)

Stiftung Liebenau Siggenweilerstraße 11 Hüttenzauber für Geschwisterkinder individuell gefördert. So können Spät- 88074 Meckenbeuren Hüttenzauber für 27 Kinder und Jugend- folgen gemildert oder gar abgewendet Tel. 07542 10-1238 liche der „Geschwisterzeit“ dank der werden. Für Roland Teufel, Mitglied der E-Mail: helga.raible@ Radio 7 Drachenkinder: Mit einer Spen- Geschäftsführung von Gisoton Wandsys- stiftung-liebenau.de de in Höhe von 4.300 Euro unterstützt teme, eine wichtige Einrichtung. die Aktion eine Wochenendfreizeit Druck: speziell für Kinder, in deren Familien Zweitausend und elf Mal danke! Siegl Druck und Medien GmbH & Co. KG, ein Kind mit einer Behinderung oder Mit 343.556,87 Euro haben insgesamt

schweren Krankheit lebt. 2.011 Spenderinnen und Spender die Autoren in dieser Ausgabe: Das Hüttenwochenende ist ein High- Stiftung Liebenau im vergangenen Jahr Elke Benicke (ebe), Susanne Droste- light im Jahresprogramm der „Geschwis- unterstützt. Dieses Gesamtergebnis Gräff (sdg), Ruth Eberhardt (re), Christof terzeit“ von Kindern und Jugendlichen haben die Wirtschaftsprüfer im Juli offi- Klaus (ck), Melanie Kräuter, Schwäbische aus dem Landkreis Ravensburg und dem ziell bestätigt. Zeitung (mk); Anne Luuka (al), Hanna Bodenseekreis. Als Geschwister von Kin- Der Löwenanteil der Spenden floss Pfeiffer (hp), Roland Weiß, Schwäbische Zeitung (rw). dern mit Behinderung oder Krankheit in die Finanzierung im Aufgabenfeld

haben sie häufig einen von besonderer Stiftung Liebenau Familie. Dabei ist es Die Texte in Leichter Sprache (S. 27, S. 33, Rücksichtnahme geprägten Alltag, in wichtig zu betonen: Nicht alle Spenden S. 37) wurden geprüft von der Prüfergrup- dem eine Auszeit gut tut. wurden direkt eingesetzt. Viele langfris- pe der Stiftung Liebenau Teilhabe. tig angelegte Projekte erstrecken sich Bildnachweise: Golfen für die Frühförderung über Zeiträume von einigen Monaten Golf spielen für den guten Zweck: Bei bis zu einem Jahr oder mehr, so dass die Gundula Krause (S. 1, 16, 25, 31), Felix Kästle (S. 3, 22, 23, 35, 38, 40), Marco Gisoton Wandsysteme hat dies eine Gelder zum jeweils notwendigen Zeit- Mehl (S. 4), Eva Madonia (S. 4), Ruth langjährige Tradition. Das Unterneh- punkt abgerufen werden. Schmid (S. 5), Holger Zielonka (S. 5), men aus Aichstetten sammelte dabei Ob 5 Euro oder 5.000 Euro – jede ein- Daniel Krüger (S. 6, 7, 12, 17, 36), privat erneut Spenden, die dieses Mal in Höhe zelne Spende ist wichtig und leistet (S. 7), Verena Rehm (S. 8), Susanne Dros- von 2.000 Euro der Frühförder- und einen Beitrag dazu, dass die Angebote te-Gräff (S. 13), Vitalina Rybakova/Fotolia (S.14), Osterland/Fotolia (S. 18), Vera Rup- Beratungsstelle für Eltern und Kind der der Stiftung Liebenau weiter bestehen pert (S. 19), Anne Oschwald (S. 21, 26), Stiftung Liebenau Teilhabe in Markdorf können. Allen Spenderinnen und Spen- Melanie Kräuter - Schwäbische Zeitung zugutekommen. dern, gleich ob Privatpersonen, Unter- (S. 24), CSW (S. 28, 29), Anne Luuka (S. 7, Kinder mit Entwicklungsverzöge- nehmen oder Service-Clubs, danken wir 34), Elke Benicke (S. 39). rungen werden hier professionell und ausdrücklich und von Herzen!

8 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Stiftung Liebenau Minister Gröhe gibt Startschuss für „GeriNoVe“

fristigen pflegerischen bedarfsgerechten Versorgung. Ziel ist es, älteren Menschen die größtmögliche Selbstständigkeit zu erhalten und ihren Verbleib im gewohnten Umfeld nachhaltig zu sichern. Am Standort Weingarten in unmittelbarer Nachbar- schaft zum Krankenhaus 14-Nothelfer entstehen Räumlichkei- ten für 18 stationäre Plätze. Dieses gemeinsame Modellprojekt des „Medizin Campus Bodensee“ (MCB) und der Stiftung Liebenau wird durch den von der Bundesregierung aufgelegten Innovationsfonds geför- Für akute Versorgungslücken bei älteren Patienten gibt es dert. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU; 3.v.l.) viele Beispiele: Eine infizierte Wunde benötigt aufwändige- pries bei seinem Besuch die „Kultur der Zusammenarbeit“, re Pflege, krankheitsbedingt fällt der pflegende Ehepartner die durch solche Gemeinschaftsangebote gefördert werde. Die selbst aus. Oft ist dann das Krankenhaus die Lösung: Aber beiden Kooperationspartner erhielten mit ihrem überzeugen- dort gehören diese Menschen eigentlich nicht hin. Genau den Konzept den Zuschlag für Fördermittel in Höhe von bis zu diese Angebotslücke will das neue Regionale Geriatrische Not- 4,596 Millionen Euro. Jeweils weitere 70.000 Euro im Jahr steu- fall-Versorgungszentrum (GeriNoVe) schließen mit einer kurz- ern sie selbst bei. Der Betrieb startet im Juni 2018.

Institut für Soziale Berufe Altenpflege wird bunt

Einen neuen Weg beschreitet die Berufsfachschule für Alten- pflege am Institut für Soziale Berufe, indem sie einen Kurs für Menschen mit Migrationshintergrund anbietet. 13 Schülerin- nen aus Oberschwaben, der Ukraine, Polen, Serbien, Rumä- nien, dem Kosovo, Kongo, Togo und aus Gambia haben den ersten zweijährigen Ausbildungskurs zur Altenpflegehelferin erfolgreich abgeschlossen. Die beste Schülerin – Pinar Erdogan – schnitt mit der Note 1,1 ab. In den zwei Ausbildungsjahren erhielten sie neben Fachkun- de wie Medizin, Pflege und Gerontologie pro Woche auch einen Tag intensiven Deutschunterricht. Einige der Absolven- ten setzen die Ausbildung zur Fachkraft fort, andere arbeiten zunächst als Altenpflegehelferin. Alle haben gute Berufsaus- sichten.

anstifter 3 | 2017 9 Stiftung Liebenau

Eine Studie mit Aufklärungscharakter

Stiftung Liebenau dokumentiert den „Social Return on Investment“

Sozialunternehmen sind Mehrwert-Stifter. Sie schaffen nicht nur mehr Lebensqualität, sondern leisten mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit auch aktive Beiträge zur regionalen Wirtschaft. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie zum „Social Return on Investment“, kurz SROI, die die Stiftung Liebenau kürzlich vorgelegt hat. Für den Anstifter erläutert Vorstand Dr. Markus Nachbaur diese Studie.

Herr Dr. Nachbaur, mit welchem Ziel hat die Stif- beauftragt, das eine spezielle Methode entwi- tung Liebenau die SROI-Studie in Auftrag gegeben? ckelt hat, die Wertschöpfung sozialer Unterneh- Soziale Dienstleistungsunternehmen werden häu- men abzubilden. Die Wissenschaftler haben fig als „Kostgänger“ der Öffentlichen Hand betrach- dafür das aus den USA stammende SROI-Konzept tet. Wir beobachten zum Beispiel, dass bei den für deutsche Verhältnisse adaptiert und schon jährlichen Haushaltberatungen der Kommunen 2014 eine ähnliche Untersuchung im Auftrag gerade die Sozialausgaben besonders in der Kritik des Brüsseler Kreises vorgenommen. Sie haben stehen. Dieser Sichtweise wollten wir etwas entge- zunächst alle relevanten Daten der Stiftung Liebe- gensetzen und aufzeigen, welchen – auch finanzi- nau und ihrer (100-Prozent-)Töchter in Deutsch- ellen – Beitrag wiederum die Sozialwirtschaft leis- land erhoben: Das sind zum einen die Erlöse, tet, gerade auch bezogen auf die jeweilige Stand- aufgeteilt nach öffentlichen Zuflüssen, zum Bei- ortregion. spiel aus leistungsbezogenen Entgelten, Koste- nerstattungen, Zuschüssen und Zuwendungen, Ist das nicht selbsterklärend? Allein die Arbeitsplät- und nicht-öffentlichen Mitteln, etwa Beiträge ze, die die Stiftung Liebenau anbietet, sind doch von Selbstzahlern, Eigenanteile privater Nutzer, schon ein konkreter Gewinn für die Region. Das ist Markt- und Innenumsätze, Spenden und ähnliches. richtig. In der Studie geht es allerdings um genaue Den Erlösen gegenübergestellt wurden die Rück- Zahlen und Effekte. Denn hier findet ja in gewisser flüsse: Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, Weise eine Umverteilung statt: Die Geldströme, die vor allem Lohnsteuer und Solidaritätsbeiträge, in ein Unternehmen fließen, entstehen vor allem Mehrwertsteuer für konsumierte Güter und Leis- in der Region – Entgeltzahlungen, Kostenübernah- tungen und sonstige Steuern. Darüber hinaus ent- men und ähnliches. Die Rückflüsse aber – vor allem stehen weitere Beschäftigungs- und Nachfrageef- Steuern und Abgaben – kommen eher auf Bundes fekte durch unsere Tätigkeit. Zum einen schaffen ebene an. Wenn man also eine regionalökonomi- wir selbst Arbeitsplätze, zum anderen kaufen wir sche Wirkung aufzeigen will, muss man genauer Waren und Dienstleistungen und schaffen damit hinschauen. Arbeitsplätze bei anderen Unternehmen. Mit jedem Arbeitsplatz entsteht wiederum neue Nach- Wie sind Sie vorgegangen? Mit der Untersuchung frage und so fort. Auch diese so genannten Hebel- haben wir das Beratungsunternehmen xit GmbH effekte hat die xit GmbH berechnet.

10 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Erlöse und Rückflüsse der Stiftung LIebenau

Insgesamt werden 223 Mio. € volkswirtschaftlich wirksam

31 Mio. € 50 Mio. € 68 Mio. € Bodenseekreis und andere Kommunen und Bund, Land, Sozialversicherungen Kreis Ravensburg überörtliche Träger (v. a. Kranken- und Pflegeversicherung) Lebensqualität für 74 Mio. € 2300 Ehrenamtliche nicht-öffentliche 8000 Menschen wirken bundesweit mit 149 Mio. € Mittel Zuflüsse aus öffentlicher Hand 2014

Die Einrichtungen der Stiftung Liebenau mit ihren 50 % der Mittel 75 Mio. € Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen Steuern Direkte Arbeitsplätze für Rückflüsse aus Steu- und Sozialabgaben ab. So fließt ein erheblicher Teil 4700 Mitarbeiter fließen zurück ern und Abgaben der öffentlichen Zuflüsse direkt wieder zurück.

Mit welchen Ergebnissen? Die Grafik oben zeigt Und Ihr Fazit? Die strukturierte, datenbasierte zwei wesentliche Erkenntnisse: Im oberen Teil Erhebung ist ein echter Gewinn für die Diskussion, finden Sie das Verhältnis von Erlösen zu Rückflüs- der sich soziale Dienstleistungsunternehmen stel- sen. Danach hat die Stiftung Liebenau eine Rück- len müssen. Sie zeigt: Soziale Dienstleistungen sind flussquote von 50 Prozent aufzuweisen – das heißt, und bleiben ein lohnendes Investment mit hoher für die Öffentliche Hand sind die Nettokosten für Wirkung für den Einzelnen, die Gesellschaft und für unsere sozialen Leistungen nur halb so hoch wie die Wirtschaft! zunächst vermutet. Das ist darauf zurückzuführen, dass wir in der Stiftung Liebenau für jeden Euro, den wir erhalten, durchschnittlich 0,50 Euro an weiteren Mitteln hinzu erwirtschaften. Einen Überblick über die detaillierten Studienergeb- Die zweite Grafik (unten) verdeutlicht die nisse bietet eine Broschüre: „Stiftung Liebenau – Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte, hier exemp- innovativer sozialer Dienstleister und Wirtschaftsfak- larisch für den Bodenseekreis. Rechnet man weiter, tor für die Region“, nachzulesen im Internet in unse- wird deutlich: Auf 100 Euro kommunaler Zuflüsse rer Mediathek und erhältlich unter kommunikation@ kommen durch den beschriebenen Hebeleffekt stiftung-liebenau.de 320 Euro an Einkommen und Nachfrage vor Ort.

Beschäftigungs- und Nachfrage- Bodenseekreis effekte in der Zuflüsse aus dem Landkreis 13,6 Mio. € Region Anzahl Einrichtungen 69

Arbeitsplätze Einkommen (Einwohner) (netto) Bodenseekreis 2 420 50 Mio. € Direkt: 1 580 Direkt: 29 Mio. € Induziert: 840 Induziert: 20 Mio. € Meckenbeuren/ Liebenau

Nachfrage Kommunale fiskalische Effekte 52 Mio. € 2,5 Mio. € Direkt: 22 Mio. € Direkt: 1,3 Mio. € Induziert: 30 Mio. € Induziert: 1,2 Mio. €

anstifter 3 | 2017 11 Stiftung Liebenau

Pflichtbewusster Herzensmensch

Ihre königliche Hoheit Mathilde Fürstin von -Zeil feierte im September ihr 20-Jähriges Jubiläum im Aufsichtsrat der Stiftung Liebenau. Höchste Zeit für einen Besuch auf Schloss Rimpach.

