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2015 's Krieg: Der indianische Sieg über die Vereinigten Staaten 1866–1868 Albert Winkler Brigham Young University - Provo, [email protected]

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Recommended Citation Winkler, Albert, "Red Cloud's Krieg: Der indianische Sieg über die Vereinigten Staaten 1866–1868" (2015). Books. 11. https://scholarsarchive.byu.edu/books/11

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Red Cloud's Krieg

1 Sämtliche Abbildungen: Archiv Verlag für Amerikanistik, Dietmar Kuegler und Autor

ISBN 978-3-89510-135-9 (EAN: 9783895101359)

Copyright © 2015 by VERLAG FUER AMERIKANISTIK D. Kuegler Postf. 1332, D-25938 Wyk auf Foehr, Germany, and Author

Originaltitel: Red Cloud’s War and the Indian Victory over the United States Copyright © 2015 für die deutsche Übersetzung: Dietmar Kuegler

Satzarbeiten: Verlag fuer Amerikanistik Herstellung: döringDRUCK Druckerei und Verlag GmbH, D-38104 Braunschweig

Printed in Germany

2 Albert Winkler, ph.D.

Red Cloud's Krieg

Der indianische Sieg über die Vereinigten Staaten 1866 – 1868

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch

Dietmar Kuegler

Verlag für Amerikanistik Oevenum auf Foehr Germany

3 Inhalt

Vorwort ...... 5 Der Hintergrund des Krieges ...... 6 Red Cloud ...... 6 Die amerikanische Regierung und das Land der Indianer ...... 7 Die Weißen dringen in das Land der Indianer ein ...... 8 Ein Vertrag zum Betrug der Indianern ...... 10 Die Gründung von ...... 17 Der Krieg beginnt ...... 18 Die Waff en der Armee und der Indianer ...... 19 Indianerangriff e ...... 22 Führungsschwächen der Armee ...... 24 Das Scharmützel am 6. Dezember 1866 ...... 27 Vorbereitung für die Schlacht ...... 32 Fettermans Kommando zieht aus ...... 34 Die Indianer schließen die Falle ...... 38 Der Angriff der Indianer ...... 39 Die Vernichtung der Infanterie ...... 41 Die Vernichtung der Kavallerie ...... 43 Der letzte Angriff ...... 51 Fettermans Tod ...... 52 Indianische Verluste ...... 54 Die Entsatzkolonne unter Ten Eyck ...... 55 Furcht und Schrecken in Fort Phil Kearny ...... 60 Die Bergung der Toten ...... 61 Ein verzweifelter Bote: Portugee Phillips ...... 67 Ein Winter voller Leiden ...... 70 Der Hayfi eld Fight - Die Fortsetzung des Krieges 1867 ...... 75 Der Angriff ...... 78 Al Colvin übernimmt das Kommando ...... 81 Die Rettung aus Fort Smith ...... 85 Schadensbewertung ...... 87 Die Wagenkasten-Schlacht ...... 91 Annäherung der Indianer ...... 93 Der Angriff der Krieger ...... 94 Ein verzweifelter Kampf ...... 97 Der letzte Angriff ...... 106 Die Entsatzkolonne triff t ein ...... 107 Die Verluste der Schlacht ...... 108 Der indianische Sieg und die Kapitulation der Vereinigten Staaten ...... 113 Bibliographie ...... 116

4 Vorwort

Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg fochten die Vereinigten Staaten von Amerika einen bemerkenswerten Krieg gegen die Sioux, und aus, der als „Red Cloud’s Krieg“ bekannt wurde. Er dauerte von 1866 bis 1868. Dieser Konfl ikt war ungewöhnlich wegen seiner vielen Scharmützel, vor allem aber wegen drei spektakulärer Schlachten – und er war eine teure Niederlage für die amerikanische Armee und ein wichtiger Sieg der Indianer. Der hervorragende Führer der Indianer war der große Kriegshäuptling Red Cloud, der den Erfolg im Wesentlichen verantwortete. Der Krieg sah mehrere bedeutende und blutige Kämpfe, darunter den Hayfi eld Fight und die sogenannte „Wagenka- stenschlacht“ von 1867, sowie das spektakuläre „Fetterman-Massaker“ von 1866, bei dem Captain William J. Fetterman (US-Kavallerie) mit seinem vollständigen Kommando von 80 Mann vernichtet wurde. Das Fetterman-Massaker war so entscheidend, daß es zu den wichtigsten Siegen der Indianer in der amerikanischen Geschichte gezählt wird. Es wird verglichen mit der Schlacht von Monongahela 1755, als Franzosen und Indianer annähernd 1.000 britische Solda- ten und Milizmänner töteten und verwundeten, und mit der berühm- ten Schlacht am Little Big Horn 1876, in der Sioux, Cheyenne und Arapaho etwa 265 amerikanische Kavalleristen töteten. Obwohl die Indianer die Schlach- ten von Monongahela und am Little Big Horn gewannen, ver- loren sie letztlich die jeweiligen Kriege. Der Sieg der Indianer gegen Fetterman dagegen trug entscheidend zu ihrem Triumph in diesem Krieg bei.

Bozeman-Trail-Gedenkstein in , einer der umkämpftesten Wagenwege im amerikanischen Westen. Foto: D. Kuegler.

5 Der Hintergrund des Krieges

In einer der beschämendsten Phasen der Geschichte der Vereinigten Staaten, unterwarfen, töteten und vertrieben weiße Amerikaner bei der Eroberung Norda- merikas in einem Zeitraum von etwa 300 Jahren die eingeborenen Völker dieses Kontinents bis fast zur Vernichtung. Obwohl in allen Konfl ikten zahlenmäßig weit unterlegen, errangen die Indianer einige bemerkenswerte Erfolge und gewannen mindestens zwei Kriege gegen die Bundesregierung. In einer Reihe von drei Konfl ikten zwischen 1816 und 1858 versuchten die Ver- einigten Staaten, die Seminolen aus Florida zu vertreiben. Obwohl ein Teil dieses Volkes gezwungen wurde, ins Indianerterritorium (das heutige Oklahoma) zu gehen, blieb eine bedeutende Zahl in Florida und konnte das angestammte Land ihrer Vorfahren behaupten. Diese Seminolen kapitulierten nie, und ihre Nachkom- men leben noch heute auf dem eigenen Land.1 Das war der erste Krieg, den die amerikanische Regierung verlor. Eine der bemerkenswertesten Niederlagen der amerikanischen Geschichte für Regierung und Militär war Red Clouds Krieg von 1866 bis 1868. Die Regierung hatte geplant, die Indianer aus dem Powder-River-Gebiet von Wyoming und Montana umzusiedeln – dabei scheiterte sie. Red Clouds Volk und andere Kriegergruppen führten einen erfolgreichen Krieg. Am Ende dieses Konfl ikts kapitulierten die Vereinigten Staaten und boten Frieden an. Die Bundesregierung war gezwungen, ihre Truppen aus der Region abzuziehen und einen Vertrag zu unterzeichnen, der die meisten Forderungen der Indianer erfüllte.

Red Cloud

Der Kriegshäuptling Red Cloud war 1821 in der Nähe des North Platte River im heutigen Nebraska geboren worden. Sein Vater war Lone Man, ein Mitglied der Brule Sioux. Seine Mutter war Walks-As-She-Thinks von den Oglala Sioux. Red Cloud war das jüngste von neun Kindern, und sein Vater starb einige Monate, bevor sein letzter Sohn geboren wurde. Von Kindheit an war Red Cloud bekannt für seine physische Leistungskraft. Im Missouri und im Yellowstone erwies er sich als großartiger Schwimmer. Er wurde besonders als guter Reiter anerkannt, und er war großzügig und freundlich. Im Alter von vierzehn Jahren zog er erstmals auf den Kriegspfad. Mit knapp zwanzig Jahren errang der junge Krieger im ganzen Volk Berühmtheit, als er den

1 Alexander B. Adams, : a Biography (New York: Putnam, 1971), 25.

6 Häuptling Bull Bear tötete. Der ältere Häuptling hatte in betrunkenem Zustand gedroht, Red Clouds Dorf anzugreifen, und viele der Bewohner, die sich als po- tentielle Opfer des feindlichen Häuptlings sahen, erkannten Red Clouds Tat als gute Entscheidung an, mit der er viele Leben gerettet hatte. Kurz nach diesem Vorfall teilten sich die Oglala Sioux in zwei Gruppen, und Red Cloud – noch immer ein junger Mann aber mit unübersehbaren Führungsfähig- keiten – übernahm die Führung einer dieser Gruppen.2 Zeitgenössische Quellen zeichnen ein eindrucksvolles Bild dieses Sioux-Häuptligs. Red Cloud wurde „als einer der fähigsten indianischen Führer aller Zeiten“ darge- stellt. Er wurde als „groß, gutaussehend, athletisch und perfekt als Reiter und in seiner physischen Erscheinung“ beschrieben.3 Ein anderer Bericht besagt: „Er war physisch ein Musterexemplar eines wilden, ungezähmten Indianers, mindestens sechs Fuß groß, gerade wie ein Pfeil und beweglich wie ein Panther. …, und er einer der besten Reiter, den die Welt hervorbringen kann.“ 4 Im Herbst 1866 hatte Red Cloud „bewiesen, daß er gleichauf mit den besten Gue- rillaführern der Geschichte“ stand, und er war einer der schrecklichsten Kämpfer, mit denen es die Vereinigten Staaten je zu tun hatten.5

Die amerikanische Regierung und das Land der Indianer

Am Ende des Bürgerkrieges waren die Vereinigten Staaten von hohen nationa- len Schulden belastet, da dieser Krieg außerordentlich teuer gewesen war, und die Regierung hoff te, daß die fi nanziellen Lasten mit den großen mineralischen Reichtümer im Westen, vorwiegend Gold und Silber, beglichen werden konnten. Entscheidend war, daß die Regierung sicheren und einfachen Zugang zu den Minen erhielt, in denen das Erz abgebaut wurde. Weiße Amerikaner waren seit Jahrzehnten nach Westen gezogen, um neue Le- bensmöglichkeiten und Reichtum zu suchen. Diese Bewegung wuchs nach dem Bürgerkrieg stark an, da viele Menschen ihre ganze Hoff nung in diese Region des Landes setzten. Hinzu kam, daß der Süden, der den Krieg verloren hatte, physisch schwer geschädigt war und dieses Gebiet in Armut versank. Viele ehemalige Kon-

2 Recent biographies of Red Cloud include, Bob Drury and Tom Clavin, The Heart of Everything that is: the Untold Story of Red Cloud, and American Legend (New York: Simon & Schuster, 2013) and Robert W. Larson, Red Cloud: Warrior-Statesman of the Lakota Sioux (Norman: U of Oklahoma, 1997). 3 “Red Cloud, the Indian Leader” in the Milwaukee Sentinel May 9, 1867. “Red Cloud, the Indian Leader” in the Union and Dakotaian, May 25, 1867. 4 “From Julesburg Fort Sedgwick, Col., Feb 10, [1867] in the Union Vedette, March 1, 1867. 5 Drury and Clavin, Red Cloud, 6.

7 föderierte zogen nach Westen, um neues Glück zu suchen und ihre persönliche Würde zurück zu gewinnen.6 Dieser Zug nach Westen bedeutete für die Indianer dieser Region eine wachsende Konfrontation mit weißen Amerikanern. Schon Jahrzehnte vor dem Ende des Bürgerkrieges hatte das weiße Amerika die Indianervölker durch die Vernichtung von jagdbarem Wild und die Verdrängung der eingeborenen Stämme in Gebiete mit immer weniger natürlichen Ressourcen unter Druck gesetzt. In den 1850er Jahren waren die Indianer der nördlichen Plains abhängig von dem Land östlich der Bighorn Mountains im heutigen Wyoming. Diese Region bot noch immer ausreichend jagdbares Wild. Entlang der großen Planwagenwege hatten die Weißen das Wild weitgehend aus- gerottet. Ab 1849 brachten die Neuankömmlinge zudem Krankheiten ins Land – zum Beispiel Pocken, Masern und Cholera – die den Indianervölkern bis dahin unbekannt gewesen waren und die daher erhebliche Opfer unter ihnen forderten. Sie standen dieser Bedrohung hilfl os gegenüber: „Die meisten Indianer glaubten, daß diese Krankheiten eine Form von Zauberei waren, die die Weißen gegen sie einsetzten.“ 7 Der Verlust ihrer traditionellen Jagdgründe und die Wirkungen der Krankhei- ten sorgten für wachsende Feindseligkeit der Indianer gegen die Weißen, die in zunehmender Zahl in das Land eindrangen, das die Eingeborenen bis dahin kontrolliert hatten.

Die Weißen dringen in das Land der Indianer ein

Während die Bundesregierung fast nichts tat, um die Indianer vor den Kolonisten zu schützen, gab es umfangreiche Maßnahmen, um die Weißen vor jeglicher Bedrohung durch die eingeborenen Völker zu bewahren. Die Vereinigten Staa- ten errichteten in zwei Jahren drei Militärposten entlang des Oregon Trails. Der erste war 1848 Fort Kearny im heutigen Nebraska. Der zweite Posten war Fort Laramie, das 1849 im heutigen Wyoming entstand. Im selben Jahr wurde in Idaho Fort Hall eingerichtet. Dem ersten Vertrag von Fort Laramie zufolge, der 1851 unterschrieben wurde, sollten die Indianer östlich der Bighorn Mountains ein gewaltiges Territorium in den heutigen Staaten Wyoming, Montana, North und South Dakota und Nebraska

6 John D. McDermott, Red Cloud’s War: The Bozeman Trial 1866-1868 2 vols. (Norman, OK: Clark, 2010) 1: 1-2. 7 George H. Hyde, Red Cloud’s Folk: A History of the Oglala Sioux Indians (Norman: University of Oklahoma Press, 1937), 64.

8 erhalten. Dazu versprach ihnen die Regierung für 10 Jahre jährliche Lieferungen in Form von Lebensmitteln und Waren im Wert von 50.000 Dollar. Im Gegenzug versicherten die vertragsschließenden Völker, die Planwagenzüge der Pioniere auf dem Oregon Trail unbehelligt zu lassen. Einige der Indianer erhielten die versprochenen Waren niemals, und der Vertrag war schwer durchsetzbar, weil weiße Pioniere in Gebiete eindrangen, die den eingeborenen Völkern garantiert waren. Insgesamt jedoch hielt der Vertrag, bis die jährlichen Zahlungen 1861 plötzlich aufhörten. Kurz danach entdeckten weiße Prospektoren enorme Goldvorkommen in Montana, vor allem in der Grasshopper Gulch (1861) und in der nahegelegenen Alder Gulch (1863). 1864 kam noch die Last Chance Gulch dazu. Innerhalb kurzer Zeit entstanden mehrere Boomtowns. Die wichtigste Siedlung wurde Virginia City, wo sich viele Prospektoren und Händler niederließen; nur sechs Monate nach der Entdeckung des Goldes, zählte die Stadt 5.000 Einwohner. Der Zugang zu dieser Region war schwierig, da das Terrain unwegsam und zer- klüftet war, und wenn die Goldsucher die Indianergebiete vermeiden wollten, mussten sie enorme Umwege in Kauf nehmen. Eine der meistgenutzten Routen war ein Überlandweg von Independence (Missouri), vorbei an Fort Laramie nach Salt Lake City (Utah) – das deckte bereits eine Entfernung von 1.100 Meilen (1.770 km) ab – und dann direkt nordwärts nach Virginia City (ca. 400 Meilen = 644 km). Das war ein Weg von insgesamt 1.500 Meilen oder 2.400 km. Diese Distanz konnte um 400 Meilen verkürzt werden, wenn man einem neuen Trail folgte, der von Fort Laramie aus direkt in die Goldfelder führte. Im Jahr 1863 folgten John Jacobs und John Bozeman einem Indianerpfad, den vor ihnen auch schon Pelzjäger gegangen waren, um von den Goldfeldern bei Virginia City zum Oregon Trail bei Fort Laramie zu gelangen. Diese Route ersparte viel Zeit und Anstrengungen. Im folgenden Jahr, 1864, führte Bozeman einen von vier Wagenzügen auf diesem Trail, zu dem allein 1.400 Siedler gehörten. Damit hatte sich der „“ als wertvolle Abkürzung etabliert, aber er führte mitten durch das Land der Indianer, und alle Siedler auf dieser Route wurden damit zum Ziel von Angriff en.8 Zur selben Zeit, als der Bozeman Trail zur akzeptierten Route wurde, wuchsen die Feindseligkeiten der Indianervölker auf den westlichen Plains. Nachdem John Chivington und seine Colorado Miliz am 29. November 1864 am Sand Creek (Co- lorado) über 200 friedliche Cheyenne massakriert hatten, schlugen die Indianer in einer Serie von Überfällen 1865 zurück.9 Viele Krieger der Cheyenne zogen nach Wyoming, wo sie sich mit den Sioux bei ihrem Krieg gegen die Weißen vereinigten.

8 Grace Reymond Hebard and E. A. Brininstool, The Bozeman Trail, 2 vols. (Cleveland: Arthur H. Clark, 1922) 1: 201-36. Hereafter cited as Hebard and Brininstool.

9 Im Sommer 1865 führte Patrick Edward Connor eine große Expedition von 2.300 Soldaten nach Wyoming und Montana, um die Sioux, Cheyenne und Arapaho in dieser Region zu unterwerfen. Connors Armee zog exakt durch dieselbe Region am Bozeman Trail, in der im folgenden Jahr, 1866, die Kämpfe in Red Clouds Krieg toben sollten. Die Soldaten griff en am 29. August 1865 ein großes Lager der Arapaho an. Nach Connors Bericht, töteten sie 63 Menschen und verbrannten 250 Tipis. Am 8. Sep- tember trafen dieselben Soldaten auf eine indianische Streitmacht, die vermutlich an die 3.000 Krieger umfaßte.10 Obwohl das Gefecht unentschieden endete, zeigte Connors Expedition den Indianern damit, daß sie Ziel militärischer Maßnahmen im Gebiet östlich der Bighorn Mountains waren. Zudem belegte der Feldzug, daß sich Indianer in großer Zahl in dieser Region aufhielten und gewillt waren, sich der Invasion der weißen Eindringlinge zu widersetzen.

Ein Vertrag zum Betrug der Indianer

Im August 1865 errichtete die US-Armee Fort Reno zum Schutz des Bozeman Trails. Der Posten war jedoch klein und unterbesetzt, und die Bundesregierung entschied, daß weitere Forts zum Schutz der Reisenden auf dem Trail notwendig waren. Vor dem Baubeginn neuer Militärposten begannen Regierungsvertreter allerdings Verhandlungen mit den Indianern, um den Frieden in der Region zu sichern. Um eine günstige Verhandlungsatmosphäre zu schaff en, lieferte die Regierung im Vorwege etwa 63.500 kg Fleisch und andere Waren an die betreff enden India- nerstämme.11 Beginnend am 5. Juni 1866, trafen sich Bundesbeamte mit den Vertretern ver- schiedener Indianervölker. Die Regierungsdelegation wurde von Edward B. Taylor geleitet. Er erklärte, daß er nicht die Absicht habe, den Indianern Land abzukaufen. Stattdessen wollte er sich um friedliche Beziehungen mit den eingeborenen Völkern bemühen. Er sagte, daß er lediglich ihre Erlaubnis für weiße Reisende einholen wolle, ihr Land zu durchqueren, um die Minengebiete zu erreichen. Taylor bemerkte: „Der Große Vater will keine Soldaten in diesem Land unterhalten.

9 Stan Hoig, The Sand Creek Massacre (Norman: University of Oklahoma, 1961) and Gregory Michino, Battle at Sand Creek: The Military Perspective (El Segundo, CA: Upton, 2004). 10 See, David E. Wagner, Patrick Connor’s War: the 1865 Powder River Indian Expedition (Norman, OK: Clark, 2010). 11 McDermott, Red Cloud’s War, 1: 55-6.

10 … Wir bitten lediglich um Wegerecht, um das Land durchqueren zu dürfen. Es werden keine neuen Straßen gebaut, es sei denn, der Große Vater ordnet das an, so daß das Jagdwild nicht gestört wird. Und wenn es Beschädigungen durch die Benutzung von Wegen gibt, wird der Große Vater dafür bezahlen.“ 12 Am nächsten Tag antworteten viele der indianischen Führer, darunter auch Red Cloud, ablehnend auf Taylors Rede. Ein Augenzeuge berichtete: „Die Indianer lehnten mit Nachdruck den Durchzug der Weißen durch ihr Land ab, ebenso die Anlage neuer Wege. Außerdem verlangten sie, daß das Militär sich aus Fort Reno zurückziehen solle. Die Friedenskommission wies diese Forderungen ebenso entschieden zurück und verlangte, daß [die Weißen] überall hingehen konnten, wohin sie es als passend ansahen.“ 13 Der Beweis, daß die Regierung nicht in ehrlicher Absicht verhandelte, war of- fensichtlich, weil die ganze Zeit über weitere Wagenzüge den Bozeman Trail hinaufzogen, während die Gespräche über einen neuen Vertrag noch liefen. Diese „Manöver wiesen die Verhandlungen als Täuschung aus, ja als scheinheilig.“14 Als am 13. Juni 1866 die 18. US-Infanterie, kommandiert von Colonel Henry B. Carrington, in Fort Laramie eintraf, verbreitete sich große Aufregung unter den Sioux-Häuptlingen; denn die Verhandlungen waren noch in vollem Gang. Als die Indianer erfuhren, daß diese Soldaten auf dem Weg waren, ein weiteres Fort am Bozeman Trail zu errichten, äußerten sie sich aufgebracht. Einer sagte: „Der Große Vater schickt uns Geschenke und will einen neuen Weg einrichten, aber der weiße Häuptling geht mit seinen Soldaten, um diesen Weg zu rauben, bevor die Indianer Ja oder Nein sagen können!“ 15 Red Cloud war nicht in Fort Laramie, als die 18. Infanterie eintraf, als er aber davon hörte, daß die Regierung sich unehrlich verhielt, reagierte er mit einer zornerfüllten Aussage: „Der weiße Mann lügt und stiehlt. Ich hatte viele Tipis, jetzt sind es nur noch wenige. Der weiße Mann will alles. Der weiße Mann wird dafür kämpfen müssen, und die Indianer werden dort sterben, wo ihre Väter gestorben sind.“ 16 Der zu schließende Vertrag besagte, daß die Sioux bei einer Unterschrift gut versorgt werden würden. „Die besagten Gruppen, die im Rat vertreten waren, werden sich von den bereits angelegten und noch anzulegenden Überlandwegen, die durch ihr Land führen,

12 Taylor as cited in McDermott, 1: 53. 13 Brannan “From Ft. Laramie, Fort Laramie, D.T. June 7, 1866” in the Union Vedette, June 22, 1866, 2. 14 McDermott, 1: 56 15 [Margaret Irvin Carrington] Absaraka, Home of the Crows: Being the Experience of an Offi cer’s Wife on the Plains (Philadelphia: Lippincott, 1868), 79-80. Hereafter cited as Carrington, Absaraka. 16 Ibid., 185.

11 zurückziehen, und in Anerkennung dessen wird die Regierung der Vereinigten Staaten den besagten Gruppen für 20 Jahre eine Summe von 70.000 Dollar jähr- lich bezahlen.“ Zusätzlich sollten den Cheyenne für dieselbe Zeit 15.000 Dollar jährlich bezahlt werden. Da die Indianer nicht lesen und schreiben konnten, mussten die Bedingungen von Dolmetschern vorgelesen werden. Die Dolmetscher hatten wenig Interesse, die einzelnen Elemente des Vertrages besonders zu interpretieren. In der Konsequenz waren sich die Indianer nicht im Klaren über den Charakter der Verträge, die sie unterschreiben sollten. Sie waren überzeugt, daß sie lediglich die Erlaubnis für die Nutzung eines einzigen Weges gegeben hatten, der ihr Land in Wyoming durchkreuzte, während sie tatsächlich die Anlage mehrere Straßen genehmigt hatten. Ein weiterer überraschender Aspekt des Vertrages war, daß die Indianer sich damit einverstanden erklärten, ihre nomadische Lebensweise aufzugeben und Farmer zu werden.17 Nur wenige hätten ihre traditionelle Lebensweise freiwillig aufgegeben, wenn sie gewusst hätten, was sie da unterschrieben. Viele weiße Zeugen, die die Abläufe beobachtet hatten, bezeichneten den Vertrag als „bedeutungslos“. Ein Beobachter der Konferenz bemerkte, daß viele India- ner, die den Vertrag unterschrieben, überhaupt nicht in dem Land lebten, das sie aufgaben. „Eine große Anzahl von Häuptlingen … kam von Gruppen, die keinen Teil des Landes entlang der Route beanspruchen konnten, über die verhandelt worden war. Einige von ihnen hatten unweit von Fort Laramie gelebt, andere, etwa die Brule Sioux, besetzten das White Earth River Tal, und wieder andere kamen von den Seitenarmen des Kansas River.“ 18 Das White Earth River Tal lag in North Dakota, etwa 640 Meilen (1.030 km) entfernt von Fort Laramie. Das Kansas River System umfasste ein großes Gebiet, aber viele dieser Indianer lebten ebenfalls 640 Meilen oder mehr entfernt. Die Indianer, die letztlich den Vertrag unterschrieben, waren keine wichtigen Häuptlinge. Eine Zeitung berichtete: „Es waren seit Beginn des großen Rates keine Häuptlinge anwesend, die irgendeine Entscheidungsgewalt oder Popularität besaßen.“ Es war klar, „daß nur einige wenige einfl usslose Indianer den Vertrag unterzeichneten.“ Viele der Indianer, die den Vertrag bestätigten, waren alt, gebrechlich und nicht imstande, gegen die Siedler Krieg zu führen. Beobachter beschrieben diese Menschen als wenig mehr als „herumlungernde Indianer“, „Laramie-Bummler“,

17 McDermott, 1: 61. 18 Julius C. Birge, The Awakening of the Desert (Boston: Gorham, 1912), 180.

12 „Straßenbettler“ und „Fort-Bettler“. Vor allem bewies die Einigung, daß „die Regierung sie [die Indianer] fürchtete und ihre Politik fortsetzen wollte, Prämien für Raub und Mord zu bezahlen.“ Statt Frieden in die Region zu bringen, machte dieser Vertrag Krieg wahrscheinlicher. „Wir sollten Rancher, Bürgern und Sol- daten raten, ihre Waff en zu ölen und sich auf eine heiße Arbeit vorzubereiten.“ 19 Der Vertrag machte wenig Sinn. Die Bundesregierung hatte nicht die Absicht, sich an die Vereinbarung zu halten, und die Weißen fuhren damit fort, entgegen alle Absprachen das zu tun, was sie wollten. Wenn überhaupt ein Ziel des Vertrages sichtbar war, so handelte es sich um den Versuch, die Regierung zu legitimieren, die Indianer weiter in jeder Beziehung zu hintergehen, und die prominenten Füh- rer der eingeborenen Völker wußten, das dieser Vertrag eine Schande war und keinerlei Lösungen bot. Die Frage, wer die Routen in die Goldfelder Montanas kontrollieren würde, musste durch Krieg geklärt werden.

19 “The Fort Laramie Indian Council,” and “Indian Aff airs” in the Union Vedette, July 16, 1866 page 2; “Aspect of Indian Aff airs on the Plains,” in the Union Vedette, Aug. 9, 1866, p. 2; Car- rington, Absaraka, 79; and McDermott, 1: 64.

13 General Patrick Connor. Mit ihm begannen Man-Afraid-of-his-Horses, einer die militärischen Auseinandersetzungen im der führenden Sioux-Häuptlinge Powder-River-Land. im Krieg am Bozeman Trail.

Indianerangriff auf einen Wagenzug am Bozeman Trail.

14 Red Cloud - geschickter Stratege, kluger Politiker.

15 Häuptlinge und Regierungsbeamte bei Friedensverhandlungen in Fort Laramie. Ganz rechts: Der angesehene Dolmetscher James Bordeaux.

Colonel Henry B. Carrington, Margaret Irvin Carrington, Erbauer und Kommandant die erste Frau des Colonels, von Fort Phil Kearny. die mit ihm nach Fort Phil Kearny ging.

