ARCHIV FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE NEBST BERICHTEN ZUR KIRCHLICHEN DENKMALPFLEGE

IM AUFTRAG DER GESELLSCHAFT

FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE

IN VERBINDUNG MIT

H. AM ERICH " M. -L. CRONE " J. MÖTSCH " W. SEIBRICH R. E. SCHWERDTFEGER . W. WEBER HERAUSGEGEBEN VON

FRIEDHELM JÜRGENSMEIER

55. JAHRGANG 2003

SELBSTVERLAG DER GESELLSCHAFT FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE E. V.

f-t cýý ýý " ... V'vý1ý4a:

ýý ýý 1(I ty Iý f{ ýý ýý ýr i ll iý i

ýýýf+iiiý }tU . 0i Zur Gründung der Klöster Weißenburg und Echternach und ihrem Wirken in Mainfranken

Von Heinrich WAGNER

Bis zur Ausbildung einer eigenen Kirchenorganisation in Bistümern sowie des Rheins jenseits der den einer Klosterlandschaft" rechts - vor allem mittleren Rhein flankierenden Mittelgebirge - versuchten die dort ur- sprünglich wohl im Auftrag der fränkischen Zentralgewalt tätigen An- gehörigen moselländisch-mittelrheinischer Adelsfamilien offenbar, durch Schenkungen an etablierte geistliche Institute ihrer einstigen Heimat diese für eine stärkere christliche Durchdringung ihrer rechtsrheinisch gelege- nen Besitzungen und deren Anbindung an die römisch-merovingische Kultur zu interessieren. Anders ist der Besitz linksrheinischer Bistümer und Klöster in Thüringen, Mainfranken, Alemannen etc. kaum zu er- klären. Über den Zeitpunkt solcher Versuche herrscht aber auf Grund der unbefriedigenden Quellenlage weitgehende Unklarheit, die wenigstens teilweise auszuräumen die vorliegende Untersuchung sich zum Ziel ge- setzt hat. Eine sachgerechte Beurteilung der nur in sehr schwachen Umris- sen erkennbaren Wirksamkeit der Klöster Weißenburg und Echternach in hängt den Gebieten rechts des Rheins - konkret in Mainfranken - aber na- turgemäß auch und vor allem vom Datum ihrer Gründung ab. Daher sol- len zunächst die umstrittenen Gründungstraditionen beider Klöster einer erneuten Prüfung unterzogen werden.

I. WEISSENBURG

Eines der ältesten Institute, das zu unbekannter Zeit östlich des Rheins aktiv wurde, ist das Kloster Weißenburg im Unterelsass. Das Jahr seiner Gründung ist nicht überliefert und in der Forschung ebenso umstritten wie die Person seines Gründers. Da für Weißenburg zwei Gründer in der Diskussion sind, deren Lebens- bzw. Todesdaten immerhin rund ein halbes Jahrhundert auseinanderliegen, sollte sich, unabhängig von einer konkre- ten Tätigkeit des Klosters im Einzelfall, durch die Ermittlung des - not- wendigerweise von der Person des Gründers abhängigen - Gründungs- zeitraums zumindest die Frage nach dem frühest denkbaren Zeitpunkt von rechtsrheinischen Weißenburger Aktivitäten beantworten lassen. Von den beiden unterschiedlichen, jeweils urkundlich gestützten klösterli- chen Gründungstraditionen tritt die eine für König Dagobert I. (623-639), für die andere Bischof Dragebodo von Speyer - als solcher expressis verbis 104 HEINRICH WAGNER

übrigens nur in undatierter Urkunde von 662/75 bezeugt' - als Gründer ein. Während Franz Haffner noch 1965 an eine Gründung Weißenburgs durch Dagobert I. glaubtet, hat sich in der Forschung heute weitgehend die Ansicht Anton Dolls durchgesetzt, der 1979 unter Benutzung von Vor- arbeiten Karl Glöckners die älteren Urkunden des Klosters Weißenburg er- neut herausgab, und der im Anschluss an Francois Himly für eine Grün- dung vor 661 plädierte, da das angeblich älteste erhaltene Diplom des Klosters aus diesem Jahr stamme3. Welche der beiden Gründungstraditio- nen größere Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann, soll im Folgen- den untersucht werden. a) Das Weißenburger Diplom von 700 Feb 24 (Glöckner/Doll n. 203 [zu 661]) Der Weißenburger Traditionsstrang, der Bischof Dragebodo von Speyer als Gründer ansieht, stützt sich auf eine Urkunde in Briefform, die an Bischof Dragebodo adressiert ist. Darin schenkte ein Bonefacius (ohne Titel) Güter in der villa Gairoaldo4, die zum Erbe seines verstorbenen Sohnes Gunde- bald gehörten, dem Kloster des hl. Petrus zu Weißenburg, das Bischof Dra- gebodo erbaut hatte (que ipse pontifex construxsit [! ])5. Dessen Bistum wird bedeuten in der Urkunde freilich nicht genannt, was könnte - nicht muss! dass Dragebodo sein Amt als Bischof von Speyer resigniert hatte. Davon ist in der Literatur zwar mehrfach die Rede, doch ist auf Grund der Quel- lenlage in dieser Frage über Vermutungen nicht hinauszukommen. Eine bloße Nennung des Bischofs ohne seinen Sitz reicht dafür jedenfalls nicht aus.

1 Undatiert [662 Okt 18-675 März 4]: Die Urkunden der Merowinger (= Monu- menta Germaniae Historica: Diplomata regum Francorum e stirpe Merovin- gica). Nach Vorarbeiten von Carlrichard BRÜHL(t) hg. von Theo KÖLZERunter Mitwirkung von Martina HARTMANNund Andrea STIELDORF,2 Teile. Hannover 2001; künftig zitiert DMerov + Urkundennummer) hier DMerov 99. 2 Franz HAFFNER,Die Bischöfe von Speyer bis zum Jahre 913 (918). In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 113 (1965) S. 297-359, hier S. 311-315. 3 Karl GLÖCKNER,Traditiones Wizenburgenses. Die Urkunden des Klosters Weißenburg 661-864 aus dem Nachlass hg. von Anton DOLL (= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission Darmstadt) Darmstadt 1979. 4 Zur Identifizierung mit (n. Saarburg, Lothr. )" vgl. GLÖCKNER/DOLL (wie Görlingen Übrigens der Namensform Anm. 3), Vorbemerkung zu n. 203. - ist von villa Gairoaldo her m. E. eher mit Gerolsheim (nw. Frankenthal/Pfalz) zu identi- fizieren, da die Urkunde zum einen keine Gauangabe enthält, zum anderen in der folgenden Urkunde (n. 204) neben Gütern im Elsass- und im Saargau auch ein Westhofen genannt wird, bei dem es sich um das 17 km n. Gerolsheim lie- gende Westhofen handeln könnte. 5 700 Feb 24: GLÖCKNER/DOLL(wie Anm. 3), S. 415-417 n. 203 [zu 661]. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 105

Die Datierung des fraglichen Stücks auf 661 durch Francois Himly6 berei- tet wegen der Nennung eines Königs Hildibertus erhebliche Probleme. Bis dahin war die Forschung nämlich meist der Ansicht gewesen, es handele sich um Childebert III., der von Ende 694 bis 711 regierte, weshalb die an einem 24. Februar im sechsten Regierungsjahr eines Königs Hildibertus ausgestellte Urkunde in das Jahr 700 datiert wurde. Himly, dem sich Doll anschloss, hielt diesen Hildibertus jedoch für den angeblich von König Sigi- bert III. (633-656) vor der Geburt seines Sohnes Dagobert II. adoptierten Childebert (III. ), ebenso angeblich Sohn des arnulfingischen Hausmeiers Grimoald 1.7.der erst im Zuge der Adoption einen typischen Merovinger- habe. Regierungsjahr (III. ) namen erhalten Das sechste Childeberts führte - Tod des Sigibert 656 das Jahr vom Adoptivvaters" aus gerechnet - auf 661. Communis opinio ist gegenwärtig, dass Grimoald unmittelbar nach Sigiberts III. Tod 1. /2. Februar 656 in diskutierten am einem viel Staats- streich" seinen angeblichen Sohn Childebert (III. ) zum König erheben und den rechtmäßigen Erben Dagobert II. nach Irland in ein Kloster verbringen ließ. Matthias Becher hat aber 1994 eine m. E. wesentlich schlüssigere Inter- pretation der Quellen zu diesem Thema vorgelegt. Danach war Childebert (III. ) sehr wohl ein leiblicher Sohn König Sigiberts III., also ein Merovinger, und wurde von Grimoald adoptiert (! ), womit dieser sich die Regierungs- gewalt in Austrasien gegen Dagobert II., einen Sohn Sigiberts III. aus des- sen Ehe mit Chimnechild sichern wollte8. Es handelt sich also gar nicht um einen wie immer gearteten Staatsstreich, sondern um eine Auseinanderset- zung zwischen zwei rivalisierenden Gruppen am austrasischen Hof, die je- weils einen erbberechtigten, jedoch minderjährigen Kronprätendenten vor- zuweisen hatten. Dabei scheint sich zunächst Chimnechild mit ihrem doch wohl jüngeren Sohn Dagobert II. durchgesetzt zu haben, jedoch ist über die Gründe hierfür nichts bekannt. Möglicherweise stammte Childebert (III. ) aus einer unehelichen Verbindung Sigiberts III. und hatte deshalb das Erbrecht. Erst Kampf Grimoald schlechtere" nach vierjährigem obsiegten und seine Partei; Dagobert II. wurde geschoren und nach Irland ins Exil geschickt. Mit der Zuweisung der weiter unten zu erörternden so genannten Grün- dungsurkunde" bzw. von deren echter Vorlage an König Dagobert II. und

6 Francois HIMLY, Les plus anciennes chartes et les origines de l'abbaye de Wis- sembourg (VIII sii cle). In: Bibliotheque de l'Ecole des Chartes 100 (1939) S. 281-294. 7 Vgl. Heinz THOMAS,Grimoald 2. In: Lexikon des Mittelalters 4 (1989) Sp. 1717. Dass Grimoald der Dynastie der Exilierung - von neustrischen wegen Dagoberts" hingerichtet wurde (ebd. ), ist freilich eine eher naive These. 8 Matthias BECHER,Der sog. Staatsstreich Grimoalds. Versuch einer Neubewer- tung. In: Karl Martell in seiner Zeit, hg. von Jörg Jarnut u. a. (= Francia, Beihefte 37). Sigmaringen 1994, S. 119-147; die einschlägige Literatur ebd., S. 119 Anm. 2. 106 HEINRICH WAGNER ihrer Datierung auf das Jahr 678 muss die Einordnung der angeblich ältes- ten Urkunde für Weißenburg zum Jahr 661 durch Doll erneut zur Diskus- sion gestellt werden. Sie ist nach dem Vorgang von Johann Caspar Zeuß, Franz Xaver Remling u. a.9 trotz der Nennung Bischof Dragebodos wohl doch auf 700 Feb 24 zu datieren, denn sonst müsste man eine Lücke von mehr als zwei Jahrzehnten zwischen der angeblich ältesten Urkunde von 661 und der zweitältesten von 682/8310 voraussetzen (und erklären! ). Demgegenüber wäre die Annahme, dass der 662/675 erstmals urkundlich und als Bischof von Speyer genannte Dragebodo kurz vor 678, das unten als Ausstellungsjahr der Dagoberturkunde wahrscheinlich gemacht wer- den soll, mit der Errichtung der Abtei Weißenburg begann und im Jahr 700 noch lebte, sicher das sprichwörtlich kleinere Übel. Seine Sedenzzeit wäre auch in diesem Fall nicht als extrem lang zu bezeichnen, denn gerade bei Bischöfen sind im frühen Mittelalter oft erstaunlich lange Lebens- und Se- denzzeiten nachzuweisen. Über eine eventuelle Resignation des Bistums Speyer durch Dragebodo lässt sich nichts aussagen. Alles was zu diesem Thema im Gespräch ist, beruht auf - zum größeren Teil nicht besonders hier fundierten - Vermutungen, an denen ich mich nur mit folgendem Hinweis beteiligen will: Da einerseits in der zweitältesten Weißenburger Urkunde (= älteste Privaturkunde) von 682/83 bereits ein Abt erscheint, andererseits Bischof Dragebodo noch im Jahr 700 genannt wird, ist m. E. die Wahrscheinlichkeit groß, dass Dragebodo sein Bistum nicht resigniert hat. b) Die Weißenburger 678 Mai 11 Gründungsurkunde" von (DMerov 64 zu <645>) Ein zweiter Weißenburger Traditionsstrang bezeichnet nicht Bischof Dra- gebodo, sondern König Dagobert I. (623-639) als Gründer von Weißen- burg. Er beruft sich dabei auf eine angeblich von diesem ausgestellte, die Karl August Friedrich zweifelsfrei gefälschte Gründungsurkunde", Pertz, der erste Bearbeiter der Merovingerdiplome im Auftrag der MGH wohl auf Grund der darin enthaltenen, legendenhaften Erzählung über Weißenburgs Gründung, in der der angebliche Aussteller auch seinen Vater Chlotachar [II.; 584-629] nennt, Dagobert I. und dem Jahr 633 zuwies (DMerov sp. 31). Zu dieser Urkunde äußerte sich Theo Kölzer im Jahr 1999 ausführlichll und ordnete sie in der neuen MGH-Edition der Merovinger- urkunden auf Grund des in der Datierungszeile genannten 23. Regierungs-

9 700 Feb 24: Johann Caspar ZEUSS(Hg. ), Traditiones possessionesque Wizenbur- genses. Speyer 1842, S. 193f n. 203 (zur Datierung S. XIII); Franz Xaver REMLING, Urkundenbuch zur Geschichte der Bischöfe von Speyer, 1. Mainz 1852, ND Aalen 1959, hier S. 2f n. 3. 10 682/3 Apr 1: GLÖCKNER/DOLL(wie Anm. 3), S. 427-429 n. 213. 11 Theo KöLZER, Merowingerstudien I und II (= Monumenta Germaniae Histo- rica. Studien und Texte 21 und 26). Hannover 1998-1999, hier 2, S. 136-143. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 107 jahres zwar auch Dagobert I., jedoch einem unter diesem gar nicht mögli- chen, fiktiven Jahr <645> zu12. Der erste Teil des Diploms referiert einen - im Kloster entweder mehr oder minder frei erfundenen oder einer literarischen Vorlage nachempfundenen himmlischen - Traum Dagoberts I. über seine Verurteilung im Gericht und die Bewahrung vor der wohlverdienten Strafe durch die Fürbitte seines be- sonderen Patrons, des hl. Dionysius13. Die Reue über seine Untaten und der Dank für die Errettung dienen dazu, die anschließend berichtete Grün- dung Weißenburgs durch den König zu motivieren. Der zweite Teil, der zwar nicht in merovingischer Formelsprache gehalten ist, jedoch auf einen wahren Sachverhalt zurückgehen dürfte, bestätigt eine Urkunde über die königliche Schenkung der Weißenburger Klostermark (nostrae donationis auctoritas) mit genannten Grenzpunkten bzw. -linien, verleiht den Königs- schutz und verbietet dem öffentlichen Richter, ohne Erlaubnis des Abtes die Mark zu betreten und dort für seine Tätigkeit Abgaben zu erheben. Nur am Rande sei erwähnt, dass die hier gebotene Markbeschreibung we- Namensformen sentlich spätere, modernere" aufweist, aber weniger to- pographische Angaben enthält als die in der (überarbeiteten) Bestätigungs- urkunde König Ottos H. von 967 überlieferte Fassung14. Unmittelbar da- rauf wird nochmals ausdrücklich Immunität gegenüber dem Bischof von Speyer [! ] Bischöfen" (reliquorum sowie weiteren episcoporum) zugesichert. Letztere Bestimmung war wohl vor allem gegen die Ansprüche von Bischöfen (u. a. von Worms) gerichtet, denen die Abtei zeitweise als Pfründe übertragen Es folgt die für war. gefälschte Gründungsurkunden" des 11./ 12. Jahrhunderts so typische Häufung weiterer Rechte (Münzrecht, ), Zollfreiheit, Wahlrecht usw. die - ebenso typisch - von Bestimmungen beschlossen wird, die sich gegen Übergriffe des Klostervogts richten. Bezeichnenderweise nennt DMerov 64 keinen Empfänger. Das deutet aber kaum darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung der Urkunde (bzw von deren echter Vorlage) noch kein Abt bestellt war, der als Empfänger hätte auftreten können, zumal der Abt und seine Mönche, freilich nur ganz allgemein, als nunmehrige Inhaber der vom König verliehenen Rechte ge- nannt werden. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Adressat bzw. Initiator auch der Schenkung der Klostermark, und das heißt der Klostergründer, in der verschollenen Vorlage sehr wohl genannt, in der Fälschung aber unter-. schlagen wurde. Dafür muss es Gründe gegeben haben, von denen mir der plausibelste scheinen will, dass es sich bei diesem um Bischof Dragebodo von Speyer handelte, denn dieser wird in der Urkunde von mutmaßlich 700 Feb 24 (Glöckner/Doll n. 203) ausdrücklich als Erbauer des Klosters ge-

12 <645> Mai 11: DMerov 64. 13 Zur Narratio vgl. KOLZER,Merowingerstudien 2 (wie Arun. 11), S. 137f. 14 967 Okt 25: DO 1115. 108 HEINRICH WAGNER nannt. Der Tenor des Falsums richtet sich aber gegen den Bischof von Speyer und dessen gegenüber dem Kloster offenbar geltend gemachten Ansprüche, weshalb man logischerweise keinen Speyerer Bischof als Emp- fänger ausgerechnet der Gründungsurkunde gebrauchen konnte. Da in der ganzen Urkunde auffallenderweise überhaupt keine weiteren Perso- nen außer König Dagobert I. und seinem Vater genannt werden, liegt der Verdacht nahe, dass der Fälscher vorsichtig genug war, jede Namensnen- nung zu unterlassen, die geeignet gewesen wäre, Zweifel an der präten- dierten Zuordnung des Diploms zu Dagobert I. zu wecken. So würde sich auch eine ansonsten völlig überflüssige Vorsichtsmaßnahme wie die Weg- lassung des in der Vorlage doch wohl vorhandenen Schreibernamens er- klären lassen. Kölzer bestreitet zwar in der Vorbemerkung zu DMerov 64 die Existenz Diktats", dann von Spolien echten weist aber selbst auf eine mißverstan- dene Reminiszenz an das merowingische Formular", nämlich den Beginn der Datierung mit Datum quod fecit [minsis], die von einem Kopisten oder dem Fälscher selbst zu dem völlig unsinnigen Datum quod fecimus [! ] verle- sen wurde. Gerade diese Verlesung spricht aber dafür, dass zum einen diese Art der Datierung bei Anfertigung der Fälschung längst aus dem Formular verschwunden war, und zum anderen dafür, dass die Vorlage schwer lesbar war; mit anderen Worten: Mindestens die Datierung des Spuriums kann sehr wohl auf eine merovingische Vorlage zurückgehen. Auch die Korroboration enthält merovingerzeitliche Formelteile, während das angekündigte Korroborationsmittel Siegel (adiectione sigilli nostri) natürlich der Zeit des Fälschers angehört. Scheinbar gestützt wird die in DMerov 64 behauptete Gründung durch Dagobert I. durch den ältesten Äbtekatalog, der Principius, Dragebodos mutmaßlichen Vorgänger als Bischof von Speyer, zum ersten Abt macht15, doch ist über dessen Sedenzzeit fast nichts bekannt. Er ist nur einmal in einer vom diplomatischen Standpunkt her sicher unechten, nach Kölzer in karolingischer Zeit gefälschten, nur kopial und ohne Datierung überliefer- ten Urkunde König Sigiberts III. (633-656) als Bischof von Speyer be- zeugt16. Trotz dieser Überlieferungsverhältnisse wird an seiner histori- schen Existenz kaum zu zweifeln sein, doch kommt er als Abt von Weißen- burg m. E. nicht in Betracht. Da die fragliche Abtsliste Principius zuerst Abt von Weißenburg, dann erst Bischof von Speyer sein lässt, ist dieser Erwäh- nung wohl auch nicht allzu viel Gewicht beizumessen. Hier scheint viel- mehr der Wunsch der Weißenburger Mönche der Vater des Gedankens ge-

15 Series abbatum Weissenburgensium duae, hg. Oswald HOLDER-EGGER (= MGH. SS 13). Hannover 1881, S. 319. - Diesem Katalog folgte HAFFNER, Speyer (wie Anm. 2), S. 313 und 315. 16 Undatiert [633-657 Feb 1]: DMerov 46. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 109

wesen zu sein, den beträchtlichen Zeitraum zwischen dem angeblichen Gründer Dagobert I. (gest. 639) bis zu Bischof Dragebodo zu überbrücken, wofür sich, wenn man denn echte Namen haben wollte, die der Speyerer Bischöfe als fiktive Äbte anboten, die angeblich erst danach Bischöfe wur- den deshalb dieser keine Besitzrechte Weißen- und aus Tatsache" auch an burg ableiten konnten. Da aber von einer Gründung Weißenburgs durch König Dagobert I. keine Rede sein kann, ist Principius sicher aus der Weißenburger Abtsliste zu streichen. Dass die Tradition einer Gründung Weißenburgs durch einen König Dagobert spätestens im 11. Jahrhundert offiziell anerkannt war, der mit dem damals vermutlich einzigen überhaupt bekannten ersten Träger die- Namens, dem König Dagobert I. identifiziert ses guten" wurde, wird durch eine echte, im Jahr 1102 von Kaiser Heinrich IV. ausgestellte Ur- kunde bewiesen, in der von König Dagobert als dem Gründer der Abtei Weißenburg (a fundatore silo Dagoberto rege) gesprochen wird17. Zwar kann dies nicht als Beweis dafür gelten, dass es tatsächlich Dagobert I. war, der das Kloster errichtete, denn königliche Gründung, durch eine gefälschte Urkunde gestützt, wurde von Seiten des Klosters zunächst wohl nur des- halb behauptet, um den Status als Reichsabtei gegen bischöfliche, und das heißt in erster Linie speyerische Ansprüche zu verteidigen. Es bedeutet aber, dass Weißenburg während der Regierung eines Königs Dagobert, mit dessen zumindest nomineller Genehmigung und vielleicht sogar Hilfe er- Nach dem Wortlaut DMerov richtet worden sein könnte - nicht muss. von 64 verdankte die Abtei dem König vor allem die Schenkung der Kloster- mark in angegebenen Grenzen, die in der oben genannten Urkunde König Ottos bezeichnenderweise dem Bericht [! ] der Mönche, II. von 967 - nach nicht nach einer von diesen vorgelegten Urkunde - als von Kaiser [! ] Pip- pin geschenkt und mit Immunität versehen bezeichnet wird18. Selbst wenn man aber die Schenkung der Klostermark aus Merovinger- hand und damit auch die frühere Existenz einer Königsurkunde über diese Schenkung bestreiten wollte, so wird der König an der Gründung doch wenigstens insoweit beteiligt gewesen sein, als er der Schenkung der Klos- termark, wenn diese vorher als Lehen an einen seiner weltlichen oder geistlichen Großen (B. Dragebodo? ) ausgetan war - was als sicher ange- nommen werden darf - zustimmte. Da dem Fälscher offenbar nur der populäre König Dagobert I., nicht aber der zweite Träger dieses Namens bekannt war - dies kann wegen dessen zweimal jeweils nur etwa vierjähriger Amtszeit (siehe unten) nicht befrem- den - fabrizierte er eine Urkunde auf König Dagobert I., übernahm dabei

17 1102 Feb 11: DH IV 473. 18 967 Okt 25: DO 1115. 110 HEINRICH WAGNER aber in offensichtlicher Unkenntnis der Tatsache, dass der erste Träger die- ses Namens höchstens 16 Jahre lang regiert hatte, das 23. Regierungsjahr (anno regni nostri vicesinio tertio) seiner mutmaßlich echten Vorlage. Diese m. E. einzige für die Berechnung des Ausstellungsjahres der verschollenen Vorlage von DMerov 64 verwertbare Angabe, die schon von ihrer Höhe her hätte nicht frei erfunden sein kann - sonst der Fälscher doch wohl ein deutlich niedrigeres Regierungsjahr bevorzugt, um der Gefahr zu entge- hen, mit anderen Nachrichten in Konflikt zu geraten und allzu schnell des Betrugs überführt zu werden - ist, was zunächst paradox klingen mag, überhaupt nur bei Dagobert H. möglich. c) Die Regierungszeit(en)Dagoberts H. Um dies wahrscheinlich zu machen - an einen stringenten Beweis ist auf Grund der Quellenlage nicht zu denken - sind Dauer und Umstände der Regierungszeit(en) Dagoberts II. erneut zu untersuchen. Im Anschluss an Louis Dupraz19 Dagobert II. in der 11. Auflage des wurden noch Grote- fend" 1971 Amtszeiten Febr. 2 von zwei zugeschrieben; eine erste von 656 660 Febr. 25/661 Febr. 24" Apr. 2/Juli 1- 679 - und eine zweite von 676 Dez. 23. "20 Der letzte Stand der Forschung ist jedoch - vor allem wohl auf Grund der Untersuchungen von Karl Heinz Debus2i , dass von einer ers- ten Regierungszeit Dagoberts II. abzusehen ist; ihm schloss sich u. a. Doll in seiner Edition der Weißenburger Urkunden in der Vorbemerkung zu n. 203 de facto an; in Ulrich Nonns Artikel über Dagobert H. im dritten Band des des Mittelalters" Regierungszeit Lexikon wird eine erste nicht einmal mehr vermutungsweise erwähnt'. Wenn man aber schon nicht zu der früheren Ansicht zurückkehren und eine erste Amtszeit Dagoberts H. für eine historische Tatsache halten will, so wird man doch nicht umhin können, es wenigstens für möglich zu halten, dass Dagobert H. sich als ein- zigen legitimen Nachfolger seines Vaters Sigibert III. (633-656) betrachtete und zu Beginn seiner [zweiten] Amtszeit 676 seine Kanzlei anwies, seine Urkunden trotz seines langen irischen Exils ab dessen Tod zu datieren. Darüber hinaus scheint es mir aber auch Urkunden zu geben, die für eine erste Amtszeit Dagoberts H. sprechen und im Folgenden betrachtet wer- den sollen.

19 Louis DUFRAz,Contribution ä l'histoire du Regnum Francorum pendant le troi- sicme quart du VIIe siecle [656-680]. Freiburg/Schweiz 1948. 20 Hermann GROTEFEND,Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelal- ters und der Neuzeit. Hannover 111971,S. 111. 21 Karl Heinz DEBUS,Studien zu merowingischen Urkunden und Briefen. Unter- suchungen und Texte. In: Archiv für Diplomatik 13 (1967) S. 1-102 und 14 (1968) S. 1-192 (im Nachfolgenden zitiert als DEBus 1 bzw. 2), hier 2, S. 102-104; ebd., S. 102 Anm. 1439 werden die Befürworter von zwei Amtszeiten, Anm. 1440 von nur einer Regierungsperiode Dagoberts H. genannt. 22 Ulrich NONN, Dagobert II. In: Lexikon des Mittelalters 3 (1986) Sp. 430. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 111 d) Die Urkunde des Hausmeiers Grimoald für Kloster Stablo-Malmedy von 659 (DMaiDom 1) Bekanntlich stützt sich die Ansicht von einer ersten Amtszeit Dagoberts II. unmittelbar nach Sigiberts III. Tod (1. /2. Februar 656) vor allem auf eine Urkunde ausgerechnet des Hausmeiers Grimoald, in der dieser dem Kloster Stablo-Malmedy die villa Germigny in pago Reinensi23,die ihm von Sigibert übertragen worden war, mit genannten Zugehörungen schenkte, außerdem aber auch weitere genannte appenditia, die er von einer Dame namens Godetrude erworben hatte. Diese Urkunde wurde in der alten MGH-Ausgabe der Merovingerdiplome 650" datiert24, da der auf c. a. Herausgeber die Datumszeile Facta exemplaria sub die Kalendis Augusti. Anno IIII. regnii domini nostri Dagoberti regis im Anschluss an eine von Jo- hannes Henschenius 1655 vertretene Auffassung25 nicht der Hausmeierur- kunde selbst zuwies, sondern dem Zeitpunkt, an dem diese Dagobert II. zur Bestätigung vorgelegt wurde. Dieses Argument ist aber alles andere als stichhaltig, impliziert im Gegenteil eine Vergewaltigung sowohl der im Folgenden zu besprechenden Bestätigungsurkunde Dagoberts II. (DMerov 117) als auch der Datierungszeile des Hausmeierdiploms. Der Beweis hier- für ist relativ leicht zu führen, da die gerade referierte Begründung für die abweichende Datierung der MGH-Ausgabe von falschen Voraussetzungen ausgeht. Hierzu muss allerdings zunächst ein Blick auf das in der Anmer- kung zu der Hausmeierurkunde26 als Beweis angeführte undatierte DMe- rov 117 (alt: DMerov 45) geworfen werden. e) Das undatierte DMerov 117 1. In der nur kopial und ohne Datierung überlieferten Urkunde Dagoberts II., die dieser für das Kloster Stablo-Malmedy hat ausgestellt - die zwar formal unecht ist, der aber nach dem begründeten Urteil Kölzers eine Bestätigungsurkunde Dagoberts II. liegt27 echte zugrunde - bezeichnet der Aussteller König Sigibert [IH. ] als seinen Vater (genitor), womit die Iden- tität des Ausstellers gesichert ist. Er bestätigt in dem Diplom die Übertra- gung der von seinem Vater an den heiligen [! ] Remaclus geschenkten Ob- jekte, nicht aber der durch Grimoald von Godetrude zugekauften Güter.

23 Wüstung canton Juniville, dep. Ardennes; vgl. KÖLZER,Merowingerstudien 1 (wie Arun. 11), S. 40 mit Anm. 248. 24 C. a. 650: Karl August Friedrich PExrz (Bearb. ), Diplomatum imperii 1: Diplo- mata regum Francorum e stirpe Merowingica. Hannover 1872, hier S. 91 n. 1. 25 Johannes HENSCHENIUS,De tribus Dagobertis diatriba. Antwerpen 1655, S. 99 zit. nach DEBUS2 (wie Anm. 21), S. 103 Anm. 1445. 26 [659 Aug 1]: PERrz (Me Aran. 24), S. 91 n. 1 (zu a. 650") Anm. 1. KOLIER, c. 27 Merowingerstudien 1 (,.vie Anm. 11), S. 48 sowie Vorbemerkungen zu DMerov 117 und Dep. 324. 112 HEINRICH WAGNER

2. Wie der Name des in DMerov 117 genannten Abtes Godoin zeigt, gehört das Diplom in die von der Forschung unbestrittene (nach früherer Auffas- sung zweite) Amtszeit Dagoberts II., da Bischof Remaclus noch bis min- destens 673 lebte28 und Godoin als dessen unmittelbarer Nachfolger als Abt von Stablo-Malmedy zu gelten hat. Die in der Pertzschen MGH-Aus- gabe der Merovingerdiplome in einer Anmerkung mit dieser Urkunde in Verbindung gebrachte Datierung ist nur chronikalisch überliefert und hat fast buchstäblich denselben Wortlaut wie die Datierung der oben genann- ten Hausmeierurkunde: Facta exemplaria sub die Kalendis Augusto mense, 4. regni domni nostri Dagoberti regis29. Damit entstehen aber erhebliche Zweifel daran, dass die Zuweisung dieser Datierungszeile an das Dagobert-Dip- lom richtig ist; vielmehr deutet alles darauf hin, dass man dem undatierten Güter Stück - da es auf den ersten Blick um dieselben zu gehen schien - die Datierungszeile der Hausmeierurkunde nachträglich angefügt hat, weil man eine gleichzeitige Ausstellung beider Urkunden für wahrschein- lich hielt. Nicht berücksichtigt wurde dabei, dass sowohl die Urkunde Gri- moalds (dort: episcopo) als auch die auf Childerich II. (662-675) gefälschte (dort: episcopus et abba)30für Bischof Remaclus, den Stifter von Stablo-Mal- medy, ausgestellt wurden, während die Urkunde Dagoberts H. an Abt Go- doin gerichtet ist. Die fragliche Datierungszeile kann aber schon deswegen nicht zu dem Dagobert-Diplom gehören, weil in der Datierungszeile von Königsurkunden die Nennung des Königsnamens nicht kanzleigemäß ist. Diese sind bekanntlich immer nach der Formel anno N. N. regni nostri da- tiert. In nur kopial überlieferten Herrscherurkunden kommt eine Nennung des Königsnamens zwar gelegentlich vor31, doch nur in der Urkunde eines Hausmeiers ist sie selbstverständlich. Mit anderen Worten: Die Datie- rungszeile dürfte mit dem undatierten DMerov 117 gar nichts zu tun haben. Aus dem Fehlen der Datierung könnte man sogar folgern, diese sei absichtlich beseitigt bzw. nicht überliefert worden, weil ein Kopist der Meinung sein mochte, eine scheinbar unglaubhaft hohe Anzahl von Regie- rungsjahren könne die Glaubwürdigkeit der Urkunde beeinträchtigen. Denn in der verschollenen Vorlage muss die Zahl der Regierungsjahre je- höher denfalls als 20 gewesen sein, wenn Dagobert H. ab dem Tod seines Vaters zählen ließ. 3. Von einer Bestätigung der Grimoaldurkunde bzw auch nur von deren Vorlage, wie sie u. a. von Henschenius und im Anschluss an diesen von den Herausgebern der Urkunden von Stablo-Malmedy, Halkin und Ro-

28 Philippe GEORGE,Remaclus. In: Lexikon des Mittelalters 7 (1995) Sp. 705; dort das Todesjahr mit 673/ 79 angegeben. 29 [659 (wie Aug 1]: PERTZ Anm. 24), S. 42 n.45 Anm. 69. Die Urkunde dort zu Aug 1" Grund der Annahme (späten) 677 auf nur einer Amtszeit. 30 C. a. 664: PERTZ(wie Anm. 24), S. 26f n. 27 = <640>: DMerov 112. 31 DEBUS1 (wie Anm. 21), S. 14. ZUR GRÜNDUNG DER KLOSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 113

land, sowie von Debus behauptet wird32, lässt sich im gesamten Text von DMerov 117 nicht ein Wort finden. Der Name Grimoald wird im Dagobert- diplom nicht einmal erwähnt! Wie man angesichts dieses Sachverhalts be- haupten kann, die Datierungszeile der Hausmeierurkunde beziehe sich das Datum der Vorlage der Grimoald-Urkunde der Bestäti- auf anläßlich gung durch Dagobert II. ", ist nicht nachvollziehbar. Wenn diese Behaup- tung aber unrichtig ist, dann kann die Datierungszeile doch wohl nur zu der Hausmeierurkunde gehören, mit der zusammen sie überliefert ist. Alles andere wäre ja auch sehr merkwürdig. Bis zum Beweis des Gegen- teils ist also anzunehmen, dass die Urkunde Grimoalds für Stablo-Mal- medy tatsächlich im vierten Jahr der [ersten] Amtszeit Dagoberts II., und damit am 1. August des Jahres 659 ausgestellt wurde. Das bedeutet: Nomi- nell war der kindliche König Dagobert H. damals noch im Amt, und er wird dies einer Parteiung am Hofe verdankt haben, die Chimnechild und ihren unmündigen Sohn unterstützte bzw dazu benutzte, ihre eigenen In- teressen gegenüber Grimoald und seinem Kandidaten sowie Anhang zu verfolgen. 4. Dass weder die Urkunde Grimoalds noch die König Childerichs II. (662- 673) für Stablo und Malm6dy in DMerov 117 erwähnt werden, ist ange- sichts der sonst üblichen Bestätigungspraxis wohl als deutliche Spitze gegen beide zu betrachten, was triftige Gründe haben muss. Ein solcher ist bei Grimoald unschwer in der Rolle zu finden, die er bei der Ausschaltung und Exilierung Dagoberts H. gespielt hatte. Die Nichterwähnung auch der Urkunde Childerichs II. (DMerov 112) lässt vermuten, dass Dagobert die- sen als Usurpator und seine Verfügungen daher als ungültig betrachtete. Denn auch nach der Hinrichtung Grimoalds ca. 662 war von einer Rück- kehr Dagoberts II. keine Rede. Sein Onkel, der nunmehrige Regent Childe- rich II. bzw die hinter diesem stehende Kamarilla hinderte den nach dem Tod Childeberts (III. ) einzigen rechtmäßigen Erben Sigiberts III. an einer Rückkehr, was Dagobert II. nach seiner Rückkehr mit einer damnatio memo- riae Childerichs II. u. a. durch Nichterwähnung von dessen urkundlichen Verfügungen ahndete. Wenn aber die Datierung der Hausmeierurkunde für Stablo-Malmedy von 659 echt ist, dann ist kaum noch ein begründeter Zweifel daran möglich, dass Dagobert H. nach dem Tod seines Vaters zunächst - als einer von vie- len 656 bis mindestens 659, wahr- merovingischen Kinderkönigen" - von (siehe hat. Entweder die- scheinlich aber sogar bis 660 unten) regiert" auf le- ser ersten, nominellen Amtszeit Dagoberts II. - oder mindestens auf der gitimistischen Auffassung, einziger rechtmäßiger Nachfolger Sigiberts III. jedoch zu sein - dürfte auch der sonst ganz unverständliche, m. E. echte Teil der Datierung der für Weißenburg beruhen, Gründungsurkunde"

32 Die Zitate bei DEBUS2 (wie Anm. 21), S. 103 mit Anm. 1445. 114 HEINRICH WAGNER wonach Dagobert II. dieses Diplom in seinem 23. (! ) Regierungsjahr, mit- hin im Jahr 678 ausgestellt habe. Dieses auf den ersten Blick wegen seiner Höhe geradezu grotesk anmutende Regierungsjahr lässt sich überhaupt nur damit erklären, dass Dagobert den Beginn seiner Regierung ab dem Tod seines Vaters (656) zählte und dabei auch seine irischen Exilsjahre ein- rechnete. Selbst wenn man unterstellte, dass die Anzahl der Regierungs- jahre ursprünglich in Ziffern geschrieben war und XVIII möglicherweise in XVIII zu emendieren wäre, bliebe auf Grund der Länge seiner Regie- rungszeit Dagobert II. zum einen dennoch der einzige Herrscher dieses Namens, auf den diese Zahl bezogen werden könnte. Da er zum anderen 18. in aber während seines Regierungsjahres" sicher noch Irland weilte, kommt als Ausstellungsjahr der Urkunde, deren echte Datierung in Weißenburgs gefälschter Gründungsurkunde" erhalten geblieben ist, nur das 23. Jahr und damit 678 in Frage. Es stützt damit die Theorie einer legi- timistisch aufgefassten Regierungszeit Dagoberts II. ab dem Tod seines Va- ters 656 sowie die These, dass Dagobert alle Herrscher im austrasischen Reichsteil seit dem Tod seines Vaters bzwv. seit seiner eigenen Entmachtung und Exilierung als Usurpatoren betrachtete. Man darf annehmen, dass diese Auffassung am ehesten - vielleicht sogar ausschließlich - von seiner eigenen Kanzlei beobachtet wurde. Wenn nämlich Debus die Nennung des zweiten Regierungsjahres Dagoberts (II. ) in den Urkunden Bischof Anso- alds von Poitiers von 677/78 als Beweis dafür ansieht, dass es nur eine Amtszeit Dagoberts gegeben habe33, so zieht er nicht in Betracht, dass es Unterschiede zwischen einer legitimistisch orientierten Datierungspraxis in der königlichen Kanzlei und einer pragmatischen in Poitiers (und ver- mutlich nicht nur dort) gegeben haben kann. Die von Debus angeführten Urkunden können daher m. E. nicht als Beweis dafür herangezogen wer- den, dass es nur eine (späte) Amtszeit Dagoberts H. gegeben hat, sondern nur dafür, dass sich die legitimistische Auffassung nicht bei allen Beurkun- dungsstellen durchsetzte, was schon wegen der Länge der Regierung Chil- derichs II. (662-673) auch nicht besonders verwundern kann. Zwar kann die Datierung anno regni nostri vicesimo tertio schon vom bloßen Wortlaut her so nur in Königsurkunden auftreten, doch ist dies kein Be- weis im strengen Sinn des Wortes dafür, dass Dagobert H. tatsächlich eine Urkunde für Weißenburg ausgestellt hat. Andererseits sind die Alternati- für Erklärung, der Fälscher die bei ven eine wie auf nur Dagobert II. - und bei diesem den Umständen nur unter geschilderten - möglichen 23 Regie- rungsjahre gekommen sein soll, auch nicht eben zahlreich. Dass man in Weißenburg und anderswo bei Dagobert I. mit völlig falschen Regierungs- jahren bzw. Sedenzzeiten rechnete, ist m. E. nicht als Ursache, sondern als Folge der Verwechslung Dagoberts I. mit Dagobert H. (bzw. auch mit

33 DEBUS2 (wie Anm. 21), S. 103. ZUR GRÜNDUNG DER KLOSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 115

heißt, die Datierung der Dagobert III. ) anzusehen. Das dass so genannten Weißenburger Gründungsurkunde in das 23. (! ) Regierungsjahr eines Kö- beweist, dass Weißenburg Urkunde nigs Dagobert echt ist und eine Mai 678 Ihr Ge- Dagoberts H. erhalten hat, die am 11. ausgestellt wurde. der des Spuriums die für genstand dürfte - wie auch - am ehesten eine Übertragung der Klostermark Klostergründung unerlässliche gewesen sein. der Gründung des Klosters Eine von König Dagobert H. anlässlich ausge- der stellte Urkunde von 678 würde zeitlich auch sehr gut zu zweitältesten Weißenburger Urkunde von 682/83 (Glöckner/Doll n. 213) passen. Zwar des Ehren schließt nach Doll die Regierungszeit oft und mit genannten" Abtes Ratfrid in Weißenburg (693-727/31) Bischof Dragebodo als alleini- für Weißenburg im Jahr 700 gen Adressaten einer Schenkungsurkunde an- doch muss dies eine unbewiesene und unbeweis- geblich völlig aus"34, bare Behauptung bleiben. Es spricht nichts dagegen, aber alles dafür, dass Lebens (auch) dem Auf- Ausbau sich Bischof Dragebodo zeit seines und des von ihm gegründeten Klosters widmete, weshalb er selbstverständlich Abtes Empfänger Schenkung auch noch nach Installation eines als einer besonders liegen auftreten konnte, was etwa dann nahe würde, wenn es handelte, der Dragebodo sich bei dem Schenker um jemanden verwandt- schaftlich oder sonstwie persönlich verbunden war. f) Zur Fälschung für Oeren von 657 Aug 26 (DMerov 65 zu <646>) die Es gibt noch eine weitere Urkunde, zwar ebenfalls gefälscht ist - Köl- DMerov 65 zer spricht in der Vorbemerkung zu sogar von einem eviden- ten Spurium ohne echte Grundlage" - deren Datierung aber eine erste Amtszeit Dagoberts II. ab 656 denkbar erscheinen lässt. Es handelt sich des des dabei um eine fiktive Bestätigung Ausstattungsgutes von einer I. Irmina ebenso fiktiven Tochter König Dagoberts namens gestifteten Klosters Oeren(-Trier). Die Urkunde wurde nach der Datierungszeile im (nicht kanzleigemäßen) Inkarnationsjahr 646 in der (ebenso wenig formu- largerechten, für 646 aber zutreffenden) vierten Indiktion ausgestellt. Da als Gattin des angeblichen Ausstellers Königin Nanthildis erwähnt wird, muss der Fälscher Dagobert I. (gest. 639) als Aussteller im Sinn gehabt haben. Auch die neue MGH-Ausgabe der Merovingerdiplome ordnet das Stück Dagobert I. zu35. Der zweite Teil seiner Datierungszeile lautet: Data VII. Knlendis Septeinbris per mmtus Grintoaldi, raaioris domus regiae. Anno regni donnii Dagoberti se-

34 GLÖCKNER/DOLL (wie Anm. 3), S. 415 (Vorbemerkung zu n. 203) mit S. 417 Anm. 1. 35 <646> Aug 26: DMerov 65. 116 HEINRICH WAGNER

cundo. Actum Treveris. In Dei nomine feliciter. Aulen. Da der Name des Kö- nigs in der Datierungszeile genannt wird, was bei einer original überliefer- ten Königsurkunde unmöglich ist, ist dieser m. E. sachlich echte Teil der Datierung einer Privaturkunde entnommen, wofür auch der Name des Hausmeiers Grimoald (I. ) spricht. Da dieser um 662 auf Betreiben der neustrischen Opposition hingerichtet wurde36, kann sich die Angabe des zweiten Regierungsjahres eines Königs Dagobert vor Grimoalds Tod nur auf den zweiten König dieses Namens sowie dessen erste Amtszeit und damit nur auf das Jahr 657 beziehen. Die echte Vorlage, die freilich gar nichts mit dem Inhalt von DMerov 65 zu tun haben muss, zu welcher aber der m. E. echte Teil der Datierung des Spuriums gehört, dürfte demnach am 26. August 657 ausgestellt worden sein.

g) Das DMerov Dep. 327 Ein weiteres Zeugnis für eine - wenngleich zeitlich nicht genau festlegbare - erste Amtszeit Dagoberts H. ist ein verschollenes Diplom, das Dagobert nach dem Bericht der Gesta episcoporum Tullensium auf Bitten seiner Mutter, der Königin Chimnechild, für Bischof Theudofrid von Toul aus- stellte37. Kölzer diskutiert die Regierungszeiten Dagoberts II. nicht, doch muss sich diese Nennung auf eine erste Amtszeit beziehen, da in undatier- ter Urkunde des Trierer Bischofs Numerianus von 662/75 Eborin als des- sen comprovincialis (und Bischof von Toul) genannt wird38. h) Zur Fälschung DMerov 29 von angeblich (627) Mai 26 Auf eine echte Vorlage geht vielleicht auch ein Teil der Datierung des Spu- riums DMerov 29 für St. Denis zurück, in dem diesem von einem König Dagobert und einer zu Clipiaciu (Clichy bei Paris) abgehaltenen Synode angeblich sein Asylrecht bestätigt wurde. Das Falsum wurde vom Heraus- geber Dagobert I. und dem Jahr 627 zugeordnet39, kann aber m. E. auf Grund der Zeugenreihe Dagobert U. dem Jahr nur und 660 bzw. - wenn

36 Vgl. THOMAS,Grimoald (wie Anm. 7), Sp. 1717. 37 Gesta episcoporum Tullensium, ed. Georg WAI7z (= MGH. SS 8). Hannover 1848, S. 635 (c. 15); daraus KötzER, DDMerov 2 (, wie Anm. 1), S. 634f Dep. 327 (zu BECHER,Staatsstreich (wie Anm. 8), S. [676-679]"); vgl. auch 136f. 38 662/675: Louis George Oudard FEUDRIXDE BREQUIGNYund Jean-Marie PARDES- sus, Diplomata, chartae, epistolae, leges aliaque instrumenta ad res gallo-fran- cicas spectantia (...), 2 Bde. Paris 1843-1849, ND Aalen 1969, hier 2, S. 147 n. 360; Albert BRUCKNER(Bearb. ), Regesta Alsatiae Aevi Merovingici et Karolini 496- 918, I: Quellenband. Straßburg 1949; S. 16f 47 [zu 666"]; n. Um vgl. auch Eugen EwiG, Trier im Merowingerreich. Civitas, Stadt, Bistum. Trier 1954,2. ND Aalen 1987, hier S. 130f. 39 (627) Mai 26: DMerov 29. ZUR GRÜNDUNG DER KLösmR WEISSENBURG UND ECHTERNACH 117 das Regierungsjahr V aus II verlesen sein sollte , dem Jahr 657 zugewie- sen werden. Nach Kölzer wurden die Zeugen von DMerov 29 aus dem DMerov 85 König Chlodowechs II. (654) echten von Juni 22 - laut Vorbe- merkung neben DMerov 32 das einzige für St. Denis erhaltene, nicht für Fälschungszwecke missbrauchte Papyrusoriginal - entlehnt. Tatsächlich gibt es in den Zeugenreihen mehrere signifikante Übereinstimmungen; dies betrifft Laudomerus [Baudomerus]/Tarantaise, Aectherius/Embrun, Eligius/Noyon, Landericus/Lyon, Aegynarus-Aegynaivi, Chradoberctus- Crodobertus/Paris, Ermenrico domesticus-Ermenricus vir illuster, Aune- mundus-Raunemundus eps, Palladius/Auxerre, Clarus/Grenoble und Rado. Die Namen der geistlichen Zeugen berühren sich auch mit denen der unter Chlodowech II. (639-657) abgehaltenen Synode von Chalon-sur- Saöne40von 641 / 654 Okt 24; dies betrifft die Bischöfe Candericus-Landeri- cus/Lyon, Palladius/Auxerre, Baudomeris-Laudomerus/Tarantaise, Cla- rus/Grenoble, Aetherius-Acterius/Embrun und Elegius-Eligius/Noyon41 Dagegen wollen die Übereinstimmungen mit der Zeugenreihe der für St. Denis gefälschten Urkunde von (632) Juli 29 (DMerov 43) nichts besagen, da deren echte Vorlage, wenn es denn eine gab, tatsächlich von Dagobert I. ausgestellt worden sein mag, während die Zeugen jedenfalls irrig der nur in verfälschter Form überlieferten Urkunde Bischof Landerichs von Paris entnommen wurden (Vorbemerkung zu DMerov 43) und daher für einen Vergleich nicht in Frage kommen. Die Datierung von DMerov 29 für St. Denis lautet: Data sub die septinta Ka- lendas htnias. Anno V regni nostri. Clipiaco. In Dei rtomine feliciter. Amen. Die Urkunde wurde also am 26. Mai im fünften (evtl. zweiten) Regierungsjahr eines Königs Dagobert ausgestellt, was bei Dagobert II. auf das Jahr 660 (657) führt. Mindestens dreizehn Bischöfe, die an der in der Urkunde ge- nannten Synode von Clipiactts teilnahmen, bezeugen das Diplom, und ein Teil von ihnen ist in zeitgenössischen Stücken nachzuweisen. Dennoch wirft DMerov 29 hinsichtlich seiner Entstehung und Bewertung große Probleme auf. Die Verhältnisse liegen nicht einfach so, dass das echte Diplom Chlodowechs U. von 654 für St. Denis42 als Vorlage für die Fälschung gedient hat, wie Horst Ebling annahm43. Dagegen sprechen

40 Legum sectio III Concilia I: Concilia aevi merovingici, ed. Friedrich MAASSEN (= MGH. LL). Hannover 1893, ND 1956, hier 1, S. 208-214. 41 Eligius amtierte von 641 bis 660; vgl. Joseph-Claude POULIN,Eligius. In: Lexi- kon des Mittelalters 3 (1986) Sp. 1829f. 42 (654) Juni 22 Clichy: DMerov 85. 43 Horst EBLING, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches von Chlothar II. (613) bis Karl Martell (741) (= Francia, Beihefte 2). München 1974; S. 143f n. 165 (hier S. 144) im Anschluss an Henri Omont. i

118 HEINRICH WAGNER schon die teilweise sehr unterschiedlichen Namensformen, bei Ermenricus auch die verschiedenen Titel. Die Pfalz Clipiacius44, in/bei der die in dem Diplom erwähnte Synode zusammentrat, lag aber im neustrischen Reichs- teil, wo Dagobert II. nach allgemeiner Auffassung im Jahr 660 keine Herr- schaftsrechte ausgeübt, also kaum eine Synode versammelt haben kann. Auch die Tatsache, dass neustrische und burgundische Bischöfe an dieser Synode teilnahmen, deutet darauf hin, dass es in Wahrheit Chlotachar III. (657-673) war, der die Synode einberufen hatte, vielleicht auch für die Ausstellung einer der echten Vorlagen dieser Urkunde (nominell) verant- wortlich zeichnete. Will man den Namen des ausstellenden Königs Dagobert (II. ) dennoch mit den neustrischen Zeugen zur Deckung bringen, so gibt es hierfür zwei Möglichkeiten, die nur genannt, nicht aber näher erörtert werden sollen: Entweder hat Dagobert II. tatsächlich aus Gründen, die wir nicht kennen, dieser Synode präsidiert, etwa im Rahmen einer zu diesem Zeitpunkt möglichen oder für möglich gehaltenen Vereinigung des neustrischen und des austrasischen Reichsteils. Das wäre besonders dann denkbar, wenn die Datierung in 657 zu emendieren wäre, da man nach dem Tod Sigiberts III. 656 und vor dem abzusehenden Tod Chlodowechs II. 657 über eine Nachfolge im gesamten Königreich nachgedacht haben mag. Die andere Möglichkeit wäre, dass DMerov 29 vom Fälscher aus mehreren echten gleichzeitigen, aber historisch sozusagen nicht kompa- tiblen Vorlagen zusammengestellt wurde, zu denen auch die Unterschrif- ten einer im Jahr 660 zu Clipiacus abgehaltenen (neustrischen) Synode gehört haben mögen. Angesichts auch dieses, wenngleich nicht über jeden Zweifel erhabenen Zeugnisses eines von Dagobert H. in dessen fünftem (zweitem) Regie- rungsjahr, also 660 (657) ausgestellten Diploms für St. Denis, kann m. E. an einer ersten Regierungszeit Dagoberts II. kein Zweifel bestehen, auch wenn der Aussteller auf Grund seines Alters nicht der politisch Handelnde gewesen sein kann.

i) Das Zeugnis des Nikolaus von Siegen Es gibt noch eine von den bisher erörterten Dokumenten völlig unabhän- gige, m. W. von der Forschung bisher wenig oder gar nicht beachtete, weil späte Quelle für die legitimistische Auffassung, nach der Dagobert II. seine Kanzlei seine Regierungsjahre bereits ab 656 zählen ließ. Nikolaus von Sie- gen, 1495 verstorbener Mönch des Erfurter St. Petersklosters45und dessen engagierter Geschichtsschreiber, teilt mit, für König Dagobert, den (angeb-

44 Hartmut ATSMA,Clichy. In: Lexikon des Mittelalters 2 (1983) Sp. 2161. 45 Vgl. ihm zu Gerhard STREICH,Nikolaus (Bottenbach) von Siegen. In: Lexikon des Mittelalters 6 (1993) Sp. 1187. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 119 lichen) Gründer seines Klosters, seien als Regierungsdauer sowohl 14 Jahre wie auch 24 Jahre überliefert46. Nikolaus nahm an, dass beide Anga- ben für Dagobert I. gelten und verstand sie als Alternativen. Dabei ist her klar, dass die schon von der Größenordnung 14 Jahre - korrekt sind 15-16 - nur auf Dagobert I., die 24 Jahre nur auf Dagobert II. bezogen wer- den können47. Abweichend von der gegenwärtig herrschenden Meinung ist daher entweder an zwei Amtszeiten König Dagoberts II. festzuhalten oder mindestens eine Datierung der eigenen Urkunden ab dem Tod des Vaters 656 anzunehmen. j) Zur Datierung der Urkunde für das Bistum Straßburg von 677/679 (DMerov 69 zu <662> April 2) So dürfte sich auch die Datierung des DMerov 69 für das Bistum Straßburg von angeblich <662> April 2 heilen lassen, das jedenfalls Dagobert II. zu- zuweisen ist, doch bleibt das Ausstellungsjahr unsicher. Sollte das in der Datierung genannte 32. Regierungsjahr nur infolge eines Abschreibefehlers um einen Zehner zu hoch ausgefallen sein, so würde dies auf 677 führen, zu dem auch die (wenngleich nicht formulargemäße) Indiktion -V- passt. Das Mondalter gilt jedoch nur für 662, so dass auch die Indiktion nachträg- lich aus dem falschen Jahr 662 errechnet worden sein kann. Damit käme als Datierungsmerkmal nur noch das Regierungsjahr in Frage, das wegen Ging dritte seiner Höhe aber in jedem Fall verschrieben sein muss. das -X- von XXXII über eine Zwischenstufe XXVII aus ursprünglich XXIIII (das letzte für Dagobert II. mögliche Regierungsjahr) hervor, so würde dies auf 679 als Ausstellungsjahr führen. Eine endgültige Entscheidung zwischen 677 und 679 wird sich freilich kaum treffen lassen. k) Das DMerov 162 von (712) Aug. 1 Das für Abt Ratfrid von Weißenburg ausgestellte, in der alten MGH-Aus- gabe der Merovingerdiplome noch als echt behandelte, Dagobert II. zuge- schriebene und auf 675 datierte Diplom48 trägt für dessen Regierungszeit nichts aus; es ist zum einen unecht49 und zum anderen Dagobert III. und

46 Franz Xaver WEGELE(Hg. ), Chronicon Ecclesiasticum Nicolai de Siegen O. S.B. (= Thüringische Geschichtsquellen 2). Jena 1855, hier S. 104f und 152. herr- 47 Allerdings war schon Nikolaus von Siegen entgegen der zu seiner Zeit schenden Meinung der Ansicht, dass es sich bei dem angeblichen Gründer sei- Klosters Dagobert, Dagobert nes nicht um den ersten sondern um iunior" handelte, der 700" lebte; WEGELE, Chronicon (wie Anm. 46), S. 152; um vgl. vgl. auch Heinrich WAGNER, Die Erfurter Dagobert-Fälschung von angeblich 706. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 62 (2001) S. 9-55 und Tafel 1 (Foto). 48 675 Aug 1: PERTZ(wie Anm. 24), S. 41 n.44. 49 So bereits BRUCKNER,Regesta Alsatiae (wie Anm. 38), S. 20 n. 55 (zu 678). 120 HEINRICH WAGNER dem Jahr 712 zuzuweisen50, wozu auch der Name des Abtes Ratfrid (693/94-727/3151) passt. Diesem Problem soll hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Es bleibt nur noch die Frage zu klären, warum man, wenn Weißenburg doch über ein echtes Diplom Dagoberts III. ver- fügte, nicht dieses als Beweismittel in einer Auseinandersetzung mit dem Speyerer Bischof vorlegte, sondern eine Fälschung. Der maßgebliche Grund dürfte gewesen sein, dass das verschollene Original dem Kloster mit Sicherheit weniger Rechte verbrieft hat, als die Fälschung; es war also weder für die sehr viel weitergehenden Wünsche der Weißenburger Mön- che des 11./12. Jahrhunderts noch als Mittel zur Behebung ihrer neuarti- gen Bedrängnisse zu gebrauchen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Dagobert II. hat eine Urkunde für Weißenburg ausgestellt, deren Datierungszeile in das auf Dagobert I. aus- gestellte Spurium übernommen wurde, und man wird annehmen dürfen, dass die verschollene Vorlage mit der Dotation Weißenburgs zu tun hatte und damit Teil des Gründungsvorgangs war. Das 23. Jahr der zum weitaus größten Teil fiktiven, im irischen Exil verbrachten Regierung Dagoberts H. führt in Kombination mit einem Tagesdatum 11. Mai auf dessen vorletztes Regierungsjahr 678 als Ausstellungsjahr der echten Urkunde, deren Datie- rung im Spurium DMerov 64 erhalten geblieben ist. Damit dürfte die Gründung des Klosters Weißenburg in das Ende der siebziger Jahre des 7. Jahrhunderts bzw. mit der Urkunde selbst in das Jahr 678 zu setzen sein. Daraus ergibt sich auch der Zeitpunkt, zu dem Weißenburg frühestens rechts des Rheins tätig geworden sein bzw. Aktivitäten auch im mainfrän- kischen Raum entfaltet haben kann.

II. DER WEISSENBURGER AUSSENBESITZ IN FRANKEN NACH DEM LIBER POSSESSIONUM

Ist es gelungen, die Gründung Weißenburgs gegen Ende der 70er Jahre des 7. Jahrhunderts wahrscheinlich zu machen, so liegt die Annahme nahe, dass es noch eine geraume Anzahl von Jahren gedauert haben wird, bevor das Kloster auf Grund einer noch zu entwickelnden geistigen bzw. geistli- chen Potenz sowie seiner materiellen Möglichkeiten nach außen hin wirk- sam werden konnte. Wie bereits angedeutet, besteht mangels datierten Quellenmaterials keine die Möglichkeit, - auch nur indirekt - nachzuwei- senden Aktivitäten der elsässischen Abtei in Mainfranken zeitlich einzu- grenzen. Angesichts der Tatsache jedoch, dass im ersten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts ein Wirken Weißenburgs im thüringischen Erfurt wahr-

50 (712) Aug 1: DMerov 162 (Vorbem. ). 51 GLÖCKNER/DOLL (wie Anm. 3), S. 525 mit Anm. 1. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖ5fER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 121 scheinlich ist5? wird man annehmen dürfen, dass Weißenburg im Rahmen seiner Möglichkeiten analog dazu - wenn auch nicht unbedingt synchron damit - auch in Mainfranken tätig geworden ist. Voraussetzung dafür wäre freilich, dass der auf Grund der Datierung des ältesten Weißenburger Urbars für das 9. Jahrhundert zu erschließende und auf Grund einer Auf- zeichnung vom Ende des 10. Jahrhunderts nachgewiesene, durchaus an- sehnliche mainfränkische Fernbesitz Weißenburgs in die Frühzeit der Abtei zurückreicht. Hierfür sollen im Folgenden einige Indizien beige- bracht werden. a) Auch wenn die nur fragmentarisch erhaltenen Weißenburger Traditio- nen keinen Anhaltspunkt dafür bieten, wann und von wem die Güter in Mainfranken an das Kloster gekommen sein könnten, drängt sich ange- sichts des dortigen nicht unerheblichen Streubesitzes und dessen beträcht- licher Entfernung zu der elsässischen Abtei die Annahme auf, dass dieser Besitz wohl noch in die fränkische Frühzeit mit ihren weitausgreifenden Adelsverbindungen zurückreicht. Der Liber Possessionunides Abtes Edelin aus dem 13. Jahrhundert, dessen Vorlagen in ihrem ältesten Teil auf ein 860/70 wohl etwa gleichzeitig mit dem Weißenburger Traditionscodex an- gelegtes Urbar zurückgehen, nennt als Nr. 31 mit der Überschrift De Sala- gowe u. a. eine Kirche (basilica) mit Zehntrecht in Westheim (ö. Hammel- burg). Da die Westheimer Kirche noch heute das Peter-und-Pauls-Patro- zinium trägt5ý Peter und Paul aber die Schutzheiligen des Klosters Weißenburg waren (wobei Peter zunächst allein auftritt55), ist es nach menschlichem Ermessen sehr wahrscheinlich, dass das Patrozinium der Westheimer Kirche auf den frühesten nachweisbaren Besitzer Weißenburg zurückgeht. Dies wäre nur eines von zahlreichen Beispielen, dass entle- gene und daher immer durch die Begehrlichkeit benachbarter Mächte ge- fährdete Kirchen im Besitz geistlicher Institute sozusagen als Besitzver- merk deren jeweiligen Schutzpatronen geweiht wurden, wie es beispiels- weise von zahlreichen würzburgischen Kirchen mit dem charakteristi- schen Kilianspatrozinium an den Rändern und außerhalb des Bistums Würzburg bekannt ist56.

52 Vgl. WAGNER,Dagobert-Fälschung (wie Anm. 47). 53 Christoph D= (Hg. ), Liber Possessionum Wizenburgensis (= QAmrhKG 59). Mainz 1987, hier S. 115 n. 31; vgl. die Rezension von Michael GOCKEL,Kritische Bemerkungen zu einer Neuausgabe des Liber possessionum Wizenburgensis. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 39 (1989) S. 353-380. 54 Adolf FEULNER(Bearb. ), Bezirksamt Hammelburg (= Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern III: Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg 14). München 1915, ND 1982, hier 5.153. 55 Vgl. 700 Feb 24: GLÖCKNER/DOLL(wvie Anm. 3), S. 415-417 n. 203 [zu 661]. 56 Kilian, Mönch aus Irland - aller Franken Patron 689-1989. Katalog der Sonder- ausstellung zur 1300-Jahr-Feier des Kiliansmartyriums, hg. vom Mainfränki- schen Museum Würzburg. Würzburg 1989, S. 302f (innerhalb des Bistums); S. 304f (außerhalb). 122 HEINRICH WAGNER

b) Da das Kloster Echternach, das ebenfalls im Saalegau begütert war (siehe unten) - eine Kapelle mit Willibrordspatrozinium (! ) außerhalb von Euerdorf57 wird entsprechend auf echternachischen Vorbesitz zurückge- hen - erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts gegründet wurde (siehe unten), andererseits die Weißenburger Güter zu Westheim nur wenige Kilometer von dem 716 von dem mainfränkischen Herzog Hetan II. an Willibrord übertragenen Besitz bei Hammelburg58 entfernt liegen, wäre es sehr wohl denkbar, dass auch Weißenburg seinen Besitz im Saalegau dem Würzbur- ger Herzogsgeschlecht verdankte. Allerdings lässt die genannte (spätere ?) Übertragung von Gütern im Saalegau an Willibrord auch den Schluss zu, dass das Kloster Weißenburg nicht die in es gesetzten Erwartungen erfüllt hatte, weshalb man mit der Begünstigung Willibrords, der als Abt von Echternach nicht nur über die geistlichen, sondern auch über die materiel- len Ressourcen dieses Klosters verfügen konnte, einen erneuten Anlauf zur christlichen Durchdringung des nördlichen Mainfranken unternehmen wollte. c) Außer der gerade angesprochenen Nennung des saalegauischen West- heim im Weißenburger Urbar wird ein Westheim auch in einem Verzeich- Weißenburger Lehen die Herzog Otto Worms", der nis aufgeführt59, von Sohn des 955 in der Ungarnschlacht gefallenen Herzogs Konrad des Roten60, an seine Gefolgsleute ausgegeben hatte. Dem Bericht der Aartales Weissenbttrgenseszufolge drängte sich Herzog Otto 985 mit Gewalt in den Besitz des Klosters Weißenburg ein (vi ittvasit) und verteilte dessen loca61; ähnlich berichtet die als Cyrograpluun betitelte Aufzeichnung im Liber Ede- lini, dass nach dem Tode Kaiser Ottos H. (gest. 983) dessen kindlicher Nachfolger wegen seiner Schwäche von vielen ignoriert wurde (Otto adltuc infantulus propter viriunt inpotetttiatn a tnultis negligebatur) und Herzog Otto die Gelegenheit nutzte, das Kloster Weißenburg seiner Herrschaft zu un- terwerfen (dotninio suo subiugavit hostili oppressione)62.Das ist freilich nur

57 FEULNER,Hammelburg (wie Anm. 54), S. 44f. 58 716 April 18: Camillus WAMPAcH, Geschichte der Grundherrschaft Echternach im Frühmittelalter. Untersuchungen über die Person des Gründers, über die Kloster- und Wirtschaftsgeschichte auf Grund des liber aureus Epternacensis (698-1222) (= Publications de la Section Historique de l'Institut g: d. de Lu- xembourg 63), 2 Teilbde. Luxembourg 1929-1930, hier 1/2 (Quellenband), S. 63-65 n. 26 (zu 717). 59 DEu (wie Anm. 53), S. 154f n.311. 60 Heinz DorscH, Otto von Worms. In: Lexikon des Mittelalters 6 (1993) Sp. 1577 n. 20. 61 Oswald HOLDER-EDGER(Hg. ), Lamperti Hersfeldensis annales (Lamperti mo- nachi Hersfeldensis opera) (= MGH. SSrerGerm). Hannover, Leipzig 1894, S. 3- 304, hier S. 47. 62 DE rE (wie Anm. 53), S. 154f n. 311 mit Acta sent ltec atuto dontini DCCCCLXXXXI. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 123 die Sicht des betroffenen Klosters; tatsächlich dürfte das Reichsregiment Herzog Otto als Entschädigung für seinen Verzicht auf Kärnten 985 u. a. die Verfügungsgewalt über den umfangreichen Besitz der Abtei Weißen- burg überlassen haben; damals eine völlig gängige Praxis, die den betroffe- nen Klöstern freilich nicht gefallen konnte. Herzog Otto nahm den Vasal- len des Klosters ihre Lehen, und zwar nicht weniger als 68 genannte Fron- höfe (cartes), darunter Westheim und Rockenstrozveweg und gab sie an seine eigenen Gefolgsleute aus. Die Notiz über diese Vergabung datiert der Schreiber des Cyrograpliunt zwar auf 991, doch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Jahreszahl falsch abgeschrieben wurde. Da Herzog Otto die Besitz hat Abtei schon 985 in nahm, der Kopist das -V- von mutmaßlich (= DCCCCLXXXVI 986) wohl für ein -X- gelesen. Die Vergabung der Klos- terhöfe wird vor allem deswegen in das Jahr 986 zu setzen sein, weil Otto nach Inbesitznahme der Abtei kaum sechs Jahre lang mit der Ausstattung von Gefolgsleuten zur Festigung seiner Stellung am Mittelrhein gewartet haben dürfte. Das Westheim dieses Lehensverzeichnisses identifizierte Dette mit einer Wüstung bei Iggelheim63. Angesichts des beträchtlichen Umfangs der Weißenburger Güter in Westheim im Saalegau - dort besaß das Kloster außer der bereits genannten Kirche mit Zehntrecht einen Fronhof (curtis dominica), fünf Mansen de terra salica, Weinberge zu vier Fuder Wein, Wie- sen zu 30 Fuder Heu sowie zwölf dienende Mansen64, vor allem aber ange- sichts der Nennung dieses Westheim im Cyrograpluun (n. 311) zwischen Vn- kunstein (= Ungstein w. Ludwigshafen) und Vgelenheim (= Iggelheim w. Schifferstadt), die wohl nicht zufällig genau (! ) der Reihenfolge im Urbar65 entspricht, ist das von Herzog Otto an einen nicht genannten Gefolgsmann ausgegebene Westheim im Verzeichnis der entfremdeten Weißenburger Gur- tes kaum mit der Wüstung bei Iggelheim, sondern mit dem gleichnamigen Ort bei Hammelburg zu identifizieren. 66 dieses d) Die Nummern 36-39 des Urbars nennen Güter in Ascalia - si- cher nicht mit dem unbedeutenden Aschach (n. Bad Kissingen), sondern mit Gauaschach (alter Lk. Karlstadt) gleichzusetzen , wo das Kloster ebenfalls einen Herrenhof (curtis dominica) sowie vier Mansen an Salland und zwölf dienende Mansen hatte. In Fuchsstadt (sö. Hammelburg) besaß es fünf dienende Mansen, in Schweinfurt einen Weinberg zu einem Fuder [Wein] und neun [dienende] Mansen, außerdem noch sehr umfangreiche

63 So D= (-.vie Anm. 53), S. 182 (Register) mit Bezug auf die Nennung S. 154 n. 311. 64 DErrE (,.vie Anm. 53), S. 115 n. 31. 65 DErrs (wvieAnm. 53), S. 115 (zwischen n. 30 und n. 32). 66 DErrE (wie Anm. 53), S. 116. 124 HEINRICH WAGNER

Güter in Rockenstrowe67.Ob nach dem Beispiel von Westheim und Rocken- strowe auch das Peterspatrozinium der Kirche innerhalb der alten Burg der Markgrafen von Schweinfurt auf der Schweinfurter Peterstirn (! ), die nach der Jahrtausendwende von Gräfin Eila, der Mutter des Markgrafen Hein- rich von Schweinfurt, zu einem (Doppel-? )Kloster umgewidmet wurde, auf Weißenburger Einfluss zurückgeht, dürfte sich nicht mehr klären las- sen, wäre aber immerhin denkbar. e) Wohl doch in Mainfranken zu suchen und mit Gössenheim (sö. und alter Lk. Gemünden) zu identifizieren ist das im Weißenburger Urbar unter n. 81 mit nur einem unbesteliten Mansus (mansus absus) aufgeführte Gozinesheinz6ß,das Dette mit einer Wüstung Gössesheim westlich Kinden- heim (bei Frankenthal) gleichsetzte69. In dem fränkischen Gössenheim war aber nicht nur Echternach, sondern wohl auch das 744 gegründete Fulda begütert, denn die Tradition n. 76 im Eberhardschen Summarium über die südlichen fränkischen Gaue lautet: Trnantus trad(idit) sco. Bon(ifacio) bong in Zozesheini fanziliis Bei dem sna Cu,,, et rebus70. ersten angeblichen -z- dürfte es sich um ein -g- handeln, das in der karolingischen Minuskel be- kanntlich leicht mit -z- zu verwechseln ist. Der Schenker ist trotz fehlenden Titels vielleicht mit dem gräflichen Stifter des 775 von Karl dem Großen an Fulda übertragenen Klösterchens Holzkirchen71 (alter Lk. Marktheiden- feld) gleichzusetzen. Es fällt auf, dass die Pfarrkirche von Gössenheim noch heute das in Mainfranken sonst nur noch in einer Wallfahrtskapelle sö. Müdesheim (alter Lk. Karlstadt; PN Muot/win) nachgewiesene Patro- hl. zinium der Radegundis72 hat, jener thüringischen Königstochter, die als '(ge Chlotachar I. t. 560/61) heiratete und nach einem heiligmäßigen Leben als Nonne in dem von ihr gegründeten Kloster in Poitiers 587 starb73.

67 98[6] o.T.: DETTE(wie Anm. 53), S. 154 n. 311 (zu 991). 68 DE rrE (wie Anm. 53), S. 123. 69 DETTE(wie Anm. 53), S. 178. Nach Karl GLÖc1r ii (Hg. ), Codex Laureshamen- sis, 3 Bde. (= Arbeiten der Historischen Kommission für den Volksstaat Hes- sen). Darmstadt 1929-1936, ND Darmstadt 1975, hier 3, S. 299 ist Gössenheim [! ] in Kindenheim n. Grünstadt aufgegangen. 70 Heinrich MEYERzu ERn1GASSEN(Hg. ), Der Codex Eberhardi des Klosters Fulda (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 58), bisher 2 Bde. Marburg 1995-1996, hier 1, S. 257 n. 76. 71 775 Nov o.T.: DKar 1 106. 72 Adolf FEULNER(Bearb. ), Bezirksamt Gemünden (= Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern III: Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg 20). München 1920, ND München 1982, hier S. 55; DERS.,Bezirksamt Karlstadt (= Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern III: Regierungsbezirk Unter- franken und Aschaffenburg 6). München 1912, ND München 1982, hier S. 135f. 73 Vgl. Marc van UYTFANGHE, Radegunde. In: Lexikon des Mittelalters 7 (1995) Sp. 387. ZUR GRÜI%'DUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 125

Die Stellung des in n. 81 genannten Gozinesheim zwischen Kirchheim (sö. Grünstadt/Pfalz; n. 80) und dem weitab liegenden Ottersheim (zw. Landau und Bellheim; n. 82) erfordert nicht zwingend eine Lokalisierung in der Pfalz, zumal - wie aus der Unterbrechung der Reihenfolge der mainfränki- hervorgeht schen Besitzungen - die Orte des Urbars offenbar nicht, oder zumindest nicht streng, nach Besitzregionen aufgeführt wurden. Sonst wäre es kaum möglich, dass zwischen den Westheimer Gütern (n. 31) und denen in (Gau-)Aschach (n. 36), Fuchsstadt (n. 37) usw vier pfälzische Orte (Iggelheim, Heßheim, Ellerstadt und Mundenheim) erscheinen. Vielmehr könnte für die Anordnung in diesem Teil des Urbars die zeitliche Reihen- folge des Güteranfalls das bestimmende Kriterium gewesen sein. f) Gleichfalls unter den von Herzog Otto an Gefolgsleute ausgegebenen Gurtesfindet sich zwischen Iggelheim und Wingarten74 das auf Grund der unzureichenden Quellenlage bisher nicht schlüssig identifizierte Rocken- strowe. Zu Abt Edelins Zeiten, also im 13. Jahrhundert, dürfte in Weißen- burg ohnehin kaum noch jemand gewusst haben, wo Rockenstrowe zu su- Sehr diese chen war. wahrscheinlich ging weit entlegene Besitzung - ver- mutlich zusammen mit den anderen mainfränkischen Besitzungen des Klosters - bereits im Jahr 986 mit der Vergabe an einen Lehnsmann Herzog Ottos von Kärnten endgültig verloren. Sicher lag der Ort wegen seines Grundwortes an der , einem Flüsschen, das unterhalb von Heustreu in die Fränkische Saale mündet, mit größter Wahrscheinlichkeit im heuti- gen Lk. Rhön-Grabfeld, da die Streu nur in zwei kurzen Abschnitten von ca. 1 km (von ihrer Quelle an) und wenig später nochmals auf einer Länge von ca. 2 km auf dem Boden des thüringischen Landkreises Schmalkalden- Meiningen fließt. Auf beiden Abschnitten finden sich jedoch ausschließlich schlechte Böde', die kaum einen Anreiz für die Errichtung einer frühmit- telalterlichen Siedlung boten. Dagegen hat die Gemarkung von , auf der m. E. Rockenstrowelag, einen hohen Anteil an guten Böden76. In Rockenstrowe besaß das Kloster einen Herrenhof (curtis dominica), eine Kirche (basilica) samt Zehntrecht, zahlreiche Zinsleute (houiines Gensaales quarr plurimi), drei Mansen an Salland sowie sechs Mansen, die im Origi- nal des Urbars nicht spezifiziert sind und von Dette in Analogie zu gleich- artigen Notizen als dienende Mansen (mansi serviles) angesprochen, in einer Abschrift des Urbars jedoch als mansi feriales bezeichnet werden77, also Mansen, die als Zins jährlich ein Schwein abzuliefern hatten.

74 Nach DE m (wie Anm. 53), S. 182 m%:Germersheim gelegen. 75 Bayerisches Landesvermessungsamt München (Hg. ), Bodengütekarte von Bay- ern 1:100.000, Blatt 2: Schweinfurt. Die Bodengüte der thüringischen Gebiete ist dort nicht erfasst, doch erreichen die unmittelbar benachbarten bayerischen Böden nur Ertragsmesszahlen von 20-39. 76 Ertragsmesszahlen von 60-79. 77 DErrE (wie Anm. 53), S. 116 n. 39 m. Anm. b. 126 HEINRICH WAGNER

Für eine Identifizierung mit dem weißenburgischen Rockenstrorvekommt in erster Linie der heutige Mönchshof auf der Gemarkung von Oberstreu in Frage. Dieser liegt nur 2 km südlich von (Lk. Rhön-Grab- hatte, feld), das bei seiner ersten Nennung nicht das Grundwort -saat son- dern ebenfalls den des Flüsschens, an dem es lag. In der Bestätigungsur- kunde Ludwigs des Frommen für die Kirchen, mit denen Karlmann das 741 gegründete Bistum Würzburg ausgestattet hatte, wird auch eine Mar- tinskirche in Madalricitistreuua genannt's. An dem Mönchshof bei Ober- streu bzw. an der benachbarten, erst im 19. Jahrhundert abgerissenen Pe- terskapelle, die eigentlich eine Peter-und-Paulskapelle ivar7, hing das Zehntrecht über den ganzen Ort Oberstreu. Offenbar handelte es sich bei dieser Kapelle um das erste Gotteshaus in/bei Oberstreu, denn noch für das Jahr 1582 ist eine (Filial-)Prozession von der Oberstreuer Pfarrkirche (filia von Mellrichstadt) zur Peterskapelle bezeugtSO.Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass das Patrozinium - urie ziemlich sicher bei Westheim und vielleicht auch bei Schweinfurt - auf den/die Schutzheiligen des Klosters Weißenburg zurückgeht und eine Art Besitzvermerk darstellt. Dieses Patrozinium ist freilich nicht ganz selten - insbesondere seit der Hirsauer Reform - so dass es zunächst nur als zusätzliches Indiz für Weißenburger Besitz kann. Doch darf der Name gelten auch Mönchshof" selbst als solches gelten, denn auf Grund dieses Namens muss sich das Gut früher einmal in der Hand eines Männerklosters befunden haben. Schon seit seiner ersten urkundlichen Nennung im 14. Jahrhundert81 ist der Mönchshof aber freies Eigen eines Frauenklosters, nämlich des vor 1161 gegründeten Prämonstratenserinnenklosters Hausen a.d. Saale (Stadt Bad Kissingen)82. Nach dem Bericht der ältesten erhaltenen Urkunde dieses Klosters von 1161 hatte der würzburgische Ministeriale Heinrich von Henneberg Hau- Gütern" Bischof Bamberg sen mit allen zugehörigen vom von ertauscht. Leider werden diese Güter in der Urkunde nicht namentlich genannt, doch wäre es sehr gut möglich, dass der Mönchshof bei Oberstreu dazugehörte. Dieser war aber jedenfalls selbst auch Mittelpunkt einer größeren Wirt- schaftseinheit, denn zum Mönchshof gehörte eine Vielzahl auswärtiger,

78 822 Dez 19: BM? S. 304f n. 768; Druck: Bayerische Akademie der Wissenschaf- ten München (Hg. ), Monumenta Boica. München 1763ff, hier 28/1, S. 16-18 n. 11 [irrig zu 823]. 79 Michael MÜLLER,Das Landkapitel Mellrichstadt (= Franconia Sacra. Geschichte und Beschreibung des Bisthums Würzburg, 4. u. 5. Lfg. ). Würzburg 1901, ND Sondheim v. d. Rh. 1979, hier S. 318. 80 MÜLLER,Landkapitel (wie Anm. 79), S. 317. 81 1369 Okt 15: StaatsA Würzburg, Depositum von Thüngen n. 16941/2; dort frei- lich Hof des Klosters Hausen nicht als Mönchshof", sondern nur als erwähnt. 82 1161 o.T.: Monumenta Boica 37 (wvieAnm. 78), S. 79-81 n. 103. 83 1161 o.T.: Monumenta Boica 37 (wie Anm. 78), S. 79f n. 103. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 127 wohl noch aus der Zeit der Villikationsverfassung herrührender Gefälle zu Bahra (Stadt Mellrichstadt, Lk. Rhön-Grabfeld), Behrungen, Berkach (beide Lk. Schmalkalden-Meiningen), Eichenhausen, Heustreu, Höchheim, Holl- stadt, Mittelstreu, die Wüstung Nanzen/Lanzig (Gem. ), ganz Oberstreu (alle Lk. Rhön-Grabfeld) sowie Queienfeld, Westenfeld und Wolfmannshausen (alle Lk. Schmalkalden-Meiningen)84. Damit gewinnt die Vermutung sehr an Wahrscheinlichkeit, dass das ehemalige Weißen- burger Rockenstrowemit dem königlichen prediuni Strezveidentisch ist, das König Heinrich II. zusammen mit dem Gut Egininhusa im Jahr 1010 an das von ihm 1007 gegründete Bistum Bamberg schenkte85.1150 vertauschte Bi- Eberhard II. Bamberg schof von Egenenhusen- doch wohl mit Egininhusa identisch und wegen seiner Nennung zwischen Ritschenhausen und GaulshausenS6 (beide Lk. Meiningen) sicher mit Einhausen sö. Meiningen zu identifizieren - an die Grafen von Henneberg87. Mit ziemlicher Sicher- heit stammten beide von König Heinrich 11.1010 an Bamberg geschenkten Güterkomplexe aus der Konfiskationsmasse der nach dem misslungenen Aufstand Markgraf Heinrichs von Schweinfurt im Jahr 1003 eingezogenen Lehen. Und hier schließt sich der Kreis: Bei den von Herzog Otto 986 mit (allen? ) Gütern mainfränkischen der Abtei Weißenburg - darunter wohl auch denen in Schweinfurt (! ) - belehnten Adligen wird man am ehesten an die wahrscheinlich von den Grafen im Saalegau abstammenden Mark- grafen von SchweinfurtSB zu denken haben, die nachweislich zahlreiche Güter im Saalegau besaßen. Das heißt, dass es, da sein Vater Bertold be- reits 980 gestorben wais9, nur Markgraf Heinrich von Schweinfurt gewe- kann, der dem Herzog Otto Worms" den sen sein von salischen von mit Weißenburger Gütern im Saalegau, in Rockenstrowe und wohl noch an- derswo belehnt wurde. Diese Vermutung gewinnt dadurch hohe Wahr- scheinlichkeit, dass Heinrich mit einer Verwandten Herzog Ottos, nämlich

84 Michael MOLLER,Der Bezirk Mellerichstadt als Gau, Cent, Amt und Gemeinde beschrieben. Würzburg 1879, Nachdruck vermehrt um ein Orts- und Namen- Helmut SCHLERErH.Sondheim d. Rh. 1983, hier S. 279f. Ergän- register von v . zungen aus StaatsA Würzburg, Standbuch 523 fol. 43 (Mittelstreu) und fol. 48'ff (Oberstreu). 85 1010 Juni 1 Mainz: DH 1I 220. 86 Wüstung auf der Gemarkung von Ritschenhausen. 87 Berichtet in Urkunde von 1151 Juli 8: Karl Friedrich STUMPF-BRENTANO,Acta Imperii inde ab Heinrico I. ad Heinricum VI. usque adhuc inedita. Urkunden des Kaiserreichs aus dem 10,11. und 12. Jahrhundert, erstmals herausgegeben (= Die Reichskanzler vornehmlich des X., XI. und )CII. Jahrhunderts 3). Inns- bruck- 1881, ND Aalen 1964, hier S. 142-144 n. 116. 88 Heinrich WAGNER,Mellrichstadt (= Historischer Atlas von Bayern, Teil Fran- ken, Reihe 1/29). München 1992, hier S. 67f. 89 Karl SCHMID(Hg. ) u. a., Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittel- alter, 3 Bde in 5 Teilen (= Münstersche Mittelalter-Schriften 8). München 1978, hier FW 2/1, S. 387 G 37. 128 HEtNtucH WAGNER der Konradinerin Gerbirg/Gerberga, einer Tochter Heriberts, des Grafen im hessischen Kinziggau und in der Wetterau und Schwester Graf Ottos von Hammerstein vermählt war90. Ob mit der Belehnung durch Herzog Otto - berechtigt oder nicht - auch ein Herrschaftswechsel für die betroffenen Orte verbunden war, ist freilich keineswegs ausgemachte Sache, denn auch die Abtei Weißenburg konnte diesen Fernbesitz längst nicht mehr selbst verwalten und hatte ihn wegen der großen Entfernung schon vor 986 als Lehen ausgegeben. Der Schreiber des Cyrograpllum beklagt ja ausdrücklich, dass Herzog Otto die darin ge- nannten cartes den Vasallen der Abtei, welche diese zu Lehen hatten (bene- ficia inilitum eiusdenl loci) weggenommen und an seine eigenen fautores ver- liehen habe91. Da unter miles im 10. Jahrhundert bekanntlich noch nicht, der dienstpflichtige der Vasall wie später, Mann", sondern edelfreie zu verstehen ist, mag die beklagte Entfremdung zunächst nur darin bestan- den haben, dass nicht mehr der Abt, sondern der Herzog als Lehnsgeber auftrat. Die Rolle Weißenburgs als Kloster, verbunden mit der Wahrneh- mung geistlich-missionarischer Aufgaben, war in Mainfranken freilich spätestens mit der Ausgabe der dortigen Güter als Lehen de facto ausge- spielt. Bei der nach Berücksichtigung aller Indizien doch sehr wahrscheinlichen Identität von Rockenstrowe mit dem Mönchshof bei Oberstreu darf wohl auch daran gedacht werden, dass die im Urbar genannte basilica erst von Weißenburg errichtet wurde; dann könnte sie dem Zweck gedient haben, mit Hilfe dieses Klosters die Christianisierung Mainfrankens auf dem fla- chen Land voranzutreiben. Dies muss allerdings Vermutung bleiben, da auch Güter mit bereits bestehenden Kirchen schon sehr früh an Weißen- burg geschenkt wurden21 doch spricht das Peterspatrozinium durchaus für diese Annahme. Auf alten Weißenburger Besitz weist nicht zuletzt auch der Ortsname von Rockenstrowehin, der auf einen Gründer oder Vor- besitzer namens Rocko ([C]Hrocchus, lenisiert (H)Roggo) zurückgehen muss. Ein Träger dieses Namens erscheint an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert in der Umgebung der fränkischen Herzöge aus dem Hause der Hedene. In der latinisierten und nicht aspirierten Form wird ein Rocclius unmittelbar nach dem Sohn des Herzogs als erster Zeuge in der zu Würzburg ausgestellten Urkunde Hetans 11. von 704 für Willibrord ge- nannt93. Dies wiederum legt die Vermutung nahe, dass die Schenkung von

90 Friedrich STEIN,Geschichte Frankens, 2 Bde. Schweinfurt 1885-1886, ND Aalen 1966, hier 1, S. 139. 91 DETTE(wie Anm. 53), S. 154f n311. 92 Vgl. z. B. 699 Mai 1: GEöcfNER/DOLL (wie Anm. 3), S. 438-440 n. 223 = 205 = 252. 93 704 Mai 1: Wampach (wie Anm. 58), S. 27-29 n. 8. ZUR GRÜNDUNG DER KLbsrER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 129

Rockenstrowean Weißenburg, selbst wenn sie vom Ortsgründer bzw. einem Vorbesitzer selbst vorgenommen wurde, doch von den Hedenen angeregt worden sein und noch in die Zeit vor der Gründung Echternachs fallen könnte. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Rocchus um einen Ver- wandten des in mehreren Weißenburger Urkunden von 699 bis 706/07 ge- nannten gleichnamigen Schreiberste und/oder des in zwei Weißenburger Urkunden von 712 als Vater eines Samuel und eines Benedikt genannten Chroccus95.

III. ECHTERNACH

Das dem Datum seiner Gründung nach zweite Kloster, das sicher schon in vorbonifatianischer Zeit eine Rolle für Mainfranken und Thüringen ge- spielt hat, auch wenn sich das Ausmaß dieser Rolle heute nicht mehr exakt bestimmen lässt, ist das von der Äbtissin Irmina von (Trier-)Oeren mit Hilfe des hl. Willibrord als geistlichen Beistandes gestiftete luxemburgi- sche Echtemach%. In dem um 1100 von dem Mönch Theoderich angeleg- ten Echternacher Kopialbuch, dem berühmten Liber auretts epterttacettsis, der sich heute in der Landes- und Forschungsbibliothek Gotha befindet, sind auch eine ganze Reihe von Urkunden überliefert, die nicht für das Kloster, sondern für dessen Mitbegründer Willibrord persönlich ausge- stellt wurden. Hierzu gehören auch zwei Traditionen des mainfränkischen Herzogs Hetan II., von denen die erste 704, die zweite 716 ausgestellt wurde. Da beide Stücke aus der Echternacher Überlieferung bekannt sind, zudem das erste zeitlich recht nahe an das Datum der Gründung von Ech- ternach heranreicht, war zunächst zu klären, ob es irgendetwas mit dessen Frühgeschichte zu tun hat. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, auch an- dere frühe Echternacher Urkunden zu untersuchen. Damit wiederum eng verknüpft ist die Frage nach den Personenkreisen, die hinter der Kloster- gründung an der Sauer standen; ein Problem, mit dem sich Matthias Wer- 1982 in Buch über im Umkreis der frühen Karo- ner seinem Adelsfamilien linger" eingehend auseinandergesetzt hat9, freilich ohne in Erwägung zu

94 Vgl. die Liste bei GLÖCKNER/DOLL(wie Anm. 3), S. 526 n. 6, n. 7 und n. 11 sowie S. 527 n. 12. 95 712 Juni 28: GLÖCKNER/DOLL(wie Anm. 3), S. 463-465 n. 234; BRUCKNER,Rege- sta Alsatiae 1 (wvieAnm. 38), S. 35 n. 83 und 71(2) Juni 30: GLÖCKNER/DOLL(wie Anm. 3), S. 468f n. 237; BRUCKNER,Regesta Alsatiae 1 (wie Anm. 38), S. 37 n. 87 (zu 711/5). 96 Jean SCHROEDER,Echternach. In: Lexikon des Mittelalters 3 (1986) Sp. 1542- 1544; vgl. zur Frühgeschichte von Echternach zuletzt Jean SCHROEDERund Henri TRAUFFLER,Die Anfänge der Abtei Echternach. Luxemburg 1996. 97 Matthias WERNER,Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Die Ver- wandtschaft Irminas von Oeren und Adelas von Pfalzel. Personengeschicht- 130 HEINRICH WAGNER ziehen, dass die Datierung einzelner Echternacher Urkunden falsch über- liefert sein könnte, was etwa bei der Ermittlung des mutmaßlichen Todes- jahres der Äbtissin Irmina von Oeren eine entscheidende Rolle spielt. Gehen wir also zunächst die Stiftungsurkunden im engeren Sinne kurz durch; im Anschluss daran sollen die Urkunden über mainfränkische Schenker und Schenkungen genauer betrachtet werden. a) Die Reihe der Übertragungen von Gütern und Rechten zum Zweck der Ausstattung des neu gegründeten Klosters eröffnet eine von dem Priester Huncio geschriebene Urkunde der Äbtissin Irmina vom 1. November, die im vierten Regierungsjahr König Childeberts III. (694 Ende - 711 vor März 1), also höchstwahrscheinlich 698 in Trier ausgestellt wurde, und die in die Form einer Auftragung von Gütern an Bischof Willibrord gekleidet ist98. Nach Irminas Aussage ihre Schenkung (pro ging auf einen Rat" cotcsilio)99 (von - der Bischöfe Basinus und Liutwinus Trier) zurück, die die Urkunde auch unterzeichneten, und geschah mit Einwilligung (seit et pro consensu) der mit Irmina zusammenlebenden Schwestern in Christo, worunter doch wohl der Konvent von Trier-Oeren zu verstehen ist. Sie berichtet zunächst, dass sie [zwei] Kirchen (basilicas) mit genannten Mehrfachpatrozinien, nämlich Trinität und (vel) BMV, sowie (seit et) Peter und Paul und (vel) an- dere Heilige in ihrer villa propria Echternach sowie (seit et) ein utonasterio- lunt errichtet habe, wo landfremde Mönche (nconadci peregricci) leben und die Armen Almosen erhalten können. Sie schenkt Wllibrord die genannten Kirchen (metnoratas basilicas) - das Kloster, das offenbar getrennt von den Kirchen zu denken ist, wird hier nicht erwähnt - und an diese selbst (ad set- pradicta loca sanctorum) ihren Anteil an Echternach, und zwar väterliches und mütterliches Erbe mit allem was dazugehört, einschließlich Hirten und deren Herden sowie dazu gehörenden, genannten Orten: Badelingen und Matzen sowie ihren Teil an Osweiler, mit Ausnahme ungenannter lco- ntines, die sie durch epistolae in die Freiheit (ingenttitas) entlassen hat; außerdem an Willibrord bzw. an die genannten Kirchen (vobis vel ad supra- dictas basilicas) einen Weinberg samt Winzer zu Vianden100. Die Pön für die Verletzung der in der Urkunde genannten Verfügungen der Schenkerin be- trägt attri libras X, argenti pondo XX, Gold und Silber also im üblichen 1:2- Verhältnis, jedoch mit relativ hohen Werten. Weitere Zeugen nach dem Schreiber, der Stifterin und den beiden genannten Bischöfen sind Tlteodefri- dtts presbiter. Waltarius diacotnts. Garibertus presbiter. Audobertus presbiter.

liehe Untersuchungen zur frühmittelalterlichen Führungsschicht im Maas- Mosel-Gebiet (= Vorträge und Forschungen Sonderbd. 28). Sigmaringen 1982. 98 698 Nov 1: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 17-20 n3. 99 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 91 übersetzt E. irrig consilium" m. Erlaubnis". mit Zustimmung, 100 Zur Identifizierung des Viennensis" WERNER,Adelsfamilien (wie mons vgl. Anm. 97), S. 78 mit Anm. 212. ZUR GRL-R%DUNG DER KLOSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 131 b) Nur einen Monat später, am 1. Dezember, ebenfalls im vierten Regie- rungsjahr Childeberts, stellt Irmina eine weitere Urkunde aus (Wampach n. 4). Darin wird der Priester Huncio, ihr Bruder in Christo - dies vielleicht nicht bloße Floskel, sondern ein Indiz, dass Huncio vor seiner Beförderung zum öffentlichen Schreiber'()' geistlicher Betreuer der Nonnen zu Oeren war - beauftragt, ihr Testament zu schreiben102. Hier wird testantentun: in dieser Zeit häufig beobachten, im Sinn nicht, wie zu weiteren von Ur- kunde", im Sinn Willen" sondern engeren von Letztem gebraucht, was nicht nur aus der Betonung des unvenvirrten Geistes (sann 1...] meiste),son- dern auch aus dem Gebrauch des Possessivpronomens (testatnentunnneun) hervorgeht; ein Zeichen dafür, dass Irmina mit ihrem Ableben rechnete/rechnen musste, was für die Datierung der unter 4. und 5. fol- genden Urkunden eine Rolle spielen wird. Das mindeste, was sich aus den in dieser Tradition verwendeten Begriffen herauslesen lässt, ist, dass Ir- mina diesem Stück einen besonders hohen Grad an Verbindlichkeit geben wollte. Dabei enthält es im Grunde nur eine Wiederholung der Verfügun- gen, die bereits in der ersten Tradition enthalten waren. Der Unterschied liegt aber nicht, wie Werner meinte, darin, dass die Güter in dem einen Fall an V1'illibrord, in dem anderen an das Kloster übertragen wurden103, son- dern hauptsächlich, wenn nicht sogar ausschließlich, in mehreren, für die Erstausstattung Echternachs sehr aufschlussreichen Präzisierungen. Auf einem ganz anderen Blatt steht, dass die Urkunde Wampach n. 4 einen Sachverhalt verdunkelt, der in Wampach n. 3 richtig dargestellt wurde. Von den beiden an Willibrord übertragenen Kirchen, von denen die zweite, nämlich die Peter-und-Paulskirche ebenso wie das Klösterchen in Wa'n- pach n. 3 deutlich erkennbar als eigene Rechtssubjekte jeweils mit seit et eingeführt werden, bleibt durch eine Unaufmerksamkeit oder ein Missver- des Kopisten Kirche (basilican) übrig, die ständnis nur noch eine zum Ausgleich" dafür mit sämtlichen in Wampach n. 3 genannten Patrozinien bedacht wird. Da der Kopist des 11./12. Jahrhunderts offenbar die Verhält- nisse seiner eigenen Zeit vor Augen hatte, zudem wohl auch keinen großen Unterschied zwischen seit und vel sah, tauschte er das seit let] vor dem Peter-und-Paulspatrozinium, das eigentlich die zweite Kirche ein- führen sollte, gegen vel aus. Auf der anderen Seite, und das zeigt, dass die zweite Urkunde - wohl auf Initiative Willibrords - in erster Linie um der größeren Genauigkeit und damit Rechtssicherheit willen ausgestellt wurde, enthält Wampach n. 4 eine ganze Reihe von Klarstellungen. Irmina schenkte nun nicht mehr die Kir- che(n), die sie in villa men propria errichtet hatte, sondern die in villa nostra

101 Als solcher (anunanuense)genannt in VVAMPACH (wie Anm. 58), S. 33f n. 10. 102 798 Dez 1: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 20-23 n. 4. 103 WE_RNNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 75. 132 HEtNtucti WAGNER errichtete(n); ihr väterliches und mütterliches Erbteil schenkte sie Bischof Willibrord, dem rector et gubernator der genannten Kirchen nunmehr ad in- tegrem. Vor allem aber sind die geschenkten Objekte jetzt ganz anders an- geordnet; kam in Wampach n. 3 zuerst Echternach mit dem üblichen, weit- gehend formelhaften Zubehör, dann Hirten und Herden, erst dann die zu- gehörigen Orte, werden nun nach Echternach mit Zubehör gleich die zu- gehörigen Orte genannt, dann erst die Hirten und Herden, die sich durch die geänderte Reihenfolge nicht mehr nur auf Echternach, sondern auch auf Badelingen etc. beziehen. Weiterhin schenkte Irmina in Wampach n. 4 nicht nur ad sepefataloca sanctorum, worunter in Wampach n. 3 nur die bei- den Kirchen zu verstehen waren, sondern auch an das Kloster (vel [! ] ad monasteriolum ibidem construchnn); auch hier wieder der möglicherweise auf den Kopisten zurückgehende, unpräzise, von Wampach n. 3 abwei- chende Gebrauch des vel. Überdies werden die von Irmina Freigelassenen nunmehr mit Namen ge- nannt und ihr Wachszins wird festgelegt, der ad supradicta loca sanctortnn zu entrichten ist; die loca sanctorum sind auch Empfänger des Weinbergs in monte Viennensesamt genanntem W inzer. Auch die beiden letzten Nennun- gen von loca sanctorum in Wampach n. 4 sollen damit offenbar nicht mehr nur die Kirchen, sondern auch das Kloster einschließen, aber ganz eindeu- tig ist die Formulierung trotz vorheriger Erwähnung des Klosters auch jetzt nicht. Die Pön beträgt in Wampach n. 4 auri libram unan, argenti pondo dtto104,ist also gegenüber Wampach n. 3 erheblich vermindert, während es im Verhältnis von Gold und Silber bei dem üblichen 1:2 bleibt. Wampach n. 4 ist ebenso wie Wampach n. 3 von den Bischöfen Basinus und Liutwinus bezeugt, außerdem von Theodefridus [in n. 3 pbr.]. Gnndebertns. Bertwinns. Adelbertus. Trasebrictus [! ]. Garibertus [in n. 3 pbr. ]. Gazeberfus.Audobertus [in n. 3 pbr. ]. Waltharins [in n. 3 dia.]. Man sieht, dass in Wampach n. 4 mehrere Zeugen keinen Titel tragen, die in Wampach n. 3 als Geistliche verschiedener Grade ausgewiesen sind, was für die Identifizierung von Zeugen in den folgenden Traditionen von Be- deutung ist. c) In einem dritten, wiederum an Willibrord gerichteten und wiederum von dem Priester Huncio geschriebenen Diplom vom 1. Juli, das auf Grund der Regierungsjahre (V) wohl korrekt zu 699 eingeordnet wird (Wampach n. 6), bestätigt Irmina dem Kloster des Willibrord (ad monaste- den [beiden] Heiligen" (= Kirchen) (vel [! ] rium vestrum) sowie Orten von ad illa loca sanctorum), die zu Ehren der Dreifaltigkeit und der Heiligen Peter und Paul errichtet wurden, eine Menge von Gerätschaften, die sie in den Kirchen und dem Kloster (in ipsa loca sanctorum vel [! ] in predicto mona-

104 698 Dez 1 Trier: WAMPACH(,. vie Anm. 58), S. 20-23 n. 4. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 133

(d. h. ihnen übergeben) befohlen hatte (poliere sterio) niederzulegen" zu itissi); außerdem schenkt sie zu Händen Willibrords an das Kloster (vobis f... ] ad ipstttn ntonasteritnn) die von ihr gekaufte villa Berg im Zülpichgau105. Bei der Pön weichen Gold und Silber mit 3:8 (attri libras tres, argenti pondo VIII) etwas vom üblichen Verhältnis ab, doch beträgt dieses gelegentlich auch 1:2,5 (hier 1:2,66), so dass es damit seine Richtigkeit haben mag. Ebenso wäre jedoch möglich, dass der Goldwert in der Vorlage in Ziffern geschrieben war und der Kopist bei der Übertragung die vierte Haste einer ursprünglichen IIII übersah. - Zeugen sind nach Schreiber und Stifterin er- neut die beiden Bischöfe, danach Walt)taritts diacontts [auch n. 3; in n. 4 o. Titel]. Bertuiuus diaconus [in n. 4 o. Titel]. Faroberttts diaconus. Ethberictus [! ] presbiter. Garberictus [in n. 3 pbr., n. 4: Garibertus]. Transberictus [n. 4: Trasebric- itis]. Bosa.Attdoberttts [auch n. 4; in n. 3: pbr. ]. d) und e) Auf Grund des Regierungsjahres (X) setzte Wampach die Beur- kundung von zwei weiteren Schenkungen Irminas an Willibrord bzw. Ech- ternach (Wampach n. 9 und n. 10), nämlich von Gütern in Steinheim a.d. Sauer und einem Weinberg in Trier, beide in Trier an demselben Tag, einem 8. Mai ausgestellt, in das Jahr 704106,obwohl er sehr wohl bemerkte und bei beiden Urkunden ausdrücklich festhielt, dass die Fassung dieselbe (! ) sei wie in Wampach n. 6 von 699 Juli 1107.Wampach n. 9 ist wiederum von Huncio geschrieben, während n. 10 zwar nicht von diesem selbst stammt, jedoch mit seiner Erlaubnis (ex pertttisso [! ] senions inei) von dem Priester Warettbertus geschrieben wurde. In beiden Stücken beträgt die Pön genau wie in Wampach n. 6 auri librant tnrant, argenti pondo duo. Da dieses Verhält- nis mehrfach so und in Worten angegeben ist, darf eine Pön wie in Wam- pach n. 11 von [704] Okt 1 als Beweis für die häufige Verwechslung von Zif- fern durch Kopisten angeführt werden, lautet doch die Angabe der Pön dort auri libraut ttttain, argenti pondo X [! ]. Das wäre ein Verhältnis von Gold zu Silber von 1:10, was ziemlich ausgeschlossen erscheint. Anzunehmen ist hier ein ursprüngliches Silbergewicht von II, das (vielleicht auf dem Umweg über U= V) zu X verlesen wurde. In Wampach n. 9 wird zwar nicht Bischof Liutwin, wohl aber Bischof Basi- nus als Zeuge aufgeführt; der an dritter Stelle nach diesem genannte Pries- ter (! ) Leodointts ist sicher nicht, wie Eugen Ewig annahm, mit dem gleich- namigen Bischof zu identifizierenlOS, sondern mit dem Priester, der in Weißenburger Urkunden noch bis 724 Juli 10 nachgewiesen ist109.Übrigens wird von 712 bis 715 auch ein Gaucebertus als Priester (und Schreiber) in

105 699 Juli 1: WA.mmAcH (wie Anm. 58), S. 24-26 n. 6. 106 704 Mai 8:: WWAMPACH(wie Anm. 58), S. 31f n. 9 und S. 33f n. 10. 107 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 31 (Vorbem. zu n. 9) bzw. S. 33 (Vorbem. zu n. 10). 108 EiviG, Trier (%vieAnm. 38), S. 133 Anm. 129. 109 724 Juli 10: GLbctr. IER/DOLL (%vieAnm. 3), S. 503f n. 262. 134 HEINRICH WAGNER

Weißenburger Urkunden envähnt110, der mit dem im Jahr 706 in der Zeu- genreihe einer von Erzbischof (! ) Liuhwin ausgestellten Urkundelll ge- nannten Gansberttts [! = Gattsberttts] (...) diaconns und/oder mit dem in den Echternacher Urkunden als Zeuge genannten Gazebertus personengleich sein dürfte, wie ja ohnehin anzunehmen ist, dass Weißenburg bei der Gründung von Echternach personelle Hilfestellung geleistet hat. Auf Basi- nus folgen in der Zeugenreihe von Wampach n. 9 Rndobertus. Dagoittus. Leo- dointts pbr. Gauceberttts [n. 4: Gazebertus]. Garibertus [in n. 3 pbr; n. 4; in n. 6: Garberictus]. Magnobertus. Quitario [! ]. Trasebertus[in n. 4: Trasebricttts; in n. 6: Transbericttts]. Waltarius diaconns [n. 3; in n. 4 o. Titel; n. 6; n. 9]. Bobo. In Wampach n. 10, obwohl an demselben Tag ausgestellt, wird keiner der beiden Bischöfe als Zeuge erwähnt. Außer dem Schreiber Warettbertus und Irmina selbst erscheinen als Zeugen nur Dagoinus [n. 9]. Rndobertus [n. 9]. Gattcebertus [n. 4: Gazebertus; n. 9]. Quilt anus [! n. 9: Quitario]. Magnobertus. Huncio (...) presbiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl Wampach n. 6 wie auch Wampach n. 9 und n. 10 in demselben Jahr ausgestellt wurden, dass also beim Regie- 9 rungsjahr von n. und n. 10 jeweils nicht das berühmte -X- für ein -U- (= -V-), sondern umgekehrt ein -V- jeweils zu einem -X- verlesen wurde, Wampach n. 9 und n. 10 vom B. Mai mithin vor Wampach n. 6 vom 1. Juli einzuordnen sind, ergibt sich aber nicht nur aus dem formalen Aspekt der Urkundenfassung, auf den Wampach nur hinwies, ohne daraus Konse- quenzen für die Datierung zu ziehen. Dafür spricht auch die Übereinstim- mung einer Reihe von Zeugen, die noch größeres Gewicht erhält, wenn man annimmt, dass der nur in Wampach n. 9 und n. 10 erscheinende Radoberttts mit dem nur in Wampach n. 3, n. 4 und n. 6 nachgewiesenen Audobertus identisch ist. Da beide nie gleichzeitig in einer Urkunde ge- in der nannt werden und merovingischen Urkundenkursive das -u- gele- gentlich wie ein -a- in lateinischer Ausgangsschrift erscheint112, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verlesung groß. Für eine Ausstellung aller bisher behandelten Stücke mit Ausnahme von Wampach n. 3 und n. 4 im Jahr 699 sprechen aber auch inhaltliche Erwä- gungen. Würde man die überlieferte Datierung der Urkunden Wampach n. 9 und 10 für bare Münze nehmen, müssten nämlich, nachdem Irmina mit der Ausstattung des von ihr gegründeten Klosters begonnen hatte,

110 712 Apr 20: GLÖCKNER/DOLL(wie S. Anm. 3), 444f n. 225. - (713) Apr 22: Ebd., S. 413-415 n. 202. - 715 Jan 1: Ebd., S. 470-472 n. 239. 111 706 Feb 1: Heinrich BEYER,Leopold ELTESrERund Adam GOERZ(Bearb. ), Ur- kundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien, 3 Bde. Koblenz 1860-1874, ND Aalen 1974, hier 1, S. 9f n. 7a. 112 Vgl. PERTZ(wie etwa Anm. 24), Faks. von D 76 nach S. 66, Mitte der ersten Zeile: una". ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 135 mehr als fünf Jahre verstrichen sein, bis sie mit dieser Ausstattung fort- fuhr; eine Annahme, die jeder Wahrscheinlichkeit entbehrt, zumal wenn sie, wie die Errichtung ihres Testaments nahe legt, mit ihrem baldigen Ab- leben rechnete. Da einige der im Folgenden zu besprechenden Urkunden zum Teil durch das (in diesen Fällen mutmaßlich richtig überlieferte) Re- gierungsjahr ebenfalls auf 699 zu datieren sind, spricht auch dies dafür, dass die Dotation keine solche langjährige Unterbrechung erfahren hat. Eine weitere Überlegung, welche in hohem Maße geeignet ist, die Umda- tierung beider Urkunden in das Jahr 699 zu stützen, dürfte gleichzeitig die Feststellung Werners dass Willibrord gegenstandslos machen, sich unmit- telbar nach Ausstellung der Urkunde vom 1. Mai 704 von Würzburg aus Trier begeben haben" B. Mai 704 Schenkun- nach müsse, wo er am zwei gen Irminas entgegennahm"113. Dass Willibrord in Managermanier von einem Urkundentermin zum nächsten hetzte und am B. Mai ohne längere Vorberatungen Zustimmung Ver- nur seine zu einem unterschriftsreifen trag" zu erteilen gehabt hätte, ist eine Vorstellung, die mit der frühmittelal- terlichen Wirklichkeit nicht viel gemein haben dürfte. Ohnehin ist es bei ca. 230 km Luftlinie (! ) Entfernung zwischen Würzburg und Trier nicht sehr wahrscheinlich, dass Willibrord - auch bei Benutzung des Wasser- weges - überhaupt am B. Mai 704 schon in Trier gewesen sein kann - zumal die Tage der beiden Beurkundungen (1. und B. Mai) ja kaum als Rei- setage in Frage kommen. Ebenso wenig ist denkbar, dass Willibrord die schenkende herzogliche Familie dadurch brüskiert hätte, dass er unmittel- bar nach Ausfertigung der Urkunde den Hof in Würzburg verließ. f) Eine Gerelindis, auf Grund ihres Namens möglicherweise mit dem Gra- fen Charibert/Gerbert der Urkunde Wampach n. 4 verwandt114, die im vierten Regierungsjahr Childeberts, also wohl noch 698 einen Weinberg zu Klotten an der Mosel an Willibrord schenkte115,ist Tochter eines Odo (Au- doin). g) Bisher wurde meist angenommen, dass Haderich, der im fünften Regie- rungsjahr Childeberts, also wohl im Jahr 699 seine Güter in Ruimel, Ge- monde und Tede (in Toxandrien s. s' Hertogenbosch) an Willibrord über- (! ) trug116,ihr Bruder - weil Sohn eines Odo - war; eine Annahme, die Wer-

113 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 156 Anm. 530. 114 [696]: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 16f n. 2*. 115 [698]: WAM (wie Anm. 58), S. 23 5 (zu Dezember 13"). Da FACH n. 697-698 vor von der Regierungszeit Childeberts III., der nach GROTEFEND(wie Anm. 20), S. 112 Ende" den Thron bestieg, Wochen in das Jahr 694 694 allenfalls wenige fielen, dürften wohl fast alle der nach ihm datierten Urkunden in das jeweils nächsthöhere Kalenderjahr fallen. [698-699]: WAAMPACH(wie 116 Anm. 58), S. 26f n. 7. - Zur Identifizierung der Orte vgl. SPRENGERDE RovER (= Brabants Heem 3) 1951, S. 50ff (so zit. b. WERNER, Adelsfamilien, wie Anm. 97, S. 296 Anm. 521). Zu der bisherigen Identifizie- rung vgl. ebd., Anm. 520. 136 HEII, 'RICH V1'wcNER ner mit guten Gründen bezweifelte117. Beide verlorenen Urkunden passen zeitlich jedoch gut als Auftakt zu dem für die Ausstattung von Echternach offenbar entscheidenden Jahr 699. h) Im 10. Regierungsjahr Childeberts III. [= 704] schenkten eine Ymena sowie deren Töchter Attala und Chrodelindis an Willibrord ihren Teil an der villa Cabriaco (= Köwerich) und in der villa Bedelinga; und zwar all das, was sie von ihren parentes hatten11s Auch diese Tradition ist nur als Kurz- regest im so genannten Testament ti%rillibrords - schon Wampach wies nach, dass es sich hier nicht um ein wirkliches Testament, sondern ledig- lich um eine Schenkung a die presenti handelt119 - erhalten und war nach dessen Wortlaut an diesen selbst als Beschenkten gerichtet. Eine in der For- schung häufig angenommene Gleichsetzung der Schenkerin Ymena mit Ir- mina von Oeren hat Werner mit guten Gründen in Frage gestellt120,ebenso wie der darin genannte Ort Bedeliiiga nicht ohne weiteres mit dem in Wam- pach n. 3 von 698 und Wampach n. 4 von 699 genannten Badeliegen identifi- ziert werden kann121.Auch die Identifizierung von Ymenas Tochter Attala mit Adela von Pfalzel ist nicht gesichert bzw nicht einmal wahrschein- lich122 i) In den Rahmen einer annähernd gleichzeitigen Förderung einer Fami- lienstiftung mag auch die Tradition eines Grafen Gerbert [Garibert/Chari- bert] - auf Grund der Namengleichheit vielleicht ein Verwandter des oben mehrfach als Zeuge genannten Priesters Gariberttts - und seiner Schwester, der Deo sacrata Bilitrudis, gehören, die Willibrord angeblich im zweiten Regierungsjahr Childeberts M. ihre nicht näher spezifizierten pat- rimonia schenkten. Wenn das überlieferte Regierungsjahr II aus ursprüng- lich V verlesen worden wäre, müsste auch diese Tradition dem Jahr 699 Die Verlesung (V) zugeordnet werden' . von -II- zu -U- und umgekehrt gehört jedenfalls zu den relativ häufigen Fehlleistungen der Echternacher Kopisten, wie sich nicht nur an Hand von Ziffern in der Datierung, son- dern auch bei anderen Zahlenangaben, etwa bei der Pön feststellen lässt. j) Ganz ohne chronologische Merkmale, aber in Willibrords so genanntem Testament unmittelbar vor der Schenkung Hetans II. [von 704] aufgeführt ist die Tradition eines Thietbaldus, der Willibrord eine Kirche in villa Mitl-

117 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 296f. 118 704 o.T.: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 36f n. 12*. 119 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 92-95. 120 Vgl. WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), 5.105-121; dort auch die einschlä- gige Literatur zu dieser Frage. 121 Hierauf machte WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 112-118 aufmerksam. 122 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 27,121f und passim (Register S. 337). 123 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 16f n. 2* (zu [6961). ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 137 naim que Araride vocatur mit allem Zubehör schenkte124.Bei Araride, einem Namen, der sich bisher allen Erklärungsversuchen widersetzt hat und daher falsch dürfte vermutlich überliefert wurde, das erste -r- aus -s- verle- Schreiber sen und von einem romanischen das anlautende -h- nicht ge- schrieben worden sein. Während man nämlich mit Araride gar nichts an- fangen kann, kommt der auf die eben dargelegte, ganz unbedenkliche Weise in (H)Asaride emendierte Ortsname öfter vor. Sein vielleicht bekann- tester Vertreter ist das karolingerzeitliche Kloster Hasareoda oder Hasareeda = Herrieden in Mittelfranken (sw Ansbach). Auffälligerweise ist Herrieden aber auch als Flurname in Würzburg-Heidingsfeld bezeugt125,in dem Her- zog Hetan II. nachweislich begütert war, und ebenso auffällig ist das Auf- treten des Ortsnamens Herreden in Thüringen (4 km nw. und Lk. Nord- hausen)126.Es wäre daher zu erwägen, ob nicht auch das merovingerzeitli- che mutmaßliche Hasaride heute noch in einem Flurnamen in Köln-Mül- heim erhalten geblieben ist127.Da die Mülheimer Kirche ein Clemens-Pat- hat rozinium - bekanntlich war Willibrord im Jahr 695 in der der hl. Cäci- lia geweihten römischen Basilika am 22. November, dem Fest der Heiligen, gleichzeitig Vortag des Festes des M. Papstes Clemens, von Papst Sergius I. (687-701) zum Erzbischof der Friesen und auf den Namen Clemens ge- weiht worden128 - ist an der Identität des in der Urkunde genannten Mül- heim jedenfalls kaum zu zweifeln. Außerdem ist angesichts der in der Vita Bonifatii zusammen genannten thüringischen (! ) daces Theotbald und Hetan (II. ) Verwandtschaft (wenn Identität) hier eine nicht des - freilich ohne Titel vermerkten - Schenkers Thietbaldus mit dem dux Theotbald sehr wahrscheinlich, auf Grund des Namens vielleicht eines Verwandten des dux Theotharius und dessen Sohnes Theothard, aus deren früherem Besitz der Hausmeier Pippin und seine Frau Plektrudis nur wenige Jahre später Güter in der villa Echtemach an das dortige Kloster übertrugen129.

124 (726): WAAIPACH(wvie Anm. 58), S. 95-97 n. 39. 125 Noch heute in Heidingsfeld (auch gibt es einen Heriedenweg" genannt im Postleitzahlenbuch S. 957). 126 Ca. 1206: Otto DOBENECICER(Bearb. ), Regesta diplomatica necnon epistolaria Historiae Thuringiae, 4 Bde. Jena 1896-1939; hier 2, S. 246 n. 1323f. - Nach A. WERNEBURG,Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thüringens (= Jahr- bücher d. Kgl. Al- Gemeinütziger Wissenschaften zu Erfurt NF 12,1884). ND Köln 1983 (= Mitteldeutsche Forschungen: Sonderreihe Quellen und Darstel- lungen in Nachdrucken 2), hier 5.118 im Jahr 1197 Hereden, 1285 als als Her- riden" bezeugt. 127 Eine diesbezügliche Anfrage an das Stadtarchiv Köln blieb leider bis heute un- beantwortet. 128 Diese Nachricht der Vita 4lrillibrordi c. 7 wird u. a. durch den Eintrag eines Mainzer Martyrologiums (Dedicatio s. Cleni(en)tis ep.) bestätigt: Sirka HEYNE, Studien zur Mainzer und Fuldaer Liturgiegeschichte (= QmrhKG 73). Mainz 1996, hier S. 52. 129 706 (701 ?) Mai 13: WA.MiPAcH (, wie Anm. 58), S. 38-41 n. 14. 138 HEINRICH WAGNER

Besitz in verschiedenen Reichsteilen ist ja ein untrügliches Kennzeichen der reichsfränkischen Oberschicht, weshalb eine Kirche im weitab liegen- den Mülheim sehr wohl zum (Erb-)Gut des thüringischen Herzogs bzw. eines gleichnamigen Verwandten gehört haben kann, zumal auch der zu- sammen mit dem diix Theotbald genannte mainfränkische Herzog Hetan (II. ) zu den Gönnern des Friesenapostels zählte. Wie erwähnt, sind die frühen Urkunden des Klosters Echternach nur ko- pial überliefert. Trotz der durch die bloße Tatsache der Abschrift sozusa- Fehlerquellen Camillus Wampach, der gen programmierten" schätzte erste kritische Editor der frühmittelalterlichen Echtemacher Urkunden, die Qualität der kopialen Überlieferung so hoch ein, dass er nur bei wenigen Stücken von dem überlieferten Datum abwich, etwa wenn Regierungs- jahre angegeben waren, die von der Amtszeit der genannten Herrscher her nicht möglich waren. Dabei hatte Wampach, wie er an verschiedenen Stel- len bemerkt, keine sehr hohe Meinung von der Sorgfalt und dem Können der Kopisten. Besonders bei dem Kompilator B machte er auf die vielen orthographischen Varianten und sinnentstellenden Fehler" aufinerksam130. Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Angesichts der oben kom- mentierten frühen Echternacher Urkunden, die im vierten bzw. fünften Re- gierungsjahr Childeberts III. ausgestellt wurden, angesichts auch der Tat- sache, dass in den frühen Traditionen überhaupt keine Stücke mit dem 6. bis 9. Regierungsjahr Childeberts überliefert sind, was man bei einer sich über mehrere Jahre hinziehenden Klostergründung eigentlich erwar- ten sollte, schließlich unter Berücksichtigung auch der Tatsache, dass in den Urkunden von 698 und 699 zwei Kirchen und ein Kloster in Echter- nach bereits als fertig gestellt genannt sind, gewinnt die Vermutung doch sehr an Wahrscheinlichkeit, dass bei den Urkunden Wampach n. 9 und n. 10 (richtig) (irrig) die Regierungsjahre aus -V- zu -X- verlesen wurden, und auch andere Urkunden ursprünglich das 5. Regierungsjahr Childeberts als Datierungsmerkmal trugen, so dass die Gründung von Echternach im Jahr 699 wohl als weitgehend abgeschlossen gelten darf. Die Ausstattungsur- kunden für Echternach dürften demnach wie folgt anzuordnen sein: 698 Nov 1: Wampach n. 3 698 Dez 1: Wampach n. 4 [699] Mai 8: Wampach n. 9 [699] Mai 8: Wampach n. 10 699 Juli 1: Wampach n. 6

130 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 89. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 139 k) Zur Datierung der Diplome Pippins des Mittleren für Willibrord 1. Am 13. Mai angeblich des Jahres 706 stellten Pippin II. und seine Frau Plektrud zwei Diplome für Echternach aus131.Im ersten Stück (Wampach 14) Kloster (ad Echternach, n. schenkten sie ihrem" monasferium nostrum) das inzwischen Pippin an aufgetragen132 und angeblich auf eigenem Grund und Boden" (in re proprietatis nostre) erbaut worden war, und wo Pippin (! ) Willibrord als Leiter eingesetzt hatte, jenes Halbteil (medietas) an Echternach, das vorher der dux Theotarius innehatte (tenrnit) und später dessen Sohn Theodardus ihnen, d. h. Pippin und Plektrud, übertragen hatte, mit Ausnahme des Besitzes (prefer illam rein), den Irmina in Echter- nach innehatte (tennit). 2. In einer zweiten Urkunde (Wampach n. 15) bestätigten Pippin und Plek- (! ) trud Vlillibrord das angeblich von diesem selbst - also nicht von Irmina - auf dem Besitz der Aussteller (! ) erbaute Kloster (quod ipse I... 1 edificavit in rebus proprietatis nosfre), gewähren freie Abtswahl und verleihen ihren Schutz. Die Pön beträgt in beiden Urkunden auri libras X, argenti pondo XX, ist also sehr hoch, steht aber im üblichen Verhältnis 1:2. Die beiden Diplome Pippins und Plektruds spiegeln die durch Willibrords Auftragung von Echternach an Pippin geänderte Rechtslage des Klosters wider, aber sie enthalten offenbar auch eine handfeste Geschichtsklitte- rung, und zwar insofern, als Irmina aus dem Gründungsprozess des Klosters Echternach praktisch gänzlich eliminiert wird, woran Pippin of- fenbar ein großes Interesse hatte und Willibrord nichts ändern konnte. 1) Das Todesjahr Irminas von Oeren 1. Aus der Tatsache, dass in Wampach n. 14 bei Irmina im Gegensatz zu Theotarius und Theodardus das quondam fehlt, das die genannten Männer als verstorben charakterisiert, leitete Werner ab, dass Irmina im Jahr 706 haben Seine Formulierung, dass Aussage noch gelebt müsse. sie nach einer Urkunde Pippins H. und Plektruds noch im Jahre 706 unter den Le- benden" ist im höchsten Grade denn handelt weilte' , aber anfechtbar, es sich hierbei um ein bloßes argumentum e silentio, dem schon durch die oben wahrscheinlich gemachte Datierung der Urkunden Wampach n. 9 und 10 in das Jahr 699 (siehe oben) der Boden weitgehend entzogen sein dürfte. Zu berücksichtigen ist auch, dass der nach Wampachs Urteil nicht nur gele- Kopist dann gentlich unzuverlässige innerhalb nur eines Satzes - nach Theotarius und Theodardus - zum dritten Mal (nach dem Namen Ermina) ein quondam hätte schreiben müssen, das er sich sehr wohl einfach erspart

131 706 Mai 13: W, trAct-t (wie Anm. 58), S. 38-41 n. 14 bzw. S. 41-43 n. 15. 132 WWTArtPACH(wie Anm. 58), S. 37f n. 13*; vgl. LEVISON,SSrerMerov 7, S. 88f (zit. nach WERNER,Adelsfamilien, wie Anm. 97, S. 85). 133 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 37. 140 HEU.auctt WAGNER oder auch übersehen haben mag. Wenn das neue Kloster nicht in existenti- ellen Nöten schwebte, denen Irmina nicht steuern konnte - wofür es aber gar keine Anzeichen gibt - wäre es eine ganz unbegreifliche Pietätlosigkeit, wenn Willibrord Echternach noch zu Lebzeiten seiner Gönnerin, der das Kloster und er selbst bis dahin so gut wie alles verdankten, was den Besitz in und um Echternach ausmachte, an den Hausmeier übertragen hätte. Wie dieser zu Irmina und ihrer Rolle bei der Gründung von Echternach stand, geht ja aus seinen eigenen Urkunden sehr deutlich hervor. 2. Auf die Gefahr hin, schwankenden Boden zu betreten, sei daher fol- gende Möglichkeit erwogen, die sich vielleicht bei zuverlässigerer chrono- logischer Einordnung der in den Zeugenreihen der von Pippin und Plek- trud ausgestellten Diplome genannten Bischöfe erhärten lässt. Der Datie- rung der oben genannten beiden Urkunden Pippins auf angeblich 706 lie- gen nämlich, wie bei allen bisher erörterten Stück=en,nur die Regierungs- Childeberts jahre zugrunde, in diesem Fall XII. Sollte das -X- aber nur aus ursprünglich -V- verlesen sein, wie dies bei den Ausstattungsurkunden Wampach n. 9 und n. 10 wahrscheinlich zu machen war, würde dies auf das Jahr 701 führen. Das hieße, dass die an einem 24. Dezember'-14 verstorbene Irmina wahrscheinlich bereits im Jahr 699, spätestens im Jahr 700 das Zeit- liche gesegnet hätte und Willibrord, der als Landfremder auf das Wohlwol- len der einheimischen Großen angewiesen war, sich bereits im Laufe des folgenden Jahres (700 bzw. 701) um den Schutz seines Klosters durch den Hausmeier bemühte, der in Wampach n. 14 und n. 15 von 70[1] Mai 13 be- reits als Tatsache erwähnt wird. 3. Wie unsicher die Überlieferung von lediglich in Ziffern geschriebenen Jahresangaben ist, beweist auch eine angeblich im 12. (! ) Regierungsjahr König Chlodowechs (III. ) ausgestellte Weißenburger Urkunde; dieser hat nämlich nur etwas über vier Jahre (690 vor Mai 18 ?- 694 Ende) regiert. Damit gibt es in diesem Fall überhaupt keine andere Möglichkeit, als dass die Ziffer XII aus ursprünglich 1111(!) verlesen wurde13s. m) Zum Ausstellungsjahr des DKar I 186 für Echtemach Dass die Echternacher Kopisten große Probleme mit römischen Ziffern hatten, beweist auch die Datierung einer Urkunde Karls des Großen, in der dieser dem Kloster nachträglich eine Schenkung seines 771 verstorbe- nen Bruders Karlmann bestätigte. Die nur rudimentär überlieferte Datie- rung lautet: Actunl anno XII regnante Karolo rege.Da Beornrad, der damalige Vorsteher von Echternach, in dem Diplom bereits als Erzbischof von Sens bezeichnet Mühlbacher D 186 785-797]" wird, setzte zu [783 oder an; denn nach den Echternacher Urkunden, so Mühlbacher in der Vorbemer-

134 WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 38 mit Anm. 16. 135 Vgl. Vorbemerkung zu GLÖcK %ZER/Dora.(wie Anm. 3), n. 38. ZUR GRÜNDUNG DER KLOSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 141 kung zu D 184, dürfte Beornrad 783/84 oder 785/86 Erzbischof von Sens geworden sein. Die für D 186 überlieferte Datierung hielt Mühlbacher für nicht authentisch (Vorbemerkung) und zweifelte sie mit folgenden Worten in B' überlieferte Datierung dadurch hinfällig, an: Die nur wird schon dass Beonrad [! ] in einer Echternacher Privaturkunde mit der gleichen Da- tirung anno XII regn. Karolo rege (...) nur den Titel abbas führt". Hier Mühlbacher freilich keinen Unterschied machte zwischen Privat-" und Herrscherurkunden. Dabei lässt sich das Problem ganz einfach lösen, wenn man annimmt, dass der Echternacher Kopist die Regierungsjahre falsch überlieferte, weil er eine etwas breit und nachlässig geschriebene -V- von ursprünglich XV in eine -II- (= X11) verlas. Das 15. Jahr Karls reichte bekanntlich von 782 Okt 10 bis 783 Okt 9 und würde damit genau [! ] auf das von Mühlbacher für Beornrad vermutete Ernennungsjahr 783 führen, was die Wahrscheinlichkeit gewiss erhöht, dass diese Emendation das Richtige trifft. Da die Kanzlei Karls des Großen bei der Datierung von D 186 nach so langer Zeit und bei dem bekannt schlechten Verhältnis zwi- schen Karl und seinem Bruder Karlmann auch bei Empfängern in dessen früherem Reichsteil mit Sicherheit keine Rücksicht auf die Regierungsjahre Karlmanns genommen hat, wäre allenfalls möglich, dass man in Echter- nach die Regierungsjahre Karls bei der Kopie des Diploms eigenmächtig um die drei Jahre der Regierung Karlmanns vermindert hätte (womit man übrigens ebenfalls auf 783 kommen würde). Das scheint mir aber eine recht weit hergeholte Möglichkeit im Vergleich zu der vorgeschlagenen Emendation, mit der sich alle Schwierigkeiten in Wohlgefallen auflösen würden. Damit wird man überdies die Ernennung Beornrads zum Erzbi- schof von Sens nunmehr mit größerer Sicherheit als vorher in das Jahr 783 setzen können.

IV. DER BESITZ DES KLOSTERS ECHTERNACH IN MAINFRANKEN a) Zur Hetan-Urkunde von 704 und zur urkundlichen Erstnennung Würzburgs Die Übertragungen von mainfränkischen Gütern an Echternach, und, wie Willibrords so genanntes Testament für Echternach von 726 ausweist136, auch an Willibrord persönlich, waren angesichts der bedeutenden Entfer- nung relativ zahlreich. In jedem Fall ist - das hat die Forschung schon immer so gesehen - in diesen Schenkungen ein starkes Indiz dafür zu sehen, dass der mainfränkische Adel Beziehungen zum Adel des Maas- Mosel-Gebietes hatte13, auch wenn auf Grund der Quellenlage keine ver-

136 726 o.T.: WAMtmcx (%vieAnm. 58), S. 83-97 n. 39. 137 Vgl. INTERNIER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 148-160. 142 HEINRICH WAGNER wandtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Gruppen mehr zu ermit- teln sind. Zu den Schenkungen, die an Willibrord persönlich gingen, zunächst ein- mal also mit dem Kloster Echternach nichts zu tun hatten, zählen u. a. zwei Übertragungen von umfangreichen Gütern der mainfränkischen Herzogs- familie. Hetan II. und seine Frau Theotrada schenkten Willibrord für ihr Seelenheil in einer 704 im castellum Virteburch ausgestellten Urkunde ihren Fronhof (curtis) in Arnstadt (17 km ssw. Erfurt) mit genanntem, umfangrei- chem Zubehör, außerdem Güter und Leute im castellum Mühlberg (19 km sw. Erfurt) sowie Güter und Leute in einer weiteren curtis namens Monhore, das wohl mit Großmonra a.d. Schmücke (32 km nö. Erfurt) zu identifizieren ist138.716 übertrug Hetan im mainfränkischen Saalegau (in pago saluense)Willibrord seine dortigen Güter aus väterlichem und mütter- lichem Erbe zum Zwecke einer Klostergründung in Hammelburg139. He- tans und Theotradas Sohn Thuring unterzeichnete beide Urkunden zum Zeichen seines Einverständnisses. In seiner Schenkungsurkunde für Ech- ternach (Wampach n. 39) übertrug Willibrord der Abtei nur die thüringi- schen Güter; der Besitz im Saalegau dagegen scheint damals immer noch einer eventuellen Klostergründung vorbehalten gewesen zu sein, die wohl in erster Linie wegen des Aussterbens des mainfränkischen Herzogshau- ses unterblieb. Erst nach Willibrords Tod (739) wird Echternach ihn auch dort beerbt haben. b) Weitere Schenkungen im Saalegau an Echternach 1. Eine ancilla Dei und Deo sacrata namens Gerwina schenkte eine curtis in einer villa Berge nahe der Saale im Saalegau (iuxta fluuiunl salua in pago sa- luense)140Die Urkunde hat das 12. Königsjahr Pippins als einziges Datie- rungsmerkmal, weshalb zunächst sowohl 762 als auch 763 als Ausstel- lungsjahr in Frage kommt. Da Pippin aber erst im November 751 zum König gekrönt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Urkunde 763 ausgestellt wurde. Die villa Berge konnte bisher noch nicht überzeu- gend lokalisiert werden. Der einzige Ort im mittleren Saaletal, der heute hat, überhaupt eine -berg-Endung ist Trimberg. Da dieses nur wenige Kilo- meter südwestlich von Euerdorf liegt, in dem Echternach offenbar auf Grund der Schenkung von 716 Besitz hatte und dessen mutmaßlich

138 704 Mai 1: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 27-31 n. 8. - DOBENECKER,Regesta diplo- matica 1 (wie Anm. 126), S. 3f n. 5 tritt 4 Anm. 6 für Monra Lk. Eckartsberga ein. 139 716 Apr 18 Hammelburg: WAMPACH(wie Anm. 58), S. 63-65 n. 26. 140 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 113f n. 48. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 143 früheste Kirche dem hl. Willibrord geweiht war141, wäre eine Identität im- merhin denkbar. Walter Mahr setzte dagegen Berge im Anschluss an Karl Dinklage mit der 901/02 prekarisch an einen Rupert (Brttotbert [! ]) und dessen Frau Kunigunde verliehenen curtis Peffitulutsa bzw. mit dem 907 an Fulda vertauschten Pfaffenhausen (ssö. Hammelburg) gleich142. Vielleicht ist der Ort aber wüstgefallen und mit dem (kontrahierten und um den Sproßkonsonanten -t- vermehrten) Namen seiner früheren Besitzerin Ger- kombiniert in (Flurname Gem. Langendorf) wina Gerstberg" erhalten ge- blieben. Die Frage bedarf der weiteren Untersuchung. 2.777/78 vermachte ein Hainradus Echternach zu seinem Seelenheil seine - durch den Kopisten leider nicht spezifizierten - Güter in Grttotta an der Jossa (superfluvio Gaza)1. Die Urkunde trägt als einziges Datierungsmerk- mal das 10. Königsjahr Karls. Trotz der von Wampach eingehend begrün- deten Datierung der Echternacher Urkunden nach den Regierungsjahren Karls des Großen erst ab dem Tod seines Bruders Karlmann (771 Dez 4)144, möchte ich mich wie schon bei DKar I 186 auch in diesem Fall für eine Da- tierung von Karls Regierungsjahren ab 768 aussprechen, da nicht anzuneh- men ist, dass die Echternacher Mönche ihre möglichen Vorbehalte gegen- über Karl dem Großen über längere Zeit aufrechterhalten haben. Claus Cramer identifizierte Gruotta Besitzkontinuität" wegen fuldischer mit Neuengronau (alter Lk. Schlüchtern)145, doch erscheint mir dieses Argu- ment nicht überzeugend. In erster Linie wäre in diesem Zusammenhang doch wohl das Problem zu erörtern gewesen, dass weder Alten- noch Neu- engronau an der Jossa liegen. Möglicherweise wurde aber der heutige Western-Bach, der in einem Abstand von ca. 3 km etwa parallel zum Un- terlauf der Jossa verläuft und bei Altengronau in die Sinn mündet (nicht aber durch Neuengronau fließt! ), früher ebenfalls Jossa genannt; eine Er- scheinung, die auch sonst nicht selten ist; man vergleiche in unmittelbarer Nähe Sinn Sinn. Es daher bei dem und Kleine" oder Schmale" wird sich

141 FEULNER,KDB Hammelburg (wvieAnm. 54), S. 44f; Peter VYCHITIL,Rettungsgra- bung in der Pfarrkirche St. Johannes zu Euerdorf. In: 1250 Jahre Bistum Würz- burg. Würzburg 1992, S. 235-239, hier S. 238 kommt auf Grund seiner Gra- bungsergebnisse in der heutigen Pfarrkirche St. Johannes zu dem Schluss, es könne daß die St. (... ) weiterhin vermutet werden, -Willibrords-Kapelle einen in diese frühe Zeit [gemeint ist die erste Hälfte des B. Jahrhunderts] reichenden Kirchenbau unter sich verbirgt". (wie 142 901/02. - WAAtPACH Anm. 58), S. 245-247 n. 160. - 907 März 19: DLdK 53. - Walter MAHR, Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte im fränkischen Saaletal. Phil. Diss. Würzburg 1962, S. 37; Karl DINKLAGE,Hammelburg im Frühmittelal- ter. In: Mainfränkisches Jahrbuch 11 (1959) S. 18-63, hier S. 44f. 143 WArtPACH(wie Anm. 58), S. 145f n. 82 (zu 780/1). 144 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 129-131. 145 Claus CRAMER,Landesgeschichte der Obergrafschaft Hanau. Phil. Diss. Mar- burg 1944 (masch. ), hier S. 171 (Anm. 3 zu S. 79). 144 HEU.micH WAGNER von Fulda eingetauschten echtemachischen Besitzort am ehesten um Al- tengronau handeln. 3. Eine Hadaburg schenkte wohl 779/80 Echternach ihren Besitz in Gös- senheim an der Wem, der beträchtlich gewesen sein muss, da er auch 33 Manzipien beiderlei Geschlechts einschloss146.Diese Hadaburg dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit mit jener Dame identisch sein, die zusammen mit ihrer Schwester Huoca dem Kloster Fulda unter Abt Sturmi (gest. 779) in undatierter Notiz 22 namentlich genannte Manzipien im Saalegau tra- dierte, welche sich die Schenkerinnen jedoch zu prekarischer Nutzung auf Lebenszeit vorbehielten147. Eine Ortsbestimmung findet sich in dieser Tra- dition zwar nicht, doch war sie im Saalegaucartular eingetragen. In einer ebenfalls undatierten Tradition - vermutlich im ersten Drittel des Jahres 813 - übertrug wohl dieselbe Hadaburg, nunmehr ancilla dei, weitere 23 ge- nannte Manzipien an Fulda, außerdem ihr ererbtes Eigengut sowie ihr ela- boratum in der imnnalitas Hammelburg, nämlich Güter in Diebach (w. und alter Lk. Hammelburg)148. Auf dieses undatierte Stück nimmt eine Ur- kunde von 813 Mai 2 Bezug, aus der hervorgeht, dass neben der oben ge- nannten Huoc(h)a auch eine Blitrud an den von Hadaburg geschenkten Manzipien besitzmäßig beteiligt war149. Hadaburg könnte mit der in der 816 ausgestellten Urkunde über die Gründung des Klosters Megingauds- hausen (Vorgänger des Männerklosters Münsterschwarzach) als parens des Grafen und Klostergründers von Megingaudshausen150 genannten Dame identisch sein, denn das Grafengeschlecht der so genannten Mattonen, dem Megingaud angehörte, war, wie die Schenkungen an Fulda auswei- sen, im Saalegau (von mütterlicher Seite?) stark begütert. 4. Die letzte Besitzübertragung vor der Vertauschung der gesamten Echter- nacher Güter im Saalegau an Fulda stammt von 901/02 und resultiert aus der Überlassung des von König j! ] Arnolf (also vor 896 Februar) an einen angeblichen Bruotbert und dessen Frau Kunigunde geschenkten Allods Et- telbrück in den Ardennen an Echternach, wofür das schenkende Ehepaar sich die prekarische Nutzung der Echternacher curtis Peffirnhusa (= Pfaffen- hausen) im Saalegau in der Grafschaft des Grafen Adalbert mit Zubehör in

146 WAMPACH(wie Anm. 58), S. 150f n.87 (zu 782/83). 147 Undatiert, wegen Nennung des Abtes Sturmi vor 779 Dez 17: Edmund Ernst STENGEL(Bearb. ), Urkundenbuch des Klosters Fulda, 1 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 10/1). Marburg 1958, hier S. 199f n. 142. 148 Undatiert, aber in jedem Fall vor 813 Mai 2 ausgestellt: Codex diplomaticus Fuldensis, hg. von Ernst Friedrich Johann DRONKE,1850, ND Aalen 1962, hier S. 165 n. 344. 149 813 Mai 2 Fulda: DRONKE,Codex (wie Anm. 148),S. 142f n.287. 150 816 März o.T.: Bernhard SCHMEIDLER,Fränkische Urkundenstudien. In: Jahr- buch für fränkische Landesforschung 5 (1939) S. 80-84. ZUR GRÜNDUNG DER KLÖSTER WEISSENBURG UND ECHTERNACH 145 verschiedenen Orten und allem, was an Zubehör dieser Orte östlich des Spessarts lag'51, auf ihre Lebenszeit und die ihrer eventuellen Söhne oder Töchter übertragen ließen152. Die Urkunde hat als Namen des Schenkers zwar Brttotbert, doch ist dieser singuläre Name wohl nur das Ergebnis der relativ häufigen Verlesung eines -h-, dessen Arkade in der Vorlage recht nah an den Schaft herangezo- gen worden war, zu -b-. Ein Lemma brttot- existiert nicht. Das bei Ernst Förstemann genannte Lemma brod- wird bezeichnenderweise nur in der Zusammensetzung brodttlf genannt- 131bei der es sich um eine bloße Ver- schreibung für Itrodttlf handeln dürfte. Wegen der offenbar als kakophon empfundenen Lautung sind zweiteilige, mit Lemmata desselben Anlauts gebildete Personennamen überhaupt sehr selten; m. W. ist außer Baldobert das (! ) - und ist ein dreisilbiger Name - kein weiterer Name mit doppelt anlautendem -b- bezeugt. Der angebliche brttotbert wird also am ehesten ein verlesener Itruotbert = Rupert sein. Der zu Itruotbert emendierte Inhaber der Prekarie von 901 / 02 ist vielleicht mit dem als erster von sechs Laienzeugen genannten Rttotbraltt in der Zeu- genreihe einer undatierten, im ersten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts aus- gestellten Schenkungsurkunde des Grafen Hessi im Saalegau gleichzuset- zen1'l. Die Datierung dieser Urkunde ergibt sich zum einen aus der Er- wähnung des Grafen Hessi im Saalegau (iii cotttitattt ipsitts), der dort Graf Adalbert abgelöst hatte, und dem Tod des in der Zeugenreihe genannten Priesters Hartrich (dort -ri- zu -u- als Hartttcltett verlesen), der im Jahr 909 starbl$'. Sollte der ebenfalls in der Zeugenreihe genannte Diakon und Mönch Walto mit dem toten Priester des Jahres 906 und nicht mit dem von 928 identisch seinl56, wäre der Zeitraum entsprechend einzuengen. c) Die Vertauschung der EchternacherGüter im Saalegauan Fulda Aus der Genehmigung eines Tausches umfangreicher Güter zwischen Fulda und Echternach durch König Ludwig das Kind 907 geht hervor, dass längst nicht aller Echternacher Besitz im Saalegau durch entsprechende Traditionen dokumentiert wurde. Denn Echternach vertauschte an Fulda folgende Güter im Saale- und Werngau: Die curtis Pfaffenhausen (901/02

151 Im Kopfregest bei WAMPACH(wie Anm. 58), falsch Zubehör im mit allem Spessart" übersetzt. 152 901/02. " WAMPACH(wie Anm. 58), S. 245-247 n. 160. 153 Ernst FbxsrErtAr. r, Altdeutsches Namenbuch, 1: Personennamen, 2., völlig umgearbeitete Aufl., Bonn 1900, ND München 1966, hier Sp. 337. 154 Undatiert [901/09]: DRONKE,Codex (wie Anm. 148), S. 307 n. 661. 155 SCHMID,Klostergemeinschaft 1 (wie Anm. 89), S. 317: Hartrih pbr mon (4. von 29). - Die Verlesung nicht erkannt FW 2/1 (wie Anm. 89), S. 233f (MF 52). 156 SCHMID,Klostergemeinschaft 1 (wvieAnm. 89), S. 317 bzw. S. 324. 146 HEINRICH WAGNER erstmals genannt157), [Güter in] Fuchsstadt, Euerdorf (alle alter Lk. Ham- melburg), Gössenheim (alter Lk. Gemünden), (Alten-)Gronau, Breunings, Weiperz und Kizecha (alle alter Lk. Schlüchtern)15S. Trotz der zunächst für (Bad) Kissingen sprechenden Namensform, das in der ältesten überliefer- ten Originalform von 840 Ketzicha heißt159 ist in diesem speziellen Fall wohl die Wüstung Kinzig am Oberlauf des gleichnamigen Flüsschens ganz in der Nähe des unmittelbar vorher genannten Weiperz zu verste- hen160.Was von diesen Gütern aus der Heden-Schenkung von 716 stammt, ist nicht ohne weiteres auszumachen. Da das Hammelburger Kloster west- lich (in parte occidentali super fluvio Sala), d. h. in diesem Fall aber links der Saale errichtet werden sollte161,ist anzunehmen, dass mindestens die sö. von Hammelburg ebenfalls links der Saale gelegenen Güter Pfaffenhausen und Fuchsstadt zur geplanten Ausstattung des Klosters gehörten. Mit der Vertauschung offenbar aller Güter im Saalegau fand die besitz- mäßige Präsenz Echternachs in Mainfranken nach kaum zwei Jahrhunder- ten ein Ende; der Reichsabtei Fulda gelang es mit diesem Tausch, ihre um- fangreichen Güter um Hammelburg weiter zu arrondieren. Ganz anders gestaltete sich die Entwicklung des weißenburgischen Besitzes in Main- franken: Dieser war bis fast zum Ende des 10. Jahrhunderts als Lehen aus- gegeben und wurde dem Kloster erst 985/86 durch einen Eingriff des Reichsregiments auf Dauer entfremdet.

(wie 157 901/02 o.T.: WAMPACH Anm. 58), S. 245-247 n. 160. - Zur Diskussion um die Identifizierung mit Pfaffenhausen s. Hammelburg (knapp 2 km sö. des Klosters Altstadt) statt Pfaffenhausen am Oberlauf der Jossa (11 km sö. Bad Orb) vgl. WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 160f Anm. 551. 158 907 März 19: DLdK 53. 159 840 Mai 12: BM? S. 410 n. 1006; DOBENECKER,Regesta diplomatica 1 (wie Anm. 126), S. 42 n. 183. 160 Vgl. WERNER,Adelsfamilien (wie Anm. 97), S. 161mit Anm. 552. 161 Die Fränkische Saale fließt von Pfaffenhausen aus mehrere Kilometer in Rich- tung Nordwesten.