Es gibt diese typischen Astrid-Lindgren-Mädchen. Sie klettern bekommt sie von ihren Eltern schon früh mit auf den Weg, ihr auf Bäume, messen sich mit den Jungs und weinen nicht, wenn Vater legt aber ebenso großen Wert auf ein Bewusstsein für sie sich mal die Knie aufschlagen. Man denke da nur an Pipi soziale Verantwortung. So ist Carl von Württemberg selbst gut Langstrumpf oder Ronja Räubertochter, die sich beide in einer zwanzig Jahre Mitglied im Aufsichtsrat der Stiftung Liebenau, streng patriarchalischen Welt zu behaupten wissen. Ähnlich ehe er 1997 ausscheidet. Die Verantwortlichen in der Stiftung erging es auch Ihrer königlichen Hoheit Mathilde Fürstin von möchten seine Tochter für das Amt gewinnen, die ist zunächst Waldburg-Zeil. Mit einem Unterschied: Sie entstammt keiner skeptisch. „Ich habe damals gleich gesagt, dass ich mich nicht Seeräuberdynastie, sondern dem Hause Württemberg. im Zahlenjonglieren verstehe. Ich bin ein Herzensmensch“, „Ich hatte eine wunderbare Kindheit, nicht ganz alles war erinnert sich Fürstin Mathilde. Ein solcher Herzensmensch wie im Märchen“, sagt Fürstin Mathilde und lacht. Zunächst wurde offenbar gesucht, denn inzwischen blickt sie auf 20 wächst sie mit ihren vier Brüdern in Friedrichshafen auf. Als Jahre im Aufsichtsrat der Stiftung Liebenau zurück. Den Blick sie 15 Jahre alt ist, wird ihre Schwester Fleur geboren. Sie für die Arbeit an der Basis hat sie aber nicht verloren. Die Kre- liebt es, mit den Kindern des Hauspersonals im Schlossgarten ativwerkstatt in Rosenharz hat es ihr besonders angetan, hier Fußball zu spielen. Erst in der Schule wird sie sich ihrer „pri- war sie bereits mit ihren Töchtern zu Gast. vilegierten Stellung“ bewusst, eine Bezeichnung, die ihr nur „Wenn ich sehe, wie glücklich die Menschen in Rosenharz widerwillig über die Lippen kommt. „Ich trage Jeans wie ihr beim Malen sind, macht es mir Spaß, ein Teil davon zu sein“, alle auch“, entgegnet sie ihren Mitschülerinnen, wenn die sich sagt Fürstin Mathilde. Sie selbst nutzt die rar gesäte Freizeit wundern, dass ihre blaublütige Klassenkameradin nicht mit ebenfalls für kreative Pausen in ihrem Atelier, wo sie malt Prinzessinnen-Kleid und Krönchen zum Unterricht erscheint. und schneidert. Ansonsten füllt sie der Job als Managerin des Derart romantischen Vorstellungen begegnet die Mutter von Hauses aber voll aus. „Je mehr man in die Rolle der Fürstin hin- fünf Töchtern heutzutage eher selten, dafür nehmen die Vor- einwächst, umso mehr ist man für andere da“. Die anderen, urteile zu. Oft gelingt es ihr, diese mit ihrer Bodenständigkeit das sind allen voran ihre Töchter, das ist die Großfamilie und abzufedern. Als beim letzten Gunzesrieder Viehscheid der nicht zuletzt die Mitarbeiter im Haus. Um dieses große Team Biernachschub ins Stocken gerät, weil die frischen Gläser aus- zusammenzuhalten, braucht man selbst festen Halt. Den fin- gehen, greift die Fürstin kurzerhand selbst zum Geschirrtuch det Fürstin Mathilde im Glauben. „Man wächst auf mit seiner und spült die Humpen. Die Nachricht verbreitet sich im Dorf Geschichte. Man wohnt in einem Schloss. Dafür verzichtet man wie ein Lauffeuer. auch auf vieles“, sagt sie. „Aber der liebe Gott hat mich nun mal „Diese regionale Verbundenheit, das gehört mit zu unse- in diese Wiege gelegt und dann habe ich das Beste daraus zu rem Namen“, sagt Fürstin Mathilde. Das Pflichtbewusstsein machen.“ (dk)

12 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Fit für innovative Lösungsansätze

Ergebnisorientierte Kompetenzen in der Projektarbeit

Die eigene Komfortzone zu verlassen, Und manche Entscheidungen muss- stecke viel Herzblut drin. Zudem hatten ist meist anstrengend und unbequem. ten sogar innerhalb von 10 bis 15 alle Teilnehmer, die zuvor ein Bewer- Und: Es erfordert Mut. Eine Frau und Minuten getroffen werden. Unterstützt bungsverfahren durchlaufen mussten, drei Männer aus der Stiftung Liebenau wurde das Vorhaben durch zeitgemä- mit ihren Vorgesetzten persönliche haben sich im Rahmen eines Lehrgangs ße Formen der Projektarbeit, denn die Lernziele vereinbart. der Universität Basel mit dem Unterneh- Kursteilnehmer kamen aus aller Her- Für die Stiftung Liebenau, die sich ent- men Bookbridge darauf eingelassen: ren Länder – beispielsweise Südafrika, schieden hatte, die vier Teilnehmer zu Sie haben gemeinsam mit insgesamt Costa Rica oder der Schweiz. Häufig entsenden, ist klar, dass hier nun Mitar- 14 Kursteilnehmern in nur wenigen wurden Videokonferenzen eingesetzt beiter mit neuen Kompetenzen in Pro- Wochen ein Learning-Center auf Sri und mit einer online-basierten Projekt- jektarbeit zurückgekommen sind. Für Lanka auf die Beine gestellt. management-Plattform gearbeitet. Vorstand Dr. Markus Nachbaur sind Obwohl alle aus der Stiftung Liebenau Bestandteil des modular aufgebau- diese ein wichtiger Baustein: „Übergrei- kommen, kannten sie sich kaum: Johan- ten Kurses waren unter anderem auch fendes Denken und Handeln zur Lösung na Langkrär, stellvertretende Leiterin Methodiken wie das Design Thinking. sozialer Probleme werden in der Wohl- der Akademie Schloss Liebenau, Markus Ein Ansatz, mit dem Probleme gelöst fahrtslandschaft immer wichtiger. Dazu Wursthorn von der Geschäftsleitung der und neue Ideen entwickelt werden brauchen wir Menschen, die auch Liebenau Teilhabe, Roland Hund, Ein- können. Und so einfach es auch klingen konkrete Bottom-up-Prozesse erfahren richtungsleiter in der Liebenau Leben mag: „Brainstorming in der Anfangspha- haben und unsere Strukturen über- im Alter und zuständig für Expansion se wirklich zuzulassen, Ideen nicht von prüfen und hinterfragen. Auch neue und Innovation sowie Ulrich Dobler, vornherein zu bewerten, war eine wich- Methoden der Zusammenarbeit gehö- Stabsstellenleiter Politik und Internatio- tige Erfahrung“, so Roland Hund. ren dazu“. Darüber hinaus können nales in der Stiftung Liebenau. Doch das Persönlich profitiert haben alle, darin bestimmte Elemente des Lehrgangs zur hat sich durch die Arbeit am gemeinsa- sind sich die Teilnehmer einig. Fachlich Weiterentwicklung bereits bestehender men Projekt schnell geändert. „Jeder hat wie menschlich „Der wertschätzende Fort- und Weiterbildungsformate der sich mit dem eingebracht, was er hatte. Umgang und die gemeinsame Vision Stiftung Liebenau genutzt werden. Das hat die Stärke der Gruppe ausge- aller Kursteilnehmer mit den Projekt- macht“, erläutert Roland Hund. partnern auf Sri Lanka waren eine tolle Eine der wesentlichsten Erfahrungen Erfahrung“, meint Ulrich Dobler. Da http://bookbridge.org/en/category/ war das von Strukturen losgelöste Arbei- sri-lanka/ ten. „Normalerweise sind wir geprägt vom jeweiligen Arbeitsumfeld. Hier hatten wir Freiraum, konnten hierar- chieunabhängig arbeiten“, blickt Mar- kus Wursthorn zurück. „Dadurch ent- standen kurze Wege, Entscheidungen konnten viel schneller getroffen wer- den“, ergänzt Johanna Langkrär.

Dass die Teilnehmer ihre im Projekt erprob- ten Lösungskompetenzen auch in der Stiftung Liebenau anwenden können, dessen ist sich Vorstand Dr. Markus Nachbaur (links) sicher. Die Teilnehmer (v.l.) Ulrich Dobler, Johanna Langkrär, Roland Hund und Markus Wurst- horn.

anstifter 3 | 2017 13 Stiftung Liebenau

¡ Stiftung Liebenau Ulrike Metzger, Andjelka Oschmann, Bretmann, Eleonore Buhmann, Seval Matthias Rueckgauer, Brigitte Sau- Dermanli, Roland Frick, Cordula Gei- 20 Jahre: Helga Raible, Annette Staiber, ter-Notheis, Anatoli Schepeta, Bern- ger, Angelika Hanné, Lidia Horst, Iris Pfarrer Dieter Worrings hard Schrapp, Gerlinde Schuster, Syl- Kern, Tatjana Kiemele, Sabine Klein- via Unseld, Gerlinde Walka, Christine hans, Oksana Klink, Nadeshda Kroo, 25 Jahre: Andreas Hiemer Weber, Irmgard Windbühler, Markus Eric Lassal, Dorothee Mascherini, Lud- Wursthorn mila Meingardt, Lydia Papst, Herta Pfef- 30 Jahre: Tilmann Wetzel fer, Angela Pfefferkorn, Agnes Scheele, 30 Jahre: Barbara Ackermann, Syl- Irmgard Schmidt, Gabi Schnitzer, Paul vie Besnard, Armin Büchele-Gerster, Schönle, Anja Schwaiger, Friederike ¡ Liebenau Teilhabe Melanie Fisel, Bernd Klee, Petra Men- Stephan-Bosch, Beate Stöckler, Josefine ner-Knörle, Walter Reichenberger, Thomsen, Susanne Weiß, Lilija Witner, 20 Jahre: Monika Amann, Marianne Bir- Andrea Sauter-Martin, Elke Schätzle, Christina Wuhrer kenmaier, Bernd Breiter, Natalina Costa, Heinz Silbereis, Roland Steinbeck, Maria Depfenhart, Wolfgang Ehmann, Sybille Zenker 25 Jahre: Martin Beha, Elvira Boden- Doris Endreß, Susanne Englert, Andrea müller, Luitgard Caspari, Martina Geor- Feibel, Klaus Felder, Arnold Fuchs, Irm- 35 Jahre: Lucia Adam, Gisela Burkhardt, gi, Karin Glatz, Annemarie Kehrle-Ruez, gard Gebhart, Susanne Glöckler, Ste- Margarete Crönert, Sylvia Daiber, Barba- Meta Klösges, Claudia Krug, Christine fan Haider, Bianca Heinle, Jutta Kling, ra Deiringer, Theresia Horcher-Tradow- Lang-Munding, Zdenko Milos, Monika Ingeborg Markert, Christian Müller, sky, Ingeborg Noll, Bruno Ott, Marga- Paulus, Ursula Przybylka, Zeljka Pudja, Manuela Öhler, Mirjam Reger-Heise, rete Pfister, Ulrich Schleicher, Joachim Bernd Rothacker, Christian Sturm, Ute Markus Schaal, Klaus-Peter Schulz, Ste- Schurrer, Ferdinand Schwarzer, Her- Timmermann-Dennenmoser, Herbert fan Schwendinger, Rosa Sperle, Rozalia mann Sprenger, Peter Thurn, Thomas Wiggenhauser Steib, Monika Straub, Dieter Witzemann Vetter, Helmut Zeiler 30 Jahre: Paul Dorn, Bettina Heiss, Cäci- 25 Jahre: Christine Barth, Emilia Bohl, 40 Jahre: Anna Beck, Ursula Frenzel, lia Holzschuh, Reinhilde Pichler, Corne- Joachim Bucher, Thomas Bürkle, Hei- Angelika Lukes, Ingrid Renz, Rita Roth- lia Stützle, Thomas Tischmacher, Moni- derose Bürkle, Sylvia Christberger, mund ka Ulmer Irmgard Demmler, Irene Figilister, Olaf Fischer, Christina Gaupp, Carla Git- 35 Jahre: Ingrid Detzel, Muzafetka schier, Richard Gorski, Susanne Hartleb, ¡ Liebenau Lebenswert Alter Tairoska Martina Hengge, Petra Hillebrand, Ruth Hofmann, Necmiye Kalyoncu, Uwe Keß- 20 Jahre: Bircan Armagan, Naile Bas, 40 Jahre: Helmut Prinz ler, Hildegard Kohler, Danuta Marczak, Anneke Bednarz, Aloisia Bok, Irina

14 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Die Stiftung LiebenauWir und ihre Tochtergesellschaften gratulieren! ehrten langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Werk- statt-Beschäftigte: „An diesem Tag geht es um Wertschätzung“, dankte Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand Stiftung Liebenau stellvertretend auch für die Tochtergesellschaften. „Ob Vorstand oder Sachbearbeiter – ihre Persönlichkeit ist es, mit der Sie für das respektvolle, partnerschaftliche Miteinander in der Stiftung Liebenau einstehen. Dafür sagen wir Ihnen unseren Dank.“ 10- und 15-jähriges Jubiläum feierten 173 der insgesamt 448 Jubilare.