16 Die Gründung von Fort Phil Kearny

Noch während der bedeutungslose Vertrag in Fort Laramie abgeschlossen wurde, setzte die Armee ihre Maßnahmen fort, den Bozeman Trail vor Indianerangriff en zu schützen. Colonel Carrington führte die 18. Infanterie nach Fort Reno, wo das Kommando am 28. Juni 1866 eintraf. Die Soldaten verließen den Posten am 9. Juli und rückten in glühender Hitze – die Temperaturen erreichten 44,4 Grad Celsius – weiter nach Norden vor. Am 14. Juli erreichte Carrington ein Gebiet, das etwa 250 Meilen (402 km) von Fort Laramie entfernt war. Er inspizierte ein Areal unweit des Big Piney-Baches, der in den Powder River einmündete, und hielt es für geeignet für den Bau eines Forts. Es gab hier ausreichend Wasser, Gras und Feuerholz. Der Platz erschien zudem sicher, weil er sich außerhalb der Reichweite von Gewehren befand, die möglicherweise von den nahen Hügeln abgefeuert werden konnten, während diese aber noch von Artilleriegeschossen getroff en werden konnten. Kanonen konnten somit auch unter feindlichem Feuer sicher in Stellung gebracht werden.20 Carrington war sicher, daß das Fort auch strategisch einen guten Platz hatte. Es lag in der Mitte des indianischen Jagdgebiets, wo sich die Völker der Region versammelten und wo die Armee sie beobachten konnte. Natürlich stellte die Lage auch eine direkte Bedrohung der Indianer dar, die auf die Präsenz des Postens zweifellos feindselig reagieren würden. Die Position hatte allerdings einen ernsten Nachteil. Der einzige Ort, von wo aus Holz für den Bau des Forts und zum Heizen der Öfen gewonnen werden konnte, befand sich im Hügelland, das etwa vier oder fünf Meilen (6,5 – 8 km) entfernt war. Selbst unter den besten Bedingungen im Sommer konnte der Weg von der Baumgrenze bis zum Fort eine Stunde oder mehr in Anspruch nehmen. In schwe- rem Winterwetter war es vermutlich fast unmöglich, diese Distanz zurückzulegen. In den folgenden Monaten errichten die Soldaten das Fort, und Carrington benannte den Posten „Phil Kearny“ nach einem tapferen General der Union im Bürgerkrieg, der 1862 in der Schlacht von Chantilly gefallen war.21 Das Fort hatte eine Breite von 400 Fuß (122 m) und eine Länge von 600 Fuß (183 m). Unverzüglich platzierte Colonel Carrington Posten auf den Hügeln in der Nähe, von wo aus die Soldaten das gesamte Areal im Blick hatten und frühzeitig Be- drohungen erkennen konnten. Den Hügel nördlich des Forts nannte er „Sullivant Hill“ nach seiner Frau, Mar- garet Sullivant Carrington. Auf dem höchsten Punkt hier war während des Tages

20 McDermott, 1: 87. 21 Ibid., 1: 87-8, 90.

17 ein Späher stationiert, der die Region nach Zeichen von sich nähernden Feinden absuchte. Auch auf „Pilot Hill“, südlich vom Fort, stationierte der Colonel einen Ausguck, der die Region während des Tages beobachtete. Die Wachtposten auf den Hügeln teilten den Soldaten im Fort mit Flaggensignalen mit, wenn es bemerkenswerte Erscheinungen in ihrem Sichtfeld gab, unter ande- rem auch Wagentransporte oder Siedlertrecks. Diese Aktivitäten amüsierten die Indianer, die sich stets in der Nähe aufhielten. Oftmals kopierten sie das Verhalten der Posten auf Pilot Hill. Ein Zeuge, John Bratt, berichtete: „Diese Signale teilten die geschätzte Zahl von Indianern in einer Gruppe mit, die man beobachtet hatte, und die Richtung, aus der sie herankamen. Der Wachtposten blieb in der Regel so lange auf seiner Position, bis die Indianer bedrohlich nahe gerückt waren. Dann stürmten diese Männer in halsbrecherischer Geschwindigkeit den steilen Hügel hinunter. Die Indianer übernahmen die Position des Wachtpostens auf dem Hügel, und mit einer Hirschhaut, die sie an ihren Bogen befestigten, imitierten sie sehr zum Ärger von Colonel Carrington und seinen Offi zieren die Flaggensignale des Postens.22

Der Krieg beginnt

Red Cloud hatte Fort Laramie noch vor Abschluß der Verhandlungen im Zorn ver- lassen. Er war verärgert über diesen schlechten Vertrag und plädierte für Krieg. Er beschimpfte die Indianer, die sich mit den Siedlern und der Armee einigen wollten: „Meine Brüder, wird der wertlose Schmuck des reichen [weißen] Mannes, werden seine betrügerischen Getränke [Alkohol], die den Geist betäuben, werden all diese Dinge uns dazu verführen, unsere Heimat aufzugeben, unsere Jagdgründe, und die ehrenvollen Lehren unserer Alten? Werden wir es hinnehmen, daß wir hin und her getrieben werden wie eine Herde Rinder des weißen Mannes?“ 23 Er fügte hinzu: „Noch bevor die Asche unserer Ratsfeuer erkaltet ist, wird der Große Vater [US-Präsident] seine Forts in unserem Land errichtet haben. Ihr habt den Klang der Äxte der weißen Soldaten am Little Piney gehört [Fort Phil Kearny]. Ihre Anwesenheit hier ist eine Beleidigung und eine Bedrohung. Es ist eine Belei- digung der Geister unserer Vorfahren. Sollen wir ihre heiligen Gräber aufgeben, damit der Boden für Mais umgepfl ügt wird? Dakotas, ich bin für den Krieg!“ 24 Nur einige Tage nach dem Eintreff en der 18. Infanterie am Big Piney, um Fort Phil

22 John Bratt, Trails of Yesterday (Chicago: University Publishing, 1921), 95. 23 Red Cloud in , Indian Heroes and Great Chieftains (Boston: Little, Brown, and Company, 1919), 15. 24 Red Cloud in Eastman, Indian Heroes, 16.

18 Kearny zu errichten, begannen die Indianer damit, Siedlertrecks und Frachtwagen- züge zu überfallen und Soldaten anzugreifen. Am 16. Juli 1866 attackierten die Indianer eine Gruppe von Wagen unter der Führung von French Pete. Die Krieger plünderten die Wagen und töteten sechs Männer und eine Frau. Am folgenden Tag erfolgte der erste Angriff auf die Armee. Die Krieger trieben Rinder weg und töteten drei Soldaten und einen Frachtwagenfahrer. Fünf weitere Soldaten wurden verwundet.25 Red Clouds Krieg hatte begonnen. In den folgenden Monaten griff en die Sioux und Cheyenne unermüdlich an. Sie belästigten Soldaten und Reisende auf dem Bozeman Trail. Die Krieger kamen und gingen, wie es ihnen beliebte. Sie stahlen Vieh, töteten und verwundeten Reisende und Soldaten und attackierten immer wieder Wagenzüge. Diese Angriff e machten jede Form der Kommunikation für die Eindringlinge extrem schwierig, und die Krieger hinterließen in der Regel Tote und Verwundete. Bei all diesen Aktionen zeigten die Indianer sich als Meister des Zuschlagens und Verschwindens (Hit-and-Run-Taktik). Ihre Fähigkeiten als Kämpfer auf dem Pferderücken waren höchst eindrucksvoll. Die Armee war diesen Manövern der Krieger in keiner Weise gewachsen. Nachdem die Indianer zugeschlagen hatten, hoff ten die Soldaten stets, sie zu Pferde verfolgen zu können, aber diese Jagd scheiterte jedesmal. Die Soldaten waren nicht imstande, ihre Gegner zu stellen, und damit scheiterte auch ihre Aufgabe, den Bozeman Trail zu sichern, Reisende zu schützen und die Indianer unter Kontrolle zu bringen.26 Die Infanterie kämpfte zunehmend erfolgloser. Die Fußsoldaten wurden von den Kriegern als „Walk-a-Heaps“ verlacht (= laufen einen Haufen), und sie waren viel zu langsam für die hochmobilen, berittenen Krieger. Die Infanterie konnte die In- dianer weder eff ektiv verfolgen, noch konnten sie schnell genug gegenhalten, wenn die Krieger unvermittelt angriff en und dann ebenso schnell wieder verschwanden.

Die Waff en der Armee und der Indianer

Die Infanterie war mit altmodischen Vorderlader-Springfi eld-Gewehren im Kali- ber .58 ausgerüstet. Diese Gewehre waren Standard während des Bürgerkrieges gewesen. 1866 waren sie völlig veraltet. Sie hatten eine eff ektive Reichweite von vielleicht 300 Yards (274 m), aber nur wenige Männer waren imstande, auf diese

25 McDermott, 1: 93-5. 26 Ibid., 1: 97, 117.

19 Distanz zu treff en. Das Gewehr wog 4 kg. Es war schwer, sperrig zu handhaben und langsam zu laden. Der Soldat musste aufrecht stehen, um Pulver in den Lauf zu füllen und das Projektil hineinzustoßen. Damit bildeten diese Männer ein großes Ziel, und ihre Feuerkraft war langsam. Unter den günstigsten Umständen konnte ein erfahrener Soldat 2 oder 3 Schüsse in der Minute abgeben; unter Kampfbedingungen war das kaum möglich. Ein Infanterist kommentierte: „Nach dem ersten Schuß waren [die Rifl es] gerade noch gut genug, um als Keulen gegen die Indianer eingesetzt zu werden.“ 27 Die Kavalleristen in Fort Phil Kearny hatten gegenüber der Infanterie einige Vorteile. Sie verfügten über den Spencer-Repetierkarabiner, der zu dieser Zeit eines der besten Gewehre darstellte. Die Waff e wurde mit Metallpatronen geladen. Diese Munition wurde in einem Röhrenmagazin im Kolben platziert und mittels einer Hebelbewegung in die Kammer des Gewehrs transportiert. Damit war diese Waff e der Springfi eld Rifl e weit überlegen, die noch mit Pulver und Blei von vorn durch den Lauf gestopft werden musste. Der Spencer-Karabiner garantierte schnelles Feuer; er verschoß 7 Kugeln in 30 Sekunden. Er hatte das Kaliber .52 (13 mm) und war auf kurze Entfernung höchst eff ektiv. Noch wichtiger war, daß diese Waff e auch im Liegen geschossen und nachgeladen werden konnte, was bedeutete, daß die Soldaten sich in Deckung bringen konnten, anstatt im Stehen zu laden und zu feuern.28 Während einige Indianer über Rifl es und Revolver verfügten, führten die meisten Pfeil und Bogen. Diese Krieger waren imstande, ihre Pfeile im Knien und im Liegen zu verschießen; damit boten sie sehr kleine Ziele. Sie konnten auch vom Pferderücken aus im vollen Galopp schießen, und sie waren imstande, sich seitlich an ihre Pferde zu hängen und diese als Schutzschild zu benutzen, während sie selbst ihr Pfeile unter dem Hals oder sogar unter dem Bauch der Pferde hervorschossen. Der berühmte amerikanische Maler George Catlin besuchte die Sioux und andere Plainsvölker in den 1830er Jahren achtmal. Er beschrieb die Fähigkeit der Krieger im Kampf auf dem Pferderücken: „Ein Indianer, ausgestattet mit einem schnellen und gut ausgebildeten Pferd, mit seinem Bogen in der Hand und dem Köcher auf seinem Rücken, der einhundert Pfeile enthält, von denen er in einer Minute fünf- zehn oder zwanzig verschießen kann, ist ein furchtbarer und gefährlicher Feind.“ 29 Der Historiker Walter Prescott Webb behauptete, daß ein Indianer sogar noch

27 Ibid., 1: 47 28 Russell F. Weigley, History of the (New York: Macmillan, 1967), 611-12 and John D. McAulay, Carbines of the U.S. Cavalry 1861-1905 (Lincoln, RI: Mowbray, 1996), 39-41. 29 George Catlin, Letters and Notes of the Manners, Customs, and Condition of the North American Indians 2 vols. (London: Egyptian Hall, 1841) 1: 33.

20 eine größere Feuerkraft vom Pferderücken aus entwickeln konnte. Er schrieb, daß mindestens 20 Pfeile in der Minute verschossen wurden, „und viele konnten es noch besser.“30 George Catlin besuchte auch die Mandan, die eng mit den Sioux verwandt waren. Er beobachtete ihre sogar noch beeindruckendere Fähigkeiten beim Gebrauch ihres Bogens, wenn sie am Boden standen: „Ich habe heute in einem beliebten Wettbewerb, den sie ‚das Spiel der Pfeile’ nennen, eine schöne Präsentation ihrer Fähigkeiten als Bogenschützen gesehen. Die jungen Männer „schießen ihre Pfeile in die Luft und wetteifern darum, wer die höchste Zahl gleichzeitig, abgeschossen vom selben Bogen, zum Fliegen bringt.“ Diese Krieger schossen ihre Pfeile steil in die Luft um zu erreichen, daß es so viel Zeit wie möglich brauchte, bis sie wieder den Boden berührten. Catlin war „überrascht … über die Schnelligkeit, mit der sie (die Pfeile) auf die Sehne legen und sie abfeuern.“ Der erfolgreichste Krieger „schaff te es, 8 Pfeile in der Luft zu haben, bevor der erste wieder auf den Boden fi el.“ 31 Um diese Leistung zu erreichen, mußte ein Krieger einen Pfeil pro Sekunde oder noch schneller abschießen. Dies entsprach sogar der vierfachen Feuergeschwin- digkeit eines Spencer-Karabiners und war vielleicht zwanzig- bis dreißigmal so schnell wie die Feuerkraft einer Vorderlader-Springfi eld-Rifl e der Infanterie. Diese Leistung, so viele Pfeile gleichzeitig in der Luft zu halten, wurde lange Zeit als unmöglich angesehen. Will Thompson, der „Papst der amerikanischen Bogenschützen“, erklärte, daß kein Mensch jemals imstande war und imstande sein würde, „mehr als drei Pfeile auf einmal in die Luft zu bringen.“ Saxton Pope jedoch berichtete, daß er 7 Pfeile gleichzeitig zum Fliegen gebracht habe, „und ich habe fast acht zur selben Zeit geschaff t.“ Er glaubte, daß acht oder mehr möglich seien.32 Seine Aussage war korrekt. Der Weltrekord, der im Augenblick wohl von Lars Andersen aus Dänemark gehalten und 2011 aufgestellt wurde, liegt bei 11 Pfeilen, die gleichzeitig in der Luft sind.33 Auch andere Plainsindianer, darunter die Sioux und Cheyenne, erreichten eine eindrucksvolle Feuerkraft. Wenn diese Krieger eine vergleichbare Leistung wie ihre Mandan-Nachbarn schaff ten, sahen sich die Soldaten in Fort Phil Kearny einem sehr gefährlichen Gegner gegenüber, der sie mit einem Hagel von Pfeilen sehr schnell überrunden konnte. Die eff ektive Reichweite indianischer Bogen, also die Distanz, in der ein Krieger sein Ziel noch treff en konnte, lag zwischen 40 und 70 Yards (35,5 – 64 m), aber

30 Walter Prescott Webb, The (New York: Grosset, 1931), 169. 31 Catlin, Letters and Notes 1: 141-2. 32 Saxton Pope, Hunting with the Bow and Arrow (San Francisco: Barry, 1923), 51. 33 Youtube, “World Record: 11 arrows shot into the air before the fi rst arrow reaches the ground,” larsandersen23.

21 die vollständige Reichweite dieser Waff e konnte annähernd 400 Yards (366 m) betragen. Der indianische Bogen war tödlicher als die Waff en der Armee. Colonel Carrington bemerkte: „Der Pfeil wird mit größerer Präzision geschossen als eine Revolverkugel, und seine Spitze wird nicht wie eine Kugel von einer Sehne, einem Knorpel oder Knochen abgelenkt. Sein Schaft hat Rillen, durch die das Blut des verwundeten Mannes oder Bisons ausfl ießt, wenn das Opfer nach dem Schuß noch fl ieht.“ 34 Der Bogen hatte einen zusätzlichen Vorteil, da er Pfeile mit tödlichem Eff ekt auf den Gegner regnen lassen konnte. Dieses indirekte Feuer wurde gegen Feinde eingesetzt, die außer Sicht waren, was bedeutete, daß die Krieger die Soldaten auch treff en konnten, wenn sie hinter Felsen in Deckung oder fl ach auf dem Boden lagen. Indianische Pfeile hatten zudem eine große Durchschlagskraft. Die Cheyenne erzählten viele Geschichten über die Stärke ihrer Bogen. Bei mehreren Gelegen- heiten durchschlug ein einzelner Pfeil einen Büff el, und es gibt sogar Berichte, wonach ein Pfeil zwei Bisons durchbohrte und beide tötete.35 Der amerikanische Bison ist ein gewaltiges Tier, das häufi g sechs Fuß Höhe (1,83 m) erreicht und über eine Tonne (1.000 kg) wiegen kann. Der einzige Vorteil, den der Soldat hatte, war der durchdringende Lärm, den seine Rifl e verursachte. Der Knall räumte der Armee einen psychologischen Vorteil ein und verlieh den Soldaten auf dem Schlachtfeld zweifellos Mut. Aber das berühmte indianische Kriegsgeschrei inspirierte den Kampfgeist der Krieger ebenso und konnte den Lärm, den die Soldaten verursachten, übertönen.

Indianerangriff e

Als die Armee das Fort baute, wurde sehr viel Holz für Palisaden, Unterkünfte und die Befeuerung der Öfen benötigt. Da sich der Wald überwiegend auf den Sullivan Hills befand, mussten die Holztransporte bis zu 5 Meilen Entfernung (8 km) zurücklegen. Äußerste Vorsicht war angebracht, da die Kommandos besonders verwundbar waren. „Diese Trupps verfügten immer über bewaff nete Wagenlenker, bewaff nete Holz- fäller und Wachtposten. Die Kommandos waren zwischen 16 und 30 Mann stark, begleitet von einem Wachtrupp von etwa derselben Stärke. Zusammen mit den

34 Henry B. Carrington, The Indian Question: an Address (Boston: Whiting, 1884), 11 and Carrington, Absaraka, 188. 35 George Bird Grinnell, The Cheyenne Indians: Their History and Ways of Life 2 vols. (New Haven: Yale University Press, 1923) 1: 263-4.

22 Wagenlenkern bedeutete das eine Gesamtstärke von 70 bis 100 Mann, und manch- mal … erreichten schon die Kutscher und Wagenführer annähernd diese Zahl.“ 36 Die Krieger lagen häufi g versteckt zwischen den Bäumen der Sullivant Hills oder auf dem gegenüberliegenden Höhenrücken, und meist attackierten oder bedrohten sie die Holzfäller und ihre Eskorten. Obwohl die Gefahr von Überfällen permanent war, wurden im Herbst 1866 bei den Holzfällerkommandos weder Soldaten noch Zivilisten getötet.37 Andere Soldaten und Wagenlenker am Bozeman Trail oder in der Nähe des Forts waren nicht so glücklich; viele von ihnen wurden Opfer der ständigen indianischen Angriff e. Am 4. September 1866 kreuzten 40 Wagen mit weißen Zivilisten den Crazy Woman’s Fork des Powder River auf dem Weg nach Fort Phil Kearny. Off ensicht- lich warteten die Krieger, bis die Wagenlenker vollständig mit dem Durchfurten des Wasserlaufes beschäftigt waren, bis sie zuschlugen. Die Indianer stahlen 7 Rinder und trafen drei Männer mit ihren Pfeilen. Bei einem der Männer, James Edison, entzündete sich die Wunde, und er starb drei Tage später.38 Zivile Arbeiter schliefen häufi g in der Nähe des Forts in den Kästen ihrer Trans- portwagen; zudem spielten sie oft Karten – üblicherweise Poker – bis spät in die Nacht. Sie zündeten meist große Feuer an, um genügend Licht zu haben. Dabei bedachten sie nicht, daß sie im Schein der Flammen hervorragende Ziele abga- ben. Eines Abends schoß eine Gruppe Indianer auf die Arbeiter und traf drei der Männer. Zwei davon waren sofort tot, der dritte überlebte, obwohl ihn „eine Kugel vollständig durchbohrt“ hatte.39 Am 8. September 1866 trieben mehrere Krieger Rinder aus einem Corral unweit des Forts weg. Am selben Tag stahlen die Indianer 20 Maultiere. Am 12. Septem- ber wurde erneut Vieh gestohlen, und auch am nächsten Tag trieben die Krieger weitere Rinder weg und verwundeten dabei einen Soldaten. Am 13. September töteten die Indianer die Soldaten Orlando Gilchrist und Peter Johnson, und am 17. September erbeuteten sie 78 Maultiere und 33 Pferde. Am selben Tag entdeckte ein Spähtrupp die Leiche des Fotografen Ridgway Glover. Er war ein Quäker, der jegliche Form des Krieges ablehnte. Er vertraute vollkommen auf seinen Glauben und hatte es immer abgelehnt, eine Waff e zu tragen. Er war überzeugt, daß kein Indianer ihn töten würde. Als sein Leichnam gefunden wurde, war sein Körper furchtbar verstümmelt worden.40

36 Carrington, Absaraka, 140. 37 McDermott, 1: 115. 38 Bratt, Trails of Yesterday, 82. 39 Ibid., 195-8. 40 McDermott, 1: 133-8.

23 Im September 1866 wurden insgesamt mindestens 21 Weiße – darunter 3 Soldaten – am Bozeman Trail getötet.41 Diese Angabe könnte zu niedrig sein. Die Zeitung „Montana Post“ beklagte am 15. September: „Würden wir alle Berichte, die uns über indianische Angriff e und Morde erreichen, die geschehen sind seit der sogenannte Vertrag von Fort Laramie in Kraft gesetzt wurde, wären die Spalten unserer Zeitung gefüllt mit schrecklichen Geschichten.“ Der Zeitung zufolge war der einzige Weg, die Probleme mit den Indianern zu lösen, die „nachdrückliche und anhaltende Lektion mit Schießpulver und Blei.“ 42

Führungsschwächen der Armee

Die Indianer stahlen nahezu jeden Tag Pferde, Maultiere und Rinder von der Armee. Ihr Erfolg beeinträchtigte die Moral der Soldaten. Hinzu kam, daß die alten Springfi eld-Gewehre, von denen viele bereits im Bürgerkrieg eingesetzt gewesen waren, Schäden hatten und nicht mehr zuverlässig zu benutzen waren. Die Versorgung mit Munition war nicht adäquat, und es waren nur wenige fähige Offi ziere vorhanden, um die Mannschaften angemessen zu führen.43 Colonel Carrington beklagte all diese Probleme regelmäßig in den Berichten an seine Vorgesetzten. Er erhielt allerdings nie genügend Unterstützung, um die Schwierigkeiten zu beheben. Zumindest wurde ihm etwas Verstärkung zugeteilt. Im Herbst 1866 trafen weitere Soldaten ein, um die Besatzung des Forts aufzustocken. Zu diesen Verstärkungen gehörte Lieutenant George Washington Grummond, der eine wichtige Rolle im sogenannten Fetterman-Kampf spielen sollte. Der Leutnant traf am 17. September mit seiner jungen Frau, Frances Courtney Grummond, ein. Lieutenant Grummond hatte sich während des Bürgerkrieges den Ruf der Brutalität erworben. Er hatte vier Jahre, während des gesamten Krieges, gedient und war bis zum Brevet-Rang eines Lieutenant Colonel (Oberstleutnant) aufgestiegen. Obwohl er als erfolgreicher Führer im Kampf galt, hatten gegen Ende des Krieges 8 seiner untergebenen Offi ziere Anklagen wegen Fehlverhaltens gegen ihn vorgebracht. Sie hatten ihn der Trunkenheit im Dienst beschuldigt, zudem hatte er einen anderen Offi zier, der tatsächlich nur einen Befehl befolgt hatte, wegen „Ungehorsams“ angeschossen. Grummond hatte einem Sergeant seinen Revolver über den Kopf

41 Barry J. Hagan, “Exactly in the Right Place” A History of Fort C. F. Smith, Montana Territory, 1866-1868 (El Segundo, CA: Upton, 1999), 59. 42 As cited in “Lo! The Poor Indian,” in the Union Vidette September 27, 1866, 2 43 McDermott, 1: 150

24 geschlagen und einen Soldaten brutal verprügelt, und er hatte auf einen alten, unbewaff neten Zivilisten geschossen, dem er danach noch medizinische Versor- gung verweigert hatte. Stockbetrunken hatte er am 26. Juni 1864 um Mitternacht seinem Kommando befohlen, die Anhöhe des Kennesaw Mountain (Georgia) anzugreifen. Es gelang seinen Männern mit seiner List, diesem Selbstmordbefehl zu entgehen; Corporal Patrick Walsh hatte kleine Steine auf den betrunkenen Kommandeur geworfen, so daß Grummond überzeugt war, die Kiesel seien feindliches Feuer. Er hatte daraufhin die Attacke abgeblasen.44 Ein Militärgerichtsverfahren wurde gegen ihn eingeleitet. Während die meisten Anklagen fallengelassen wurden, befand das Gericht Grummond schuldig, einen untergebenen Offi zier bedroht und einen unbewaff neten Zivilisten verwundet zu haben. Die Strafe fi el dennoch recht milde aus. Er erhielt einen öff entlichen Ta- del, der vor jeder Einheit der gesamten 2nd Division, zu der er gehörte, verlesen wurde.45 Als Lieutenant Grummond in Fort Phil Kearny eintraf, war er noch immer unbedacht, voreilig, impulsiv und brutal, und er war bereit, unnötige Risiken einzugehen. Das waren die persönlichen Charakteristika, die zum Desaster der Fetterman-Kompanie beitrugen. Captain William Judd Fetterman traf am 3. November 1866 in Fort Phil Kearny ein. Fetterman stammte aus einer Militärfamilie. Sein Vater und sein Stiefvater waren beide Offi ziere in der Armee. Er war der Unionsarmee 1861 bei Beginn des Bürgerkrieges im Rang eines Leutnants beigetreten. Kontinuierlich hatte er sich bis zum Brevet-Rang eines Lieutenant Colonel hochgearbeitet. Seine Karri- ere war eindrucksvoll. Er kämpfte in zahlreichen Schlachten und Gefechten. Er wurde offi ziell für seine Tapferkeit in zwei Fällen gelobt und gewann enormes Selbstvertrauen. Tatsächlich schien er überzeugt zu sein, daß er unverwundbar war; er war mehrfach dem Feuer im Kampf ausgesetzt gewesen, ohne jemals verletzt worden zu sein. Obwohl Fetterman nie zuvor Erfahrungen im Kampf mit Indianern gesammelt hatte, hatte er für ihre militärischen Fähigkeiten nur Verachtung übrig. Margaret Carrington zitierte den rücksichtslosen Captain mit der prahlerischen Aussage, daß „eine Kompanie regulärer Truppen [80 Mann] eintausend, und ein ganzes Regiment [800 Mann] … sämtliche feindlichen Stämme schlagen“ könne.46 Frances Grummond zitierte Fetterman beinahe mit den gleichen Worten. Sie berichtete, daß er gesagt habe, „eine einzelne Kompanie Reguläre [80 Mann] sei

44 Ibid., 1: 139-40. 45 Ibid., 1:140. 46 Carrington, Absaraka, 171.

25 imstande, 1.000 Indianer zu schlagen, und ein ganzes Regiment [800 Mann] … könne sämtliche feindliche Stämme besiegen.“ 47 Der dreiste Captain war überzeugt, daß er viel besser wußte, wie man indianische Krieger zu behandeln hatte, als all jene, die seit Jahren Erfahrungen mit ihnen gesammelt hatten. Fetterman legte am 5. November, gerade zwei Tage, nachdem er im Fort angekommen war, eine Falle. Er platzierte einige angehobbelte Maultiere in einen Cottonwood-Hain nahe des Forts und ließ unweit davon einige Soldaten in Stellung gehen. Der Captain hoff te, daß die Indianer versuchen würden, die Tiere nach Einbruch der Dunkelheit zu stehlen und damit den Soldaten in die Falle gehen würden. Er stellte seine Männer um 2 Uhr nachts auf und wartete für den Rest der Nacht – aber kein Indianer tauchte auf. Nachdem Fetterman schließlich aufgab und seine Männer am Morgen zurück ins Fort führte, schlugen die Krieger in weniger als einer Meile Entfernung zu und trieben eine ganze Herde Armeepferde und -maul- tiere davon. Der indianische Angriff wurde so überlegt durchgeführt, daß viele Soldaten im Fort sich wunderten, warum sie nicht weiter vorgestoßen waren und Fettermans Kommando vernichtet hatten.48 Der impulsive Captain hatte ein unnötiges Risiko auf sich genommen und fast ein Desaster verursacht, aber anstatt daraus eine wertvolle Lektion bezüglich der Fähigkeiten seiner Gegner mitzunehmen, blieb Fettermann bei seiner Verachtung und wartete auf eine Gelegenheit, seine Blamage auszuwetzen. Er wollte „eine Rechnung begleichen“, und „er war ungeduldig, weil die Indianer nicht umfassend für ihre Missetaten bestraft wurden.“ 49 , der berühmte und Entdecker, war zu dieser Zeit Chef- Scout unter Colonel Carrington. Er kommentierte Fettermans Arroganz: „Eure Männer, die unten im Süden [während des Bürgerkrieges] gekämpft haben, sind verrückt! Sie haben keine Ahnung über den Kampf mit Indianern.“ 50 Fetterman unterschätzte die Indianer; das war der Grund für die Katastrophe, die er auslöste. Die Zahl der Krieger in der Region war Berichten zufolge im Spätsommer 1866 sehr groß. Colonel Carringten war sicher, daß mindestens 1.500 Tipis zu den feindlichen Stämmen am gehörten.51 Viele der Krieger bewegten

47 Frances C. Carrington, My Army Life and the Fort Phil Kearney Massacre (Philadelphia: Lippincott, 1911), 119. Hereafter cited as F. Carrington, My Army Life. 48 Carrington, Absaraka, 171. 49 Carrington, Absaraka, 171 and F. Carrington, My Army Life, 119-20. 50 “Memorial Address of General H. B. Carrington Delivered at the Monument on Massacre Hill, Sheridan County Wyoming, July 3, 1908” in F. Carrington, My Army Life, 253. 51 Henry B. Carrington, “Offi cial Report of the Phil Kearney Massacre,” January 3, 1867 in The Indian Question, [21]. Hines to John, January 1, 1867, Indian Hostilities, 15.

26 sich innerhalb 50 Meilen (80 km) von Fort Phil Kearny. Sie konnten den Posten nötigenfalls innerhalb weniger Tage erreichen. Ein indianisches Tipi wurde in der Regel von einer Familie bewohnt. Zu dieser gehörte üblicherweise ein erwachsener Mann und oft ein älterer, kampff ähiger Sohn, der schon fast erwachsen, aber noch nicht ausgezogen war. Wenn die ge- schätzte Zahl der Tipis richtig war, erreichte die Zahl kampff ähiger Krieger 3.000. C. M. Hines, der Militärarzt von Fort Phil Kearny, stimmte der Schätzung von 1.500 Zelten in der Umgebung zu, aber er glaubte, daß die Zahl der Sioux und ihrer Alliierten größer war. „Die Gesamtzahl der Krieger dürfte vier- oder fünftausend erreichen, gut beritten und bewaff net.“ 52 Neuere Schätzungen gehen bezüglich der Stärke von Red Couds Streitmacht von „drei- oder viertausend Kriegern“ aus.53 Selbst wenn diese Zahlen übertrieben sein sollten, war die Garnison von rund 400 Soldaten im Fort zumindest 1 zu 5 unterlegen.

Das Scharmützel am 6. Dezember 1866

Mut, Bereitschaft und Fähigkeit der Soldaten wurden am 6. Dezember 1866 in einem größeren Scharmützel auf die Probe gestellt. Mit dem Anbrechen des harten Winterwetters in Nord-Wyoming zogen nur noch wenige Weiße über den Bozeman Trail. Das bedeutete, daß die Indianer sich von der Wagenroute zurückzogen und ihre Kraft auf die Armee in Fort Phil Kearny als lohnenderes Ziel konzentrierten. Am Morgen des 6. Dezember herrschte klares, klirrend kaltes Wetter. Margaret Carrington hoff te, daß die Besatzung etwas Ruhe nach den ständigen Indianeran- griff en fi nden würde – aber sie sollte enttäuscht werden.54 Bei Tagesanbruch war ein Wagenzug mit etwa 25 Soldaten und Zivilisten ausge- schickt worden, um Holz von den Sullivant Hills zu holen. Die Wagen waren etwa 4 Meilen weit gerollt, als sie gegen 13 Uhr von einer Gruppe Krieger angegriff en wurden. Die Posten auf Pilot Hill schickten die entsprechenden Signale zum Fort. Colonel Carrington ordnete unverzüglich eine Zangenbewegung an. Er schickte Captain Fetterman aus, um den bedrohten Wagenzug zu entsetzen und die Indianer

52 C. M. Hines to John, January 1, 1867 in Letter of the Secretary of the Interior Communicating, in compliance with a resolution of the Senate of the 8th instant, information touching the origin and progress of Indian Hostilities on the frontier 40th Cong. 1st sess. Senate Executive Document no. 13 [Washington, DC, 1867?], 15. Hereafter cited as Indian Hostilities. 53 McDermott, 1: 184 54 Carrington, Absaraka, 194.

27 zu vertreiben. Carrington war sicher, daß es dem Captain gelingen würde, die Angreifer über die Sullivant-Hügel zurückzudrängen. Dies sollte Carrington die Möglichkeit geben, mit einer weiteren Truppe hinter den Hügeln zu warten, die Krieger in Empfang zu nehmen und ihnen schwere Verluste zuzufügen. Colonel Carrington entschied, persönlich das Kommando über die fl ankierende Kolonne zu übernehmen. Das war ungewöhnlich. Kommandierende Offi ziere verließen ihren Posten nur selten, um mit einer kleinen Einheit unmittelbar an einer solchen Aktion teilzunehmen. Carrington glaubte jedoch, sich beweisen zu müssen. Ihm war bewusst, daß viele seiner untergebenen Offi ziere direkte Kampferfahrung im Bürgerkrieg gesammelt hatten und glaubten, daß ihm dieser Hintergrund fehlte und er sie daher nicht überzeugend führen konnte. Sie zweifelten an seinen Fähig- keiten. Carrington hoff te, daß die Führung eines erfolgreichen Angriff s gegen die Indianer ihm bei seinen Untergebenen mehr Respekt bringen würde. Captain Fetterman führte die berittene Infanterie und einen Teil von Lieutenant Horatio S. Binghams Kavallerie-Einheit. Zusammen zählten diese beiden Gruppen etwa 30 Mann. Lieutenant Alexander Wands schloß sich Fettermans Kommando an. Glücklicher- weise führte dieser junge Leutnant eine Henry Rifl e, die rasch zu einem wichtigen Faktor in dem sich entwickelnden Scharmützel werden sollte. Diese Waff e ge- hörte nicht zu den Dienstwaff en der Armee. Wands hatte sie wahrscheinlich mit eigenem Geld gekauft. Die Henry Rifl e war das erste wirklich erfolgreiche Unterhebel-Repetiergewehr. Sie hatte das Kaliber .44 (11 mm). Ihr Magazin nahm 16 Patronen auf, die in etwa 30 Sekunden gezielt verschossen werden konnten. Das Gewehr war auch schnell wieder zu laden. Es war auf kürzere Distanz eine hervorragende Waff e und den meisten anderen Gewehren seiner Zeit weit überlegen.55 Colonel Carrington wählte Lieutenant Grummond als Adjutanten für sein Kom- mando, das 26 Mann umfasste. Die Gesamtstärke der Truppen, die unter Fetterman und Carrington ausrückten, betrug etwa 60 Soldaten. Carrington schätzte später, daß ihnen um die 300 Krieger gegenüberstanden. Als der Colonel bei der Verfolgung der Indianer durch den Big Piney Creek ritt, brach sein Pferd im Eis ein, und er stürzte ins kalte Wasser. Die Temperaturen waren an diesem Tag auf etwa 18 Grad Minus gefallen. Unter diesen Umständen war es zweifellos nicht ungefährlich, sich in durchnässter Kleidung im Freien aufzuhalten, so legte Grummond dem Kommandanten nahe, sofort zum Fort zurückzukehren, trockene Kleidung anzulegen und sich aufzuwärmen.

55 Riley Sword, The Historic Henry Rifl e (Lincoln, RI: Mowbray, 2002).

28 „Kommt nicht in Frage“, erwiderte Carrington. „Wenn ich jetzt zurückgehe, werden die Soldaten mich einen Feigling nennen.“ 56 Der Colonel und sein Kommando drängten weiter vorwärts. Die Indianer zogen sich zurück, als die Soldaten sich näherten, und die Männer entdeckten vier Krieger auf dem höchsten Punkt eines Hügels. Diese erwiesen sich als Lockvögel, die die Soldaten in eine Falle führen wollten. In einer nahen Bodensenke lagen 32 Indianer auf der Lauer, um Carrington und seine Männer anzugreifen. Dann zogen etwa 100 Indianer die Aufmerksamkeit des Colonels auf sich, die vor Fettermans Anrücken fl üchteten. Obwohl zahlenmäßig unterlegen, ließ Carrington seine Truppe im Galopp vorpre- schen. Dabei nahm er einige Nachzügler von Fettermans Kommando mit. Sowohl Carringtons als auch Fettermans Einheiten gerieten mit den Indianern aneinander, und schließlich stürmten etwa 100 Krieger aus den umliegenden Bodensenken, „preschten schreiend“ um die Soldaten herum und begannen einen Kampf.57 Die Krieger unter Führung von Yellow Horse attackierten Fettermans Kommando von drei Seiten. Der Captain befahl seinen Männern anzuhalten, um den Angriff en besser begegnen zu können. Unvernünftigerweise hielten sich Lieutenant Bingham und ein Teil der Kavallerie nicht an Fettermans Befehl, sondern rückten weiter vor. Die Reiter durchbrachen die Reihen der Indianer in Richtung auf Fort Phil Kearny, aber die Krieger bildeten sofort einen Kreis um die Kavalleristen, die sich jetzt in Todesgefahr befanden. Die Offi ziere begriff en, daß es ihren Männern schwer fallen würde, ihre Stellung im Kampf zu halten. Die erfahrenen Kommandeure reagierten entschlossen und mit Umsicht, um ihre Soldaten vor Schlimmerem zu bewahren. Sie zogen ihre Waff en, richteten sie auf ihre Männer, die in Panik zu geraten drohten, und zwangen die Reiter, sofort abzusitzen und eine Deckung aufzusuchen, um sich verteidigen zu können.58 Als Fettermans Soldaten sahen, daß Carringtons Kolonne anrückte, glaubten sie, daß der Colonel kam, um sie zu entsetzen. Sie waren völlig überrascht, als die scheinbare Entlastungstruppe statt dessen die Richtung wechselte und fl üchtende Indianer verfolgte. In diesem Moment verfügte Fetterman nur noch über 14 Mann, denen rund 150 Krieger gegenüber standen. Die Soldaten wären vermutlich überrannt worden, aber jetzt kamen Lieutenant Wands Kaltblütigkeit und seine Henry Rifl e ins Spiel.

56 Thomas Mack as cited in McDermott, 1: 186. 57 Henry B. Carrington to Henry G. Litchfi eld December 6, 1866 in U.S. Secretary of the Interior, Papers Relative to the Indian Operations on the Plains 50th Cong., 1st sess. Senate Executive Documents no. 33 [Washington, DC, 1887], 37. Hereafter cited as Indian Operations. 58 Alexander Wands as cited in McDermott, 1: 188.

29 Er eröff nete eine schnelle Schussfolge und traf einen Indianer auf etwa 50 Yards [46 m) Entfernung. Der Mann wurde aus dem Sattel gerissen und wirbelte „wie ein fl iegendes Eich- hörnchen“ durch die Luft. Die anderen Soldaten begannen mit ihren Revolvern zu schießen, um die Krieger auf Abstand zu halten. Diese Waff en hatten allerdings den Nachteil, auf größere Entfernung fast nutzlos zu sein. Tatsächlich richteten die Revolver nichts aus, sie verursachten lediglich Lärm.59 Die Lieutenants Grummond und Bingham wurden so sehr vom Geschehen mit- gerissen, daß sie mit mehreren Soldaten die Verfolgung von etwa 30 scheinbar fl üchtenden Indianern aufnahmen. Unvermittelt drehten sich die Krieger um und preschten ihren Verfolgern entgegen. Die Soldaten waren jetzt gezwungen, sich ihren Weg freizukämpfen, um nicht umzingelt zu werden. Bigham feuerte mit seinen Revolvern, bis sie leer waren. Dann versuchte er, sich mit seinem Säbel eine Gasse zu hauen. Die Krieger töteten ihn. Seine Leiche wurde später nackt und skalpiert aufgefunden. Seergeant Bowers beging den Fehler, sich umzudrehen und auf seine Verfolger zu schießen, aber die Krieger überholten ihn, „schossen einen Pfeil in ihn und spalteten seinen Schädel oberhalb der Augen.“ Er war von einer Axt oder einem Tomahawk getroff en worden. Grummond war erfolgreicher. Er „stürmte auf die Indianer zu, schlug mit seinem Säbel nach rechts und links und schaff te es, sich mit dem Rest seiner Männer durchzukämpfen.“ 60 Einer von Carringtons Männern kam mit seinem Pferd zu Fall; er klemmte unter dem auf die Seite gestürzten Tier fest. Der Colonel sah einen Krieger, der sich dem Soldaten näherte, um ihn zu töten und zu skalpieren. Carrington „sprang vom Pferd, während ein anderer Mann die Tiere hielt und feuerte. Ich konnte den Mann retten und die Stellung halten, bis wir von Fetterman erreicht wurden.“61 Als die Krieger sahen, daß Fettermans Kommando sich mit Carringtons Männern vereinigte, „stoben die Indianer in alle Himmelsrichtungen davon.“ Sie ließen die Soldaten auf dem Schlachtfeld zurück. Der Kampf war vorbei. Die Soldaten machten sich auf die Suche nach ihren vermissten Kameraden. „Nach einer Stunde des Suchens fanden wir Lieutenant Binghams Leiche, und wir fanden

59 Carrington, Absaraka, 196-7 and McDermott, 1: 189. 60C. M. Hines to John, December 15, 1866 Indian Hostilities, 14-15. See also Hines in J. W. Vaug- hn, Indian Fights: New Facts on Seven Encounters (Norman: University of Oklahoma, 1966), 39-40. 61 Carrington to Litchfi eld, Indian Operations, 37-8.

30 Sergeant Bowers.“ Der Sergeant war noch am Leben, und er war nicht skalpiert worden. Aber seine Verwundung war sehr schwer, da er mit einer Axt oder einem Tomahawk am Kopf getroff en worden war. „Er starb, bevor der Ambulanzwagen das Fort erreichte, da auch sein Gehirn verletzt worden war.“ Carringtons abschließende Einschätzung des Kampfes beinhaltete auch eine Liste seiner Verluste. „Die vollständige Zahl der Opfer betrug: 1 Offi zier getötet, 1 Sergeant getötet, 4 Soldaten verwundet. 3 Pferde getötet und 5 verwundet.“ 62 Der Colonel berichtete ferner, daß seine Männer 10 Indianer getötet hätten, aber er belegte nicht, wieso er glaubte, daß so viele Krieger gefallen seien. Die Zahl war vermutlich übertrieben, um seinen Vorstoß als erfolgreich darzustellen. Lieutenant Grummond gab eine vollständig andere Einschätzung des Kampfes. William Bisbee, ein Offi zierskollege, berichtete später: „Er sagte, daß er, nachdem er das Kommando wieder erreicht hatte, den Colonel hitzig angegangen sei, ob er ein Narr oder ein Feigling sei, daß er es zulassen würde, daß seine Männer in Stücke gehauen wurden, ohne Hilfe zu erhalten.“ 63 Tatsächlich hatte Carrington mit seinem Angriff auf die Indianer überhaupt nichts erreicht, und seine Soldaten und Offi ziere nahmen keinerlei Lehren aus diesem Kampf mit. Sie zogen mit zu wenigen Männern ins Feld, teilten ihre Kräfte ange- sichts eines zahlenmäßig überlegenen Feindes, und sie befanden sich letztlich zu weit vom Fort entfernt, um Hilfe erwarten zu können, als sie angegriff en wurden. Ferner waren sie auf eine alte indianische List hereingefallen, als die Krieger so taten, als würden sie sich zurückziehen und damit die Weißen lockten, ihnen zu folgen. Nachdem sie die Kavallerie auf diese Weise weggelotst und die Weißen sich bei der Verfolgung der Indianer aufgesplittert hatten, gingen die Krieger erneut auf sie los. In diesem Moment waren sie klar im Vorteil. Es war dieselbe List, mit der die Indianer Fetterman zu einer dummen und un- überlegten Aktion verleiteten, die über zwei Wochen später zur Vernichtung seines Kommandos führen sollte. Lieutenant Wands und Grummond berichteten Margaret Carrington „die ganze Geschichte“ des Kampfes, und sie bemerkte, „nur Dank Gottes Gnade, konnten die Soldaten entkommen.“ Später wurde sie von Captain Fetterman besucht, der ihr sagte, „er habe seine Lektion gelernt. Dieser Indianerkrieg sei ein Mann-gegen-Mann-Kampf geworden und erfordere die höchste Aufmerksamkeit.“ 64 Fetterman hätte sich besser an seine eigene Schlussfolgerung der erhöhten Wach- samkeit und Vorsicht gehalten. Entgegen der Feststellung von Mrs. Carrington,

62 Ibid., 38 63 William Henry Bisbee, Through Four American Wars (Boston, Meador, 1931), 172 64 Carrington, Absaraka, 194-5.

31 hatte der Captain tatsächlich seine Lektion bezüglich des Kampfes mit den Indianern nicht gelernt, und seine Inkompetenz sollte 15 Tage später zu einem Desaster führen.

Vorbereitung für die Schlacht

Viele der Soldaten brannten darauf, erneut in den Kampf zu ziehen, um die erlit- tene Schmach auszuwetzen, ihre Männlichkeit zu beweisen und die andauernde Anspannung durch die ständigen Angriff e der Indianer zu beenden. Allerdings wussten die meisten Soldaten so gut wie nichts über ihre Feinde und über die Art der Kriegführung der Indianer. Trotz der bisherigen Erfahrungen, waren sie von übermäßigem Selbstbewusstsein erfüllt und überzeugt, daß die Eingeborenen letztlich nicht standhalten konnten, wenn man ihnen in angemessen großer Zahl begegnete. Die Soldaten unterschätzten sträfl ich die Fähigkeiten der Indianer in der Guerillakriegführung. Captain F. H. Brown war so erpicht darauf, wieder in den Kampf zu ziehen, daß er in seiner vollen Uniform zu Bett ging, um bei einer möglichen Bedrohung sofort einsatzbereit zu sein. Auch seine Waff en hatte er bei jeder Gelegenheit in Griff weite. Margaret Carrington schrieb: „Nur eine Nacht vor dem Massaker gab er Alarm, die Sporen an den Knopfl öchern seines Mantels befestigt, Leggings umgeschnallt, zwei Revolver griff bereit. So erklärte er, daß er Tag und Nacht bereit sei und daß er auf jeden Fall einen Skalp erbeuten wolle, bevor er nach Fort Laramie zurück- gehen würde, wohin man ihn beordert hatte.“ 65 Captain William Fetterman, der seine Lektionen aus dem Kampf vom 6. Dezember ganz off ensichtlich vergessen hatte, äußerte sich in derselben Weise. Er sprach davon, „Red Clouds Skalp zu nehmen“, und er prahlte damit, „mit achtzig Mann durch die gesamte Sioux-Nation reiten“ zu wollen.66 * Die Krieger waren off ensichtlich durchaus gewillt, der Armee bei ihrem Wunsch nach einer Schlacht entgegenzukommen. Alles deutete darauf hin, daß die Indianer zum Kampf bereit waren. Sie ließen keine Gelegenheit aus, die Soldaten zu pro- vozieren. Dr. Hines berichtete: “Immer wieder zeigten sie sich auf den Anhöhen in der Nähe dieses Forts, riefen nach uns und forderten uns zum Kampf heraus.“ 67

65 Ibid., 208-9. 66 Stanley Vestal, Warpath: the True Story of the Fighting Sioux Told in a Biography of Chief White Bull (New York: Houghton Miffl in, 1934), 59. Hereafter cited as Vestal, White Bull. 67 Hines of John, January 1, 1867 in Indian Hostilities, 15.

32 Seit Wochen hatten sich mehr und mehr Indianer für eine große Schlacht zusam- mengeschlossen. Einige davon waren von anderen Indianern mit einer gewissen Skepsis empfangen worden. Da gab es einen Krieger namens Heemaneh, er war ein Berdache, ein Mann, der wie eine Frau gekleidet war. Diese „Halb-Mann-Halb-Frau“-Personen wurden von den Sioux-Kriegern als ungeeignet für den Kampf angesehen. Sie wollten nicht an seiner Seite kämpfen, bis sie hörten, daß er 100 Krieger anführte, die mit ihm in die Schlacht gegen die Weißen ziehen wollten.68 Ein Kontingent Krieger wurde ausgewählt, um am Morgen einen Holzzug an- zugreifen. Damit begannen üblicherweise die täglichen Feindseligkeiten. Diese Männer sollten die Soldaten zur Verfolgung verleiten und dann die Flucht ergreifen. Weitere 10 Männer sollten den Rückzug verlangsamen, um die Soldaten zu täu- schen und sie dazu zu bringen, die Jagd fortzusetzen und in eine Falle zu tappen. In der Nacht vor dem Kampf wurden diese 10 Krieger, die als Lockvögel dienen sollten, besonders ausgewählt. Zwei dieser Männer waren Cheyenne, Little Wolf und Wolf Left Hand, zwei waren Arapaho und von jedem der drei Sioux-Stämme – den Minniconjou, Oglala und Hunkpapa – waren ebenfalls zwei dabei.69 Die Cheyenne waren Gäste der Sioux; ihnen blieb die Entscheidung überlassen, wo sie bei dem Hinterhalt stehen wollten. Die Häuptlinge erklärten, daß ihre Männer und die mit ihnen verbündeten Arapaho sich an der oberen westlichen Seite des Höhenrückens verstecken wollten. Mit ihnen gingen die Oglala-Sioux unter der Führung von . Die Minniconjou und Hunkpapa wollten sich auf der gegenüberliegenden oder östlichen Seite des Trails auf die Lauer legen.70 Alle Cheyenne und Arapaho waren beritten, während einige Sioux zu Fuß gin- gen. Mehrere Frauen hatten sich den Kriegern angeschlossen; sie blieben bei den Männern, die nicht beritten waren. Jeder kannte seinen Platz und wußte, was er zu tun hatte, und sie alle verhielten sich so leise wie es nur möglich war.71 Als alle Krieger ihre vereinbarten Stellungen erreicht hatten, bereiteten sie sich auf den Kampf vor. Sie nahmen die weißen Hirschlederdecken von ihren Schil- den, legten die Kriegsfarben in ihren Gesichtern an, und sie sangen und beteten.72

68 George Bird Grinnell, The Fighting (North Dighton, Mass.: JG, 1995), 228. 69 Grinnell, The Fighting Cheyennes, 229 and Stanley Vestal, Warpath and Council Fire: the Plains Indians’ Struggle for Survival in War and Diplomacy, 1851-1891 (New York: Random House, 1948), 98. Hereafter cited as Vestal, Warpath. 70 Vestal, White Bull, 58.. 71 Grinnell, The Fighting Cheyennes, 229 – 230. 72 Vestal, Warpath, 99

33 White Bull befand sich unter den Minniconjou Sioux. Er war gekleidet und be- waff net wie die anderen Krieger. Er war mit einer Lanze, einem Bogen und vierzig Pfeilen ausgerüstet. Im Haar trug er zwei Adlerfedern. Er führte sein graues Kriegs- pferd am Zügel. Der junge Mann zog sich eine blutrote Decke wie einen Mantel um die Schultern. White Bull war, wie die anderen Krieger, an diesem Tag zum Kampf bereit, und er war begierig darauf, seinen Mut in der Schlacht zu zeigen.73 Die Zahl der Krieger, die tatsächlich an der Vernichtung des Fetterman-Kom- mandos teilnahm, ist unbekannt. Schätzungen reichen von 900 bis 3.000 Mann. Indianische Berichte tendieren dazu, eine geringere Zahl anzugeben, während die Weißen die Teilnehmerzahl infl ationieren. Der einzige weiße Beobachter, der die indianische Streitmacht zu Gesicht bekam, war Captain Tendor Ten Eyck, der aus großer Entfernung sah, wie die Indianer nach der Vernichtung von Fettermans Truppe feierten. Ten Eyck hatte im Bürgerkrieg Erfahrungen bei der Einschätzung der Stärke von Streitkräften gesammelt; er war ein fähiger Beobachter, und seine Meinung hat daher Gewicht. Er berichtete: „Ich bin sicher, daß es nicht weniger als 1.500 und glaube, daß es nicht über 2.000 Krieger waren.“ 74 Die Zahl der weißen Männer in dieser Schlacht betrug 81. Wenn Ten Eycks Schät- zung als fundiert angesehen wird, wurde Fettermans Kommando im Verhältnis 1 zu 19 oder 1 zu 25 übertroff en.

Fettermans Kommando zieht aus

Der Morgen des 21. Dezember 1866 brach klar und eisig an. Es war der kürzeste Tag des Jahres. Nur einige verstreute Schneefl ecken bedeckten den Boden. Der Schnee behinderte die Bewegungen von Indianern und Soldaten nur wenig. Früh am Morgen verließ der Wagenzug das Fort und rollte zum Wald an der Süd- seite der Sullivant Hills. Die Holzfäller wurden von 90 Soldaten eskortiert. Sehr bald signalisierten die Posten auf Pilot Hill eine Meile südlich des Forts, daß viele Indianer anrückten. Der Holzfällerzug platzierte die Wagen sicherheitshalber in einem Kreis in Verteidigungsstellung. Colonel Carrington benutzte ein Fernglas, um das umliegende Terrain zu beob- achten. Er entdeckte kleinere Gruppen von Kriegern in den nahen Hügeln und im Dickicht entlang des Big Piney Creek unmittelbar vor dem Fort. Die Indianer schie-

73 Vestal, White Bull, 58. 74 Tendor Ten Eyck, “Evidence of Capt. T. Ten Eyck, 19th U.S. Inf., on the Fort Phil. Kearney Massacre,” July 5, 1867, page 10. As cited in freepages.history.rootsweb.ancestry.com.

34 nen sich aufzustellen, um die Stärke der Garnison zu prüfen und herauszufi nden, wie viele Soldaten wohl ausrücken würden, um den Holzfällern zu Hilfe zu eilen. Der Colonel befahl seinen Männern, die drei Kanonen des Forts in Stellung zu bringen und mehrere Schrapnells auf die Indianer abzufeuern. Die Projektile ex- plodierten kurz vor dem Aufprall in der Luft. Jedes Schrapnell enthielt 80 kleine Kugeln, die bei der Explosion in alle Richtungen geschleudert wurden. Die Indianer nannten diese Waff en, „Kanonen, die doppelt schießen“, und die Krieger zogen sich rasch aus der Reichweite dieser gefürchteten Haubitzen zurück.75 Colonel Carrington befahl Kompanie C der Kavallerie auszurücken, um dem Holzzug zu Hilfe zu entsetzen. Allerdings hatte Kompanie C keinen regulären Offi zier, und Carrington übergab Captain James Powell die Führung der Einheit. Captain Fetterman erhob dagegen Einspruch. Wenn Powell das Kommando über- nahm, hätte er im Fort zurückbleiben müssen und keine Möglichkeit gehabt, sich an dem zu erwartenden Kampf zu beteiligen. Fetterman verwies darauf, daß er der dienstälteste Captain des Forts war und be- anspruchte die Führung des Kommandos. Nach einigem Zögern gab der Colonel nach und übertrug ihm die Führung des Unternehmens. Auch Captain Frederick Brown bat darum, teilnehmen zu dürfen, „um eine weitere Chance zu erhalten, den Skalp von Red Cloud zu holen.“ Carrington erlaubte ihm, die Kolonne zu begleiten. Theoretisch hatte Brown allenfalls die Kontrolle über zwei Zivilisten, die sich dem Kommando ebenfalls anschlossen; er wurde für das Unternehmen nicht benötigt. Er ritt lediglich aus Abenteuerlust mit.76 Zwar führte Fetterman die Einheit, aber er war genau genommen lediglich Kommandeur des 2nd Bataillons der 18. US-Infanterie. Lieutenant Grummond war Kommandant der Kavallerie, er fungierte jedoch lediglich als Stellvertreter Fettermans. Jede Infanterie-Kompanie war Teil des zweiten Bataillons der 18. Infanterie. Ins- gesamt nahmen an dem Ausmarsch teil: Kompanie A mit 21 Mann, Kompanie C mit 9 Mann, Kompanie E mit 6 Mann, Kompanie H mit 12 Mann. Ein weiterer Soldat, Thomas M. Madden, begleitete die Infanterie. Er war ein neuer Rekrut und gehörte eigentlich gar nicht zu dem Kommando, weil er formal keiner der genannten Kompanien angehörte. Insgesamt nahmen an dem Unternehmen 49 Infanteristen teil. Jeder Mann trug 20 bis 30 Schuß Munition für seine Springfi eld-Muskete bei sich. Hinzu kamen 27 Mann aus Kompanie C der 2. US-Kavallerie. Jeder Reiter verfügte über 60 bis 70 Schuß Munition für seinen Spencer-Karabiner.

75 Vestal, White Bull, 58 76 Carrington, “Offi cial Report,” 22 and F. Carrington, My Army Life, 143

35 Der Hornist von Kompanie C war Adolf Metzger. Er stammte aus Deutschland und wurde als einer der erfahrensten Soldaten im Fort angesehen, da er bereits seine vierte Dienstzeit absolvierte. Ferner begleiteten 2 Zivilisten das Kommando, John (Isaac) Fisher und John Wheatley. Diese Männer hatten als Zivilscouts für die Armee gearbeitet. Die India- ner hatten Wheatley Vieh gestohlen, und er wollte es ihnen off enbar heimzahlen. Alles in allem bestand die Kolonne aus 76 Soldaten und 2 Zivilisten. Hinzu kamen 3 Offi ziere – Fetterman, Grummond und Brown. Somit wurde eine Zahl von 81 Mann erreicht.77 Fetterman hatte vorher geprahlt, daß er 80 Mann benötigen würde, um die Indianer zu schlagen – und das war jetzt exakt die Zahl der Männer, die sich unter seinem Kommando befanden. Größe und Zusammensetzung des Kommandos waren in höchstem Maße un- überlegt. Die Infanterie führte die umständliche Springfi eld-Muskete, die unter allen praktischen Aspekten lediglich marginale Wirkung entfalten konnte. Die Infanteristen waren zu langsam, um ihren berittenen Gegnern wirksam entge- gentreten zu können. Zudem war die Infanterie eher eine Behinderung für die Kavallerie, wenn das Kommando angegriff en wurde, weil die Reiter dann ihre Kameraden zu Fuß, die weitaus verletzlicher waren, schützen mussten. Darüberhinaus war die Anzahl der Reiter viel zu gering, um erfolgreich gegen die Indianer kämpfen zu können. Nachdem 60 Kavalleristen am 6. Dezember nicht imstande gewesen waren, die Krieger aufzuhalten, wie sollte dann am 21. Dezember nur die Hälfte etwas ausrichten können? Zwar trugen die Kavalleristen Spencer-Repetierer, aber sie waren einfach zu wenige, um in einer Schlacht nachhaltige Wirkung zu erzielen. Nur die beiden Zivilisten, Fisher und Wheatley, verfügten über die eff ektivsten Waff en der Weißen, sie führten Henry Rifl es. Diese beiden Männer waren natürlich nicht imstande, den Kampf grundlegend zu beeinfl ussen. Die geringe Zahl und die armselige Ausrüstung der Soldaten belegte, daß das ganze Unternehmen nicht durchdacht, schlecht geführt und töricht war. Es genügte ein aggressiv geführter Angriff einer überlegenen Streitmacht, um alle Soldaten abzuschlachten. Colonel Carrington sagte Lieutenant Grummond mit Nachdruck: „Sie unterstehen Captain Fetterman. Folgen Sie unbedingt seinen Befehlen und verlassen Sie ihn niemals.“ Danach gab der Kommandant des Forts dem Leutnant weitere Instruk- tionen: „Unter keinen Umständen überqueren Sie die Lodge Trail Ridge!“ 78

77 Carrington, “Offi cial Report,” 22; F. Carrington, My Army Life, 143; and “List of Men Killed in Action with the Indians near Fort Philip Kearney,” in Carrington, Absaraka, 282-4. 78 Carrington, “Offi cial Report,” 22 and F. Carrington, My Army Life, 143.

36 Lieutenant Wands war nicht befugt, einem anderen Leutnant Befehle zu erteilen, aber er gab Grummond einen Rat: „[Um Ihrer] Familie Willen, handeln Sie umsich- tig und vermeiden Sie impulsive Bewegungen oder eine Verfolgung [des Feindes].“ Colonel Carrington gab Fetterman eindeutige und klare Befehle: „Unterstützen Sie den Holztransport, entsetzen Sie ihn, und dann melden Sie sich bei mir. Greifen Sie nicht an, und verfolgen Sie die Indianer nicht. Unter keinen Umständen nehmen Sie die Verfolgung über die Anhöhe auf, namentlich nicht über Lodge Trail Ridge.“ 79 Lieutenant Grummonds Frau, Frances Courtney Grummond, stand unweit von Colonel Carringtons Hauptquartier und sah und hörte die ganze Unterredung. Sie bestätigte, was der Colonel den Offi zieren auftrug, als sie das Fort verließen: „Helfen Sie dem Holztransport, entsetzen sie ihn und melden Sie sich bei mir.“ Als die Männer aus dem Fort marschierten, stieg Carrington zum Wachgang oben an der Palisade hinauf und hieß die Kolonne mit lauter Stimme noch einmal an- zuhalten. Dann wiederholte er seine Befehle, „in lautem, klarem Ton, so daß ihn jeder hören konnte.“ Er rief den Soldaten zu: „Unter keinen Umständen dürft ihr Lodge Trail Ridge überqueren.“ Mrs. Grummond kannte den Charakter ihres Ehemannes, und sie fürchtete, daß er nicht zögern würde, ein unnötiges Risiko auf sich zu nehmen. „Ich empfand Furcht und Schrecken wenn ich daran dachte, daß mein Ehemann drei Wochen zuvor um Haaresbreite davongekommen und daß er jetzt so begierig darauf war, schon wieder gegen die Indianer zu kämpfen.“ 80 Unter allen nur denkbaren Aspekten hatten Grummond und Fetterman eindeutige Befehle und vernünftige Ratschläge erhalten, aber diese beiden Offi ziere setzten sich rücksichtslos über alles hinweg, was ihnen gesagt worden war. Colonel Carrington wies die verbleibende Besatzung darauf hin, daß sie nötigen- falls zu Captain Fettermans Unterstützung würde ausrücken müssen. Carrington versetzte die Garnison in höchste Alarmbereitschaft. Als das Kommando das Fort verlassen hatte, führte Fetterman die Kolonne nicht direkt zu dem Wagentransport, der angegriff en worden war, sondern zur Nordseite der Sullivant Hills. Vermutlich wollte er versuchen, die Indianer von ihrer Nachhut abzuschneiden oder ihnen den Fluchtweg zu versperren. Wahrscheinlich hatte er auch die kleine Kriegergruppe bemerkt, die als Köder diente, um das Kommando in einen Hinterhalt zu locken. Diese Krieger zogen sich langsam zurück. Einige täuschten vor, daß ihre Pferde lahmten und vermit- telten damit den Eindruck, daß sie leicht eingeholt und getötet werden konnten.

79 Carrington, “Offi cial Report,” 22. 80 F. Carrington, My Army Life, 144.

37 Der Captain schluckte den Köder und missachtete die Befehle Carringtons, die Indianer nicht zu verfolgen. In einer raschen Bewegung marschierte Fetterman außer Sicht des Forts und überquerte die Lodge Trail Ridge. Von diesem Moment an, war das Fetterman-Kommando vom Fort aus nicht mehr zu sehen, und die Garnison konnte nur noch ahnen, was passierte, als sie die Detonationen von heftigem Gewehrfeuer aus der Entfernung vernahm.

Die Indianer schließen die Falle

Als die Indianer ihren Hinterhalt gelegt hatten, warteten sie lange. Dann hörten sie einen einzelnen Schuß, und wenig später war mehr Gewehrfeuer zu vernehmen. Danach war es erneut still. Schließlich ertönten Hornsignale, und kurz darauf bewegte sich eine Kavallerieeinheit in ihre Richtung, die von Infanterie gefolgt wurde. Die Lockvögel hatten ihre Aufgabe bewundernswert erfüllt. Die Kavallerie feuerte und hielt an, und die Indianer kehrten um und taten so, als würden sie angreifen. Erneut feuerten die Reiter, und dann verfolgten sie die Indianer weiter.81 Fettermans Kolonne marschierte vom Fort aus etwa 4 Meilen (6,4 km). Sie folgte den Spuren des Bozeman Trails und rückte entlang der Lodge Trail Ridge über eine auff ällige Erhebung, die später als „Massaker-Hügel“ bekannt wurde. Hier wurde das Kommando angegriff en. Der Cheyennekrieger Big Nose brachte sich selbst in große Gefahr, weil er sei- nen Mut beweisen wollte. Als die Soldaten den Höhenrücken erreichten, ritt der Indianer auf seinem schwarzen Pferd direkt vor den Soldaten hin und her, um sie zum Kampf herauszufordern. Die Soldaten feuerten mehrere Salven auf ihn ab. Der Krieger schien zu versuchen, die Armee zurückzuhalten, um einem anderen Mann die Flucht zu ermöglichen. Unvermittelt griff Big Nose die Reihen der Soldaten an und durchbrach sie. Er ritt kühn durch die Formation der Soldaten hindurch, riß sein Pferd herum und galoppierte erneut durch die Reihen der Einheit in die entgegengesetzte Richtung. Er demonstrierte damit eine bemerkenswerte reiterliche Leistung und großen Mut, aber sein Verhalten war auch waghalsig und töricht.82 Ein anderer junger Krieger, Fire Thunder, er war gerade sechzehn Jahre alt, stand im Hinterhalt mit anderen Kriegern und wartete auf die Annäherung der Soldaten. Nachdem eine lange Zeit verstrichen war, vernahmen die Krieger einen Schuß jenseits des Hügels; jetzt wussten sie, daß die Soldaten kamen.

81 Grinnell, Fighting Cheyennes, 230. 82 Ibid., 230 and 232.

38 Um ihre Stellungen nicht frühzeitig zu verraten, versuchten die Indianer ihre Pfer- de still zu halten, indem sie ihre Hände auf die Nüstern der Ponies gelegt hatten, damit diese bei Annäherung der Kavalleriepferde nicht zu wiehern begannen. Die Krieger sahen in ihren Verstecken ihre eigenen Leute zurückkehren, „einige gingen zu Fuß und führten ihre Pferde, so daß die Soldaten glaubten, sie seien erschöpf.“ Sie vermittelten den Eindruck, leicht eingeholt werden zu können. Die indianischen Lockvögel, die ausgeschickt worden waren, die Soldaten in die Falle zu führen, rannten, verfolgt von den Kavalleristen, die im Galopp auf die fl üchtenden Männer schossen. Dann erreichte die Kavallerie den Fuß des Hügels – und der Kampf begann.83

Der Angriff der Indianer

Die Soldaten folgten den Lockvögeln den alten Bozeman Trail entlang, der am Höhenrücken verlief. Die Indianer versicherten sich, daß alle Krieger auf ihren Plätzen waren. „Die berittenen Sioux hatten sich hinter zwei felsigen Anhöhen auf der Ostseite des Höhenrückens versteckt, während die Cheyenne sich auf der Westseite aufhielten.“ Die Kavallerie ritt vor der Infanterie her. Beide Gruppen befanden sich in der Nähe der Sioux und innerhalb der indianischen Stellungen. Die Lockvögel teilten sich schließlich in zwei kleine Gruppen, und sie ritten in entgegengesetzte Richtungen davon. Dann drehten sie plötzlich um und kreuzten den Pfad der jeweils anderen Gruppe. Das war das Signal für die versteckten Krieger, anzugreifen. Die Cheyenne warteten jedoch auf das Zeichen von Little Horse. Dieser Krieger war ein Contrary oder Hohnühk’e, ein Mann, der in der Regel immer das Gegenteil von dem tat, was von ihm erwartet wurde. Er hielt seine „Contrary“-Lanze in der linken Hand, und er wechselte sie über seinen Nacken in die rechte Hand. Die Cheyenne wussten, daß das sein Zeichen zum Angriff war. Sie sprangen auf und stürmten gegen die Soldaten vor.84 Als White Bull, der Führer der Minniconjou Sioux, das Signal zum Angreifen sah, rief er seinen Kriegern zu: „Vorwärts!“ Rechts und links von den Soldaten sprangen die Indianer auf ihre Pferde und preschten los. Die Minniconjou waren den Soldaten näher als die Oglala und Cheyenne und erreichten sie daher als erste.

83 Fire Thunder in John G. Neihardt, Black Elk Speaks: Being the Life Story of a Holy Man of the Ogalala Sioux (New York: Morrow, 1932), 11-12. Hereafter cited as Fire Thunder in Black Elk Speaks. 84 Grinnell, Fighting Cheyennes, 232.

39 Das größte Zeichen von Mut für einen Indianer war, einen Feind mit seiner Waff e oder einem Stock zu berühren oder zu schlagen; das war ein „Coup“. Thunder Hawk stürmte vor den anderen Kriegern her und errang die Ehre, der erste zu sein, der „Coup“ an einem Soldaten zählte.85 Die stampfenden Hufe von Hunderten von Pferden klangen wie grollender Don- ner eines nahenden Gewittersturms. Als die Soldaten sahen, daß sie angegriff en wurden, hielten sie an. Die Indianer waren bereits so nahe, daß sie ihre Pfeile abschießen konnten. Einige Soldaten wurden getroff en. Sie versuchten, sich zu- rückzuziehen. Die Infanterie fl üchtete den Hügel hinauf und ging hinter einigen losen, fl achen Steinen auf dem Höhenrücken in Deckung. Die Männer pressten sich so fl ach wie es nur möglich war auf den Boden. Die Kavallerie folgte der Infanterie nicht, sondern zog sich zurück, vorbei an den Männern, die den Hang hinauf liefen, und stellte sich etwa 100 Yards (ca. 90 m) entfernt erneut auf.86

Drei Männer stellen sich den Indianern entgegen

Die beiden Zivilisten in Fettermans Kommando, James S. Wheatley und Isaac Fisher, stammten beide aus Blue Springs (Nebraska). Sie waren wahrscheinlich mit der Kavallerie vorgerückt. Es handelte sich off enbar um zwei furchterregende weiße Männer mit Kampferfahrung. Zudem repräsentierten sie mit ihren Henry Rifl es eine große Feuerkraft. Beide waren beritten, so daß sie die Möglichkeit hatten, gegebenenfalls mit der Kavallerie zurückzufallen, um ihr Leben zu retten, aber sie entschieden sich dafür, zusammen unten am Hang des Hügels hinter zwei großen Felsen Deckung zu nehmen, zu bleiben und zu kämpfen. Diese Männer erkannten zweifellos das Dilemma, in dem das gesamte Kommando steckte, von der großen Zahl indianischer Krieger überrannt zu werden. Die einzige Überlebenschance für diese beiden Männer wäre gewesen, um ihr Leben zu rennen oder sich den Kavalleristen beim Rückzug anzuschließen. Aber sie entschieden sich, zu bleiben. Mit ihrer überlegenen Feuerkraft konnten diese beiden Zivilisten den Soldaten etwas Erleichterung verschaff en und ihre Flucht decken. Wenn es so war, opferten sie ihr Leben für die Soldaten. Das Verhalten von Wheatley und Fisher ist in gewissem Maße nachvollziehbar, weil neben ihren Leichen eine große Anzahl von Patronenhülsen gefunden wurde. Mehr als 50 Hülsen lagen um diese Männer verstreut. Sie hatten ganz off ensicht-

85 Vestal, White Bull, 60. 86 Grinnell, Fighting Cheyennes, 233 and Vestal White Bull, 60.

40 lich bis zur letzten Patrone gekämpft. Mehr noch: Etwa 60 Blutpfützen und die Kadaver von 10 indianischen Ponies wurden in ihrer Nähe gefunden. Das war besonders bemerkenswert, weil nirgends sonst auf dem Schlachtfeld Blutpfützen waren und tote Indianerpferde lagen.87 Indianer verstümmelten häufi g die Leichen ihrer Feinde. In diesem Fall erhielten die Körper von Wheatley und Fisher eine Sonderbehandlung, off ensichtlich als Vergeltung für ihren harten Kampf. Die Indianer spickten diese Leichen mit Pfei- len. „In einer der nackten Leichen steckten nicht weniger als 150 Pfeile. … Die Patronenhülsen ringsherum belegten, wie hart und gut sie gekämpft hatten.“ 88 Der deutsche Kavalleriehornist Adolph Metzger hatte sich den beiden Zivilisten in ihrem verzweifelten Kampf off enbar angeschlossen; denn seine Leiche wurde in der Nähe entdeckt. Der Zustand seines Körpers bewies, daß der mutige Deut- sche Eindruck bei den Indianern hinterlassen hatte. „Über die Tapferkeit unseres Hornisten ist oft gesprochen worden. Er hatte mehrere Indianer mit seinem Signal- horn erschlagen.“ Die Indianer zollten diesem Mann besonderen Respekt: „Die Krieger verstümmelten jeden Toten aus Fettermans Kommando – mit Ausnahme des Hornisten, der so mutig gekämpft hatte, daß sie seine Leiche unberührt ließen und sie sogar mit einer Bisonrobe abdeckten.“ 89 Einige Indianer bedeckten die Leichen gefallener Feinde als Zeichen von Hochachtung, um dafür Sorge zu tragen, daß der tote Feind unberührt bleiben und nicht verstümmelt werden sollte. Gleichwohl ist es unwahrscheinlich, daß Metzger mehrere Krieger mit seinem Horn erschlagen haben soll. Dazu war das Instrument zu leicht, es wog weniger als ein halbes Kilogramm und bestand aus Messing, einem leicht verformbare Metall, das sich verbogen hätte, wäre es als Schlagwerkzeug benutzt worden. Es ist wahrscheinlicher, daß Metzger sein Gewehr als Keule benutzte und mit dem Horn erst im letzten Moment um sich schlug, als ihm in seinem verzweifelten Kampf mit den anstürmenden Kriegern nichts anderes mehr blieb.

Die Vernichtung der Infanterie Während Wheatley, Fisher und Metzger bis zum Tode kämpften, tobte weiter oben auf dem Hügel eine heftige Schlacht. Eats-Meat, ein mutiger Minniconjou- Krieger, galoppierte die alte Wagenstraße herunter den Infanteristen entgegen. Überraschenderweise erhoblen sich die Soldaten, als wollten sie ihre Stellung verlassen. Damit gelang es dem Krieger, ihre Reihen zu durchbrechen. Aber die

87 General Sanborn as cited in McDermott, 1: 223-4. 88 Grinnell, Fighting Cheyennes, 233 and Vestal White Bull, 60. 89 Elmo Scott Watson as cited in Vaughn, Indian Fights, 70.

41 Soldaten schossen hinter ihm her und töteten ihn. Er war der erste Indianer, der in diesem Kampf starb.90 Die Taktik, einem Krieger zu erlauben, die Linie der Soldaten zu durchqueren und dann auf den Mann zu feuern, wurde seit Jahrzehnten von Männern mit Vorderladermusketen geübt. Wenn die Soldaten auf ihren Feind feuerten, während und nachdem er sie passiert hatte, war die Wahrscheinlichkeit, ihn zu treff en, größer, und die Soldaten hatten Zeit, ihre Musketen neu zu laden, bevor der Krieger umdrehen und zurückkehren konnte. Dieses Manöver war beim Kampf mit wenigen Feinden wirksam, aber im Angesicht von Hunderten von Angreifern hatte es nur einen geringen Eff ekt. Ein anderer junger Krieger griff zu Fuß an, schoß seine Pfeile ab und rückte immer weiter vor. Die Soldaten richteten sich auf und töteten ihn. Als die Weißen standen, um auf den Indianer zu feuern, gaben sie bessere Ziele ab, und andere Krieger erhoben sich zur selben Zeit, zielten und schossen ihre Pfeile auf die Männer.91 Die Indianer ritten um die Infanterie herum. Die Oglala und Cheyenne schwenkten von Norden und Osten um die Truppe, während die Minniconjou von Süden und Westen kamen. Die Krieger benutzten äußerst geschickt die alte Angriff staktik, ihre Pferde als Schutzschilde einzusetzen. Sie hingen seitlich an ihren Tieren, so daß sie für die Kugeln der Soldaten nicht erreichbar waren. Sie schossen ihre Pfeile unter dem Hals und dem Leib des Pferdes auf die Truppe. Die Soldaten waren in ihren Verteidigungsmöglichkeiten durch die langsam feu- ernden Vorderladermusketen schwer behindert, sowie durch die Tatsache, daß sie sich erheben mussten, um ihre Waff en zu laden. Die Feuerkraft der Indianer war so gewaltig und die Anzahl der Krieger so stark, daß die Infanterie nur kurze Zeit Widerstand leisten konnte.92 Nachdem die meisten Infanteristen getötet worden war, sprangen drei Überlebende auf und stürmten den Hügel hinauf, um sich der Kavallerie anzuschließen. Die Sioux sahen die fl iehenden Männer und folgten ihnen sofort. Bull Eagle war zu Fuß; er rannte vorwärts, um die Soldaten mit seinem Bogen zu schlagen. Er wollte off ensichtlich Coup an diesen Weißen schlagen, aber ein anderer Soldat schoß auf den Krieger. Die Kugel durchschlug seinen rechten Oberschenkel. Bull Eagle stürzte zu Boden und war nicht mehr imstande, sich zu bewegen. Wann immer es möglich war, bargen die Indianer ihre Verwundeten und Toten vom Schlachtfeld, aber das Feuer der Soldaten war jetzt so intensiv, daß niemand glaubte, Bull Eagle helfen zu können. White Bull sah den Krieger blutend und stöhnend am Boden liegen. Der junge Mann sprang von seinem Pferd und versuchte, zu Bull Eagle zu gelangen. Er konnte

90 Carrington, “Offi cial Report,” 17-18, 24. 91 Grinnell, Fighting Cheyennes, 233. 92 Vestal, White Bull, 61.

42 ein Handgelenk des Verwundeten greifen und zerrte ihn über den Höhenrücken, so daß er außer Sicht der Soldaten und damit in Sicherheit war.93 Das Gegenfeuer der Infanterie fl aute ab. White Bull schwang sich erneut auf sein Pferd und griff wieder in den Kampf ein. Als er auf die Soldaten zupreschte, wurde er vom Pferd geschossen. Er stürzte zu Boden, konnte sich aber an dem Strick festhalten, den er um den Hals seines Pferdes geschlungen hatte. Obwohl er hart auf dem Boden aufprallte, hatte die Kugel ihn nicht verletzt; sie hatte lediglich seine rote Decke durchschlagen, die er um die linke Schulter geworfen hatte. White Bull wurde davon, das er beinahe getroff en worden war, nicht etwa in Schrecken versetzt, sondern zornig. Er zog sich zurück auf den Rücken seines Ponies und stürmte erneut in den Kampf.94 Die Indianer schossen ihre Pfeile mit so großer Schnelligkeit und in so großer Menge ab, daß viele davon über oder durch die Stellungen der Soldaten fl ogen und Krieger auf der gegenüberliegenden Seite trafen. Ein Pfeil schlug einem Indianer in die Stirn. Die Spitze traf ihn zwischen die Augen, drang bis zu seinem Gehirn durch und tötete ihn. Viele der Krieger stürmten gegen die Deckungen der Soldaten, und es begann ein erbitterter Mann-gegen-Mann-Kampf. Während all das geschah, zog sich die Kavallerie vorbei an der Infanterie zurück auf die Höhe des nahen Hügels. Sie gab der Infanterie wenig oder keine Unter- stützung, während ihre Kameraden vernichtet wurden.95

Die Vernichtung der Kavallerie

Wenn das Kommando überhaupt eine Chance gehabt hätte, den indianischen Angriff zu überleben, hätten Infanterie und Kavallerie zusammenbleiben und sich gemeinsam den Weg freikämpfen müssen. Die Tatsache, daß die Kavallerie den Rückzug antrat und die Infanterie ihrem Schicksal überließ, bedeutete letztendlich, daß die Krieger beide Teile der Truppe einen nach dem anderen schlagen konnten. Allerdings verhielt sich die Kavallerie bei ihrem Rückzug lehrbuchmäßig, zeigte kämpferischen Einsatz und ging langsam und in geordneter Formation zurück. Einige der Männer waren abgesessen und führten ihre Pferde am Zügel, was anderen Soldaten die Möglichkeit gab, vom Boden aus zu kämpfen und ihre Waff en gezielter und eff ektiver einzusetzen. Unter solchen Umständen war es übliche Praxis, daß ein Kavallerist 4 Pferde hielt, während deren Reiter am Boden

93 Ibid., 61-2. 94 Ibid., 62. 95 Grinnell, Fighting Cheyennes, 233.

43 kämpften. Allerdings bedeutete diese Praxis auch, daß ein Viertel der Kavallerie nicht einsatzfähig war. Die Indianer jagten hinter den Reitern her, aber ihre Bewegungen wurden durch Eis und Schnee an den Hängen des Hügels behindert, die den Boden glatt und rutschig machten. Daher konnten die Indianer die Kavalleriestellungen nicht so schnell stürmen.96 Die Kavalleristen verhielten sich diszipliniert und zeigten festen Zusammenhalt. Nachdem sie sich langsam auf die Anhöhe in Richtung auf das Fort hinaufbewegt hatten, setzten sie den Kampf fort. Sie blieben dicht zusammen und feuerten ohne Unterbrechung. Sie schossen so schnell, daß sie teilweise hinter dem Pulverdampf ihrer eigenen Gewehre verschwanden. Die Männer, die die Pferde nicht führen mussten, knieten in der Regel nieder, um ihre Gewehre ruhiger halten und zielen zu können. Nach jedem Schuß standen die Soldaten wieder auf und zogen sich weiter zurück. Hinter den Soldaten entdeckte White Bull einen der weißen Männer zu Fuß. Dieser Soldat stürmte auf die Krieger zu. Im Laufen schrie er so laut er konnte. Er trug einen Karabiner, und er drohte den Indianern, in dem er mal auf den einen, mal auf den anderen Krieger zielte. White Bull ritt direkt auf den Mann zu und schoß einen Pfeil in seine Brust, der sein Herz durchbohrte und ihn auf der Stelle tötete. Um seinen Triumph perfekt zu machen, schlug der Krieger den Soldaten mit seiner Lanze auf den Kopf, so daß seine Kappe davonfl og. Er hatte damit seinen ersten Coup gezählt.97 Fire Thunder warf sich auf seinen Fuchshengst, als die Soldaten auf dem Trail zurückfi elen. Der junge Krieger verfügte über eine der wenigen Feuerwaff en, die die Indianer an diesem Tag benutzten. „Ich hatte einen Sechsschüsser [Revolver], den ich im Handel erworben hatte, und auch Pfeil und Bogen. Als die Soldaten zurückgingen, hielt ich meinen Fuchs [Pferd] mit einer Hand und fi ng an, sie mit meinem Sechsschüsser zu töten, wenn sie mir nahe kamen. Viele Kugeln fl ogen, aber noch viel mehr Pfeile – so viele, daß sie wie eine Wolke von Heuschecken über und um die Soldaten schwirrten. Und sie trafen auch unsere eigenen Leute.“ 98 Ein Cheyenne, Little Horse, kroch bis auf etwa 12 m an die Stellung eines Soldaten heran und schoß dann seine Pfeile auf ihn. Die Weißen erwiderten das Feuer, aber der Krieger wurde nicht getroff en. Ein anderer Cheyenne, White Elk, sah, wie die Indianer die Soldaten mit Pfeilen eindeckten. Sie fl ogen in so schneller Folge, daß die gefi ederten Schäfte wirklich wie ein Schwarm von Heuschrecken über ihn hinzogen.

96 Ibid., 233. 97 Grinnell, Fighting Cheyennes, 233. 98 Fire Thunder in Black Elk Speaks, 11-12.

44 Wieder wurden andere Indianer von den Pfeilen ihrer eigenen Leute getroff en. Diesmal waren Thunder Hump und King die Opfer. Die Krieger verschossen so viele Pfeile, daß der ganze Boden davon bedeckt war. Viele Krieger mussten ihre eigenen Pfeile gar nicht mehr benutzen; sie bückten sich einfach und sammelten Pfeile vom Boden auf, um sie erneut zu verschießen.99 Ein beherzter Offi zier ritt ein weißes Pferd, was ihn als Lieutenant Grummond identifi zierte. Nach der Schlacht wurde sein Leichnam etwa eine Viertelmeile von der Stelle gefunden, wo die Kavallerie ihren letzten Kampf ausfocht. Das beleg- te, daß der Leutnant getötet wurde, während er versucht hatte, den Rückzug der Truppen zu decken. Der Krieger Wild Horse berichtete später, daß dieser Offi zier seinen Hut verloren hatte und barhäuptig war. Der Mann sei zu diese Zeit bereits schwer verwundet gewesen; ein zerschmetterter Arm habe kraftlos an seiner Seite gebaumelt. Sein Gesicht war mit Blut von einer tiefen Schnittwunde in seiner Wange bedeckt gewesen, aber der Soldat habe nach wie vor Widerstand geleistet. Off ensichtlich hatte Grummond zu diesem Zeitpunkt bereits sein Gewehr verloren oder seine Munition verschossen, aber er trug noch immer seinen Revolver und schlug damit einem Indianer den Schädel ein. Danach sprengte er weiter, wild mit dem Säbel nach beiden Seiten hauend. Einem Bericht zufolge, schlug er einem Krieger mit einem einzigen Hieb den Kopf ab. Aber der Kampf des Leutnants war aussichtslos. Er wurde von einem Krieger mit einem Keulenschlag getötet.100 Nachdem Lieutenant Grummond getötet worden war, schienen die Soldaten auf- gegeben zu haben und fl üchteten weiter hinauf auf die Anhöhe. Sie erreichten ihre letzte Stellung und verteidigten sich zwischen vier Felsbrocken auf dem höchsten Punkt des Hügelrückens. Das Areal hatte grob die Form eines Quadrats, aber es war eine ziemlich kleine Fläche, nur ungefähr 6 Fuß (ca. 2 m) an jeder Seite. In einem überraschenden Entschluß ließen einige der Kavalleristen off enbar ihre Pferde frei, als sie sich auf die Anhöhe zurückzogen. Sie ließen die überlebenden Pferde laufen, sowie sie den Gipfel des Höhenrückens erreicht hatten.101 Diese Entscheidung könnte ihr Schicksal besiegelt haben, da sie jetzt keine Möglichkeit mehr hatten, zu Pferde zu fl iehen. Wenn die Männer zu diesem Zeit- punkt überhaupt noch eine Überlebenschance gehabt hatten, dann hatte sie darin gelegen, auf ihre Pferde zu springen und zu versuchen, die Reihen der Angreifer

99 Vestal, White Bull, 63. 100 W. F. Hynes, Soldiers of the Frontier ([Denver,] s.n., 1943), 162-3, and McDermott, 1: 223-4. 101 Vestal, White Bull, 63.

45 zu durchbrechen, um zum Fort zu entkommen. Vermutlich hätten es ohnehin nur wenige geschaff t. Two Moons berichtete später: „Nach [der Freilassung der Pferde] konnte Fetterman nichts weiter tun, als kämpfen, und bald war alles vorbei.“ 102 Als die Pferde davonliefen, bedeutete das allerdings auch, daß die Männer, die die Tiere bis jetzt gehalten hatten, in den Kampf eingreifen konnten. Damit wurde die Zahl der kämpfenden Soldaten noch einmal kurzfristig erhöht. Tatsächlich gab die Freilassung der Pferde den Männern eine Atempause, weil einige der Krieger versuchten, die Tiere einzufangen und somit das Schlachtfeld für kurze Zeit verlie- ßen. Unter diesen Kriegern war auch White Bull. Aber sein Pony war zu langsam, um die Kavalleriepferde einzuholen; so konnte er keines davon erbeuten. Andere Indianerponies waren schneller, und die Krieger fi ngen alle Armeepferde ein.103 Big Nose verfolgte die Pferde und fi ng zwei von ihnen, aber sein eigenes Pferd war so erschöpft von der Jagd, daß der Krieger es nicht weiter bewegen konnte und stehen bleiben musste. Damit wurde er zu einem leichten Ziel für die Soldaten, und er wurde vom Pferd geschossen. Schwer verwundet lag er am Boden. Sein Freund White Elk eilte ihm zu Hilfe, während die Soldaten kontinuierlich auf sie feuerten. Big Nose sagte: „Bring mich einfach auf den Hügel, wo ich liegen und die frische Luft atmen kann.“ Er starb zwei Tage später an seinen Wunden.104 Die indianischen Bemühungen, die Kavalleriepferde einzufangen, gaben den Soldaten eine Atempause, aber die Unterbrechung des Kampfes war nur kurz. Die Kavallerie lag jetzt etwa 400 m von der Stelle, wo die Infanterie unterge- gangen war. Einige Krieger überlegten sich, wie sie die weißen Männer dazu bringen konnten, sich zu exponieren, um sie mit ihren Pfeilen treff en zu können. Schließlich erhob sich immer wieder ein Indianer und täuschte vor, angreifen zu wollen. Dann richteten sich einige Soldaten auf, um ihn unter Feuer zu nehmen. In diesem Moment schossen mehrere Krieger ihre Pfeile ab. Dieser Taktik fi elen weitere Soldaten zum Opfer.105

102 Two Moons in F. Carrington, My Army Life, 14. 103 Vestal, White Bull, 64. 104 Grinnell, Fighting Cheyennes, 234. 105 Ibid., 234-5.

46 Skizze von Fort Phil Kearny, angefertigt von einem der Soldaten, die hier dienten. Der Posten war eines der wenigen Palisadenforts im Westen.

Lieutenant Grummond versucht, sich den Weg freizukämpfen. Zeitgenössische Skizze.

47 Captain William Fetterman. Chief . Er behauptete später, Fetterman getötet zu haben. Diese Aussage ist aber zweifelhaft.

Diese Sioux-Chiefs hatten alle am Kampf gegen das Fetterman-Kommando teilgenommen.

48 Der Fetterman-Kampf. Zeitgenössische Skizze.

Topographische Darstellung des Fetterman-Massakers.

49 Blick vom Fetterman-Schlachtfeld. Durch diese zerklüftete Landschaft, teils von Schnee bedeckt, zog das Kommando heran. Hier wurden die Soldaten von den Indianern erwartet. Foto. D. Kuegler

Das Fetterman-Schlachtfeld. Foto: D. Kuegler

50 Der letzte Angriff

Die Krieger robbten immer näher an die Stellungen der weißen Männer heran und bereiteten sich auf einen Angriff vor, der den Kampf beenden sollte. Indianer im Kampf folgten keiner eindeutigen Führungshierarchie. Einige cha- rismatische und einfl ussreiche Männer agierten als Häuptlinge, aber es war eher ihr Beispiel, mit dem sie die anderen Krieger inspirierten, zu kämpfen; sie gaben in der Regel keine Anweisungen. Die meisten indianischen Männer sahen den Kampf als individuelles Erlebnis an und entschieden selbst, was sie tun wollten. Oft feuerten sich die Krieger untereinander gegenseitig an, um ihre Bemühungen zu koordinieren. Die Indianer, die die Stellungen der Soldaten umzingelt hatten, riefen sich zu: „Seid ihr bereit? Macht euch fertig!“ Andere antworteten: „Wir sind fertig.“ Schließlich wurde das Signal zum Angriff gegeben, und die Krieger stürmten aus kurzer Distanz auf die Deckungen los. Es kam zu Mann-gegen-Mann-Kämpfen. Little Horse führte die Cheyenne in den Kampf. Seine Krieger rückten so nahe an die Soldaten heran, wie es eben möglich war, und dann waren sie plötzlich mitten unter ihnen.106 Der Krieger Wild Horse berichtete später, daß ein Soldat im Nahkampf dem Messerstich eines Kriegers entging und dann seinen Gegner an den Haaren packte. Er presste ihm den Revolver zwischen die Augen, schoß und tötete den Krieger.107 Nur wenige Sioux starben bei diesem Angriff , aber alle Soldaten wurden getötet.108 Fire Thunder erzählte weitere Details über das Ende dieser Schlacht: „Die Soldaten starben bereits, als sie sich den Hügel hinauf kämpften und ihre Pferde losließen. Viele unserer Leute jagten die Pferde, aber ich jagte die Wasichus [weiße Männer]. Als die Soldaten die Spitze [des Hügels] erreichten, waren nicht viele von ihnen übrig, und sie fanden kaum eine Deckung.“ Die Situation der Soldaten wurde hoff nungslos, aber sie behaupteten sich tapfer. „Wir kämpften hart. Man sagte uns, wir sollten zu ihnen hinauf kriechen, und das taten wir. Als wir nahe heran waren, schrie jemand: ‚Laßt uns angreifen! Das ist ein guter Tag zum Sterben. Denkt an unsere Schwachen daheim!’ Wir alle brüllten ‘Hoka Hey!’ (Es ist ein guter Tag zum Sterben!) und warfen uns auf sie.“ Die Soldaten „erhoben sich und fochten so verzweifelt sie konnten, bis keiner von ihnen mehr am Leben war.“ 109 White Bull robbte mit seinem Freund Charging-Crow zu den Soldaten hinauf.

106 Ibid., 234-5. 107 W. F. Hynes, Soldiers of the Frontier ([Denver,] s.n., 1943), 162. 108 Grinnell, Fighting Cheyennes, 234-5. 109 Fire Thunder in Black Elk Speaks, 11-13.

51 Schließlich richtete sich Long Fox, ein bedeutender Führer der Minniconjou, auf und schrie: „Hopo! Los geht’s!“ Daraufhin stürmten alle Krieger vorwärts. Fast im selben Moment stürzte Charging Crow, tödlich getroff en. Der tote Mann fi el vor White Bulls Füße. Der junge Krieger ließ sich erschrocken ebenfalls fallen. Gleich darauf wurde sein Onkel, , tödlich in die Brust getroff en. Die anderen Krieger griff en weiter an, und es kam zum Nahkampf. Viele Krieger waren an diesem Gefecht beteiligt. Die Sioux nannten diesen Kampf „Stirring Gravy“ (= Soße rühren), weil es ein furchtbares Gewühle und Abschlachten war. Das war das Ende des Kampfes, bei dem alle noch lebenden Soldaten getötet wurden. White Bull kam zu spät, um an dem fi nalen Angriff gegen die Sodlaten teilzuneh- men, aber er erbeutete einen Kavalleriekarabiner vom Kampfplatz.110 Viele der Soldaten kämpften verbissen. Einer der Sioux erzählte: „Die Soldaten fochten tapfer, aber da sie sich eng zusammengeschart hatten, war es für uns leichter sie zu töten, als wenn sie ausgeschwärmt wären.“ Der Krieger fügte hinzu: „Die Munition der Soldaten war nicht aufgebraucht; sie feuerten bis zur letzten Patrone.“ 111 Jahre später berichtete Red Cloud, daß ein Soldat allein 7 Krieger tötete und 9 andere verwundete, bevor er schließlich überwältigt und erschlagen wurde.112 Diese Geschichte erscheint dennoch übertrieben, und andere Soldaten kämpften vermutlich weniger heroisch. Red Cloud und American Horse sagten später, daß einige der Soldaten off enbar so erschrocken darüber waren, daß sie in eine Falle getappt waren, daß sie wie paralysiert erschienen und vor ihrem Tod wenig Widerstand leisteten.

Fettermans Tod Die Quellen über den Tod Captain Fettermans vermitteln unterschiedliche An- gaben. American Horse behauptete, daß er den Offi zier tötete. Er sagte, daß er in vollem Galopp auf den Captain zugejagt und ihn aus dem Sattel geschlagen habe. Dann sei er von seinem Pferd gesprungen und habe Fetterman mit dem Messer erstochen, indem er ihm die Kehle durchschnitten habe. Red Cloud bestätigte diese Geschichte.113

110 Vestal, White Bull, 65. 111 Michael Boyer’s “Testimony on the Fetterman Massacre” in John S. Gray, Custer’s Last Campaign: Mitch Boyer and the Little Bighorn (Lincoln: U. of Nebraska, 1991), 402.. 112 William Murphy as cited in F. Carrington, My Army Life, 295. 113 James H. Cook interviewed Red Cloud and American Horse. See James H. Cook, Fifty Years on the Old Frontier as Cowboy, Hunter, Guide, Scout, and Ranchman (Norman: U of Oklahoma, 1957), 198.

52 Es gibt jedoch einige Argumente, diese Behauptung anzuzweifeln. Viele muti- ge Krieger konnten behaupten, einen der führenden Gegner getötet zu haben. American Horse hatte Fetterman vermutlich niemals gesehen, und nur wenige Krieger konnten in der Hitze des Gefechts ihre Gegner identifi zieren. Der Mann, den American Horse getötet hatte, konnte auch jemand anderes gewesen sein. Entsprechend einer Aussage des Militärarztes Samuel Horton war Fetterman tatsächlich von einem Messerstich getötet worden. „Der Thorax (Brustkorb) von Fettermans Leiche war kreuzweise mit einem Messer aufgeschlitzt worden, und zwar tief bis in die Viszera (Eingeweide). Seine Kehle und sein ganzer Hals waren ringsherum bis zu den Halswirbeln aufgeschnitten. Ich glaube, daß die Verstüm- melungen seinen Tod verursachten.“ 114 Es gibt allerdings auch Gründe Hortons Urteil anzuzweifeln, daß diese Schnitte den Tod verursachten. Jede der beschriebenen Wunden hätte ausgereicht, das Opfer zu töten. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß American Horse sich die Zeit genommen hätte, in der Hitze des Kampfes sein Opfer aufzuschneiden und faktisch zu zerlegen. Die Beschreibung des Arztes passt zu den Verstümmelungen, die fast alle Gefallenen aufwiesen, und diese Wunden wurden dem Leichnam wahrscheinlich erst zugefügt, als Fetterman bereits tot war. Kurz nach der Schlacht schrieb Colonel Carrington über die Art der Wunden, die Captain Fetterman und Captain Brown erlitten hatte. Sein Bericht läßt eine andere Vermutung zu, nämlich daß beide sich selbst das Leben genommen haben könnten. Nach der Untersuchung der Leichen berichtete Colonel Carrington: „Fetterman und Brown hatten jeder den Einschuß eines Revolvers in der linken Schläfe. Da Brown vorher erklärt hatte, er werde als letzte Rettung immer eine Patrone für sich selbst übrig lassen, bin ich überzeugt, daß diese beiden tapferen Männer sich ge- genseitig erschossen, anstatt von anderen langsam zu Tode gequält zu werden.“ 115 Auch diese Behauptung ist unwahrscheinlich. Wenn nicht beide Männer Links- händer gewesen wären, ist es unerklärlich, wie sie sich selbst in die linke Schläfe schießen konnten. Wenn beide Rechtshänder waren, konnten sie sich gegenseitig in die linke Schläfe geschossen haben, aber das hätte bedeutet, daß sie beide zur selben Zeit abgedrückt hätten, was sehr riskant gewesen wäre. Fraglos fürchteten sich diese Männer davor, gefangen und gefoltert zu werden, und ein Selbstmord war einem solchen Ende vermutlich vorzuziehen.

114 Samuel Horton in Elbert D. Belish, “American Horse (Wasechun-Tasunka): the Man who killed Fetterman, Annals of Wyoming 63 (Spring 1991): 56. 115 Carrington in Richard Scott, Eyewitness to the Old West: Firsthand Accounts of Exploration, Adventure, and Peril (Lanham, MD: Rinehart, 2004), 207.

53 Obwohl alle Soldaten am Ende der Schlacht tot waren, hatte ein Maskottchen überlebt; die Kavalleristen waren von einem Hund begleitet worden. Nachdem alle Soldaten gefallen waren, lief der Hund bellend davon. Einer der Krieger rief: “Alle sind tot, bis auf den Hund. Laßt ihn die Nachrichten zum Fort bringen.“ Ein anderer erwiderte: „Nein, wir werden nicht einmal einen Hund davonkommen lassen.“ Danach wurde das Tier von Pfeilen durchbohrt.116 Fire Thunder berichtete weitere Einzelheiten über den Tod des Hundes: „Sie [die Soldaten] hatten einen Hund bei sich, und er rannte den Weg zurück zum Dorf der Soldaten [Fort]; er jaulte während er lief. Er war das einzige Wesen, das geblieben war. Ich schoß nicht auf ihn, weil er so niedlich aussah, aber viele schossen, und er starb voller Pfeile. Somit blieb von den Soldaten nichts mehr übrig.“ 117

Indianische Verluste

Die Angaben darüber, wie viele Indianer in diesem Kampf getötet wurden, vari- ieren in bemerkenswerter Weise. Folgt man ihren eigenen Berichten, können es wenige oder aber über 100 Gefallene gewesen sein. Viele der Zahlen sind höchst unpräzise. Beispielsweise geben Cheyenne-Quellen an, daß nur 2 Cheyenne- Krieger getötet wurden, während die Verluste der Sioux wesentlich höher waren. Ihre Leichen wurden in zwei langen Reihen nebeneinandergelegt, und es waren zwischen 50 und 60 Krieger.118 Eine sorgfältige Prüfung der Beweise legt eine abgewogenere Zahl Gefallener nahe. Üblicherweise geben indianische Zeugen die eigenen Verluste niedriger an, aber jeder Krieger sah in der Regel nur den Teil des Schlachtfeldes, auf dem er kämpfte, so daß wesentlich mehr gefallen sein konnten. Entsprechend der Listen, die nach den Angaben der Indianer erstellt wurden, waren 21 Sioux und 5 Cheyenne getötet worden. Nur der Name eines getöteten Arapaho ist bekannt. Das bedeutet, daß von 27 getöteten Indianern die Namen notiert wurden. Diese Zahl scheint realistisch, aber es mag weitere gefallene Krieger gegeben haben, deren Namen nicht überliefert wurden. Ferner stellt sich die Frage nach der Anzahl der Krieger, die verwundet wurden und vielleicht später starben. Auch diese festzustellen ist schwierig. Mitch Boyer, der berühmte Scout, der 1876 mit Custer am Little Big Horn getötet wurde, sprach nach dem Fetterman-Kampf mit einem Sioux-Indianer. Dieser Mann sagte, daß

116 Samuel Horton in Elbert D. Belish, “American Horse (Wasechun-Tasunka): the Man who killed Fetterman, Annals of Wyoming 63 (Spring 1991): 56. 117 Fire Thunder in Black Elk Speaks, 11-13. 118 Grinnell, Fighting Cheyennes, 235.

54 nur 8 Indianer im Kampf getötet wurden, aber 50 wurden verwundet, „22 von diesen starben an ihren Verletzungen.“ 119 Höchstwahrscheinlich starben zwei oder drei Dutzend Krieger im Kampf mit dem Fetterman-Kommando, und mindestens 20 oder mehr starben später an ihren Wunden. Möglicherweise hatten die Fetterman-Soldaten fast ebenso viele Indianer getötet wie sie selbst waren. Die Indianer plünderten die toten Soldaten aus. Sie rissen ihnen die Uniformen vom Leib. White Bull erbeutete einen Mantel und zwei Paar Hosen von einem toten Soldaten. Er schnitt die Hosenbeine auf, so daß sein Vater sie wie Chaps als Beinschutz benutzen konnte. Das Hinterteil der Hosen warf White Bull weg. Die Krieger fanden auch Papiergeld und Silbermünzen in den Taschen der Solda- ten. Die Indianer wussten, daß Silber einen Wert hatte, aber Papiergeld bedeutete ihnen nichts. Sie behielten lediglich einige der neuen Geldscheine, weil sie sie ihren Kindern zum Spielen geben wollten. White Bull schätzte, daß die Soldaten lediglich die Hälfte ihrer Munition im Kampf verschossen hatten, was bedeutete, daß die Krieger auch die übrigen Patronen erbeuteten. Vergleichbar damit hatte der junge Krieger 20 seiner 40 Pfeile im Kampf ver- schossen, aber viele Pfeile lagen überall auf dem Schlachtfeld verstreut, so daß er genug davon aufhob, um seinen Köcher wieder zu füllen.120

Die Entsatzkolonne unter Ten Eyck

Frances Grummond war sehr besorgt um die Sicherheit ihres Mannes und der anderen Angehörigen des Fetterman-Kommandos. Nachdem die Kolonne außer Sicht war, empfand sie „die Stille so intensiv, daß es eine Qual für alle war, die auf irgendein Geräusch warteten, und sei es noch so gering.“ Erst als der Lärm der Schlacht zu hören war, verstanden die Menschen im Fort, was mit Fettermans Kommando geschah. Mrs. Grummond hörte schließlich Schüsse, die in schneller Folge abgegeben wur- den und belegten, daß „ein verzweifelter Kampf im Tal hinter dem Höhenrücken ausgefochten wurde.“ Das war in der Tat der Ort, zu dem Fetterman entsprechend seiner Befehle niemals hätte gehen dürfen. „Es folgten einige schnelle Salven, dann einzelne Schüsse, und dann Totenstille.“ Sie fügte hinzu: „Weniger als eine halbe Stunde war vergangen, und die Stille war furchtbar.“ 121

119 Mitch Boyer, “Testimony on the Fetterman Massacre,” 402. 120 Vestal, White Bull, 65-6.. 121 F. Carrington, My Army Life, 146.

55 Kurz nach dem Fetterman das Fort verlassen hatte, fi el Colonel Carrington ein, daß er zwei Einheiten hatte – den Holztransport und das Fetterman-Kommando –, die es mit Indianern zu tun bekamen, und keine davon hatte einen Arzt dabei, um sich um die Verletzten zu kümmern. Der Kommandant befahl daher dem Arzt C. M. Hines, zu dem Holztransport zu reiten und seine Dienste anzubieten. Hines berichtete, daß Carrington zu ihm sagte: „Wenn Sie sie [den Holztransport] in Sicherheit fi nden, schließen Sie sich dem anderen Kommando an.“ Der Doktor ritt etwa drei Meilen und war dann überzeugt, daß der Holztransport keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt war, also zog er sein Pferd herum und versuchte, das Fetterman-Kommando zu erreichen. Der Arzt hörte fraglos den Lärm des Gewehrfeuers, und er wußte, daß die Ab- teilungen in Gefahr waren. Hines hatte vier weitere Männer bei sich, aber als er zur Lodge Trail Ridge ritt, sah er so viele Indianer, daß ihm klar war, daß es unmöglich war, die kämpfende Truppe zu erreichen. Der Doktor bemerkte: „Wäre ich den Befehlen gefolgt, die ich hatte, wäre ich getötet worden.“ Es gab keine Möglichkeit für den Arzt und seine kleine Gruppe, Fetterman zu erreichen. Statt dessen erbat Hines ein Entsatzkommando, das sofort ausrücken sollte, um der belagerten Truppe zu Hilfe zu eilen.122 Colonel Carrington verstand, daß die Lage Fettermans verzweifelt war. Er befahl Captain Tendor Ten Eyck, mit einer Kompanie von 40 Mann und 2 Wagen auf- zubrechen und „sich Colonel Fetterman unter allen Umständen anzuschließen.“ Ten Eyck und seine Männer verließen das Fort. „Die Männer bewegten sich un- mittelbar und schnell [in Richtung des Kampfeslärms], aber seit dem ersten Schuß war etwas über eine halbe Stunde vergangen, und gerade als die Entsatztruppe den Hügel erreichte, von wo aus das Gebiet des Kampfes überblickt werden konnte, verstummte das Feuer.“ Der Captain beobachtete die Indianer off enbar bei einer Art Siegesfeier. Er schickte einen berittenen Boten zum Fort und teilte mit, daß Fettermans Kommando nicht mehr zu sehen war. Carrington fügte später hinzu, daß Ten Eycks Männer „eine Menge Indianer auf dem Weg unter ihm“ erblickten, die „ihn herausforderten, herunterzukommen, während sich eine noch größere Zahl [von Kriegern] in den Tälern in mehreren Meilen im Umkreis befanden.“ Ten Eyck war klug genug, sich auf keinen Kampf einzulassen, da er hoff nungslos unterlegen war und wußte, daß er ohnehin zu spät kam, um Fettermans Soldaten noch helfen zu können. Es war off ensichtlich, daß von diesem Kommando nie- mand mehr lebte.123

122 Hines to John, January 1, 1867 Indian Hostilities, 15 and F. Carrington, My Army Life, 145-6. 123 F. Carrington, My Army Life, 146.

56 Ten Eyck schrieb an diesem Tag in sein Tagebuch, daß er etwa 4 Meilen vom Fort entfernt in Sicht auf die Indianer kam. Er schätzte die Zahl der Krieger auf 1.500 bis 2.000. Sie waren auf etwa anderthalb Meilen des Weges ausgeschwärmt. Ten Eycks kleines Kommando war weit unterlegen, und er erbat sofort Verstärkung vom Fort, während er vorsichtig weiterritt.124 Obwohl der Lärm der Schießerei von den Hügeln aufgehört hatte, hoff ten Mrs. Grummond und die anderen im Fort, daß Captain Ten Eycks Truppe die Männer von Fettermans Kommando noch lebend antreff en würde. Die Befürchtung, daß es zu einer Katastrophe gekommen war, verstärkte sich, als Soldat Archibald Semp- le mit dem ersten Bericht im Fort eintraf. Er sagte: „Das Tal ist voller Indianer. Mehrere Hundert sind auf dem Weg unter uns und westlich von uns. Sie schreien und provozieren ihn [Ten Eyck], herunterzukommen und mit ihnen zu kämpfen. Von Fetterman ist nichts zu sehen.“ Ten Eyck verlangte, daß Kanonen geschickt wurden, um ihn zu unterstützen, aber es gab zu wenige Männer im Fort, um die schweren Waff en zu bewegen.125 Als Captain Ten Eyck und seine 40 Männer schließlich das Schlachtfeld erreichten, zogen sich die Indianer zurück. Vermutlich glaubten sie, daß die beiden Wagen, die die Soldaten mit sich führten, Kanonen geladen hatten; mit diesen gefürchteten Waff en wollten die Krieger nicht in Berührung geraten. Ten Eyck und seine Männer rückten weiter vor: „Wir entdeckten die Leichen von Col. Fettermans Männern, nackt und entsetzlich verstümmelt.“ Wenig später erhielt Ten Eyck Unterstützung vom Fort, so daß er die Leichen der erschlagenen Soldaten bergen konnte. Zusätzliche „3 Wagen, 1 Ambulanz und 40 Mann vom Fort erreichten mich. Mit ihnen lud ich die Erschlagenen auf.“ 126 Der Captain „barg von dem Platz, der den Feinden am nächsten war, 49 Leichen, darunter Brevet Lieutenant Colonel Fetterman und Captain F. H. Brown.“ Nachdem die Toten auf die beiden Wagen geladen worden waren, zogen sich Ten Eyck und seine Männer langsam zum Fort zurück. Die Indianer folgten ihnen in sicherer Entfernung.127

124 Ten Eyck “Diary” Dec. 21, 1866 in Special Collections, University of Arizona, Tucson, Arizona. 125 Carrington, “Offi cial Report,” 17. 126 Ten Eyck “Diary” Dec. 21, 1866 in Special Collections, University of Arizona, Tucson, Arizona. 127 F. Carrington, My Army Life, 147.

57 Frances Grummond Carrington, die zweite Frau des Colonels, die den Tod ihres ersten Mannes, Lieutenant Grummond, miterlebte. Colonel Henry B. Carrington in der Zeit seines Kommandos in Fort Phil Kearny.

Das Denkmal am Schlachtfeld. Klein ein- Captain Fettermans Grab auf gelegt, die Gedenktafel für die Gefallenen. dem Custer Nationalfriedhof. Fotos: D. Kuegler Foto. D. Kuegler.

58 John „Portugee“ Phillips, der mutige Kurierreiter, der in einem heftigen Schneesturm nach dem Fetterman-Massaker nach Fort Laramie ritt, um Hilfe zu holen.

Das für Phillips errichtete Gedenk-Monument. Foto: D. Kuegler.

„Old Bedlam“, die Kommandantur von Fort Laramie. Hier traf Phillips am Weihnachtsabend 1866 ein. Vor dem Gebäude brach sein Pferd erschöpft zusammen. Daran erinnert die Gedenktafel. Fotos: D. Kuegler.

59 Furcht und Schrecken in Fort Phil Kearny

Den Frauen im Fort wurden nicht alle Einzelheiten des Desasters berichtet, aber sie verstanden sehr bald, was an diesem Tag geschehen war. „Abends wurde wie üblich die Kanone zum Sonnenuntergang abgefeuert, aber was war mit uns Frauen? Qualvolle Furcht ergriff mich. Als die Nacht anbrach, versammelten sich die Ladies in Mrs. Wands Hütte. Alle waren sprachlos, wie gelähmt und in Schockstarre.“ Die schlimmsten Befürchtungen wurden bald bestätigt. „Das Knarren von Wagen- rädern brachte uns wieder auf die Füße. Das Tor öff nete sich. Die Wagen rollten langsam herein; sie trugen die Toten, die reiche Ernte vom Feld des Blutes, 49 leblose Körper, zum Hospital. Dazu gab es die herzzerreißenden Nachrichten, die selbst von den Soldaten nur fl üsternd weitergegeben wurden; ‚keiner kehrt mehr zurück’ und ‚wahrscheinlich kein Mann von Fettermans Kommando hat überlebt.’“ 128 Frances Grummond fand eine gewisse Ruhe in der Routine des Forts, wo mehr und mehr Einzelheiten über die Katastrophe bekannt wurden. Sie schrieb: „Die treuen Wachtposten drehten ihre Runden und taten ihren gefährlichen Dienst, egal wie groß das Risiko war. Sie waren es, deren Stimmen wir hörten, jede halbe Stunde, jede volle Stunde. Durch den Posten klangen die tröstenden Worte: ‚Alles in Ordnung!’“ 129 Trotz dieser Versicherung war sie voller Ängste. „Es gab in dieser furchtbaren Nacht jedoch nur wenig Ruhe, für niemanden von uns.“ Jeder fürchtete sich vor dem, was womöglich noch kommen konnte. „Alle warteten angespannt auf einen plötzlichen Alarm“ im Falle eines Angriff s, und es gab „leise Diskussionen darüber, ob einer der Vermissten vielleicht lebend in die Hände der Wilden gefallen war.“ Sie fürchtete, daß solch ein Gefangener gemartert wurde, was „ein schlimmeres Schicksal als der Tod“ war. Diese Gespräche „zogen sich bis spät in die Nacht hin, da einige der Männer nicht unter den Leichen waren, die vom Schlachtfeld gebracht worden waren, und in unseren Köpfen war der Gedanke, daß nicht alle tot waren.“ 130 Die Angst des Tages hatte Mrs. Grummond fest im Griff , und sie war nicht im- stande, in der folgenden Nacht auch nur ein Auge zu schließen. Schließlich brach der nächste Morgen an, und im Fort begann die tägliche Pfl icht. Eine der drückenden Aufgaben für die Offi ziere war, was aus den Leichen werden sollte, die noch auf dem Schlachtfeld lagen. „Ein Rat der Offi ziere traf sich mit dem Kommandanten, um nach den Leibern der verbleibenden Toten zu suchen.“ 131

128 F. Carrington, My Army Life, 147-8. 129 Ibid., 150. 130 Ibid. 131 Ibid., 150-1.

60 Die Bergung der Toten

Für die Besatzung des Forts war der Untergang des Fetterman-Kommandos ein schwerer Schock. Einige der Offi ziere weigerten sich am nächsten Tag, das Schlachtfeld noch einmal aufzusuchen, um die übrigen Leichen zu bergen. Sie ar- gumentierten, daß eine kleine Einheit ebenfalls in Gefahr geraten würde, vernichtet zu werden, da die Indianer noch immer im Siegesrausch waren. Wenn dagegen ein größeres Kommando den Schutz der Palisaden verlassen würde, sei das Leben aller Zurückbleibenden in Gefahr, weil die Indianer mit ihrer zahlenmäßigen Stärke die Situation ausnutzen und das Fort einnehmen konnten. Carrington gab klare Anweisungen: „Ich werde den Indianern nicht die Entschei- dung darüber überlassen, ob unsere Toten geborgen oder nicht geborgen werden können. Wenn wir nicht imstande sind, unsere Toten zu holen – was auch die India- ner selbst unter größtem Risiko tun –, wie können wir dann überhaupt noch etwas erreichen? Es würde sie davon überzeugen, daß wir hier schwach sind, und sie würden erst recht dazu verlockt werden, das Risiko eines Angriff s einzugehen.“ 132 Sofort wurde ein Kommando zusammengestellt. Männer aller Kompanien versam- melten sich vor dem Hauptquartier und warteten auf Befehle. Die Frauen im Fort hörten die Diskussionen der Offi ziere über die Bergung der Toten, aber niemand fragte sie nach ihrer Meinung über diese gefährliche Mission. Schließlich wurden die Frauen durch ein Klopfen an der Tür aufgeschreckt. Colonel Carrington trat ein und teilte seiner Frau und Mrs. Grummond seine Entscheidung mit.133 * Frances Grummond hatte sich hingelegt und grübelte über ihre prekäre Situation, während Mrs. Carrington – ebenfalls tief in Gedanken versunken – in der Nähe des Fensters saß. Die Frauen sprangen beide auf, als sich die Tür öff nete, und der Colonel ging zu seiner Frau um ihr zu sagen, daß er entschieden hatte, die Toten bergen zu lassen. Mrs. Carrington war bleich, aber sie zeigte ihre frauliche Stärke. Sie legte ihrem Mann die Hände auf die Schultern und erwiderte: „Ja, es ist unsere Pfl icht. Gott segne Dich! Er wird für uns sorgen. Geh und rette die Toten, Henry.”134 Der Colonel wandte sich Frances Grummond zu, die zweifellos ihren Mann in der Schlacht verloren hatte, um etwas zu der Trauernden zu sagen: „Mrs. Grummond, ich werde persönlich gehen, um Ihnen die sterblichen Überreste ihres Gatten zurückzubringen.“

132 Ibid. 151. 133 Ibid., 150-1. 134 Ibid., 151.

61 Sie antwortete ruhig: „Sie sind jetzt alle jenseits jeglichen Leidens. Sie dürfen andere wertvolle Leben nicht in Gefahr bringen und andere Frauen in dieselbe miserable Situation bringen, in der ich bin.“ Aber Carrington war überzeugt, daß er diesen Schritt gehen musste. Er verab- schiedete sich gefasst von seiner Frau, ging hinaus und bestieg sein Pferd. Das Hornsignal „Vorwärts, marsch!“ ertönte, und die Männer verließen das bedrohte Fort mit dem Wunsch der Zurückbleibenden, „Gott sei mit Euch!“.135 Bevor Colonel Carrington ging, hatte er jedoch eine letzte Vorsichtsmaßnahme bezüglich der Frauen und Kinder beschlossen, da er verhindern wollte, daß sie im Fall eines Indianerangriff s in Gefangenschaft gerieten. Er ging zum Pulver- magazin, wo alle Munition und Sprengstoff e gelagert waren, und setzte Zünder an die Ladungen der Haubitzen. Dann platzierte er off ene Kästen mit Sprengstoff in einer Weise, daß ein einzelnes Streichholz das gesamte Lager zur Explosion bringen konnte. Den verbleibenden Soldaten im Fort gab er den Befehl: „Wenn in meiner Ab- wesenheit die Indianer in überwältigender Zahl angreifen, bringt die Frauen und Kinder in das Pulvermagazin. Gebt ihnen Wasser, Brot, Zwieback und die beste Versorgung. Im Fall, daß es zu einem verzweifelten Kampf kommt, vernichtet alle zusammen. Das ist besser, als daß sie lebend in Gefangenschaft geraten.“ 136 Mrs. Carrington und Mrs. Grummond starrten durch das Fenster und beobachteten die Soldaten, die rings um das Magazin arbeiteten. Es erschien den beiden seltsam, daß die Männer Kisten und Fässer in das Gebäude schleppten, aber es wurde ihnen sehr bald klar, warum die Soldaten diese Arbeit verrichteten. Trotzdem blieben die Frauen ruhig, und sie verstanden, daß jede nötige Maßnahme getroff en werden mußte, um die Garnison im Notfall zu verteidigen. Carrington rückte sehr umsichtig vor. Er stellte einen Wachtposten auf den Hügel hinter sich, der sowohl seinem Kommando als auch dem Fort im Fall von Gefahr Signale geben konnte.137 Die Soldaten erreichten das Schlachtfeld spät am 22. Dezember, um die Leichen der Gefallenen einzusammeln und die physischen Hinterlassenschaften des Kampfes zu untersuchen. Damit sollte geklärt werden, wie Fettermans Kommando untergegangen war. Der Colonel beschrieb die Szene: „Der Weg zu dem kleinen Höhenrücken, auf dem der letzte Kampf stattgefunden hatte, war mit Pfeilen, Pfeilspitzen, Skalpstöcken und gebrochenen Speerschäften übersät. Die Pfeile, die keinen Schaden angerichtet hatten, waren aus allen Richtungen gekommen und zeigten, daß das Kommando unvermittelt überrannt und eingekesselt und daß

135 Ibid. 136 Ibid. 137 Ibid.

62 ihm beim Rückzug der Weg abgeschnitten worden war.“ Die Spurensuche bestätigte nur das Ausmaß des Desasters. „Nicht ein Offi zier oder Soldat hatte überlebt! Einige Leichen wurden am Nordende des Hügelrückens gefunden, über den der Weg verläuft, gerade jenseits von Lodge Trail Ridge.“ * Die Soldaten fanden den Platz, an dem Fettermans Kavalleristen ihren letzten Kampf ausgefochten hatten. Carrington stellte fest: „Nahezu alle [Toten] lagen auf einem Haufen in der Nähe von vier Felsen in Richtung auf das Fort. Diese Felsen umschlossen einen Raum von vielleicht sechs Fuß im Quadrat. Das war ihre letzte Zufl ucht zur Verteidigung gewesen. Hier fanden wir auch einige nicht benutzte Spencer-Patronen.“ 138 Die Spuren belegten, daß die überwiegende Mehrheit der Soldaten durch Pfeile getötet worden war. Als Doktor Samuel M. Horton, der leitende Militärarzt des Forts, die Leichen untersuchte, stellte er fest, daß nur 6 Trooper durch Gewehr- schüsse ums Leben gekommen waren.139 Wenn Captain Fetterman und Lieutenant Brown sich selbst erschossen hatten, hatten die Indianer tatsächlich lediglich 4 Männer erschossen. Die restlichen 75 Mann waren mit Pfeilen, Messern oder Keulen getötet worden. Der Platz, an dem Lieutenant Grummonds Leiche gefunden wurde, vermittelte den Eindruck, daß er getötet worden war, während er versucht hatte, den Indianerangriff zu behindern; denn er lag zwischen den Toten der Infanterie und der Kavallerie. Off ensichtlich hatte keine der Gruppen sich gegenseitig zu Hilfe kommen können, weil sie zu weit voneinander entfernt gewesen waren. Alle Teilnehmer an dem Bergungskommando waren beeindruckt von den Spu- ren auf dem Schlachtfeld. „Das furchtbare Massaker zeigt die Spur von großer Tapferkeit [der Soldaten] und von der Kraft und dem Charakter des Feindes, aber keine Tapferkeit hatte sie retten können.“ Die Soldaten glaubten, daß ihre toten Kameraden den Kriegern schwere Verluste zufügten, bevor sie überwältigt wurden. „Blutpfützen auf dem Weg und auf den Hängen der schmalen Passage zeigten, wo die Indianer viel Blut verloren hat- ten; aber ihre Leichen waren fortgeschaff t worden. Ich zählte 65 solche Pfützen auf einem Raum von einem Acre und 3 innerhalb 10 Fuß (3 m) von Lieutenant Grummonds Leiche. 11 Kavalleriepferde und 9 Indianerponies lagen auf dem Weg oder in der Nähe der Toten; andere standen verwundet in den Niederungen.” 140 Carringtons Schlussfolgerung, daß die Blutpfützen auf dem Schlachtfeld auf

138 Carrington “Offi cial Report,” 17. 139 Ibid., 17. 140 Ibid., 18.

63 schwere indianische Verluste hindeuteten, war kaum mehr als Wunschdenken. Der Colonel konnte nicht wissen, wessen Blut er hier gefunden hatte. Sicherlich stammte etwas Blut von den Indianern, aber es ist wahrscheinlicher, daß die Krieger blutende Wunden in irgendeiner Form verbunden hatten. Es war eher so, daß die Soldaten nicht mehr imstande gewesen waren, ihre Verletzungen zu verbinden um den Blutfl uß zu stoppen, weil sie verzweifelt um ihr Leben kämpften. Hinzu kam, daß die Krieger überwiegend Pfeile verschossen, die in der Regel heftigen Blutfl uß bei ihren Opfern auslösten, weitaus mehr als der Treff er einer Gewehrkugel. Carringtons Hinweis auf verletzte Pferde eröff net eine weitere Möglichkeit für die Blutpfützen auf dem Boden. Der Colonel gibt in seinem Bericht nirgends einen Hinweis darauf, wie viele Tiere verletzt worden waren; die Zahl war zweifellos hoch. Pferde sind erheblich größer als Menschen, so daß sie auch stärker geblutet hatten. Pferde konnten ihren Blutfl uß auch nicht stoppen, so daß man vermuten kann, daß das Blut auf dem Boden von ihnen stammte. Die Leichen der Gefallenen waren ihrer Kleidung entledigt und schrecklich ver- stümmelt worden. Carrington berichtete: „Augen waren herausgedrückt worden und lagen zwischen den Felsen. Nasen waren abgeschnitten worden. Ohren wa- ren abgeschnitten worden. Kinnladen waren ausgerissen, Zähne ausgeschlagen worden. Finger waren abgeschnitten worden. Gehirne waren aus den Schädeln geschlagen worden und lagen auf den Felsen, zusammen mit Gliedmaßen der Leichen. Eingeweide waren herausgerissen worden. Hände waren abgeschnitten, Füße waren abgeschnitten. Arme waren aus der Gelenkpfanne gebrochen. Ge- schlechtsteile waren abgeschnitten und obszön auf dem jeweiligen Mann platziert worden. Augen, Ohren, Münder und Arme waren mit Lanzen, Stöcken und Pfeilen durchbohrt. Rippen waren mit Messern zerteilt worden. Die Schädel waren in jeder Form entstellt, vom Kinn bis zur Schädeldecke. Die Muskeln der Waden, Oberschenkel, Bauch, Brust, Rücken, Armen und Wangen waren herausgeschnitten worden. Faktisch jeder empfi ndliche Teil des Körpers war durchstochen, sogar die Sohlen der Füße und die Handteller.“ Nach dieser grässlichen Beschreibung fügte der Colonel hinzu, daß er noch nicht alles berichtet hatte: „All dies ist noch nicht die ganze Wahrheit.“ 141 Off ensichtlich war die Realität noch viel schlimmer, als er es zu Papier bringen konnte. Captain Ten Eyck hinterließ eine ähnliche Beschreibung der Toten. „Sie waren alle nackt ausgezogen, skalpiert, gespickt mit Pfeilen und schrecklich verstümmelt. Bei einigen waren die Schädel völlig zerschmettert, bei anderen die Kehlen aufge- schnitten, die Schenkel vermutlich mit Messern aufgeschlitzt. Einigen waren die

141 Ibid., 18.

64 Ohren abgeschnitten, anderen hingen die Eingeweide heraus, weil der Unterleib aufgeschnitten worden war, und ein paar waren teilweise verbrannt, anderen waren die Nasen abgeschnitten worden.“ 142 Als die Soldaten die Innereien ihrer gefallenen Freunde aufsammelten, die überall verstreut lagen, konnten sie nicht sicher sein, sie immer in den richtigen Leichnam zurückzulegen. Colonel Carrington schrieb später, daß die Indianer ihre toten Feinde so sehr ver- stümmelten, um sie für ihr Leben nach dem Tod zu bestrafen. Die Eingeborenen glaubten, daß sie ihre Gegner auch im nächsten Leben schädigen konnten, indem sie ihre Körper in diesem Leben zerstörten. Der Colonel erklärte: „ Personen, die auf diese Weise verkrüppelt wurden, verloren auch im Land der Geister ihre Fähigkeit zu laufen, zu rennen, zu klettern und Waff en zu benutzen. Während also die Frommen glücklich in den Ewigen Jagdgründen des Paradieses lebten und ihnen kein Wunsch unerfüllt blieb, existierten die bösen Feinde der Indianer und roten Männer mit ewigem Leiden, hilfl os, kraftlos, ohne an den Herrlichkeiten teilhaben zu können, die in Sicht- und Greifweite lagen.“ 143 Zu einem späteren Zeitpunkt fragte Carrington die Sioux, warum sie die Leichen ihrer Feinde mit Pfeilen gespickt hatten. Die Krieger benutzten einen Pfeil, der bereits auf einen Feind abgeschossen worden und fehlgegangen war, nicht oft, weil sie glaubten, daß der Große Geist nicht gewollt hatte, daß sie trafen. Wenn es einem Indianer jedoch nicht gelang, den Skalp eines gefallenen Feindes zu erbeuten, schoß er häufi g Pfeile in seine Leiche um zu zeigen, daß er noch immer Macht über seinen Gegner hatte. Pfeile in den Körper eines Feindes zu schießen war vergleichbar mit dem Schlagen von „Coups“, und die „Hunderte von Pfeilen, die in den Leichen der Soldaten nach dem Fetterman-Massaker steckten, zeigten, daß die gesamte Streitmacht des roten Mannes beteiligt war, die tapferen Männer zum Schweigen zu bringen, die verzweifelt gegen einen überwältigenden Feind gekämpft hatten.144 Nur ein Tier aus Fettermans Kommando war noch am Leben, als der Bergungs- trupp das Schlachtfeld erreichte. Captain Brown war auf seinem Pferd „Calico“ in den Kampf geritten. Er hatte es 1865 als Pony erworben. 1866 war es ein voll ausgewachsenes Tier. Als Colonel Carrington die gefallenen Soldaten erreichte, entdeckte er das Pferd liegend am Fuß des Hügels. Nach Bergung der Leichen gab Carringtons einem Soldaten den Befehl, sich um das Tier zu kümmern. Falls

142 Ibid., 17. 143 Ibid., 26. 144 T. Ten Eyck, “Evidence of Capt. T. Ten Eyck, 18th U.S. Infy., on the Fort Phil. Kearney Massacre” July 5, 1867. www.freepages.history.ancestry.com

65 es noch am Leben sein sollte, sollte es “mit einer Kugel von seinem Leiden erlöst werden.“ 145 So geschah es. * Spät in der Nacht kehrten die Wagen mit den Überresten der toten Soldaten vom Schlachtfeld zurück und rollten langsam zum Hospital. Die Szene war nieder- schmetternd für Frances Grummond. „Unsere Tränen strömten. Die ganze Garnison war unter Waff en, als wir das Unvermeidliche beobachteten. Die Wagen rollten langsam zum Hospital, sie trugen die Überreste der Toten.“ 146 Die Männer der Garnison behandelten ihre gefallenen Kameraden mit großem Respekt. Sie brachten ihre besten Uniformen, um die Leichen so ordentlich wie möglich zu kleiden.147 Colonel Carrington stattete Mrs. Grummond einen besonderen Besuch ab, um ihr zu sagen, daß er sein Versprechen gehalten und den Leichnam ihres Mannes geborgen hatte. Er begab sich zu ihrem Zimmer, noch bevor die Trauerprozession der Wagen das Hospital erreicht hatte, „und zog einen Umschlag aus seiner Brust- tasche, händigte ihn mir aus und verließ mich, bevor ich ihn öff nen könnte. Ich öff nete ihn sehnsüchtig, aber mit zitternden Händen. Er enthielt eine Haarlocke meines Mannes. Er hatte seinen Schwur gehalten!“ 148 Am folgenden Tag, dem 23. Dezember, “begann die traurige Pfl icht, die Toten auf ihre Bestattung vorzubereiten und Gräber auszuheben.” Diese Arbeit nahm den ganzen Tag in Anspruch. Am nächsten Morgen, dem 24. Dezember, waren die Temperaturen um 10 Uhr am Vormittag auf 33 Grad Minus gesunken.149 Der Boden war gefroren, so daß die Begräbnisse unter größten Schwierigkeiten stattfanden. „Die Kälte war so durchdringend, daß die Männer nur in 15-Minuten-Schichten arbeiten konnten. Die Posten waren besonders wachsam, damit die Indianer die Arbeiten nicht unterbrechen konnten.” Die Arbeit an den Gräbern ging so langsam voran, daß es vier Tage dauerte, bis alle bestattet waren.150 Die Tischler fertigten Särge für die Toten. Die Geräusche aus den Werkstätten zerrten an den Nerven von vielen Menschen im Fort, die an die Begräbnisse ihrer Freunde und Familienmitglieder dachten. Frances Grummond bemerkte: „Ich

145 Henry B. Carrington, “The Indian Question,” as cited in Peter Cozzens, ed. Eyewitness to the Indian Wars 1865-1890 vol. 5 The Army and the Indian (Mechanicsburg, PA: Stackpole Books, 2005), 104. 146 F. Carrington, My Army Life, 154. 147 Ibid., 154-5. 148 Ibid., 154-5. 149 Ten Eyck, “Diary,” Dec. 23 and Dec. 24, 1866. 150 F. Carrington, My Army Life,155.

66 wußte, daß der Sarg für meinen Mann gemacht wurde. Der Klang des Hammers und das Knarren der Säge war eine Tortur für meine angegriff enen Nerven.“ Die Soldaten gaben sich große Mühe und schrieben exakt nieder, wo die Gräber der einzelnen Kameraden angelegt wurden. „Die Bestattung der Toten wurde durchgeführt, ruhig, systematisch und sicher. Jeder Sarg erhielt eine Nummer und alle Daten. Sie wurden für eine künftige Umbettung registriert, falls die Regierung oder Freunde der Toten eine Exhumierung wünschten.“ 151

Ein verzweifelter Bote: Portugee Phillips

Als die ersten Nachrichten vom Ende des Fetterman-Kommandos Fort Phil Kea- rny am Abend des 21. Dezember erreichten, gerieten Soldaten und Zivilisten im Posten in Angst vor indianischen Angriff en. Sie befürchteten, ebenfalls überwäl- tigt und vernichtet zu werden. In ihrem Schrecken wechselte die Ansicht vieler Personen von einer Unterschätzung der militärischen Fähigkeiten der Indianer zu einer maßlosen Überschätzung von deren Möglichkeiten. Solche Sorgen waren verständlich, aber sie waren in höchstem Maße übertrieben. Colonel Carrington hatte viele Männer in diesem Kampf verloren, aber er verfügte noch immer über genügend Soldaten im Fort, um jedem indianischen Angriff zu begegnen. Doktor Hines schätzte, daß im Posten etwas über 400 Männer verblieben waren, um das Fort gegen Tausende von Kriegern zu verteidigen.152 Den Akten des Forts zufolge war die Besatzung sogar noch größer. Es gab 8 Offi ziere, 320 Soldaten, 119 männlichen zivile Angestellte und mindestens weitere 50 Männer, also eine Gesamtzahl von 497 Verteidigern.153 Carringtons Befürchtung, daß er überrannt werden konnte, war ungerechtfertigt, zudem verstand der Colonel off ensichtlich nicht die Art der Kriegsführung der Plainsindianer. Diese Eingeborenen griff en nur selten ein Fort an. Eine ausdauernde Belagerung von befestigten Stellungen war ihnen weitgehend unbekannt. Hinzu kam, daß die Krieger immer wieder zu Jagdzügen aufbrachen, um Sorge zu tragen, daß ihre Familien ausreichend Nahrung für den Winter hatten. Der Colonel jedoch glaubte, daß sein Fort in größter Gefahr sei, und er schrieb eine dringende Bitte an den Kommandanten von Fort Laramie, ihm zu Hilfe zu

151 Carrington, Absaraka, 212 and F. Carrington, My Army Life, 155. 152 Carrington, Absaraka, 212 and F. Carrington, My Army Life, 155. 153 Hines to John January 1, 1867 in Indian Hostilities, 15 and Carrington to Fort Laramie, December 21, 1866, in Indian Hostilities, 26.

67 kommen, da dieser Posten über ausreichende Mannschaften verfügte, Entsatz- truppen zu schicken. Carringtons Botschaft war in Hast geschrieben und kaum mehr als eine Reihe von knappen Sätzen: „Schicken Sie mir umgehend Verstärkung. … Ich benötige schnelle Verstärkung und bessere Waff en. Jeder Offi zier des Bataillons soll sich noch heute anschließen. Ich habe jeden Wagenlenker im Dienst und im besten Falle lediglich 119 Mann im Posten übrig. Ich muß in dieser Angelegenheit um Eile bitten, Die Tatsachen sprechen für sich selbst. Geben Sie mir sofort mindestens zwei Kompanien Kavallerie, gut bewaff net, oder vier Kompanien Infanterie, au- ßer allem, was ich noch benötige. … Schnelligkeit rettet unsere Stellung. Unsere Gefallenen belegen, daß jede Verzögerung in Verstümmelung und Abschlach- tung über die jetzigen Geschehnisse hinaus enden wird. … Schnelligkeit ist das Wichtigste. Geben Sie mir Offi ziere und Männer. Schicken Sie mir nur die neuen Spencer-Karabiner. Die Indianer sind entschlossen und verschonen niemanden.“ 154 Diese Botschaft war ein verzweifeltes Flehen, und nur ein sehr tapferer Mann konnte sie in einem feindlichen Territorium und unter härtesten Wetterbedingungen über eine weite Distanz überbringen. Fort Laramie lag 235 Meilen (380 km) ent- fernt von Fort Phil Kearny. Der Kurier hatte allerdings nur bis zur nächstgelegenen Telegrafenstation zu reiten. Das war Horseshoe Station im North Platte Valley, etwa 190 Meilen (306 km) entfernt. Von dieser Station aus konnte ein Telegramm an den Kommandanten von Fort Laramie geschickt werden. Carrington fragte nach Freiwilligen, und John „Portugee“ Phillips und Daniel Dixon traten vor. Fraglos wurde ihre Bereitschaft, ihr Leben zu riskieren, durch die Tatsache befeuert, daß jedem eine Prämie von 300 Dollar für ihren Dienst bezahlt werden sollte. Beide waren Zivilisten. Phillips war Portugiese; er war auf den Azoren geboren worden. Anscheinend hatte er nur den Winter im Fort verbringen wollen, aber er war ein mutiger Mann und bereit, die Möglichkeit zu ergreifen, etwas extra zu verdienen und vielleicht auch Leben zu retten.155 Aus irgendeinem Grund hegte er besondere Zuneigung für Mrs. Grummond, obwohl er ihr niemals formal vorgestellt worden war und sie niemals Notiz von ihm genommen hatte. * Es gab Besorgnis und gedrückte Stimmung unter den Frauen des Forts über ihre verzweifelte Situation. Sie glaubten, daß nur eine sofortige Verstärkung aus Fort Laramie sie retten konnte, und sie fragten sich, welcher tapfere Mann es wagen würde, die Bitte um Hilfe zu transportieren.

154 Carrington to Fort Laramie Dec 21, 1866 in Indian Hostilities, 26. 155 Robert A. Murray, “ The John ‘Portugee’ Phillips Legends: a Study in Wyoming Folklore,” in The Army on the Powder River (Bellevue, Neb.: Old Army Press, 1969), 14.

68 Frances Grummond wartete im Haus von Mrs. Carrington, als „mich ein Klopfen an der Tür auf die Beine brachte.“ Soldat Semple sagte ihr, daß ein Mann darauf wartete, mit Mrs. Grummond zu sprechen. „Ich traf auf einen völlig Fremden mit Namen John Phillips, ein Goldsucher und Grenzer, der beim Quartiermaster angestellt war. Er war wie ein Scout gekleidet, der etwas mitzuteilen hatte.“ Der Mann war sichtlich geprägt vom Ernst der Lage. Er wollte Mrs. Grummond trösten, da er in ihr eine unglückliche Frau sah, die gerade ihren Ehemann verlo- ren hatte. Mit Tränen in den Augen drückte er höfl ich ihre Hand und sagte: „Ich werde nach Fort Laramie reiten und Hilfe holen, als besonderer Kurier, und wenn es mich mein Leben kostet. Um Ihretwillen!“ In off ensichtlicher Zuneigung für sie überreichte er ihr eine Art Andenken. „Hier haben Sie mein Wolfsfell. Ich möchte es Ihnen geben und Sie bitten, sich an mich zu erinnern, falls wir uns nicht mehr begegnen sollten.“ 156 Phillips benötigte das beste verfügbare Pferd für seine Mission. Er wählte ein starkes Tier namens „Dandy“, ein „schönes Vollblut“, das Colonel Carrington gehörte. Er rüstete sich mit einem Spencer-Gewehr und 100 Schuß Munition aus. Er und Dixon nahmen Futter für die Pferde mit, für sich selbst aber nur einige Armee-Zwiebäcke. Sie verließen das Fort am Abend des 21. Dezember in einem tosenden Schneesturm.157 Frances Grummond beschrieb das harsche Wetter, als der Kurier das Fort verließ: „Sogar die Natur schien erschrocken über die entsetzliche Tragödie des Tages, weil sich in dieser Nacht das Wetter unvergleichlich verschlechterte, fast zu extrem für Mensch oder Tier.“ 158 Die Kuriere trieben ihre Pferde zum höchsten Galopp an und erreichten Fort Reno am Morgen des 23. Dezember. Sie setzten ihren Weg fort und trafen am 25. Dezember gegen 10 Uhr Vormittags in Horseshoe Station an. Es war der Weihnachtsmorgen. Der Telegrafi st John Friend schickte die Nachricht sofort weiter, aber Phillips war nicht sicher, daß die Übermittlung wirklich funktionierte. Also entschied er sich, die Botschaft persönlich nach Fort Laramie zu bringen. Er verließ Dixon und ritt auch die letzten 40 Meilen (64 km) bis zu dem Posten, wo er am Abend des Tages gegen 23 Uhr eintraf. Zu dieser Zeit waren die Temperaturen auf 32 Grad Minus gefallen, und der Boden war von 25 bis 38 cm Schnee bedeckt. Phillips war so erschöpft, daß er kaum

156 Murray, “John ‘Portugee’ Phillips,” 11-15. 157 F. Carrington, My Army Life, 149. 158 Ibid., 149.

69 noch sprechen konnte, und sein wunderbares Pferd, das ihn bis hierher getragen hatte, verendete am nächsten Tag.159 Der Kurier händigte seine Botschaft dem Kommandanten, Colonel Palmer, aus, der sich gerade auf der Weihnachtsfeier mit seinen untergebenen Offi zieren befand. Die Nachricht von der Bedrängnis der Garnison in Fort Phil Kearny beendete die feierliche Atmosphäre. Umgehend bereiteten die Offi ziere ein Verstärkungskom- mando vor. Trotz der schnellen Reaktion, schickte Palmer die Hilfe nicht umgehend auf den Weg. Tatsächlich klagte er zwei Tage später, daß „ein möderischer Schneesturm“ die Expedition am Aufbruch hinderte.160

Ein Winter voller Leiden

Während Colonel Palmer den Auszug des Kommandos verzögerte, lebten die Menschen in Fort Phil Kearny in Angst und Schrecken. Die Soldaten standen Tag und Nacht auf ihren Posten. „Lichter brannten in allen Quartieren. Jeder Mann hatte seine festgelegte Schießscharte oder eine andere Stellung.“ Die Sergeants hatten den Befehl, in jedem Gebäude des Forts ständig auf Posten zu sein. Die Soldaten waren im Fall eines Alarms zum sofortigen Dienst bereit. Colonel Carrington gab der Mannschaft ein Beispiel, indem er ständig Einsatzbe- reit war. Er „zog seine Kleidung für über eine Woche nicht einmal zum Schlafen aus und unternahm ständig große Runden, um sicherzustellen, daß jeder Mann wachsam war.“ 161 Viele im Fort lebten in der Angst, daß John Phillips dabei gescheitert war, das Hilfeersuchen nach Fort Laramie zu bringen. Sie waren überzeugt, daß nur Ver- stärkungen ihr Leben retten konnten. Die verzweifelte Furcht vor einem möglichen Indianerangriff führte bei Frances Grummond zu Albträumen. „In den Nächten träumte ich von Indianern. Ich wurde von Red Cloud selbst gefangen und ver- schleppt, während ich wie wahnsinnig um Hilfe schrie.“ Glücklicherweise erwachte sie, wie die meisten, die von solchen Träumen heimgesucht werden, und begriff , daß es keine reale Gefahr gab. Sie schreckte jedes Mal vom Bett hoch und fühlte sich getröstet, wenn sie den regulären Ruf des Postens hörte: „Alles in Ordnung.“ 162 Die Tage waren in der Tat qualvoll und lang. Das Wetter blieb schlecht. Das alles drückte auf die Stimmung. Die Schneestürme brachten konstant kalte Tempera-

159 McDermott, 1: 243. 160 Ibid., 1: 245-6. 161 F. Carrington, My Army Life, 156. 162 Ibid., 158.

70 turen und eisige Winde. Die Schneeverwehungen waren so tief, daß die Männer an einigen Stellen über die Palisaden des Forts, die fast zweieinhalb Meter hoch waren, laufen konnten. Ein etwa 3 m breiter Graben musste ständig freigeschaufelt werden, weil er sich immer wieder mit Schnee füllte. Diese Arbeit war unvermeid- lich, um zu verhindern, daß die Indianer das Fort mit Leichtigkeit stürmen konnten. Keiner verließ das Fort, ausgenommen die Trupps, die Feuerholz holen mussten.163 Die ständigen Vorbereitungen für eine Verteidigung des Forts, gab vielen Men- schen hinter den Palisaden ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Schließlich konnte nahezu jeder seine Furcht unter Kontrolle halten, mit Ausnahme von Dennis, dem schwarzen Diener von Margaret Carrington, der nahezu täglich von Furcht völlig verstört war. Er wurde so unstet, als „sei er tatsächlich von einem Dämon besessen.“ Dennis machte den Eindruck, als versuche er einen bösen Geist aus sich zu vertreiben oder unkontrollierbare Spannungen abzubauen. „Er schlug seinen Kopf mit aller Kraft gegen die Regale, die mein Zimmer von der Küche abteilten, so daß sie erzitterten.“ In regelrechtem Wahnsinn stieß er seinen Kopf gegen das Ofenrohr und auch gegen den Ofen, als habe er wahrhaftig den Verstand verloren.“ Colonel Carrington brachte Dennis schließlich mit einer Drohung zur Vernunft. Der Colonel betrat den Raum und zielte mit einem schussbereiten Revolver auf den Kopf des scheinbar völlig verwirrten Mannes. In diesem Moment „wurde das Gleichgewicht wieder hergestellt, und Dennis entschoß sich, noch eine Weile zu leben und wieder ein normales Verhalten an den Tag zu legen.“ Aber auch viele andere Menschen im Fort empfanden große Furcht, und sie konnten die Gefühle von Dennis und seine „rasende Angst davor, von Indianern umzingelt zu sein“, nachvollziehen.164 Die Furcht der meisten wich etwas, als schließlich Verstärkung aus Fort Laramie eintraf. Nach einer Serie von Verzögerungen, rückten drei Kompanien nach Fort Reno vor und erreichten am 16. Januar 1867 Fort Phil Kearny. Das war 26 Tage nach dem die Eilbotschaft geschickt worden und 22 Tage nachdem sie in Fort Laramie eingetroff en war. Zum Glück für die Garnison und die anwesenden Zivilisten in Fort Phil Kearny gab es allerdings faktisch keine indianischen Aktivitäten in der Region während des gesamten Winters. Die Verstärkung erwies sich als unnötig für die Verteidigung, aber sie war gut für die Moral.165 Als das Jahr 1867 anbrach, waren Soldaten und Zivilisten in Fort Phil Kearny faktisch Gefangene des Postens. Noch immer waren sie wie paralysiert von Angst und froren erbärmlich aus Mangel an Feuerholz. Die Männer mussten inzwischen

163 Ibid., 158. 164 Ibid., 158. 165 McDermott, 1: 245-6.

71 fast 7 Meilen (11 km) weit ziehen, um das benötigte Holz zu holen. Das war eine Tagestour. Die Behausungen im Posten waren unzureichend. Viele der Offi ziere und Männer wohnten in Zelten, in denen sie während des schweren Winterwetters fast erfroren. Manchmal sanken die Temperaturen bis auf minus 40 Grad Celsius, und der eisige Wind ließ die gefühlten Temperaturen viel tiefer erscheinen. Jeder Mann hatte nur eine Decke, um sich in der Nacht warm zu halten, und es gab keine Mäntel, um sich während des Tages zu wärmen. Die Mahlzeiten waren dürftig. Sie bestanden häufi g nur aus einem kleinen Leib Brot und schimmeligem Speck, und viele Männer waren halbverhungert durch den Mangel an substan- zieller Nahrung. Dazu litten einige Männer unter Skorbut, weil es weder Obst noch Gemüse gab. Auch die Garnison im benachbarten Fort Reno musste in diesem Winter leiden. Von den 200 Mann, die hier stationiert waren, waren eigentlich nur 60 einsatzbereit; der Rest litt unter Skorbut. Wie George Dandy, ein Beobachter, feststellte, war ein Drittel der gesamten Besatzung von Fort Phil Kearny mit Skorbut befallen, und einige Männer starben daran. „Ich habe nie etwas Vergleichbares bezüglich der Leiden in diesem Posten gehört, seit ich in der Armee gedient habe.“ 166 Das Entsatzkommando aus Fort Laramie litt ebenfalls. Dutzende der Männer hatten auf dem Weg Erfrierungen an Fingern, Ohren und Füßen erlitten, so daß Gliedmaßen amputiert werden mussten. Nachdem das Futter für ihre Pferde aufgebraucht war, begannen die Pferde und Maultiere Mähnen und Schwänze anderer Tiere zu fressen. Als die Männer in Fort Phil Kearny eintrafen, wurden sie mit Jubelrufen emp- fangen, aber die neuen Soldaten brachten nur wenige Vorräte. Tatsächlich wurde bald unübersehbar, daß die Verstärkung zu einer zusätzlichen Last wurde; denn Wohnraum und Lebensmittel waren bereits gefährlich knapp.167 Während die Armee im Winter 1866 auf 1867 unter Hunger, Mangelernährung und Kälte litt, blieb die Zahl der Indianer in der Region sehr stark. Auf der Grundlage von Informationen der beiden Armeescouts Mitch Boyer und Jim Bridger schätzte Captain Kinney die Zahl der Sioux, Cheyenne und Arapaho Tipis im Februar 1867. Er kam auf 2.010 Sioux-Tipis, auf 200 Cheyenne- und 60 Arapaho-Zelte und erreichte somit eine Zahl von 2.270 Tipis.168 Wenn diese Zahl richtig war, bedeutete das, daß die Indianer gegebenenfalls um die 3.000 Krieger in den Kampf schicken konnten, und die Eingeborenen waren off ensichtlich noch immer gewillt, für ihr Land zu kämpfen.

166 Ibid., 280 and 293. 167 McDermott, 1: 245-6. 168 Kinney as cited in McDermott, 1: 301.

72 Kurz nach dem Fetterman-Massaker wurde Colonel Carrington vom Kommando von Fort Phil Kearny abberufen. Der Zeitpunkt seiner Versetzung hinterließ den Eindruck, daß er abberufen wurde, weil er die Garnison nicht ordnungsgemäß geführt hatte. Das war nicht der Fall. Die Entscheidung für seine Versetzung war bereits vor dem Fetterman-Desaster gefallen. Obwohl Carrington später vor einem Militärgericht vollständig entlastet wurde, war seine Reputation angeschlagen und blieb es. Für den Rest seines Lebens kämpfte der Colonel dafür, seine Handlungen zu rechtfertigen. Unterstützt wurde er dabei von seinen Ehefrauen. Margaret Carrington, seine erste Frau, veröff entlichte 1868 das Buch “Absaraka: Home of the Crows”, in dem sie die Handlungen ihres Ehemannes unterstützte. Als Margaret 1870 starb, heiratete Carrington 1871 Lieutenant Grummonds Witwe, Frances. Auch sie veröff entlichte 1910 ein Buch über ihre Erfahrungen in Fort Phil Kearny, „My Army Life and the Fort Phil Kearny Massacre“, das ihren Ehemann in einem vorteilhaften Licht zeigte.

73 White Bull kämpfte als junger Captain Tendor Ten Eyck. Er barg die Krieger unter Red Cloud im Krieg ersten Toten des Fetterman-Kommandos. am Bozeman Trail.Er war verwandt mit .

Skizze des Hayfi eld Fights.

74 Der Hayfi eld Fight – Die Fortsetzung des Krieges 1867

Zwischen dem 21. Juli und dem 21. Dezember 1866 hatten die Indianer 5 Offi ziere und 91 Soldaten getötet. Zusätzlich waren 58 Zivilisten getötet und 20 verletzt worden. Nahezu 800 Ochsen, Kühe, Maultiere und Pferde waren gestohlen worden. Die Sioux und Cheyenne kontrollierten de facto sämtliche Transporte auf dem Bozeman Trail, der inzwischen für Siedler geschlossen worden war.169 Im Jahr 1867 war die Armee entschlossen, zurückzuschlagen und die Kontrolle über die verlorenen Regionen zurückzugewinnen. Dieses Ziel sollte sich als große Herausforderung erweisen. Viele Weiße waren durch das Fetterman-Massaker und viele andere Indianerüberfälle in Angst versetzt worden und riefen nach Vergeltung. Auf einer großen Versammlung in einer der kleinen Siedlungen im Colorado-Territorium „wurden 5.000 Dollar gesammelt, um Prämien für Indianerskalps zu bezahlen. Für jeden Skalp mit den Ohren daran sollten 25 Dollar Belohnung gegeben werden.“ 170 Die Armee rüstete 1867 jedoch keine große Expedition gegen die Indianer aus. Die Regierung überließ ihnen nach wie vor die Initiative, und die Indianer setzten ihren Krieg fort. Im Mai und Juni 1867 fanden Indianerangriff e in der Region um Fort Reno, Fort Phil Kearny und Fort C. F. Smith statt. Diese Überfälle nahmen während des gesamten Frühjahrs und Sommers stetig zu. Die Sioux und Cheyenne trafen sich zum großen Sonnentanz. Bei den anschließen- den Beratungen entschieden sie über die weitere Strategie gegen die Weißen. Die Zeremonie fand im Juli 1867 am Rosebud River statt. Eine große Zahl Krieger war anwesend. Die indianischen Gruppen stimmten darin überein, die Außenposten der Armee weiter anzugreifen und die Soldaten zu vertreiben. Uneinigkeit gab es nur über die Angriff sziele. Die nördlichen Cheyenne und große Teile der Sioux wollten sich auf Fort C. F. Smith konzentrieren, während die übrigen Sioux – über 1.000 Mann stark –, die noch immer von Red Cloud geführt wurden, weiter gegen Fort Phil Kearny vorgehen wollten. Die Cheyenne und ihre Sioux-Alliierten erreichten als erste Fort Smith und griff en am 1. August 1867 an.171

Die Armee bereitet sich auf die Verteidigung vor

Die Schätzung der Zahl der Cheyenne und Sioux, die gegen Fort Smith vorging, variiert erheblich. Eine fundierte Annahme geht von 800 bis 1.500 Mann aus.

169 McDermott, 1: 277 and 2: 327.. 170 “A Premium for Scalps,” in New York Times, June 23, 1867, p. 4. 171 McDermott, 1: 277 and 2: 327.

75 Die überwiegende Mehrheit dieser Krieger war noch immer mit Bogen und Pfeilen ausgerüstet; der Gebrauch von Feuerwaff en war relativ selten.172 In Fort Smith waren 293 Mann stationiert; die Besatzung war also erheblich un- terlegen. Das Vorgehen der Krieger war durchdacht. Sie waren überzeugt, daß sie zunächst die Soldaten, die außerhalb der Befestigung in einem Heufeld arbeiteten, angreifen sollten, bevor sie gegen das Fort selbst vorgingen. Das Heufeld war etwa zweieinhalb Meilen (4 km) vom Fort entfernt. Hier schnit- ten zivile Arbeiter Gras, so daß die Pferde und Maultiere der Armee im Winter genügend Futter hatten. Die Regierung hatte einen Vertrag mit dem zivilen Versorger über 300 Tonnen Heu für 17 Dollar pro Tonne abgeschlossen. Routinemäßig schickte der Kommandant des Forts, Colonel Luther P. Bradly, eine Abteilung Soldaten zum Schutz der Arbeiter zu dem Heufeld.173 Die Soldaten konnten froh sein, daß man sie gerade mit dem neuen Springfi eld Mo- dell 1866, einem Hinterlader, ausgerüstet hatte, das der alten Vorderladermuskete, die noch von der Infanterie Fettermans geführt worden war, weit überlegen war. Die neuen Springfi eld Rifl es wurden mit Metallpatronen geladen. Die Männer mussten nicht mehr Pulver und Kugel durch die Laufmündung stoßen und keine Zündhütchen mehr aufsetzen. Die Soldaten konnten die Waff e abfeuern, die Hülse durch die Ladeklappe auswerfen und eine neue Patrone hinten in das Gewehr schieben. Damit wurde die Feuerkraft erheblich verstärkt. Ein geübter Soldat konnte jetzt 8 bis 10 Kugeln in der Minute verschießen. Besonders wichtig war, daß die Männer sich beim Laden nicht mehr dem feindlichen Feuer aussetzen mussten, weil sie ihre Waff en jetzt im Liegen nachladen konnten. Am 31. Juli erhielten die Soldaten von befreundeten Crow-Indianern die Nach- richt, daß sich viele Sioux-Krieger in der Nähe sammelten. F. G. Burnett, ein Zivilangestellter der Armee, berichtete, daß die Crow oft zum Fort kamen und „haarsträubende Geschichten“ über die Zahl ihrer Feinde erzählten. Viele der Wei- ßen glaubten, daß die Crow übertrieben, um die Weißen zu ängstigen. Sie sollten bald erfahren, daß die Crow die Wahrheit gesagt hatten. Am 31. Juli „erzählten sie uns, die feindlichen Indianer würden am nächsten Tag das Fort angreifen und daß sie mehr Krieger gesehen hätten, als sie zählen konnten. Es war die Absicht der verbündeten Stämme, so sagten die Crow, alle Forts zu zerstören … und die weißen Männer aus ihrem Land zu treiben. Wir mussten über diese Drohungen fast lachen.“

172 “McDermott, 2: 380-1. 173 Ibid., 381.

76 Das Lachen sollte ihnen bald vergehen. Die zivilen Arbeiter und ihre eskortieren- den Soldaten sahen täglich kleine Kriegergruppen, aber sie waren sicher, daß sie keinen Grund hatten, beunruhigt zu sein.174 2nd Lieutenant Sigismund Sternberg kommandierte die Eskorte für die Heuarbei- ter. Sternberg stammte aus Deutschland. Er war ein erfahrener Soldat. Er hatte in der preußischen Armee und im Bürgerkrieg in der Unionsarmee gedient. Unter seinem Befehl hatten die Männer am Heufeld ihre Stellungen gut abgesichert. Wie üblich blieben Soldaten und Zivilarbeiter über Nacht beim Heufeld, um die Zeit des Weges von und zum Fort zu sparen. Sie errichteten eine einfache Palisade zu ihrem Schutz. Diese maß 100 Fuß im Quadrat (30 x 30 m). Maultiere hatten dafür Baumstämme von etwa 60 cm Dicke herangeschaff t. Dünnere Stämme wa- ren obenauf platziert worden. Die Pfosten waren mit Weidenzweigen verfl ochten worden. Die Verzweigung war so dick, daß es keine Lücken in der Palisade gab. Die Verteidiger gruben zudem Schützenlöcher außerhalb der Umfriedung, von denen aus sie einen anrückenden Feind beschießen konnten. Die Tiere wurden nachts innerhalb der Palisade untergebracht, so daß sie weder davonlaufen noch von den Indianern weggenommen werden konnten.175 Ferner hatten die Männer alles Gras rings um die kleine Befestigung geschnit- ten, so daß sie klare Sicht hatten und ungehindert schießen konnten, wenn sich Feinde näherten. Ferner hatten die Soldaten einen ganzen Tag damit verbracht, „die verschiedenen Distanzen von den möglichen Angriff spositionen aus zu den Böschungen abzulaufen.“ 176 Das war eine kluge Vorsichtsmaßnahme, denn auf diese Weise konnten die Soldaten die Visiere ihrer Gewehre besser einrichten. Die kleine Festung befand sich in der Nähe des War Man Creek, so daß nötigenfalls ausreichend Wasser für Mensch und Tier vorhanden war. Als weitere Vorsichts- maßnahme ließ Lieutenant Sternberg die Nägel der Munitionskisten lösen, so daß die Patronen nötigenfalls schnell verteilt werden konnten.177 Am Morgen des 1. August 1867 war der Posten von 23 Soldaten und 12 Zivi- listen besetzt. Die Soldaten waren mit ihren neuen Springfi eld-Gewehren gut bewaff net, aber auch die Zivilisten verfügten über exzellente Gewehre, darunter Henry, Spencer und Winchester-Unterhebelrepetierer, die eine sehr hohe Feuerge- schwindigkeit hatten. Jeder Mann verfügte zudem über einen Colt-Revolver, der

174 Burnett in Hebard and Brininstool, Bozeman Trail, 2: 160. 175 Burnett in Hebard and Brininstool, 161-3; McDermott, 2: 383, and James D. Lockwood, Life and Adventures of a Drummer Boy or, Seven Years a Soldier (Albany, Skinner, 1893), 182-3.. 176 Robert Beebe David, Finn Burnett: Frontiersman (Glendale: Clark, 1937), 163. 177 Burnett in Hebard and Brininstool, 161-3; McDermott, 2: 383, and James D. Lockwood, Life and Adventures of a Drummer Boy or, Seven Years a Soldier (Albany, Skinner, 1893), 182-3.

77 sechs Kugeln verfeuern konnte, bevor er nachgeladen werden mußte. Mehrere der Männer hatten außerdem doppelläufi ge Schrotfl inten, die auf kurze Entfernung eine große Wirkung hatten.178 Die meisten Zivilisten hatten im übrigen militärische Erfahrung, da sie im Bür- gerkrieg gedient hatten. Etwa drei Millionen Männer hatten während des Bürger- krieges die Uniform getragen; das entsprach grob geschätzt 50% der erwachsenen männlichen Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Nur zwei Jahre nach dem Ende dieses Krieges waren viele Veteranen nahezu überall im Land anzutreff en, natürlich auch in den Armeeposten des Westens.

Der Angriff

An diesem Morgen war der Soldat Charles Bradley in einigem Abstand von der Palisade auf Posten, um seine Kameraden vor einem Angriff warnen zu können. Gegen 11 Uhr am Vormittag sah er Hunderte von Indianern heranrücken. Sofort gab er einen Schuß ab und ritt zum Posten zurück, um Alarm zu schlagen. Einer der Männer schrie: „Um Himmels Willen, seht ihr die Indianer aus dem Tal kommen?“ Es schien so, als „sei das gesamte untere Tal von einer enormen Masse heran- drängender Krieger gefüllt.“ Sie preschten in Schlachtenlinie heran, als wollten sie die Palisade in einem einzigen, koordinierten Angriff überrennen. Als die Indianer näher rückten, begannen sie einen wilden Sturm auf die Stellung der weißen Männer. „Sie begannen zu kreischen und zu schreien. Ihre Hände fl ogen hoch. Sie schwangen Kriegskeulen und Tomahawks mit eindeutigen Gesten, daß sie diese Waff en noch heute mit dem Blut der weißen Männer tränken wollten. Federhauben fl attern von Hunderten von Köpfen, und gefi ederte Schleppen wehten von den Mähnen der Pferde.“179 Die weißen Männer griff en sofort zu ihren Waff en und rannten zu der Umfriedung, um sich zu verteidigen. Die Krieger galoppierten heran und schienen die Palisade einfach niederreiten zu wollen. Aber als die erste Salven der Verteidiger krachten, wichen sie zurück. Anscheinend hatten die Indianer geglaubt, daß die Weißen immer noch ihre umständlichen Vorderlader-Gewehre führten. Der langsame Ladevorgang hätte den Kriegern die Möglichkeit gegeben, die Soldaten zu überrennen, bevor sie wieder feuerbereit waren. Aber die neuen Gewehre gaben den Verteidigern die

178 McDermott, 2: 386-7. 179 Burnett in Hebard and Brininstool, 161-3; McDermott, 2: 383, and Lockwood, Life and Adventures, 182-3.

78 Möglichkeit, kontinuierlich zu schießen. Damit überraschten sie die Indianer, die sich zunächst zurückzogen. Das Feuer von Soldaten und Zivilisten „war so stetig und ununterbrochen wie das Rumpeln einer Mühle oder das Summen einer Maschine. Die Soldaten waren hocherfreut. Die Indianer, überrascht und verblüff t, stoben in alle Richtungen auseinander.“ 180 James Lockwood feuerte während des Kampfes so schnell mit seinem Gewehr, daß er fürchtete, die Waff e würde so heiß werden, daß die Metallpatronen darin explodieren würden. Glücklicherweise war er in der Nähe des Baches, so daß er „mein Gewehr häufi g ins Wasser tauchte …, um den Ladeblock zu kühlen.“ 181 Anstatt sich um die Sicherheit seiner Männer zu kümmern, rief Lieutenant Stern- berg seinen Soldaten zu: „Besetzt die Schützenlöcher!“ Die Männer gingen also außerhalb der Palisade in Stellung. Al Colvin war einer der Zivilangestellten des Postens, aber er war ein erfahrener Soldat, hatte als Offi zier in der Unionsarmee im Bürgerkrieg gedient, und er hielt den Befehl für falsch. Er rief Sternberg zu: „Lieutenant, sind Sie verrückt geworden!“ Der Offi zier schrie zurück: „Wer hat hier das Kommando?“ Colvin antwortete wütend: „Ein Mann der keine Ahnung vom Indianerkampf hat!“ Und er brüllte den Soldaten zu, sofort hinter die Palisade zurückzukehren, sich niederzulegen und zu schießen.182 Sternberg wiederholte seinen Befehl: „Steht auf, Männer! Kämpft wie Soldaten!“ Auch den zivilen Verteidigern rief er zu, sie sollten „wie Männer kämpfen.“ An- scheinend hatte er vergessen, daß seine neuen Springfi eld-Gewehre im Liegen abgefeuert und geladen werden konnten. Finn Burnett war Zivilist, aber auch er war ein erfahrener Soldat; er hatte wäh- rend des Bürgerkrieges aufseiten der Konföderierten gekämpft. Er erkannte, daß Sternberg dabei war, sein Leben unnötigerweise zu riskieren und rief: „Nein, Lieutenant, nein! Legen Sie sich hin. Exponieren Sie sich nicht auf diese Weise!“ Wenig später traf eine Kugel Sternberg in den Kopf. Er stürzte. Finn Burnett kroch zu ihm und sah, daß die Kugel über dem rechten Auge in den Kopf des Mannes eingedrungen und seinen Schädel zerschlagen hatte. Auch der Soldat Thomas Navin wurde zur selben Zeit getroff en und getötet, weil er dem Befehl gefolgt war und stand.183

180 Lockwood, 186-7. 181 Lockwood, 187 182 McDermott, 2: 388-9. 183 David, Finn Burnett, 170 and Burnett in Hebard and Brininstool, 162-3.

79 Zeitgenössische Skizze von Fort C. F. Smith. In der Nähe dieses Postens tobte der Hayfi eld Fight.

Finn G. Burnett als alter Mann am Hump, prominenter Häuptling Markstein des Hayfi eld-Fights, wo er als der Minniconjou-Sioux in junger Soldat um sein Leben kämpfte. Red Cloud's Krieg.

80 Al Colvin übernimmt das Kommando

Sergeant James Norton war der stellvertretende Kommandeur der Soldaten. Aber auch er hatte närrischerweise mit dem Leutnant gestanden und war zur selben Zeit durch die Schulter geschossen worden. Obwohl er noch am Leben war, war er nicht imstande, die Führung zu übernehmen. Die Soldaten waren in Panik, verängstigt und verwirrt nach dem Verlust ihres Kommandanten. Sie fürchteten, eingeschlossen und von einem überlegenen Feind überrannt zu werden. Sie benötigten sofort eine entschlossene Führung. Diese Rolle wurde von Don A. „Al“ Colvin übernommen. Er hatte die Situation sofort unter Kontrolle, befahl den Männern, sich fl ach auf den Boden zu legen, aufzuhören, vor Angst zu jammern und den Kampf aufzunehmen. Colvin war im Grunde ein freundlicher Mann, und er war „ein fröhlicher, gutmü- tiger Bursche, der immer einen munteren Spruch auf den Lippen hatte.“ Aber er erwies sich jetzt als sehr guter Anführer, der „kaltblütig“ und „absolut furchtlos“ war.184 Colvin erwarb sich zudem hohe Anerkennung für seine Fähigkeiten als Schütze im Kampf. Er trug eine Henry Rifl e, mit der er ununterbrochen feuerte. Finn Burnett berichtete als Augenzeuge: „Ich glaube nicht, daß es einen anderen Mann gibt, … der so viele Indianer an einem Tag erschossen hat wie Colvin während des Hayfi eld Fights.“ Burnett gab an, daß der ehemalige Unions-Captain an diesem Tag an die 1.000 Kugeln auf die angreifenden Indianer verschoß.185 Der Mann, der das Kommando übernommen hatte, war Realist. Er versuchte, seine Männer zu motivieren, indem er ihnen die Konsequenzen einer Schlacht verdeutlichte. „Es ist möglich, daß wir niemals lebend davonkommen werden, aber lasst uns dafür sorgen, daß die Indianer diesen Tag nie mehr vergessen, solange noch ein Sioux am Leben ist.“ 186 Colvin gab den Männern weitere Instruktionen: „Haltet euch unten, so daß sie euch nicht sehen können. Geht sparsam mit eurer Munition um. Vergeudet keinen Schuß. Kämpft bis zum letzten und behaltet eine Patrone für euch selbst übrig. … Keiner von uns darf ihnen lebend in die Hände fallen und von diesen Teufeln zerhackt und gefoltert werden.“ 187

184 David, Finn Burnett, 173 and Burnett in Hebard and Brininstool, 165. 185 Burnett in Hebard and Brininstool, 165. 186 David, Finn Burnett, 173. 187 McDermott, 2: 391.

81 Seine Überlegung war, daß ihre Situation im Grunde hoff nungslos war. Kapitula- tion war sinnlos. Also sollten die Männer so hart wie möglich kämpfen. Auch Al Colvins Bruder, Selick „Zecke“ Colvin, war ein ehemaliger Offi zier des Bürgerkrieges. Wie in vielen amerikanischen Familien in dieser Zeit, hatten die Colvins auf verschiedenen Seiten gestanden. Während Al für die Union gekämpft hatte, hatte Zeke sich der Konföderation angeschlossen. Zeke tötete vermutlich den ersten Krieger in dieser Schlacht. Am Beginn des Kampfes ritt ein Krieger auf die Barrikade zu und schwenkte eine Fackel. Ver- mutlich wollte er die Palisade in Brand setzen. Colvin erschoß das Pferd das Mannes. Der Krieger aber war so nahe an der Umfriedung, daß er fast dagegen stürzte. Das fallende Pferd klemmte den Reiter unter sich fest. Der Krieger befreite sich und begann zu rennen, als „Colvin ihn mit einem weiteren schnellen Schuß niederstreckte.“ 188 James Nortons Schulterwunde verursachte große Schmerzen. Die anderen Soldaten trugen den Sergeant zu einem Zelt, um ihn vor der brennenden Sonne zu schützen, aber er kehrte zu seiner Stellung hinter der Barrikade zurück, als die Indianer wie- der heftig angriff en. Andere Männer luden seine beiden Revolver immer wieder nach, und er feuerte kontinuierlich, wenn seine Hilfe im Kampf benötigt wurde. Der Zivilist J. G. Hollister führte eine doppelläufi ge Schrotfl inte. Er kroch zu Finn Burnett und fragte den erfahrenen Mann, wie er die Waff e laden sollte. In diesem Moment zerschmetterte eine Kugel „die Rinde von einem der Palisadenpfosten. Holzsplitter wirbelten in Finns Augen.“ Danach „traf die Kugel Hollister in den Bauch.“ 189 Der Schuß hatte seine Därme durchschlagen, und der Mann litt furcht- bare Schmerzen. Er bettelte Al Colvin an, ihn zu töten. Mit großem Widerstreben sagte Colvin, daß er ihn töten würde, wenn es nötig sei. Al und Zeke jedenfalls schworen sich gegenseitig, sich nicht lebend fangen zu lassen. Eher wollten sie sich gegenseitig töten.190 Die Indianer wechselten ihre Taktik und versuchten, ihre Gegner auszuräuchern. Mehrfach rückten die Krieger vor und schossen Brandpfeile in die weidengefl och- tenen Verschanzungen der Palisade. Zwar waren die Zweige trocken genug, um zu brennen, aber es gelang den Verteidigern jedes Mal, die Feuer wieder zu löschen. Dann setzten die Indianer die Prärie in Flammen. Unvermittelt begann die Gras- fl äche an drei Seiten rings um die Barrikade zu brennen. Der Augenzeuge James D. Lockwood schrieb: „Das Feuer rollte in Wellen heran, wie die Wellen eines Ozeans, und dahinter folgten die johlenden Indianer.“

188 Burnett in Hebard and Brininstool, 165-6. 189 David, Finn Burnett, 174-5. 190 McDermott, 2: 390.

82 Die Weißen fürchteten, daß das Feuer die Palisade verschlingen würde. Aber etwa 6 m vorher sanken die Flammen plötzlich in sich zusammen – es war wie ein Wunder. Die Flammen schossen „senkrecht in die Höhe, mindestens 40 Fuß (12 m), sie fl ackerten ein- oder zweimal auf und ab, und dann erloschen sie mit einem mächtigen Knall.“ Abrupt hatte der Wind seine Richtung gewechselt und „glücklich die Verschanzung gerettet.“ 191 Während die meisten Männer mit Entschlossenheit und Mut kämpften, waren einige der Weißen nicht imstande, sich den Herausforderungen und der Bedro- hung einer Schlacht zu stellen. Unter diesen war Robert Wheeling, ein ziviler Wagenlenker. Er war als Großmaul bekannt, „ein Tyrann, vor dem wir alle Angst hatten.“ Wie viele solcher Männer, war Wheeling tatsächlich ein Feigling, der in einem Kampf völlig zusammenbrach. Obwohl er mit einem Spencer-Gewehr und ausreichend Munition versehen war, gab er an diesem Tag kaum einen Schuß ab. Als der Kampf begann, versteckte er sich; schließlich kroch er in ein Loch, daß die Hunde am Tag zuvor gebuddelt hatten. „Hier lag er und weinte wie ein Baby.“ Er betete, rief nach seiner Mutter und erbrach sich. Schließlich wurde sein Verhalten so lästig, daß Zeke Colvin dem verängstigten Mann das Gewehr wegnahm und drohte, ihn zu erschießen, um ihn von seinem Elend zu erlösen. Wheeling lag schließlich so still da, daß die anderen Männer glaubten, er sei tot. Ein anderer Soldat, Charles Bradley, gab keinen Schuß im Kampf ab, aber er betete die ganze Zeit, bekreuzigte sich und sprach mit der Mutter Maria.192 * Irgendwann gaben die Krieger den Versuch auf, die Weißen zu Pferde überrennen zu wollen. Sie wurden vorsichtiger. Schließlich „schlossen sie die Palisade ein und belegten sie mit einem Hagel von Schüssen.“ Es schien, als würde aus „jeder Uferböschung, von jedem Felsen, aus jedem Dickicht und jedem Busch der Tod regnen, und es war fast Selbstmord für die Verteidiger, auch nur den Kopf zu heben.“ 193 Finn Burnett erzählte von einem Indianer, der dicht an die Palisade heranrobbte. Bevor der Angriff erfolgt war, hatte der Lagerkoch Tassen und Teller für das Frühstück verteilt. In dem Durcheinander des Kampfes dachte niemand mehr daran, bis Burnett entdeckte, daß ein Indianer durch ein Weidendickicht bis an die Palisade herangekrochen war und mit einem Coupstick die Tassen an ihren Henkeln angelte. Das war eine etwas unübliche Methode, um Coup zu zählen, aber es war off ensichtlich, dass der Krieger seine Fähigkeiten und seinen Mut demonstrieren wollte.

191 Lockwood, 187-8 and Burnett in Hebard and Brininstool, 166. 192 David, Finn Burnett, 174-5. 193 McDermott, 2: 390.

83 Schließlich wies Albert Stevenson, ein anderer Zivilist, Burnett auf den indiani- schen „Souvenirjäger“ hin. Als der Krieger erneut seinen Arm exponierte, um eine weitere Tasse zu angeln, feuerte Burnett. Sein „Schuß zerriß den Tassenangler fast in zwei Teile, und das Dickicht sah danach aus wie ein Schlachthaus.“ 194 Ein anderer Krieger schaff te es, mitten in das Lager zu schleichen. „Er kroch tatsächlich bis zum Wagenkasten, der die Lebensmittel der Gruppe enthielt.“ Der abenteuerlustige Indianer schnappte sich eine Pfanne vom Wagen und füllte sie während des Kampfes mit süßem Sirup. Einer der Wagenlenker sah den Krieger und erschoß ihn. Es war üblich, daß die Indianer ihre Gefallenen unter allen Umständen einsam- melten, aber die Leiche dieses Kriegers, der Sirup gestohlen hatte, blieb bis nach dem Kampf im Lager liegen.195 Der Tag war heiß, und der Kampf tobte stundenlang. Die Verteidiger hatten schließlich kein Trinkwasser mehr, und die Verwundeten bettelten um Flüssig- keit. Al Colvin bat Freiwillige, zum Bach zu laufen und Wasser zu holen. Einige Männer griff en sich Töpfe, Pfannen und andere Behälter und krochen unter dem Wagen hindurch zum Tor der Umfriedung. Sie stürmten zum Bach, während die Zurückbleibenden ihnen Feuerschutz gaben. Off enbar wurden die Indianer von dieser Aktion überrascht, denn sie taten wenig, die Wasserträger aufzuhalten. Rasch waren die mutigen Männer wieder im Schutz der Palisade und brachten das dringend benötigte Wasser.196 Zum Glück für die Verteidiger sprach und verstand Albert Howard genug von der Sprache der Sioux, um zu hören, was sie riefen, und er konnte sie beleidigen. Al Colvin befahl Howard, die Krieger zu verhöhnen. Howard rief zu ihnen hinüber: „Kommt doch und bringt eure Frauen. Denn ihr könnt nicht kämpfen.“ Die Krieger waren oft so nahe am Lager der Weißen, daß Howard hören könnte, wie sie ihre nächsten Schritte besprachen. Durch ihn erfuhren die Verteidiger, welche Angriff e und Manöver die Krieger planten, und sie konnten sich vorbereiten.197

194 Lockwood, 187-8 and Burnett in Hebard and Brininstool, 166. 195 David, Finn Burnett, 181-2; Burnett in Hebard and Brininstool, 166; and McDermott, 2: 391-2. 196 David, Finn Burnett, 179. 197 McDermott, 2: 392. Al Colvin interview in Camp Papers at Brigham Young University Special Collections Provo, Utah.

84 Die Rettung aus Fort Smith

Die Schlacht am Heufeld dauerte viele Stunden. Der Lärm des Kampfes hallte bis nach Fort C. F. Smith. Zudem war der Rauch des Präriefeuers weithin am Himmel zu sehen. Als der Kampf begann, hielt sich Captain Edward L. Hartz mit einer Kompanie außerhalb des Forts auf, um Holz zu sammeln. Er war nahe genug um zu beob- achten, wie die Palisade am Heufeld von den Indianern angegriff en wurde. Sofort ritt er mit seinen Männern zum Fort und erstattete dem Kommandanten, Colonel Luther P. Bradley, Bericht. Dieser organisierte allerdings kein Entsatzkommando. Tatsächlich ließ er nach dem Erhalt der Nachricht das Tor des Postens schließen und untersagte jedem, das Fort zu verlassen.198 Als die Schlacht heftiger wurde, warteten die Männer hinter der Palisade auf Hilfe aus Fort Smith. Es war ihnen ein vollständiges Rätsel, daß sie keine Unterstützung erhielten, während sie verzweifelt um ihr Leben kämpften. Mehrere der Männer baten Al Colvin, er solle versuchen, einen Boten zu Colonel Bradley zu schicken und um Hilfe zu bitten. Colvin begriff irgendwann, daß er genau das tun musste, weil ansonsten keine Unterstützung kommen würde. Aber der Kurier musste die Reihen der Indianer passieren; das war ein höchst gefährliches Unterfangen. Zwei Männer meldeten sich freiwillig, und es wurde ausgelost, wer von beiden die Botschaft überbringen sollte. Zunächst fi el das Los auf James Brogen, aber diesen verließ der Mut. Damit blieb die Aufgabe bei Charles Bradley, der Colvin seit Stunden angefl eht hatte, gehen zu dürfen.199 Soldat Bradley fragte Colvin, was er Colonel Bradley sagen sollte. Colvin sagte, der Kurier solle den Kommandanten von Fort Smith davon unterrichten, daß der Lieutenant tot sei und die Männer in ihrer Verschanzung in verzweifelter Lage seien, daß sie aber überleben konnten, wenn sie verstärkt wurden. Colvin entschloß sich schließlich, seine Botschaft niederzuschreiben, um ihr mehr Nachdruck zu verleihen. Er riß eine Seite aus einem kleinen Notizbuch, hatte aber nichts zum Schreiben. Also nahm er eine .44er Patrone seiner Henry Rifl e, schärfte die bleierne Spitze mit einem Messer und benutzte die Patrone als Bleistift. Er begann: „Wir haben 3 Tote und 5 Verwundete.“ Dann packte ihn der Zorn. Er verlangte Hilfe und klagte gleichzeitig an: „Wir werden nicht imstande sein, unsere Palisade nach Einbruch der Dunkelheit weiter zu verteidigen. Wenn

198 David, Finn Burnett, 183. 199 McDermott, 2: 392 and David, Finn Burnett, 183.

85 Sie ein Mann sind, schicken Sie uns Hilfe. Wenn Sie ein Teufel sind, gehen Sie zur Hölle, wo Sie hingehören.” 200 * Fast alle Pferde und Maultiere innerhalb der Umfriedung waren verletzt. Soldat Bradley nahm sich das Pferd, das noch im besten Zustand war und aussah, als könne es schnell laufen. Sieben Männer begleiteten den Soldaten bis zu einer nahen Bodenfalte. Hier ließen sie ihn allein. Einige der Zivilisten hinter der Barrikade beobachteten Bradleys Ritt und feuerten ihn an, als sei es ein Wettrennen. Finn Burnett hatte den Eindruck, daß der Soldat wenig Ahnung davon hatte, wie man ein Pferd ritt. Er fi el einmal aus dem Sattel, konnte aber wieder aufsteigen. Dieses mangelnde reiterliche Geschick führte Burnett zu der Schlußfolgerung: „Es gibt eine heilige Vorsehung, die anscheinend besonders auf die Narren und Unschuldigen Acht gibt, und in diesem Fall war diese Annahme ganz off ensichtlich.“ Vielleicht war Burnett nicht sonderlich freundlich und redete Bradleys Fähigkeiten unnötigerweise schlecht, denn ein anderer Beobachter, James Lockwood, bewertete die reiterlichen Fähigkeiten des Soldaten ganz anders. Lockwood schrieb später, der Kurier sei „ein exzellenter Reiter“ gewesen.201 Als Bradley davongaloppierte, nahm eine Gruppe von etwa 30 Kriegern die Ver- folgung auf. Einer der Indianer holte den Boten beinahe ein und konnte ihn mit seinem Bogen auf den Rücken schlagen. Zum Glück für Bradley war der Krieger mehr daran interessiert, Coup zu zählen als ihn zu töten. Die Indianer verfolgten den Reiter fast den gesamten Weg bis Fort Smith. Etwa 90 m vor dem Posten stürzte der unglückliche Kurier erneut vom Pferd. Die Männer im Fort eröff neten heftiges Feuer auf die verfolgenden Indianer, aber es war den Soldaten verboten, das Fort zu verlassen und dem Mann zu helfen. Colonel Bradley hatte die Tore des Postens schließen lassen, und er weigerte sich nach wie vor, das Tor zu öff nen und den Soldaten zu retten. Den Befehl missachtend, sprangen einige Männer über die Palisade, rannten Bradley entgegen und retteten sein Leben.202 Das Eintreff en Bradleys in Fort Smith und die mitgeführte Botschaft von der Schlacht am Heufeld brachte Colonel Bradley endlich dazu, zu reagieren. Er befahl zwei Kompanien unter dem Kommando von Captain Thomas Burrowes

200 McDermott, 2: 392. Al Colvin interview in Camp Papers at Brigham Young University Special Collections Provo, Utah. 201 David, Finn Burnett, 190 and Lockwood, 189. 202 David, Finn Burnett, 190; Don A. Colvin Interview Feb. 20, 1914; Edward Haloran Interview; and Alvin C. Leighton Statement in Camp Papers BYU. As cited in McDermott, 2: 398.

86 und Lieutenant Reuben F. Fenton auszumarschieren. Diese Einheiten bestanden aus 80 Mann, die zudem eine Kanone mit sich führten. Als die Soldaten das Lager am Heufeld erreichten, schickten die Offi ziere Plänkler aus, um die Indianer anzugreifen. Nach so vielen Stunden des Kämpfens hatten die Krieger wahrscheinlich schon das Interesse verloren, nachdem alle Angriff e auf die Barrikade gescheitert waren. Als die Haubitze zu feuern begann, zogen sich die Indianer zurück. Fentons Männer rückten vor, um noch einmal das Gefecht mit mehreren Hundert Indianern zu suchen, aber die Granaten der Kanone trieben die Krieger davon. Sie zerstreuten sich. Der Kampf war vorbei.203

Schadensbewertung

Erst als die Gefahr vorüber war, sahen die Verteidiger das Ausmaß des Schadens, der durch den Kampf angerichtet worden war. In dem Corral neben der Barrikade hatten 20 Maultiere gestanden. Zwei von ihnen waren tot, 17 waren verwundet. Die meisten Tiere waren von Pfeilen getroff en worden. In einigen steckten nicht weniger als 9 Pfeile. Al Colvin sagte, daß sie wie Stachelschweine aussahen. Ferner hatten die Krieger zwei Hunde getötet, die William Hains gehörten. Der junge Mann brach in Tränen aus, als er die Kadaver seiner geliebten Tiere sah.204 Die Baumstämme und Wagen, die als Deckung neben der Palisade gedient hatten, waren in Stücke geschossen worden, und es gab Stellen wo es fast nicht mög- lich war, mit einer Hand die Einschusslöcher abzudecken. Einem Augenzeugen zufolge, „waren die Wagenkästen an der Westseite des Corrals so durchlöchert, daß sie zersplittert waren, und die Zelte der Soldaten waren in Fetzen. Ladungen von Pfeilen lagen hinter der Barrikade, und der Boden rings um die kleinen Bo- denvertiefungen, die die Männer den ganzen Tag über verteidigt hatten, war mit Patronenhülsen bedeckt.“ 205 Es gab Hinweise darauf, daß die Indianer schwere Verluste erlitten hatten. Hier und da war das Gras mit Blut verschmiert. Dennoch hatten die Krieger wieder erfolgreich ihre Toten bergen und mitnehmen können. Nur ein toter Indianer war in der Nähe des Corrals liegengeblieben. Vermutlich handelte es sich um Bear- That-Grabs. Die Soldaten verstümmelten und skalpierten ihn, um die Indianer zu demütigen.206

203 David, Finn Burnett, 189 and Colvin as cited in McDermott, 2: 398 204 David, Finn Burnett, 190 and Lockwood, 189. 205 David, Finn Burnett, 190; Don A. Colvin Interview Feb. 20, 1914; Edward Haloran Interview; and Alvin C. Leighton Statement in Camp Papers BYU. As cited in McDermott, 2: 398. 206 McDermott, 2: 399-400.

87 Captain Burrowes ließ die Verwundeten auf einen Wagen heben. Die Soldaten luden auch alles andere, was sie tragen konnten, auf Wagen. Der Captain ordnete an, daß alles, was zurückbleiben musste, verbrannt wurde, damit es nicht in die Hände der Indianer fi el. Dabei blieb es sein Geheimnis, was die Indianer beispiels- weise mit einer Maschine anfangen sollten, die zum Grasmähen benötigt wurde. Burrowes führte sein Kommando dann zurück nach Fort Smith, wo die Kolonne gegen 20.30 Uhr eintraf, etwa vier Stunden nachdem sie aufgebrochen war.207 Finn Burnett gehörte zu jenen, die Colonel Bradleys Verhalten während der Schlacht hart kritisierten. Er sagte, der Kommandant von Fort Smith habe „an diesem Tag selbst Schande über sich gebracht.“ 208 Als die Männer das Fort er- reichten, lösten sich bei einigen die stundenlange Anspannung, Frustration und Wut, die sich während des Kampfes aufgestaut hatten. Als Burrowes den Raum betrat, wo die Männer saßen, beschimpfte Alvin C. Leighton – einer der Zivili- sten vom Heufeld – den Offi zier wegen seiner Feigheit und seinem schlechten Urteilsvermögen. Al Colvin war außer sich. Er machte seinem Zorn gegen Burrowes und Colo- nel Bradley wegen ihres Versagens Luft. Er war in so einer Wut, daß Leighton und andere ihn daran hindern mussten, körperlich auf die Offi ziere loszugehen. Leighton beruhigte seinen Freund schließlich mit dem Hinweis, daß er nichts damit erreichen konnte, sich mit den Offi zieren anzulegen und er nur in einer Arrestzelle landen würde.209 Am nächsten Tag, dem 2. August, wurden Lieutenant Sternberg und Soldat Navin mit allen militärischen Ehren beigesetzt. John Hollister starb an seinen Wunden und wurde drei Tage später beerdigt. Obwohl Sergeant Norton schwer verletzt worden war, erholte er sich schließlich wieder, genauso wie die Soldaten Francis M. Law und Henry C. Vinson, die Schüsse in beide Beine erhalten hatten. Die indianischen Verluste waren schwer einzuschätzen. Captain Burrowes schätzte, daß 18 bis 23 Krieger getötet worden waren. Andere Berichte nennen 25 Opfer. Einige Crow-Indianer berichteten später, daß mehr Krieger gefallen waren, sie gaben 30 an und ergänzten, daß weitere 17 so schwere Verletzungen erlitten hatten, daß sie später starben.210 Einige andere Crow nannten noch höhere Verlustzahlen. Finn Burnett berichtete, daß ein Versuch unternommen wurde, die genauen Verluste der Indianer festzustellen. Einige Tage nach dem Kampf zogen zwei Kompanien Kavallerie, begleitet von mehreren Zivilisten, darunter Burnett, Al Colvin und

207 Ibid. 208 Burnett in Hebard and Brininstool, 167. 209 McDermott, 2: 401. 210 Ibid., 400.

88 Alvin Leighton aus, um nach Toten zu suchen. Etwa 2 Meilen (3,2 km) vom Heufeld entfernt „fanden sie über 50 Leichen.“ Die Crow forderten die Weißen auf, weitere zwei Meilen mit ihnen zu gehen. Sie behaupteten, daß dort noch mehr Leichen zu fi nden waren. Aber die Offi ziere trauten sich nicht, sich so weit von Fort Smith zu entfernen und entschieden, daß es sicherer war, zurückzukehren.211 Wie auch immer – die Indianer hatten viele Opfer zu beklagen, und es gibt Be- richte, wonach so viele Krieger starben, daß die indianischen Frauen ihre Toten dermaßen beklagten, daß sie tagelang „ein abscheuliches Geheul und Lamento“ hören ließen.212 Die kleine Truppe aus Soldaten und Zivilisten hatte am Heufeld eine bemer- kenswerte Schlacht geschlagen und gewonnen. Durch ihre Beharrlichkeit und ihre besseren Gewehre hatten sie sich gegen eine schwere Bedrohung behauptet. Damit hatte die Armee ihr erstes wichtiges Gefecht am Bozeman Trail gewonnen. Am 2. August, nur einen Tag nach dem Heufeld-Gefecht, sollten die Soldaten sich erneut in der Wagenkasten-Schlacht beweisen müssen.

211 Burnett in Hebard and Brininstool, 169. 212 David, Finn Burnett, 193.

89 Skizze der Wagenkasten-Schlacht von Charles Russell.

Landkarte der Wagenkasten-Schlacht.

90 Die Wagenkasten-Schlacht

Am 1. August 1867 näherten sich mehrere Hundert Sioux-Krieger und ihre Cheyenne-Verbündeten Fort Phil Kearny. Die meisten der Indianer trugen Bogen und Pfeile, aber viele verfügten inzwischen auch über Feuerwaff en, die sie im Handel erworben oder bei Überfällen auf weiße Wagenzüge auf dem Bozeman Trail erbeutet, oder die sie den getöteten Soldaten des Fetterman-Kommandos abgenommen hatten. Die Krieger waren ursprünglich entschlossen gewesen, das Fort einzunehmen und zu zerstören. Sie entschieden dann aber, daß es klüger war, einzelne Gruppen von Soldaten außerhalb des Postens zu vernichten, bevor sie das Fort selbst angriff en. Die ersten Angriff e richteten sich gegen Zivilisten, die die Garnison als Holzfäller versorgten und scheinbar leichte Ziele darstellten, und gegen die militärischen Eskorten. Diese Gruppen bewegten sich meist etwa 6 Meilen (ca. 9,7 km) vom Fort entfernt und konnten problemlos attackiert werden, bevor Soldaten aus dem Fort zur Unterstützung anrückten. Die Indianer konnten nicht wissen, daß die Garnison soeben eine Lieferung von 700 neuen Springfi eld-Hinterladergewehren und 100.000 Schuß Munition erhal- ten hatte, die die Feuerkraft und Schussgenauigkeit der Soldaten bemerkenswert erhöhten.213 Die Holzfäller und die sie begleitenden Soldaten hatten zwei Koppeln zu ihrer Verteidigung gebaut. Damit sicherten sie auch ihre Pferde, Rinder und Maultiere, so daß sie nicht von den Indianern gestohlen werden konnten. Jede Umfriedung wurde durch Wagenkästen verbarrikadiert, die die Umfassung der Stellung bil- deten. Die Wagen waren zu diesem Platz gebracht und die Wagenkästen waren abgenommen worden. So konnte mehr Holz auf die „Fahrgestelle“ geladen und zum Fort gebracht werden. Die Wagenkästen waren etwa 3 m lang, 1,4 m breit und 76 cm hoch. Die Wände bestanden aus dünnem Holz, das kaum mehr als 1 Zoll (2,54 cm) dick war. Das war genug, daß sich Männer darin verbergen konnten, aber das Holz bot wenig Schutz. Soldat Frederic Claus war ein Deutscher, der mit 26 Jahren in die Vereinigten Staaten gekommen war. Er nahm an der Schlacht teil und berichtete, daß das Holz „nicht mehr als einen Inch [Zoll] dick war und die Kugeln so leicht hindurch- zischten, als wäre überhaupt kein Schutz vorhanden.“ 214

213 Jerry Keenan, The Wagon Box Fight: an Episode of Red Cloud’s War (Conshohocken, PA.; Savas, 2000), 19-20. 214 Frederic Claus, “My Experience in the Wagon Box Fight” in Hebard and Brininstool, 2: 84-5.

91 Die Wagenkästen waren im Oval oder in einer gestreckten Kreisform rings um ein mittleres Areal angelegt, wo die Tiere während der Nacht untergebracht waren. Die größte Formation bestand aus 14 Wagenkästen. Sie war etwa 60 bis 70 Fuß lang (18 – 21 m) und maß etwa 25 bis 30 Fuß (7,6 – 9 m) an der breitesten Stelle. Die Männer stellten ihre Zelte außerhalb des Corrals auf, so daß sie nicht zwischen den Exkrementen der Tiere schlafen mussten.215 Kommandant der Truppe von 51 Mann, die die Aufgabe hatte, die Holzfäller und Wagenlenker zu schützen, war Captain James Powell. Er war ein erfahrener Sol- dat, der schon 1848 in die Armee eingetreten war. Er hatte tapfer im Bürgerkrieg gekämpft und war stetig befördert worden, vom Lieutenant zum Captain und schließlich zum Brevet-Rang eines Majors. Sein Adjutant war Lieutenant John C. Jenness. Auch er war ein erfahrener Offi zier und während des Bürgerkrieges mehrfach befördert worden. Powell war klar, daß er sein Kommando teilen musste, um seinen Auftrag ord- nungsgemäß erfüllen zu können. 13 Mann eskortierten den Wagenzug vom und zum Fort, während weitere 12 Mann als Wachtposten im kleineren Holzfällerlager, dem „side camp“, blieben, das etwa eine Meile vom größeren Corral entfernt lag. Das bedeutete, daß etwa die Hälfte der eigentlich 51 Soldaten – Offi ziere und Männer – im Hauptlager blieben.216 In seinem offi ziellen Bericht nach der Wagenkasten-Schlacht schrieb Captain Powell, daß sein Kommando aus 28 Männern und 4 Zivilisten bestand, insgesamt 32 Mann.217 Diese Zahl könnte nicht ganz korrekt sein. Samuel S. Gibson, der während des Kampfes anwesend war, listete die Namen von 28 Soldaten, die an dem Kampf teilnahmen. Das Monument auf dem Schlachtfeld heute nennt allerdings nur 27 Mann.218 Reporter, die einige der Teilnehmer an der Schlacht interviewten, nennen weitere 3 Namen von Soldaten; das bedeutete, daß tatsächlich 30 Soldaten anwesend ge- wesen sein könnten. Die Namen von insgesamt 6 Zivilisten bringt die vollständige Zahl der Verteidiger auf 36. Die Soldaten waren mit Springfi eld-Hinterladergewehren bewaff net. Sie verfügten über 7.000 Schuß Munition, die sich im Corral befanden. Die Zivilisten führten noch modernere, schneller feuernde Waff en, darunter Spencer und Henry.219

215 Keenan, Wagon Box Fight, 21-2. 216 Keenan, 25. 217 James Powell, “Report,” August 4, 1867 in Keenan, 60. 218 Samuel S. Gibson, “The Wagon Box Fight” in Hebard and Brininstool, footnote 99, 2:71-2. 219 McDermott, 2: 418-19.

92 Annäherung der Indianer

Soldat Samuel S. Gibson gehörte zu den Posten, die die zivilen Holzfäller am 1. August 1867 bewachten. Die Männer waren aufgrund der vermuteten Nähe der Indianer sehr nervös. Als Sergeant John McQuiery fragte, ob irgendjemand Indianer gesichtet hätte, antworteten die Männer, daß sie keine gesehen hätten, sie aber riechen könnten. Der Sergeant war verärgert und sagte: „Riechen? Zur Hölle!“ In dieser Nacht war Gibson zur Wache am Corral eingeteilt. Captain Powell war besorgt und sagte den Männern, daß sie auf alles und jeden schießen sollten, das sich näherte oder wie ein Indianer aussah. Man mag die Fähigkeit von Gibson und den anderen Soldaten bezweifeln, daß sie imstande waren, „Indianer zu riechen“. Bei dem Hund „Jess“ verhielt es sich anders. Der Hund „war die ganze Nacht in der Nähe der Männer, und obwohl nichts Verdächtiges zu sehen oder zu hören war, rannte dieses Tier … alle paar Minuten den Hügel hinunter und zurück und bellte und knurrte außer sich.“ 220 Ganz off ensichtlich spürte der Hund die Nähe große Gefahr. Der Koch des Kommandos, Soldat Brown, stand an diesem Morgen früh auf, um das Frühstück vorzubereiten. Kurz vor Tagesanbruch rief er: „Chuck! [Essen].“ Die Männer erhoben sich zum Frühstück. Nach der Mahlzeit wurde Soldat Gibson erneut als Posten ausgeschickt, um nach Indianern Ausschau zu halten. Irgendwann schrie John Garrett: „Indianer!“ Gibson sprang auf die Beine, und er zählte 7 Krieger zu Pferde, die sich im Galopp näherten. Obwohl Gibson noch niemals mit seiner Springfi eld Rifl e geschossen hatte, stellte er das Visier auf ca. 700 Yards [630 m] ein und feuerte. Seine Kugel ging fehl, aber er traf einen Felsen vor einem der Krieger, und der Querschläger riß diesen aus dem Sattel.221 Damit begann der Kampf. Die Sioux und ihre Cheyenne-Verbündeten erinnerten sich, daß es ihnen leicht gefallen war, Fettermanns Kommando in einen Hinterhalt zu führen, in dem sie Lockvögel eingesetzt hatten. Die Krieger versuchten nun dieselbe Taktik mit den Soldaten im Corral und hoff ten, daß die Männer herauskommen und die Verfolgung aufnehmen würden. Sieben Indianer versuchten, die Soldaten zum Vorrücken zu bewegen. White Bull und mehrere andere Sioux warteten auf die Rückkehr ihrer Scouts, aber als sie den ersten Schuß hörten, reagierten sie sofort. Mehrere Hundert gingen zum Angriff über.222

220 Gibson in Hebard and Brininstool 2: 44-5. 221 Gibson in Hebard and Brininstool 2: 46-7 222 Vestal, Warpath, 73.

93 Der Angriff der Krieger

Nolan Deming stand neben Gibson, als die Indianer in Sicht kamen. Er brüllte: „Seht die Indianer!“ Dann fügte er hinzu: „Mein Gott, das sind ja Tausende!“ Gibson, Deming und John Garrett standen weit entfernt vom Lager und waren in Gefahr, eingeschlossen und getötet zu werden. Gibson sah einen Krieger, Paints-Yellow, der vor den anderen hergaloppierte. Der Soldat „zielte auf ihn“ und feuerte. Er und der Indianer schossen gleichzei- tig. Die Kugel des Kriegers zischte an Gibsons Kopf vorbei, während der Schuß des Soldaten Paints-Yellow in die Brust traf und ihn aus dem Sattel schleuderte. Seine Freunde zogen den verwundeten Mann hoch und transportierten ihn weg. Gibsons erfolgreicher Schuß hinderten die anderen Indianer off ensichtlich daran, rasch näher zu reiten, so daß die Soldaten Zeit gewannen, fl üchten zu können.223 Die drei Soldaten wichen zurück und feuerten noch zwei, drei Schüsse ab, um ihre Flucht zu decken. Sie liefen schnell, aber ihre Flucht wurde schließlich immer hektischer und panischer. Ihre Angst wurde von den Erinnerungen an das Fetterman-Massaker verstärkt, zumal sie zu der Einheit gehört hatten, die die schrecklich verstümmelten Leichen geborgen hatte; sie wollten nicht in der selben Weise enden. Die Männer „rannten und schossen immer wieder und erwarteten jede Minute, den Aufprall einer Kugel oder eines Pfeils in ihrem Rücken zu spüren.“ 224 Auch die anderen Soldaten wurden durch das Auftauchen der Krieger in Schrecken versetzt. Die Indianer „erhoben sich aus dem Boden wie ein Schwarm Vögel.“ Sie waren alle „nackt, mit Ausnahme eines Lendenschurzes.“ Einige der Indianer trugen „prachtvolle Kriegshauben, während andere nur einzelne Federn im Haar stecken hatten. Ihre nackten Leiber waren mit weißer, grüner und gelber Farbe bemalt, so daß sie extrem furchterregend aussahen.“ 225 Die Krieger versuchten, den fl üchtenden Männern den Weg zum Lager abzuschnei- den, in dem sie sie überholten und sich zwischen die Soldaten und den Corral bringen wollten. Ein Soldat aus Deutschland, