KAMPF. AUFSTIEG. ERNEUERUNG.

75 Jahre SPÖ Ottakring 1945–2020 Inhalt

Gewidmet den tausenden ehrenamtlichen Vorwort 5 Mitarbeiter*Innen der SPÖ Ottakring, die Einleitung 7 in diesem Buch nicht genannt werden können, Ein Bezirk entsteht 9 aber ohne deren Engagement es „Die gute alte Zeit“ 9 diese lebendige Ottakringer Sozialdemokratie Ottakrings Sozialdemokratische Partei 10 nicht geben würde. Das Rote Wien 17 – Christian Oxonitsch – Der Februar 1934 20 Austrofaschismus und Nationalsozialismus 23 Das jüdische Ottakring 24 Befreiung und Wiederaufbau 26 Der April 1945 27 Wiederaufbau der Organisation 37 Impressum: Der Kampf um die Wiedergutmachung 46 Herausgeber, Verleger und Medieninhaber: Die Wegbereiter treten ab 50 SPÖ Ottakring, Schuhmeierplatz 17–18, 1160 Wien 1952: Das „Jahr der Jugend“ 51 © 2020 echomedia buchverlag | echo medienhaus ges.m.b.h. Aufschwung in Ottakring 57 Media Quarter Marx 3.2, A-1030 Wien, Maria-Jacobi-Gasse Generationswechsel in Ottakring 61 Alle Rechte vorbehalten Albert-Sever-Saal 63 Die Wahl 1963 und 1964 64 Produktion: Ilse Helmreich | Layout: Brigitte Lang | Lektorat: Anke Weber Bildnachweis: alle SPÖ Ottakring außer: Alin-Florin Calin: 120 | APA: 143 | Bezirksmuseum Die Affäre Olah 66 Ottakring: 17, 24, 141, 171 (2) | Christian Houdek: 119, 162 | Creative commons: 51 | Ein neuer Bezirksvorsteher und weitere personelle Änderungen 66 Foto Gerlach: 19 (4) | Franz Blaha/VGA Wien: 30 | Jan Krainer: 154 | kontrast.at: 147 | Aus „Gastarbeiter*innen“ werden Wiener*innen 68 Kreisky Archiv: 85 | MA 45: 80 | Michael Kranewitter: 56 | Moritz Nachtschatt: 123, Kommunalpolitik in Ottakring 70 124, 129, 133, 134, 150, 153, 155, 157, 161, 166, 167, 168, 169, 176 | Österr. National- Die Nationalratswahlen 1966 und das Ende der „Großen Koalition“ 70 bibliothek: 47 | Österr. Staatsarchiv: 49 | PID/Schaub-Walzer: 86 | PID/Martin Votava: Neues in Ottakring 71 78, 149 | Rathausklub der SPÖ Wien: 68 | Ruth Beckermann Filmproduktion: 97 | SPÖ: Ottakring trauert 71 10, 29, 31, 36, 45, 55, 70, 71, 77, 109, 111 | SPÖ Frauen: 34 | SPÖ Ottakring/ Das Jahr 1968 72 Wolfgang Neubacher: 100 (2) | SPÖ Wien: 35, 50, 148, 155 | SPÖ/Sozdem. Freiheits- Die Gemeinderatswahlen 1969 und die Folgen 73 kämpferInnen: 26 | SPÖ/Votava: 83 | Stadt Wien: 74 (2) | Stadt Wien/Christian Die 1970er Jahre: Fortschritte unter der SPÖ-Alleinregierung 75 Fürthner: 12 | Stadt Wien/PID: 174 | VGA: 46, 69 | Wien Energie: 58 | Wiener Die 1970er Jahre: Bundesweite Sozialprogramme der SPÖ Linien: 62 | Wr. Stadt- und Landesarchiv: 41 durch und sein Team 77 Herstellungsort: Wien Das Ende der SPÖ/ÖVP-Koalition in Wien nach der Wahl 1973 80 Besuchen Sie uns im Internet: www.echomedia-buch.at Neubauten und Altstadterhaltung 87 Neuer Wohnraum in Ottakring 91 Der tragische 1. Mai 1981 92 Der Kampf um die Steinhofgründe 93 Die Wahlen 1983 94 Die Affäre Waldheim 97 Das Bezirkssekretariat wird saniert 99 Die 1990er Jahre: Ein ereignisreiches Jahrzehnt 106

Lichtermeer: Ein Zeichen der Solidarität 109 Fotos:Markus Sibrawa (2) Österreich wird Mitglied der Europäischen Union 111 Dr. Michael Ludwig Barbara Novak, BA Die SPÖ Ottakring verjüngt sich 113 Neue Vorsitzende für die SPÖ Ottakring 116 Die Umgestaltung des Yppenplatzes und der Ausbau der U3 117 Kultur pur 123 Liebe Leserin, lieber Leser! Wahlen zur Jahrtausendwende 125 Frischer Wind im Bezirk 131 Wien wählt 134 Die SPÖ Ottakring hat in der Geschichte der Wiener Sozialdemokratie stets Frischer Wind im Bund 136 eine prägende Rolle gespielt. Umso mehr gratuliere ich hiermit im Namen der Der Brunnenmarkt wird neu 137 SPÖ Wien ganz herzlich zum 75-jährigen Bestehen. Die vorliegende aktua- Abschied von Hubert Pfoch 139 lisierte Neuauflage „Kampf. Aufstieg. Erneuerung. 75 Jahre SPÖ Ottakring 2009: Wien wird erstmals Stadt mit der höchsten 1945–2020“ ist eine profunde Grundlage, um sich mit diesem Jubiläum ein- Lebensqualität – und bleibt es bis heute 139 gehend auseinanderzusetzen. Ganz deutlich wird daraus, welche unglaub- Christian Oxonitsch wird Stadtrat 140 liche Entwicklung in Ottakring im Verlauf von mehr als sieben Jahrzehnten Gedenken in Ottakring 141 stattgefunden hat – und wie sehr dieser Aufstieg mit dem politischen Wirken Die 2010er Jahre 142 und den Visionen der Sozialdemokratie verbunden ist. Bildung, Bildung, Bildung! 143 Solidarität mit Geflüchteten 146 Einst einer der ärmsten Bezirke von Wien ist Ottakring heute nicht nur ein Neue Formen der Partizipation in Partei und Bezirksorganisation 152 junger, dynamischer Bezirk mit hoher Lebensqualität, sondern auch ein Ort, Personelle Änderungen am laufenden Band 154 von dem vielfältige Impulse für ganz Wien ausgehen. Die SPÖ Otta kring Neue Ideen für die Parteiarbeit 159 hat diesen Prozess von Beginn an ganz wesentlich mitgeprägt und die „rote Ottakring wird moderner und grüner 160 Handschrift“ ist seitdem unverkennbar. Nicht umsonst ist mit dem langjähri- Es wird gefeiert! 166 gen Bürgermeister Dr. Michael Häupl ein gestandener Ottakringer unser Gesundheit 169 SPÖ Wien-Ehrenvorsitzender. Erinnerungskultur und Gedenkprojekte 170 Epilog: Das Jahr 2020 und die Zukunft in Ottakring 173 Eines ist stets im Zentrum aller Bemühungen gestanden, gleich ob in Otta- Anhang 177 kring oder in ganz Wien: Die Lebensbedingungen der Menschen zu ver-

5 bessern und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Nach 75 Jahren fällt Einleitung die Bilanz mehr als positiv aus, aber es gibt für uns Wiener Sozialdemo- kratInnen noch viel zu tun. In diesem Sinne gratuliere ich der SPÖ Ottakring noch einmal ganz herzlich zum Erreichten und freue mich auf viele weitere 35 Jahre ist es her, seit unter dem damaligen Be- Jahre gemeinsamen Gestaltens! zirksparteivorsitzenden Hubert Pfoch eine kompakte Geschichte der SPÖ Ottakring nach 1945 erstellt Freundschaft! wurde. Grund genug, diese Geschichte nun anläss-

Foto:David Bohmann PID / lich des 75-Jahr-Jubiläums fortzuschreiben. Christian Oxonitsch Der erste Teil dieses Buches wurde über weite Stre- cken der Schriftenreihe der SPÖ Wien aus dem Jahr 1985 übernommen und ein wenig ergänzt, die Jahre 1985 bis 2000 neu zusammengestellt. Ich danke hier vielen, insbesonders den Mitarbeiter*innen im Bezirkssekretariat Bürgermeister Dr. Michael Ludwig Stefanie Lamp, Gerhard Antes, Nicole SPÖ Wien-Vorsitzender Murlasits und Alin-Florin Calin für ihre Unterstützung.

Dieser lange Zeitraum, in dem die Ot- takringer Sozialdemokratie maßgeb- lich die Entwicklung des 16. Bezirkes gestaltete, kann hier selbstverständlich nur Schlaglichter auf die Arbeit von LAbg. Barbara Novak, BA tausenden ehrenamtlichen Mitarbei- Landesparteisekretärin der SPÖ Wien ter*innen und Aktivist*innen werfen. Zu vielfältig sind die in diesen Jahr- zehnten umgesetzten Maßnahmen. Aber selbst diese zeigen, dass es die Arbeit der Ottakringer Sozialdemokrat*innen war, die aus einem der ärmsten Bezirke Wiens einen modernen, vielfältigen und lebenswerten Bezirk gemacht haben. Weil für unsere Arbeit immer etwas im Mittelpunkt gestanden hat, was wir heute mehr denn je brauchen: das Bemühen um ein Miteinander im Bezirk. Aber mit einem klaren Fokus auf jene Men- schen, die es sich nicht alleine richten können. Die, die die Unterstützung der Gemeinschaft brauchen.

6 7 Daher ist Ottakring ein Bezirk, mit einer überdurchschnittlichen Zahl an Ein Bezirk entsteht Gemeinde- und geförderten Wohnungen. Weil sich nicht alle eine Eigen- tumswohnung kaufen können. Daher ist Ottakring ein grüner Bezirk mit Al- Aus den Wiener Vororten Neulerchenfeld sowie Alt- und Neuottakring ent- leen, Parks, vielen Kleingärten und dem Wienerwald. Weil sich nicht jede*r steht 1890 unser Bezirk Ottakring. Im kaiserlichen Wien – der Hauptstadt ein Haus im Grünen leisten kann. Daher ist Ottakring ein Bezirk, der ein eines multinationalen, multikulturellen und multireligiösen Reiches – wird gut ausgebautes soziales Netz mit einem der wichtigsten Spitäler Wiens, im Dezember des Jahres 1890 nach langjährigen Debatten im Wiener Tageszentren, einem Seniorenwohnhaus und anderes mehr hat, weil jeder Gemeinderat der Beschluss gefasst, die Wiener Vororte (mit Ausnahme Mensch im Alter bestmögliche Betreuung verdient. Und daher ist Otta- von Floridsdorf) in das Stadtgebiet einzubeziehen. Die Stadt wird dadurch kring auch ein Bezirk, der das friedliche Miteinander aller in diesem Bezirk sehr viel größer und hat nun 1.364.000 Einwohner*innen. Dadurch müs- Lebenden unterstützt und fördert. Durch kulturelle Initiativen, viele Orte sen auch Iängst fällige kommunale Aufgaben, wie z. B. Wasserversorgung, der Begegnung, die Spielplatzbetreuung, die Wohnpartner*innen, die Stadtreinigung, Kanalisation in den Außenbezirken sowie die Regelung der Gebiets betreuung und die vielen Vereine und Institutionen im Bezirk. Verkehrs- und Energieprobleme, neu bzw. besser organisiert werden.

Für uns ist die Geschichte der SPÖ Auftrag und Verpflichtung, nie zu ver- gessen, für wen die Sozialdemokratie Politik macht, und nie zu vergessen, „Die gute alte Zeit“ wohin ein Gegeneinander-Ausspielen, ein Schüren von Angst führt. Die Bevölkerung Wiens wächst Ende des 19. Jahrhunderts durch den Zu- Lassen wir diese Geschichte auf den folgenden Seiten Revue passieren. zug von Arbeitskräften aus den Kronländern und einen Anstieg der Gebur- Und schöpfen wir daraus die Kraft, dass Politik auch in schwierigen Zei- tenraten stark an. Ottakring ist ein wichtiges Zuzugsgebiet: Nach Favoriten ten durch konsequente Parteilichkeit für die arbeitenden Menschen und die leben hier damals die meisten Wiener Tschech*innen. Schwächsten in unserer Gesellschaft zu einem guten Leben für alle führt, un- In dieser Zeit blüht das „freie Unternehmertum“, der Adel und das abhängig von ihrem Einkommens, Geschlecht, ihrer Herkunft oder Religion. Bürgertum, die Industriellen, die Fabrikant*innen. Haus- und Grundbe- sitzer*innen werden immer reicher, errichten sich prunkvolle Palais und führen ein aufwendiges, luxuriöses Leben. Christian Oxonitsch Bezirksvorsitzender Diesem Luxus auf der einen Seite steht auf der anderen Seite die schranken- lose Ausbeutung der Arbeiter*innenschaft gegenüber. Die tägliche Arbeits- zeit beträgt damals zwölf Stunden und mehr, es gibt schlecht bezahlte Frau- P. S.: Trotz aller Sorgfalt, können Fehler passieren. Sollte Ihnen einer auffallen, en- und Kinderarbeit und keinerlei Vorsorge oder soziale Absicherung für oder Sie etwas vermissen, so schreiben Sie uns bitte. SPÖ Ottakring, Schuh- Arbeiter*innen im Alter, bei Krankheit oder Invalidität. Der Lohn reicht kaum meierplatz 17–18, 1160 Wien. E-Mail: [email protected] aus, die hohen Mieten für die kleinen Wohnungen zu bezahlen. Um die Mietkosten einigermaßen abzudecken, werden häufig Untermieter*innen bzw. Bettgeher*innen (Menschen, die stundenweise in Wohnungen beher- bergt werden, um ihnen eine Schlafmöglichkeit zu geben) aufgenommen, wodurch die schlechten Wohnverhältnisse noch verschlimmert werden.

8 9 Gegen dieses Wohnungselend, gegen „Arbeiter-Radfahrer-Bund Österreichs” bekannt wurde, zusammen. Diese Ausbeutung, Unrecht und Not, führt die Sozi- eigentliche Gründung des ARBÖ erfolgt im Ottakringer Wirtshaus „Zur aldemokratische Partei Österreichs von allem Bretze“, in der Brunnengasse 38 im 16. Bezirk. Da in diesem Lokal auch Anfang an einen entschlossenen Kampf. Trotz zahlreiche andere sozialdemokratische Veranstaltungen stattfanden, war starkem politischem Druck gelingt es Victor es auch als „Zur roten Bretze“ bekannt. Adler, zu Silvester des Jahres 1888/1889 in einem kleinen Ort in Niederösterreich, Hainfeld, die viele Jahre in Radikale und Gemäßigte gespaltene Partei zu einigen und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs zu gründen. Das erste 1. Mai-Abzeichen

Ottakrings Sozialdemokratische Partei

Schon einige Jahre vor dem Hainfelder Gründungsparteitag zeigen sich in Neulerchenfeld, wo vorwiegend Handwerker und Gewerbetreibende wohnen, Ansätze einer politischen Tätigkeit der Arbeiter*innenschaft, die von Franz Schuhmeier (1864–1913) und seinen Freunden, darunter Albert Sever (1867–1942), initiiert werden. Sein älterer Bruder kommt als Kind bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Dies ist der Grund, weshalb Schuh- meier zeitlebens so vehement gegen Kinderarbeit auftritt. Franz Schuhmeier Da politische Gruppierungen verboten sind, gründet Franz Schuhmeier mit Gleichgesinnten mehrere Vereine: einen als „Raucherklub“ getarnten Bil- dungsverein (1886), einen Tanzverein, den Arbeiterverein „Apollo“ (1889) Franz Schuhmeier ist auch Redakteur und Herausgeber der Zeitung „Volks- sowie Turn- und Sportgruppen – darunter den Arbeiter-Radfahrerverein tribüne“, die 1891 erstmals erscheint. Diese erfreut sich bei den Wiener „Bruderbund“. Sie bilden eine Art Vorstufe unserer Partei. Bei den regelmä- Arbeiter*innen wegen ihrer offenen Sprache großer Beliebtheit. Um die ßigen Zusammenkünften werden neben den Vereinsangelegenheiten poli- immer häufiger werdenden Wahlkämpfe finanzieren zu können, wird bei tische Probleme besprochen und Lösungen in sozialdemokratischem Sinne den Abonnent*innen der Zeitung eine freiwillige Spende, der sogenannte erarbeitet. Ziel ist es, die politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung „Wahlheller“, eingehoben. der Arbeiter*innenschaft in Staat und Gesellschaft zu erreichen. Diese mü- Dieser „Wahlheller“ ist als Vorläufer des späteren regelmäßigen Mit- hevolle Tätigkeit, von der Polizei immer wieder unterbunden, ist wesentliche gliedsbeitrags der Sozialdemokratischen Partei anzusehen. Mit einer Voraussetzung für unsere späteren politischen Erfolge. Sprengeleinteilung, also der Einteilung des Bezirkes in kleinere Gebiete, Am 30. April 1899 schließen sich elf Vereine mit etwa eintausend Mit- und mittels Hausvertrauenspersonen wird der Vertrieb der Zeitung sicher- gliedern zum „Verband der Radfahrvereine Österreichs“, der ab 1926 als gestellt und gleichzeitig eine wichtige organisatorische und finanzielle

10 11 Basis für die politische Arbeit geschaffen. Er entwickelte damit gemeinsam gibt es einen Festsaal, der 2.000 Personen fasst und ein großes eigenes mit Albert Sever und Anton David die bis heute noch bestehende interne Restaurant. Teil des Komplexes sind auch fünf Wohnhäuser mit 42 gut aus- Organisationsstruktur der österreichischen Sozialdemokratie. gestatteten Wohnungen. Etwa zur gleichen Zeit wird das neue Volksheim, die heutige Volkshochschule, am Koflerplatz (jetzt Ludo-Hartmann-Platz) fertiggestellt. Auch die arbeitenden Menschen im Bezirk erhalten so Zu- gang zu Kultur und Bildung.

Noch heute erkennt man die Strukturen der gründerzeitlichen Bebauung

Am 31. Mai 1900 finden in Wien Gemeinderatswahlen statt, bei denen es trotz eines ungerechten Kurien-Wahlsystems gelingt, erstmals zwei Sozial- demokraten in den Wiener Gemeinderat zu entsenden: Franz Schuhmeier aus Ottakring und Jakob Reumann aus Favoriten. In Ottakring verstärken die Sozialdemokrat*innen ihre Bemühungen zur politischen und kulturellen Arbeiterheim Ottakring Erziehung der Arbeiter*innenschaft durch regelmäßige Versammlungen, Kundgebungen und Konferenzen, wo über die politischen Aufgaben infor- miert wird. Den damals Herrschenden ist die politische Organisation der Wiener Ar- beiter*innen ein Dorn im Auge, und sie zögern nicht, Militär einzusetzen, 1901/1902 entsteht das erste Arbeiterheim Österreichs in Favoriten, der als es am 17. September 1911 zu Demonstrationen gegen die enorme Ver- Bau des Ottakringer Arbeiterheims im Bereich Klausgasse/Kreitnergasse teuerung der Grundnahrungsmittel kommt. Bei Zusammenstößen in Ottak- folgt bereits 1905. Als das Gebäude 1907 eröffnet wird, ist die Freude der ring finden die Genossen Franz Joachimsthaler, Franz Wögerbauer und Ottakringer Arbeiter*innen groß. Neben Büro- und Versammlungsräumen Otto Brötzenberger den Tod. Genosse Avrat wird schwer verletzt.

12 13 Wie sehr sich die politischen Verhältnisse gegen Ende der Monar- Sever, er verstirbt am 12. Februar 1942, ist chie zuspitzen und die Gewalt um sich greift, bezeugt das Attentat auf einer der prägendsten Ottakringer Politiker den Obmann der SDAP Ottakring, Franz Schuhmeier, der am 11. Februar der Ersten Republik. In einem Artikel der Ar- 1913 von Paul Kunschak durch Pistolenschüsse getötet wird. Um Franz beiter-Zeitung vom 25. November 1927 Schuhmeier, den Volkstribun aus Ottakring, trauert damals die gesamte ös- wird Albert Sever – zu dessen Ehre der terreichische Sozialdemokratie. Hunderttausende geben ihm damals das Marsch „Die roten Ottakringer“ kompo- letzte Geleit und zeigen den Rückhalt, den er bei den Ottakringer*innen niert wurde – dem pathetischen Duktus der genießt. Zeit entsprechend als „unvergessliche[r] Der Attentäter wird zum Tode verurteilt. Dem Gnadengesuch schließt Märtyrer, [der] das Echt-Wienerische – sich, als prinzipielle Gegnerin der Todesstrafe, auch die Witwe Schuh- man kann wohl sagen – das Ottakringe- meiers an. Zunächst wird das Urteil in 20 Jahre Kerker umgewandelt; am rische – im Wiener Proletariat darstellt“, 20. November 1918 wird Paul Kunschak im Zuge der allgemeinen politi- beschrieben. Gedenken an Schuhmeier schen Amnestie nach dem Ersten Weltkrieg begnadigt. Während der Kriegsjahre 1914–1918 und Sever wird – über die Schrecken und Entbehrun- gen des Krieges hinaus – auch die Tätigkeit der Partei stark behindert: Das Arbeiterheim muss als Krankenstation und Reservelazarett dienen.

Feldlazarett im Arbeiterheim Ottakring

Begräbnis Franz Schuhmeier Nach der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 erringen die So- zialdemokrat*innen bei den ersten, freien, gleichen und geheimen Wahlen Albert Sever (1867–1942), der Freund und Mitarbeiter Schuhmeiers, folgt am 16. Februar 1919 mit 40,8 Prozent der Stimmen 72 von 170 Mandaten ihm als Obmann der Ottakringer Bezirksorganisation. und werden zur stärksten Partei der jungen Republik. Die Christlichsozialen erhalten 69, die Deutschnationalen 27, die Jüdisch-Nationale Partei und

14 15 die Partei der sozialistischen und demokra- Das Rote Wien tischen Tschechoslowaken je 1 Mandat. Sozialdemokrat*innen und Christlichso- Die nun folgenden Jahre sind, vor allem in Wien, eine Zeit des Aufbruchs ziale bilden eine Koalitionsregierung, an und weitreichender, sozialdemokratischer Reformen. Von bürgerlich-konser- deren Spitze steht. Da Wien vativer Seite heftig bekämpft, verwirklichen die Sozialdemokrat*innen im damals auch die Hauptstadt Niederöster- Roten Wien viele ihrer sozialen Ziele. So werden in knapp 15 Jahren über reichs ist, wird durch die am 4. Mai 1919 60.000 gesunde, leistbare Gemeindewohnungen mit großen, grünen In- abgehaltenen Gemeinderatswahlen auch nenhöfen errichtet. Auch Kindergärten, Bäder, Sportanlagen, Büchereien, der Landeshauptmann von Niederöster- sowie neue Gesundheitseinrichtungen werden in Wien geschaffen. Die reich ermittelt: Albert Sever wird zum Lan- von Otto Glöckel angeführte Wiener Schulreform sorgt für neue, moderne deshauptmann von Niederösterreich und Lehrpläne, eine Demokratisierung des Schulwesens und erste Versuche des Jakob Reumann zum Bürgermeister von gemeinsamen Unterrichts der 6–14-Jährigen. Wien gewählt. Die große Mehrheit der Sozialdemokrat*innen in Wien hatte zur Mehrheit im niederösterrei chischen Land- Albert Sever tag geführt.

Unmittelbar nach der Wahl setzt daher eine Kampagne der bürgerlich-bäu- erlichen Schichten mit dem Ziel auf Gebietstrennung unter dem Motto „los von Wien“ ein, da sie ihre politischen Positionen nicht zur Gänze verlieren wollen; das führt im Jahr 1922 zur Trennung in zwei Bundesländer. Albert Sever, auch stellvertretender Wiener Obmann der SDAP, verliert dadurch die Funktion des Landeshauptmannes von Niederösterreich und zieht als Wiener Abgeordneter in den Nationalrat ein. Besonders populär und gleichzeitig jedoch heftig umstritten ist Sever durch eine auf ihn zurückzuführende Verordnung. Diese soll geschiedenen Das Ottakringer Bad in den Alt-Ottakring 1932, Personen, denen nach den Grundsätzen der katholischen Kirche eine neu- 1920er Jahren Friedmanngasse 46 erliche Verehelichung verboten war, aufgrund eines einfach zu erlangenden Dispenses des Landeshauptmanns die Wiederverheiratung ermöglichen. Durch diese sogenannten „Sever-Ehen“ werden tausende „wilde“ Ehen Unter Bezirksvorsteher Johann Politzer, einem gelernten Dreher, entstehen in in reguläre umgewandelt werden. Da sich Verfassungsgerichtshof und der Ottakring neue Erholungsstätten wie das Ottakringer Bad, das Kongressbad Oberste Gerichtshof in dieser Frage nicht einig sind, blieben die „Sever-Ehen“ und der Kongresspark. Auch die Wohnsituation im Bezirk verbessert sich durch auch später aufrecht. Wegen seiner Vorgangsweise wurde Sever von klerika- den Bau von insgesamt 25 städtischen Wohnhausanlagen und drei Siedlun- len Kreisen allerdings mit besonderer Gehässigkeit verfolgt; in der Arbeiterbe- gen, darunter der Adelheid-Popp-Hof, der Franz-Schuhmeier-Hof, der Karl- wegung gewann er jedoch außergewöhnliche Stärke und Autorität. Volkert-Hof, der Clemens-Pirquet-Hof und die Siedlung „Am Spiegelgrund“.

16 17 Sandleiten ist mit ursprünglich 1.576 Wohnungen der größte Gemeinde- bau der Ersten Republik. Die Anlage ist eine richtige „Stadt in der Stadt“, ausgestattet mit 75 Geschäftslokalen, einem Kindergarten und drei Kinder- horten, Ateliers und Werkstätten, Gast- und Kaffeehaus, Kino- und Theater- saal, Bibliothek, Kehrichtsammelstelle, drei Waschsalons sowie Apotheke und Postamt.

Johann Politzer Albert Sever am Tag des Kindes 1932

Schuhmeierhof Der größte Gemeindebau Wiens: Sandleiten

Schutzbundausweis

Kindergarten Sandleiten Bibliothek Sandleiten

Karl Seitz und Albert Sever bei Größere und besser ausgestattete Wohnungen und die sinkenden Belags- der Eröffnung des ziffern der Wohnungen zeigen eindrucksvoll die Leistungen sozialdemokra- Schuhmeierhofs tischer Politik für den Arbeiter*innenbezirk Ottakring:

18 19 Jahr Bevölkerung Wohnungen Belagsdichte 1890 106.861 25.890 4,1 1900 148.652 36.485 4,1 1910 177.687 44.107 4,0 1923 155.599 47.215 3,3 1934 149.610 51.857 2,9 Erinnerungsschrift zum Juli 1927: Viele 1951 117.9 62 50.409 2,3 Passagen und Bilder 1961 110 . 8 0 9 50.870 2,2 wurden konfisziert 1971 100.817 54.194 1,9 1981 87.446 52.686 1,7 1991 88.931 53.216 1,7 Nach der Ausschaltung des Parlaments durch Bundeskanzler Engelbert Doll- fuß am 4. März 1933, legt die christlichsoziale Regierung auch den Verfas- 2001 86.129 53.411 1,6 sungsgerichtshof lahm. Die Kommunistische Partei und die NSDAP werden 2011 95.694 57.339 1,7 Quelle: Statistische Jahrbücher der Stadt Wien, Statistiken Gemeinde (wien.gv.at) Wien ebenso verboten wie sozialdemokratische Zeitungen. Das Standrecht wird verhängt und damit ist die Todesstrafe in Österreich wieder möglich. Auch der traditionelle Maiaufmarsch der Sozialdemokrat*innen auf der Ringstra- Wichtige Errungenschaften auf dem Gebiet der Sozialpolitik sind die Ein- ße am 1. Mai 1933 und der Republikanische Schutzbund werden verboten, führung des Achtstundentages und der 48-Stunden-Woche, Anspruch auf während die faschistischen Heimwehren weiter legal agieren können. bezahlten Urlaub für Arbeiter*innen, das Verbot der Nachtarbeit für Frauen Als Dollfuß den paramilitärischen und Jugendliche, neue Mutterschutzbestimmungen sowie die Regelung der Schutzbund in Oberösterreich entwaffnen Versorgung bei Krankheit und Alter. will, stellt sich dieser am 12. Februar 1934 – unterstützt von vielen Genoss*innen – gegen Faschismus und Diktatur und ver- Der Februar 1934 sucht vergeblich die junge, parlamenta- rische Demokratie zu verteidigen. Die politischen Gegensätze zwischen den bürgerlich-konservativen Grup- Das Arbeiterheim Ottakring wird zu pen im Land und der SDAP spitzen sich von Jahr zu Jahr stärker zu und einem der Zentren des Widerstandes erreichen im Jahre 1927 einen ersten Höhepunkt. Nach der Verkündung gegen die austrofaschistische Regierung. des Freispruches für jene rechten Frontkämpfer, die in Schattendorf zwei Den Schutzbündlern und ihren Unterstüt- Personen erschossen hatten, kommt es am 15. Juli 1927 zu einer spontanen zer*innen stehen die Heimwehren, die Demonstration der Wiener Arbeiter*innenschaft, die mit dem Brand des Polizei und das Bundesheer gegenüber. Justizpalastes und einem Schießbefehl an die Polizei endet: 89 Tote und Während des Beschusses des Ottakringer Ida Sever über 1.000 Verwundete sind die Folge. Arbeiterheims sterben die Genoss*innen

20 21 Mathilde Skoda und Ida Sever, die Ehefrau des sozialdemokratischen Ottak- Josef Dangl, Ludwig Tuma, Josef Fidra und Anton Prybil – Mitglieder des ringer Bezirksobmanns Albert Sever, sowie Karl Christ, Heinrich Friesenecker, Republikanischen Schutzbundes Ottakrings, die das Arbeiterheim verteidig- Josef Krasser und Leopold Umyssa. Auch Genosse Franz Ludvicek ist unter ten – werden nach ihrer Verhaftung zum Tode verurteilt und erst nach Inter- den Opfern des Februar 1934. vention der britischen Labour Party – wie viele andere Kämpfer auch – zu langjährigen Kerkerstrafen begnadigt. Insgesamt sterben während der Februarkämpfe über 300 Menschen. Viele Sozialdemokrat*innen, darunter Otto Bauer und Julius Deutsch flüchten über die tschechoslowakische Grenze, andere werden in Österreich verhaf- tet und in Anhaltelagern interniert. Bald formiert sich sowohl im Exil als auch im Untergrund in Österreich Widerstand gegen die austrofaschistische Diktatur.

Austrofaschismus und Nationalsozialismus

Während des sogenannten „Ständestaates“ unter Dollfuß und Schuschnigg wird zwischen 1933 und 1938 durch die Ausschaltung der Demokratie und das Verbot der Kommunistischen Partei sowie der Sozialdemokrati- schen Arbeiterpartei in Österreich einer Entwicklung Vorschub geleistet, die Das Arbeiterheim Ottakring nach dem Beschuss es am 12. März 1938 ermöglicht, in Österreich einzumarschie- im Februar 1934 ren. Die überaus große Anschlussbegeisterung vieler Österreicher*innen darf hierbei nicht unerwähnt bleiben. Die nationalsozialistischen Massenverbrechen fordern Millionen von Toten.1 Der perfiden NS-Rassenideologie fallen mehr als sechs Millionen Juden und Jüdinnen in der Shoah zum Opfer. Millionen Kriegsgefange- ne, Roma und Sinti, Opfer von NS-Medizinverbrechen, Homosexuelle und politisch Andersdenkende werden im nationalsozialistischen Terrorregime ermordet. Der vom Deutschen Reich begonnene Zweite Weltkrieg führt zu mehreren Millionen toten Soldaten auf beiden Seiten der Front. Etwa 110.000 Österreicher*innen fallen dem NS-Regime zum Opfer, darunter ca. 66.000 Juden und Jüdinnen, die aus „rassischen“ Gründen ermordet werden.

Geschütze in der Hasnerstraße im Februar 1934 1 Eine genaue Opferzahl ist bis heute nicht auszumachen, Zahlen wechseln zwischen 50, 60 und 70 Millionen Toten.

22 23 Das jüdische Ottakring der Hubergasse sowie an anderen Standorten sind vor 1938 zahlreiche jüdische Wohltätigkeitsvereine tätig. Vor 1938 gibt es in Ottakring eine lebendige jüdische Gemeinschaft. Nach den Jahren der Verfolgung und Ermordung leben im Jahr 1946 Interessante Einblicke in das jüdische Leben der Ottakringer und Hernal- in Ottakring nur noch 75 Juden und Jüdinnen. Bis 2001 steigt die Zahl ser Vorstadt gibt das 2020 im Mandelbaum Verlag erschienene und von jüdischer Bewohner*innen nur geringfügig; es werden in diesem Jahr in Evelyn Adunka und Gabriele Anderl verfasste Buch „Jüdisches Ottakring Ottakring 112 Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde verzeichnet. und Hernals“. Laut der letzten Volkszählung vor dem Österreichs an Ein Beispiel für die grausame Verfolgung jüdischer Mitbürger*innen im NS-Deutschland wohnen in Ottakring im Jahr 1934 4.112 Mitglieder der Bezirk ist das Ehepaar Klein, das vor 1938 eine Eisenwarenhandlung in Israelitischen Kultusgemeinde. Dies macht 2,7 Prozent der gesamten Otta- Ottakring betreibt und nach dem Anschluss aus Österreich nach Belgien kringer Bevölkerung aus. fliehen muss. Von dort wird Elisabeth Klein, nach dem deutschen Über- Zentren jüdischen Lebens im Bezirk sind etwa die Synagoge in der Hu- fall auf Belgien, zunächst nach Ausschwitz deportiert und dann im KZ bergasse 8, gegründet in den Jahren 1885/1886 und zerstört während des Natzweiler-Struthof umgebracht. Ihr Ehemann Kálmán Klein wird von dem Novemberpogroms 1938. Während dieser gewalttätigen Ausschreitungen französischen Sammellager Drancy nach Ausschwitz deportiert und dort wurden in Ottakring sowie in ermordet. Heute erinnert ein Gedenkstein in der Ottakringerstraße 35 an den anderen Wiener Bezirken die beiden. zahlreiche jüdische Geschäfte Für über 130.000 Österreicher*innen bleibt bis 1942 das Exil die ein- und Wohnungen zerstört und zige Möglichkeit, sich zu retten. Die große Mehrheit sind Menschen, die geplündert sowie Juden und nach den NS-Rassekriterien als Juden und Jüdinnen verfolgt werden. Ein Jüdinnen verhaftet. Heute erin- bekanntes Ottakringer Beispiel hierfür ist die Familie Kuffner. Mitglieder der nert in der Hubergasse – wie aus Südmähren stammenden Familie Kuffner machten sich ab Mitte des an 25 anderen Orten in Wien, 19. Jahrhunderts in vielfältiger Weise im Bezirk verdient – unter anderem an denen vor dem November als Besitzer der Ottakringer Brauerei, aber auch als Politiker und Stifter. 1938 eine Synagoge stand – Nach dem sogenannten Anschluss wird gegen Moriz von Kuffner und ein Licht-Zeichen des Projektes seinen Sohn Stephan von Seiten der GESTAPO ein Verfahren eingeleitet, „OT“ an die antisemitische Zer- das sie der „staatsfeindlichen Betätigung“ und Kontaktnahme mit Otto von störungswut. Habsburg bezichtigt. Von den NS-Behörden werden die Kunst- und Brief- Vor 1938 gab es in Ot- markensammlung der Kuffners beschlagnahmt, deren umfangreiche Biblio- takring zudem das jüdische thek wird von der Nationalbibliothek eingezogen. Die Ottakringer Orts- Bethaus „Ahawath Scholaum“ gruppe der NSDAP zieht in das Palais der Kuffners ein. Moriz von Kuffner in der Lindauerstraße 5 sowie muss im Jahr 1938 den Brauereibetrieb verkaufen und mit seinen Söhnen das Bethaus in der Neulerchen- Hans und Stephan ins Exil fliehen. Er stirbt kurz nach seiner Emigration im felder Straße 64 „Scheweth Alter von 85 Jahren in Zürich. Die in den 1880er Jahren errichtete Kuffner- Achim“, mit angeschlossener Bi- Sternwarte trägt noch heute den Namen ihres Bauherren. Im Jahr 2017 wird Die Synagoge in der Hubergasse 8 belschule. In der Synagoge in auf Initiative des Vereins Steine der Erinnerung in der Johann-Staud-Straße 10

24 25 eine Gedenktafel für den Unternehmer, Mäzenen und begeisterten Alpinis- Floridsdorf und bedeutende Gebäude und Kulturstätten in der Innenstadt, ten Moriz von Kuffner angebracht. darunter die Oper, das Burgtheater, der Stephansdom und das Wiener In den Jahren von 1938 bis 1945 verstärkt sich in der Illegalität der Rathaus. Kampf vieler Genoss*innen gegen den Nationalsozialismus, trotz Ter- In Ottakring werden der städtische Straßenbahnhof am Joachimsthaler- ror und Konzentrationslager. Um die platz und der gesamte Fuhrpark schwerstens beschädigt, ebenso das 100.000 Österreicher*innen gehören Gebiet um den Brunnenmarkt. Die verheerendsten Luftangriffe finden am während der Zeit des Nationalsozia- 15. Jänner statt und treffen die Neulerchenfelder Straße und die Neuler- lismus dem Widerstand an. Laut den chenfelder Kirche. Im Februar 1945 folgen Bombentreffer unter anderem in überlieferten Polizei- und Gerichtsakten der Fröbel- und Liebhartsgasse. sind besonders viele Kommunist*innen im Widerstand aktiv. Wenngleich die Bedeutung und der Mut dieser Wider- Der April 1945 standskämpfer*innen keineswegs ge- Bis heute erinnert das Symbol der schmälert werden darf, so spielt er für Noch vor dem Einmarsch der russischen Truppen in Wien treffen sich sozialdemokratischen Freiheits- das Ende der nationalsozialistischen in der von deutschen Truppen geräumten Radetzky-Kaserne in Ottak- kämpfer*innen an die Zeit der Schreckensherrschaft in Österreich ring, Gablenzgasse 62, Vertrauenspersonen der ehemaligen Sozialdemo- Illegalität und des Widerstandes schließlich keine wesentliche Rolle. kratischen Arbeiterpartei des Bezirkes und Angehörige der Revolutionären Sozialisten. Unter der Leitung Karl Kyselas wird ein Ordnerdienst ins Leben gerufen und Maßnahmen beraten, die im Interesse der Bevölkerung für Befreiung und Wiederaufbau den Kontakt mit der russischen Kampfgruppe notwendig erscheinen. Karl Kysela wird der erste Nachkriegs-Bezirksobmann der Ottakringer Sozial- Anfang des Jahres 1945 wird deutlich, dass die deutschen Heeresverbän- demokrat*innen. Heute erinnern der Karl-Kysela-Hof und eine Gedenkta- de den Angriffen der alliierten Armeen an allen Fronten nicht mehr Ian- fel in der Thaliastraße 159 an den Nationalratsabgeordneten und Revolu- ge standhalten. Die tionären Sozialisten. Luftangriffe der Alliier- Trotz dieser Bemü- ten richten sich, nach- hungen kommt es in dem Wien einige Zeit den folgenden Tagen verschont geblieben zu Plünderungen und war, nun auch auf mili- Vergewaltigungen. Erst tärische und zivile Ziele nach Wochen ist es der Stadt. Die Bahnhöfe möglich, die Versorgung erleiden ebenso schwe- der Ottakringer Bevölke- re Schäden wie viele rung mit den allernotwen- Industriebetriebe in Favo- digsten Lebensmitteln zu Der Bahnhof Ottakring 1945 riten, Simmering und errei chen. Ottakring 1945