¡ Liebenau Berufsbildungswerk Jonat, Hans Kittler, Angelika Krämer, ¡ Liebenauer Arbeitswelten Dr. Johannes Luger, Daniel Mutzhaus, 20 Jahre: Michaela Birk, Anton Gälle, Markus Oberhofer, Margot Pietsch, 20 Jahre: Andreas Gleichauf, Hermann Rene Garde, Ursula Haag, Oliver Hörger, Helge Rozanowske, Iris Seelhorst, Ulri- Speidel Bernd Zupfer ke Straub, Marion Willbold 25 Jahre: Monika Bährle, Klaus Eichin- 25 Jahre: Ursula Balldauf, Martina Diet- 30 Jahre: Armin Binder, Dr. Dorothea ger, Andreas Eiler, Reinhard Glinka, sche, Roswitha Egger, Ursula Weiss- Ehrmann, Gabriele Horcher-Koch, Chris- Karlheinz Tschürtz, Markus Wessner gerber tiane Müller, Ursula Schönegg, Michael Wilson 30 Jahre: Simone Brose, Ingrid Geng, 30 Jahre: Lothar Achenbach, Hilde Karl-Heinz Haug, Edelbert Hauser, Diet- Kienle 35 Jahre: Ute Baganz helm Hermann, Amara Keck, Wolfgang Le Guin, Carmen Meder, Aloysia Müller, 35 Jahre: Andrea Beck, Thomas Hös- 40 Jahre: Susanne Brandmeier Ilona Ross, Stephan Florian Wölfle chele, Erwin Koch, Rainer Goetz, Lutz Nischelwitzer, Hubert Rieser, Erika 35 Jahre: Beate Martina Amma, Erika Truckenmüller, Klaus Wohlhüter ¡ Liebenau Service GmbH Maria Autenrieth, Edith Johanna Binder, Gisela Brose, Gabriele Engesser, Herbert 20 Jahre: Brigitte Arff, Andrea Bayer, Lorenz, Michael Bernd Petroschka, Gre- ¡ Liebenau Kliniken Müzeyyen Göktas, Gabriele Kirfel, gor Plewa, Irmgard Schäffeler, Veronika Luise Pauline Meier, Franz Völk Schmidt, Sylvia Beate Ziege 20 Jahre: Matthias Altenhof, Maria Amann, Iraida Becker, Yvonne Damba- 25 Jahre: Martha Giray 40 Jahre: Agnes Pauline Bosch, Barba- cher, Renate Diem, Judy Dietenberger, ra Annelise Damoune, Hubert Huber, Veronika Griesser, Khushal Gruber, 30 Jahre: Tanja Stöckler Cornelia Kaupp, Hans-Jürgen Wolfgang Sybille Hummel, Michael Och, Elisabeth Kostka, Edith Rittler, Rita Witzelmaier Port, Natale Radmila, Petra Schwarz, 35 Jahre: Consolacion Büchelmaier Cornelia Schwarzbach, Jörg Selbmann, 45 Jahre: Eva-Maria Bartl, Helmut Petra Sturm, Elke Waggershauser, Arno Stadler Widler ¡ Liebenau Beratung und Unterneh- mensdienste 25 Jahre: Rita Boy, Helga Brummert, Sonja Czerwinski-Ritzer, Sonja Fedhila, 20 Jahre: Marcus Halder Peter Fröhlich, Ellen Hirschle, Angela

anstifter 3 | 2017 15 Stiftung Liebenau

Dr. Bernhard Preusche von der Stabsstelle Ethik der Stif- tung Liebenau.

Ethik praktisch!

Dr. Bernhard Preusche ist in der Stiftung Liebenau der erste Ansprechpartner für ethische Fragestellungen. Vor zwei Jahren hat der Theologe die Stabsstelle Ethik übernommen. Für den Anstifter erläutert er, wie Ethik und praktische soziale Arbeit zusammenspielen.

Herr Dr. Preusche, wie kommt die Ethik heißt, eine Zwickmühle zwischen zwei lung? Wo sind Belastungsgrenzen? Bei in die praktische Arbeit? Immer dann, Werten, die verwirklicht, oder zwei der Konkretisierung ergeben sich Hand- wenn ich zu einer Ethischen Fallbespre- Übeln, die vermieden werden sollen. lungsvorschläge. Sie werden nach Vor- chung eingeladen werde. Das geschieht Typisch für die Teilhabe ist das Dilem- zugsregeln abgewogen. Unrealistische meist aus einem „Bauchgrummeln“, ma „Autonomie versus Fürsorge“, wenn und nicht erfolgsversprechende Alter- wenn das Team ein ungutes Gefühl in zum Beispiel ein Bewohner seine Ruhe nativen fallen weg. Idealerweise bleibt einer Betreuungssituation hat. Zum Bei- will, aus therapeutischen Gründen aber die Alternative mit den gewichtigsten spiel, wenn bei einem Bewohner wegen nicht alleine bleiben soll. Gründen und den geringsten negativen Aggressionen regelmäßig Freiheitsent- Effekten übrig. ziehende Maßnahmen (FEM) zum Ein- Was ist das Besondere einer Ethischen satz kommen. Es stellen sich im Team Fallbesprechung? Um das Dilemma zu Eine sehr systematische Vorgehens- dann Fragen wie: Überfordern wir den verdeutlichen, dienen vier Prinzipien weise also. Können nur Sie diese Bewohner? Will er vielleicht einfach nur als Grundlage der Ethischen Fallbespre- anwenden? Nein! Die pädagogischen in Ruhe gelassen werden? Sind die FEM chung. Das erste Prinzip „Respekt vor Fachdienste in der Liebenau Teilhabe wirklich notwendig? Schaffen wir eine der Autonomie“ fragt, was die betref- wurden zu Fallmoderatorinnen und gute Betreuung mit unseren wenigen fende Person will und warum sie es will -moderatoren ausgebildet und kön- Ressourcen und vielen Krankheitsfäl- – aber auch, inwieweit jemand seinen nen Ethische Fallbesprechungen auf len? Kurz, wenn das Team nicht sicher Willen (noch) klar äußern kann. Das den Wohngruppen durchführen. Auch ist, ob es richtig ist, so wie es gerade zweite „Prinzip des Nichtschadens“ fragt die Seelsorgebeauftragte Maria Schus- läuft. nach Handlungen und Bedingungen, die ter (Liebenau Lebenswert Alter) ist als zu vermeiden sind, zum Beispiel, weil Moderatorin ansprechbar. Wie können Sie dann helfen? Ich versu- sie den Betroffenen Schmerzen berei- che, die Teilnehmenden in strukturier- ten. Eng damit zusammen hängt das ter Weise zu einer Problemlösung zu dritte „Prinzip des Wohltuens“, das nach führen. Zunächst haben alle (Betreuer, Handlungen und Bedingungen sucht, Es lohnt sich, einen Fallmoderator hinzu- Pflegende, Leitungspersonen, Ärzte, die die Person körperlich und geis- zuziehen, wenn eine pädagogisch-thera- Therapeuten) die Möglichkeit, den Fall tig-emotional fördern. Schließlich fragt peutische Lösung nicht zu sehen ist. Die aus ihrer Sicht zu schildern, um das das „Gerechtigkeitsprinzip“ nach einer bisherigen Rückmeldungen bestätigen: Problem genauer einzugrenzen. Manch- angemessenen Ressourcenverteilung. Externer Input und die Bündelung vieler mal fehlen notwendige Informationen, Welcher Personalaufwand und welche Kompetenzen in einer Ethischen Fallbe- manchmal fachliche Sicherheit. Häufig Mittel sind gerechtfertigt? Kommt es zu sprechung geben Handlungssicherheit, gibt es aber ein ethisches Dilemma, das einer unbegründeten Ungleichbehand- entlasten und stärken das Team.

16 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Beschäftigte der Liebenauer Arbeitswelten nahmen rege an Infoveranstaltungen rund um die Bundestagswahl teil. Grundkurs in Demokratie

Politische Teilhabe zu ermöglichen ist vor allem eine Frage der Kommunikation. In den Einrichtungen der Stiftung Liebenau konnten sich Menschen mit Teilhabebedarfen in Leichter Sprache auf die Bundestagswahl vorbereiten.

„Was machen unsere Politiker eigentlich in Berlin?“, fragt sogar die Wahlkreisabgeordneten kamen zur inklusiven Dis- Bernhard Eckstein. Der Heimleiter der Liebenau Teilhabe steht kussion nach Liebenau. vor dem vollbesetzten Pausenraum in der Gallus-Werkstatt in Wichtigste Regel ist dabei stets, dass Informationen ver- Liebenau. „Die reden viel“, ruft jemand aus der Menge und ständlich und zielgruppengerecht aufbereitet sein müssen. Die erntet Zustimmung aus den hinteren Stuhlreihen. Der Wunsch, Bundeszentrale für politische Bildung stellt bereits viele Bro- sich in die Diskussion einzubringen, ist unüberhörbar. Manche schüren in Leichter Sprache zur Verfügung, auch einige Partei- melden sich geduldig per Handzeichen, andere verlassen sich en haben ihre Wahlprogramme in Leichte Sprache übersetzen auf Lautstärke, fallen dem Redner ins Wort und werden zur lassen. Selbstverständlich sei das aber längst nicht, wie Verena Ordnung gerufen. Szenen, wie sie sich auch im Plenarsaal des Bentele noch im Vorfeld der letzten Bundestagswahl betonte. Bundestages abspielen könnten, der gerade hinter Eckstein Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Men- auf eine Leinwand projiziert wird. Vor ihm sitzen jedoch keine schen mit Behinderungen setzte sich bei den Parteien vehe- Abgeordneten, sondern Menschen mit Unterstützungsbedarf, ment dafür ein, Informationsmaterial in Leichter Sprache und die sich hier im Vorfeld der Bundestagswahl informieren. Ein Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen. „Nur so kann eine Grundkurs in Demokratie. Teilhabe am politischen Leben im Sinne der UN-Behinderten- „Natürlich können wir in diesem Rahmen keine Parteipro- rechtskonvention gewährleistet werden“, sagte Bentele. (dk) gramme diskutieren“, sagt Reiner Manghard, der die Infor- mationsveranstaltung in den Liebenauer Arbeitswelten orga- nisiert hat. „Aber wir möchten unsere Betreuten so gut wie möglich darin bestärken, ihr Wahlrecht wahrzunehmen.“ Gut 90 Prozent der volljährigen Menschen mit Teilhabe- Dies geschieht in den Stiftungseinrichtungen ganz unabhän- bedarfen, die in der Stiftung Liebenau betreut werden, gig davon, welche Wahlen gerade anstehen. Die Vorfreude durften wählen. Menschen, die aufgrund von geistigen vieler Betreuter ist groß, trotzdem bleibt oft die Angst, in der Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eine Aufregung einen Formfehler zu begehen. Bernhard Eckstein Betreuung in allen Angelegenheiten benötigen, sind gemäß hat dafür eine einfache Lösung: „Nehmen sie eine Person ihres Bundeswahlgesetz von Bundestags- und Europawahlen Vertrauens mit in die Wahlkabine, wenn Sie Hilfe benötigen ausgeschlossen. Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Hol- oder unsicher sind“, ermutigt er die Zuhörer. Veranstaltungen stein haben bereits das „Wahlrecht für alle“ auf Landese- wie diese fanden in den Liebenauer Einrichtungen vielerorts bene verabschiedet. In 14 Staaten der Europäischen Union statt. Mal im größeren, mal im privateren Rahmen. Heimbeirä- sieht das Wahlrecht ebenfalls keinen Ausschluss von Men- te besuchten die Wohngruppen mit Informationsmaterialien, schen mit Behinderung vor.

anstifter 3 | 2017 17 Stiftung Liebenau

70 Pausen wünsch ich dir

von Prälat Michael H. F. Brock

Pausen werden im Allgemeinen unter- dir! Kurz Türe schließen und schweigen, „Schlaf-Pause“, sie mögen dir gut tun. schätzt. Endlose Sitzungen reihen sich anstatt dem Ärger sofort freien Lauf zu Und übers Jahr mindestens drei Wochen Tag für Tag aneinander. Ein Arbeitsab- lassen. Einmal tief durchatmen, bevor richtigen Urlaub. Füße und Seele bau- lauf jagt den anderen. Aufgaben häu- eine unbedachte Äußerung den Ärger meln lassen. Freizeit genießen mit fen sich und wir fühlen uns gejagt und noch verstärkt. Milde Worte suchen statt Freunden oder Familie oder allein. So, gehetzt. Irgendwann bricht alles zusam- großer Gebärden. Ärger wird in einer wie es gut tut. Neue Eindrücke sam- men. Am Ende wir selbst. Also schenke Pause meist unbedeutender, zumin- meln, neue Kraft tanken, einfach ein- ich dir Pausen: Zwischen den Arbeits- dest leichter zu handhaben. Lieber eine mal abschalten vom Alltag. Denn der schritten und Abläufen, der Vielzahl der Pause mehr! kommt wieder! Und dann ist es wieder Aufgaben sagen wir einmal zwölf Pau- Und gerne schenke ich dir Pausen, um so weit. Ich schenke dir zehn Pausen am sen am Tag à drei Minuten. Aufatmen, Glück und Freude zu genießen. Sagen Tag einfach zum Nachdenken. Damit die frische Luft genießen, die Stille oder ein wir zehn an der Zahl für jeden Tag. Wie- Worte nicht zum Plappern verkommen. kurzes Gespräch. viel Glück und Freude wird übersehen, Nachdenken: Was möchte ich eigentlich Auch innerhalb von Gesprächen nur weil wir keine Zeit haben, es wahr- sagen? Wie kommen meine Worte an? braucht es hin und wieder Pausen. zunehmen. Welch ein Jammer! Dabei Wollen sie einen anderen Menschen Nachdenken, bevor ich spreche! Nicht ist das Glück für unsere Seele so wichtig aufbauen? zuletzt, wenn es um Bewertungen geht, wie der Trost in unserem Herzen. Also Ich liebe leise aufbauende Worte. Ich um Meinungen, Kritik, Reaktionen. Ich schenke ich dir noch zehn „Trost-Pau- schenke dir die Pausen dazu, sie zu fin- schenke dir sieben Pausen für gelingen- sen“ zu den „Glücks-Pausen“ für jeden den. Und also schenke ich dir noch zehn de Kommunikation. Erst nachdenken, Tag. Trost zu spenden oder zu empfan- Pausen für liebende Worte: Worte der dann sprechen. Innehalten vor Wertun- gen, ist dabei vollkommen gleichwertig. Wertschätzung und Dankbarkeit, Worte gen! Manchmal sind Pausen wichtiger Denn empfangener Trost ist des gespen- der Freundschaft und der Geduld. Worte als Worte im Gespräch: Mimik, Gesten, deten Trostes Freund. zum Verschenken, und Worte zum Emp- Schweigen. Und dann für die Woche. Ich möch- fangen. Pausen machen uns eine Spur Geduldige Worte statt hastiger Bemer- te dir gern für jeden neuen Tag genü- menschlicher. 70 Pausen wünsch ich kungen. Vor allem, wenn mich etwas gend Raum für Schlaf und Erholung dir! oder jemand ärgert. Sagen wir zehn wünschen. Und das an sieben Tagen „Ärger-Pausen“ am Tag. Ich schenk' sie in der Woche. Also siebenmal eine

18 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau

Kein Gebet für ein Volk, sondern für

Michael H. F. Brock bei der Lesung seines die Menschheit Buches „Das Vermächtnis”.

„Das Vermächtnis“ ist das neue Buch „Warum hat es damals überhaupt ein sucht ihre Beziehung zu Gott - und muss von Michael H. F. Brock betitelt. neues Gebet gebraucht?“ Auf diese Frage dafür auch Jesus verlassen, um ihre spitzte es sich für Michael H. F. Brock zu, Bestimmung zu finden. Annäherungen an Lukas 11 verspricht als er vor rund anderthalb Jahren sei- Zuvor aber lässt Brock in seiner Erzäh- der Prälat und Vorstand der Stiftung nen literarischen Fokus auf das heute lung beide das Vaterunser als Bekennt- Liebenau im Untertitel – was den selbstverständliche Gebet im Christen- nis Gottes zur Beziehung und damit zum Fokus auf das Vaterunser richtet. Der tum legte. Entstanden ist das Vaterunser einzelnen Menschen verdeutlichen. „Es Autor beschließt damit den Zyklus „im Kontext einer Kultur des Betens“, ist mir nochmals ganz neu aufgegangen, wie Brock weiß. Einer jüdischen Kultur wie elementar dieses Gebet Beziehung der „Begegnungen mit Jesus“. Roland des Betens, die stets das ganze Volk in schaffen will“, sagt der Verfasser. Eine Weiß, Redakteur der Schwäbischen Beziehung zu Gott setzte. Der fundamen- Beziehung, die „uns befreit zu Kindern Zeitung, hat mit ihm über sein neues tale Wandel: Jesus richtet den Blick auf Gottes“, wie es Brock empfindet und zu Buch gesprochen. die einzelne Person, unter der Fragestel- übermitteln weiß. „Dir ist bereits verge- lung: „Du einzelner, was brauchst du für ben worden – weil du ein Mensch bist“, dein Heil?“ sagt er – ein Versprechen, das sich für Und da die neue Fragestellung und die ihn im Vaterunser zur Gewissheit ver- Weise, wie Jesus die Antwort lebte, fun- dichtet. damental Neues mit sich brachten, war „Mein Maßstab ist Jesus“, erklärt er es auch nötig, Identifikation über ein denn auch, sei es dem Nazarener doch fundamental anderes Gebet zu erzeu- um die „Caritas“ gegangen – eine Barm- gen. „Jesu Leben, seine Ausstrahlung, herzigkeit, die heute vielfach verloren seine Art von Gott zu reden, musste gegangen sei. Als Gegenentwurf nennt so neu sein, dass es auch eines neuen Brock Papst Franziskus, dessen Nähe Gebetes bedurfte“, zeigt sich der Autor zum ursprünglichen Jesus ihn fasziniert. im Epilog überzeugt. Im Gegensatz dazu hat er heute oft das Mit dem „Vermächtnis“ schließt Brock Gefühl: „Wir sind eine apostolische den Zyklus der „Begegnungen mit Jesus“ Kirche, wir folgen dem, was die Apos- ab. Erneut gibt es darin mit Maria von tel geglaubt haben.“ Stattdessen aber Magdala eine Einzelne, die in fiktiven müsse es darum gehen zum Ursprung Gesprächen mit Jesus das Buchthema zurückzukehren, zu dem, „dem die Apo- aufnimmt – in diesem Fall das Vaterun- stel gefolgt sind“ – zu Jesus. ser hinterfragt. Zugleich ist sie exempla- Immer wieder diskutiert wurde Brocks „Das Vermächtnis. risch zu sehen – als Stellvertreterin für Ansatz der fiktiven Erzählung, von dem Begegnungen mit Jesus“. all die Menschen, die auf dem Weg sind, er sagt: „Einzig die Liebe in diesem Buch Verlagsgruppe Patmos. sich selbst zu suchen und zu finden. Was ist keine Fiktion. Alles andere ist narra- ISBN 978-3-8436-0982-1, weit mehr ist, als nur „Spiegel“ für den tiv beschreibend Frohe Botschaft.“ 136 Seiten, Hardcover, 15 Euro. Gottessohn zu sein. Maria von Magdala

anstifter 3 | 2017 19

Stiftung Liebenau Pflege

Die Bewohnerinnen und Bewohner machen sich für das Candlelight-Dinner immer besonders schick.

Hochgenuss bei Kerzenschein

Candlelight-Dinner im Haus St. Josef in Meckenbeuren-Brochenzell

Sofie Bagschik hat sich ihre Kleidung zurechtge- Senf, die Hausleiterin, und ergänzt, dass das gesel- legt. Dem Anlass entsprechend ist sie elegant. „Ich lige Essen besonders positiv auf den Appetit wirkt. weiß schon vorher genau, was ich anziehe“, sagt sie Seit Sofie Bagschik im Haus wohnt, nimmt auch selbstbewusst, als sie sich für das Candlelight-Din- sie möglichst immer teil. Dass sie unlängst zweimal ner schick macht. Heute wird es das hellgrüne aus persönlichen Gründen nicht dabei sein konnte, Oberteil zur eleganten Hose sein. Eine Pflegekraft findet sie immer noch bedauerlich. Das wird sie in geht der 92-jährigen zierlichen Frau im Rollstuhl ihrer kurzen Ansprache in ihrer Funktion als Heim- beim Anziehen zur Hand. Nach dem Frisieren legt beirätin auch so ausdrücken, aber auch ihre Freude sich die Seniorin eine Perlenkette um, tauscht darüber, dass die Veranstaltung regelmäßig einmal sie dann aber doch noch gegen eine kürzere. Auf im Monat stattfindet. Den Dank an das Team der die Schmuckstücke von ihrer Enkelin ist sie ganz Küche sowie an die zwei Betreuungsassistenten besonders stolz. vergisst sie ebenfalls nicht. Herausgeputzt rollt Sofie Bagschik Richtung Während Sofie Bagschik ihre heiße Suppe vor- Gemeinschaftsraum. Dort brechen sich die Sonnen- sichtig und genüsslich löffelt, unterhält sie sich strahlen im großen Fenster, im Hintergrund spielt angeregt mit ihrer Tischnachbarin. „Hier wird so leise Instrumentalmusik. Mitarbeiter zünden die viel angeboten“, schwärmt sie. Das Lob gilt vor roten Kerzen in den silbernen Armleuchtern an. Die allem auch der Heimleiterin, die am Tisch vor- meisten Bewohner sind schon platziert an den stil- beischaut. Sofie Bagschik zählt Aktivitäten auf: voll gedeckten Tischen. „Zu Beginn gibt es immer Dazu gehören unter anderem Modenschauen im ein ‚Sektle‘“, weiß Sofie Bagschik zum Ablauf. Dann Haus, Gesang und Musik mit Alphörnern oder verrät eine Mitarbeiterin allen das heutige Menü, Akkordeon, der Dämmerschoppen, jahreszeitliche bestehend aus Tomatensuppe Toskana, einem Veranstaltungen wie Fasnet oder sommerliches sommerlichen Käsesalat mit Baguette und Erdbeer- Grillen. Gymnastik, Singen oder Kuchenbacken bie- eis als Dessert. ten die zwei Betreuungsassistentinnen an. Die Idee für das Candlelight-Dinner entstand im Nach dem Hauptgang sind viele Gäste fast schon Rahmen eines Projektes zur „Förderung der Esskul- satt. Aber fürs Dessert ist noch Platz. Obwohl Sofie tur“ im Jahr 2010. Hintergrund war der Gedanke, Bagschik ansonsten keinen Alkohol trinkt, lässt alten Menschen, die ihren Appetit oft nicht mehr sie sich den Eierlikör nicht entgehen. Mit einem gut wahrnehmen, Essen wieder schmackhaft zu Schmunzeln träufelt sie ihn über ihr Erdbeereis. machen. Erfolgreich gelingt dies mit dem besonde- Die erfrischende Mischung genießt sie sichtbar. ren Event, der inzwischen zum festen Bestandteil Und freut sich dabei schon auf das nächste Candle- im Haus gehört. „Die Bewohner essen beim Cand- light-Dinner. lelight-Dinner besser als sonst“, bestätigt Claudia

anstifter 3 | 2017 21 Stiftung Liebenau Lebensräume

Im Quartier Gal- genhalde gibt es Quartier mit Auszeichnung für jedes Alter Angebote: auch für die Jüngsten. Ravensburger Galgenhalde hat innovatives Potenzial

Das Quartiersprojekt Galgenhalde lebt von vielen Akteuren. Seit zehn Jahren engagieren sich Bewohner und professionelle Dienstleister in der Galgenhalde im Westen der Stadt Ravensburg für eine lebendige Nachbarschaft. Dafür gab es nun den neu ausgelobten Deutschen Pflegeinnovationspreis.

„Wir sind vor zehn Jahren mit dem Projekt gestartet, um Pfle- verein Ravensburg (BSV), Stiftung Liebenau und Stadt Ravens- gebedürftigkeit zu verhindern“, sagte Gerhard Schiele, ehema- burg verantwortlich. Sie stellen geeigneten Wohnraum und liger Geschäftsführer bei der Stiftung Liebenau. Das Ziel gilt bis die soziale Versorgung sicher. Der Bau- und Sparverein sorgt heute. Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe und bürgerschaftliches in der Galgenhalde bei der Sanierung des derzeitigen Woh- Engagement sind die Grundlagen. Wenn das nicht ausreicht, nungsbestands mit 300 Einheiten für Barrierearmut. In den kommen zum Hilfe-Mix professionelle Betreuungs- und Pfle- kommenden zehn Jahren sollen 100 neue, teils altengerechte geangebote. Die gute Vernetzung trägt, die Kooperationen Wohnungen hinzukommen. Das Quartier bietet so Wohnraum haben sich ausgezahlt: Heute sind Ehrenamtliche, ambulante für alle Lebenslagen – von der Studentenwohnung über große Dienste, stationäre Einrichtungen, Kirchengemeinden und vor Vierzimmerwohnungen für Familien bis hin zu altengerechten allem auch die Stadt Ravensburg und der Bau- und Sparverein Erdgeschosswohnungen. In einer Senioren-WG erhalten fünf Ravensburg am Erfolg des Quartiers mit rund 1500 Bewohnern Bewohner die ihrem Bedarf angepasste fachliche Unterstüt- beteiligt. zung. Auch im Haus der Pflege St. Meinrad stehen Wohnmög- Der mit 10.000 Euro dotierte Deutsche Pflegeinnovations- lichkeiten zur Verfügung. preis würdigt solche innovativen und zukunftsweisenden Projekte zur Pflege und wurde dieses Jahr zum ersten Mal Moderation des Zusammenlebens vergeben. Stefan Weller, Hauptabteilungsleiter der Union Damit ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden bleiben Krankenversicherung, und mehrere Vertreter der Sparkassen- können, braucht es im Quartier neben den baulichen Voraus- finanzgruppe verschafften sich als Initiatoren des Preises bei setzungen ein soziales Fundament mit einem zentralen Begeg- der Scheckübergabe ein Bild vor Ort. nungsort wie dem „Rahlentreff“. Quartiersmanager Harald Ein funktionierendes Quartier braucht viele Akteure. Für Enderle stößt Aktionen an, ermutigt die Bewohner zur Eigenin- die Rahmenbedingungen sind die drei Partner Bau- und Spar- itiative und ist laufend damit beschäftigt, neue Anforderungen

22 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Lebensräume

Sieben Einrichtungen haben in diesem Jahr gemeinsam das Som- merfest im Quartier ausgerichtet.

zu erkennen. Denn ein Quartier „lebt“, es verändert ehrenamtlich einbringen und betätigen, um das sich ständig. Ein Beispiel: Während vor zehn Jahren Miteinander weiterzuentwickeln und auf starke das Durchschnittsalter im Quartier Galgenhalde Beine zu stellen. bei 58 Jahren lag, sinkt es durch den Zuzug junger Eine wichtige Rolle übernehmen die 13 Hauspa- Familien derzeit deutlich. Diese wiederum wün- ten. Sie werden von den Bewohnern gewählt und schen sich andere Angebote – Kinderbetreuung, fungieren als Multiplikatoren und „Kümmerer“. zum Beispiel. Ihre Meinung ist auch gefragt, wenn der Bau- und Auch die professionelle Unterstützung von Men- Sparverein Wohnungen neu vermietet und wissen schen mit alters- und behinderungsbedingten Ein- möchte, wer gut zu den anderen Mietern passt. schränkungen wurde im Laufe der Jahre von der In einem Wohnblock etwa, in dem überwiegend Stiftung Liebenau im Quartier ausgebaut. Das Haus Senioren leben, würde eine junge Familie die Mie- der Pflege St. Meinrad bietet 74 Plätze für Dauer- terschaft gut ergänzen. So kann von Anfang an ein und Kurzzeitpflege, die Sozialstation St. Anna möglichst ausgewogenes Bewohnergefüge über leistet ambulante Hilfe, der „Betreuungsdienst die Belegung gesteuert werden. Für Harald Enderle Zuhause“ schafft stundenweise Entlastung für Pfle- eine wichtige Basis für ein funktionierendes Quar- gebedürftige und Angehörige. Ab 2018 ziehen auch tier. 24 Menschen mit einer geistigen Behinderung ins Quartier. Angebote für alle Das Leben im Quartier zeigt sich auch an den vie- Das Quartier lebt vom Engagement vieler len unterschiedlichen Angeboten und Aktivitäten Wichtig sind vor allem die Menschen, die die Her- für alle Lebenslagen und -alter, die von Ehren- ausforderung für ein gutes Miteinander und eine amtlichen getragen werden: das monatliche Mitt- Beim Tischtennis gelingende Nachbarschaft nicht nur annehmen, wochs-Café mit thematischen Schwerpunkten für haben ältere Bewoh- sondern auch mitgestalten. Es sind die Bewohne- Senioren, eine Initiativgruppe für jahreszeitliche ner ihren Spaß. rinnen und Bewohner, allen voran die, die sich Feste, die wöchentliche Demenzgruppe „Regen- bogen“. Mit im Boot sind verschiedene Kooperati- onspartner, wie das Deutsche Rote Kreuz - Kreis- verband Ravensburg mit einer Gymnastikgruppe im Rahlentreff und die Katholische Erwachsenen- bildung (keb). Diese Kooperationen sind für alle Beteiligten ein Gewinn: Für die Bewohner entsteht ein vielfältiges Programm, die damit verbundene Arbeit ist auf viele Schultern verteilt, und die ein- zelnen Partner profilieren sich im Quartier. Möglichst alle Generationen sollen einbezogen werden: Für die Kinderbetreuung ist der Verein Seerose verantwortlich. Die Tischtennisgruppe zieht die Älteren an, der Tischkicker die Jugend- lichen. Und während in den vergangenen Jahren jede Institution in der Galgenhalde ihr eigenes Sommerfest feierte, gab es heuer eines, an dem sie- ben Einrichtungen beteiligt waren. Für Harald End- erle der Beweis, dass etwas gelingen kann, wenn alle am selben Strang ziehen. (hp/ao)

anstifter 3 | 2017 23 Stiftung Liebenau Teilhabe

AIP: Eine mutige Idee hat sich ausgezahlt

Inklusion durch spannende Arbeitsfelder im Arbeitsintegrationsprojekt (AIP)

Seit zehn Jahren ist das AIP, Teil der „Das AIP hat sich inzwischen als Mar- „Geburtshelfer“ des Projekts erklärte, Liebenauer Arbeitswelten der Stif- kenname etabliert“, sagte die Leiterin wie es zur Gründung des AIP kam. Hin- Isabella Burgey-Meinel bei dem Fest. tergrund sei die zu kleine Werkstatt für tung Liebenau, im Interkommunalen Heute arbeiten hier rund 80 Menschen die vielen Arbeitsgruppen in Rosenharz Gewerbegebiet Geiselharz-Schauwies mit Behinderung gemeinsam mit Mit- (Bodnegg) gewesen. Außerdem habe die angesiedelt. Damals war es durch sei- arbeitern aus den Bereichen Handel, Firma Ciret, die Malerwerkzeuge her- nen Ansatz als industriell ausgerichteter Industrie, Ausbildung und Werkstatt stellte und vertrieb und auf dem jetzi- Logistikdienstleister mit Integrations- unter einem Dach zusammen. Auch gen AIP-Gelände angesiedelt war, nach viele Kooperationen mit regionalen günstigeren Produktionsbedingungen möglichkeiten ein Novum. Seitdem hat Unternehmen sowie eine offene Kanti- gesucht – auch eine Abwanderung ins sich einiges verändert. Das war Grund ne schaffen Begegnung und Integration. Ausland stand im Raum. Und so suchte genug, das erfolgreiche Projekt samt Stefan Fricker, Bereichsleiter Bil- Fricker das Gespräch mit Amtzells frü- seiner Mitarbeiter zu feiern. Melanie dung, Arbeit und Förderung Liebenau heren Bürgermeister Paul Locherer. Die Kräuter war für die Schwäbische Zei- Teilhabe, und sozusagen einer der Idee war geboren, und die Umsetzung tung beim Geburtstagsfest.