26 27 In Ottakring findet Anfang April 1945 eine Entwaffnungsaktion statt, die Pokorny, Rudolf Müller sowie dem späteren Bezirkssekretär Oswald Pilz von dem im März 1945 desertierten Sanitätsunteroffizier Heinrich (genannt und anderen, tätig ist. Nach der Übernahme der Kaserne durch russische „Heini“) Klein organisiert wird und die kampflose Übergabe der Bezirke Truppen wird das erste Bezirkssekretariat der Ottakringer SPÖ im Volkert- Ottakring und Hernals an die Rote Armee ermöglicht. Heinrich Klein hat hof in der Klausgasse 44 eingerichtet. Verbindungen zum im Jahr 1944 reorganisierten Kommunistischen Jugend- verband (KJV 44) und zur Widerstandsgruppe 05. Bei der Aktion wer- den die in Ottakring einmarschierenden Wehrmachtssoldaten und Volks- sturm-Männer (vor allem Jugendliche und alte Männer) vom KJV 44 zur Aufgabe ihrer Waffen im Tausch für Zivilkleidung überredet. Die Zivilklei- dung wird einer „Spinnstoff-Sammelstelle“ der NS-Volkswohlfahrt Sandlei- ten entnommen. Die Zeitzeugin Helene (genannt: „Helli“) Neuhaus erinnert sich an das damalige Motto: „Wien darf kein zweites Budapest werden.“ Sie erzählt, mit welchen Worten der KJV 44 den Wehrmachtssoldaten da- mals entgegentritt: „Wir haben ihnen gesagt: Schmeißt eure Waffen weg, der Krieg ist bald aus und geht’s z’haus.”2 Paul Vodicka, ein geborener Ottakringer und ebenfalls im KJV 44 an der Entwaffnungsaktion beteiligt, erinnert sich in einem Interview mit wohnpartner, dass er aus Hernals Wehr- SJ-Flugblatt 1945 machtssoldaten und Volkssturm-Männer nach Sandleiten zur Entwaffnung schickte: „Manche haben zwar etwas gezögert beim Gedanken, die Waf- fe abzugeben, aber bei den meisten war die Kriegsmüdigkeit schon so Bald wird bekannt, dass sich im „Roten Salon“ des Wiener Rathauses so- groß, dass wir sie nicht erst besonders überreden mussten.“ Durch diese zialdemokratische Vertrauenspersonen treffen, um politische und organisa- Entwaffnungsaktion finden in Ottakring beim Einmarsch der Roten Armee torische Maßnahmen für Wien zu beraten. So stellt am 14. April 1945 keine Kampfhandlungen statt. eine Delegation der Ottakringer Sozialdemokrat*innen unter Führung von Überall in Ottakring – Schwerpunkte liegen in den Gemeindebauten, Karl Kysela und Hilde Krones eine Verbindung zu den im Rathaus versam- wie dem Schuhmeierhof, dem Pirquethof und Volkerthof, in den „Jubiläums- melten Genoss*innen, darunter auch Adolf Schärf, der bald darauf zum häusern“ und in der Siedlung am Spiegelgrund – bilden sich Gruppen, die provisorischen Parteivorsitzenden gewählt wird, her. Außer Karl Kysela und eine Schutz- und Ordnerfunktion ausüben. Diese Ottakringer*innen nehmen Hilde Krones sind aus Ottakring noch Rudolf Müller, Otto Schmiedeck, bald Verbindung zur Zentralstelle in der Radetzky-Kaserne auf, wo Genos- Josef Czermak und August Horky bei der Beratung anwesend. In dieser se Karl Kysela, unterstützt von jüngeren Vertrauenspersonen, wie Heinrich Besprechung wird auch der neue Name der Partei – Sozialistische Partei Österreichs – beschlossen. Auf Verlangen jüngerer Genoss*innen wird die- ser Name noch mit dem Untertitel „Sozialdemokraten und Revolutionäre 2 Artikel von Alexander Maurer, „Schmeißt die Waffen hin, geht’s z’haus“. Vor 70 Jahren Sozialisten“ ergänzt. wurde Ottakring gewaltlos von der NS-Herrschaft befreit. Eine „Datenbank“ in Sand- leiten erinnert nun daran, 2015, online unter: https://austria-forum.org/af/Wissens- Eine Kamera war bei der ersten Sitzung im Roten Salon nicht dabei – erst sammlungen/Essays/Geschichte/Widerstand_Ottakring im Herbst wurde erstmals eine Vorstandssitzung fotografiert.

28 29 Noch in den Apriltagen wird eine provi- sorische Bezirksvertretung nominiert. Rudolf Müller, der zuerst als „Bezirksbürgermeister“ vorgesehen ist, lehnt ab; seine Begründung ist, dass er sich im kulturellen Bereich betä- tigen will. So werden dann in einer öffentli- chen Versammlung am Schuhmeierplatz vor der sogenannten „Habsburgerschule“, an der etwa 200 bis 300 Personen teilneh- men, Theobald Wiesinger von der KPÖ als „Bezirksbürgermeister“ und die Genossen Josef Jirava und Jaro Pazour als seine Ver- treter gewählt. Von links nach rechts sind hier zu sehen: Andreas Korp, , Während am Semmering noch gekämpft Hilde Krones, Anton Weber, Oscar Pollak, Gabriele Proft, Josef Enslein, Wahlplakat 1945 Karl Honay und Theodor Körner wird, findet am 29. April 1945 auf dem Helfortplatz ein Fußballspiel zwischen rus- sischen Soldaten und dem SK Helfort statt. Das erste provisorische Bezirkspräsidium wird gebildet, dem die Ge- Jeder Helfort-Spieler bekommt vom russischen Kommandanten nicht nur noss*innen Karl Kysela, August Scholz, Hilde Krones, Lina Swoboda und lobende Worte, sondern auch zwei Laib Brot. Der 1933 von den Sozial- als Sekretär Genosse Oswald Pilz angehören. Es ist bemüht, die Partei- demokraten zur Kommunistischen Partei übergetretene Ludwig Stecewicz organisation zu festigen und die Belange der Ottakringer Bevölkerung erinnert sich an die Stimmung der Apriltage 1945: gegenüber der russischen und später dann der französischen Besatzungs- „Als der Kanonendonner nur noch wie ein abziehendes Gewitter über macht möglichst wirksam zu vertreten. Bemerkenswert ist der Umstand, dass Wien zu hören war, begann die Jagd. Man jagte nach Lebensmitteln, nach überall im Bezirk die ehemaligen Vertrauenspersonen der 1934 verbote- Material für die beschädigte Wohnung und nahm die Spur der Verwand- nen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs initiativ werden und ten und Freunde auf. Hätte man in den Tagen, als der Rauch noch über dem von sich aus Parteisektionen gründen. Sie haben teils in Gaststätten oder in Stephansdom stand, von Sport, Musik, Kino oder Theater gesprochen, so den von den Nationalsozialisten verlassenen Lokalen ihren Sitz und treten wäre ,Narr‘ die vornehmste Bezeichnung gewesen. Zuerst kam das Fres- unverzüglich mit der Bezirksleitung in Verbindung. sen, und dann würde man weitersehen. Doch die Narren waren bald in Bewegung.“3 Gleiches gilt für die Vereinigungen und Verbände, deren Funktionär*innen, insofern sie nach Österreich zurückkehren konnten – viele befinden sich noch in der Emigration, Kriegsgefangenschaft oder in Konzentrations- lagern –, ohne zentralen Aufruf eine eigene Organisationstätigkeit aufneh- 3 Vgl. Ludwig Stecewicz, „Trotz Hunger waren die Sportnarren da“, in: Franz Danimann, men. Ebenso handeln die Kinderfreunde, die Roten Falken, die Sozialistische Hugo Pepper (Hg.), Österreich im April 1945. Die ersten Schritte der Zweiten Republik, Jugend, die ASKÖ und die Naturfreunde des Bezirkes. Europa Verlag: Wien u.a. 1985, S. 263.

30 31 Den 1. Mai 1945 feiern in Ottakring die Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen noch gemeinsam, und zwar am Matteottiplatz. Der Kon- flikt zwischen Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen wird allerdings für die nächsten Jahre prägend sein. Die Jugendarbeit im Bezirk wird von der Partei kräftig gefördert: Um die Kinderfreunde ist Genossin Paula Kratky bemüht, die Roten Falken or- ganisiert nach seiner Heimkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft Josef Srp. Die Sozialistische Jugend des Bezirkes wird von den Genoss*in- nen Franz Spitzer, Franz Edinger, Hubert Pfoch, Fritz Kopriwa, Kurt Scheifler, Leo Szedecsky, Hans Wezulek, Karoline Pluskal-Scholz und vielen ande- ren formiert. Die Sozialistische Jugend Ottakrings nimmt auch maßgebli- chen Anteil an der Zusammenfassung der sozialistischen Jugendgruppen in Wien. Josef Staribacher und Hubert Pfoch werden von Peter Strasser mit dieser Aufgabe betraut.

Hubert Pfoch und Josef Srp im Jahr 1945

Am 30. Juni 1945 findet im Wilhelminenspital (der heutigen „Klinik Otta- kring“), in der Kirche, die während des NS-Regimes säkularisiert wurde, die erste Bezirkskonferenz der SPÖ Ottakring statt. Vorher versammeln sich die Delegierten zur Kranzniederlegung bei den Gräbern von Franz Schuhmeier und Albert Sever. Bericht von der 1. Bezirkskonferenz der SPÖ Ottakring 1945

32 33 Während der Sommermonate werden politische Schulungsabende abge- ten und war beglückt über den Kontakt, den ich sofort fand. Bald erfuhr ich, halten. Die Sozialistische Jugend (SJ) veranstaltet im niederösterreichi- wie viele Genossen, die ich aus der Sozialistischen Arbeiterjugend kannte, schen Kritzendorf Intensivkurse, die jeweils eine Woche dauern und bei noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft daheim waren und wie viele gefal- denen prominente Vortragende über Theorie und Praxis des demokra- len sind und uns beim Wiederaufbau der Heimat fehlen werden. Hier spürte tischen Sozialismus referieren. man das Band der Solidarität und der Freundschaft! Dies ist auch eine gute Vorbereitung für den im Frühherbst einsetzenden Wahlkampf, bei dem die älteren Vertrauenspersonen ihre reichen Kennt- nisse und Erfahrungen in Anwendung bringen, während die Jugend die Wahlwerbung mit Flugblättern, Plakataktionen und Chorvorträgen in Ver- sammlungslokalen tatkräftigst unterstützt. Ottakring wird Teil der französischen Besatzungszone. Die französische Kommandantur befindet sich am Schuhmeierplatz. Erst 1957 wird dieses Gebäude schließlich zum Sitz des Bezirkssekretariats der SPÖ Ottakring. Schella Hanzlik, bis Februar 1934 mit Richard Kurfürst Bezirksvorsitzen- de der Sozialistischen Arbeiterju- gend Ottakrings, kehrt im Herbst 1945 aus dem englischen Exil nach Österreich zurück. Sie berichtet Wiener Frauenkomitee 1948, darunter die Ottakrin- über ihr erstes Zusammentreffen mit gerinnen Wilhelmine Moik (1. Reihe, 2. v. l.), Schella der Partei: Hanzlik (ganz links) und Hilde Krones (ganz rechts) „Als ich im November 1945 nach 7 Jahren aus der englischen Emigra- Die ersten Vorsitzenden des Bezirksfrauenkomitees von Ottakring waren tion zurückkehrte, kam ich nicht in Hilde Krones, Wilhelmine Moik und Lina Swoboda. Mini Moik, wie wir eine fremde, aber in eine sehr zer- sie nannten, leitete auch das Frauenreferat im ÖGB. Sie wurde ebenso wie störte Stadt. Mein erster Weg führte Hilde Krones in den Nationalrat entsendet. Lina Swoboda war Mitgrün- mich in das Bezirkssekretariat der derin des Pensionistenverbandes Wiens und Österreichs, der zunächst im SPÖ Ottakring, wo ich den Bezirks- Schoße der Ottakringer Partei entstanden ist. Unsere Tätigkeit war sehr viel- sekretär Oswald Pilz traf. ‚Heute ist fältig: Ausbau der Kontakte mit den Wählerinnen durch Abhaltung öffent- eine große Wählerversammlung im licher Veranstaltungen, Betreuung der weiblichen Mitglieder, Durchführung Weltspiegelkino, dort triffst du viele von zentralen Veranstaltungen wie ‚Internationaler Frauentag’ und ‚Wir rufen Schella Hanzlik Genossen und Genossinnen.’ Wirk- und ehren die Mütter’, Teilnahme an Konferenzen und Veranstaltungen. lich traf ich dort die Genossinnen Die von sozialistischen Gremien behandelten sozialpolitischen und Wilhelmine Moik und Lina Swoboda und viele Freunde aus der Jugendbe- kulturpolitischen Fragen, wie die Fristenlösung, Ehe- und Familienrecht, wegung. Ich durfte einige Worte der Begrüßung an die Versammelten rich- Konsumentenpolitik und anderes fanden stärkste Unterstützung in unserem

34 35 Bezirk. Viele Aktivitäten der SPÖ Wien, wo ich im Frauensekretariat tätig Ottakring entsendet Adolf Schärf, Hilde war, gingen von unserem Bezirk aus und wurden später auch von der Ge- Krones und Karl Kysela in den Nationalrat. meinde Wien übernommen. So wurde 1962 der ‚Klub der jungen Mütter’ In den Wiener Gemeinderat werden Karl gegründet. Die Mütter trafen sich einmal wöchentlich, um über aktuelle Honay, Josef Jirava, Paula Kratky, Rudolf politische, kulturelle, aber auch soziale Fragen zu diskutieren. Die Kinder Wallner und Johann Swoboda gewählt. Karl wurden währenddessen von einer Erzieherin der Ottakringer Kinderfreun- Honay wird Mitglied des Wiener Stadtsena- de betreut. Wichtige ‚Soziale Dienste’ der Gemeinde Wien, wie ‚Essen tes und mit dem Finanzwesen betraut. August auf Rädern’, ‚Wäschepflegedienst’, ‚Heimhilfe’, und anderes nahmen von Scholz wird Bezirksvorsteher von Ottakring. den sozialistischen Frauen Ottakrings ihren Ausgang. Diese Einrichtungen wurden in unserem Bezirk erprobt und sehr bald von der Gemeinde Wien übernommen, wo sie heute einen wesentlichen Bestandteil der intensiven Bezirksvorsteher August Scholz (ganz rechts) mit Bürgermeister Franz Betreuung bedürftiger Mitbürger bilden.” Jonas (2. v. r.) und Stadtrat Kurt Heller (2. v. l.) vor dem Wilhelminenspital

Wiederaufbau der Organisation

Das Bezirkssekretariat im Volkerthof wird bald zu klein. Das alte Arbeiter- heim in der Kreitnergasse 44 – 1934 zerstört und danach zu einem Wohn- haus umgebaut und der Wiener Städtischen Versicherung übertragen – kann nicht mehr reaktiviert werden. Der SPÖ Ottakring werden daher in der ehemaligen tschechischen Schule in der Possingergasse 2 entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Zu den Schwerpunkten der Arbeit der damals rund 1.200 Vertrauens- personen gehören nach 1945 zunächst der Wiederaufbau der Organisa- tion und die Festigung der Demokratie, die Beseitigung der Kriegsschäden und des Bombenschuttes sowie bezirksinterne Aufgaben, z. B. die Instand- setzung des Erholungsgebietes „Ruinenwiese“ und die Durchführung eines großen Festes, an dem 15.000 Besucher*innen teilnehmen. Wahlplakat 1945 Im Winter 1945/1946 sind die größten Sorgen der Mangel an Nah- rungsmitteln und Heizmaterial. Die Sprechstunden der Mandatar*innen Die ersten Nationalratswahlen nach Krieg und Faschismus finden am sind mit den Problemen der Heimkehrer, Wohnungsfragen und den Anfra- 25. November 1945 statt. Das Wahlergebnis ist eine Enttäuschung für gen von Arbeitsuchenden mehr als ausgefüllt. In einer Reihe von Versamm- die österreichische Sozialdemokratie, die 44,6 Prozent erhält und damit lungen werden politische Informationen weitergegeben und auch eine nur zweitstärkste Kraft hinter der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) wird. erste Werbeaktion durchgeführt.

36 37 nisation aus dem Jah- re 1934 heranreicht, aber doch mit Erfolg den schwersten Be- lastungsproben, wie der der Wahl im No- vember, erfolgreich standgehalten hat. Der unmäßig gestei- gerte Parteienverkehr, Wilhelmine Moik an ihrem Arbeitstisch 1957 bedingt einerseits Ottakring 1945 durch die katastro- phale Lage des Wirtschaftslebens, andererseits den Wohnungssorgen und dem Fehlen einer geregelten amtlichen Fürsorge, hat eine Anspannung des Auf die Politik der Wiener Sozialdemokrat*innen können Ottakringer Organisationsapparates erfordert, die oft nur mit Mühe bewältigt werden Vertrauenspersonen durch ihre Wahl in den Wiener Vorstand und in den konnte. Seit den ersten Tagen steht das Sekretariat im Ansturm eines Par- Parteivorstand entsprechenden Einfluss nehmen. So ist Karl Kysela in Mie- teienverkehrs, der an Tagen oft über hundert Genossen und Genossinnen ten- und Wohnbaufragen aktiv, Wilhelmine Moik im Gewerkschaftsbund umfasste. Um den dadurch entstandenen Anforderungen gerecht zu wer- und später als Vorsitzende der Wiener Frauen, Hilde Krones nimmt auf den, sah sich die Bezirksleitung gezwungen, ihre Räumlichkeiten aus der politischen und wirtschaftlichen Gebieten Einfluss. Schella Hanzlik sowie Klausgasse 44, dem ersten Provisorium, in die Tschechische Schule, Pos- Josef Kratky und Fritz Löwy (ein Überlebender des KZ) sind im Parteisekre- singergasse 28, einem leider nur zweiten Provisorium, zu verlegen. Hier tariat tätig. Hubert Pfoch wird 1946, in Nachfolge von Josef Staribacher konnte endlich an die Durchorganisierung des Bezirkes geschritten werden, Obmann der Sozialistischen Jugend Wiens. Karoline Pluskal und Hilde hier konnte der Wahlkampf eingeleitet und mit Erfolg beendet werden. Schrank-Hobl gehören dem Verbandsvorstand Nach dem Wahlkampf wurde die notwendig gewordene Umorganisie- der Sozialistischen Jugend an, und Hans Hobl rung des Bezirkes begonnen und nach wochenlanger, mühevoller Arbeit wird nach Franz Spitzer Obmann der Sozialis- abgeschlossen. Ende Dezember 1945 bestanden formell wohl noch die tischen Jugend Ottakrings. alten Sektionen, sie waren aber tatsächlich zum Teil schon in die neuen 27 Sektionen mit ihren 135 (Wahl)-Sprengeln umgebaut. Gleichzeitig wur- Der erste Organisationsbericht des Bezirks- den die Mitglieder, die in ihren Betrieben organisiert waren, an die zu- sekretärs Oswald Pilz zeigt die umfassenden ständigen Bezirke beziehungsweise Sektionen überwiesen. Die Mitglieder- Akti vitäten der Ottakringer Bezirksorganisation anzahl ist in gutem Ansteigen begriffen. im Jahr 1945 ganz deutlich auf: Hatte das Sekretariat schon durch die dreimalige Umstellung der Kartei „Achteinhalb Monate intensivster Arbeit ha- immense Arbeit zu leisten, so konnte es auf die Dauer nur in der Arbeitstei- ben im Bezirk eine Organisation geschaffen, die lung den Wünschen und Ansuchen unserer Parteimitglieder entsprechen. Wilhelmine Moik wohl noch nicht an das alte Vorbild der Orga- Daher wurden in der Folgezeit mehrere Referate geschaffen, eine Aktion

38 39 ,Kinder aufs Land‘ ins Leben gerufen, die in kurzer Zeit durch ihre Aktivität in ‚Ausbildungs-Sektion’, in deren Rahmen junge oder neu hinzugekommene Ottakring populär geworden ist. Für die Heimkehrer wurde eine Beratungs- Vertrauenspersonen auf ihre Mitarbeit in den Sektionen politisch, aber auch stelle eingerichtet und für unsere rechtsuchenden Genossen eine kostenlose im Hinblick auf organisatorische und administrative Erfordernisse vorbereitet Rechtsauskunft eröffnet. Regste lnanspruchnahme dieser und anderer errich- wurden, zählte zu den Maßnahmen, die für den gesamten Wiener Bereich teter Referate beweisen den Wert der Einrichtungen. Neben diesen Auf- als vorbildlich angesehen wurden. gaben musste ein Erhebungsdienst eingeführt werden, der Hunderte von Anfragen in der kürzesten Zeit zu beantworten hatte. All dieses und eine Desgleichen konnte sich auch die ‚kulturelle Arbeit’ dieser ersten Jahre sehen Unmenge Kleinarbeit an organisatorischen Aufgaben mussten unter allen lassen: Konzerte, Dichterlesungen, Referate über Fragen der Literatur, der bil- Umständen erledigt werden.“ denden Kunst, über allgemeine kulturelle Themen und solche weltanschauli- cher Natur standen am Programm und fanden bei unseren Mitgliedern ein Für die politischen und kulturellen Aktivitäten im Bezirk zeichnen die Genos- Echo – wie die noch vorhandenen Aufzeichnungen darüber bestätigen –, sen Franz Krones, Franz Meiss und Rudolf Müller sowie Heinrich Pokorny das unsere Erwartungen weit übertraf. Buchausstellungen und die Errichtung verantwortlich. Rudolf Müller, der seit 1945 dem Bezirksausschuss der der ,Albert-Sever-Studienbücherei‘ ergänzten diese Bemühungen. SPÖ Ottakring angehört, berichtet über das Engagement des Bezirks im Bereich Kultur und Bildung und über die Bedeutung des Kulturlebens in Zeiten materieller Not: „Der organisatorische Wiederaufbau der Bezirksorganisation Ottak- ring nach 1945 wurde von Anbe- ginn durch eine verantwortungsbe- wusste politische Schulungsarbeit unterstützt – für die es naturgemäß zum damaligen Zeitpunkt einen gro- ßen Nachholbedarf gab. Ebenso war aber auch die Erkenntnis leben- dig, dass es ein schwerwiegendes Versäumnis wäre, dabei den kultu- rellen Bereich zu vernachlässigen oder gar auszuklammern. Referate über Grundsatzfragen unserer Be- Sandleitenkino wegung und solche zu aktuellen Themen der damaligen Zeit trugen bei, einen soliden politischen Unter- Eine besondere Rolle kam dabei unseren ,Veranstaltungen im Sandleiten- bau für unsere Bezirksorganisation kino‘ zu: Als noch am Rande des Schleichhandelszeitalters der Vorschlag Veranstaltung im Sandleitenhof, zu schaffen bzw. diesen zu festigen. laut wurde, in Ottakring Theater zu spielen – und zwar das Beste, das die ca. 1947 Die spätere Errichtung einer eigenen Theaterstadt Wien zu bieten hätte –, meldeten sich zuerst einmal die Ge-

40 41 genargumente: sehr sachliche und beachtenswerte, daneben aber auch dann gehalten und ausgebaut werden kann, wenn Hand in Hand mit ihr solche, die im Grunde genommen nur ein Beweis dafür waren, wie uner- auch entsprechende Fortschritte im geistig-sittlichen Bereich zu verzeichnen lässlich es sei, gerade inmitten einer argen materiellen Not auch auf kultu- sind! Wir wissen, dass damit nicht grundsätzlich Neues entdeckt wurde rellem Gebiete ernsthafte Bemühungen anzustellen! […] und unser Versuch nur eine Anstrengung im Rahmen des großen Bemühens Wenn es in unserer österreichischen Heimat keine soziale Errungen- der Partei darstellt! Wir werden von heute auf morgen auch keine Berge schaft gibt, die nicht durch die Sozialistische Partei angeregt und erstritten versetzen, entsprechen aber, innerhalb der Grenzen einer Bezirksorgani- worden wäre – vom Achtstundentag über den sozialen Wohnbau bis zur sation, einer entscheidenden Aufgabe: Wegweiser zu sein auf einem der Sozialrente –, so kann auch nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, einflussreichsten Gebiete, nämlich dem des Theaters und des Films, indem dass die echte Sorge der Partei um den arbeitenden Menschen über die wir aus einer Flut von Nichtigkeiten, Schund und Schmutz das Echte und wirtschaftliche lnteressenvertretung hinaus auch das Gebiet der Kultur und Werthafte hervorheben. der Menschenbildung im Auge zu halten hat. Befreiung von aller Not heißt Schließlich stand an der Wiege dieser Morgenfeiern noch ein weite- Befreiung von aller wirtschaftlichen und politischen Not, heißt aber gleich- rer Anlass, der im Verlaufe ihrer Durchführung mehr und mehr an Bedeu- tung gewann: die Auseinandersetzung mit all jenen, deren Auffassung es war, dass echte künstlerische Leistungen von der breiten Masse abgelehnt werden; die vor jedem guten Theaterstück, jedem wertvollen Film als den sicheren Vorboten künftiger Defizite bangten. Diesen – nach unserer Auffas- sung – schlechten Rechnern, die meinen, man könnte, um den allgemeinen Fortschritt zu fördern, am Kulturramsch verdienen, ohne schwerwiegende geistige und politische Schäden zu verursachen, sollte u. a. auch mit diesen Veranstaltungen widersprochen werden. 50 Morgenfeiern mit klassischen und modernen Theaterstücken (darunter oft auch sehr schwierige, die an das Auffassungsvermögen der Zuschauer außerordentliche Anforderun- gen stellten) von Shakespeare, Moliere, Schiller, Nestroy, Anzengruber bis zu Shaw, Priestley, Katajew, Schnitzler, Weißenborn und Zuckmayer, 50 Morgenfeiern mit 50 vollen Sälen und einem frohen, nachdenklichen, aber auch ergriffenen Publikum, das ist eine Erfahrung und eine Aufforderung, die nicht übersehen werden kann! […]“

Morgenfeier im Sandleitenkino 1954 Der Anstoß für die Gründung der Wiener Volkshilfe im Jahre 1947 geht gleichfalls von Ottakring aus. Die Genossinnen Maria Pokorny, Anna Meiss zeitig auch Befreiung von allen geistigen Nöten, soweit eben unsere Kräf- und ihre Mitarbeiterinnen spielen dabei eine große Rolle. te dazu reichen. So wie die Sorge um ihr Kind für alle Eltern eine Sorge Das Jahr 1948 ist von einem Konflikt verschiedener politischer Strömun- um dessen körperliche und geistige Entwicklung ist, so wurzelt auch das gen in der Partei geprägt, der schließlich zum Parteiausschluss des SP-Zent- Verantwortungsbewusstsein der Partei gegenüber der Arbeiterschaft in der ralsekretärs Erwin Scharf führt. Scharf übt immer wieder Kritik an der Partei- Erkenntnis, dass – auf Dauer gesehen – jede soziale Errungenschaft nur führung und der Koalition mit der ÖVP, unter anderem am Parteitag 1947,

42 43 als er eine von 44 linkssozialistischen und linken sozialdemokratischen Genoss*innen unterzeich- nete Resolution vorträgt. Gegner*innen in der Partei werfen ihm eine prokommunistische Hal- tung vor. Nach einem Schiedsgerichtsverfahren wird ein einjähriges Redeverbot gegen Scharf verhängt, welches dieser mit der Broschüre „Ich darf nicht schweigen“ beantwortet. Darauf folgt sein Ausschluss aus der Partei.

Gabriele Proft, Bundes- Unter anderen meldet sich Genossin Gabriele frauenvorsitzende Proft – eine der ersten sozialdemokratischen 1945–1959, tritt nach Gemein derätinnen – zum Ausschluss Scharfs zu einem Vortrag von Wort: „Die Treue ist kein leerer Wahn, im Leben Franz Schuhmeier dem nicht und besonders dort nicht, wo es sich um Arbeiterbildungsverein politische Überzeugung handelt. Treue zur Par- „Apollo“ bei tei, zu unserer Gesinnung, ist das oberste Gebot eines Sozialisten.“ Bei der Ottakringer Bezirkskonferenz im Festsaal des Wilhelminenspitals wird der Parteiausschluss Scharfs heftig diskutiert, aber schließlich mit qua- lifizierter Mehrheit zur Kenntnis genommen. Im Zuge der Konferenz kommt es auch zum Versuch einiger Funktionär*innen, ein Misstrauensvotum gegen die stellvertretende Ottakringer Bezirksvorsitzende Hilde Krones, die mit Scharf befreundet ist und als Abgeordnete eng mit ihm zusammenarbeitet, zu erwirken. Die Ottakringer Genoss*innen stellen sich aber ganz deutlich hinter Krones: Von den etwa 400 Anwesenden stimmen nur fünf gegen sie. Auch am Landesparteitag 1948 wird der Ausschluss Scharfs kontrovers diskutiert. Krones hält eine Rede, in der sie ihre Kritik am Vorgehen der Partei zum Ausdruck bringt: „Ich scheue mich nicht, obwohl ich die Wellen des Misstrauens gespürt habe, es offen auszusprechen, dass ich es als tief tragische Situation für unsere Partei empfinde, dass es zum Ausschluss führen muss, wenn man der Auffassung ist, dass eine auf bestimmte Fragen beschränkte Aktions- gemeinschaft mit den Kommunisten unter Umständen zu einer bestimmten Festprogramm 1947 Zeit notwendig gewesen wäre, wobei zur gleichen Zeit der Gedanke der

44 45 ‚Schicksalsgemeinschaft’ mit dem Bürgertum nicht nur ohne weiteres vertre- lich gemacht. Neben der Behebung der Kriegsschäden entstehen auch ten, sondern sogar in die Praxis umgesetzt wird.“ in Ottakring die ersten Neubauten: Gemeindebauten mit insgesamt 324 Wohnungen in der Gablenzgasse (Adelheid-Popp-Hof), Artlgasse, De- Am 16. Dezember 1948 nimmt sich Genossin gengasse und Koppstraße. Hilde Krones im Alter von 38 Jahren das Leben. 1949 kommt es in Ottakring zur Gründung des Verbandes der Arbei- Der innerparteiliche Konflikt und die gegen sie ter-Unfall-Landarbeiterrentner und Gemeindebefürsorgten, dem heutigen geführte Diffamierungskampagne mögen nicht Pensionistenverband Österreichs. August Kaderavek, Lina Swoboda und die einzigen, aber doch wichtige Gründe für Josef Makas werden auf der Gründungsversammlung am 17. September ihren Selbstmord gewesen sein. Krones Tod löst als Obleute gewählt. Damit gibt es eine sozialdemokratische Organisati- trotz aller Gegensätze unter den Vertrauensper- on, die die Interessen der älteren Generation vertritt. Der Verband zählt sonen der SPÖ Ottakring große Trauer und Er- zunächst 900 Mitglieder, heute gehören ihm fast 400.000 Mitglieder an. schütterung aus. Auch im offiziellen Partezettel der Wiener Landesorganisation heißt es: Für die am 1. Oktober 1949 festgelegten Wah- Hilde Krones „In voller Schaffensfreude hat sie ihr ganzes len zum Nationalrat und dem Wiener Ge- Leben der sozialistischen Idee gewidmet. Wir verlieren mit ihr eine unserer meinderat sind die 1945 noch vom Wahlrecht Besten.“ ausgeschlossenen, ehemaligen Nationalsozia- list*innen – sofern sie als minderbelastet einge- stuft wurden – erstmals wieder wahlberechtigt. Der Kampf um die Wiedergutmachung Hauptsächlich durch ihren Einfluss gelingt es dem Verband der Unabhängigen (VdU) 16 Mandate Nach 1945 setzen die Bemühungen um eine Wiedergutmachung für das zu erreichen. verlorene Ottakringer Arbeiterheim ein. 1955 erhält die Partei für den Ver- Bei diesen Wahlen werden der Verbandsob- lust des alten Arbeiterheimes in der Kreitnergasse die „Habsburgerschule“ mann der Sozialistischen Jugend Österreichs, Wahlplakat 1949 am Schuhmeierplatz zugewiesen. In der Nazizeit als Gauhaus genutzt, Peter Strasser, in den Nationalrat und der Ob- wird das Gebäude 1945 von der Roten Armee besetzt und dient später mann der Sozialistischen Jugend Wiens, Hubert auch der französischen Besatzungsmacht als Kommandantur. Heute befin- Pfoch, in den Wiener Gemeinderat gewählt. den sich an dieser Stelle der Albert-Sever-Saal und eine Wohnhausanlage Im November 1949 stirbt plötzlich und unerwartet der Obmann der der Sozialbau AG mit 102 Wohnungen. SPÖ Wien, Baustadtrat Franz Novy. Der Ottakringer wurde 1927 Bezirks- Im Wahljahr 1949 werben die Wiener Sozialdemokrat*innen mit dem rat und 1932 in den Wiener Landtag und Gemeinderat entsandt. Die 1954 bereits begonnenen Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Welt- fertiggestellte städtische Wohnhausanlage, die an der Stelle des soge- krieg. In Ottakring werden 52 Bombentrichter eingeebnet, 10.000 m2 nannten „Negerdörfls“ – einer provisorischen Notstandssiedlung aus dem neue Straßenflächen geschaffen und 52.000 m3 Schutt weggeräumt. 19 Jahr 1911– entsteht, wird ihm zu Ehren „Franz-Novy-Hof“ benannt. Die Be- Parkanlagen, die während des Nationalsozialismus als „Grabeland“ zum zeichnung der ursprünglichen Armensiedlung kommt von dem wienerischen Anbau von Lebensmitteln genutzt wurden und 1945 als provisorische Fried- Wort „Negerant“ (abgeleitet von „zur Neige gehen“), das so viel bedeutet höfe dienten, werden wieder für die Erholung der Bevölkerung zugäng- wie „pleite sein“.

46 47 dem Krieg handeln die Sozialpartner jedes Jahr verbindliche Lohn- und Preissteigerungen aus, um mit der drohenden Inflation umzugehen. Das 4. Lohn- und Preisabkommen wird im September 1950 bekannt gegeben und sieht massive Teuerungen ab 1. Oktober vor (Mehl wird etwa um 64 Prozent teurer, Brot um 26 Prozent), die durch eine Lohnerhöhung von zehn Prozent und eine Anhebung der staatlichen Ernährungsbeihilfe für Kinder ausgeglichen werden sollen. Das Abkommen ist in der Arbeiter*in- nenschaft umstritten, so kommt es Ende September zu ersten Arbeitsnie- derlegungen in Oberösterreich und Wien. Bald folgen Arbeiter*innen in anderen Bundesländern und eine von den kommunistischen Gewerk- schaften und der KPÖ unterstützte Streikbewegung entsteht. Das sogenannte „Negerdörfl“

An der Grundsteinlegung des neuen Gemeindebaus nehmen Bürgermeister Franz Jonas und Bundespräsident Theodor Körner teil. Das auf der Fassade des Hauses (Koppstraße/ Pfenninggeldgasse) ange- brachte Mosaik thematisiert das eindrucksvolle Wohn- bauprogramm der Wiener Sozialdemokratie: Im Franz- Novy-Hof kommt schließlich auch die hunderttausendste Gemeindewohnung Wiens zur Vergabe. Auch die In- schrift an der Fassade kann Streik im Oktober 1950 als Symbol für das Wirken Franz Novys gelten: „Wo sich ein Kreis von Nach einer von den Kommunist*innen organisierten gesamtösterreichi- Schöpfern findet, wächst schen Betriebsrätekonferenz kommt es Anfang Oktober zu weiteren hunderttausendfach die Streiks und Straßenkämpfen zwischen kommunistischen Streikenden, Saat, denn Menschen, Zeit der Polizei und Mitgliedern der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft, und Raum verbindet, zum die von Franz Olah geführt wird. In Ottakring werden Arbeitsnieder- Wohle immer nur die Tat.“ legungen in Betrieben wie Email oder Werner & Pfleiderer von „Kunst am Bau“: der Franz-Novy-Hof In den ersten Jahren nach der sozialdemokratischen Gewerkschaftsfraktion verhindert. Der ÖGB

48 49 lehnt die Streiks strikt ab, in der kommunistischen Agitation wird ein Putsch- Zu dieser Zeit werden auch Bemühungen verstärkt, um vom Restitu- versuch vermutet. tionsfonds der Sozialdemokratischen Organisationen die Rückgabe bezie- hungsweise eine entsprechende Entschädigung für das im Jahr 1934 ge- raubte Vermögen, insbesondere für das ehemalige Arbeiterheim Ottakring, zu erreichen. Dieses wurde, wie erwähnt, nach dem Februar 1934 der Wiener Städtischen Versicherung übertragen, die nach befohlener Schlei- fung des Versammlungssaales das Arbeiterheim als Wohnhaus umgestalte- te. Das Ergebnis dieser langjährigen Verhandlungen: Dem Fonds werden die Liegenschaft und das Objekt „Schule am Schuhmeierplatz“ übereignet. Das Schulungs- und Bildungsreferat, die in der ASKÖ-Ottakring zusam- mengefassten Sportvereine, die Roten Falken und die Sozialistische Jugend Rollkommando bei einer des Bezirkes entfalten eine weitgefächerte Organisationstätigkeit. Als Bei- Fabrik in Favoriten, 1950 spiele in politischer und kultureller Hinsicht sei auf die große Zahl von poli- tischen Veranstaltungen und Versammlungen hingewiesen und auf die Frei- lichtveranstaltung im Jahre 1951 am Helfortplatz, wo sich zu Shakespeares Aus heutiger Sicht ist diese Vermutung äußerst zweifelhaft, es ging den „Ein Sommernachtstraum“ über 1.000 Zuseher*innen einfinden. Kommunist*innen damals wohl eher darum, mehr Einfluss in der Gewerk- schaftsbewegung zu erringen. In Folge der „Oktoberstreiks“ werden fast alle Vertreter*innen der KPÖ 1952: Das „Jahr der Jugend“ aus den hohen Gremien des ÖGB und der verschiedenen Gewerkschaf- ten ausgeschlossen. Das Jahr 1952 ist von der Jugend geprägt. Höhepunkt ist das „Internatio- nale Lager der Sozialistischen Jugend“ (IUSY-Camp) im Hörndlwald, an dessen Abschlussveranstaltung 30.000 Jungsozi- Die Wegbereiter treten ab alist*innen aus aller Welt teilnehmen. Aber auch die von den Kinderfreunden gestaltete „Jugend- Der Tod von Bundespräsident Karl Renner am 31. Dezember 1950 und weihe“, zu der die schulentlassenen Mädchen Altbürgermeister Karl Seitz am 3. Februar 1950 trifft die Ottakringer und Burschen eingeladen werden und das Fest Genoss*innen schwer. Auch Karl Hohenberg, der noch als Ottakringer zum sechzigsten ASKÖ-Jubiläum bieten den Ju- Delegierter am Hainfelder Parteitag teilnahm, stirbt in diesem Jahr. Unser gendlichen Gelegenheit zu feiern. Bezirkssekretär Oswald Pilz übersiedelt 1950 nach Kapfenberg, wo er später Betriebsratsobmann der Angestellten der Böhlerwerke und Vizebür- germeister wird. Ihm folgt auf Vorschlag der Kinderfreunde als Sekretär Sonderpostmarke IUSY-Camp 1952. Diese Sonder- Franz Martinuzzi. Er entwickelte ein strenges administratives Organisa- postmarke erschien aus Anlass des Internationalen tionssystem, das zwar vorerst bei den Vertrauenspersonen auf Widerstand Großlagers der Internationalen Union der Sozialis- stößt, schließlich aber doch äußerst erfolgreich ist. tischen Jugend von 1. bis 10. Juli 1952 in Wien.

50 51 Die regelmäßigen Theateraufführungen im Sandleitenkino – als Morgen- Die „Sommerfeste auf der „Ruinenwiese“ (später „Sonnenland Schuhmeier“) feiern der SPÖ Ottakring veranstaltet – sind stets gut besucht. Vor den Film- bereiten vielen tausenden Besucher*innen Freude und Entspannung. vorführungen im Welt spiegelkino unter dem Motto „Der gute Film“ halten Mandatar*innen des Bezirkes jeweils kurze politische Ansprachen und er- reichen so die Ottakringer Bevölkerung.

Morgenfeier im Sandleitenkino in den 1950er Jahren Das Programm zum Sommerfest auf der Ruinenwiese 1952

Veranstaltung im Weltspiegelkino in den 1950er Jahren

An einem Freundschaftstreffen der SPÖ Ottakring mit der SPÖ Deutsch Jahrndorf im Burgenland beteiligen sich 1.000 Mitglieder und Vertrauens- personen des Bezirkes. 27 städtische Autobusse bringen die Gruppe mit Franz Jonas am Sommerfest Sommerfest der SPÖ Ottakring auf der einer „Reisegeschwindigkeit“ von 30 Stundenkilometern ins Burgenland. auf der Ruinenwiese 1952 Ruinenwiese 1955

52 53 Nach dem Katastrophenhochwasser im Juli 1954 betreuen die Kinder- Auf dem Gebiet des Schul- freunde des Bezirkes 52 Kinder aus gefährdeten Gebieten. Im gleichen wesens wurden für die Behe- Jahr werden die städtischen Wohnbauten in der Wernhardtstraße 12–16, bung der Kriegsschäden und Payergasse 18 und Koppstraße 6 eröffnet. verschiedenen Instandsetzungs- Die Wiener Gemeinderatswahl vom 17. Oktober 1954 bringt uns gro- arbeiten an 15 Schulen des Be- ße Erfolge: In Ottakring erreicht die SPÖ 49.356 Stimmen. Die ÖVP erhält zirkes 11,3 Millionen Schilling 20.370 Stimmen, während die KPÖ 6.778 und die WDU (=Wahlpartei investiert. Einer der dringends- der Unabhängigen) 3.391 Stimmen für sich gewinnen können. ten Wünsche der arbeitenden In seiner Ansprache anlässlich der Konstituierung der Bezirksvertretung Bevölkerung Ottakrings auf 1954 erklärt August Scholz als Bezirksvorsteher: dem Gebiete des Schulwesens wird noch der Verwirklichung „Es ist jetzt das erste Mal, dass nach 20 Jahren wieder eine auf demo- zugeführt werden müssen, in kratischer Grundlage von der gesamten Bevölkerung gewählte Bezirksver- der Form der Vergrößerung der tretung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammentritt. Tagesheimschule. Nach den Wahlen im Jahre 1945 wurde im März des folgenden Jahres In diesem Zusammenhang die Arbeit der provisorischen Bezirksvertretung aufgenommen. Damals ist können wir auch darauf hin- die Bezirksvorstehung vor Aufgaben gestanden, wie noch niemals vorher weisen, dass die Bezirksvertre- eine Bezirksvertretung sie zu lösen hatte. tung bemüht war, den Schul- Wahlplakat 1954 2.499 Wohnungen sind durch Kriegseinwirkung zerstört worden. kindern Ottakrings ihre engere 52.000 m³ Schutt lagen in den Straßen des Bezirkes, von denen nach einer Heimat näherzubringen, und Meldung vom 17. Juni 1949 noch 17.000 m³ abzutransportieren waren. am 18. Mai 1952 das Ottakringer Heimatmuseum im Amtshause eröffnete. Es ist der Bezirksvertretung in den vergangenen 9 Jahren ihres Wirkens Wir können stolz darauf sein, sagen zu können, dass wir mit dieser Insti- gelungen, im Zuge der Gesamtbehebung der Kriegsschäden der Stadt tution sowohl inhaltlich als auch ausstattungsmäßig das schönste Wiener Wien, auch Ottakring nicht nur von den Spuren des Krieges freizumachen, Heimatmuseum besitzen. sondern durch planvolle Neugestaltungen unseren Bezirk schöner zu ma- An Gartenanlagen wurde eine Riesenfläche von 120.000 m2 mit einem chen, als er jemals war. Wenn wir heute auf die nicht nur wieder instand- Kostenaufwand von 2,4 Millionen Schilling wieder instandgesetzt. gesetzten, sondern auch verschönerten Parkanlagen unseres Bezirkes, mit Im Zuge des Ausbaues und der umfangreichen Instandsetzungsarbei- den zum Teil modernst eingerichteten Spielplätzen für Kinder, hinweisen ten im Wilhelminenspital wurden für Adaptierungen, Erweiterungen, unter können, wenn wieder 11 Kindergärten mit 41 Gruppen, in denen 1.400 anderem Errichtung einer Blutbank, einer Röntgenabteilung, Neubau eines Kinder untergebracht sind, aufscheinen, so ist dies um 1 Kindergarten mehr, Schwesternheimes, rund 20 Millionen Schilling verausgabt. als 1934 vorhanden waren. Ein Kindergarten, der nicht nur der 1. Dachkin- […] Eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben hat die Stadtver- dergarten Wiens, sondern ganz Europas ist. Wir können auch in diesem waltung, in Zusammenarbeit mit den Bezirksvertretungen, bei der Behe- Zusammenhang auf unsere Budgetwünsche 1955 hinweisen, worin wir die bung und Linderung der Wohnungsnot zu bewältigen. Notwendigkeit begründeten, am Ludo-Hartmann-Platz einen weiteren Kin- Ottakring hat den höchsten Prozentsatz an Kleinwohnungen aller Wie- dergarten zu erbauen. ner Bezirke zu verzeichnen. Noch dazu sind rund ein Viertel aller Wohn-

54 55 häuser an die 100 Jahre und darüber alt. Wenn wir in den abgelaufenen Aufschwung in Ottakring Jahren zirka 40 Wohnhäuser auf Grund baubehördlicher Entscheidungen von Mietparteien räumen mussten, so zeigt dies klar und deutlich die Sün- Im Jahre 1955 kommt es zum Ab- den und Unterlassungen der Vergangenheit. In diesem Zusammenhang schluss des österreichischen Staats- kann die Bezirksvorstehung mit Stolz darauf verweisen, dass die Notstands- vertrages und zum Abzug der Alli- häuser, deren Baubestand nur für 10 Jahre gedacht war, nach 40 Jah- ierten. Am 26. Oktober 1955 erklärt ren trotz der schwierigen Verhältnisse abgetragen wurden. Es ist dadurch Österreich per Bundesverfassungs- möglich geworden, auf diesen freigemachten Gründen einen neuen Be- gesetz seine immerwährende Neu- zirksteil entstehen zu lassen. Es werden in diesem Gebiete, welches 128 tralität. Zimmer-Küche-Wohnungen beherbergte, in 5 Bauraten 600 neue, moder- Der Wunsch nach einem neuen ne Wohnungen erstehen. Durch die Abtragung der Schwesternbaracken in Zentrum der Ottakringer Sozialde- der Montleartstraße gelingt es, auch dort in 3 Bauraten eine ebenso große mokratie wird konkret. Nach Grün- Wohnhausanlage neu zu schaffen. dung der Ottakringer Baugenossen- schaft (später Teil der Sozialbau) beginnen die Arbeiten zum Ab- bruch der ehemaligen „Habsburger- schule“ am Schuhmeierplatz.

Jahresbericht über das Jahr 1955 mit einer Erstansicht des Neubaus am Schuhmeierplatz

In Folge entstehen die neuen Ge- bäude: der Albert-Sever-Saal, das Bezirkssekretariat und 102 Genossen- Der Fleminghof wurde 1954–1957 errichtet schaftswohnungen. In dieser Zeit wird das Bezirkssekretariat vorübergehend Wenn die Gemeinde Wien in Ottakring durch den sozialen Wohnungsbau in die Liebhartsgasse 56 verlegt, wo von 1948 bis heute 1.047 Wohnungen fertigstellen konnte, 812 derzeit sich heute der Gerhard-Hanappi-Hof in Bau sind und nach dem Bauprogramm 1955 465 Wohnungen noch befindet. gebaut werden sollen, so können wir sagen, dass diese Summe von 2.324 Von 1955 und 1959 wird außer- Wohnungen aus Mitteln der Gemeinde Wien schon einen sichtbaren dem am Nordrand der Schmelz die Schritt zur Bekämpfung des Wohnungselends darstellt. Ich weiß, dass wir Wohnhausanlage „Berliner Hof“ in auf diesem Gebiet noch vor großen Aufgaben stehen, die aber trotz aller Gablenzgasse, Teil der Wohn- der Gablenzgasse und Koppstraße Schwierigkeiten gelöst werden. […]“ hausanlage „Berliner Hof“ errichtet.

56 57 Ein Fackelzug und eine Festansprache des Genossen Karl Kysela begleiten Die Errichtung des „Jugendzentrums im Alten Ort“, der Ausbau des Wil- die Feier „60 Jahre Naturfreunde Österreichs“ im Volkerthof am 15. Sep- helminenspitales und weitere Wohnbauten zeigen, dass sich der Bezirk tember 1955. Der Ottakringer Abgeordnete zum Nationalrat Karl Volkert ständig weiterentwickelt. (1868–1929) hatte neben Karl Renner eine zentrale Rolle bei der Grün- Genosse Karl Rösner, der sich stets durch seinen großen Einsatz für den dung der Naturfreunde gespielt. Arbeiter*innensport ausgezeichnet hat, übernimmt 1958 das Gemeinde- Um der Jugend zweckmäßigen, modernen und erschwinglichen Wohn- ratsmandat von Johann Swoboda. raum zu schaffen, gründen die Genossen Hans Bock und Hubert Pfoch den Am 5. Juni 1959 stirbt unvermutet Vizebürgermeister Karl Honay. Seit Wohnbauverein Junge Generation. frühester Jugend war Honay in der sozialdemokratischen Bewegung ak- Am 4. Jänner 1957 stirbt Bundespräsident Theodor Körner, einer der tiv. 1932 in den Wiener Gemeinderat gewählt, wurde er aufgrund seiner einflussreichsten Politiker der vorhergehenden Jahrzehnte. Am 5. Mai 1957 politischen Gesinnung zwischen 1934 und 1945 verfolgt und eingesperrt. wählt die österreichische Bevölkerung mit absoluter Mehrheit den Kandi- 1945 wurde er schließlich wieder in die Wiener Landesregierung berufen daten der SPÖ, Adolf Schärf, zu seinem Nachfolger. In Ottakring erhält und arbeitete dort als Ottakringer für ganz Wien. Schärf sogar mehr als zwei Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen. 1958 gibt es heftige Diskussionen über den Bau einer Müllverbren- nungsanlage bei der Siedlung Spiegelgrund, deren Notwendigkeit von Bezirksvorsteher Scholz zunächst gegen den heftigen Widerstand in den Ottakringer Parteigremien vehement vertreten wird.

Karl Honay Karl-Honay-Gedenktafel, Gablenzgasse 82–86

Bei der Jahreskonferenz der SPÖ Ottakring 1959 im Albert-Sever-Saal hält Besichtigung der Müllverbrennungsanlage Müllverbrennungsanlage Karl Kysela fest: Flötzersteig durch Adolf Schärf und Bürger- Flötzersteig meister Franz Jonas im September 1962 „Genossinnen! Genossen! Die diesjährige Bezirks-Jahreskonferenz, die fünfzehnte nach 1945, ist die erste in unserem eigenen Heim. Die feier- liche Eröffnung des Saales erfolgte am 25. April 1959 im Beisein vieler

58 59 prominenter Vertreter der Zentralpartei, der Wiener Landesorganisation, Bei den Wahlen für den Nationalrat am 10. Mai erhielten wir um un- der Gewerkschaft und anderer Organisationen. Die Eröffnungsrede hielt gefähr 25.000 Stimmen mehr als die ÖVP. Wir konnten vier Mandate ge- unser Landesobmann Bürgermeister Franz Jonas. Dieser Saal wurde dem winnen und erreichten 78 Sitze im Parlament. Die ÖVP verlor drei Mandate Angedenken Albert Severs gewidmet und ihm damit ein ehrendes und blei- und fiel von 82 auf 79 Sitze zurück. Die FPÖ erreichte 8 Mandate, und die bendes Denkmal gesetzt. KPÖ ging leer aus. Ebenso erfolgreich waren die Wahlen für uns am 25. Oktober, für den Wiener Landtag, den Gemeinderat und den Bezirksrat. Die Partei konnte zu den 59 Mandaten, welche wir seit den Wahlen des Jahres 1954 inne- hatten noch eines dazugewinnen, also mit 60 Gemeinderäten ins Rathaus einziehen. Im Bezirksrat konnten wir um ein Mandat mehr erzielen als im Jahre 1954. Von 30 Mandaten besetzen wir nun 20. Ein schöner Erfolg!“

Generationswechsel in Ottakring

Die 1958 gegründete Junge Generation wird zu Beginn der 1960er in die Partei eingegliedert und soll den Übergang von der Sozialistischen Jugend in die Parteiorganisation erleichtern, junge Menschen ansprechen und ihre Interessen vertreten. In Ottakring wird ein allmählicher Generationenwech- sel von Karl Kysela unterstützt. Im Rahmen einer „Ausbildungssektion“ erfolgt die politische und organisatorische Schulung junger Mitarbeiter*innen. An Sonntagen wird im Albert-Sever-Saal ein Fünf-Uhr-Tee eingeführt, der auch Eröffnung Albert-Sever-Saal 1959 den Funktionär*innen Gelegenheit zu politischen Gesprächen bietet. Im Herbst 1960 legt Bezirkssekretär Martinuzzi seine Funktion zurück, Das Jahr 1959 war ein arbeitsreiches, wie aber auch rückblickend festge- um sich ausschließlich dem genossenschaftlichen Wohnungsbau zu wid- stellt werden kann, ein sehr erfolgreiches Jahr. Vier Wahlen mussten be- men. Genossin Heidi Menczik, eine Mitarbeiterin im Bezirkssekretariat, die stritten werden. Wie erinnerlich, sabotierte die ÖVP in der Regierung eine bereits 1945 als SJ-Funktionärin tätig war, wird als neue Sekretärin bestellt. positive Arbeit. Das Parlament wurde frühzeitig aufgelöst und Neuwahlen Josef Kratky, Wiener Sekretär und seit 1959 Mitglied des Bundesrates, für den 10. Mai ausgeschrieben. Ursprünglich sollten die Wahlen für den wird nach Rücklegung des Nationalratsmandates von Franz Olah (dieser Nationalrat gemeinsam mit den Wahlen für den Wiener Gemeinderat, die demonstrierte damit gegen die ungenügende Beachtung der Forderungen für den Herbst vorgesehen waren, abgehalten werden. Die Wiener Sozia- des ÖGB bei den Budgetverhandlungen der Regierung) in den National- listen verblieben bei dem Herbsttermin. Sie haben es abgelehnt, den Wie- rat entsandt. Im Bezirk wird mit dem Bau der „Grundsteinschule“ und mit ner Gemeinderat früher aufzulösen. Die Wahlen am 25. Oktober haben dem Neubau der Spetterbrücke begonnen, das Hochhaus im „Alten Ort“ dann gezeigt, dass richtig gehandelt wurde. wird fertiggestellt.

60 61 dungen erfolgen in voller Harmonie und nach entsprechender Information der Vertrauenspersonen der SPÖ Ottakring. Bei den Neuwahlen durch die Delegierten zur Bezirkskonferenz wer- den folgende Vertrauenspersonen in den Bezirksvorstand gewählt: als neuer Obmann Hubert Pfoch sowie, stellvertretend, Schella Hanzlik und August Scholz. Schella Hanzlik, seit 1959 Mitglied des Wiener Gemeinderates, wird als Wiener Frauensekretärin in den Nationalrat entsendet. Ihr Mandat im Gemeinderat erhält Josef Srp.

Baustelle der Schule Grundsteingasse

Josef Srp referiert als „Landesfalke“ bei den Roten Falken

Albert-Sever-Saal Busgarage Spetterbrücke im Jahr 1964 Nachdem die Partei 1955 die ehemalige „Habsburgerschule“ als Wieder- 1962 erfolgt schließlich der Generationswechsel an der Spitze des Be- gutmachung für den Verlust des Arbeiterheimes in der Kreitnergasse und zirkes durch den krankheitsbedingten Rücktritt des Genossen Karl Kysela. die Zerstörung durch die Austrofaschisten erhalten hat und an dieser Stelle Gleichzeitig legt auch Genossin Wilhelmine Moik, die als Vorsitzende der in den Jahren 1956/1957 ein Wohnhaus, das Bezirkssekretariat und der Sozialistischen Frauen Wiens und als Leiterin des Frauenreferates im ÖGB Albert- Sever-Saal errichtet wurden, entwickelt sich dieser ab seiner Eröff- tätig war, ihre Funktion als Obmann-Stellvertreterin zurück. Diese Entschei- nung im Jahre 1959 zu einem wichtigen Veranstaltungszentrum im Bezirk.

62 63 Das Jahr 1962 bringt den höchs- Die 1964 abgehaltenen Wahlen für den Wiener Gemeinderat, bei ten Stand der Veranstaltungs- denen die SPÖ den Mandatsstand von 60 Mandaten hält, prägen auch tätigkeit mit 221 Vorstellungen im das politische und organisatorische Leben in Ottakring. Im Wahlprogramm Albert-Sever-Saal. Zwei ständige fordern wir Sozialdemokrat*innen den Bau eines Pensionist*innenwohn- Veranstaltungsreihen erfreuen heimes im Bezirk, eines Personalwohnhauses im Wilhelminenspital sowie sich besonderer Beliebtheit: Die Gemeindebauten im Bereich Gablenzgasse/Brüßlgasse und Herbststra- Filmabende des Vereines „Ar- ße/Thalheimergasse. Nach langen Bemühungen kann die Straßenenge beiterheim Ottakring“ und die in der Wattgasse, zwischen Thaliastraße und Ottakringer Straße beseitigt Fünf-Uhr-Tee -Veranstaltungen der werden. 1964 werden die neue Spetterbrücke dem Verkehr übergeben Jungen Generation. Die vorweih- und die Schule Grundsteingasse eröffnet. Im selben Jahr beginnt auch der nachtliche Kinderbuchausstellung Bau des Karl-Honay-Hofes. der Ottakringer Kulturfreunde, die im Jahre 1962 zum zweiten Mal durchgeführt wird, erfreut sich re- ger Teilnahme. Aber auch für Feierlichkeiten wird der Albert-Sever-Saal in- tensiv genutzt. So findet im Jahr 1962 anlässlich des 90. Ge- Adolf Schärf bei der Eröffnung des burtstages von Otto Nachtnebel Albert Sever-Saales, 1959 (1872–1967), von 1919 bis 1934 Ottakringer Abgeordneter im Wiener Gemeinderat und maßgeblich am Wiederaufbau der Bezirksorga- Karl-Honay-Hof nisation nach 1945 beteiligt, eine Feier statt. Heute befindet sich im Albert-Sever-Saal ein weit über die Bezirksgren- zen hinaus beliebter „Indoorspielplatz“ der Wiener Kinderfreunde.

Die Wahl 1963 und 1964

Bei der Wahl zum Bundespräsidenten im Jahre 1963 kandidiert Julius Raab für die ÖVP, um die Wiederwahl von Adolf Schärf zu verhindern, scheitert aber mit diesem Unterfangen. So stimmen 2.473.349 Wähler*innen (55,4 Prozent) für Schärf und nur 1.814.125 Wähler*innen (40,6 Prozent) für Julius Raab. Eröffnung Karl-Honay-Hof 1964

64 65 Die Affäre Olah Einsatz hat viel dazu beigetragen, dass unser Ottakring heute schöner ist, als es je zuvor war. Neuer Bezirksvorsteher wird Hans Hobl. Noch erregt die Frage, ob Otto Habsburg nach Österreich zurückkehren dürfe, die Gemüter, als der seit Monaten schwelende Konflikt um Franz Olah offen zutage tritt. Die Ottakringer Vertrauenspersonen werden inso- fern miteinbezogen, als Franz Olah – seit 1963 Innenminister – dem Be- zirksvorstand als kooptiertes Mitglied angehört und in ausfälliger Weise die Politik des Parteivorstandes und Genossen Bruno Pittermann kritisiert. Gleichzeitig kommt zutage, dass Olah sowohl die FPÖ als auch die „Kro- nen-Zeitung“ mit einem Griff in die Gewerkschaftskasse finanzierte, um sich so Parteinahme und journalistische Schützenhilfe zu sichern. Die „Kro- nen-Zeitung“ greift Wochen hindurch jene Mitglieder des Parteivorstandes in heftigster Form an, die die Vorgangsweise Olahs nicht hinnehmen, allen voran Anton Benya, Christian Broda, Peter Strasser, Eduard Weikhart und andere. An der für den 14. September 1964 einberufenen Partei- vorstandssitzung nimmt Franz Olah nicht teil. In der Folge kommt es am 16. September zu einer Schiedsgerichtsverhandlung (den Vorsitz macht linkes Bild: Hans Hobl | rechtes Bild: v. l. n. r.: Josef Srp, Karoline Pluskal, Genosse Ludwig Kostroun, den Beisitz Genossin Rosa Jochmann und Gerhard Oblasser und Adolf Czettel auf der Tribüne beim Maiaufmarsch Genosse Felix Slavik), bei der eine Verwarnung ausgesprochen wird. Am nächsten Tag demissioniert Olah als Innenminister, und der in Ottakring aufgewachsene Vertrauensmann der SPÖ Niederösterreich, Hans Czettel, Karoline Pluskal, seit 1945 mit verantwortungsvollen Aufgaben im Rahmen wird zu seinem Nachfolger gewählt. Nach der Rücklegung seiner Funktio- der Sozialistischen Jugend betraut und im Bezirk gleichfalls in mehreren nen im ÖGB und weiteren nicht akzeptablen Aktionen wird Franz Olah am Funktionen tätig, übernimmt das Mandat von Erwin Billmaier, der als Ver- 3. November 1964 aus der Partei ausgeschlossen. Auch im Bezirk gibt es trauensmann der Bau- und Holzarbeiter von 1954 bis 1964 im Wiener lange, erregte Debatten, die aber mit der vollen Respektierung des Partei- Gemeinderat wirkte. vorstandsbeschlusses enden. Im Dezember 1964 betraut die Wiener Organisation der SPÖ Hubert Pfoch, der als Sekretär des Klubs sozialistischer Gemeinderäte fungiert, Ein neuer Bezirksvorsteher und mit der Funktion des Amtsführenden Stadtrates für öffentliche Einrichtungen. weitere personelle Änderungen In der fünfjährigen Legislaturperiode kann Pfoch, von Bürgermeister Franz Jonas und – nach dessen Wahl zum Bundespräsidenten – von Bürger- Das Jahr 1964 bringt eine Reihe bedeutsamer personeller Änderungen. meister Bruno Marek und Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Felix Slavik Genosse August Scholz, der durch 19 Jahre als Bezirksvorsteher an der unterstützt, eine Reihe von Initiativen verwirklichen, so z. B. auf dem Gebiet Spitze der Ottakringer Bezirksvertretung steht, kandidiert wegen Erreichung der Wasserversorgung, der Kanalisation, der Stadtreinigung und Müllent- der Altersgrenze nicht mehr für diese Funktion. Sein jahrelanger, intensiver sorgung. Des Weiteren kommt es zum Neubau der städtischen Zentral-

66 67 wäscherei in der Steinbruchstraße 34 tion nach Österreich. Entgegen des ursprünglich vorgesehenen Rotations- und zur Entwicklung und Realisierung prinzips bleiben viele Arbeiter*innen in Österreich und holen ihre Familien eines Bäderkonzeptes für Wien. nach. Bereits in seiner Geschichte von Arbeitsmigration geprägt, wird Ös- terreich so in der Zweiten Republik erneut zum Einwanderungsland. Auch in- Große Trauer löst am 26. Februar folge der Ölkrise 1973/1974 und der damit verbundenen wirtschaftlichen 1965 die Nachricht vom Tod des Rezession kommt es zu einem Anwerbestopp und etwa einem Viertel der Bundespräsidenten Adolf Schärf aus. ausländischen Arbeitskräfte wird die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung Am 16. März 1965 beschließt der entzogen. im Albert-Sever-Saal tagende Partei- Gleichzeitig bemühen sich viele der nach Österreich geholten Menschen rat, den Wiener Bürgermeister Franz in dieser Zeit um einen dauerhaften Aufenthalt für sich und ihre Familien. Jonas als Kandidaten für die Bundes- präsidentenwahl zu nominieren. Bei der am 23. Mai festgesetzten Wahl kann Jonas, gegen den ein gehässi- Hubert Pfoch ger Wahlkampf seitens der ÖVP ge- führt wurde, über Alfons Gorbach mit 2.324.436 Stimmen (50,69 Prozent) siegen. Für Gorbach stimmen 2.260.888 Wähler*innen (48 Prozent). In Wien lautet das Abstimmungsergebnis für Franz Jonas 674.913 (58,7 Pro- zent), für Gorbach 474.380 (41,3 Prozent). In Ottakring erhält Jonas sogar eine Zweidrittelmehrheit: Er bekommt 53.732 Stimmen (67,8 Prozent), Gorbach 25.558 Stimmen (32,2 Prozent). In der Folge wird Felix Slavik zum Obmann der SPÖ Wien und Bruno Marek, als Nachfolger des Genossen Jonas, zum Bürgermeister der Stadt Daran erinnern sich viele: aufsehen- Gastarbeiter am Wiener Wien gewählt. erregende Plakatkampagne in den Südbahnhof 1964 70er Jahren Aus „Gastarbeiter*innen“ werden Wiener*innen Die Arbeitsmigration aus der Türkei und dem damaligen Jugoslawien in den Der wirtschaftliche Aufschwung ab Mitte der 1950er Jahre in Österreich, 1960er und 1970er Jahren prägt ganz Österreich und darunter natürlich führt zu einem Arbeitskräftemangel im Land. Mit dem Raab-Olah-Abkom- auch die Hauptstadt Wien: Aus „Gastarbeiter*innen“ werden mit der Zeit men zwischen der Bundeswirtschaftskammer und dem ÖGB im Jahr 1961 Wiener*innen, die sich hier ein neues Leben aufbauen. Gerade in Ottak- wird die temporäre Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland be- ring, das schon im 19. Jahrhundert stark von Migration geprägt ist, finden schlossen und damit auch die Sozialpartnerschaft gefestigt. Es folgen bila- viele dieser neuen Wiener*innen ein Zuhause. terale Abkommen mit Spanien (1962), der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966), mit dem Ziel einer zeitlich begrenzten und regulierten Arbeitsmigra-

68 69 Kommunalpolitik in Ottakring keine Bereitschaft, auf Vorschläge der Sozialdemokrat*innen einzugehen. Am Die Ottakringer Bezirksvertretung unter Führung des Genossen Hans Hobl 18. April 1966 erfolgt daher der Bruch entwickelt Pläne zur Fortsetzung des kommunalen und genossenschaft lichen der seit 19 Jahren bestehenden Koali- Wohnbaues (Anlage im Fuchsenloch) und leitet Maßnahmen ein, um dem tionsregierung. Unter Josef Klaus bildet zunehmenden Straßenverkehr besser gerecht zu werden. Die Linie 10 der die ÖVP eine Alleinregierung. Bruno Pit- städtischen Straßenbahn wird durch die Sandleitengasse bis zur Dorn- termann tritt als Parteivorsitzender zurück, bacher Straße verlängert, Einbahnsysteme werden geschaffen und Kreu- und so kommt es bei dem für 30. Jänner zungsregelungen auf Ampeln umgestellt. An sozialen Errungenschaften des bis 1. Februar 1967 in der Wiener Stadt- Jahres 1965 sind die Eröffnung des Jugendzentrums im „Alten Ort“ sowie halle anberaumten Bundesparteitag zur der Baubeginn des Pensionistenheimes Liebhartstal auf Spitalsgrund zu Neuwahl des Parteivorsitzenden: Bruno Kreisky wird von den Delegierten nennen. mit großer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden der SPÖ gewählt.

Die Nationalratswahlen 1966 und Neues in Ottakring das Ende der „Großen Koalition“ Nachdem sich Genossin Heidi Menzcik-Martinowsky aus familiären Grün- Nachdem sich SPÖ und ÖVP über das Bundesbudget des Jahres 1966 den zurückzieht, wird Ferdinand Supalek Sekretär der SPÖ Ottakring. nicht einigen können und nach monatelangen Verhandlungen lediglich ein Er bemüht sich tatkräftig um die Festigung der Organisation, den Einsatz Budgetprovisorium vorliegt, junger Mitarbeiter*innen und die Aufstellung einer „Ordnergruppe“, durch kommt es zum Bruch der die eine große Zahl von Veranstaltungen des Bezirkes klaglos abgewickelt Koalition und zu Neuwah- werden. len, die für den 6. März Im selben Jahr wird der Bau der Fernwärmeleitung von der Müllverbren- 1966 festgesetzt werden. nungsanlage Flötzersteig zum Wilhelminenspital, zur Zentralwäscherei, Das Ergebnis ist für die zum Ottakringer Bad und zum Pensionistenheim Thaliastraße weitergeführt. Sozialdemokratie enttäu- Die neue Unfallchirurgie im Wilhelminenspital entsteht, Neubauten in der schend: Die ÖVP gewinnt Gablenzgasse, der Ottakringer Straße und in der Friedrich-Kaiser-Gasse zu ihren 81 Mandaten 4 werden besiedelt, und die ASKÖ Sportanlage wird eröffnet. dazu, die SPÖ (nunmehr 74) und die FPÖ (6) verlie - ren je 2 Mandate. Ottakring trauert

Die ÖVP triumphiert und 1967 sterben zwei verdienstvolle Vertrauenspersonen des Bezirkes: Altge- zeigt bei den folgenden meinderat Otto Nachtnebel am 14. Oktober und am 2. Dezember unser Bruno Pittermann und Bruno Kreisky Koa litionsverhandlungen Ehrenobmann und Abgeordneter zum Nationalrat Karl Kysela.

70 71 tiven zur ÖVP-Regierung unter Josef Klaus erarbeitet. Beim ÖGB-Kongress am 23. September wird die Einführung der 40-Stunden-Woche gefordert, was auf Ablehnung der Unternehmer stößt. In der CˇSSR setzt sich eine Gruppe von Reformer*innen der Kommu- nistischen Partei unter Alexander Dubcˇek für Demokratisierung und Libera- lisierung ein und trifft damit auf großen Zuspruch in der Bevölkerung. Am 21. August 1968 findet der Prager Frühling mit dem Einmarsch der fünf War- schauer Paktstaaten ein jähes Ende. Schätzungen zu Folge flüchten in den Jahren 1968 und 1969 über 200.000 Tschechoslowak*innen über die Grenze, etwa 3.000 von ihnen bleiben längerfristig in Österreich. Auch in Ottakring finden, wie bereits während der Ungarnkrise 1956, viele Geflüch- tete aus der CˇSSR Aufnahme und werden im Bezirk betreut und versorgt. Ein Schwerpunktprogramm in unserem Bezirk findet Realisierung: Als Verbesserung der Wohnumwelt und zum Ausbau des Fußgängerbereiches Karl Kysela (ganz rechts) mit Josef Srp und Hubert Pfoch werden die Parkanlagen Musilplatz und Kantnerpark bei der Schleife der Straßenbahnlinie J erneuert, die Straßenbahnlinie 48 wird auf Autobus- Karl Kysela ist nach seinen großen Vorbildern Franz Schuhmeier und Albert betrieb umgestellt und in die Gemeindebauten am Mildeplatz und in der Sever der dritte Obmann der SPÖ Ottakring. Er schließt sich in jungen Jah- Baumeistergasse/Roterdstraße ziehen die neuen Mieter*innen ein. 1969 ren der SAJ und der SDAP an; als deren Vertrauensmann wirkt er bereits in feiern wir den zehnjährigen Bestand des Albert-Sever-Saales mit einem den Jahren der Ersten Republik und hält ihr auch in den Jahren der Diktatur Festwochenprogramm. die Treue. Als Naturfreund, Sportler, später auch als Mitglied des Repu- blikanischen Schutzbundes, ist er fest davon überzeugt, dass Faschismus und Krieg jenen die Niederlage bringen müsse, die die Welt ins Unglück Die Gemeinderatswahlen 1969 und die Folgen gestürzt haben. So ist Kysela unter den Ersten, die sich nach 1945 um den Wiederaufbau und die Neugestaltung Österreichs bemühen. Als Sohn ar- Die Wiener Gemeinderatswahlen am 27. April 1969 bringen uns die größ- mer Eltern schafft er es, in den Nationalrat der Zweiten Republik berufen ten Erfolge seit 1945, trotz der erwarteten Schwierigkeiten durch die von zu werden, und kann als Obmann der SPÖ Ottakring die neuen Zeiten Franz Olah gegründete Demokratische Fortschrittliche Partei (DFP). Wäh- mitgestalten. rend die Wiener Sozialist*innen zu ihren 60 Mandaten noch 3 dazu ge- winnen (die FPÖ eines), verliert die ÖVP 5 Mandate. Unter dem Eindruck der Vorgänge in der CˇSSR verliert auch die KPÖ 2 Mandate und scheidet Das Jahr 1968 damit aus dem Wiener Gemeinderat aus. Die DFP kommt auf 3 Mandate. Der österreichische Gewerkschaftsbund erreicht in diesem Jahr eine 1968 stehen keine Wahlen an. Fokus der Partei ist daher die Oppositions- schrittweise Herabsetzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, am 1. Dezem- politik der Sozialdemokrat*innen im Parlament: In einer Reihe von Veranstal- ber beschließt der Nationalrat ein diesbezügliches Gesetz, womit auch tungen, an denen auch Nichtparteimitglieder teilnehmen, werden Alterna- das aus der Nazizeit stammende Arbeitszeitgesetz aufgehoben wird.

72 73 In den Jahren 1966 bis 1972 kommt es zum Umbau des 1926 errichteten Die 1970er Jahre: Fortschritte unter Ottakringer Bades und zu dessen Erweiterung durch ein Hallenbad. Damit der SPÖ-Alleinregierung ist das Baden im Bezirk nun auch im Winter möglich. Seit bald 100 Jahren bietet das Ottakringer Bad die Möglichkeit, Sport zu betreiben und sich im Der Trend der Gemeinderatswahl 1969 in Wien hält an: Die SPÖ wird bei Sommer abzukühlen. der Nationalratswahl am 1. März 1970 stimmenstärkste Partei. Nachdem die Koalitionsgespräche mit der ÖVP scheitern – man kann sich weder über ein Grundsatzprogramm noch über die Ressortverteilung einer gemeinsamen Regierung einigen –, schlägt Bruno Kreisky dem Bun- despräsidenten Franz Jonas am 21. April die Bildung einer sozialdemokra- tischen Minderheitsregierung vor.

Das im Jahr 1972 errichtete Hallenbad im Ottakringer Bad wird 2018 umfassend saniert Bruno Kreisky und Franz Prokop (Mitte)

Diese kann, gestützt auf den Stimmenenthalt der FPÖ, die notwendige Mehrheit für ihre Anträge erhalten. Der Preis, den die Sozialdemokra t*innen für die Unterstützung durch die FPÖ zahlen, besteht in einer Wahlrechts- reform, von der die FPÖ stark profitiert. Dieses „Tauschgeschäft“, für welches Kreisky mit dem ehemaligen Nationalsozialisten und in Kriegsverbrechen involvierten Friedrich Peter – damals Bundesparteiobmann der FPÖ – zusammenarbeitet, führt zu starker Kritik. Die Wahlrechtsreform bringt eine Einteilung des Bundesgebietes in 9 Wahlkreise – vorher waren es 25 – und eine Erhöhung der Zahl der Abgeordneten von 165 auf 183. Sie wird von SPÖ und FPÖ, gegen die Stimmen der ÖVP, zum Beschluss erhoben. Das Das Ottakringer Bad in den Das Ottakringer Bad heute Budget 1971 wird erst nach heftiger Debatte von SPÖ und FPÖ gegen die 1950er Jahren Stimmen der ÖVP beschlossen.

74 75 Im Bezirk kommt es zu einer Reihe von personellen Änderungen. Hans Hobl Am 25. April 1971 steht die Wahl des Bundespräsidenten an, bei der wird in den Nationalrat gewählt, Josef Srp folgt ihm als Bezirksvorsteher. die ÖVP als Gegenkandidat zu Franz Jonas nominiert. Das Alfred Barton wird Vorsitzender des Klubs der Mandatare. Das vom Ge- Stimmenergebnis ist eindeutig: Jonas erhält 52,8 Prozent der Stimmen; von nossen Srp ausgeübte Gemeinderatsmandat erhält Rudolf Müller. den Wiener Wähler*innen schenken ihm sogar 61,7 Prozent das Vertrauen.

Die 1970er Jahre: Bundesweite Sozialprogramme der SPÖ durch Bruno Kreisky und sein Team

Die großen Vorhaben der Regierung Kreisky I, darunter Sondermaßnah- men für die Bergbauern, langfristige gezielte Investitionen, auch zum Zweck der Arbeitsplatzsicherung, und andere weitschauende Planungen, führen Bruno Kreisky mit Josef im Parlament zu heftigen Debatten, da die ÖVP in vielem ihre Zustimmung Srp und Erni Graßberger verweigert. So kommt es am 14. Juli 1971 zum Antrag auf Auflösung des beim Welttag des Kindes Nationalrates und zur Ausschreibung von Neuwahlen für den 10. Oktober. in Ottakring Vorher verwirklichen die Sozialdemokrat*innen noch ihre Zusage auf Her- absetzung der Wehrdienstzeit von neun auf sechs Monate. Die National- ratswahl bringt der Sozialdemokratie erstmals in ihrer langen Geschichte die absolute Mehrheit an Stimmen und Mandaten im Bund.

Alfred Barton (3. v. r.) und die Vorsitzende der Ottakringer Kinderfreunde Paula Kratky bei der Bezirkskonferenz, ca. 1970

Die Bezirksvertretung forciert die Sanierungsarbeiten im Gebiet Weinhei- mergasse, Arnethgasse, Seitenberggasse, Ottakringer Straße und entwi- ckelt Pläne zur Schaffung eines Lehrpfades im Wienerwald, im Bereich Savoyenstraße. Die Straßenerneuerung des Paulinensteiges, der eine Ver- bindung von der Wilhelminenstraße, vorbei am Schloss Wilhelminenberg, Die Plakatkampagne der SPÖ im Jahr 1971 zur Savoyenstraße darstellt, werden begonnen.

76 77 Mit 50,04 Prozent erreicht sie 93 Mandate, während die ÖVP 80 und die Das Konzept für Ganzjahresnutzung von Freizeit- und Erholungsräumen im FPÖ 10 Mandate erhalten. Der grandiose Wahlerfolg ist eine Bestätigung Bezirk, das mit dem Ausbau des Ottakringer Bads seinen Anfang nimmt, für die bisher von der Regierung getroffenen Maßnahmen, aber auch eine lässt die Forderung nach Errichtung einer Sporthalle immer lauter werden: Aufforderung an die Regierung Kreisky II, ihre Programme zu verwirklichen Dieser Punkt wird auch ins Wahlprogramm für 1973 aufgenommen. und dafür zu sorgen, dass den sozial schwächer gestellten Schichten der An der Werbeaktion der SPÖ Wien aus dem Jahr 1973, die 8.000 Bevölkerung ihr entsprechender Anteil an Leistungen und Gütern nicht vor- Neubeitritte bewirkt, ist auch Ottakring mit 441 neuen Mitgliedern beteiligt. enthalten wird. Am 2. Juni 1973 wird unter dem Vorsitz des Genossen Otto Probst die Ottakrings Sozialdemokrat*innen trauern in diesem Jahr um August Scholz, Wiener Jahreskonferenz abgehalten, bei der die Wahl der Mitglieder des der nach längerer Krankheit am 18. September 1971 verstirbt. Wiener Vorstandes der SPÖ durchzuführen ist. Felix Slavik – seit 1971 Bür- Die Tätigkeit der SPÖ Ottakring in den Jahren 1972 bis 1973 ist auf germeister von Wien – erreicht nur 67 Prozent der abgegebenen gültigen Erfüllung des Wahlversprechens ausgerichtet und sieht die Inangriffnahme Stimmen. Er erklärt daraufhin seinen Rücktritt. Zwei Tage später schlägt der von Sanierungsvorhaben der Gesamtstruktur des Bezirkes vor. Das Kon- Wiener Ausschuss einstimmig Leopold Gratz zum Bügermeister vor, der gressbad und das städtische Thaliabad werden renoviert, Kinderspielplät- daraufhin am 5. Juli 1973 auch vom Wiener Gemeinderat gewählt und ze geschaffen und auch der Verkehrssituation Rechnung getragen, zum angelobt wird. Beispiel durch Einführung einer Schrägparkordnung in der Hasnerstraße, um für den „ruhenden Verkehr“ Platz zu schaffen. Längst hat die Motori- sierungswelle auch Ottakring erreicht, die Zahl der angemeldeten PKWs wächst in dieser Zeit kontinuierlich an.

Leopold Gratz zu Besuch beim Ottakringer Kirtag (links Josef Srp, rechts Hubert Pfoch)

Leopold Gratz, 1929 in Ottakring geboren und in der Ganglbauergasse aufgewachsen, übt nach 1945 eine Reihe wichtiger Funktionen in der Sozi- alistischen Jugend Österreichs, in der Sozialistischen Jugend Wiens sowie im Verband Sozialistischer Studenten aus, ehe er zum Zentralsekretär der Bis heute ein beliebter Freizeitort: das Kongressbad SPÖ berufen wird und in den Nationalrat einzieht. Das Signal eines Ge-

78 79 nerationswechsels an der Spitze des Wiener Stadtsenates gibt eine gute Die ÖVP ist von Anfang an gegen den Bau der Donauinsel und will le- Ausgangsposition für die Gemeinderatswahl am 21. Oktober 1973, bei diglich das sogenannte Inundationsgebiet verstärken, das Wien bei der der auch die neuen Bezirksvertretungen gewählt werden. Das Wahlergeb- Donauregulierung im Jahre 1885 in zwei Hälften teilte. Hier haben die ver- nis ist hervorragend. Die SPÖ gewinnt zu ihren 63 Mandaten noch 3 dazu gangenen Jahrzehnte ein deutliches Urteil ermöglicht: Die „zweite Donau“ und bleibt damit knapp unter der Dreiviertelmehrheit. und die Donauinsel sind zum Jahrhundertprojekt geworden. Dieses Projekt Die DFP (Olah-Gruppe) sinkt von 5,2 Prozent (3 Mandate) auf 0,3 hat Wien wieder an die Donau gebracht, die Stadt ist vor Hochwasser ge- Prozent und scheidet damit aus dem Gemeinderat aus. Die ÖVP gewinnt schützt, und für die Bevölkerung ist mitten in der Stadt ein Erholungsgebiet 1 Mandat (31), die FPÖ verliert 1 Mandat (3). entstanden, wie es keine Großstadt der Welt aufzuweisen hat.

In die neue Wiener Landesregierung, den Wiener Stadtsenat, wird Hubert Das Ende der SPÖ/ÖVP-Koalition Pfoch als Landeshauptmann-Stellvertreter und Vizebürgermeister berufen. in Wien nach der Wahl 1973 Pfoch wird gleichzeitig als Amtsführender Stadtrat mit den Aufgaben der Grund- und Bodenpolitik, dem gesamten Bereich des Hochbaues und mit Die Koalitionsgespräche von SPÖ und ÖVP scheitern unter anderem dar- der Führung des Wohnungsamtes betraut. an, dass die ÖVP ihre Mitarbeit im Wiener Stadtsenat vom Verzicht auf den In enger Zusammenarbeit mit dem Verband der Siedler- und Kleingärt- Ausbau des Hochwasserschutzes für Wien abhängig macht. ner, den Wohnbaugenossenschaften und dem Ingenieur- und Architekten- verein gelingt es, eine Reihe von Maßnahmen zu setzen, die sich auch auf Ottakring positiv auswirken: Es kommt zur Neufestsetzung des Flächen- widmungs- und Bebauungsplanes und moderne Genossenschaftsanlagen entstehen, wie jene des Wohnbauvereines Junge Generation bei den „Jubi läumshäusern“ zwischen Wernhardtstraße, Zöchbauerstraße-Maders- pergerstraße. Alte Bauten, als Spekulationsobjekte errichtet, werden abge- rissen, die Mieter*innen abgesiedelt. Hilfe für die Delogierten ist dabei ein besonderes Anliegen unserer Bezirksvertretung unter Josef Srp. Der Erwerb dieser Liegenschaften durch die Gemeinde Wien ermöglicht es, mehr als 400 moderne und preisgünstige Wohnungen zu errichten, wobei vor allem jüngere Ehepaare berücksichtigt werden sollen.

Die Arbeiten zum ersten großen Sanierungsvorhaben in Wien (neben Denkmalschutz und Altstadterhaltung am Spittelberg und im 4. Bezirk, Mühlgasse) werden für das Gebiet Thaliastraße – Wattgasse – Ottakrin- gerstraße – Eisnergasse in Angriff genommen. Dafür wurde eine eigens ge- Führt 1973 zum Bruch der SPÖ/ÖVP-Koalition in Wien: schaffene „Gebietsbetreuung“ eingerichtet, um den Bewohner*innen eine die Donauinsel mit ihrem 42 km langen Strand unmittelbare Ansprechstelle zu bieten. Diese Idee ist mittlerweile aus ganz Wien nicht mehr wegzudenken. Damals vorerst nur Plan und Zielsetzung,

80 81 Das Kabinett Bruno Kreisky I (1970) mit Christian Broda Das erste Assanierungsgebiet in STR Franz Mrkvicka, BV Alfred Barton (erste Reihe ganz links) Ottakring ist auch Gegenstand und BV-Stv. Erni Graßberger 1983 zahlreicher Publikationen am Spielplatz im Assanierungsgebiet in der Wichtelgasse Unter intensiver Mitarbeit der Bezirksvertretung werden schließlich auch die Pläne von Gesundheitsstadtrat Alois Stacher für den Ausbau des Wil- helminenspitales zum „Schwerpunktspital“ verwirklicht. Unter anderem wird sind heute die getroffenen Maßnahmen voll wirksam und haben aus einem dabei erstmals in Wien eine Abteilung für Langzeittherapie geschaffen (im devastierten, herabgekommenen Viertel ein neues Gebiet mit Park, Neu- ehemaligen Lupusheim). Dort werden Unfallpatient*innen betreut und Pati- bauten und modernisierten Altwohnungen entstehen lassen. Am 24. April ent*innen, die nach längerer Krankheit oder nach schweren Operationen 1974 stirbt Bundespräsident Franz Jonas, der sich nach Theodor Körner als eine Nachbehandlung benötigen. Bürgermeister von 1951–1965 erfolgreich für den Wiederaufbau Wiens Im Wahlkampf 1975 sind alle der SPÖ zugehörigen Vereine und Ver- und die Neugestaltung unserer Stadt eingesetzt hat. bände, wie Kinderfreunde, Sozialistische Jugend, die Junge Generation, die Am 26. Juni 1974 wird Rudolf Kirchschläger zum neuen Bundespräsi- Naturfreunde, die ASKÖ, der ARBÖ, der BSA, Arbeiter-Samariter-Bund und denten gewählt, dem in Ottakring 70 Prozent aller Wähler*innen ihr Ver- Pensionistenverband aktiv und versuchen den Wähler*innen die Leistungen trauen aussprechen. und Ziele der Regierung Kreisky bewusst zu machen. Ein Schwerpunkt der 1975 ist das Jahr bedeutender Gesetzgebungen: darunter die „große Ottakringer Wahlwerbung ist der gut besuchte Ottakringer Kirtag im „Alten Strafrechtsreform“, von Justizminister Christian Broda initiiert, die ORF Re- Ort“. form, das Schulunterrichtsgesetz und das Gesetz über die Lohnfortzahlung. Mit 1. Jänner 1975 wird auch die 40-Stunden-Woche eingeführt. Bei der am 5. Oktober 1975 abgehaltenen Nationalratswahl erreicht die SPÖ erneut die absolute Mehrheit. In Ottakring werden Christian Broda und Hans Hobl zu Abgeordneten im Nationalrat gewählt.

82 83 von häuslicher Gewalt betroffen sind. Tatkräftig unterstützt wird diese Initia- tive auch von Johanna Dohnal, die 1979 Frauenstaatssekretärin im Kabinett Kreisky und später erste Frauenministerin Österreichs wird. Der Bundesparteitag, der am 2. März 1979 in Linz tagt, legt die Leit- linien für die Nationalratswahl am 6. Mai 1979 fest: Maßnahmen für die Frauen, die Jugend, die Familie sowie die Sicherung der Arbeitsplätze und die Fortführung des Wohnbaues bilden den harten Kern unserer Politik bei diesem Wahlgang. Die SPÖ kann ihre Führungsposition festigen und aus- bauen. Ein Gewinn der SPÖ von 2 Mandaten (95) und ein Verlust von 3 Mandaten (77) für die ÖVP sowie ein Gewinn von 1 Mandat für die FPÖ (11) bestätigen den Kurs der sozialdemokratischen Regierung. Die Ot- takringer Abgeordneten zum Nationalrat Christian Broda und Hans Hobl werden in ihrem Mandat bestätigt. Franziska Fast, zunächst Bezirksrätin in Ottakring, ab 1973 Mitglied des Wiener Gemeinderates wird 1979 als Staatssekretärin im Ministerium für Soziale Verwaltung in die Regierung Kreisky berufen. Sie ist Betriebsrätin bei der Firma Austria Email und über- nimmt später die Rolle der Außensekretärin in der Gewerkschaft für Metall Kinder am Kirtag beim Kasperltheater 1975 (oben links + rechts, unten links) und Bergbau. Ab 1983 übt sie das verantwortungsvolle Amt der Volksan- Ottakringer Kirtag 1976 (unten rechts) wältin aus und ist in Ottakring auch Vorsitzende der Volkshilfe.

Die 1970er Jahre sind auch aus feministischer Perspektive ein wichtiges Jahrzehnt. Seit den 1920er Jahren setzen sich sozialdemokratische Frauen für eine Reform der Abtreibungsgesetzgebung ein und fordern eine Fristen- lösung. In den 1960er und 1970er Jahren wird der Slogan „Mein Bauch gehört mir!“ zur Losung der Zweiten Frauenbewegung. Die Fristenlösung wird 1975 von der SPÖ-Alleinregierung, gegen die Stimmen der ÖVP, be- schlossen. Der Schwangerschaftsabbruch bleibt zwar als Straftatbestand bestehen, bleibt nun aber bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei. Bei Gefährdung der Schwangeren oder einer schweren Erkrankung oder Be- einträchtigung des Embryos darf ein Abbruch auch über diesen Zeitraum hinaus durchgeführt werden. Die Familienrechtsreform der 1970er Jahre schreibt die partnerschaftli- che Ehe fest und schafft damit die Stellung des Ehemannes als Oberhaupt Angelobung 1979: Rudolf Kirchschläger, Herbert Salcher, Karl der Familie, das über Ehefrau und Kinder bestimmen darf, ab. Das erste Sekanina, Johanna Dohnal, Anneliese Albrecht, Franziska Fast, Wiener Frauenhaus wird 1978 gegründet und bietet Schutz für Frauen, die Beatrix Eypeltauer, Elfriede Karl, Bruno Kreisky

84 85 Durch die Ernennung von Franziska „Franzi“ Fast zur Staatssekretärin im Neubauten und Altstadterhaltung Kabinett Kreisky IV folgt ihr Franz Mrkvicka als Mitglied des Wiener Ge- meinderats und Abgeordneter zum Wiener Landtag im November 1979 In den Jahren 1976 bis 1978 werden mehrere Bauvorhaben in Ottakring nach. Mrkvicka erlernte den Beruf des Speditionskaufmanns. Er arbeitete begonnen, die sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht von Be- von 1954 bis 1961 bei der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, war 1961 deutung sind. Die Ottakringer Sozialdemokrat*innen erreichen bei der bei der Bremer Hafenvertretung in Wien beschäftigt und wurde 1962 Gemeinde, dass das ehemalige „Arbeitslosenamt“ in der Thaliastraße 44 Sekretär beim Internationalen Bund freier Gewerkschaften in Brüssel. Zwi- nach genereller Sanierung zur Musikschule der Stadt Wien/Ottakring um- schen 1963 und 1972 war Mrkvicka Jugendsekretär des Österreichischen gestaltet wird. Gewerkschaftsbundes, ab 1974 war er als Leitender Sekretär für Bildung Die Generalrenovierung der Volkshochschule Ottakring am Ludo-Hart- und Kultur in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien tätig. 1982 mann-Platz bringt dieses traditionsreiche Gebäude der Arbeiter*innenbil- wurde er Stellvertretender Direktor. Am 27. Mai 1983 wird er zum Amtsfüh- dung auf Hochglanz und macht es zu einem gerne besuchten Haus. Der renden Stadtrat für Kultur und Sport ernannt. In seine Amtszeit als Stadtrat Neubau der Sportanlage Helfortplatz wird abgeschlossen. fallen u.a. die Gründung der Vereinigten Bühnen Wien und die Revitalisie- rung des Praterstadions. Im Parlament war er SPÖ-Sprecher für Berufs- und Erwachsenenbildung. Im November 1987 wechselt er ins Parlament, dem er bis zum 14. Jänner 1996 angehörte.

Eröffnung des neuen Helfortplatzes durch Bürgermeister Leopold Gratz, BV Josef Srp, STR Heinz Nittel (2. v. l.), STR Kurt Heller (ganz links) mit Nationalspieler und -trainer Erich Hof

In der Wohnhausanlage Panikengasse/Koppstraße kann durch den Ab- Franz Mrkvicka wird für seine zahlreichen Verdienste bruch eines Althauses in der Ganglbauergasse ein „Grünhofprojekt“ ver- von Bürgermeister Michael Häupl 2010 zum Bürger der Stadt Wien ernannt wirklicht werden. Die Anlage wird nach dem 1971 verstorbenen früheren Bezirksvorsteher „August-Scholz-Hof“ benannt.

86 87 Der Gemeindebau in der Degengasse/Redtenbachergasse, in dem wird: Möglich, dass auch die auch ein Jugendheim eingeplant ist, wird seiner Bestimmung übergeben. bevorstehende Volksabstimmung Auch das große Schulrenovierungsprogramm wird weitergeführt. am 5. November 1978 über das Die neu geschaffene Funktion eines Bezirksvorsteher-Stellvertreters wird Kernkraftwerk Zwentendorf, die Genossen Alfred Barton übertragen. mit 50,47 gegen 49,53 Prozent Die Maßnahmen der Wiener Stadtverwaltung für Stadterneuerung, eine Ablehnung der Inbetrieb- Denkmalschutz und Altstadterhaltung durch gründliche Sanierung der er- nahme bringt, als eine der Ur- haltungswürdigen Bausubstanz, die Schaffung von Parks und Erholungsflä- sachen für den Stimmenenthalt chen, die Entkernung verbauter Innenhöfe sowie geplante Zu- und Neu- sozialdemokratischer Wähler*in- bauten machen die Stadt wohnbarer und schöner. Förderungsmaßnahmen nen in Wien aufzufassen ist. des Bundes und der Stadtverwaltung zur Entwicklung von Eigeninitiativen Diese Volksabstimmung führ- durch Gewährung günstiger Kredite wirken in der gleichen Richtung. Bür- te auch im Bezirk zu heftigen germeister Leopold Gratz ist u. a. bestrebt, die Innere Stadt als Wohn- und Diskussionen. Zwar stand der Be- Freizeitbereich belebt zu halten, was mit dem Ende der U-Bahn-Arbeiten im zirksvorstand zur Linie der SPÖ, Bereich Kärntner Straße – Rotenturmstraße, der Errichtung der Fußgänger- aber es gab gerade auch in Ot- zonen und der Aktion zum Ausbau von Dachgeschossen für Wohnzwecke takring eine sehr aktive Gruppe in bester Form gelingt. im Rahmen der Initiative „Sozial- Trotz dieser verantwortungsbewussten und erfolgreichen Arbeit der demokratInnen gegen Zwenten- Wiener Stadtverwaltung bringt die Gemeinderatswahl vom 8. Oktober dorf“, welche ihre Treffen in der Plakat des VSSTÖ unter ihrem 1978 nicht den erhofften Erfolg. Im 6., 9., 13. und 19. Bezirk verliert die „Rumpelkammer“, einem Lokal Vorsitzenden Michael Häupl zur SPÖ den Bezirksvorsteher an die ÖVP. Die Wahlbeteiligung ist mit nur 72,2 AKW-Abstimmung 1978 am Gürtel/Ecke Koppstraße, Prozent (–4,4 Prozent) denkbar schlecht; es gibt 330.000 Nichtwähler, da- abhielt. U.a. mit dabei: Michael runter viele Sozialdemokrat*innen. Es bleibt unklar, ob es bloße Sorglosig- Häupl, Renate Brauner, Gerhard keit oder Protesthaltung ist, die die Wähler*innen davon abhält, von ihrem Zeiler (der spätere Sekretär bei und ORF-Generalinten- Stimmrecht Gebrauch zu machen. Fest steht aber, dass die ÖVP ihre Wäh- dant), Hubert Dimko, Christian Oxonitsch. lerschichten in diesem Jahr mobilisieren kann und sich dadurch die Position An der Aktion „Das Wiener Gespräch“ beteiligt sich auch Ottakring mit eines Vizebürgermeisters (diesen hatten sie 1969 verloren) zurückerobert. seinen Mandatar*innen und Vertrauenspersonen. Es gibt Telefonaktionen, Für den Gemeinderat werden in Ottakring wie auch bisher vier Man- Straßengespräche und eine „offene Tür“ für Auskunftssuchende im Magis- datar*innen gewählt: Hubert Pfoch, Karoline Pluskal, Rudolf Müller und tratischen Bezirksamt am Richard-Wagner -Platz und im Bezirkssekretariat erstmals Gerhard Oblasser. Der langjährige Ottakringer Mandatar wird am Schuhmeierplatz: Persönliche Wünsche werden dabei ebenso behan- im Zuge seiner politischen Laufbahn auch Vorsitzender des Finanzaus- delt wie politische Grundsatzfragen. schusses und Sechster Vorsitzender des Wiener Gemeinderates. Hubert Eine erste Wiener Volksbefragung wird von 16. bis 18. März 1980 Pfoch wird zum Ersten Präsidenten des Wiener Landtages gewählt. Es ist abgehalten, an der sich 29 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen: 77 verständlich, dass dieses Wahlergebnis auch in Ottakring unter dem Mot- Prozent geben dem öffentlichen Verkehr gegenüber dem Individualverkehr to „Wir nehmen Kritik ernst“ in allen Bereichen der Organisation diskutiert Vorrang, das Auflassen von Ortsfriedhöfen wird mit 63 Prozent abgelehnt

88 89 und auch die Aufstellung von Plakatständern auf Straßen und Plätzen außer- Genossin Ernestine („Erni“) Graßberger, die Vorsitzende der Ottakringer halb von Wahlzeiten findet keine Zustimmung. Kinderfreunde, die sich besonders in Familienfragen und in der Betreuung Die Wahl des Bundespräsidenten am 18. Mai 1980 – die ÖVP stellt von Kindern und Jugendlichen engagiert hat, wird als Stellvertreterin ge- keinen Kandidaten – bringt ein überzeugendes Votum: 3.538.748 Öster- wählt und hat dieses Amt bis zu ihrem Einzug in den Wiener Gemeinderat reicher*innen (79,9 Prozent) sprechen Rudolf Kirchschläger das Vertrauen im Jahr 1994 inne. aus. Für Willfried Gredler, den von der FPÖ nominierten Kandidaten, stim- Der Klub der Mandatare, der sich aus den sozialdemokratischen Nati- men 751.400 (17 Prozent), und Norbert Burger, der sich auf unverbesserli- onal-, Gemeinde und Bezirksräten zusammensetzt, wählt Genossen Rudolf che Nazis und Querulanten stützt, erhält 140.741 Stimmen (3,1 Prozent). In Michalek zum Vorsitzenden, Manfred Conrad und llse Forster zu Stellver- Wien erreicht Kirchschläger 726.915 Stimmen (81,8 Prozent), in Ottakring treter*innen. In diesem Klub werden Probleme des Bezirkes, nötigenfalls sind es sogar 85 Prozent. unter Hinzuziehung einschlägiger Ressortleiter, beraten und Lösungsvor- Im Bezirk gilt es, durch den Rücktritt von Bezirksvorsteher Josef Srp, der schläge unterbreitet. diese Funktion volle zehn Jahre mit der ihm eigenen Dynamik und Ener- gie ausgeübt hat, einen Nachfolger zu bestellen. Sein Stellvertreter Alfred Barton, langjähriger Sektionsleiter in Ottakring, der auch als Hauptvertrau- Neuer Wohnraum in Ottakring ensmann der Wiener E-Werksbediensteten seine Kenntnisse und Erfahrun- gen oftmals unter Beweis gestellt hat, wird von den Mitgliedern des Bezirks- Bürgermeister Leopold Gratz kann im Herbst 1981 die 200.000ste Gemein- ausschusses zum neuen Bezirksvorsteher bestimmt. dewohnung übergeben, die sich im Gemeindebau Sulmgasse/Pfenning- geldgasse, gegenüber dem Schuhmeierdenkmal, befindet.

Die Fußgängerzone Wichtelgasse wird fertiggestellt. 1981 wird mit der Übergabe von (vorerst nur sieben) Wohnungen an die Mieter*innen des Gemeindebaues in der Feßtgasse der Modellfall einer Mieter*innen-Mit- bestimmung in der Gestaltung ihrer Wohnung zu Ende geführt: Der Archi- tekt Ottokar Uhl und seine Mitarbeiter*innen haben in langen Gesprächen mit den künftigen Bewohnern die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein maßgeschneidertes Heim zu tragbaren Mieten den Familien zur Verfü- gung gestellt werden kann. Im dicht bebauten Gebiet werden u. a. auf den Dächern der Häuser, auf Kosten der Mieter*innen, kleine Gärten geschaf- fen. Eine Art Ottakringer Vorläufer des 1985 fertiggestellten Hundertwas- serhauses im 3. Bezirk ist das städtische Wohnhaus in der Haberlgasse 86, geplant von dem Architekten Josef Krawina.

Die Häuser im Bereich des Johann-Nepomuk-Berger-Platzes fügen sich adä quat in das Mosaik der Gemeindebauten, das entlang der Ottakringer Alfred Barton und Erni Graßberger Straße bis zum „Alten Ort“ reicht.

90 91 Der tragische 1. Mai 1981 dent der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft und setzt sich für internationale Versöhnung und Der 1. Mai 1981 wird uns Sozialdemokrat*innen wohl immer in schreck- Völkerverbindung ein. Er wird posthum zum „Bür- licher Erinnerung bleiben. Stadtrat Heinz Nittel, in Ottakring bei Familie ger ehrenhalber der Stadt Wien“ ernannt. Weiters Kristen am Spiegelgrund aufgewachsen und seit April 1945 politisch aktiv, erinnern eine Wohnhausanlage in Floridsdorf und wird Opfer eines Mordanschlages der ein Fußweg in Hietzing an den Genossen Nittel. Terrororganisation Abu-Nidal. Der Täter Auch in Jerusalem wird er gewürdigt und ein Ver- erschießt Nittel, als dieser sich auf den kehrserziehungszentrum nach ihm benannt. Mit un- Weg zum Maiaufmarsch macht. So wird serem Freund Heinz Nittel verliert die SPÖ einen die Mai-Feier vor dem Wiener Rathaus für ihrer Besten. die Wiener Sozialdemokratie zur erschüt- ternden Trauerfeier. Im Juni 1981 findet in Wien das 3. Internationale Ju- Vor seinem Tod ist Nittel seit 1954 gendtreffen statt, an dem 15.000 junge Menschen zunächst Obmann der Sozialistischen aus 40 Ländern teilnehmen. Das 90-jährige Beste- Jugend Wiens und später Verbandsob- hen unseres Bezirkes wird 1981 mit einem Festzug mann der Sozialistischen Jugend Öster- vom Gürtel über die Thaliastraße bis zum „Alten reichs. Er ist Sektionsleiter der Sektion 12 Ort“ gefeiert. im Albert-Sever-Hof, ehe er die Aufgaben Das Gebäude des Jugendamtes der Stadt Festprogramm 1981 Wien in der Arnethgasse wird in diesem Jahr von Grund auf renoviert. Heinz Nittel eines Bezirkssekretärs der SPÖ Der Kampf um die Steinhofgründe Floridsdorf übernimmt. Geraume Zeit später wird er in den Natio- Als im Jahr 1981 das Vorhaben geäußert wird, auf dem Areal der Stein- nalrat berufen und mit der Funktion hofgründe Wohnbauten zu errichten, regt sich Widerstand in der Bevöl- des Wiener Sekretärs der SPÖ kerung. Einer, der sich besonders für den Erhalt des Grünareals einsetzt, betraut. 1976 wechselt er als Amts- ist der junge Studentenfunktionär Michael Häupl. Es wird eine Volksbe- führender Stadtrat in das Wiener fragung erwirkt, die sich mit 53,5 Prozent der Stimmen gegen eine Ver- Rathaus. Nittel ist neben seiner bauung ausspricht. Nach dieser Entscheidung verkündet Bürgermeister Funktion als Stadtrat auch Präsi- Leopold Gratz die Öffnung des Areals als Erholungsgebiet. Dies hat zur Folge, dass 1983 die Steinhofgründe zum „Schutzgebiet Wald und Der 1. Mai 1981 wird Wiesengürtel“ umgewidmet werden. Damit unterliegen die Steinhofgrün- zum Trauerzug von de nun der höchsten Schutzkategorie der Stadt und dürfen nicht bebaut Ottakring zum Rathausplatz werden.

92 93 Gegenüber dem Schloss Wilhelminenberg – bei der unmittelbar nach wird Harald Ofner (FPÖ). Das Nationalratsmandat des Bezirkes behält dem Zweiten Weltkrieg von Otto König gegründeten „Biologischen Station Hans Hobl. Franziska Fast wird Erste Volksanwältin. Wilhelminenberg“ in der Savoyenstraße – wird ein Universitätsinstitut für Das Wahlziel der Wiener Landtagswahl, die 62 Mandate zu halten, Wildtierkunde etabliert, an dessen Zustandekommen die Bezirksvorstehung kann durch den Verlust eines Mandates nicht erreicht werden. Die ÖVP Ottakring erfolgreich mitwirkt. gewinnt 2 Mandate. Das bringt auch in Ottakring Veränderungen mit sich. Karoline Pluskal legt ihr Mandat zurück und ihr folgt, von den Frauen des Bezirkes vorgeschlagen, llse Forster. Die Gesundheits- und Sozialpolitikerin Die Wahlen 1983 und langjährige Vorsitzende der Ottakringer SPÖ-Frauen wird 1991 auch Zweite Vorsitzende des Wiener Gemeinderates und vertritt den 16. Bezirk Um 1983 nicht zwei Wahlkämpfe führen zu müssen — Nationalratswahl bis zum Jahr 2001 im Wiener Gemeinderat und Landtag. Im Jahr 2002 und Gemeinderatswahl —, wird eine Zusammenlegung der beiden Wahlen wird ihr für ihre Verdienste die Julius-Tandler-Medaille in Gold verliehen. für den 24. April vereinbart. Die Ausgangsposition für Sozialdemokratie ist Nachdem der in Ottakring neben Hubert Pfoch und Gerhard Oblasser nicht sehr günstig: Die Weltwirtschaftskrise macht sich auch in Österreich gewählte Gemeinderat Franz Mrkvicka in die Wiener Landesregierung als bemerkbar. Das Ergebnis der Wahl vom 24. April 1983 ist daher enttäu- Amtsführender Stadtrat für Kultur und Sport berufen wird, zieht Michael schend, die SPÖ verliert im Nationalrat 5 Mandate und damit die absolute Häupl, seit 1978 Mitglied des Ottakringer SPÖ Parteiausschusses und Mehrheit. Wiener Obmann der Jungen Generation, auf Vorschlag der Landespartei Bereits vor der Wahl erklärt Bruno Kreisky, dass er keiner Koalitionsre- in den Gemeinderat. Davor gibt es allerdings heftige Diskussionen im Be- gierung vorstehen wird. So wird Fred Sinowatz vom Bundesparteirat mit zirk, ob dieser Beschluss der SPÖ Wien zur Kenntnis genommen werden der Regierungsbildung beauftragt. Die ÖVP, mit der erste Koalitionsgesprä- che geführt werden, hatte 4 Mandate gewonnen und stellt Forderungen, die von der SPÖ nicht akzeptiert werden können. Die Verhandlungen mit der FPÖ werden hingegen erfolgreich beendet, so dass die Regierung Sino- watz-Steger dem Bundes- präsidenten präsentiert werden kann. Bereits am 31. Mai 1983 wird dem Parlament das Arbeitspro- gramm der neuen Regie- rung unterbreitet. Größere personelle Änderungen Fackelzug der Kinderfreunde gegen Kriegsspielzeug 1984 sind die Folge. Volksanwältin Franziska Fast (v. l. n. r.: Franz Prokop, Erni Graßberger, Hubert Pfoch, Michael Nachfolger von Justiz- (ganz links Ilse Forster), 1989 Häupl, Erik Hanke, Alfred Barton, Ferdinand Supalek) minister Christian Broda

94 95 soll. Häupl studierte nach der Matura am Bundesrealgymnasium Krems Wichtelgasse, in der Ottakringer Straße 184–192 sowie in der Herbst- und der Absolvierung des Grundwehrdienstes Biologie und Zoologie an straße /Schinnaglgasse werden ebenfalls fertiggestellt und besiedelt. der Universität Wien. Von 1975 bis 1983 war Häupl wissenschaftlicher Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Wien. Während des Studiums Im Wiener Rathaus kommt es 1984 zu einer wichtigen Veränderung: engagierte er sich beim Verband Sozialistischer Studenten Österreichs Bürgermeister Gratz tritt zurück übergibt sein Amt an Helmut Zilk. (VSStÖ), dessen Bundesvorsitzender er von 1975 bis 1978 war.

Die Eröffnung der Wohnhausanlage nahe der Vorortelinie (Ottakringer Die Affäre Waldheim Straße 196–198), die Übergabe der restlichen Wohnungen im Raum Feßtgasse/Johann-Nepomuk-Berger-Platz, die Sanierung der Jubiläums- warte und die Instandsetzung der Flötzersteig-Brücke sind Leistungen, die Das Jahr 1986 ist für die von der SPÖ Ottakring in der Bezirksvertretung verlangt werden. Einen österreichische Erinnerungs- Höhepunkt dieser Aktivitäten stellen aber zweifellos die Neubauten dar, kultur von großer Bedeu- die auf dem von der Gemeinde Wien erworbenen Grundstück der ehema- tung. Durch die Wahl Kurt ligen „vereinigten Metallwerke“, südlich der Sandleiten, errichtet werden. Waldheims zum Bundes- Diese vom Architekten Karl Mang und seinen Mitarbeiter*innen kon- präsidenten findet erstmals zipierte Anlage mit 334 Wohnungen wird nach dem verstorbenen Bun- eine öffentliche Auseinan- despräsidenten und Ottakringer Mandatar „Dr. -Adolf-Schärf-Hof“ benannt dersetzung mit der NS-Ver- und durch Bürgermeister Leopold Gratz eröffnet. gangenheit Österreichs Die Arbeit der Ottakringer Sozialdemokratie für wichtige Belange der statt, die mit dem bis dahin Bewohner*innen des Bezirkes wird fortgesetzt: Durch die Abbrucharbei- aufrechterhaltenen Mythos ten auf dem Gelände der ehemaligen Austria-Email-Werke in der Sand- der Opferrolle Österreichs leitengasse/Wilhelminenstraße wird Platz für neue Betriebsstätten und aufräumt. Auch in Ottak- neue Wohnungen ring kommt es zu Protesten geschaffen. Die gegen Kurt Waldheim und Wohnbauten in der zahlreichen erinnerungs- Eisnergasse, in der politischen Aktivitäten. Gibt einen guten Einblick in den In der Bundespräsident- Helmut Zilk im Wahlkampf 1986: Ruth Beckermanns schaftswahl tritt Kurt Steyrer Gespräch am Film „Waldheims Walzer“ Ottakringer Kirtag für die Sozialdemokratie an 1985 – in der Mitte und auch die SPÖ Otta- der damalige kring unterstützt die Wahlbewegung mit einer Vielzahl von Veranstaltun- Bezirkssekretär gen. Leider verliert der Kandidat der SPÖ in der Stichwahl gegen Kurt Ferdinand Supalek Waldheim.

96 97 Franz Vranitzky und Hubert Pfoch am Ottakringer Kirtag 1986

Durch die Abstimmung um das Kernkraftwerk Zwentendorf 1978 und die Besetzung der Hainburger Au im Jahr 1984 wird Umweltschutz als po- litisches Thema immer präsenter. So gelingt es der Wahlliste um Freda Meissner- Blau damals in den Nationalrat einzuziehen. Im Februar 1987 folgt die offizielle Parteigründung der „Grünen Alternative“.

Das Bezirkssekretariat wird saniert

1986 zieht die SPÖ-Bezirksorganisation aufgrund dringend notwendi- ger Sanierungsarbeiten in die Räume einer ehemaligen Schulzahnklinik Helmut Zilk und Hubert Pfoch beim Ottakringer Sympathiefest im Franz-Schuhmeier-Hof um. Bezirkssekretär Ferdinand Supalek erzählt für Kurt Steyrer 17.–20. April 1986 im Jahresbericht 1986: „Am 14. Juni 1986 nahmen wir von unserem Büro wieder Besitz und am Abend zeigten wir mit Stolz dem Ottakringer Be- Fred Sinowatz tritt 1986 nach der Wahl Waldheims zurück und schlägt zirksausschuss die neuen Räume.“ Bereits im Jahr darauf, 1987, kann nach Franz Vranitzky als seinen Nachfolger vor. Als Jörg Haider Parteiobmann langen Verhandlungen und mühseligen Umbauarbeiten auch der ebenfalls der FPÖ wird, kündigt Vranitzky die Koalition auf und ruft Neuwahlen aus, frisch renovierte Albert-Sever-Saal eröffnet werden. Am 16. Februar hält die am 23. November abgehalten werden. Die SPÖ bleibt entgegen vieler Bundeskanzler Franz Vranitzky im Rahmen einer Bezirkskonferenz im Albert- Vorhersagen mit 43,11 Prozent stimmenstärkste Partei und stellt mit Vranitzky Sever-Saal ein politisches Referat und verleiht der Konferenz so eine ganz weiterhin den Bundeskanzler, verliert aber 10 Mandate. besondere Note.

98 99 Eine besondere Neuerung für Ottakring ergibt sich durch die Wiedereröff- Bevölkerung diskutiert und besonderes Augenmerk auf die spezifischen nung der Vorortelinie, der heutigen S45. Dies bietet den Ottakringer*innen Themengebiete Ottakrings gelegt, so unter anderem auf Inhalte wie öffent- nicht nur eine gute öffentliche Verkehrverbindung zwischen Heiligenstadt licher Verkehr, Umwelt und Stadterneuerung. und Hütteldorf. Auch das jahrelang dem Verfall preisgegebene Stations- gebäude von Otto Wagner wird endlich saniert.

Das Team der SPÖ 1987 (immer v. l. n. r. – 1. Reihe: Grete Ehrlich, Hannelore Schimanek, Anton Rind- er, Erni Graßberger, Alfred Barton, Ferry Supalek, Gabi Zak, Franz Pokorny; 2. Reihe: Gerhard Lassy, Fritz Ehm, Andreas Honay, Manfred Conrad, Elis- abeth Schnetz, Karl-Heinz Nagl; 3. Reihe: Jürgen Antes, Elfriede Bunnmayr, Rudolf Michalek, Rudolf Wiedermann, Karl Gaugusch, Karl Ehrlich; 4. Reihe: Alexander Wolfsberger, Hans Hartl, Otto Zille, Hilde Schrank, Wolfgang Band- hauer. 5. Reihe: Heinrich Pilz, Franz Süsz, Walter Hartl, Harald Stockbauer) Die Vorortelinien- Station Ottakring vor und nach der Die am 8. November 1987 abgehaltenen Gemeinderatswahlen bringen Sanierung schließlich einen großen Wahlerfolg. Mit 54,9 Prozent der Stimmen wird die SPÖ abermals stimmstärkste Partei und geht als deutliche Siegerin die- ser Wahl hervor und Helmut Zilk kann sich weiterhin als Wiener Bürger- Nach dem Beschluss, die Gemeinderatswahlen um ein Jahr vorzuverlegen, meister beweisen. Ebenso werden Wahlerfolge auch auf Ebene der Be- beginnt mit dem Kirtag 1987 in Ottakring der offizielle Auftakt des Wahl- zirksvertretungswahl erzielt, die sich im weiteren Verlauf auch positiv auf die kampfes. Durch zahlreiche Aktivitäten werden die Anliegen der Ottakringer Zahl der Mandate auswirkt. Diese erhöhen sich von bisher 27 Bezirksrats-

100 101 mandaten auf nunmehr 34. Michael Häupl wird nach dieser Wahl von Bürgermeister Helmut Zilk als „Amtsführender Stadt- rat für Umwelt und Sport“ in die Landesregierung berufen.

Eine traurige Nachricht ereilt uns am 1. Februar 1987, als das Ableben des Genossen Christian Der frisch gebackene Stadtrat Michael Häupl Broda bekannt wird. Als Werner Faymann, Hubert Pfoch und Michael Häupl eröffnet 1988 das renovierte Kongressbad (mit den Bezirksvorstehern Alfred Barton zweimaliger Justizminister und Robert Pfleger, Hernals) zeigt er sich mitverant- 1987 verabschiedet sich auch der langjährige Bezirkssekretär Ferdinand wortlich für zahlreiche Supalek in den wohlverdienten Ruhestand. Er führte seit 1967 die Geschäf- Reformen, so z. B. die be- te der SPÖ Ottakring. Ihm folgt Andreas Honay nach, der sofort einige reits erwähnte Reform des Familienrechts, die sogenannte „Fristenlösung“ neue Schwerpunkte in der Arbeit der SPÖ Ottakring setzt. und die Entkriminalisierung der Homosexualität. Einer der Höhepunkte in Brodas politischer Laufbahn ist die Aufhebung der Todesstrafe 1968. Christian Broda erhält ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof.

1987 übernimmt Alfred Barton das Amt des SPÖ-Bezirksvorsitzenden von Hubert Pfoch, der 1986 auch zum „Bürger der Stadt Wien“ ernannt wurde. Der neue Vorsitzende richtet Worte des Dankes an Hubert Pfoch:

„Heute ist unser Vorsitzender der Bezirksorganisation, 1. Präsident des Wie- ner Landtages i. R. Hubert Pfoch, aus seiner politischen Verantwortlichkeit als Vorsitzender der SPÖ Ottakring geschieden. Dank seines Einsatzes und seiner Durchschlagskraft ist es gelungen, unseren Bezirk als einen der stärksten und tatkräftigsten innerhalb unserer Bewegung zu begründen und zu erhalten. Seine Verdienste für unsere Bewegung zu rühmen, würde hier Bezirkssekretär Andreas Honay, Bezirksvorsteher Alfred Barton und der den Rahmen sprengen, da es fast nicht möglich ist, alles anzuführen, was langjährige Büroleiter in der Bezirksvorstehung Hans Forster gratulieren dem wir ihm zu verdanken haben.“ (Jahresbericht 1987) Ehepaar Srp zur Goldenen Hochzeit

102 103 Auf Sektionsebene kommt es zu Erneuerungen. 1988 wird beschlossen, die von Podiumsdiskussionen mit Helene Maimann, Josef Cap und Norbert dass jeder Sektion nunmehr ein Bezirksrat/eine Bezirksrätin vorstehen soll, Leser begleitet wird. insofern der Sektionsleiter nicht Mitglied der Bezirksvertretung ist. Dies soll 1988 wird auch dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland die Behandlung der auf Sektionsebene eingebrachten Wünsche und An- gedacht. Hier sind die Ottakringer*innen ebenfalls ausgesprochen aktiv. träge vereinfachen und als Teil der Dezentralisierung der städtischen Ver- Neben dem Gedenken zum 12. März 1938 nehmen auch an der Luftbal- waltung dazu beitragen, die Kompetenz auf Bezirksebene zu erhöhen. lonaktion „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ über 1.200 Men- Dadurch haben die Bezirksrät*innen mehr Mitwirkungsrechte, mit denen schen teil. Im Bezirksmuseum Ottakring wird im selben Jahr die Sonderaus- aber auch eine größere Verantwortung einhergeht. Somit wird von Seiten stellung „Verfolgung und Widerstand in Ottakring und Wien“ gezeigt. der Bezirksrät*innen aber auch ein höherer Zeiteinsatz erforderlich. Wiens Bevölkerungsrate ist nach dem Zweiten Weltkrieg auf 1,6 Mil- lionen geschrumpft – fast ein Drittel weniger als zuvor. Dieser allgemeine Auch in der SPÖ Ottakring hält schließlich die Digitalisierung Einzug. Bevölkerungsrückgang dauert an, im Jahr 1988 wird in Wien mit 1,48 Mil- 1988 erfolgt die Umstellung auf ein EDV-gestütztes System im Sekretariat lionen Einwohner*innen ein bisheriger Bevölkerungstiefstand verzeichnet. und auch die Möglichkeit, seinen Mitgliedbeitrag per Banküberweisung Erst mit Beginn der 1990er Jahre kommt es in Wien allmählich wieder zu zu bezahlen, wird eingeführt. Insbesonders darüber gab es jahrelang hef- einem Bevölkerungsanstieg. Ottakring verzeichnet seinen bisherigen Bevöl- tige Diskussionen, denn die Einhe- kerungstiefstand im Jahr 2001. Seitdem wächst die Ottakringer Bevölke- bung des Mitgliedsbeitrages war rung jedoch wieder stetig und zählt heute 103.785 Einwohner*innen. auch mit dem persönlichen Kontakt Nachdenklich stimmt 1989 auch der bis dahin höchste Mitgliederver- zu den Mitgliedern verbunden. Die lust seit 1974, bei dem ein Rückgang von 5,2 Prozent der Mitglieder zu sinkende Zahl der Funktionär*innen verzeichnen ist. Besonders die geringe Mitgliederzahl bei der jungen Ge- machte aber letztlich diesen Schritt neration veranlasst die Bezirksorganisation, neue Projekte und Ideen zu unumgänglich. entwickeln, um künftig auch mehr junge Mitglieder zu gewinnen.

Das Jahr 1988 wird auch für die So- zialdemokratie zu einem wichtigen Erinnerungsjahr. Denn 100 Jahre zu- vor, zum Jahreswechsel 1888/1889, wird am Hainfelder Parteitag die So- zialdemokratische Arbeiterpartei ge- gründet. Das 100-Jahr-Jubiläum wird von zahlreichen Veranstaltungen und Aufkleber 1991 Diskussionsabenden begleitet, auch Damals & Heute: 125 Jahre Ottakring im Wandel, auf der Tschauner Bühne in Ottakring. Bei der Festkonferenz im Albert-Sever-Saal hält der damalige stellvertretende Parteivorsitzende, Klubobmann Heinz Fischer, eine Festrede. Ebenso findet in der VHS Ottak- Auf dem Gebiet der Kultur ist die Renovierung der Tschauner Bühne zu er- ring unter dem Titel „100 Jahre Sozialdemokratie“ eine 100-Jahr-Feier statt, wähnen. Bis heute ist diese Bühne eine wichtige Kulturinstitution Ottakrings,

104 105 deren Ursprünge bis ins Jahr 1909 zurückreichen. Nachdem bis 1986 Auf- 1991 wird Christian Oxonitsch als Nachfolger Andreas Honays, der als führungen nur im Freien möglich waren, wird die Bühne renoviert und 1989 Sekretär in den Wiener Gemeinderatsklub wechselt, zunächst Bezirks- mit Dach wiedereröffnet. Die beliebten Aufführungen, so zum Beispiel das sekretär und kurz darauf auch Bezirksrat in Ottakring. Christian Oxonitsch Stehgreiftheater oder Musik- und Kabarettauftritte, können seitdem auch stammt aus einer Hausbesorger-Familie, besucht zunächst die Volksschule bei Schlechtwetter stattfinden. in der Julius-Meinl-Gasse und absolviert danach die AHS Maroltinger- gasse in Wien-Ottakring. Er ist hier Schulsprecher und beendet die Schule mit der Matura. Im Anschluss leistet Oxonitsch seinen Zivildienst in der Die 1990er Jahre: Ein ereignisreiches Jahrzehnt Kinderbetreuung ab und studiert danach einige Semester Geschichte und Germanistik. Während seines Studiums beginnt Oxonitsch bei den Die 1990er Jahre werden zum Jahrzehnt des Neoliberalismus. Mit dem Öster reichischen Kinderfreunden als pädagogischer Mitarbeiter und ist Fall des Eisernen Vorhangs kommt es zum Ende des Kalten Krieges, der als solcher bis zu seiner Bestellung zum Ottakringer Bezirkssekretär tätig. Öffnung der Grenzen und einer Vielzahl an europa- und weltweiten Ver- In seiner Jugend engagiert er sich in der Anti-AKW-Bewegung und scheut änderungen. Der Beginn des neuen Jahrzehnts markiert einen historischen in dieser Debatte auch nicht den Konflikt mit älteren Funktionär*innen. Neubeginn für Europa. Deutschland wird wiedervereinigt, die Grenzen Auch wenn die Diskussionen seitens der Parteileitung damals noch we- zwischen Ost und West nicht nur dort, sondern auch im restlichen Europa sentlich autoritärer geführt wurden, schätzt er seit damals an der Ottakrin- sukzessive geöffnet. ger Sozial demokratie dennoch besonders, „dass der Bezirk auf der einen Die Nationalratswahlen am 7. Oktober 1990 bringen zwar einen leich- Seite große Disziplin und Einigkeit zeigt, auf der anderen Seite aber auch ten Stimmenverlust für die SPÖ, die 80 Mandate im Nationalrat können viel Freiraum zulässt – besonders in Bezug auf die junge Generation“. aber gehalten werden, Vranitzky wird erneut Bundeskanzler. Das ist in weiterer Folge auch eine wesentliche Maxime seiner Arbeit als späterer Vorsitzender. Am 8. Juli 1991 hält Bundeskanzler Franz Vranitzky im Nationalrat eine erinnerungspolitisch bedeutsame Rede, in der er die Opferthese revidiert und die Mitschuld Österreichs am Zweiten Weltkrieg öffentlich kundtut. Dies hat langfristig auch Folgen für die Organisationen der SPÖ. So wird die Geschichte des Bundes sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intel- lektueller und KünstlerInnen und dessen Mitwirken bei der Integration öster- reichischer Nationalsozialist*innen aufgearbeitet. Im Jahr 2004 erscheint dazu im Czernin Verlag das Buch „Der Wille zum aufrechten Gang“ von Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz. Am 10. November 1991 wird in Wien gewählt. Trotz großer Stimmen- verluste kann die SPÖ die absolute Mandatsmehrheit halten (47,69 Prozent und 52 Mandate). In Ottakring erlangt das Team der SPÖ mit 50,44 Pro- zent erneut die absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit, verliert aber wie Christian Oxonitsch mit GRin Ilse Forster bei auf Wiener Ebene 10 Prozent. Michael Häupl im Wiener Rathaus

106 107 Bei der Bezirksvertretungswahl kommt die SPÖ Ottakring auf 50,5 Prozent der Stimmen und erreicht damit 30 der 58 Bezirksratsmandate. Die FPÖ kommt auf 23,4 Prozent, die ÖVP auf 15,3 Prozent und die Grünen auf 8,3 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl zum Bundespräsidenten 1992 geht Rudolf Streicher im ersten Wahlgang als Sieger hervor, kann aber keine absolute Mehrheit für sich gewinnen. In der Stichwahl setzt sich ÖVP-Kandidat Thomas Klestil mit 56,9 Prozent der Stimmen durch.

Lichtermeer: Ein Zeichen der Solidarität

Bereits 1993 formiert sich in der österreichischen Gesellschaft Widerstand gegen Haiders „Österreich zuerst“-Volksbegehren. Am 23. Jänner 1993 Die Spitzenkandidat*innen für die Bezirks- kommt es zu einer von der NGO SOS Mitmensch initiierten Demonstration ver tretungs- und Gemeinderatswahl 1991 (v. l. n. r.: BV Alfred Barton, GR Franz Riepl, GRin Ilse gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz am Wiener Heldenplatz und in Forster, STR Michael Häupl, BV-Stv. Erni Graßberger, weiteren österreichischen Städten. Die als „Lichtermeer“ bezeichnete De- GR Gerhard Oblasser, GR Fritz Honay) monstration zählt in Wien über 300.000 Teilnehmer*innen und wird zur

Das Team der SPÖ Ottakring für die Wahlen im Jahr 1991 Plakat der Jungen Generation für das Lichtermeer 1993

108 109 bislang größten Demonstration Österreichs, an der auch viele Vertreter*in- Österreich wird Mitglied der Europäischen Union nen der Sozialdemokratie mitwirken. Die Demonstrant*innen erleuchten mit Kerzen und Fackeln den nächtlichen 1994 steht eine weitere ganz besondere Veränderung bevor: Am 12. Juni Heldenplatz und setzen ein deutliches Zeichen gegen die ausländerfeind- wird bei einer Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union liche Politik besonders der FPÖ unter Haider. Kurz darauf spaltet sich eine abgestimmt. Vorbereitend wird von der SPÖ Ottakring das „Europaforum Gruppe von FPÖ-Nationalratsabgeordneten um Heide Schmidt ab und Ottakring“ ins Leben gerufen, um für diesen bedeutenden Schritt Öster- gründet das Liberale Forum. reichs zu werben. Alfred Barton resümiert hierzu: 1993 übernimmt Michael Häupl den Landesparteivorsitz der Wiener „Dieses Engagement unserer mehr als 700 Vertrauenspersonen wurde SPÖ von Hans Mayr. Bereits während seines Studiums ist Häupl beim bei der Abstimmung über einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Union VSStÖ aktiv. Fünf Jahre lang ist er Mitglied des Wiener Gemeinderats auch von Erfolg gekrönt. Auch in Ottakring hat sich am 12. Juni 1994 eine und Landtags, ehe er 1988 Wiener Stadtrat und Landesrat für Umwelt und überwältigende Mehrheit für diesen bedeutenden und wichtigen Schritt Sport wird. Im November 1994 löst Michael Häupl Helmut Zilk als Wiener ausgesprochen. Die Ottakringer SPÖ hat in dieser Auseinandersetzung, Bürgermeister ab und in diesem Jahr wechselt auch Erni Graßberger von die ja nicht immer von seriösen und stichhaltigen Argumentationen geprägt der Funktion als Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in die einer Wiener Ge- war, wieder neue Formen meinderats- und Landtagsabgeordneten. der Informationsarbeit in Wer neuer Stellvertreter von Berzirksvorsteher Barton wird, entschei- die Tat umgesetzt und da- det sich in einer Kampfabstimmung im Bezirksausschuss, bei der sich der mit gezeigt, dass sie eine Sektionsvorsitzende und Hausbesorger-Gewerkschafter Karl Ehrlich gegen Partei ist, die auch ihre Ak- den Klubvorsitzenden und langjährigen Sandleitner Sektionsvorsitzenden tionsformen immer den ak- Manfred Conrad durchsetzt. Da Genosse Conrad in weiterer Folge seinen tuellen gesellschaftlichen Klubvorsitz zurücklegt, wählen die Ottakringer Mandatar*innen Alexander und politischen Rahmen- Wolfsberger zu ihrem neuen Vorsitzenden. bedingungen anzupassen weiß. Vor allem in dieser „Wahlbewegung“ ist es uns hervorragend gelun- Plakatkampagne 1994 gen, bei unseren Aktivitä- ten – hier sei nur an das „Europaforum Ottakring“ erinnert, welches von der SPÖ Ottakring ins Leben gerufen wurde – junge Menschen anzuspre- chen.“ (Jahresbericht 1994) In Ottakring spricht sich mit 63,9 Prozent wie auch in allen anderen Bundesländern, eine klare Mehrheit für den Beitritt zur EU aus Aus den Nationalratswahlen am 9. Oktober 1994, der 19. National- ratswahl in der Geschichte der Republik Österreich, geht die SPÖ unter Erni Graßberger und Franz Vranitzky mit 34,92 Prozent zwar als stärkste Kraft hervor, muss aber Michael Häupl einen Verlust von fast 8 Prozent und 15 Mandaten hinnehmen. Wie bereits

110 111 bei der letzten Wahl verliert die ÖVP unter Erhard Busek Stimmen und Nach dem Bruch der Koalition mit der ÖVP, wird am 17. Dezember Mandate und wird zweitstärkste Partei. 1995 nach nur 14 Monaten ein neuer Nationalrat gewählt. Diesmal kann die SPÖ unter Spitzenkandidat Franz Vranitzky an Stimmen zulegen und Von den Einbußen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP profitiert die kommt wieder auf 38,06 Prozent und 71 Mandate. FPÖ, die mit Jörg Haider als Spitzenkandidaten Stimmen und Mandate hinzugewinnt. Viertstärkste Partei wird die Grüne Alternative mit Madeleine Petrovic, die ebenfalls Stimmen und Mandate hinzugewinnen kann. Bei sei- nem ersten Antreten bei einer Nationalratswahl schafft das Liberale Forum von Heide Schmidt den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde und wird fünft- stärkste Partei. Eine bedrohliche Entwicklung stellt das neuerliche Aufkeimen des Rechtsextremismus und der damit verbundene Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider dar. Durch die zunehmenden Stimmenverluste bei Wahlen – beson- ders an die FPÖ – kommt es zu einem Diskussions- und Nachdenkprozess, eine Phase der Selbstkritik durchströmt die SPÖ. Es müssen, so viel steht in der Partei fest, im Hinblick auf das neue Jahrtausend Reformen Einzug halten. Einen ersten Schritt setzt die Umbenennung der Partei zur „Sozial- demokratischen Partei“, da dies zeitgemäßer ist und das moderne Image Franz Vranitzky im Wahlkampf in Ottakring im Jahr 1995 der SPÖ unterstreichen soll.

Die SPÖ positioniert sich gegen den aufkeimenden Rechtsextremismus. Be- sonders Bürgermeister Michael Häupl ruft anlässlich des 60. Jahrestages Die SPÖ Ottakring verjüngt sich der Februarkämpfe dazu auf, entschieden allen Formen des Faschismus und Rechtsextremismus entgegenzutreten. Auch der Ottakringer Bund So- 1996 kommt es in der SPÖ Ottakring zu einer deutlichen Verjüngung. zialdemokratischer Freiheitskämpfer – Opfer des Faschismus und aktiver Nachdem schon im Dezember 1995 Gerhard Oblasser aus dem Gemein- Antifaschisten leistet wichtige Aufklärungsarbeit: derat ausscheidet und ihm Andreas Honay nachfolgt, übergibt Bezirksvor- „Die Ziele der Organisation sind seit ihrer Gründung gleichgeblieben: steher Alfred Barton sein Amt an die Ottakringer Landtagsabgeordnete und Aufklärung über die Verbrechen des Faschismus der Vergangenheit und Gemeinderätin Ernestine Graßberger. Sie war 14 Jahre seine Stellvertrete- Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit rin und kannte daher die Arbeit eines Bezirksvorstehers sehr gut. Bereits früh der Gegenwart. Dabei erfüllen die Zeitzeugen eine wichtige Aufgabe in ist sie, aufgewachsen im Ottakringer Gemeindebau, bei den Ottakringer der Überzeugungsarbeit unter jungen Menschen, vor allem in den Schu- Kinderfreunden tätig und zählt Bruno Kreisky zu ihren großen Vorbildern. len. Durch Gedenkveranstaltungen bei den Mahnmalen für die Opfer in Sie absolviert eine kaufmännische Ausbildung und arbeitet von 1975 bis den ehemaligen NS-Konzentrationslagern und bei vielen Kundgebungen 1980 als Heimleiterin des Schülerinternates „Europahaus des Kindes”. Von wird der Geist des ‚NIEMALS VERGESSEN’ wachgehalten.“ (Jahres- 1980 bis 1996 ist sie Geschäftsführerin der „Gesellschaft österreichischer bericht 1988) Kinderdörfer”.

112 113 SPÖ mit 39,15 Prozent ihre absolute Mehrheit und es wird eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP gebildet. In Ottakring stimmen immerhin 41,68 Prozent der Wähler*innen für die Sozialdemokratie, aber auch hier geht die absolute Mehrheit verloren. Ottakring büßt bei dieser Wahl auch ein Gemeinderatsmandat ein und Christian Oxonitsch wechselt deshalb zu- rück in die Ottakringer Bezirksvertretung. Für Ottakring ziehen Ilse Forster und Andreas Honay in den Gemeinderat und Landtag ein, Ilse Forster wird auch Dritte Vorsitzende des Wiener Gemeinderates. Mit der Aktion „Reden wir darüber“, die in Folge des schlechten Wahl- ergebnisses durchgeführt wird, zieht sich die SPÖ nicht in einen Schmollwin- kel zurück, sondern sucht intensiv auch in Ottakring mit über 30 Veranstal- tungen den Dialog mit den Wiener*innen. Am selben Tag wie die Wien-Wahlen finden 1996 auch die ersten Erni Graßberger beim Welttag des Kindes 1978 Wahlen der österreichischen Abgeordneten zum EU-Parlament statt. Die ÖVP führt im Ergebnis mit 29,65 Prozent der Stimmen, vor der SPÖ, die Auch Franz Mrkvicka zieht sich im Jänner 1996 aus dem Parlament zurück, 29,15 Prozent erhält. Die FPÖ erreicht mit 27,53 Prozent ein bedenklich auf seinen Sitz im Nationalrat folgt für Ottakring der Metallergewerkschaf- hohes Wahlergebnis. ter Franz Riepl. Riepl arbeitet von 1968 bis 1973 als Elektromechaniker und Nach dem Rücktritt Franz Vranitzkys im Jänner 1997 wird Viktor Klima ist seit 1973 Gewerkschaftssekretär. 1988 wird er Bundessekretär. Franz Parteivorsitzender der SPÖ und österreichischer Bundeskanzler. Mrkvicka wird für seine Verdienste im Jahr 2000 der Berufstitel Professor verliehen, im Jahr 2010 wird er Bürger der Stadt Wien. Sein Gemeinde- ratsmandat wird von Christian Oxonitsch übernommen, der damit im Alter von 35 Jahren erstmals in den Wiener Ge- meinderat und Land- tag einzieht.

Bei den Gemeinde- Viktor Klima ratswahlen in Wien zu Besuch im am 13. Oktober Europahaus des Postkarten für die Gemeinderatswahl 1996 1996 verliert die Kindes 1998

114 115 Neue Vorsitzende für die SPÖ Ottakring und Jugendfragen. „Was ich an der SPÖ Ottakring immer schon geschätzt habe und nach wie vor schätze ist der Zusammenhalt“, sagt Yilmaz. Und sie Auch in der SPÖ Ottakring gibt es einen Wechsel im Parteivorsitz. Alfred erklärt auch, weshalb Ottakring als Bezirk so attraktiv ist: „Wir sind in Otta- Barton kandidiert bei der Bezirkskonferenz am 24. Februar nicht mehr als kring ausgerüstet mit all dem, was eine Stadt braucht: einem Krankenhaus, Vorsitzender der SPÖ Ottakring . Mit großer Mehrheit wird der 36-jährige einem Markt, genug Kirchen, Grünflächen, Wald, Kinderspielplätzen und Ottakringer Gemeinderat und Klubsekretär Andreas Honay von den Dele- Fußballvereinen – das ist wie ein kleines Städtchen.“ gierten zum neuen Bezirksparteivorsitzenden gewählt. Honay war seit sei- ner Jugend in der Sozialistischen Jugend aktiv, später Ottakringer Bezirksrat In die Zeit von Nurten Yilmaz als Bezirksgeschäftsführerin fällt die vollstän- und Bezirkssekretär. 1991 wurde er von Michael Häupl und Karl Svoboda dige Neugestaltung des Sekretariates am Schuhmeierplatz. In der Zeit der als Klubsekretär in den Wiener Rathausklub berufen. Sanierung bezieht das Sekretariat Räumlichkeiten des Pensionist*innenver- bandes in der Koppstraße. Aber schon zweieinhalb Monate später, am 5. Mai 1997 erschüttert der Tod von Andreas Honay nicht nur die Ottakringer Bezirksorganisation, son- Am Schuhmeierplatz werden neue Räume geschaffen, das Sekretariat auf dern die gesamte Wiener SPÖ. Am selben Abend findet eine eilig einbe- den neuesten technischen Stand mit EDV-Leitungen, Beamer etc. und aus rufene Sitzung des Bezirksausschusses am Schuhmeierplatz statt, an der dem reichhaltigen Archiv der SPÖ Ottakring wird eine kleine (Dauer-)Aus- auch Bürgermeister und Landesparteivorsitzender Michael Häupl teilnimmt. stellung über die Geschichte der Ottakringer Sozialdemokratie gestaltet, „Dieser Tag war für mich einer der schwersten in meiner gesamten politi- die seither immer wieder gerne von Ottakringer*innen besucht wird und schen Laufbahn“, erinnert sich Michael Häupl 21 Jahre später anlässlich auch bei Schulungen eingesetzt wird. 2019 wird diese Ausstellung aktuali- seines Ausscheidens aus der aktiven Politik an diese von Trauer und Betrof- siert und erweitert. fenheit geprägte Sitzung.

Neue Bezirkssekretärin wird Nurten Die Umgestaltung des Yppenplatzes Yilmaz. Als erste Bezirksgeschäfts- und der Ausbau der U3 führerin mit Migrationshintergrund gelingt es ihr schnell, sich im Bezirk 1997 wird eine Umgestaltung des Yppenplatzes forciert und die Bevöl- zu beweisen. Geboren ist Genos- kerung in die Umgestaltungsplänen mit einem Bewohner*innenbeirat ein- sin Yilmaz in der Türkei, sie wächst bezogen. „Mit dem Schritt der aktiven Bürgerbeteiligung bei der Neuge- jedoch in Wien auf und tritt bereits staltung des Yppenplatzes betrat Ottakring damals absolutes Neuland in als Jugendliche der Sozialistischen der Wiener Bezirkspolitik“, erinnert sich Christian Oxonitsch, der damals Jugend bei. 1992 beginnt sie diesen Prozess im Auftrag von Bezirksvorsteherin Erni Graßberger beglei- hauptamtlich bei den SPÖ Bundes- tete. Von der erfolgreichen Umgestaltung des Yppenplatzes profitiert der frauen zu arbeiten. 1999 wird sie Bezirk bis heute. Wie auch bei dem sanierten Gürtelabschnitt entsteht dann schließlich Bezirksrätin in Ot- durch die bunte Vielfalt an Lokalen am Yppenplatz ein beliebter Treffpunkt takring und zeigt sich in diesem Zu- Ottakrings. Nurten Yilmaz sammenhang zuständig für Kinder-

116 117 Der neue Park am Yppenplatz Der Yppenplatz in den Umgestaltung des Yppenplatzes 1999 1980–1990er Jahren Und auch der Kunst wird bei der Neugestaltung breiter Raum gegeben. „Schon bei der Erstellung des städtebaulichen Gesamtkonzeptes wurde Ottakring entwickelt sich zuneh- vorgeschlagen, bei sämtlichen Neubauten, aber auch im Zuge der Revita- mend und wird besonders durch lisierung von erhaltenswerten Altgebäuden, bildende Künstlere*innen ein- den Ausbau der U3 deutlich auf- zubinden, um dem neu entstehenden Bezirksteil, der Zentrumsfunktionen gewertet. Nicht nur verbessert sich übernehmen wird, eine unverwechselbare Identität zu verleihen“, schreibt mit der Eröffnung am 5. Dezember Erni Graßberger in dem Vorwort zur Broschüre „Kunstmeile Ottakring“, die 1998 die Verbindung Ottakrings anlässlich der Eröffnung erscheint. zum Stadtzentrum, auch die Entste- hung eines neuen Bezirkszentrums rund um die Endstelle wird forciert: Ein Hochhaus für die Mitarbei- ter*innen des AKHs entsteht, in die ehemaligen Austria Tabakwerke zieht eine HTL ein, neue Wohnun- gen, ein Forschungszentrum, zwei Kindergärten entstehen rund um den neugeschaffenen Platz vor der Endstelle. Flugblatt für das Infofest zum U-Bahn- Ausbau nach Ottakring Walter Michael Pühringers „Kunstflieger“ in der Schule Koppstraße 110

118 119 Die Werke von 15 Künstler*innen, darunter auch so bekannte Namen wie Brigitte Kowanz, Waltraud Cooper oder Manfred Wakolbinger sind we- sentliche Gestaltungselemente im Umfeld der U3. Gleichzeitig mit der U3-Verlängerung nach Ottakring wird der Gürtel- abschnitt von Ottakring saniert und Lokale ziehen in die Stadtbahnbögen ein. Möglich machen dies eine Förderung der Europäischen Union und das intensive Drängen des Bezirkes. Und im Jahr 1997 wird die Hanserstraße zur ersten Radroute Wiens – und ist es unter dem Begriff „Radhighway“ bis heute.

Sandleiten heute

Besonderer Fokus liegt in dieser Zeit auch auf der Sanierung vieler Ge- meindebauten in Ottakring, unter anderem des Adelheid-Popp-Hofs, des Honayhofs, des Pirquethofs sowie des Sandleitenhofs.

linkes Bild: Bau der U3 nach Ottakring 1996 | rechtes Bild: Eröffnen die U-Bahn nach Ottakring: Bgm. Michael Häupl und STR Brigitte Ederer

oben: Postkartenaktion der SPÖ Ottakring rechts: Broschüre 2005 über die zahlreichen Projekte in Ottakring

Der im Zuge des U-Bahn-Baus geschaffene Platz

120 121 Alleine im Jahr 1999 werden über 50 Althäuser in Ottakring saniert und Schwerpunkt liegt im Bereich Umwelt und sie setzt ihr Wissen – sie ist stu- über 800 geförderte Wohnungen errichtet. Gleichzeitig werden verstärkt dierte Molekularbiologin und Gentechnik-Expertin – für positive Verände- Maßnahmen gegen Altbauspekulationen und Problemhäuser getroffen. rungen im Bezirk und in ganz Wien ein. Ebenso werden die Sanierungen der Volks- und Hauptschulen im Bezirk vorangetrieben und in nur einem Jahr 200 neue Kindergartenplätze ge- schaffen – ein weiterer wichtiger Schritt zum Ausbau der Infrastruktur. Kultur pur

Licht in dunkle Gassen bringt das Projekt „Mehr Licht“, das sich zum Beispiel In Ottakring hat Kultur eine lange Tradition, vor allem deshalb, weil die So- mit der Gehwegsbeleuchtung am Gürtel befasst. Erstmals wird in Ottakring zialdemokratie seit jeher darauf achtet, kulturelle Impulse zu setzen. In der der gesamte Gehweg entlang der Gürtelbögen beleuchtet. Und auch für Zwischenkriegszeit mit Veranstaltungen im Ottakringer Arbeiterheim oder die Kleingärten entstehen Neuerungen: Durch eine neue Flächenwidmung im Veranstaltungssaal in Sandleiten, nach dem Zweiten Weltkrieg durch wird das ganzjährige Wohnen in den Ottakringer Kleingärten ermöglicht. Musik-, Tanz- und Filmvorführungen im Albert-Sever-Saal, aber auch mit Wiener Wohnen bekommt in Ottakring direkt an der Neuen U-Bahn- vielen Gemeindebaufesten. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei der Haltestelle bei der Kendlerstraße ein neues Wohnservice mit Beratungs- Ottakringer Kirtag ein, der mittlerweile das größte Bezirksvolksfest Wiens ist. zentrum, und der neugeschaffene Wiener Integrationsfonds erhält ein Beratungszentrum in der Thaliastraße. Umweltthemen bekommen in den 90er Jahren auch in der SPÖ eine immer größere Bedeutung. Die Stadt Wien beschließt, erstmals Umwelt- abgaben einzuführen. Das Bewusst- sein rund um das Thema Umweltschutz wächst – auch Ottakring bleibt diesbe- züglich nicht stumm und hält verschiede- ne Konferenzen zu dem Thema im Bezirk Der Ottakringer ab. Mit Ulli Sima wird 1999 eine beson- Kirtag heute ders ambitionierte Umweltschützerin Teil der SPÖ. Sima, die zuvor bei Global 2000 arbeitete, war maßgeblich am Gentechnik-Volksbegehren beteiligt. Zu- nächst wird sie 1999 Abgeordnete zum Nationalrat und ein Jahr später Umwelt- sprecherin der SPÖ. Sima ist zwar Quer- einsteigerin, kommt jedoch aus einer sozialdemokratischen Familie. Ihr Groß- vater Hans Sima war seinerzeit Kärntner Ulli Sima Landeshauptmann der SPÖ. Ulli Simas

122 123 Im Jahr 2020 muss er, wie viele andere Veranstaltungen in ganz Wien, stützt und trägt, ebenso wie die „Brunnenpassage“ mit ihren vielfältigen erstmals in seiner mittlerweile über 40-jährigen Geschichte wegen der Angeboten, maßgeblich zum Aufstieg des Brunnenmarktviertels von einem Corona-Pandemie abgesagt werden. der abgewohntesten zu einem der angesagtesten Stadtteile Wiens bei. Zu einer echten Tradition entwickelt sich auch der 1998 erstmals durch- „Nichts zeigt eindrucksvoller die Entwicklung des Brunnenmarktviertels geführte Gürtel Nightwalk, der seit seiner Gründung ebenfalls jährlich als die Tatsache, dass ich zu Beginn meiner politischen Laufbahn in den immer mehr Besucher*innen begeistert. Die Idee zum Nightwalk kommt Sprechstunden mit dem Wunsch vieler konfrontiert war, vom Brunnenmarkt Christian Oxonitsch bei einem Berlin-Besuch. Die Gürtellokale kämpfen wegzuziehen, und heute mit dem Wunsch vieler hinzuziehen“, macht Chris- zu jener Zeit ums Überleben und Oxonitsch überlegt, wie den Lokalen tian Oxonitsch den Wandel deutlich. geholfen werden kann. In Berlin sieht er in einem Geschäft eine Auslage mit elektronischer Musik aus Wien. Dies wird zur Initialzündung für die Idee und gemeinsam mit den Gemeinderäten des 17. und des 8. Bezirks Wahlen zur Jahrtausendwende wird der Gürtel Nightwalk ins Leben gerufen. Dieser zählt bereits im zwei- ten Jahr doppelt so viele Besucher*innen wie zu Beginn. Auch Nurten Nachdem Thomas Klestil 1998 erneut zum Bundespräsidenten gewählt Yilmaz ist von Anfang an Teil der Organisation des Gürtel Nightwalks wird, kann die SPÖ bei den Europawahlen am 13. Juni 1999 zulegen und bezeichnet ihn als eines ihrer Herzensprojekte. Nach zwei Jahren des und wird diesmal vor der ÖVP stimmenstärkste Partei. 31,71 Prozent und Bestehens wird sie zur Gastgeberin der Veranstaltung und liest bei der 7 Mandate sind ein erfreuliches Ergebnis. Eröffnung eine Reihe lustiger und skurriler eingereichter Anträge vor, die Bei der Nationalratswahl am 3. Oktober 1999 belegt die SPÖ mit das Publikum amüsieren. 33,15 Prozent den ersten Platz. Obwohl die ÖVP bei dieser Wahl nur dritt- stärkste Partei ist, stellt sie mit Wolfgang Schüssel schließlich den Bundes- kanzler. Die schwarz-blaue Koalition, die 2000 ihre Arbeit aufnimmt, hat zur Folge, dass sich die SPÖ nach 30 Jahren erstmals wieder in der Opposi tion befindet. Obwohl dieses Wahlergebnis ein schmerzhaftes ist, hebt Bezirksvorsitzender Christian Oxonitsch mit Zuversicht die positiven Bilanzen in Wien und auch in Ottakring hervor, die in einem deutlichen Gegensatz zu den Fehlschlägen der blau-schwarzen Regierung stehen. Auch Nurten Yilmaz betont die Wichtigkeit einer roten Wiener Stadtregie- rung. Viktor Klima zieht sich in diesem Kontext aus der Politik zurück, Alfred Gusenbauer wird neuer Bundesparteivorsitzender der SPÖ. Die schwarz-blaue Koalition wird von vielen Wiener*innen mit Unbe- hagen betrachtet. Dies liegt neben der konservativen Einstellung der ÖVP zu Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Homosexualität besonders Gürtel Nightwalk Werbesujet für den Nightwalk 2009 auch an der rassistischen, antisemitischen und generell ausländerfeindlichen Politik der FPÖ. Als Protest gegen die schwarz-blaue Regierung werden ab Das Kulturprojekt „SOHO in Ottakring“ wird von Anbeginn an vom damals Februar 2000 wöchentlich die sogenannten Donnerstagsdemos abgehal- für Kulturfragen zuständigen Bezirksrat Franz Prokop maßgeblich unter- ten, um so den Widerstand der Bevölkerung gegenüber der Regierung zu

124 125 unter mauern. Auch Vertreter*innen der SPÖ nehmen an den Donnerstags- gelingt es nach fünf Jahren rot-schwarzer Koalition mit 46,9 Prozent der demos teil. Auch international hagelt es Kritik gegen die Bundesregierung. Stimmen wieder die absolute Mandatsmehrheit zu erreichen. Dieses groß- artige Wahlergebnis zeigt sich auch in Ottakring, wo mit 49,45 Prozent der Stimmen ebenfalls die absolute Mehrheit erreicht wird. Neben Christian Oxonitsch ziehen nun auch Nurten Yilmaz auf Vorschlag der Ottakringer SPÖ-Frauen und die Vorsitzende der Jungen Generation Sonja Ramskogler in den Wiener Gemeinderat ein.

Auf Bezirksebene können ganze fünf Mandate dazugewonnen werden. Bezirksvorsitzender Christian Oxonitsch merkt zu dieser bedeutsamen Wahl an: „Das Jahr 2001 war wohl für alle Wiener Sozialdemokrat*innen ein denkwürdiges Jahr. Mit dem grandiosen Wahlerfolg vom 25. März ha- ben auch die Ottakringer Bürgerinnen und Bürger ein klares Bekenntnis zu einem sozialdemokratischen Weg für unseren Bezirk und für unsere Rote-Nelken-Verteilaktion gegen Schwarz-Blau 2001 Stadt abgelegt. Mit einem Stimmenzuwachs von 8,87 Prozent auf insge- samt 49,45 Prozent für die SPÖ in Ottakring und einem Verlust von fast Ein deutliches Zeichen gegen die schwarz-blaue Bundesregierung setzt 10 Prozent für die Bezirks-FPÖ war dies ein mehr als deutliches Signal für dann aber schließlich die Wien-Wahl 2001. Der SPÖ und Michael Häupl uns Sozialdemokraten und damit auch ein sehr deutlicher Wählerauftrag.“ (Jahresbericht 2001)

Bezirkswahlkampagne 2001 Bezirkswahlkampagne 2001

126 127 Christian Oxonitsch wird nach dieser Wahl neuer Klubvorsitzender der Ein neues Jahrtausend ist angebrochen und auch in Ottakring entwickelt sich SPÖ-Rathausfraktion und folgt damit dem legendären ehemaligen Stadtrat vieles weiter. In der Hasnerstraße und in der Koppstraße zeigt sich der gro- und Simmeringer Parteiobmann Johann Hatzl nach, welcher dieses Amt ße Erfolg der beiden neuen Kindergärten. Nicht nur werden hier an die 600 von 1996–2001 bekleidet. Oxonitsch hat dieses Amt von 2001–2008 und Kinder betreut, es werden zudem zahlreiche Initiativen wie z. B. Vernissagen von 2015–2018 inne. und Montessori-Projekte veranstaltet, die im Bezirk spürbar Anklang finden. Doch das Engagement für Kindergärten in Ottakring reicht noch weiter – Der Wahlerfolg setzt sich auf Bezirksebene auch bei den vorgezogenen durch die Mittel aus der Kindergarten-Milliarde ist es möglich, sowohl am Nationalratswahlen 2002 fort und mit 47,02 Prozent wird in Ottakring ein Hofferplatz als auch im Europahaus des Kindes jeweils eine neue Kinder- Plus von 6,47 Prozent der Wähler*innenstimmen erreicht. Auch wenn das stube einzurichten. Das Europahaus des Kindes betreibt in Ottakring sozial- Ergebnis österreichweit leider nicht ebenso erfreulich ausfällt, motiviert der pädagogische Wohngruppen und hilft dadurch Kindern, deren Herkunfts- Stimmenzuwachs in Wien und besonders in Ottakring dazu, wieder ge- familien nicht entsprechend für sie sorgen können. Mit viel Engagement stärkt in die Zukunft zu blicken. Die neuerliche Aufnahme der zuvor geschei- unterstützt das sozialpädagogische Team des Europahauses die Kinder, terten schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel dämpft zwar die um ihnen so ein sicheres, liebevolles und entwicklungsförderndes Umfeld Freude, von Resignation ist aber nichts zu spüren. Das zeigt sich auch deut- zu bieten. Der durch die Kindergarten-Milliarde entstandene zusätzliche lich in den Worten von Nurten Yilmaz: Bewegungsraum ist daher ein wichtiger Beitrag dieser großartigen Arbeit. „Trotz der herzeigbaren Resultate unserer Bezirkspartei bleibt – ange- Auch am Hofferplatz zeigt sich der wichtige Einsatz jener Kindergarten- sichts der heutigen politischen Landschaft – ein bitterer Nachgeschmack Milliarde, da durch die zusätzlichen Geldmittel – aber auch durch tatkräftige über. Aber die Menschen, die wir im Wahlkampf für unsere Bewegung Eigeninitiativen – hier nahezu eine Neugestaltung umgesetzt werden konnte. gewinnen konnten, und der Zuspruch für unsere Politik sind es allemal wert, den Kampf jederzeit wieder aufzunehmen.“ (Jahresbericht 2002)

Hasnerstraße: Wiens erster „Radhighway“

Ebenfalls einen neuen Anstrich erhält 2001 ein Ottakringer Urgestein – Weihnachtskarte der SPÖ Ottakring 1998 die Brotfabrik. 1910 als Bäckerei für den „Ersten Wiener Consum-Verein“

128 129 errichtet, steht sie lange Zeit leer und wäre beinahe dem Abriss zum Opfer Frischer Wind im Bezirk gefallen. Durch die Revitalisierung und Sanierung kann dieses Baujuwel mit seiner repräsentativen Jugendstilfassade aber gerettet werden und dient Dass es im Bezirk vorwärts geht, beweist auch Nurten Yilmaz. 2003 wird nun als Wohn- und Bürogebäude. sie stellvertretende Bezirksvorsitzende der SPÖ Ottakring. Sie schätzt es sehr, dass es in ihrer Bezirksorganisation keine Diskussionen bezüglich ei- Auch am Gürtel tut sich 2001 einiges: Die Fertigstellung der letzten drei ner Frauen-Quote gibt, da selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer Gürtelbögen haucht der bisherigen „Verkehrshölle Gürtel“ ein für alle Male gleichermaßen Ämter belegen. Zudem betont sie, dass die SPÖ Ottakring neues Leben ein, lässt diese zu einer angesagten Kultur- und Musikmeile auch jungen Menschen Platz bietet und diese nicht als Konkurrenz, sondern werden, die zu einem fixen Bestandteil des Wiener Nachtlebens wird. als Bereicherung sieht. Denn sie ist der Überzeugung: „Man öffnet eine Auf der Thaliastraße gibt es im selben Jahr auch eine Neuerung, als der Partei, wenn man den Leuten eine Chance gibt.“ Straßenzug für den sogenannten „ULF“, die Niederflurbahn, gerüstet wird. 2004 verabschiedet sich Bezirksvorsteherin Ernestine Graßberger in Dies hat in Ottakring eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Verkehrs den Ruhestand. Seit 1996 hatte sie das Amt inne und stellte in dieser Zeit zur Folge. So sind die Fahrgäste der Straßenbahnlinie 46 künftig barriere- ihr Engagement und ihre Fähigkeiten immer wieder unter Beweis. Von Bür- frei und komfortabel unterwegs. germeister Michael Häupl wird sie 2004 für ihre Arbeit und ihren Einsatz mit der Julius-Tandler-Medaille ausgezeichnet. Sie übergibt ihr Amt an Franz Nach dem FPÖ-Parteitag in Knittelfeld, bei dem es zur Parteispaltung kommt, Prokop, der seit 1991 Vorsitzender der Ottakringer Kinderfreunde ist und zerbricht auch die erste schwarz-blaue Regierung. Am 24. November 2002 seit 1994 der Bezirksvertretung angehört. wird ein neuer Nationalrat gewählt. Die ÖVP wird stärkste Kraft, bildet er- neut eine Koalition mit der FPÖ und setzt ihren konservativen Kurs fort.

2003 trauert die SPÖ um ihre langjährige Abgeordnete Franziska Fast, die im Alter von 78 Jahren verstirbt.

Für ihre Verdienste bekommt Franziska Fast 1986 das Große Goldene Ehren zeichen des Franz Prokop (ganz links) bei seiner Angelobung als Bezirksrat 1994 Landes Wien von (weiter v. l. n. r.: Hilde Holzhacker, Anton Korntheuer, Erni Graßberger, Bgm. Helmut Zilk Franz Püngüntzky, Alfred Barton, Ilse Forster, Andreas Honay, überreicht Johann Hatzl, Christian Oxonitsch)

130 131 Wie auch schon seine Vorgängerin Ernestine Graßberger wächst Franz auszutauschen. Als ge- Prokop im Ottakringer Gemeindebau auf. Als Kind ist er Teil der Roten bürtiger Ottakringer weiß Falken und beschreibt diese Zeit und besonders die gruppendynamischen Prokop auch das beson- Prozesse als sehr prägend. Bei den Roten Falken lernt er, Lösungen zu fin- dere Flair des Bezirks zu den, Ideen zu kreieren und darf mitgestalten. „Gibt’s ned hat es bei uns beschreiben: „Wenn du eigentlich nicht gegeben“, sagt Prokop, „Wir haben immer auch Dinge um- auf die Jubiläumswar- gesetzt, wo andere vielleicht gesagt haben, das könnte schwierig werden. te hinaufsteigst und du Wir haben es probiert, wir haben daraus gelernt, manches hat nicht funkti- schaust auf Ottakring oniert, vieles hat aber funktioniert. Optimismus war bei uns an erster Stelle.“ und Wien – und es ist noch dazu das Wetter halbwegs schön – dann kannst du dieses Lebens- gefühl, das Ottakring ver- Die Jubiläumswarte heute mittelt, einfach genießen.“

2004 wird mit Ulli Sima eine Ottakringerin Umweltstadträtin der Stadt Wien. Damit übernimmt eine ausgewiesene Expertin und langjährige Um- weltaktivistin dieses wichtige Amt. Auch die Bundespräsidentenwahl in diesem Jahr ist ein Lichtblick: Heinz Fischer setzt sich gegen die ÖVP-Kandidatin Benito Ferrero-Waldner durch und gewinnt die Wahl mit 52,39 Prozent. Damit stellt die SPÖ nach zwei kon- servativen Bundespräsidenten erstmals seit 1986 wieder das Staatsoberhaupt.

Das Wiener Bezirksblatt berichtet 2004 ausführlich über den Amtsantritt von Franz Prokop

Heinz Fischer mit Diese Erfahrung, gemeinschaftlich Projekte umzusetzen, nimmt er auch in Erni Graßberger und die Bezirkspolitik mit. Die SPÖ schafft in ihrer Arbeit im Bezirk zahlreiche Franz Prokop bei Stauds Begegnungsorte und gibt den Ottakringer*innen so die Möglichkeit, sich am Yppenplatz

132 133 Auch bei der Europawahl 2004 kann die SPÖ erneut Stimmen gewinnen Bezirksvorsteher gewählt. Sei- und den ersten Platz sowie weiterhin 7 Sitze im EU-Parlament für sich be- ne Stellvertreterin wird Eva anspruchen. Weissmann, nachdem Karl Ebenso ins Jahr 2004 fällt die Gründung des Kunstprojekts „Grundstein“ Ehrlich bei dieser Wahl nicht im Brunnenviertel, das heute mit einer Ausstellungsfläche von 1.500 m2 ein mehr antritt. In diesem Jahr zentraler Ort für in- und ausländische zeitgenössische Kunst geworden ist. wird auch Susanne Haase neue Bezirksgeschäftsführerin der SPÖ Ottakring.

2005 ist auch ein wichtiges Gedenkjahr, das von gleich Susanne Haase mit Bezirksvorsteher zwei bedeutenden histori- Franz Prokop schen Ereignissen geprägt ist. Zum einen wird das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 60 Jahren gefeiert, zum anderen wird das Jubi- läum zu 10 Jahren EU-Beitritt abgehalten. Zu beiden Ereignissen finden Veranstaltungen statt, so z. B. die Diskussionsrunde „60 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus – Jugendliche im Gespräch mit ZeitzeugInnen“ oder „Freude schöner Götterfunken!?! – Bilanz und Ausblick auf 10 Jahre Mitgliedschaft in der EU“. Durch die UNESCO-Anerkennung des „Biosphärenparks Wienerwald“, Galerie Grundstein dem auch die Ottakringer Teile des Wienerwaldes angehören, wird 2005 außerdem ein wichtiger Schritt im Bereich Nachhaltigkeit und Naturschutz getan. Heute bietet der insgesamt 105.645 Hektar große Biosphärenpark Wien wählt Besucher*innen Raum für Erholung und ist wichtiger Bestandteil der „grünen Lunge“ Wiens. Nach der Herabsenkung des Wahlalters dürfen bei der Wien-Wahl am 23. Oktober 2005 erstmals auch die 16- und 17-jährigen Wahlberech- Im März 2006 ereilt den Bezirk eine traurige Nachricht. Am 2. März ver- tigten mitbestimmen. Das Ergebnis ist ein voller Erfolg: Mit Michael Häupl stirbt Wiens ehemaliger Bürgermeister Leopold Gratz. Gratz, ein gebürti- an der Spitze gelingt es der SPÖ erneut, die absolute Mandatsmehrheit ger Ottakringer, beginnt seine politische Laufbahn schon früh, denn er zählt zu erringen und sogar auszubauen. Ulli Sima wird daraufhin wieder in die nach 1945 zur Gründergeneration des VSStÖ. 1966 zieht Gratz in den Stadtregierung berufen und Christian Oxonitsch, Nurten Yilmaz und Sonja Nationalrat ein und wird 1973 schließlich Wiener Bürgermeister. In seiner Ramskogler ziehen in den Wiener Gemeinderat ein. Amtszeit erzielt Gratz zahlreiche Wahlerfolge und gilt als einer der belieb- In Ottakring überschreitet die SPÖ die 50-Prozent-Marke und Franz testen österreichischen Politiker. Er ist es auch, der sowohl Helmut Zilk als Prokop wird von der Bezirksvertetung mit großer Mehrheit wieder zum auch den noch jungen Michael Häupl in die Politik holt. Nach seiner Amts-

134 135 übergabe an Helmut Zilk im Jahr 1984 wird Gratz zunächst Außenminister. Da er sich im Frühjahr 1986 während des Wahlkampfs um das Bundesprä- sidentenamt wegen Waldheims nationalsozialistischer Vergangenheit stark gegen den ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim exponiert und vor der dro- henden Isolation innerhalb Europas warnt, tritt er unmittelbar nach dessen Wahl vom Amt als Außenminister zurück. Nach der Nationalratswahl 1986 wird er Präsident des Nationalrats, formal das zweithöchste Amt im Staat. 1989 zieht er sich wegen der Lucona-Affäre von allen politischen Ämtern zurück, bleibt aber bis zu seinem Tod Mitglied des Wiener Präsidiums. Eine weitere traurige Meldung ereilt die SPÖ Ottakring am 11. März 2006, als Bezirksrat Wolfgang Soos verstirbt. Die Genoss*innen betrauern Die neue Kornhäusl-Villa den viel zu frühen Tod von Soos, der mit seiner Arbeit den Bezirk maßgeb- lich geprägt hat. Sein Amt übernimmt Bezirksrat Andreas Mrkvicka. auch gänzlich neue Wohnprojekte entstehen in Ottakring, so beispielswei- se die Wohnhausanlage „Meisterwerk“. 2007 ist dann der Wollnerhof im Frischer Wind im Bund Brunnenviertel an der Reihe. Der Wollnerhof war einst trauriges Beispiel für einen der schlimmsten Spekulationsfälle Wiens. Umso erfreulicher ist daher Frischer politischer Wind weht nach den Nationalratswahlen 2006 in Ös- die umfassende Sanierung des Gebäudes. Auch das Bezirkszentrum Ot- terreich auch auf Bundesebene. Mit Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer er- takring erhält einen kompletten Umbau. Alleine 2007 können in Ottakring reicht die SPÖ 35,34 Prozent, wird wieder stimmenstärkste Partei und kann ganze 106 Objekte revitalisiert werden und durch Neubau-Projekte kann auch den Bundeskanzler stellen. Die Freude darüber ist selbstverständlich durchschnittlich mehr als eine Wohnung pro Tag entstehen. Mehr als 60 auch in der SPÖ Ottakring groß, da mit viel Engagement auch in unserem Millionen Euro an Fördermitteln der Stadt Wien fließen 2007 nach Ottak- Bezirk Wahlkampf geführt wurde. Der Wahlkampf ist aufgrund des voran- ring, davon werden 20,5 Millionen in Neubauprojekte und 39,65 Millio- gegangenen BAWAG-Skandals kein leichter. Der Skandal schlägt auch in nen in Sanierungen investiert. der SPÖ Ottakring hohe Wellen und führt zu einer Glaubenskrise. Der den- Auch der Schuhmeierplatz wird ab 2007 saniert und kann schließlich noch erzielte Wahlerfolg lässt aber wieder in eine rosigere Zukunft blicken. im Jahr 2008 neueröffnet werden. Durch die Neugestaltung entsteht ein Ebenfalls 2006 entsteht mit der Sanierung der Kornhäusel-Villa das gemeinsamer Freiraum, der mit Ballspielkäfigen, Sitzmöglichkeiten und Ottakringer Vorzeigeprojekt „Wohnen für Generationen“. Das historische Spielflächen aufwartet. Gebäude der Kornhäusel-Villa ist das älteste einstöckige Wohnhaus Ottakrings und bietet durch das neue Wohnbauprojekt neuen Wohnraum für Alt und Jung. Auf dem Areal, das barrierefrei gestaltet ist, entstehen Der Brunnenmarkt wird neu 87 geförderte Wohnungen. Die Brunnenmarktsanierung, deren erste Bauphase 2006 abgeschlossen Die Sanierungsarbeiten nehmen in Ottakring weiter ihren Lauf und so wird wird, bringt frischen Wind in das Grätzel. Denn nicht nur der Brunnenmarkt auch der David-Hof erneuert. Doch nicht nur Altes erhält eine Revitalisierung, profitiert von der Sanierung, sondern auch das ganze Brunnenviertel wird

136 137 dadurch wiederbelebt und deutlich aufgewertet. Durch die Entwicklung Abschied von Hubert Pfoch dreier Standtypen werden auch die Marktstände neugestaltet. Eine weitere traurige Nachricht bringt das Ableben des Landtagspräsiden- 2008 wird schließlich ten a.D., Hubert Pfoch, am 10. Juli 2008. Pfoch wurde 1920 in Ottakring auch der zweite Bau- geboren und ist bereits in seiner Jugend Mitglied bei den Roten Falken. abschnitt in der Sanie- Nach 1934 ist er dann Teil der illegalen Jugendzirkel. Er wird 1940 zur rung des Brunnenvier- Wehrmacht eingezogen und hält heimlich fotografisch den Abtransport tels abgeschlossen und von Warschauer Juden ins Vernichtungslager Treblinka in Polen fest. im Zuge dessen der Später werden sowohl diese Fotos als auch Pfochs Tagebucheinträge als Bereich der Südzeile Beweismittel gegen NS-Verbrecher im Zuge der Treblinka-Prozesse her- des Yppenplatzes zur angezogen. Fußgängerzone erklärt. Pfoch desertiert gegen Kriegsende und kehrt zurück nach Wien. Hier Ein besonders schö- wird er nach Kriegsende Obmann der Sozialistischen Jugend, später nes Erfolgsprojekt ent- Mitglied des Wiener Gemeinderats und schließlich Obmann der SPÖ Bezirksvorsteher Franz Prokop am Brunnenmarkt steht 2008 durch die Bezirksorganisation Ottakring. Unter Bürgermeister Leopold Gratz wird Eröffnung von Wiens Pfoch von 1973 bis 1978 Vizebürgermeister Wiens und nach seiner erstem Nachbarschaftsgarten beim Else-Federn-Park. Der „Nachbar- Pensionierung Präsident des Dokumentationsarchivs des österreichischen schaftsgarten Heigerlein“ gilt als Pilotprojekt für weitere Nachbarschafts- Widerstands. gärten in ganz Wien und bietet Ottakringer*innen die Möglichkeit, auch in Pfoch ist zudem langjähriges Mitglied der Ottakringer Freiheitskämp- der Stadt zu garteln und Obst und Gemüse anzubauen. fer und verfasst die „Vorgängerbroschüre“ – „Kampf und Aufstieg“ –, die Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008 machen auch vor Wien 1986 im Eigenverlag der SPÖ Wien erscheint. Er verstirbt am 10. Juli nicht Halt und haben zur Folge, dass ein großes Konjunkturpaket für Wien 2008 im Alter von 88 Jahren. In Gedenken an Pfoch wird im Jahr 2012 geschnürt wird. Vizebürgermeisterin Renate Brauner stellt Maßnahmen vor, ein Ottakringer Gemeindebau in der Thaliastraße in „Hubert-Pfoch-Hof“ die einer Konjunkturflaute entgegenwirken sollen. So sollen Investitionen in umbenannt. die Infrastruktur nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern auch neue schaf- fen. Im Fokus steht hierbei die Wärmedämmung von Häusern, um nicht nur Heizkosten zu sparen, sondern dabei auch die Umwelt zu schonen. 2009: Wien wird erstmals Stadt mit der höchsten Auf Bundesebene wird es 2008 politisch wieder stürmisch – die Koa- Lebensqualität – und bleibt es bis heute lition wird von Wilhelm Molterer und der ÖVP mit den Worten „Es reicht“ aufgekündigt und Neuwahlen stehen an. Werner Faymann wird mit 98,36 Im Jahr 2009 wird Wien erstmals Stadt mit der höchsten Lebensqualität Prozent zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt und die und setzt sich damit gegen 450 Städte der Welt durch. Die erneute Top- SPÖ kann die 24. Nationalratswahl am 28. September 2008 abermals für Platzierung verdankt Wien seiner ausgezeichneten Infrastruktur mit gut aus- sich entscheiden. Leider fällt das Ergebnis trotz Wahlsieg mit nur 29,26 Pro- gebautem und zuverlässigem Öffi-Netz, der Wasser- und Gesundheitsver- zent der Stimmen ernüchternd aus. Besonders bitter ist hierbei das Erstarken sorgung sowie breiten Kultur- und Bildungsangeboten. Außerdem punktet der Rechtsparteien FPÖ und BZÖ. Wien mit niedriger Kriminalität sowie einem hervorragenden Angebot an

138 139 hoch wertigem Wohnraum und Freizeitangeboten. Ein Spitzenplatz, den Gedenken in Ottakring Wien seither 10 Mal wieder errungen hat. Spitzenplätze in internationa- len Rankings erringt Wien seither immer wieder: im Bereich des Tourismus, 2009 wird vor dem Amtshaus am Richard-Wagner-Platz feierlich der als Smart City, als innovativste Stadt, als Konferenz und Kongressstadt, Hiroshima-Gedenkstein enthüllt. Sowohl Bürgermeister Michael Häupl, als Green City, als Stadt für die Jungen, um nur einige zu nennen. Diese der Vize-Bürgermeister der Stadt Hiroshima, Yasumaro Yoshinaka, als Topplazierungen zeigen, dass Wien und die Arbeit der Wiener Sozialde- auch der japanische Botschafter Katsukuni Tanaka nehmen an den Feier- mokratie auch international überzeugt. lichkeiten teil.

Christian Oxonitsch wird Stadtrat

2009 folgt Christian Oxonitsch der Stadträtin Grete Laska und wird Stadtrat für Bildung, Jugend, Information und Sport. Nicht nur in der Stadtregierung erhält Christian Oxonitsch Zuspruch, auch bei der Ottakringer Bezirkskon- ferenz am 30. März 2009 wird er bei seinem siebenten Antreten in gehei- mer Wahl von den rund 300 Delegierten mit 100 Prozent als Vorsitzender der SPÖ Ottakring bestätigt. Die Wiener Gesundheitsversorgung wird stetig vorangetrieben. 2009 eröffnet im Ottakringer Wilhelminenspital eine neue Herz-Intensivstation, die eine bedeutende Rolle in der Versorgung kardiologischer Erkrankungen Wiens übernimmt. Die neue Station wird zudem in einer Rekordzeit von nur Enthüllung des Hiroshima-Gedenksteins neun Monaten errichtet. Auch das Freizeitprogramm des Bezirkes kommt nicht zu kurz, der nun- mehrige Sportstadtrat Christian Oxonitsch eröffnet 2009 feierlich die neue Anlass für die Errichtung gab das 140-jährige Bestehen der diplomatischen Sport- und Fun-Halle in der Sandleitengasse. Ein besonderer Meilenstein und freundschaftlichen Beziehung zwischen Japan und Österreich. Bei dem konnte durch die Einführung des Gratis-Kindergartens in Wien durch Stadt- Gedenkstein handelt es sich um einen Überrest des am 6. August 1945 rat Christian Oxonitsch gesetzt werden. durch den Abwurf der Atombombe zerstörten Rathauses von Hiroshima. Weniger erfreulich ist dann das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Bezirksvorsteher Franz Prokop erklärt die Verbindung zu Ottakring: Parlament. Im Bezirk werden zwar zahlreiche Veranstaltungen abgehal- „Als Symbol für eine Welt in Frieden und frei von Atomwaffen und als ten, so zum Beispiel das Europafest, dennoch bleibt das Wahlergebnis Zeichen der Dankbarkeit für den Ottakringer Jugendbuchautor Karl Bruck- enttäuschend. Der Verlust von 9,6 Prozent der Stimmen und der Wahlsieg ner, der das berührende Schicksal des Mädchens Sadako durch sein Buch von ÖVP und FPÖ stimmen die Partei nachdenklich. Als Mitschuld an dem ‚Sadako will leben’ international verbreitet hat, widmet die Stadt Hiroshima Verlust wird auch ein umstrittener Leserbrief von Alfred Gusenbauer und diesen Stein dem Heimatort von Karl Bruckner.“ (Jahresbericht 2009) Werner Faymann in der Kronenzeitung gesehen, in dem ein Kurswechsel Ebenfalls als Zeichen der Erinnerung werden in Ottakring „Steine der der Partei den EU-Kurs betreffend thematisiert wird. Erinnerung“ gelegt, die an die Opfer des Holocaust und des Nazi-Regimes

140 141 erinnern, die einst in Ottakring lebten. Die Initiative für Wiener Gedenkstei- Doch das Wahljahr ist noch nicht zu Ende. Am 10. Oktober 2010 findet die ne der Opfer des Nationalsozialismus möchte durch das Platzieren von Wiener Gemeinde- und Bezirksvertretungswahl statt. Leider ist hier das Er- Steinen vor Wohnhäusern, aus denen die Opfer deportiert wurden, das gebnis weniger erfreulich, die SPÖ verliert in Wien die absolute Mehrheit. Andenken an diese wahren und auf deren Schicksale aufmerksam ma- Die Stimmverluste zeigen sich leider auch im Wahlergebnis in Ottakring. chen. Im 16. Bezirk befinden sich auf der Ottakringer Straße 35 und der Bei einem Wahlergebnis von 44,61 Prozent muss ein Verlust von 5,82 Pro- Weyprechtgasse 7 Steine der Erinnerung. zent der Stimmen hingenommen werden. Dennoch ist die SPÖ sowohl in Wien als auch in Ottakring klar stimmenstärkste Partei. Durch den Verlust der absoluten Mehrheit kommt es in Wien erstmals zu einer Koalition mit Die 2010er Jahre den Grünen, wofür sich auch die Ottakringer SPÖ in den Diskussionen rund um die Regierungsbildung klar positioniert. Was zu Beginn des neuen Jahrtausends noch mit EDV-Umstellung seinen Anfang nimmt, setzt sich natürlich fort und nimmt mit der Digitalisierung der Gesellschaft rasant seinen Lauf. Auch bei der SPÖ Ottakring weiß man, dass die Digitalisierung ein fixer Bestandteil des Alltags ist und setzt da- her auf Informationsveranstaltungen zu sozialen Medien und Netzwerken. Auch die Social-Media-Präsenz der SPÖ Ottakring wird ausgebaut und beispielsweise Imagevideos für Online-Plattformen wie Facebook und Co. „Man bringe den in Auftrag gegeben. Spritzwein!“ 2010 ist politisch ein besonders intensives Jahr, in dem zahlreiche Michael Häupl nach Wahlentscheidungen anfallen. Bereits im Februar findet eine Wiener Unterzeichnung des Volksbefragung zu den Themen Ganztagsschule, Kampfhunde, Hausbe- Koalitionspakts am sorger*innen, Citymaut und 24h-U-Bahn statt. Dieses starke Zeichen der 15. November 2010 Mitbestimmung der Wiener*innen zeigt, wie gemeinsam an der Entwick- lung Wiens gearbeitet werden kann. Mit Ausnahme der Citymaut wird bei allen Themenbereichen für die Einführung und Veränderung gestimmt. Be- Michael Häupl wird so zum vierten Mal in Folge zum Wiener Bürgermeis- sonders das Wiedereinführen des Berufsstandes der Hausbesorger*innen ter gewählt, Ulli Sima und Christian Oxonitsch werden erneut in die Wiener ist hier besonders erfreulich, ebenso die breite Zustimmung zum Thema Stadtregierung berufen. Franz Prokop wird wieder Ottakringer Bezirks- Ganztagsschule. Die Umsetzung dieses Auftrages der Wiener*innen stellt vorsteher und der Klub der Ottakringer Mandatar*innen wählt Susanne in den Folgejahren einen besonderen Schwerpunkt des Bildungsstadtrates Haase zur neuen Klubvorsitzenden. Oxonitsch dar. Im April steht dann die Bundespräsidentenwahl an. Leider gestaltet sich die Wahl zunehmend unschön, als die FPÖ mit ihrer extrem rechten Bildung, Bildung, Bildung! Kandidatin Barbara Rosenkranz auftritt. Mit einer überwältigenden Mehr- heit von knapp 80 Prozent der Stimmen gelingt Heinz Fischer jedoch die Durch das Inkrafttreten der „Wiener Ausbildungsgarantie“ 2010 können trotz Wiederwahl. der Nachwehen der Wirtschaftskrise 4.500 überbetriebliche Lehrplätze

142 143 zur Verfügung gestellt werden. Um auch den kleinsten Bürger*innen Wiens Kinderbetreuungsplätze und in die Renovierung bestehender Kindertages- die bestmöglichen Startchancen zu geben, wird unter Stadtrat Christian heime wird ein beachtlicher Teil des Ottakringer Bezirksbudgets investiert. Oxonitsch 2010 das verpflichtende Kindergartenjahr eingeführt. Daran anknüpfend wird auch das Angebot der ganztägigen Bildungseinrichtung 2012 ist Stadtrat Oxonitsch auch mit einem Misstrauensantrag im Wiener für Schul- und Kindergartenkinder ausgebaut und durch das Campusmo- Gemeinderat wegen der von der Opposition kolportierten Kostenüber- dell Wien erprobt. Dadurch entstehen ganztägige Bildungseinrichtungen in schreitungen bei der Sanierung des Stadthallenbades konfrontiert. Eine Monte Laa und am Campus Gertrude Fröhlich-Sandner. Auch die ganztägi- Befürchtung, die sich letztlich als unrichtig herausstellte. Die Sanierung blieb ge Volksschule wird 2011 in Ottakring in der Lorenz-Mandl-Gasse realisiert. innerhalb des genehmigten Kostenrahmens. Da es in Ottakring rund 5.000 Kindergartenkinder und über 3.000 Am 29. September 2013 stehen wieder Nationalratswahlen an. Nach Volksschulkinder gibt und mehr als 7.500 Kinder und Jugendliche in neue einer 2007 in Kraft getretenen Verlängerung der Legislaturperiode des Mittelschulen, Hauptschulen, allgemeinbildende höhere Schulen und be- Nationalrats von vier auf fünf Jahre wird der Nationalrat erstmals fünf Jah- rufsbildende Schulen gehen, liegt ein besonderer Schwerpunkt natürlich re nach der vorherigen Wahl gewählt. Die SPÖ wird mit Spitzenkandidat auf den Bildungseinrichtun- Werner Faymann stimmenstärkste Partei, muss jedoch abermals Verluste gen im Bezirk. So werden hinnehmen. Ebenfalls mit Verlusten wird die ÖVP erneut Zweitplatzierte. auch in den nächsten Jah- Zusammen kommen die beiden bisherigen Regierungsparteien SPÖ und ren laufend Schulen saniert, ÖVP auf 99 von 183 Mandaten und damit weiterhin auf die Mehrheit an umgestaltet und erweitert, Mandaten im Nationalrat. Die FPÖ und die Grünen gewinnen Mandate wie beispielsweise in der dazu. Das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) schafft den Wiedereinzug Grubergasse und in der in den Nationalrat mit 3,5 Prozent nicht. Neu ziehen die NEOS ein. Das Liebhartsgasse. Das neue Team Stronach (FRANK) war bei der letzten Wahl noch nicht angetreten, Schulsanierungspaket II be- aber durch Parteiübertritte von Abgeordneten schon vor der Neuwahl im inhaltet eine Förderung für Nationalrat vertreten. Generalsanierungen und In Ottakring kommt es vor dieser Wahl indessen zu einem personel- einen Sonderfördertopf für len Wechsel. Nachdem mit Franz Riepl ein langjähriger Nationalrat nach Innovationsprojekte. Wien 16 Jahren im Parlament in den Ruhestand geht, wird Nurten Yilmaz mit Neue Schulen für Ottakring investiert dafür weitere großer Mehrheit zur neuen Spitzenkandidatin Ottakrings und im Wahlkreis 570 Millionen Euro. Saniert Wien-West gewählt. Zwölf Jahre zuvor war sie als erste sozialdemokrati- und ausgebaut wird in Ottakring daher z. B. der Schulstandort Wiesberg- sche Abgeordnete mit Migrationshintergrund in den Gemeinderat eingezo- gasse/Landsteinergasse. Die beiden separat stehenden Schulgebäude, die gen. Nun sollte endlich auch im Nationalrat ein Zeichen für Vielfalt gesetzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurden, erfahren in absehbarer werden. Trotz des nicht wie erhofft ausfallenden Wahlergebnisses gelingt Zeit eine Generalsanierung. Die längst notwendige Erweiterung der räum- es in Ottakring im Gegensatz zu anderen Bezirken, einen Stimmenzuwachs lichen Kapazität durch einen Dachgeschossausbau beider Bauten, durch der FPÖ zu verhindern und das Nationalratsmandat wieder zu erringen. die in der Volksschule Landsteinergasse 3 neue Volksschulklassen und in Im Jahr darauf, 2014, finden Europawahlen statt. Spitzenkandidat Eugen der Neuen Mittelschule in der Wiesberggasse ebenso 3 zusätzliche Klas- Freund trat als Referent unter anderem bei der Ottakringer Bezirkskonferenz senräume geschaffen werden, wird umgesetzt. Auch in die Schaffung neuer auf. Trotz eines leichten Plus für die SPÖ wird die ÖVP stimmenstärkste Partei.

144 145 Solidarität mit Geflüchteten Kinderfreunden gesammelt und auch ein gemeinsames Fest zum Kennen- lernen ins Leben gerufen“, erinnert sich die damalige Bezirksgeschäftsführe- Das Jahr 2015 ist besonders von einem Thema geprägt: der Ankunft vieler rin der SPÖ Ottakring, Susanne Haase. hilfesuchender Flüchtlinge in Europa. Diese bringt eine Vielzahl an neuen Auch die Wiener Wahl am 11. Oktober 2015 ist letztlich geprägt von Herausforderungen mit sich, doch anstatt gegen Flüchtende zu hetzen, so den Herausforderungen der sogenannten „Flüchtlingskrise“, die den poli- wie es besonders die FPÖ tut, zeigt die SPÖ, dass Solidarität an oberster tischen Diskurs völlig dominiert. Dennoch gelingt Bürgermeister Michael Stelle steht: Häupl durch seine klare Positionierung im Sinne sozialdemokratischer „Unter der Führung unseres Bürgermeisters und Spitzenkandidaten Dr. Werte die Wiederwahl. Michael Häupl entschied sich die SPÖ Wien für den einzig richtigen und offensiven Weg: Wir bekannten uns mit aller Kraft und Leidenschaft zu un- seren sozialdemokratischen Grundwerten und versuchten dieser Situation mit dem größten Maß an Menschlichkeit und Solidarität zu begegnen. Denn eines war für uns klar: Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Tod flüchten und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen, um zu uns zu kommen, muss man aufnehmen, helfen und unterstützen.“ – Christian Oxonitsch (Jahresbe- richt 2015) Auch Ottakring zeigt sich solidarisch und nimmt insbesonders unbe- gleitete, minderjährige Flüchtlinge und Familien auf. Diese sind besonders gefährdet, wodurch ein weiterer Verbleib in dem überfüllten Erstaufnahme- zentrum in Traiskirchen nicht weiter zumutbar gewesen wäre. In Ottakring Seine Sprüche bekommen Kultcharakter: Michael Häupl 2015 werden die Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten, im ehe- maligen Pensionisten-Wohnhaus Liebhartstal untergebracht. Ein besonders wichtiger Schritt ist hierbei für den Bezirksvorsteher Franz Prokop auch das Legendär ist seine damalige Antwort, auf die Frage, ob es denn in einem Miteinbeziehen der Anrainer*innen. Diese werden durch eine gemeinsam Wahlkampf politisch opportun sei, Flüchtlinge in Wien aufzunehmen: „Hier organisierte Informationskampagne über die Situation in Kenntnis gesetzt steh ich und kann nicht anders.“ Die Koalition mit den Grünen kann fortge- und auch in die Betreuung miteingebunden. So gelingt es, den Ottakrin- setzt werden. In Ottakring erreicht die Sozialdemokratie mit 40,85 Prozent ger*innen Ängste und Befürchtungen zu nehmen und die Akzeptanz für klar die Nummer 1, muss aber auch Verluste hinnehmen. Schmerzlich ist die Flüchtlingsunterkunft zu stärken. Geführt wird das Haus Liebhartstal vom der Stimmenzuwachs der FPÖ, die besonders durch politische Hetze von Arbeiter Samariter Bund. Bezirksvorsteher Franz Prokop gibt den Anstoß, den Ängsten der Bevölkerung zu profitieren versucht. In Ottakring steht man die Initiative connect.ottakring zu starten, bei der Flüchtende mit Spenden ebenfalls vor den Herausforderungen dieser Wahlkampfsituation, doch und weiteren Angeboten unterstützt werden. Diese Solidarität in Ottakring das Engagement der Genoss*innen bleibt dennoch ungebrochen: zeigt die starke Basis sozialdemokratischer Wurzeln und Werte im Bezirk. „Nachdem die öffentliche und veröffentlichte Meinung im Sommer „Besonders erfreulich war, dass es in Ottakring zahlreiche Privatinitiativen 2015 in den Umfragen nicht zu unseren Gunsten ausgefallen war, ge- gegeben hat, die ihre Hilfe anboten. So brachten zum Beispiel Kleingärt- lang es – angesichts der klaren Haltung des Wiener Bürgermeisters und ner*innen Obst und Gemüse, Spielzeug und Bücher wurden von den Landesparteivorsitzenden, der nie ein Hehl aus seinem Eintreten für Men-

146 147 schenrechte und die Verpflichtung zur Hilfeleistungen für Schutzsuchende machte – die Hetzer in ihre Schranken zu weisen. Diese Haltung verän- derte die Wahlkampfsituation grundlegend und die SPÖ konnte – trotz betrüblicher Verluste – den ersten Platz in Wien behalten.“ – Nurten Yilmaz (Jahresbericht 2015)

STR Oxonitsch begrüßt die Teilnehmer*innen zum Songcontest am Wiener Rathausplatz

Ulli Sima wird erneut Umweltstadträtin, erhält aber die wichtigen Bereiche der Wiener Stadtwerke (Wiener Linien, Wien Energie…) dazu. Das Wahl- ergebnis hat auch zur Folge, dass Sonja Ramskogler aus dem Gemeinderat ausscheidet und in die Bezirksvertretung zurückkehrt. Bädertour 2015 2015 kommt nicht nur in Ottakring erstmals ein geschlechts-paritätisches „Reißverschlusssystem“ bei der SPÖ-Listenaufstellung der Bezirksvertretung Nachdem durch das Wahlergebnis ein Mandat in der Landesregierung zum Einsatz. Der Anteil der SPÖ-Frauen in der Ottakringer Bezirksvertre- verloren geht, wechselt Christian Oxonitsch wieder in die Funktion des Klub- tung beträgt daher erfreuliche 46 Prozent. Mit einer weiblichen Nartional- vorsitzenden des SPÖ-Rathausklubs. Zu den wesentlichen Meilensteinen ratsabgeordneten, Klubvorsitzenden, Stadträtin und Bezirksvorsteher-Stell- seiner Stadtratstätigkeit gehören die Umsetzung des Gratis-Kindergartens vertreterin zeigt die SPÖ Ottakring, dass für sie die Gleichberechtigung und der Ganztagsschule, ein umfassendes Schulsanierungs- und Neubau- mehr als nur ein Wort ist. programm und die Errichtung des neuen Rapidstadions. Mittels eines umfas- Die Wahl zum Bundespräsidenten 2016 gestaltet sich mehr als heraus- senden Historikerberichtes und der Schaffung eines Hilfsfonds für Betroffene fordernd. Nachdem der SPÖ-Kandidat, der ehemalige ÖGB-Präsident erfolgt außerdem die Aufarbeitung des „Heimskandals“, von dem Ottakring und erfolgreiche Sozialminister Rudolf Hundstorfer, trotz starkem Engage- mit dem ehemaligen Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg besonders ment gerade auch in Ottakring nicht die Stichwahl erreicht, spricht sich die betroffen war. Als besonderes Event fällt zudem der Songcontest 2015 in SPÖ Ottakring aktiv für den Kandidaten Alexander Van der Bellen aus Wien in den Zuständigkeitsbereich von Christian Oxonitsch und präsentiert und im Bezirk wird die Wahlbewegung sehr engagiert unterstützt. „VdB“ Wien international als weltoffene, moderne Stadt. Michael Häupl wird zum gewinnt zwar die Stichwahl, aber da die FPÖ die Stichwahl anficht, kommt fünften Mal – und damit längst dienender – Wiener Bürgermeister. es zu einer Wahlwiederholung. Diese entscheidet Alexander Van der Bel-

148 149 len mit 58,8 Prozent erneut eindeutig für sich, in Ottakring erreicht er sogar Österreich dar. Die „Silberstein-Affäre“ und ein „Maulwurf“ im SPÖ-Wahl- 68,2 Prozent und damit eine Zweidrittelmehrheit. kampfteam erschweren den Wahlkampf. Nach dem Rücktritt Werner Faymanns im Mai 2016 wird Christian Kern Bundesparteivorsitzender und neuer Bundeskanzler. Susanne Haase Im Wahlkreis versucht der langjährige Klubobmann im Parlament Josef wechselt daraufhin als Leitende Sekretärin in die Bundesparteizentrale und Cap – trotz der einstimmigen Wahl von Nurten Yilmaz zur Wahlkreisspit- Stefanie Lamp wird neue Bezirksgeschäftsführerin. Sie verleiht dem Erneue- zenkandidatin – mittels Vorzugsstimmenwahlkampf das Direktmandat im rungsprozess in der SPÖ Ottakring neuen Schwung. Wahlkreis zu erringen, was zur großer Verärgerung bei vielen Ottakringer Mit dem „Plan A“ präsentiert Christian Kern Anfang 2017 sein Grund- Funktionär*innen und Aktivist*innen, aber auch besonderem Engagement satzprogramm und erwirkt die Verhandlung eines neuen Regierungs- führt. Josef Cap scheitert und Nurten Yilmaz zieht erneut ins Parlament ein. programmes. Eine wichtige neue Initiative ist die Aktion 20.000, die die Arbeitslosigkeit von Menschen über 50 bekämpfen soll. Am 10. Mai 2017 erklärt Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitter- lehner überraschend seinen Rücktritt. Sein Nachfolger an der Parteispitze wird Außen- und Integrationsminister . Dieser beendet kurze Zeit später die Koalition und ruft vorgezogene Neuwahlen aus.

Tag des Kindes 2017 bei der Überreichung des Plan A für Kinder an Bundeskanzler Christian Kern und Gesund- Aktivist*innentreffen für die Ottakringer Nationalrats- heitsministerin kandidatin Nurten Yilmaz im Roten Bogen Pamela Rendi- Wagner Das österreichweite Ergebnis bedeutet aber eine bittere Enttäuschung: Stimmenstärkste Partei wird die ÖVP unter Sebastian Kurz mit 31,5 Pro- Die Nationalratswahl im Oktober 2017 ist nach wie vor von dem Thema zent). Die SPÖ mit Bundeskanzler Christian Kern gewinnt einige Hun- „Flucht und Migration“ und der populistischen Ansage des ÖVP-Spitzen- dertstelprozentpunkte im Vergleich zu ihrem bis dahin schlechtesten Ergeb- kandidaten Sebastian Kurz von der „Schließung der Mittelmeerroute“ do- nis bei der Wahl 2013 und liegt mit 26,9 Prozent auf dem zweiten Platz. miniert, die der damalige Bundeskanzler Kern zu Recht als „Vollholler“ be- Mit 26,0 Prozent erreicht die FPÖ das zweitbeste Ergebnis der Parteige- zeichnet. Sowohl FPÖ als auch ÖVP machen Stimmung gegen Menschen, schichte und den dritten Platz. Alle drei traditionellen Parlamentsparteien die vor Krieg und Verfolgung flüchten, und stellen diese als Gefahr für gewinnen somit Stimmanteile, ein Novum in der Geschichte der Zweiten

150 151 Republik. Zum Debakel wird die Wahl hingegen für die Grünen, die von Im selben Jahr führt die SPÖ Ottakring sogenannte Grätzelbeauftragte ihrem historisch besten Ergebnis auf 3,8 Prozent abstürzen und aus dem ein. Diese sind zuständig für bestimmte Grätzel in Ottakring und können so Nationalrat, dem sie seit 1986 ohne Unterbrechung angehört haben, aus- noch besseren Einblick in die Anliegen der Ottakringer*inner gewinnen. scheiden. NEOS verbessert sich im Vergleich zu 2013 um einige Zehntel- prozentpunkte, gewinnt ein Mandat hinzu und wird viertstärkste Kraft. Die Liste Peter Pilz des ehemaligen Bundessprechers der Grünen schafft mit 4,4 Prozent den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde. Das Team Stronach trat zur Wahl nicht mehr an Die ÖVP bildet daraufhin eine Koalition mit der drittplatzierten FPÖ und die SPÖ muss in Opposition gehen. Auch wenn in Ottakring mit einem Plus für die SPÖ von 4,5 Prozent und einem Gesamtergebnis von 36,97 Prozent das klar beste Wahlkreisergebnis zu verzeichnen ist, kann dies die getrübte Stimmung nach dieser Wahl nicht aufhellen.

Die Ottakringer Neue Formen der Partizipation in Grätzl- Partei und Bezirksorganisation kenner*innen

2017 entscheidet sich die SPÖ dazu, eine Gastmitgliedschaft einzu- führen: Eine weitere Neuerung soll zur Präsenz, aber auch der niederschwelligen „In Zeiten wie diesen muss die Sozialdemokratie umso geeinter zusam- Möglichkeit des politischen Engagements in der SPÖ Ottakring beitragen: menhalten und sich als breite Oppositionspartei aufstellen. Die Einführung der #mitmachmittwoch. Durch diesen fixen wöchentlichen Aktionstag zeigt der Gastmitgliedschaft im April 2017 ist hier für viele Menschen ein wichti- sich die SPÖ Ottakring im Bezirk präsent und sucht auch hier das Gespräch ger Schritt, um die Sozialdemokratie besser kennenzulernen. Speziell das mit Ottakringer*innen. Eben- Ergebnis auf Wiener Ebene zeigt – wie auch schon das Ergebnis der falls etabliert sich dank Bundespräsidentenwahl –, dass Schwarz/Blau keine Mehrheit in Wien Nurten Yilmaz in diesem hat und ein großer Teil der BewohnerInnen unserer Stadt sich nicht von Jahr der sogenannte „Bun- den Werten und der Politik der Bundesregierung vertreten sieht. Unsere despolitische Ratschlag“ in Aufgabe ist es diese Kräfte zu bündeln, was uns durch Formate wie dem Ottakring. Dieser hat zum Bundespolitischen Ratschlag (bei dem wir unterschiedliche Referenten Ziel, einmal monatlich eine laden, die uns zu einem aktuellen bundespolitischen Thema informieren) Plattform zu schaffen, auf der gelingen kann. Besonders deutlich wurde auch der Wunsch, aktiv etwas sich unterschiedlich denken- an der politischen Situation ändern zu können und mitzugestalten, an dem de Akteur*innen zur Diskussi- Zugewinn neuer Mitglieder und Gastmitglieder im Bezirk.“ – Christian on zusammenfinden können. Oxonitsch (Jahresbericht 2017) So soll in weiterer Folge die

152 153 politische Linke des Landes gestärkt und eine sinnvolle sowie strategische Sein Nachfolger wird Michael Ludwig, der sich in einer – erstmal durch- Oppositionsarbeit entwickelt werden, um gegen die Politik von Schwarz- geführten – internen Wahl am Landesparteitag gegen Andreas Schieder Blau anzukämpfen. durchsetzt.

Um weiterhin am neuesten Stand zu bleiben – nicht nur, was Informations- austausch angeht, sondern auch die fortschreitende Digitalisierung – entwi- ckelt die SPÖ Ottakring 2017 ein neues Service: „In Ottakring sind wir ständig darum bemüht, unsere Informationskanäle an technologische Fortschritte anzupassen, weshalb wir ein ‚Whats App’- Bezirks-News Service eingeführt haben, das BewohnerInnen unseres Bezir- kes via SMS in regelmäßigen Abständen Ottakring-relevante Informationen zusendet.“ – Stefanie Lamp (Jahresbericht 2017)

Personelle Änderungen am laufenden Band

2018 verabschiedet sich mit Bürgermeister Michael Häupl einer der ganz Nach fast 10 Jahren als Klubvorsitzender legt Christian Oxonitsch großen Sozialdemokraten in den Ruhestand. Als längster demokratisch ge- diese Funktion im Juni 2018 zurück und es folgt ihm wählter Bürgermeister der Stadt prägte er Wien in seinen knapp 24 Amts- Josef Taucher in dieser Funktion nach jahren wie kein anderer.

Gemeinsamer Getränkeausschank mit der Parteivorsitzenden Pamela Rendi- Wagner und Bürgermeister Michael Ludwig beim Gürtel Nightwalk 2019 Michi Häupl bei seiner letzten Rede am 1. Mai 2018

154 155 Als Christian Kern im September 2018 überraschend – und für viele un- im Europabogen, die ideal in die zahlreichen Veranstaltungen und Aktivi- verständlich – zurücktritt, wird Pamela Rendi-Wagner, bisherige Gesund- täten eingebunden wurden, konnten wir im Sinne der Parteiöffnung, zahl- heits- und Frauenministerin im Kabinett Kern, zur Bundesparteivorsitzenden reiche AktivistInnen motivieren, mit uns gemeinsam für ein soziales Europa gewählt. Sie ist nach fast 130 Jahren Parteigeschichte die erste Frau an der zu kämpfen.“ – Christian Oxonitsch und Stefanie Lamp, Jahresbericht 2019 Spitze der SPÖ.

Das Jahr 2018 ist politisch auch in Bezug auf die Vergangenheit ein intensi- ves. Nurten Yilmaz erzählt, weshalb: „Das Jahr 2018 war ein Erinnerungs- und Gedenkjahr (100 Jahre Repu- blik Österreich, 100 Jahre Frauenwahlrecht, aber auch 80 Jahre ‚Anschluss’ Österreichs an Hitler Deutschland). 2018 war aber auch ein innenpolitisch sehr bewegtes Jahr. Seit 18. De- zember 2017 ist auf Bundesebene eine schwarz (türkis)-blaue Koalition (ÖVP-FPÖ) im Amt, die angetreten ist, das Land und das soziale Gefüge der Republik nach ihren Vorstellungen zu verändern.“ Nurten Yilmaz (Jah- resbericht 2018) Geprägt von diesen politisch schwierigen Zeiten, veranstaltet die SPÖ Der Rote Bogen: neuer Weg der politischen Arbeit und Ottakring zahlreiche Veranstaltungen, die sich mit dem Gedenkjahr, aber beliebter Treff weit über die Grenzen Ottakrings hinaus auch mit der aktuellen politischen Lage befassen. Auch werden spannende neue Formate in der Bezirksorganisation entwickelt. Neben ansprechenden Neuerungen wie dem „Outdoor Office“ startet 2019 die erste „Kommunal- Erfreulich ist dann das Ergebnis der Wahl, da trotz der immerwährenden politische Akademie“ in Ottakring. Diese vermittelt über 25 motivierten und Herausforderung, die Wähler*innen für Europawahlen zu mobilisieren, in Ot- engagierten Mitgliedern der SPÖ Ottakring einen Einblick in die politische takring ein Ergebnis von 31,36 Prozent für die SPÖ erzielt werden kann – ein Arbeit im Bezirk. Durch die Bädertouren gelingt es den Ottakringer Sozial- Plus von 3,56 Prozent der Stimmen. Damit ist die SPÖ erneut Nr. 1 im Bezirk. demokrat*innen, für die Bewohner*innen präsent zu sein. Auch Bezirksvor- steher Franz Prokop zeigt, dass er die Anliegen der Ottakringer*innen ernst Ein aus österreichischer Sicht historisches Ereignis kommt im Mai der Euro- nimmt, und begibt sich mit der „Tour de Franz“ durch den Bezirk, um genaue pawahl jedoch noch zuvor. In Folge der sogenannten „Ibiza-Affäre“ – die Einblicke über aktuelle Situationen und mögliche Probleme zu erhalten. eigentlich eine „FPÖ-Affäre“ ist – rund um Heinz-Christian Strache und Denn der Bezirksvorsteher weiß: „Durch’s Reden kommen die Leut z‘samm.“ Johann Gudenus werden von ÖVP-Bundeskanzler Kurz Neuwahlen ange- 2019 wird Andreas Schieder zum Spitzenkandidaten der Europawahl kündigt. Am 22. Mai 2019 wird vom Bundespräsidenten Innenminister Kickl am 26. Mai 2019. Durch den Roten Bogen am Gürtel, der während des auf Vorschlag des Bundeskanzlers aus der Regierung entlassen und die Ent- Wahlkampfs zum „Europabogen“ wird, kann eine ganz neue Art des Wahl- hebung der weiteren Regierungsmitglieder der FPÖ auf deren Wunsch – kampfes etabliert werden: als Protest gegen die Abberufung von Minister Kickl – hin vorgenommen. „Durch die starke Präsenz aller KandidatInnen zur EU-Wahl und be- Gleichzeitig wird Bundesminister Hartwig Löger (Finanzen, ÖVP) zum Vize- sonders der SpitzenkandidatInnen Andreas Schieder und Evelyn Regner kanzler ernannt und werden von Kurz quasi im Alleingang vorgeschlagene

156 157 Experten als Bundesminister angelobt. Ab diesem Tag regiert Bundeskanz- sche Mehrheit bei dieser Wahl verfügt. Dank des Ottakringer Ergebnisses ler Kurz mit seinem Kabinett als ÖVP-geführte Minderheitsregierung. gelingt es der Wahlkreis-Spitzenkandidatin Nurten Yilmaz das National- Am 27. Mai 2019 um 16:14 Uhr wird der Minderheitsregierung Kurz ratsmandat wieder zu erringen. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil mit den Stimmen der SPÖ, FPÖ und JETZT von der Mehrheit des National- erneut Josef Cap mittels einer Vorzugsstimmenkampagne im Wahlkreis ver- rats das Vertrauen versagt. Tags darauf wird vom Bundespräsidenten die sucht, das Mandat zu erringen, aber auch diesmal wieder scheitert. Das gesamte Regierung Kurz des Amtes enthoben. Gleichzeitig wird der bis- schlechte Wahlergebnis hat zur Folge, dass in sämtlichen Gremien intensiv herige Vizekanzler Hartwig Löger mit der Fortführung der Verwaltung und über die Zukunft der Partei diskutiert wird und der Weg der organisatori- dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung Löger (ohne Kurz) be- schen Veränderungen in Ottakring besonders intensiv vorangetrieben wird. traut, anschließend die bisherigen Minister*innen bis zur Einsetzung einer neuen Regierung mit der Fortführung der Amtsgeschäfte. Am 3. Juni wird schließlich die Bundesregierung Bierlein vom Bundes- präsidenten angelobt. Als „Beamtenregierung“ bzw. „Übergangsregierung“ wird sie bis zur Angelobung einer neuen Regierung nach der vorgezoge- nen Nationalratswahl im Herbst 2019 die Amtsgeschäfte der Bundesminis- terien weiterführen. Die so abrupt ausgerufenen Neuwahlen stellen die SPÖ vor große He- rausforderungen, da neben dem EU-Wahlkampf nun auch noch die Wahl Das Ottakringer Team zum Nationalrat in kürzester Zeit forciert und organisiert werden muss. Lei- für die Nationalratswahl der gelingt es der SPÖ nicht, die Wahl für sich zu entscheiden. Durch eine 2019: Nurten Yilmaz, starke mediale Unterstützung für die ÖVP und Sebastian Kurz sowie die Franz Prokop, Christian den Wahlkampf dominierenden Frage, ob die Grünen den Wiedereinzug Oxonitsch und Stefanie ins Parlament schaffen, aber auch aufgrund der teils wenig ambitionierten Lamp Wahlkampagne, bringt diese Wahl für die SPÖ eine schwere Niederlage. Stimmenstärkste Partei wird die ÖVP unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Auf dem zweiten Platz erhält die SPÖ mit Pamela Rendi-Wagner Neue Ideen für die Parteiarbeit 21,2 Prozent (minus 5,7 Prozentpunkte) – das historisch schlechteste Ergeb- nis bei einer Nationalratswahl. Noch stärker verliert die FPÖ unter Norbert Dass in Ottakring ständig an der Anpassung der Parteiarbeit an die neuen Hofer, die mit 16,2 Prozent fast zehn Prozentpunkte einbüßt. Mit 13,9 Pro- gesellschaftlichen Gegebenheiten gearbeitet wird, zeigt sich auch an einer zent kehren die Grünen mit dem besten Nationalratsergebnis ihrer Ge- Vielzahl neuer, spannender Formate, die am laufenden Band entwickelt schichte ins Parlament zurück. Auch NEOS schafft mit 8,1 Prozent einen werden. Die Ottakringer Beisl-Touren und die Laufrunden laden zum Mit- historischen Höchststand, während JETZT mit 1,9 Prozent unter der Vier-Pro- machen ein, am Yppenplatz gibt es im Sommer die Möglichkeit, am Public zent-Hürde bleibt und aus dem Nationalrat ausscheidet. Viewing teilzunehmen und auf den Steinhofgründen wird gepicknickt. Das In Ottakring bleibt die SPÖ zwar weiter Nr. 1., im Wahlkreis Wien– Angebot ist hier aber lange noch nicht ausgeschöpft: So kann auch die West, zu dem auch die Bezirke Hernals, Währing und Döbling gehören, körperliche Fitness bei Gymnastik am Nepomuk-Berger-Platz oder im Fit- ist Ottakring aber der einzige Bezirk, der noch über eine sozialdemokrati- ness-Parcours im Karl-Kantner-Park gestärkt werden. Auch die Kulturszene

158 159 in Ottakring schläft nicht und so findet erstmals der von der JG16 ins Leben Restmüll – beispielsweise in der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig – gerufene „16er Slam“, ein Poetry Slam im Roten Bogen, statt. Auch die Fo- Strom für 214.000 und Fernwärme für 95.000 Wiener Haushalte erzeugt. tografie-Begeisterten kommen zum Zug und können durch die Sektion 2 mit Dies sind nur einige der Lösungen für Umwelt- und Klimaschutzthemen, die der Ottakringer Fotogruppe Streifzüge durch den Bezirk unternehmen und die SPÖ entwickelt und realisiert hat. dabei tolle Fotomotive mit ihren Kameras festhalten. Nach fünf Jahren Sanierung kann 2010 schließlich der Yppenplatz neu- Der regelmäßige Kontakt mit unseren Mitgliedern per E-Mail und mit- eröffnet werden, der sich zunehmend zu einem beliebten Grätzel für Otta- tels Messangerdiensten, der Aufbau einer Communtiy in den „sozialen“ kringer*innen und auch generell Wiener*innen aus allen Bezirken entwi- Medien, aber auch weitere Schritte zu einer Demokratisierung und Öff- ckelt. Durch das vielseitige kulinarische Angebot und die schöne Gestaltung nung unserer Partei, z. B. durch die Öffnung unserer Bezirkskonferenzen für hat der Yppenplatz an Beliebtheit gewonnen. Die Entwicklung setzt sich alle Mitglieder, unser Eintreten für eine Direktwahl der Bundsparteivorsit- fort, als 2015 auch die Fußgängerzone in der Yppengasse eröffnet wird. zenden oder auch spezielle Formate für (Noch-)Nichtmitglieder wie den #mitmachmittwoch, haben dazu geführt, dass die SPÖ Ottakring bei der großen Mitgliederbefragung des Jahres 2017 den besten Wert der Be- zirksorganisationen erhalten hat.

Ottakring wird moderner und grüner

In Ottakring sind 50 Prozent des Bezirkes Grünfläche. Mit einem Teil des Wienerwaldes und dem Wilhelminenberg bietet Ottakring viele Möglich- keiten der Naherholung für Ottakringer*innen. Aber auch in den dichtver- bauten Gebieten versucht die Bezirksvertretung, Mikrofreiräume so effizient wie möglich zu nutzen. Einige Straßenzüge konnten in den letzten Jahren durch Baumpflanzungen grüner gestaltet werden, so z. B. die Ottakringer Der Yppenplatz heute Straße, die Herbststraße, die Effingerstraße sowie die Seeböckgasse. Das 1984 gestartete Projekt „Wald der jungen WienerInnen“ kann mittlerweile auf ganze 365.000 gepflanzte Bäume zurückblicken und auch sonst zeigt 2010 kann auch die Neugestaltung des Brunnenmarktes abgeschlossen sich die SPÖ engagiert bei Umweltthemen und Klimapolitik. Ulli Sima, seit werden, die 2002 ihren Anfang nahm. Der Brunnenmarkt hat eine weitrei- 2004 Wiener Stadträtin für Umwelt, setzt ihr Wissen und Engagement in chende Geschichte, denn er entstand bereits 1786 rund um einen Brun- Umweltthemen ein, um diese in Wien zu fördern und umzusetzen. Nebel- nen, der Wasser aus der Leitung vom Wienerwald in die Hofburg führte. duschen und Baumbepflanzungen auf Straßenzügen sollen für ein kühleres Der Markt war von Kaiser Joseph II. bewilligt worden, der Brunnen selbst Klima besonders an heißen Sommertagen sorgen und der Grünflächenan- musste jedoch 1880 der damals neuen Pferdestraßenbahn weichen. Doch teil der Stadt vergrößert werden. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken auch ohne den namensgebenden Brunnen blieb der Markt bestehen. Der soll Wien durch den ausschließlichen Einsatz von erneuerbaren Energien Yppenmarkt hat seinen Ursprung etwas später, nämlich 1897. Dieser ent-

CO2-neutral werden. In Wien wird durch die thermische Verwertung von stand auf dem ehemaligen Exerzierplatz beim Yppenheim. 2009 wird der

160 161 Yppenmarkt in den Brunnenmarkt eingegliedert. Somit bilden die beiden breitere Gehsteige, verbesserte Lichtanlagen sowie Vorziehungen und Ver- Märkte zusammen den größten Detailmarkt Wiens. weilplätze die Sanierung der stark befahrenen Koppstraße aus. Dies zeigt 2013 feiert die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig 50-jähriges Be- sich bereits sehr gut an dem parkähnlichen Platz zwischen Habichergasse stehen. Der Bau wurde 1959 beschlossen und nach den Plänen von Josef und Haberlgasse, der mit Bäumen, Sitzgelegenheiten und einem Kinder- Becvar errichtet und ist damit die erste Müllverbrennungsanlage Öster- spielplatz zum Verweilen einlädt. reichs. Sie ist seit 1963 in Betrieb, ihr 99,2 Meter hoher Schornstein ist schon von Weitem erkennbar. Da die Müllverbrennungsanlage mit einem Fernheizsystem gekoppelt ist, hatte die Wahl des Standortes ihren Grund. Denn die Müllverbrennungsanlage befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einigen sehr großen Wärmeverbrauchern in Ottakring: dem Wilhelminen- spital, dem Krankenhaus Baumgartner Höhe oder auch dem Ottakringer Bad. Die jährliche Aufnahmefähigkeit der Verbrennungsanlage umfasst 130.000 Tonnen Müll. Einen wesentlichen Beitrag zur Neugestaltung ihres Grätzels leisten die Ottakringer*innen 2014 nach der Fertigstellung des Hochhauses am Her- nalser Spitz. Durch die Einbindung und die engagierte Mitarbeit der Anrai- ner*innen kann der Vorplatz des Yppenheims neugestaltet werden. Auch der Beginn für das Projekt „Grünzug Wattgasse“ wird festgelegt und der Eröffnung des Platzes an der Koppstraße erste Spatenstich für die Wohnsammelgarage Wattgasse gesetzt. zwischen Habichergasse und Haberlgasse 2015 wird die Sanierung der Koppstraße abgeschlossen. Neben der Erneuerung der Fahrbahn, inklusive Neuordnung der Stellplätze, zeichnen Auch der Lobmeyrhof wird umfassend saniert. Das Gründerzeitgebäude in der Lorenz-Mandl-Gasse 10–16 umfasst ganze 164 Wohnungen und wird tiefgreifend erneuert. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten 2016 wird der Hof auf 171 moderne Wohneinheiten sowie 3 Geschäftslokale erwei- tert. Flexible Grundrisse, betreute Wohngemeinschaften für wohnungslose Menschen, barrierefreie Zugänge, ein Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss mit Terrasse sowie ein grüner Innenhof mit Spiel- und Freizeitmöglichkeiten unterstreichen den sozialen Aspekt des Projektes. In der Huttengasse 27 wird ebenfalls ein Wohnbauprojekt realisiert und 185 neue Wohnungen mit hochwertiger Ausstattung errichtet. Neben einem Kinderspielplatz stehen den Bewohner*innen zudem 95 PKW- Stellplätze zur Verfügung. 2017 startet in Ottakring eine Sanierungsoffensive um die Linienfeld- Grünzug Wattgasse gasse. Nicht nur der Wohnbaubestand soll verbessert werden, sondern

162 163 mit ihm auch eine Aufwertung der Gegend einhergehen. Wohnbaustadtrat zwar in den Bau integriert, aber weitgehend der Bevölkerung öffentlich Michael Ludwig spricht sich für eine solche Blocksanierung aus, da die- zugänglich. se zu einer eindeutigen Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität führt. Auch die Neulerchenfelder Straße wird umfassend saniert. So kann So sollen in weiterer Folge der Aufwertung des öffentlichen Raumes auch durch die Anpassung der Gleise im Abschnitt zwischen Deinhardstein gasse wichtige Impulse für das Wirtschaftsleben des Grätzles gesetzt werden. und Johann-Nepomuk-Berger-Platz nicht nur der Gehsteig verbreitert wer- Durch diese deutlich attraktivere Gestaltung profitieren sowohl Wirtschaft den, es werden auch 12 Bäume gepflanzt, 19 Bänke, 13 Sessel und ein als auch Anwohner*innen der Gegend und das Grätzel und der gesamte Wartehäuschen für die Straßenbahnstation geschaffen, um die Straße für Bezirk werden attraktiver. die Bewohner*innen lebenswerter zu gestalten. Auch im Abschnitt zwi- Die Sanierung im Bezirk wird auch in den Folgejahren vorangetrieben schen Kirchstetterngasse bis zum Gürtel werden mit Bäumen und Bänken und so kann 2017 auch das Eck Brunnengasse/Neulerchenfelder Straße Verweilzonen geschaffen sowie LED-Beleuchtung installiert. Obwohl der endlich in neuem Glanz erstrahlen. Zuvor ist dieses Eck leider alles andere Abschnitt zwischen der Brunnengasse und dem Gürtel einen schmalen als vorzeigbar, ein Bauzaun und eine unansehnliche G’stätten verunstalten Straßenquerschnitt aufweist, werden bei der Neugestaltung neben den diesen Ort. Nach der Sanierung ist die Umgebung deutlich aufgewertet, oben genannten Verbesserungen auch Lieferzonen für den Markt und Be- ein modernes Wohnhaus mit Backsteinfassade, Sonnenuhr und künstleri- hindertenabstellplätze realisiert. scher Fassadengestaltung verhilft dem ehemals tristen Eck zu neuem Glanz. Auch rund um die Huttengasse/Steinbruchgasse entsteht ein neues Grätzel. Durch mehrere Wohnbauten direkt an der U-Bahn Kendlerstraße entsteht anstelle eines nicht genutzten Betriebsbaugebietes ein attraktives Wohngebiet. In dem Mix aus Eigentum und Mietwohnungen wird auch das Wohnprojekt „55plus – Wohngruppe für Fortgeschrittene“ realisiert, in dem unterschiedliche Generationen zwar in ihrer eigenen Wohnung leben, aber durch gemeinsame Aktivitäten und Gemeinschaftsräume ihren Alltag teilen. In der Brunnengasse zwischen Gaullachergasse und Friedmanngasse werden nach langen Jahren der Abstimmung neben 41 geförderten Woh- nungen auch 7 frei finanzierte Mietwohnungen durch die Wohnbauge- nossenschaft GEWOG-Neue Heimat am Grund der Militärstiftung errich- tet. Zusätzlich werden in einer fünfgeschossigen Wohnsammelgarage ca. 200 Abstellplätze errichtet, die wesentlich zur Entspannung der Parkplatz- Die neue Neulerchenfelder Straße situation im Bereich des Brunnenviertels beitragen. Neues schaffen und Altes erhalten lautet das Motto bei Projekten wie der Kornhäusel-Villa. Im Rahmen eines geförderten Wohnbauprojektes Einmal mehr zum Verweilen lädt auch der Stöberpark ein, der durch seine der Neuen Heimat kann die historische Landvilla „Jenamy“, welche 1804 Umgestaltung mit neuen Wegen, neuer Beleuchtung und zahlreichen Sitz- vom Architekten Josef Georg Kornhäusl errichtet wurde und in den letzten und Liegegelegenheiten aufwartet. Auch Neuerungen wie ein Trinkbrunnen Jahren dem Verfall preisgegeben war, in den vergangenen Jahren revita- werden angelegt und Rutschen, Wippen, Schaukeln sowie eine Sandkiste lisiert werden. Heute ist sie mit einem Restaurant und diversen Arztpraxen stehen für Kinder zum ausgelassenen Spielen und Toben bereit.

164 165 Ein besonders ambitioniertes Projekt für mehr Grünflächen im Bezirk Yppenplatz unter die TOP 30 der hippsten Viertel weltweit gereiht. 2013 wird durch die Neugestaltung des Johann-Nepomuk-Berger-Platzes ins verlegt das Festival seinen Schwerpunkt nach Sandleiten und liefert auch Leben gerufen. Es bleibt aber nicht nur bei einer Begrünung, auch der dort spannende Projekte. Ein besonderes Highlight ist hier im Jahr 2018 der Verkehr soll beruhigt werden. Durch die Änderung der Linienführung der Auftritt von Martin Grubinger, einem der weltbesten Perkussionisten, den er Straßenbahnen 2 und 44 erhält Ottakring nun einen direkten Zugang zum zuvor in einem Workshop mit 50 Kindern und Jugendlichen in Sandleiten Schottentor. Anrainer*innen haben im Rahmen eines Bürgerbeteiligungs- erarbeitet hat. prozesses die Möglichkeit, ihre Ideen zu dem Projekt einzubringen. Durch die Verkehrsberuhigung wird der Johann-Nepomuk-Berger-Platz von der einstigen Verkehrsdrehscheibe zu einer Parkanlage.

SOHO in Ottakring 2014 Volxkino in Sandleiten

Auch das Freiluft Volxkino begeistert als das erste und älteste Freiluftkino Wiens seit mittlerweile 30 Jahren die Wiener*innen. Mindestens zweimal Johann-Nepomuk-Berger-Platz im Jahr macht es auf verschiedenen Plätzen vom Matteottiplatz bis zu den Gürtelbögen in Ottakring Station. Es wird gefeiert! Kulinarisch wird’s im Be- In Ottakring haben sich über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte zahl- zirk durch das Sandleitner reiche Kulturveranstaltungen etabliert, die heute nicht nur Ottakringer*innen, C’ evapcˇic’i Fest, das erstmals sondern Wiener*innen aus allen Bezirken begeistern. Das Festival Soho findet in Ottakring beispielsweise bereits seit 1999 statt. Bis 2012 findet die- Nurten Yilmaz, Ulli Sima ses weit über die Bezirksgrenzen hinaus anerkannte Kulturfestival im Gebiet Ulli Sima, Franz Prokop rund um den Brunnenmarkt statt und leistet eines wesentlichen Beitrag zur und Christian Oxonitsch Aufwertung des gesamten Gebietes. Nicht zuletzt deshalb wird 2019 der beim C´ evapcˇic´i Fest

166 167 2017 stattfindet und auch ein Maifest hat in Ottakring Einzug gehalten und liche Atmosphäre ins Grätzl und bietet einen wunderschönen Ausblick über findet seit 2018 am Matteotti platz statt. Bezirk und Stadt. Da es aber viele Menschen gibt, deren Lebenssituation alles andere als Eines der Herzstücke der Ottakringer Kultur ist zweifelsohne der Ottak- leicht ist, veranstaltet die SPÖ Ottakring seit 1997 das sogenannte Adress- ringer Kirtag, der 2019 bereits 40-jähriges Bestehen feiert. Mit über 30 losen-Fest, bei dem hunderte Menschen – egal ob mit oder ohne Adresse – Ständen und mehr als zehn Vergnügungsständen lädt er Alt und Jung zum gemeinsam in der Stadthalle feiern und bei musikalischer Begleitung die Schlendern und Rummeln ein. Für kulinarische Versorgung ist ebenso gesorgt vorweihnachtliche Stimmung genießen können. wie für die musikalische Unterhaltung. Auch die Kleinsten werden durch ein dreitägiges Kinderprogramm gut unterhalten, und natürlich kommen auch Naschkatzen auf ihre Kosten: Alleine 2018 werden 3000 Schaumbecher verkauft. Wie beliebt der Ottakringer Kirtag ist, zeigen auch die Besuchs- zahlen. Seit 40 Jahren kann der Kirtag knapp 4 Millionen Besucher*innen zählen. Eine besonders lustige Anekdote ereignet sich, als der damalige Vizebürgermeister Hans Mayr mit feierlicher Stimme den Kirtag mit den Worten „Und hiermit eröffne ich den Ottakringer Friedhof“ – und dem dar- auf folgenden Gelächter hunderter Ottakringer*innen – eröffnet.

Adresslosen- Fest

Wichtige Grundlage für das vielfältige Leben in Ottakring ist auch der all- jährliche „Vernetzungscocktail“ des Bezirksvorstehers, zu dem Franz Prokop alle Kulturschaffenden in Ottakring einlädt und ihnen damit einen gemütli- chen Rahmen für das „Networking“ bietet.

Gesundheit

Michael Häupl, Ulli Sima, Susanne Haase, Christian Oxonitsch Im Zuge der Spitalsreform werden erste Planungen für einen Neubau des und Thomas Brandstätter am Ottakringer Kirtag 2018 Wilhelminenspitals der Öfdentlichkeit präsentiert. Die Folgen der Wirt- schafts- und Finanzkrise 2008/2009 verzögern die Umsetzung. Dennoch Auch im Winter ist das kulturelle Programm in Ottakring vielfältig. Der Weih- ist für die Ottakringer SPÖ die Sicherung und Modernisierung des „Wispi“, nachtszauber am Wilhelminenberg, der seit 2006 stattfindet, bringt fest- wie es die Ottakringer*innen liebevoll nennen, ein zentrales Anliegen. Ein

168 169 neuer OP-Trakt sowie laufende Sanierungen in vielen Pavillions stellen si- freiung Ottakrings von ihren Erlebnissen. Schüler*innen haben nicht nur die cher, dass bis zu einer vollständigen Modernisierung weiterhin vielfältige Möglichkeit, mit den Zeitzeug*innen in Dialog zu treten, sondern konnten Spitzenmedizin in der nunmehrigen „Klinik Ottakring“, wie das Spital seit selbst aktiv mitarbeiten und gestalten. So bereiten sie kurze Theaterstücke 2020 heißt, geboten wird. und Lesungen vor und entwerfen Zeichnungen für eine Ausstellung über die Das Haus Liebhartstal bietet am Fuße des Wilhelminenberges in idylli- kampflose Entwaffnung Ottakrings im April 1945. Das Projekt wird mit der scher, jedoch zentral erreichbarer Lage Wohnkomfort für Senior*innen. Im Enthüllung eines Denkmales, der „Sandleitendatenbank“, abgeschlossen. Rahmen der Wiener Spitalsreform wird das Liebhartstal II 2014 an seinem Die Bank soll als Ort für Austausch und Geschichtenerzählen dienen, da neuen Standort, nur wenige Meter vom alten entfernt, eröffnet und bietet über Kopfhörer-Plug-Ins Informationen zum Widerstand angehört werden seinen Bewohner*innen hochqualitative Wohnmöglichkeiten mit einer können. breiten Palette an Aktivitäten, wie Kultur- und Freizeitangeboten. Im Fall von Krank heit oder andauernder Pflegebedürftigkeit wird es den Bewoh- ner*innen auch ermöglicht, in ihrer vertrauten Wohnumgebung zu bleiben, ohne in einen stationären Bereich übersiedeln zu müssen.

Franz Prokop ehrt die Zeit- zeug*innen Helene Neu- haus und Paul Vodicka, 2015

Eröffnung Haus Liebhartstal

Die Zeit- Erinnerungskultur und Gedenkprojekte zeug*innen inmitten der Eine besonders wichtige Gedenkveranstaltung findet 2015 gemeinsam mit Schüler*innen den Wohnpartnern Wien statt. Die Zeitzeug*innen Helene Neuhaus und der WMS Paul Vodicka berichten im Rahmen des 70-jährigen Gedenkens an die Be- Roterdstraße

170 171 Auch im Folgejahr gibt es ein Projekt mit Zeitzeug*innen. 2016 geht das Epilog: Das Jahr 2020 und die Zukunft Ottakrings von der rot-grünen Koalition gestartete Diversitätsprojekt „ZeugInnen der Zeit“ in die nächste Runde. An Neuen Mittelschulen werden Diskussionsrun- Das Jahr 2020 bringt zunächst im Jänner eine neue Bundesregierung in den und Workshops durchgeführt, um das „alte Wien“ der jüngsten Gene- Türkis-Grün. So wie schon unter Schwarz-Blau wird von Bundeskanzler Kurz ration näherzubringen. Damit soll das Verständnis von Migration, Identität immer wieder gegen Wien gestichelt. Aber schon nach wenigen Wochen und Familiengeschichte erweitert werden. „ZeugInnen der Zeit“ konzentriert steht die politische Arbeit vor ganz anderen, neuen Herausforderungen: sich auf die Arbeitsmigration zwischen den 1960er und 1980er Jahren. Die Coronakrise legt die Republik, die Stadt und auch den Bezirk lahm. Der Viele der damals aktiv angeworbenen ausländischen Arbeitskräfte fanden „Shutdown“ hat nicht nur gezeigt, wie wichtig der Einsatz der SPÖ gegen in Österreich – oft ohne es zu beabsichtigen – eine dauerhafte Heimat. Privatisierungen im Gesundheits- und Sozialbereich war und weiterhin ist. Durch das Projekt „ZeugInnen der Zeit“ haben sie die Möglichkeit, von die- Er hat gezeigt, wie wichtig es ist, ein gut ausgebautes Gesundheitssystem sem wichtigen Teil der bis zuletzt großteils ungeschriebenen Geschichte und Spitäler, die Wasser- und Müllversorgung, den öffentlichen Verkehr an Schulen persönlich zu erzählen. Schüler*innen lernen aus erster Hand und alle Bereiche der „Daseinsvorsorge“ im Eigentum der Stadt zu halten geschichtliche Zusammenhänge und erfahren auch, wie der Alltag damals und eine gut funktionierende Verwaltung in einer Millionenstadt zu haben. ausgesehen hat. Dank dieser sozialdemokratischen Errungenschaften ist es bisher gelungen, 2017 wird das Projekt der Steine der Erinnerung fortgesetzt. Am gut durch diese Krise zu kommen. Nietzscheplatz werden Steine für die beiden Widerstandskämpfer*innen Hermine und Lothar Dirmhirn gesetzt. Die beiden waren Widerstands- Und die zeit- kämpfer*innen im Sandleitenhof und wurden vom Volksgerichtshof wegen g e m ä ß e n „Wehrkraftzersetzung und Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode ver- Strukturen der urteilt. Beide wurden am 26. Februar 1943 im Landesgericht Wien hinge- SPÖ Ottakring richtet. Der Stein der Erinnerung soll das Gedenken an die beiden Wider- bewähren sich standskämpfer*innen aufrechterhalten. auch in den Wochen des „Lockdowns“: Sitzungen wur- Die neue Struktur der SPÖ Ottakring den per Video- baut auf den Grätzln auf konferenz ab- gehalten und durch die Teilnehme von Bürgermeister und Stadträt*innen auch Informati- onen „aus erster Hand“ weitergegeben, dutzende Aktivist*innen versorgen regelmäßig ältere Bezirksbewohner*innen mit Lebensmitteln, kleine Unter- nehmen werden durch Social-Media-Aktivitäten unterstützt und wichtige Einrichtungen im Bezirk mit Schutzmasken versorgt. Und „trotz Corona“ gibt es 2020 auch viele kommunalpolitische Wei- chenstellungen, die für die Weiterentwicklung unseres Bezirkes von großer

172 173 Bedeutung sind: Die bevorstehende Umgestaltung der Thaliastraße wird – CEU) auf dem Areal des ehemaligen Otto Wagner Spitals zu erreichen. da der Bürgerbeteiligungsprozess in der gewohnten Form nicht stattfinden Nicht nur, dass dadurch das Architekturjuwel gesichert wird und öffentlich kann – virtuell in Videokonferenzen mit Bezirksbewohner*innen diskutiert. zugänglich bleibt, werden die rund 3000 jungen Studierenden viele neue Ottakringer Parks werden zu „Coolen Parks“ durch Nebelduschen. Die Impulse bringen und dem Areal ein neues kulturelles und gesellschaftliches Sicherheit für Radfahrer*innen in der Hasnerstraße wird erhöht. Das Kul- Leben einhauchen. Davon wird unser Bezirk profitieren. turbudget verdoppelt, um die von der Coronakrise besonders hart getroffe- nen Künstler*innen zu unterstützen. Die Coronakrise zeigt aber auch deutlich nach wie vor bestehende Unge- Von großer Bedeutung für unseren Bezirk ist aber vor allem auch, dass rechtigkeiten auf. Denn zu den großen Verlierer*innen zählen arbeitende es gelungen ist, die Ansiedlung der „Central European University“ (kurz: Menschen, Frauen, Kinder und Jugendliche, Künstler*innen, kleine und mitt- lere Betriebe, Selbständige. Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig eine starke Sozialdemokratie und damit eine starke Stimme für diese Gruppen ist. Das grundlegende Selbstverständnis der Sozialdemokratie, eine Stim- me für jene zu sein, die es sich nicht selbst richten können, wird auch in Zukunft die Grundlage unserer politischen Arbeit sein. Es war die Sozialdemokratie, die aus einer Stadt, in der infolge des Ersten Weltkrieges Not und Hunger herrschte, im „Roten Wien“ ein interna- tionales Paradebeispiel einer sozialen Stadt schuf. Bis zu jenem Zeitpunkt, als der Austofaschismus diese erfolgreiche Arbeit gewaltsam beendete.

Die Central European University im ehemaligen Otto-Wagner- Spital bringt auch Ottakring Die Teilnehmer*innen an der Klubtagung 2020 positive Impulse

174 175 Es waren Sozialdemokrat*innen, die aus einer Stadt, die nach der Terror- Anhang herrschaft der Nationalsozialisten in Schutt und Asche lag, eine Stadt mit der höchsten Lebensqualität machten. Es war die Ottakringer Sozialdemokratie, die aus einem der ärmsten Die SPÖ Ottakring Bezirke einen modernen, vielfältigen Stadtteil schuf. Und es wird die Wiener und Ottakringer Sozialdemokratie sein, die gemeinsam mit den Ottakringer*innen sicherstellt, dass diese hohe Lebens- Vorsitzende qualität auch angesichts des Klimawandels und anderer Herausforderun- gen in der Zukunft weiter ausgebaut wird. Dafür gibt es ein engagiertes Von Bis Vorname Nachname Team von Aktivist*innen, die viel in Ottakring unterwegs sind, Gespräche 1890 1913 Franz Schuhmeier führen und Ansprechpartner*innen vor Ort für die Ottakringer*innen sind. 1913 1934 Albert Sever Die Erweiterung des öffentlichen Verkehrs, die Sicherung und das Schaffen 1945 1962 Karl Kysela von Grün- und Freizeiträumen, das Forcieren von umweltfreundlichen Mo- 1962 1987 Hubert Pfoch bilitätsangeboten, der Neubau leistbarer Wohnungen unter besonderer Berücksichtigung ökologischer Aspekte (Fassadenbegrünungen, Niedrig- 1987 1997 Alfred Barton energiestandard usw.), ein funktionierendes Sozial- und Gesundheitssystem Feb. 1997 Mai 1997 Andreas Honay für alle und nicht nur jene, die es sich leisten können, sind dafür ebenso 1997 heute Christian Oxonitsch notwendig wie eine lebendige Kulturszene und unser Einsatz gegen Unge- rechtigkeit, Diskriminierung und Rassismus. Das ist unser Auftrag. Dafür arbeiten wir. Gestern, heute und morgen. Bezirksgeschäftsführer*innen

Von Bis Vorname Nachname 1945 1951 Oswald Pilz 1951 1961 Franz Martinuzzi 1961 1967 Heidi Menczik 1967 1987 Ferdinand Supalek 1987 1990 Andreas Honay 1990 1997 Christian Oxonitsch 1997 2005 Nurten Yilmaz 2005 2016 Susanne Haase 2016 heute Stefanie Lamp

Ottakringer SpitzenkandidatInnen für die GR & BV Wahl 2020: Christian Oxonitsch Ulli Sima Franz Prokop

176 177 Sektionsvorsitzende bis 2020 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung)

Sektion 1 1946–1947 Hradil Gustav 1945–1965 Zenner Adolf 1947–1953 Hradil Franz 1965–1969 Hradil Stefan 1953–1961 Mählich Friedrich 1969–1972 Glaser Herbert 1961–1981 Mayer Karl 1972–1991 Mihalek Rudolf 1981–3.1985 Stiegler Karl 1991–2015 Hirtenfeldner Wilhelm 3.1985–12.2001 Antes Jürgen an Sektion 6 2015– Kolonovic Robert, Ing. Sektion 5 Sektion 2 1945–1951 Geringer Karl 1945–1946 Swoboda Karl 1952–1954 Hlavacek Franz 1946–1952 Tatzen Roman 1954–1956 Jirava Josef 1952–1958 Schmidt Michael 1956–1961 Hartl Hermann 1958–1961 Pfoch Hubert 1961–1970 Kriz Ludwig 1961–1963 Barton Alfred 1970–2.1996 Kovanik Ferdinand an Sektion 6 1963–3.1985 Supalek Ferdinand 3.1985–1989 Opava Otto Sektion 6 1989–2.2015 Püngünzky Franz 1945–1947 Heindrich Engelbert 2.2015– Julia–Hinterseer-Pinter, Mag. 1947–1956 Meiss Franz 1956–1958 Müller Karl Sektion 3 1958–1960 Billmaier Erwin 1945–1964 Reiner Karl 1960–1969 Wanek Karl 1964–3.1985 Wippenhammer Richard 1969–3.1985 Zimmel Frieda 3.1985–1988 Pleinscheg Rudolf 3.1985–3.2003 Antes Jürgen 1988–3.2003 Vospel Margarete Zusammenlegung mit 3.2003 - Antes Gerhard Sektion 2 ab 31.1.2019– Calin Alin-Florin, BA. Neugründung: 31.1.2019 Sektion 7 1945–1966 Gruber Franz Sektion 4 1966–3.1997 Oblasser Gerhard 1945–1946 Kalllina Ludwig 3.1997–1999 Zille Otto

178 179 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung) Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung)

2000–2019 König Roland 2009– Sonja Ramskogler, Mag. 1.2019– Jagsch Stefan, Mag. davor Themeninitiative Europa und Internationales bis 1.2019 Sektion 11 1945–1956 Vesely Johann Sektion 8 1956–1950 Steininger Karl 1945–1958 Schleifer Anton 1950–1952 Linert Franz 1958–1969 Ulrich Leopold 1952–1953 Steininger Karl 1969–3.2003 Pilz Heinrich 1953–1954 Martinuzzi Franz 3.2003 - Reinberger Johann 1954–1955 Horak Fritz 1955–1977 Fischer Karl Sektion 9 1977–12.1992 Vogl Heinz ab 12.1992 zu Sektion 17 1945–1946 Scholz August 1946–1952 Kalina Franz Sektion 12 1952–1956 Kaiser Josef 1945–1954 Wallner Rudolf 1956–1961 Anderas Otto 1954–1962 Emmer Rudolf 1961–1985 Barton Alfred 1962–1964 Czettel Adolf 1986–1988 Burtscher Franz 1964–1967 Schrank Johann 1989–1989 Scharl Helmut 1967–1988 Czettel Adolf 1990–1990 Burtscher Franz 1988–1994 Mrkwicka Franz 1991–11.2000 Jungwirth Erich aufgelassen ab 11.2000 1995–2019 Orner Wolfgang 1.2019– Makowicka Gerhard, Ing. Sektion 10 Mag. 1945–1949 Geiger Anton 1949–1958 Pfoch Hubert Sektion 13 1958–1966 Nitsch Franz 1945–1946 Trunka Karl 1966–1967 Hanzlik Ferdinand 1946–1952 Emmer Rudolf 1967–1979 Wenzel Franz 1952–1954 Kristen Robert 1979–3.1985 Kandlec Alfred 1954–1956 Schwarz Alfred 3.1985–2009 Brunnmayer Elfriede 1956–1961 Kappelmüller Erwin

180 181 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung) Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung)

1961–1965 Schwarz Alfred Sektion 16 1965–1972 Kristen Robert 1945–1949 Kludak Franz 1972–1983 Harant Herbert 1949–1954 Charval Adolf 3.1983–3.1993 Lassy Gerhard 1954–1969 Fucik Richard 2.1993–3.2005 Prokop Franz 1969–1972 Imnitzer Alois 3.2005– Morawek Christian 1972–2007 Ehrlich Karl 2007–2020 Mrkwicka Andreas Sektion 32 von 16 über- Sektion 14 nommen 1945–1963 Süsz Theodor 1963–1988 Schleifler Kurt Sektion 17 1989–1991 Heindl Peter, Dr. 1945–1946 Januel Anton 1991–5.1997 Honay Andreas 1946–1952 Hart Franz 5.1997–2010 Machacek Franz 1952–1954 Gröschl Georg 2010–2020 Brandstätter Thomas Zusammenlegung mit 1954–1974 Damianik Josef Sektion 15 1974–10.1983 Cselko Albert 11.1983–3 .1987 Eibicht Friedrich Sektion 15 4.1987–1988 Schrank Hans 1945–1948 Szedeczky Leo 1989–1993 Kreuzer Andreas 1948–1949 Koukal Franz 1.1.1993–2001 Wagner Wilhelm 1.2001 Sektion aufgelassen 1949–1952 Betnisch Fridolin 1952–1968 Lachner Wilhelm Sektion 18 1968–3.2003 Conrad Manfred 1945–1946 Reichenauer Karl 3.2003–2007 Casagrande Dagmar 1946–1952 Schatz Karl 2008–2009 Gernot Polack 1952–1955 Hauptvogel Oskar 2009–2015 Dohnal Elisabeth 1955–1958 Gehrung Friedrich 2015–2020 Juric Martin 1958–1970 Baier Johann ab 1.2020 Murlasic Nicole 1970–2000 Fiala Franz 2001–2013 Jonczyk Helga

182 183 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung) Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung)

Sektion 19 Sektion 22 1945–1948 Spielmann Rudolf 1945–1964 Pribil Franz 1948–1953 Kupka Ferdinand 1964–1978 Hobl Hans, Ing. 1953–1964 Berger Franz 1978–2015 Ehm Fritz, Ing. Roland Löffler, DI als GF Vorsit- 1964–3.1985 Helly Elisabeth zender de facto tätig 3.1985–1996 Gutmann Edwin 2016–2017 Mistelbauer Moritz 1996–2006 Soos Wolfgang, Dr. 2006 - Magister Manfred Sektion 23 1945–1947 Landau Gerhard Sektion 20 1948–1970 Hübner Karl 1945–1950 Gänsthaler Eduard 1971– Wolfsberger Alex 1950–1954 Ulrich Nikolaus 1954–3.1985 Wiedermann Rudolf Sektion 24 2.1985–3.1987 Wais Alfred 1945–1946 Kunert Robert 3.1987–3.1988 Dostal Heinz 1946–1954 Hartl Hermann 3.1988–12.1988 Wais Alfred 1954–1966 Gneist Rudolf 1989–1990 Wiedermann Rudolf 1966–1968 Wolf Franz 1991–3.2005 Stöger Karl 1968–1979 Grois Kurt 3.2005– Weissmann Eva 1979–3.1987 Grundei Friedrich 3.1987–2018 Zak Gabriele aufgelassen Sektion 21 1945–1953 Schrolnberger Ludwig Sektion 25 1953–1976 Nekoksa Franz 1945–1948 Böhm August 1975–1977 Trimmel Hjohann 1948–1955 Handlos Adolf 1976–1978 Poihs Alfred 1955–1959 Grünbeck Ludwig 1978–3.1987 Hobl Wolfgang, Mag. 1959–1962 Handlos Adolf 3.1987–3.1995 Schimanek Hannelore zu Sektion 19 1962–1970 Brezina Josef 1970–1989 Gröschl Karl, Ing. 1989–1991 Kletzl Leopold

184 185 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung) Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung)

1992–12.1994 Bandhauer Wolfgang, Dr. 1976–1983 Girschka Manfred 1.1995–3.1997 Weilinger Willibald 1984–2.2001 Chvatal Roland, Mag. 3.1997–9.1998 Ottitsch Matthias, DI. 2001–2005 Domschitz Manfred 10.1998–3.1999 Bergthaler Jutta 2004 aufgelassen 2005–2012 Kopper Wolfgang 3.1999–2004 Schneider Heinrich 2012–2015 Holy Marion 2015–2020 Kraft Michael Sektion 26 1945–1948 Eipeltauer Rudolf Sektion 29 1948–1952 Kolar Friedrich 1949–3.1989 Srp Josef 1952–1958 Klepitsch Franz 3.1989–2001 Pokorny Franz 1958–1970 Schmalzl Karl 2001–10.2002 Zajic Ernst 1970–1972 Holzhacker Ernst 2002–2003 Schind Josef 1972–3.1985 Hausleitner Karl 3.2003–2009 Lederhofer Christa 3.1985–1990 Zak Kurt 1990 Zusammelgeung mit 2009–2015 Müllner Eduard Sektion 27 1.2019 - Glaser Daniel, DDI. Themensektion Stadt 2015 gegründet, 2019 zu Sektion Sektion 27 29 geworden 1945–1948 Matausch Karl 1948–1950 Pocanek Johann Sektion 30 1950–1953 Knauf Erwin 1954–1958 Ulrich Nikolaus 1953–1958 Pocanek Johann 1958–1969 Bauer Karl 1958–1963 Beudl Jakob 1969–1988 Weber Ernst 1963–3.1985 Sandner Ferdinand 1989–2.2006 Pzeschabek Hans 3.1985 - Merth Roman, Dr. 3.2006–2008 Oberortner Maria 2009–2016 Ucan Ekrem aufgelassen Sektion 28 1948–1953 Pokorny Marie Sektion 31 1954–1961 Mladek Karl 1954–1963 Sekirnjak Willibald 1962–1975 Liepold Wilfried 1963–1965 Nittel Heinz

186 187 Sektionsvorsitzende bis 2020 (Fortsetzung) Staatssekretärinnen und Staatssekretäre

1965–1970 Spitzer Karl Von Bis Vorname Nachname 1970–1976 Swoboda Walter 1945 Adolf Schärf 1976–1990 Tatzber Raimund 1979 1983 Franziska Fast 1990–3.1997 Struggl Franz, Ing. 3.1997–3.2005 Abweser Karl aufgelassen Bürgermeister

Sektion 32 Von Bis Vorname Nachname 1963–1970 Pfabigan Leopold 1994 2018 Michael Häupl 1970–1974 Walter Kurt 8.1974–1988 Rinder Anton Zusammenlegung mit Sektion 16 Vizebürgermeister

Von Bis Vorname Nachname 1947 1959 Karl Honay Ottakringer Mandatarinnen und Mandatare 1973 1978 Hubert Pfoch

Bundespräsident Landtagspräsident

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 1957 1965 Adolf Schärf 1979 1984 Hubert Pfoch

Vizekanzler SPÖ-Bezirksvorsteher*innen

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 1945 1957 Adolf Schärf 1946 1964 August Scholz 1964 1970 Hans Hobl 1970 1979 Josef Srp 1980 1996 Alfred Barton 1996 2004 Ernestine Graßberger

188 189 SPÖ-Bezirksvorsteher*innen (Fortsetzung) Nationalrätinnen und Nationalräte

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 2004 heute Franz Prokop 1945 1948 Hilde Krones 1945 1962 Karl Kysela 1945 1962 Wilhelmine Moik Stadträtinnen und Stadträte 1945 1957 Adolf Schärf

Von Bis Vorname Nachname 1948 1964 Franz Olah 1945 1959 Karl Honay 1949 1949 Maria Pokorny 1964 1979 Hubert Pfoch 1959 1983 Christian Broda 1983 1987 Franz Mrkvicka 1961 1970 Josef Kratky 1988 1994 Michael Häupl 1962 1966 Schella Hanzlik 2009 2015 Christian Oxonitsch 1970 1987 Hans Hobl 2004 heute Ulli Sima 1979 1984 Adolf Czettel 1987 1996 Franz Mrkvicka 1996 2013 Franz Riepl Klubvorsitzende im Wiener Rathaus 1999 2004 Ulrike Sima 2013 heute Nurten Yilmaz Von Bis Vorname Nachname 2001 2008 Christian Oxonitsch 2015 2018 Christian Oxonitsch Gemeinderätinnen und Gemeinderäte / Landtagsabgeordnete

Von Bis Vorname Nachname Bundesrätinnen und Bundesräte 1945 1959 Karl Honay 1945 1959 Josef Jirava Von Bis Vorname Nachname 1945 1959 Paula Kratky 1945 1949 Karl Honay 1945 1958 Johann Swoboda 1956 1959 Schella Hanzlik 1945 1949 Rudolf Wallner 1966 1973 Schella Hanzlik 1949 1984 Hubert Pfoch 1957 1959 Christian Broda 1954 1964 Erwin Billmaier 1959 1961 Josef Kratky 1958 1964 Karl Rösner 1976 1979 Adolf Czettel

190 191 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte / Landtagsabgeordnete Bezirksrätinnen und Bezirksräte (im Jahr 2000 aktiv – Fortsetzung) (Fortsetzung) Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 2015 Julia Hinterseer-Pinter 1959 1962 Schella Hanzlik 2013 Stefan Jagsch 1962 1970 Josef Srp 2015 Martin Juric 1964 1983 Karoline Pluskal 2015 Robert Kolonovits 1969 1976 Adolf Czettel 2006 Roland König 1969 1973 Herbert Glaser 2010 Wolfgang Kopper 1970 1979 Rudolf Müller 2006 Sonja Kothe 1973 1979 Franziska Fast 2018 Stefanie Lamp 1978 1995 Gerhard Oblasser 2017 Ruth Manninger 1979 1983 Franz Mrkvicka 2012 Christian Morawek 1983 2001 Ilse Forster 2006 Andreas Mrkvicka 1983 1988 Michael Häupl 2013 Andreas Palkovics 1984 1993 Fritz Honay 2006 Ruth Petz 1988 1996 Franz Riepl 2015 Sonja Ramskogler 1994 1996 Ernestine Grasberger 2006 Johann Reinberger 1995 1997 Andreas Honay 2006 Jennifer Schneider 1996 2009 Christian Oxonitsch 2019 Tanja Sommer 2001 2013 Nurten Yilmaz 2009 Brigitte Soos 2001 2015 Sonja Ramskogler 2006 Eva Weißmann 2015 heute Christian Oxonitsch

Bezirksrätinnen und Bezirksräte (im Jahr 2000 aktiv) Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 2015 Gerhard Antes 1987 2001 Jürgen Antes 2010 Thomas Brandstätter 1987 2001 Wolfgang Bandhauer 2018 Daniel Glaser 1958 1973 Herbert Banner 2006 Susanne Haase 1959 1978 Alfred Barton

192 193 Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte (Fortsetzung) Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte (Fortsetzung)

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 1969 1977 Kurt Baumgartner 1945 1949 Schella Hanzlik 1945 1949 Hans Benak 1978 1983 Herbert Harant 1949 1954 Leopold Böck 1978 1996 Johann Hartl 2006 2010 Ingrid Beranek-König 1978 1993 Walter Hartl 2005 2013 Marianne Binder 2010 2015 Renate Hefele 2005 2015 Sandra Breiteneder 1978 1987 Elisabeth Helly 1987 2005 Elfriede Brunnmayr 2001 2015 Gerlinde Hirtenfelder 2000 2010 Dagmar Casagrande 2001 2015 Wilhelm Hirtenfelder 1949 1954 Pauline Charvat 1994 2015 Hildegard Holzhacker 1973 2003 Manfred Conrad 1987 1995 Andreas Honay 1970 1983 Josef Damianik 1977 1984 Fritz Honay 2013 2015 Elisabeth Dohnal 1962 1966 Albert Jagschitz 2003 2006 Manfred Domschitz 1990 2013 Helga Jonczyk 1945 1954 Georgine Drska-Zdrahal 1991 1998 Vera Kainz 1978 2003 Fritz Ehm 1969 1979 Edmund Kampits 1969 1987 Kurt Ehm1 2006 2010 Christa Katzian 945 1969 Rudolf Emmer 1949 1959 Josef Kauzner 1987 2003 Grete Ehrlich 2010 2019 Hüseyin Kilic 1981 1994 Karl Ehrlich 2006 2010 Alexander Klein 2010 2018 Ilkim Erdost 1945 1959 Franz Klidak 1964 1973 Franziska Fast 1964 1978 Ludvik Kolin 1980 1983 Franz Fiala 1994 2010 Anton Korntheuer 1973 1983 Ilse Forster 1979 1996 Ferdinand Kovarik 1978 1987 Karl Gaugusch 1954 1973 Anna Kristen 1945 1949 Karl Geringer 1987 1994 Gerhard Lassy 1964 1983 Richard Goschler 1954 1964 Hermine Latin 1975 1994 Ernestine Graßberger 1949 1954 Margarete Leppen 1945 1964 Franz Gruber 2000 2015 Roland Löffler

194 195 Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte (Fortsetzung) Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte (Fortsetzung)

Von Bis Vorname Nachname Von Bis Vorname Nachname 2002 2010 Franz Machaczek 1978 1987 Ferdinand Sandner 1954 1969 Christoph Mahlknecht 1973 1975 Elfriede Scharf 1954 1964 Franz Martinuzzi 1964 1969 Kurt Scheifler 1945 1949 Rosa Matausch 1981 2006 Hannelore Schimanek 1964 1969 Heidi Menczik 1964 1981 Rosa Schmidt 1991 2010 Roman Merth 1959 1981 Otto Schmiedeck 1973 1987 Rudolf Michalek 2006 2009 Heinrich Schneider 1945 1949 Franz Mladek 1978 1996 Elisabeth Schnetz 1987 1991 Heinz-Detlef Nagl 1987 1994 Hildegarde Schrank 1978 1987 Renate Obadalek 1949 1954 Ludwig Schrolnberger 1969 1978 Gerhard Oblasser 1973 1991 Otto Schuster 2005 2015 Wolfgang Orner 2001 2010 Ewald Seebacher 1991 1996 Christian Oxonitsch 2015 2017 Martina K. Steiner 1945 1964 Karl Palla 1987 1997 Harald Stockbauer 1945 1954 Jaro Pazour 1995 2005 Karl Stöger 1978 2005 Heinrich Pilz 1966 1987 Ferdinand Supalek 1954 1959 Leopold Plisek 1969 1996 Franz Süsz 1949 1959 Anton Ploderer 1945 1964 Theodor Süsz 1987 2001 Franz Pokorny 1945 1949 Leopold Szedecsky 1945 1958 Maria Pokorny 1945 1949 Frieda Staud 1945 1949 Franz Pribil 1978 1991 Raimund Tatzber 1994 2004 Franz Prokop 2006 2010 Johann Thier 1994 2015 Franz Püngüntzky 1945 1954 Gustav Triska 2006 2010 Sonja Ramskogler 1949 1959 Nikolaus Ulrich 1954 1960 Ludwig Repper 2006 2013 Anita Voraberger 1959 1969 Gottfried Richter 1959 1978 Dora Verosta 1978 2001 Anton Rinder 1988 2010 Margarete Vospel 1994 2005 Hans Rzeschabek 1996 1996 Getrude Wagner

196 197 Felix Czeike, Der Lebensstandard der Arbeiter in Ottakring im 19. Jahrhundert, in: Amts- Ehemalige Bezirksrätinnen und Bezirksräte (Fortsetzung) blatt der Stadt Wien Bd. 86 (Wien: Stadt Wien–Presse- und Informationsdienst, 1960). Von Bis Vorname Nachname Felix Czeike, XVI. Ottakring. Wiener Bezirkskulturführer (Wien: Jugend & Volk 1981). 1960 1987 Ernst Weber Felix Czeike, Walter Lugsch, Studien zur Sozialgeschichte von Ottakring und Hernals 1969 1987 Rudolf Wiedermann (Wien: Jugend & Volk 1955). 1954 1973 Maria Windisch Franz Danimann, Hugo Pepper (Hg.), Österreich im April ‘45. Die ersten Schritte der Zwei- ten Republik (Wien: Europaverlag 1985). 1969 1987 Richard Wippenhammer Galerie Grundstein, online unter: http://www.grundstein.at. 1978 2010 Alexander Wolfsberger Gedenkprojekt „Sandleitendatenbank“ 2015, online unter: http://www.andreasstrauss. 1998 2001 Nurten Yilmaz com/sandleitendatenbank und https://www.wien.gv.at/bezirke/ottakring/geschichte- 1959 1964 Johann Zadny kultur/gedenkstaette-sandleiten.html. 1949 1954 Ludmilla Zadny Senol Grasl-Akkilic, Marcus Schober, Regina Wonisch (Hg.), Aspekte der österreichi- schen Migrationsgeschichte (Wien: Edition Atelier 2019). 1987 1994 Gabriela Zak Christine Klusacek, Kurt Stimmer, Ottakring. Vom Brunnenmarkt zum Liebhartstal (Wien: 1945 1969 Adolf Zenner Mohl 1983). 1987 2000 Otto Zille Carola Leitner, Kurt Hamtil, Ottakring: Wiens 16. Bezirk in alten Fotografien (Wien: 1978 1988 Frieda Zimmel Ueberreuter 20142). Alexander Maurer, „Schmeißt die Waffen hin, geht’s z’haus“. Vor 70 Jahren wurde Otta- kring gewaltlos von der NS-Herrschaft befreit. Eine „Datenbank“ in Sandleiten erinnert nun daran, 2015, online unter: https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/ Essays/Geschichte/Widerstand_Ottakring. Alja Rachmanowa, Milchfrau in Ottakring. Tagebuch aus den dreißiger Jahren (Wien: Weiterführende Informationen Amalthea Signum Verlag 2003). Günther Sandner, Sozialdemokratie in Österreich. Von den Anfängen der Arbeiterbe- Evelyn Adunka, Gabriele Anderl, Jüdisches Ottakring und Hernals (Wien: Mandelbaum wegung zur modernen Sozialdemokratie (Wien: Renner Institut 2018), online unter: Verlag 2020). https://homepage.univie.ac.at/guenther.sandner/sites/default/files/2018Prozent- Hannes Androsch, Heinz Fischer, Wolfgang Maderthaner (Hg.), Vorwärts. Österreichi- 20sozialdemokratie.pdf sche Sozialdemokratie seit 1889 (Wien: Brandstätter 2020). Alfred Schiemer, Auf Ottakrings Spuren. Historische Streifzüge zwischen Gürtel und Peter Autengruber, Sabine Lichtenberger, Geschichte der Sozialdemokratie und ande- Galli tzinberg (Wien: Edition Volkshochschule 1999). rer politischer Strömungen der ArbeiterInnenbewegung bis 1945 (Wien: Verlag des Werner Michael Schwarz, Georg Spitaler, Elke Wikidal (Hg.), Das Rote Wien 1919– ÖGB 2016). 1934. Ideen, Debatten, Praxis. Ausstellungskatalog. (Basel: Birkhäuser 2019). Bundesministerium für Inneres, Bundespräsidentenwahlen. Historischer Rückblick, online un- Österreichische Nationalbibliothek, „Arbeiter-Zeitung”, in: Austrian Newspapers Online ter: https://bmi.gv.at/412/Bundespraesidentenwahlen/Historischer_Rueckblick.aspx. (ANNO), online unter: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=aze. Bundesministerium für Inneres, Europawahlen. Historischer Rückblick, online unter: https:// SPÖ Wien, „Albert Sever“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: bmi.gv.at/412/Europawahlen/Historischer_Rueckblick.aspx. http://www.dasrotewien.at/seite/sever-albert. Bundesministerium für Inneres, Nationalratswahlen. Historischer Rückblick, online unter: SPÖ Wien, „Arbeiterheim Ottakring“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online https://bmi.gv.at/412/Nationalratswahlen/Historischer_Rueckblick.aspx. unter: http://www.dasrotewien.at/seite/arbeiterheim-ottakring.

198 199 SPÖ Wien, „Februarkämpfe 1934“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/februarkaempfe-1934. SPÖ Wien, „Franz Schuhmeier“, in: Weblexikon der Wiener Sozial demokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/schuh meier-franz. SPÖ Wien, „Hilde Krones“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/krones-hilde-geb-handl. SPÖ Wien, „Kommunaler Wohnbau“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/kommunaler-wohnbau. SPÖ Wien, „Ottakring“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http:// www.dasrotewien.at/seite/ottakring. SPÖ Wien, „Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP)“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/sozialdemokra- tische-arbeiterpartei-sdap. SPÖ Wien, „Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/sozialdemokrati- sche-partei-oesterreichs-spoe. SPÖ Wien, „Streikbewegung 1950“, in: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, online unter: http://www.dasrotewien.at/seite/streikbewegung-1950. Stadtbekannt. Das Wiener Stadtmagazin, Wiener Grätzl. Ottakring (Wien: 2018). Stadt Wien, Das Roten Wien in Zahlen, online unter: https://www.wien.gv.at/statistik/ pdf/rotes-wien-bildband.pdf. Stadt Wien, „Ottakring“, in: Wien Geschichte Wiki, online unter: https://www.geschichte- wiki.wien.gv.at/Ottakring. Stadt Wien, Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen, online unter: https:// www.wien.gv.at/politik/wahlen/grbv/index.html. Stadt Wien, Statistische Jahrbücher der Stadt Wien, online unter: https://www.digital. wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/titleinfo/2057276. Fritz Weber, Der kalte Krieg in der SPÖ (Wien: LIT Verlag 2011. Wohnpartner, Spurensuche in Ottakring. Wiener Geschicht(en) aus erster Hand (Wien: 2012), online unter: https://wohnpartner-wien.at/fileadmin/Downloads/wohnpart- ner-Bibliothek/SpurensucheOttakring_LowRes.pdf. Wohnpartner, 70 Jahre kampflose Befreiung von Ottakring. ZeitzeugInnen-Projekt Sand- leiten (Wien: 2015). Erhältlich unter: offi[email protected].

200 „Der Bezirk ist immer attraktiver geworden und

das wird auch so bleiben. …“.

„Ottakring als Paradebezirk der Integration … hat natürlich schon viel für sich … Denn Ottakring ist bei allem typisch wienerischen Grantln– Michael vor allem Häupl gelebtes Miteinander.“

„Ottakring war und ist für mich der lebens- und liebenswürdigste

- Bezirk Wiens. Dass ich für ihn arbeiten durfte, ist für mich etwas ganz Besonderes.“ – Alfred Barton

– Nurten Yilmaz

„Dass man dieses Gefühl des Miteinanders lebt – Ulli Sima und hilft, wenn Menschen Schwierigkeiten haben. Dass man gemeinsam nach Lösungen- sucht und miteinander Ottakring weiter gestaltet, um diese bunte Vielfalt im Bezirk zu erhalten – das wäre am schönsten.“ – Erni Graßberger

„Der Zusammenhalt soll uns weiterhin begleiten. - Es ist uns in Ottakring gelungen, dass wir mit allen Bevölkerungsgruppen vom Gürtel– bis Franz zum Prokop Wiener wald guten Kontakt haben …“

„Ein Ottakringer ist natürlich schon etwas Besonderes … Ich meine, es sind ja die Wiener*innen alle sehr in ihren Bezirk verliebt. Das ist ja gar keine Frage. Aber Ottakring, das ist halt was Besonderes.“ – Michael Häupl wo das Miteinander großgeschrieben wird …“

bezirk. Er hat sich zu einem der hippsten Orte Wiens entwickelt, „Ein Ottakringer lässt über seinen Bezirk nix kommen. „Als vor vielen Jahren ‚Zugewanderte’ ist Ottakring mein Herzens mein Ottakring ist ‚Zugewanderte’ Jahren vielen vor „Als Und ich bin ein echter Ottakringer.“ – Christian Oxonitsch