Sascha Lerner (links) gibt bei einem Rund- gang dem stellvertretenden Bürgermeister Hans Roman und Markus Wursthorn, Mit- glied der Geschäftsleitung, einen Einblick in die Produktion beim AIP.

24 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Teilhabe

Einwandfreie Qualität für unterschiedliche Auftrag- geber kommt aus dem AIP im Gewerbegebiet Wangen-Schauwies.

des „Projekts der Gemeinde Amtzell auf ist. Außerdem werden für Lufthansa rimentierkästen verpacken. „Teilweise Wangener Gemarkung“ musste schnell Mini-Chipstüten in Kartons gepackt. kommen die Einzelteile mit Containern gehen, um auf die Bedürfnisse des Stolz ist das AIP auf das fast volle Regal- aus China“, erzählt Sascha Lerner. Erst Industriepartners Ciret einzugehen. Die lager. Die Firma Aroma Snacks hat die wenn alle Einzelteile da sind, kann Planung begann im Juli 2005, Inbetrieb- Hälfte des Platzes im Regal gemietet. es losgehen. Nach gewisser Zeit wer- nahme war im Februar 2007. „Wir wollen uns aber nicht nur auf den dann die fertig verpackten Boxen Das Betriebsgebäude mit einer einen Auftraggeber verlassen“, sagt Ler- abgeholt und weiter vertrieben. Auch Gesamtnutzfläche von 4500 Quadratme- ner, der ebenfalls von Anfang an beim die Firma Geta aus Niederwangen ist tern ist räumlich in drei Teile unterglie- AIP arbeitet. So bauen die Klienten in an einer Zusammenarbeit mit dem AIP dert: Neben dem Werkstatt- und Produk- einzelnen Schritten zum Beispiel Leuch- interessiert. Ab 2018 sollen Montage- tionsbereich mit 1900 Quadratmetern tätigkeiten ebenfalls von den AIPlern gibt es Verwaltungs-, Sozial- und Schu- ausgeführt werden. Im Hochregalla- lungsräume mit 900 Quadratmetern. Auf „Unsere Reklamationsquote ger werden zudem noch Jugendliche der anderen Gebäudeseite befindet sich liegt bei 0,5 Prozent.“ vom Berufsbildungswerk Adolf Aich in ein modernes Hochregallager auf 1700 Ravensburg zur Fachkraft für Lagerlogis- Quadratmetern. Insgesamt ist hier Platz tik oder Fachlageristen ausgebildet. für rund 2000 Paletten. ten der Firma LTS in zusam- Grund zum Feiern gab es also beim Von Anfang an wurde das AIP für die men. Um die Fertigung zu erleichtern, Fest zum zehnjährigen Jubiläum: Inklu- industrielle Nutzung und die Zusam- wurden und werden spezielle Hilfsvor- sion, viele neue Ideen und eine hoch- menarbeit mit der Firma Ciret konzi- richtungen entwickelt und selbst herge- motivierte Mannschaft, wie AIP-Leiterin piert. Die einzelnen Arbeitsvorgänge stellt, die es den behinderten Menschen Isabella Burgey-Meinel zusammen- im Bereich der Kommissionierung, Ver- leichter machen, ihre Arbeit zu erle- fasste. Oder wie Hans Roman, stellver- packung und Logistik wurden so weit digen. „Wir machen bei den Leuchten tretender Bürgermeister von Amtzell, heruntergebrochen, dass sie auch Men- selbst die Endkontrolle, dann wird ver- es treffend ausdrückte: „Wenn es das schen mit Behinderung ausführen kön- packt und etikettiert“, erklärt Lerner Projekt noch nicht gäbe, müsste man es nen. Doch die Zusammenarbeit währte und fügt stolz hinzu: „Unsere Reklamati- erfinden.“ nur ein paar Jahre, dann wanderte das onsquote liegt bei 0,5 Prozent.“ Der einzige Wunsch, den Sascha Ler- Unternehmen trotzdem ab. Das AIP hat Das AIP müsse einwandfreie Quali- ner zuletzt an den Kommunalpolitiker aber inzwischen mehrere andere Unter- tät abliefern, zuverlässig und flexibel weitergab: „Bessere Busverbindungen nehmen als Auftraggeber. sein. Dafür werden die Mitarbeiter mit von Norden nach Süden“. Also etwa von Einer der größten ist etwa die Amtzel- Behinderung je nach ihren Fertigkeiten Leutkirch über Vogt nach Amtzell oder ler Firma Aroma Snacks mit den „Lisa’s beschäftigt: Es gibt kompliziertere Mon- auch nach Süden Richtung Tettnang. Chips“. Je nach Auftragsgröße und tagetätigkeiten, aber auch einfache Ver- Viele Mitarbeiter aus diesen Regionen Zeitvorgaben bestücken ein bis zwei packungsarbeiten. würden nämlich gerne am AIP arbei- Arbeitsgruppen mit je etwa 15 Leuten ten, müssten aber lange Busfahrten und hier die Auslagen für die Supermärk- Einzelteile kommen aus China Umwege in Kauf nehmen. Hans Roman te, berichtet Sascha Lerner, der für den Auch die Firma Kosmos aus Stuttgart versprach, das Thema mitzunehmen Bereich Arbeitsvorbereitung zuständig lässt in Geiselharz-Schauwies ihre Expe- und anzusprechen. (mk)

anstifter 3 | 2017 25 Stiftung Liebenau Teilhabe

Kontaktaufnahme ohne Berührungsängste in Mühl- hofen-Uhldingen.

Neubürger willkommen

Bewohner und Beschäftige nehmen nachbarschaftliche Kontakte in Uhldingen auf

Kunterbuntes Treiben herrscht auf dem großen Platz: Men- ven Tätigkeiten, falten Windräder aus Papier oder flechten schen stellen sich gegenseitig vor, lachen miteinander, sind Geschenkekörbe aus gerollten Zeitungsseiten. Eine pädagogi- neugierig aufeinander. Die Beschäftigten und Mitarbeiter des sche Fachkraft bäckt einmal die Woche mit ihnen. Mittagessen Bildungs-, Begegnungs- und Förderzentrums (BBF) der Stiftung wird in der Regel angeliefert. Im Rahmen der Tagesstruktur ist Liebenau statten den Feuerwehrleuten der Freiwilligen Feuer- aber auch gelegentliches gemeinsames Kochen in der Küche wehr Uhldingen-Mühlhofen einen Besuch ab. Beide Einrich- im Multifunktionsraum geplant. tungen befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft in der Bodenseegemeinde. Grund sich näher kennenzulernen. Leben in der Gemeinde Zu den Highlights des Treffens gehörte für einige der 30 Die meisten der Beschäftigten leben nicht weit entfernt vom BBF-Beschäftigten eine kurze Fahrt in einem 250-PS-starken BBF in einem neuen Wohnhaus. Es bietet seit Jahresbeginn Fahrzeug. Christian Behrendt etwa war sichtlich stolz und vier Wohnungen und vier Einzimmerappartements für insge- wusste nach dem Aussteigen gar nicht, wohin mit seiner Freu- samt 24 Menschen mit Behinderung. In zwei der Wohnungen de. Schließlich entlud sie sich in diversen freundschaftlichen leben Menschen mit hohem Hilfebedarf. Erste Schritte für die Umarmungen mit den Feuerwehrleuten. Andere bestiegen angestrebte Vernetzung in die Gemeinde sind auch hier schon gespannt den Fangkorb am Ende der Drehleiter. getan: Eine Mitarbeiterin begleitet Menschen sonntags in den „Die Begegnung mit Menschen mit Behinderung ist für uns Gottesdienst. Unterstützt wird sie hierbei von einem Ehren- aufregend – im positiven Sinn“, sagt die aktive Feuerwehr- amtlichen. „Derzeit befindet sich das Wohnhaus noch im Auf- frau Katharina Koslowski zu der neuen Erfahrung. Einige bau. Wir sind aber auf einem guten Weg, viele Anfangsschwie- Feuerwehrleute besuchten bereits zuvor das BBF, das seit rigkeiten sind aus dem Weg geräumt“, schildert Michael Metz- April in Betrieb ist. Bis zu 24 Menschen mit geistiger Behinde- ger, Leiter des Hauses. In einer Gemeinde anzukommen, sich rung erhalten hier von Montag bis Freitag eine Tagesstruktur an die neue Umgebung und an die Menschen zu gewöhnen und Förderangebote, wie Matthias Grupp, der Leiter vor Ort, und sich zu orientieren, brauche Zeit. Langgelebte Gewohn- erklärt. heiten müssten aufgegeben, neue Eindrücke verarbeitet, Das helle, moderne Gebäude hat neben Büros und Betriebs- Beziehungen neu gestaltet werden. räumen drei Gruppenräume, jeweils ausgestattet mit einer Anzukommen braucht neben Zeit auch fachliche Begleitung. Küche und einem Zugang zur großen Terrasse. Hinzu kommt Damit es gut gelingt, sind die Mitarbeiter des Wohnhauses und ein Multifunktionsraum, den alle nutzen können, etwa für des BBF in engem Austausch miteinander. Oft sind sie auch gemeinsame Mahlzeiten oder Besprechungen. Auch ein Phy- wichtiges Bindeglied und Multiplikatoren im öffentlichen siotherapieraum steht zur Verfügung. Von extern kommt ein Leben. Nicht selten ergeben sich Anknüpfungspunkte im pri- Therapeut, um die Beschäftigten hier zu behandeln, ebenso vaten Gespräch mit Nachbarn und Vereinskollegen. Werden eine Logopädin. Ideen und Anregungen weiterverfolgt, dient dies der aktiven Ganz nach den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen Teilhabe der neuen Gemeindemitglieder in ihrem Wohnort. widmen sich die Beschäftigten im BBF zum Beispiel kreati- Genauso wie der Besuch bei der Feuerwehr. (ao)

26 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Teilhabe

Leichte Sprache

Leben in Uhldingen Uhldingen gehört zum Bodensee-Kreis. Die Gemeinde hat ungefähr 8000 Einwohner. In Uhldingen wurde ein neues Wohnhaus gebaut. 24 erwachsene Menschen mit Behinderung leben dort.

Im Haus gibt es Wohn-Gemeinschaften. Jeder hat sein eigenes Zimmer. Auch Menschen mit schwerer Behinderung leben hier. Es sind immer Fachkräfte im Haus.

Förderung in Uhldingen In Uhldingen gibt es 24 Plätze an denen Menschen mit Behinderungen gefördert werden. Dafür gibt es auch ein neues Haus. Es heißt Bildungs-, Begegnungs- und Förderstätte. Das kurze Wort ist BBF. Viele Bewohner vom neuen Wohnhaus arbeiten im BBF.

Die Bewohner sind noch neu in Uhldingen. Sie lernen Nachbarn und andere Leute erst kennen. Wie zum Beispiel die Feuerwehrleute. Bewohner durften mit dem Feuerwehr-Auto fahren. Die Begegnung hat allen Spaß gemacht.

Piktogramme von METACOM Symbole © Annette Kitzinger

anstifter 3 | 2017 27 Stiftung Liebenau Teilhabe

Moderne Eingliederungshilfe in Sachsen

Vor 25 Jahren gründeten sieben Träger, darunter auch die Stiftung Liebenau, in Dresden einen neuen sozialen Träger, damals mit dem Namen Caritas Sozial Werk im Bistum Dresden-Meißen e. V. Daraus entwickelte sich das Christliche Sozialwerk, kurz CSW, heute eine gemeinnützige Gesellschaft der St. Josefskongregation und der Stiftung Liebenau, der einzige landesweit tätige Träger der Eingliederungshilfe in Sachsen.

„Dynamisch und richtungsweisend, auf hohem fachlichen Möglichst rasch bedarfsgerechte und zeitgemäße Förder- Niveau und immer interessiert an neuen Herausforderungen“, möglichkeiten aufzubauen, das war damals das Gebot der so charakterisiert Geschäftsführer Peter Leuwer sein Unter- Stunde. Denn: „Menschen mit geistiger Behinderung oder nehmen, das er seit 2001 führt. Ohne diese Eigenschaften chronisch psychischer Erkrankung waren nach der Wiederver- wäre wohl auch der bisherige Weg des CSW nicht so erfolg- einigung entweder in Psychiatrien untergebracht oder wurden reich gewesen. Zur Zeit der Gründung – drei Jahre nach der in Wohn- und Betreuungsformen lediglich ‚versorgt‘“, erinnert deutsch-deutschen Vereinigung – war die Situation der Ein- sich Leuwer, der schon seit fast 35 Jahren im Sozialbereich gliederungshilfe im Freistaat Sachsen einigermaßen desolat. tätig ist. Mit Angeboten zur Frühförderung, Schule und Werk- Es gab nur wenige große und einzelne kleine, über den gesam- statt bietet das CSW mittlerweile durchgängige passgenaue ten Freistaat verteilte Wohneinrichtungen und Tagesförder- Hilfen zur Förderung, Bildung, beruflichen Qualifizierung und stätten. Neue Träger wurden dringend gesucht. In katholischer qualifizierten Beschäftigung. Neue ambulante und dezentrale Trägerschaft fanden sich zwei Tagesstätten und zwei Heime Wohnformen wurden entwickelt, ein Fachdienst für die ambu- mit zusammen weniger als 30 Betten, Wohn- und Betreuungs- lante individuelle Förderung von Menschen mit Behinderung angebote in den beiden Klöstern Marienthal und Marienstern und schweren Verhaltensauffälligkeiten wurde geschaffen sowie offene Angebote verschiedener Kirchengemeinden. sowie eine intensive sonderpädagogisch-therapeutische För- Nach Gründung des CSW entwickelte sich in weniger als fünf derung in Tagesstruktur. „Damit hat das CSW Maßstäbe für Jahren ein Unternehmen mit Frühförderstelle, Förderschule, die Eingliederungshilfe in Sachsen gesetzt“, so Leuwer. Zu vier Werkstätten und neun Wohnheimen. Weitere Wohnhei- einem besonderen fachlichen Schwerpunkt des CSW hat sich me, zahlreiche Außenwohngruppen und neue Werkstattstand- inzwischen die Förderung von Menschen mit Autismus-Spekt- orte sind bis heute hinzugekommen, das CSW ist zum größten rum-Störung entwickelt. katholischen Träger im Land geworden (siehe Kasten). Leicht war dieser Weg keineswegs immer. Für viele fachliche

28 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Teilhabe

Der 25. Geburtstag Entwicklungen mussten erst die dafür erforderli- Institutionen und Wettbewerbern in Anspruch des CSW wurde gleich chen Rahmenbedingungen geschaffen werden, das genommen wird. mehrfach gefeiert: 280 erforderte viel Überzeugungsarbeit beim überörtli- 25 Jahre erfolgreicher Arbeit sind für Leuwer, Kinder und Jugendliche chen Träger der Eingliederungshilfe, dem Kommu- seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwar ein trafen sich zu einem Fest nalen Sozialverband Sachsen, KSV. Inzwischen, so guter Grund zum Feiern. Nicht aber zum selbstzu- in Dresden. Für erwach- sagt Leuwer nicht ohne Stolz, werden Konzepte im friedenen Zurücklehnen. „Es gibt im CSW einen sene Bewohner und für CSW meist in Abstimmung mit dem KSV entwickelt Leitsatz, der lautet: Wir geben uns mit Erreichtem Mitarbeiter gab es eige- und modellhaft erprobt, bevor sie zum Standard nicht zufrieden!“, sagt der Geschäftsführer. Auch ne Veranstaltungen. der Eingliederungshilfe in Sachsen gemacht wer- weiterhin werde man sich aktiv neuen Heraus- den. „Meist konnten und können wir die rechtli- forderungen stellen, die sich aus den besonde- chen Rahmenbedingungen auf dem Verhandlungs- ren Förderbedarfen und individuellen Wünschen wege klären. Falls nötig, streiten wir aber auch auf von Menschen mit Unterstützungsbedarf erge- dem Rechtsweg dafür.“ ben. Ruhiger wird es nicht werden, da ist er sich Was waren die größten Erfolge der letzten 25 sicher. „Die Intention der Inklusionsbestrebungen Jahre? „Meist die, für die man am härtesten kämp- begrüßen wir uneingeschränkt. Aber die derzeitige fen musste“, antwortet Leuwer. So habe das CSW Debatte und die neuen Regelungen des Bundesteil- erstritten, dass Menschen mit schwersten Behin- habegesetzes bergen auch eine große Gefahr: Dass derungen, die im Wohnheim leben, nun auch insbesondere Menschen mit schweren Beeinträch- Anspruch auf einen Platz im Förder- und Betreu- tigungen, die ihre Ansprüche und Wünsche nach ungsbereich haben. Erfolgreich durchgesetzt habe bedarfsgerechter Teilhabeleistungen nicht selbst man die Personalbemessung der so genannten artikulieren und durchsetzen können, zu Verlie- „Internen Tagesstruktur“, wodurch eine intensive, rern der Reform werden.“ Das geschehe dann, bedarfsgerechte und individuelle Förderung über- wenn langjährig aufgebaute Fördermöglichkeiten haupt erst möglich geworden ist. Auch die Aner- abgeschafft und das grundlegende Wunsch- und kennung und Refinanzierung von Tariflöhnen bei Wahlrecht der Betroffenen damit eingeschränkt der Bemessung von Leistungsentgelten sei nur mit würde. „Deshalb werden wir uns vehement und hoher Anstrengung erreicht worden. Fachlich ist unbeirrbar dafür einsetzen, dass die Chancen für der Sozialpädagoge Leuwer besonders stolz auf den Teilhabe nicht durch falsche und voreilige Maßnah- Aufbau eines ambulant tätigen Fachdienstes, der men und Umsetzungsschritte verschlechtert, son- wegen seiner besonderen pädagogisch-therapeu- dern tatsächlich erhöht werden.“ (hr) tischen Kompetenzen inzwischen von zahlreichen

Das CSW heute

¡ 11 Hauptstandorte in Sachsen ¡ 876 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ¡ ca. 2600 stationär, teilstationär und ambulant betreute Menschen Angebote: ¡ Wohnheime, Wohngruppen, ambulant betreutes In der Hofkirche Dresden Wohnen fand der Festgottesdienst ¡ Werkstätten statt: (v.l.) Pfarrer Ulrich ¡ Förderschulzentrum Dombrowsky, Riesa; ¡ Integrative Kindertagesstätten Prälat Michael H. F. Brock, ¡ Fachdienst für Krisenintervention und Hilfen zur Vorstand Stiftung Liebe- Inklusion nau; Bischof Heinrich Tim- ¡ Interdisziplinäre Frühförderstelle merevers, Dresden-Mei- ßen; und Pfarrer Marco www.christliches-sozialwerk-ggmbh.de Vogler, CSW.

anstifter 3 | 2017 29 Stiftung Liebenau Gesundheit

Haus St. Helena: Sozialtherapeuti- sches Wohnheim entsteht in Vogt

Wohnen und Betreuung für Menschen mit hohem Betreuungsbedarf

Dezentral und wohnortnah gut betreut für diesen Personenkreis wohnortnahe Entstehen wird neben dem Altenpfle- werden Menschen mit einer geistigen Angebote zu realisieren. „Die Bewoh- geheim St. Antonius ein dreigeschos- Behinderung und zusätzlichen Proble- ner haben wegen ihrer zahlreichen Ein- siges Gebäude mit zwei Flügeln. Im schränkungen ohnehin geringere Mög- Erdgeschoss findet sich die integrierte men im pflegerischen, medizinisch-psy- lichkeiten zur Teilhabe“, erläutert sie. Tagesstruktur mit Multifunktionsraum chiatrischen und verhaltensbezogenen Häufig sind sie in ihrer Mobilität einge- mit Küche. Diese Räumlichkeiten sollen Bereich künftig in Vogt. Hier entsteht schränkt oder brauchen eine besonders auch der Nachbarschaft, der Gemeinde ein neues sozialtherapeutisches Wohn- intensive Begleitung. Auch der Kontakt und den örtlichen Vereinen zur Ver- heim, in dem 24 Menschen wohnen zur Familie ist häufig erschwert. „Das fügung stehen. In den beiden oberen Leben in der Nähe des Herkunftsortes Stockwerken werden jeweils zwei Sech- werden. Im gleichen Gebäude entsteht erleichtert kontinuierliche Besuche, ser-Wohneinheiten mit Einzelzimmern, ein Förder- und Betreuungsbereich. und wir können die Kontakte begleiten, Bädern, Gemeinschaftsräumen und Gar- wenn nötig.“ tenzugang entstehen. Das sozialtherapeutische Heim ist ein Um eine gute Einbettung des Hau- Die Stiftung Liebenau plant mit Bau- Angebot für Menschen mit besonders ses ins Gemeinwesen zu gewährleis- kosten in Höhe von 4,47 Mio. Euro und hohem Betreuungsbedarf, entweder ten, wurde die Gemeinde von Anfang wird mit einem Zuschuss in Höhe von wegen gravierender Verhaltensauf- an in die Planungen einbezogen. Das 1,42 Mio. Euro unterstützt durch das fälligkeiten oder wegen besonderem bestätigt Bürgermeister Peter Smigoc: Ministerium für Soziales und Integrati- Pflegebedarf oder wegen einer Kombi- „Hier haben alle an einem Strang gezo- on aus Mitteln des Landes Baden-Würt- nation aus beidem. Die Nachfrage nach gen – Gemeinde, Gemeinderat, Stiftung temberg. Im Oktober 2018 soll der Neu- solchen besonderen Wohnplätzen ist Liebenau, Grundstückseigentümer und bau fertiggestellt sein, so dass dann die in den vergangenen Jahren kontinu- Bevölkerung.“ Ein sichtbares Zeichen ersten Bewohnerinnen und Bewohner ierlich gestiegen“, weiß Irmgard Möhr- dafür ist der Name, den der Gemeinde- einziehen können. Das Haus ersetzt ein le-Schmäh, Geschäftsführerin der Liebe- rat dem neuen Stichweg geben will, der Heim, das ursprünglich als Provisorium nau Kliniken, die in Liebenau seit mehr zum neuen Wohnheim führt: Lukas- in Weingarten entstanden war und aus als 20 Jahren ein sozialtherapeutisches weg soll er heißen, in Anlehnung an die baulichen Gründen nicht mehr zeitge- Heim betreibt. Ihr ist es wichtig, auch St. Lukas-Klinik der Stiftung Liebenau. mäß ist. (hr/re)

In Vogt wurde mit dem Bau für das sozialtherapeutische Heim St. Helena begonnen. Hier der Entwurf des Architek- turbüros Zyschka.

30 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Bildung

Total digital: Fachinformatik- Ausbildung im Aufbruch Berufsbildung- swerk Adolf Aich. in die digitale Zukunft

„Ausbildung 4.0“ im Berufsbildungswerk Adolf Aich

Selbstfahrende Autos, Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Produkte aus dem 3D-Drucker und Big Data: Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren viele Lebensbereiche grundlegend verändern – insbesondere auch die Berufswelt. Welchen Platz haben Menschen mit besonderem Teilhabebedarf auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft? Und wie reagiert das Berufsbildungswerk (BBW) der Stiftung Liebenau auf die Herausforderungen der digitalen Transformation? Wie gestaltet es die „Ausbildung 4.0“?

Unser Alltag wird immer vernetzter, das Internet Beeinträchtigungen oder mit sozialer Benachteili- der Dinge verknüpft Geräte in teilweise vollauto- gung im Wettbewerb um die Jobs der Zukunft? Sind matischen Prozessen, ganz ohne menschlichen das die Verlierer der Digitalisierung? Eingriff. Über Fitness-Armbänder werden Gesund- heitsdaten erfasst, und der „smarte“ Haushalt Mensch oder Maschine? mit schlauen Kühlschränken und lernfähiger Hei- „Bestimmte Personengruppen mit einer Behinde- zungssteuerung steht in den Startlöchern. Auch die rung werden von der fortschreitenden Digitalisie- Zukunft der Arbeit ist digital, und sie bringt womög- rung und Robotisierung profitieren und mit Hilfe lich die größten Veränderungen auf dem Arbeits- modernster Technik selbstbestimmter leben und markt seit vielen Jahrzehnten mit sich. Im Zuge die- arbeiten können“, erwarten die BBW-Geschäftsfüh- ser sogenannten „Arbeit 4.0“ verschwinden traditi- rer Herbert Lüdtke und Christian Braun. „Andere onelle Aufgaben, manche Routine-Tätigkeiten wer- wiederum könnten durch die Digitalisierung aber den der Digitalisierung und Automatisierung zum auch ‚behinderter‘ werden als zuvor, gerade was Opfer fallen, ganze Berufsbilder werden sich kom- ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt angeht. Men- plett verändern. Welchen Platz haben da noch die schen mit psychischen Störungen etwa, oder Men- Menschen, die ohnehin um ihre gesellschaftliche schen mit Lernschwierigkeiten.“ Personen also, und berufliche Teilhabe kämpfen müssen? Welche die zur Klientel der Berufsbildungswerke gehören. Chancen haben Geringqualifizierte, Menschen mit Wird es in Zukunft noch genügend Jobs für diese starken Mehrfachbehinderungen, mit psychischen Menschen geben? Was können die Rechner und

anstifter 3 | 2017 31 Stiftung Liebenau Bildung

Roboter der Zukunft, und welche menschlichen Fähigkeiten Einsatz. Dasselbe gilt für die Schreiner: „Unser Handwerk wird sind nicht ersetzbar? Ist es für ein Unternehmen künftig wirt- sich nicht auflösen, aber es entwickelt sich in Richtung Opti- schaftlicher, noch einen Lohnarbeiter mit einer Tätigkeit zu mierung, Zeitersparnis und Genauigkeit“, so Ludwig Speidler, betrauen, oder ist es günstiger, einen Roboter dafür einzuset- Betriebsleiter des BBW-Schreinerzentrums. Er sieht in der zen, dem man nicht alles zweimal erklären muss und der auch Entwicklung eine große Chance: „Ich habe einige Schüler mit keine psychischen Probleme hat? Wer hat dann überhaupt motorischen Schwierigkeiten. Ohne die digitalen Hilfsmittel noch Anspruch auf eine berufliche Reha, und was darf diese könnten sie die Ausbildung nicht machen.“ kosten? Azubis profitieren vom E-Learning Arbeit bedeutet Teilhabe Überhaupt sorge die Digitalisierung für „einen Paradigmen- All das seien Fragen, die die Digitalisierung aufwerfe und mit wechsel in der Ausbildung“, wie die Geschäftsführer Christian denen man sich jetzt schon auseinandersetzen müsse. Dabei Braun und Herbert Lüdtke betonen. Denn auch beim Aneig- gehe es um nichts weniger als um die Würde des Menschen: nen des Lernstoffes treten immer mehr digitale Lösungen an Wird dieser nur noch im Sinne seiner „Verwertbarkeit“ und die Stelle klassischer Unterrichtsmaterialien. Prüfungsvorbe- seines „Marktwertes“ betrachtet, oder setzt sich die Erkennt- reitung am Smartphone, Übungsaufgaben online bearbeiten, nis durch, dass Arbeit mehr ist als reiner Broterwerb? „Arbeit Nachhilfe am PC? Für einen Teil der Azubis im BBW ist das bedeutet Teilhabe. Und wir als Berufsbildungswerk sehen uns schon heute Alltag. Denn hier wird das E-Learning, also das als Inklusionsschlüssel für Menschen mit besonderem Teilha- Lernen mit Unterstützung elektronischer Medien, derzeit mit bebedarf“, so die BBW-Geschäftsführer. „Heute benötigen wir Nachdruck vorangetrieben. So gibt es virtuelle Ausbildungs- diese Menschen noch als willkommene Arbeitskräfte in einer module für verschiedene Fächer. Eine umfassende Wissens- boomenden Ökonomie, aber auch morgen sollten wir eine und Lernplattform, auf die Azubis zugreifen können, wächst Gesellschaft sein, die im Arbeitsleben nicht nur die Stärksten stetig. Berichtshefte werden elektronisch geführt, Filme, Tuto- überleben lässt. Und die Schwächeren nicht nur als ungelernte rials, Chat-Dienste, soziale Netzwerke und Online-Tests kom- Helfer, sondern als qualifizierte Fachkräfte.“ men beim Lernen zum Einsatz. Auch ein Forum mit Fragen und Antworten gehört dazu. Digitale Helfer am Arbeitsplatz Im BBW sind die Azubis selbst daran beteiligt, die entspre- Eine gute, den Anforderungen angepasste Ausbildung ist chende Technik zu betreuen, die Datenbank mit Inhalten zu daher wichtiger denn je. Denn die Digitalisierung, begleitet füttern und Lernprogramme zu erstellen. Insbesondere die von anderen Treibern wie dem demografischen Wandel, wird Fachinformatik-Azubis und die angehenden Kaufleute für nach Expertenmeinung den Mangel an Fachkräften eher noch Büromanagement sind hier ganz vorne mit dabei und schät- verstärken – von diesen aber auch mehr verlangen: Flexibi- zen die Vorteile von E-Learning: „Ob im Zug oder zuhause, ich lität, neue Kompetenzen, lebenslanges Lernen. Nicht jeder kann überall diese Aufgaben machen und somit Zeit effektiver junge Mensch mit Beeinträchtigungen wird in dieser High- nutzen“, so Susanne Metzler, Umschülerin im BBW und derzeit Tech-Welt mitkommen. Sterben dann die Helferberufe und die damit beschäftigt, ein digitales Lernmodul zum Thema Brand- reduzierten Fachpraktiker-Berufe aus, die das BBW neben den schutz mit zu entwickeln. Berührungsängste mit Displays, Vollausbildungen seit jeher anbietet? „Es wird auch morgen Apps und Touchscreens kennen die Jugendlichen von heute noch jemanden geben müssen, der Ketten von Landmaschinen sowieso nicht. Stattdessen lässt sich der eine oder andere am repariert und sich die Finger schmutzig macht“, meint Man- Bildschirm sogar besser motivieren. „Es gibt im Zuge der Digi- fred Haas, Leiter der Abteilung Bildung und Arbeit im BBW. talisierung viel Positives und Arbeitserleichterndes, das die Zugleich rüstet man sich im Berufsbildungswerk aber in allen Freude beim Lernen steigert“, stellt Manfred Haas fest: „Und Bereichen für die Zukunft. Ob der Laptop in der Kfz-Werkstatt, Ausbildung darf ja auch Spaß machen.“ (ck) modernste Technik in den Werkstätten und Lagerhallen oder die vielen weiteren elektronischen Helfer am Arbeitsplatz: Im BBW-Ausbildungsalltag hat die Digitalisierung längst Ein- zug gehalten. Mit aktueller CNC-Technik ist zum Beispiel die Metall-Werkstatt auf dem neusten Stand. Und auch in Tradi- tionsberufen wie bei den Zimmerern kommen CAD-Program- Mehr zum Thema gibt es unter me, digitale Entfernungsmessgeräte und Nivellierlaser zum www.stiftung-liebenau.de/aufkurs

32 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Bildung

Leichte Sprache

Die Arbeit in der Zukunft In den letzten Jahren hat sich unsere Arbeit verändert: • Menschen machen immer mehr am Computer. • Viele Geräte sind über das Internet miteinander verbunden. Das nennt man auch: Internet der Dinge. • Maschinen steuert man am Bildschirm. • Maschinen und Roboter übernehmen Arbeiten für den Menschen.

Das wird in Zukunft noch mehr werden. Die Menschen und die Firmen arbeiten dann anders als heute. Für die Arbeit in der Zukunft gibt es einen eigenen Begriff: Arbeiten 4.0.

Für viele Menschen und viele Betriebe ist das gut: Sie können schneller arbeiten. Es gibt dann neue Arbeitsplätze.

Arbeiten 4.0 heißt aber auch: Man muss sich mit der neuen Technik gut auskennen. Manche Arbeitsplätze fallen weg.

Eine gute Ausbildung ist deshalb wichtig. Eine Ausbildung heißt: einen Beruf lernen. Im Berufs-Bildungs-Werk von der Stiftung Liebenau machen Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Ausbildung. Das kurze Wort für Berufs-Bildungs-Werk ist BBW. Im BBW gibt es die neuesten Maschinen und Geräte. Damit sind die Schüler gut vorbereitet auf die Arbeit.

Piktogramme von METACOM Symbole © Annette Kitzinger

anstifter 3 | 2017 33 Stiftung Liebenau Bildung

Wolfgang Közle (2.v.l.) wurde in den Ruhestand verabschiedet (v. l.): Jörg Munk (Geschäftsführer Liebenau Teilhabe), Manfred Kohler (neuer Schulleiter) und Markus Wursthorn (Geschäftsleiter Schule, Erziehung, Bildung und Arbeit der Liebenau Teilhabe) Pädagogik mit Leidenschaft

Wolfgang Közle: Don-Bosco-Schulleiter in den Ruhestand verabschiedet

Nach 35 Jahren Lehrtätigkeit und vier verschiedene Kooperationen mit Regel- Edgar Wöhrle vom Staatlichen Schul- Jahren Schulleitung der Don-Bosco- schulen auf und schuf dadurch inklusi- amt Markdorf, beschrieb Közle als „Fels ve Klassen, unter anderem in Tettnang in der Brandung, der engagiert in der Schule der Liebenau Teilhabe ging und Friedrichshafen. Als Vorreiter auf Gruppe steht“. Gemeinsam überreich- Wolfgang Közle zum Schuljahresende dem Gebiet des inklusiven Lernens ist ten sie Közle einen Hut, eines seiner 2016/2017 in den Ruhestand. es Közle zusammen mit Rektor Eugen Markenzeichen, ohne das er nur selten Weber von der Manzenbergschule in anzutreffen ist. 1980 begann Közle als Grund- und Tettnang gelungen, Inklusionsklassen Hauptschullehrer an der Don-Bos- mit einem durchgehend gemeinsamen Entwicklungsarbeit für die Zukunft co-Schule seine Lehramtstätigkeit. Er Lernangebot für Kinder mit und ohne Jörg Munk, Geschäftsführer der Liebe- habe großen Teamgeist bewiesen und Einschränkungen anzubieten und so nau Teilhabe, dankte Közle für seine die Zusammenarbeit sei ihm immer eine neue Form des individuellen Ler- Arbeit als „Vollblutpädagoge mit Leib sehr wichtig gewesen, betonte Markus nens zu schaffen. und Seele“. Munk würdigte die Ent- Wursthorn, Geschäftsleiter Liebenau wicklungsarbeit in Hegenberg sowie die Teilhabe. Nach einem Zusatzstudium in enge Zusammenarbeit und Kooperati- Sonderpädagogik blieb Közle der Stif- „Er behält immer das Wohl des on mit den Akteuren und beschrieb die tung Liebenau während 35 Jahren treu. Kindes im Auge und zeichnet Don-Bosco-Schule als „gut aufgestellt“. 2013 übernahm er, nach vier Jahren Die Weiterentwicklung des Hegenbergs sich durch seine absolute Zuver- als Konrektor, die Schulleitung. Durch zu einem pädagogisch, therapeutisch den Rückhalt im Kollegium war diese lässigkeit aus.“ und medizinischen Fachzentrum und Aufgabe gut zu meistern. „Da bin ich zu der Zugang zur Bildung mit Anschluss- Hause“, beschrieb Közle selbst seine perspektiven seien nur zwei Bereiche, Zeit. Engagierter und verlässlicher Partner die Közle aktiv mitgestaltet hat. Közle habe die Don-Bosco-Schule „Bunt, ruhig, sehr angenehm.“ So Közle selbst skizzierte die Heraus- „umgebaut, angebaut, renoviert und beschrieb Bernhard Straile, Regierungs- forderungen der nächsten Jahre: Die restauriert“, erläuterte Dr. Heinz-Joa- schuldirektor des Regierungspräsidi- Don-Bosco-Schule müsse immer weiter chim Schulzki, Schulamtsdirektor i. K. ums Tübingen, die Zusammenarbeit mit neu justiert und eingestellt werden. Er der Stiftung Katholische Freie Schule der Közle. Bei humoristischen Einblicken in bedankte sich für die gewährten Freihei- Diözese Rottenburg-Stuttgart. So brach- Közles Historie sorgte vor allem seine ten, seine Ideen umsetzen zu können, te er den Umbau von der Sonderschule wissenschaftliche Abschlussarbeit über und für die Unterstützung seiner Kolle- zum Sonderpädagogischen Bildungs- die Feld- und Hausspitzmaus für Erhei- gen und Weggefährten. Zusammen mit und Beratungszentrum voran und terung. Közle hatte immer das Wohl des den Gästen hieß er seinen Nachfolger sicherte damit der Schule „ein respek- Kindes im Auge und zeichne sich durch und neuen Schulleiter Manfred Kohler tables Standing in der Region“. Er baute seine absolute Zuverlässigkeit aus. willkommen. (al)

34 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Familie

Gastfamilie ermöglicht Inklusion

So können Mutter und Kind zusammenleben

Martina Breske hat eine Lernbehinderung. Und einen fast siebenjährigen Sohn. Die verantwortungsvolle Aufgabe seiner Erziehung kann sie nicht alleine bewältigen. Seit über sechs Jahren leben die beiden deshalb in der Einliegerwohnung der Familie Pfender. Die Familie unterstützt die alleinerziehende Mutter auch bei der Bewältigung ihrer Aufgabe. Familie Pfender wiederum wird unterstützt vom Fachdienst Betreutes Wohnen in Familien (BWF) der Stiftung Liebenau.

Martina Breske ist gelernte hauswirtschaftliche Helferin. Ihre den Eigenständigkeit nach wie vor nötig. Birgit Pfender gibt Ausbildung hat die 30-Jährige am Berufsbildungswerk Adolf ihr immer wieder Anregungen, wie sie sich mit ihrem Sohn Aich gemacht. Weil ihr Sohn Jannick bis zum Nachmittag in der beschäftigen kann. Sie begleitet Jannick und seine Mutter zu Schule ist, kann sie halbtags arbeiten. In den Ferien müssen den vielen notwendigen Arztterminen und ist stark in den Kon- allerdings zusätzliche Hilfen organisiert werden, zum Beispiel takt zur Schule eingebunden. Die enge Begleitung durch die durch Ehrenamtliche. Diese Aufgabe übernimmt Regine van Gastmutter hat auch an anderer Stelle gefruchtet. „Ich bin froh, Aken, Mitarbeiterin des BWF in Ravensburg, die seit Anfang dass Jannick inzwischen laufen kann, woran vorher niemand an mit der Begleitung betraut ist. Früher habe die Mutter stär- glaubte.“ ker die Nähe zur Gastfamilie gesucht, mit der Zeit aber sei sie Begleitete Elternschaft bietet Müttern oder Eltern mit einer eigenständiger und sicherer geworden. Behinderung die Chance, mit ihrem eigenen Kind zusammen- Die besondere Herausforderung für die Gastfamilie in die- zuleben und es selbst großzuziehen. Die Gastfamilien sind vor sem Fall: Jannick lebt ebenfalls mit Einschränkungen. Er hat allem bei der Erziehung des Kindes eine wichtige Stütze. Durch eine seltene Form der Epilepsie, die bei Kleinkindern auftritt ihren Einsatz wird den Kindern eine altersgerechte Entwick- und mehrfache Behinderungen mit sich bringt: Er ist nicht lung gesichert. altersgemäß entwickelt, er spricht nicht und kann fast nichts Das Angebot des Betreuten Wohnen in Gastfamilien der Lie- sehen. Regine van Aken: „Dass das Kind auch eine Einschrän- benau Teilhabe gibt es für Mütter oder Eltern mit Einschrän- kung hat, ist eher die Ausnahme. Von den elf Eltern mit einer kung in mehreren Landkreisen und wird laufend ausgebaut. Einschränkung, die wir bisher begleiten, ist er das erste Kind In Singen, Landkreis Konstanz, stehen ab Ende 2018 auch drei mit Behinderung.“ neue Wohnungen für Mütter mit einer Behinderung zur Ver- Die Unterstützung der jungen Mutter in organisatorischen fügung. Sie werden dort von den Fachkräften der Ambulanten Dingen und bei pädagogischen Fragen ist trotz der zunehmen- Dienste begleitet. (ao)

Martina Breske (rechts) lebt mit Sohn Jannick in der Einliegerwohnung der Gastfamilie Pfender. Birgit Pfender (links) unterstützt die Mutter.

anstifter 3 | 2017 35 Stiftung Liebenau Service

Jaqueline Brückner findet die Arbeit am Tunnelfinisher toll: Bevor sie loslegte, erhielt sie eine Einweisung. Harmonie von Mensch und Maschine

Im Textilservice der Stiftung Liebenau geht es seit diesem Jahr deutlich schonender zu. Das betrifft einerseits die Wäsche: Neue Maschinen erlauben es, mit deutlich geringeren Temperaturen zu arbeiten. Schonender geht’s aber ebenso für die Mitarbeiter zu, die von den ergonomischen Einstellmöglichkeiten ihrer neuen Arbeitsgeräte profitieren. So auch Jaqueline Brückner. Sie ist eine von 47 Mitarbeitern der Liebenauer Arbeitswelten, die in Liebenau eine abwechslungsreiche, berufliche Heimat im Textilservice gefunden haben.

Berührungsängste kennt Jaqueline Brückner nicht. Beherzt vieren. Drei wären nötig gewesen, um das tägliche Wäsche- greift die 37-Jährige in den Wäschewagen aus Alu, entknotet aufkommen bewältigen zu können. „Den vierten haben wir ein Polohemd und zieht es auf einen Bügel auf, der von einem angeschafft, damit wir unsere Mitarbeiter aus der WfbM hier Roboterarm gehalten wird. Sie führt ihre rechte Hand durch ohne Druck anlernen können“, sagt Sarah Schneider aus eine Lichtschranke, das Hemd schießt Richtung Decke und dem LiSe-Marketing. Jeder darf sich, immer mit der nötigen verschwindet in einem Kettenkarussell aus Kleidungsstücken. Unterstützung anderer Mitarbeiter, an der Maschine aus- Der älteren Mitarbeiterin, die ihr zuvor die genauen Handgrif- probieren. Harmonieren Mensch und Maschine, steht einer fe erklärt hat, fällt sie augenblicklich in den Arm und bedankt weiteren Zusammenarbeit nichts im Wege. Auch technisch sich. „Sie hat mich gelobt, das hat mir gut gefallen“, wird sie wurde an alles gedacht. „Durch die Höhenverstellbarkeit der später sagen. Eingabe-Terminals können wir für jeden Mitarbeiter optimale Das Kettenkarussell mit den Roboterarmen ist, genau Arbeitsbedingungen schaffen“, freut sich Schneider. genommen, nur eine Komponente des neuen Tunnelfinishers. Auch Jaqueline Brückner möchte künftig häufiger am Tun- Dieser wurde zu Jahresbeginn hier installiert und ist so etwas nelfinisher arbeiten, jetzt, wo sie den Bogen raus hat. Sie hilft wie das industrielle Pendant zum heimischen Bügeleisen. aber ansonsten immer da, wo sie gebraucht wird. Als echtes Wäsche wird hier zuerst mit Dampf besprüht, dann mit Heiß- Multitalent ist sie in den verschiedensten Bereichen einsetz- luft ausgewedelt und schließlich – wie frisch gebügelt – von bar. Ob beim Wäschelegen, beim Verteilen der Wäschewagen der Maschine wieder „ausgespuckt“. Für den Geschäftsführer und beim Patchen. Dabei werden Wäschestücke gekennzeich- der Liebenau Service (LiSe), Frank Moscherosch, war es wich- net, damit eine spätere Zuordnung zu einer Einrichtung und tig, die Automatisierung voran zu treiben und Arbeitsabläufe dem jeweiligen Bewohner möglich ist. Sie selbst lebt seit zwei wirtschaftlich zu optimieren. „Unser Anspruch ist es aber in Jahren mit ihrem Freund in einer gemeinsamen Wohnung, gleichem Maße, die WfbM-Arbeitsplätze zu erhalten, in ergo- beide werden ambulant betreut, führen aber ansonsten ein nomischer Hinsicht zu verbessern oder neue zu schaffen, wo selbstständiges Leben. „Wir haben uns hier in Liebenau ken- dies Sinn macht“, so Moscherosch. nengelernt“, sagt sie, „da habe ich ihn einfach angesprochen Der Terminal, an dem Jaqueline Brückner in die Geheimnis- und ihm gesagt, dass er mir gefällt.“ Nein, Berührungsängste se des Tunnelfinishers eingeführt wird, ist einer von insgesamt kennt Jaqueline Brückner wirklich nicht. (dk)

36 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Service

Leichte Sprache

Arbeiten mit Maschinen In der Liebenau Service gibt es viele Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Zum Beispiel in der Wäscherei. Zur Wäscherei sagt man auch Textil-Service. Mitarbeiter waschen, reinigen und bügeln hier Kleidung.

Maschinen helfen Für einige Arbeiten gibt es Maschinen. Bei manchen Maschinen kann man die Höhe verstellen. Mitarbeiter haben dadurch eine gute Arbeits-Haltung. Sie bekommen weniger Rücken-Beschwerden. Auch Menschen mit Behinderung bedienen die Maschinen.

Manche Maschinen sind zum Lernen da Menschen mit Behinderung lernen vorher wie man die Maschinen bedient. Zum Beispiel heißt eine Maschine Tunnel-Finisher. Das ist Englisch. Die Maschine bügelt zum Beispiel Hemden.

In der Liebenau Service gibt es vier Tunnel-Finisher. Einer ist zum Lernen da. Hier hat auch Jaqueline Brückner gelernt. Sie hat alles gleich verstanden. Jaqueline Brückner sagt: Die Mitarbeiterin hat mich gelobt. Das hat mir gut gefallen.

Piktogramme von METACOM Symbole © Annette Kitzinger und pictoselector

anstifter 3 | 2017 37 Stiftung Liebenau Österreich

Leichter loslassen können

Projektstart Palliative Care in der Stiftung Liebenau Österreich

Schwerstkranke oder sterbende Men- gen. Die Pflegenden verhalten sich sehr All das fördert die Struktur, etabliert schen und ihre Angehörigen bedürfen umsichtig und mitfühlend“, sagt sie. Standards.“ Zurzeit arbeiten die sechs Pflegekräfte Anna Huber hat körperliche Schmer- der Palliative Care, einer ganzheitli- des Palliativteams Tschermakgarten in zen. Auch mit dem nahenden Tod kann chen Fürsorge: physisch, psychisch und Bregenz und weitere sechs im St. Josefs- und will sie sich nicht abfinden. Sie hat sozial. Die Fachkräfte sind gefordert, haus Gaißau im Rahmen des zweijäh- Angst, kann nachts nicht schlafen, will multiprofessionell und bereichsüber- rigen Projekts „Palliative Care und Hos- nicht alleine sein. Zur Palliativ-Pflege greifend zu agieren. In zwei Vorarlber- pizkultur“ zudem äußerst reflektiert. gehören daher nicht nur individuell Jedes Palliativteam erhält insgesamt abgestimmte Medikamente, sondern ger Pflegeheimen der Stiftung Liebenau acht Coaching-Sitzungen. Sie dienen auch alternative Maßnahmen. „Die Österreich werden bestehende Struktu- dazu, die eigene Arbeit gemeinsam mit Schmerzpatientin soll vergessen kön- ren und Standards derzeit im Rahmen Fachkräften des Mobilen Palliativteams nen und dürfen, wie schlecht es ihr geht. des zweijährigen Projekts Palliative Vorarlberg zu analysieren, zu bewer- Soll nicht alleine sein müssen, wenn sie Care und begleitet vom Mobilen Pallia- ten und zu strukturieren. Parallel zum das nicht will“, betont die Palliativbe- Coaching erhalten die Mitarbeiter eine auftragte. Unerlässlich seien allerdings tivteam Vorarlberg neu überdacht. Im Basisschulung zu den Themen Kom- eine gründliche Biografiearbeit und Mittelpunkt stehen nach wie vor die munikation mit Demenzkranken, Nah- das Vorsorgegespräch. So hat das Palli- Betroffenen und ihre Angehörigen. rungsverweigerung, Aggression, Beglei- ativteam im Seniorenheim Tschermak- tung Sterbender und Angehörigenar- garten gemeinsam mit Anna Huber und Anna Huber (Name von der Redaktion beit. Teil des Projekts ist zudem eine ihrer Schwiegertochter herausgefun- geändert) hat einen Tumor an der Wir- interdisziplinäre Fallbesprechung. „Wir den, dass die ältere Frau bei körperwar- belsäule. Seit der Operation im Juli 2015 erfahren Bestätigung für Maßnahmen, men Berührungen, Vogelstimmen (von ist klar: Die Möglichkeiten der kurati- die wir schon anwenden, und lernen der CD) und Aromatherapien besonders ven Medizin sind ausgeschöpft. Nach Neues“, sagt Wohnbereichsleiterin und gut entspannen kann. „Im Grunde ist ihrem Krankenhausaufenthalt kommt Palliativbeauftragte Bettina Pitscheider. fast jeder Pflegeheim-Bewohner ein Pal- die 77-Jährige auf die Pflegestation des „Neu ist zum Beispiel der Vorsorgedia- liativ-Fall“, bemerkt Bettina Pitscheider. Seniorenheims Tschermakgarten. Die log, ein Kommunikationsprozess, mit „Es ist wichtig, dass wir sensibilisiert Schwiegertochter ist dort seit vielen dem wir Gespräche mit Bewohnern und und geschult sind, dass wir Strukturen Jahren in der Betreuung beschäftigt und Angehörigen vorab strukturiert durch- und Standards haben, die die Quali- kennt das Engagement in der palliati- führen können. Neu sind auch das ein- tät sichern. Wenn sich die Mitarbei- ven Fürsorge. „Meine Schwiegermutter heitliche Konzept zur Schmerzbeurtei- ter sicher fühlen, spüren das auch die wird hier vom gesamten Team aufgefan- lung, das Coaching und die Supervision. Bewohner und ihre Angehörigen.“ (ebe)

38 anstifter 3 | 2017 Stiftung Liebenau Österreich

Am Festtag im Glück

Stiftung Liebenau Österreich feiert fünf Jahre Lebenswelt St. Antonius

Ideen sammeln, Kuchen backen und sich darauf einstellen, die eigene Wohnung zu zeigen: Auf den Tag der offenen Tür zum fünfjährigen Jubiläum der Lebenswelt St. Antonius haben sich die 26 jungen Erwachsenen mit Behinderung gemeinsam mit ihren Betreuern gut vorbereitet. Mit viel Eifer und noch mehr Freude konnten sie Ende Juni rund 150 Gäste empfangen, bewirten und durchs Haus führen.

„Ich habe den Kuchen gebacken“, sagt Marko Gen- tigte kommen von auswärts. Die Produkte werden ser stolz lächelnd und betont: „Mit Kirschen!“ Der auf den Oster- und Weihnachtsbazaren im Haus 28-Jährige lebt in einer der drei Wohngemeinschaf- oder auch in der Stadt verkauft. ten der Lebenswelt St. Antonius, die in der ehema- „Tägliches Ziel in der Lebenswelt St. Antonius ist ligen Villa Lerchbaumer eingerichtet wurden, und es, die jungen Menschen so zu betreuen, dass sie ist im Küchenteam beschäftigt. „Den Kuchen haben möglichst normal, das heißt weitgehend selbstbe- wir zusammen gemacht“, korrigiert ihn selbstbe- stimmt leben können“, sagt Hausleiterin Bernadet- wusst eine Kollegin und Mitbewohnerin. te Peitler, „dazu gehört neben dem Alltag und der Glücklich sind an diesem Tag auch die Beschäftig- Arbeit auch die Freizeitgestaltung.“ Highlights sind ten der Kreativwerkstatt, die gemeinsam mit inter- die regelmäßigen Ausflüge in die Stadt zum Shop- essierten Gästen die vorbereiteten Sonnenblumen pen oder zum Friseur, die jährliche Performance aus Salzteig bemalen und nebenan bereits gefer- mit der Band „Jemm Music Project“, Kurzurlaube tigte Werke wie selbst genähte Kirschkernkissen etwa in Norditalien am Strand oder im Gästehaus oder Glückspilze aus Sektkorken verkaufen. Die so St. Anna in Stadl-Paura. Sehr beliebt ist auch der genannte Arbeitswelt bietet insgesamt 26 Arbeits- neue Snoezelen-Raum im Erdgeschoss: zum Ent- plätze für Menschen mit Behinderung. Entspre- spannen und zur Stimulierung der Sinne. chend ihren individuellen Interessen, Fähigkeiten Beim Gang durch die in verschiedenen Stilen ein- und Ressourcen sind sie in der Küche, Gärtnerei, gerichteten Wohnungen sind die Gäste beeindruckt Kreativwerkstatt oder in der Kunstwerkstatt im von der Größe der Räume und dem Inventar, das handwerklichen Bereich beschäftigt. Die Arbeits- zum Teil von den jeweiligen Wohnungspatinnen welt steht vorrangig den 17 Bewohnerinnen und gestiftet wurde. (ebe) Bewohnern zur Verfügung, neun weitere Beschäf-

Interessierte Gäste am Verkaufsstand: Die verschiedenen Produkte haben die Beschäftigten im Ver- lauf des vergangenen Jahres gefertigt.

anstifter 3 | 2017 39 Stiftung Liebenau

Stiftung Liebenau, Siggenweilerstr. 11, 88074 Meckenbeuren ZKZ 20677, PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt

Spot an!

Ihre Meinung ist gefragt, Frau Peitler

Bernadette Seit wann arbeiten Sie in der Stiftung Liebenau? Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Tätigkeit? Peitler, 29 Jahre, Seit November 2011. Der tägliche Kontakt mit unterschiedlichen Men- schen und deren individuelles Auftreten und ledig, Hausleitung Was lesen Sie am liebsten? Ich genieße meine Frei- Gemüt. Die wechselnden Aufgaben und Herausfor- Lebenswelt zeit lieber im Freien, jedoch lese ich manchmal derungen machen die Arbeit nie eintönig. St. Antonius, Romane und die aktuelle Tageszeitung. Kärnten Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen? Glück- Welche Musik hören Sie gerne? Alles querbeet. liche und zufriedene Bewohnerinnen und Bewoh- ner, Beschäftigte und Angehörige, aber auch gut Ihr Traum vom Glück? Gesundheit und innerer Frie- gelaunte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mit- den. arbeiter.

Haben Sie Vorbilder? Meine Neffen und Nichten: Ihre Meinung zum „Anstifter“? Der Anstifter ist eine Sie besitzen die Gelassenheit, die wir als Erwachse- gute Zeitschrift, um im täglichen Alltagsgeschehen ne oft benötigen würden. mitzubekommen, was im Rest der Stiftung Liebe- nau so passiert. Es ist erkennbar, dass die gesamte Ihr größtes Talent? Zuhören. Stiftung Liebenau am gleichen Strang zieht.

Welche Fähigkeit möchten Sie besitzen? In man- Christliche Werte in der Gesellschaft sind für mich… chen Situationen geduldiger zu sein. …ein wichtiges Fundament des gesellschaftlichen Lebens. Wie halten Sie es mit der Religion? Die Religion begleitet mich seit meiner Kindheit und ist ein Soziale Berufe sind wertvoll, weil… …sie Menschen Bestandteil meines täglichen Tuns und Handelns. dort abholen, wo diese Hilfe benötigen.

Haben Sie ein Lebensmotto? Kommt der Tag, bringt Das Image sozialer Berufe könnte verbessert der Tag. werden, wenn… …die in diesem Beruf arbeitenden Personen entsprechend ihrer herausfordernden Was schätzen Sie an der Stiftung Liebenau? Die Arbeit (körperlich und psychisch) honoriert werden europaweite Vernetzung untereinander und das würden. breit gefächerte Angebot, auf welches man bei Bedarf immer zurückgreifen kann.

anstifter 3 | 2017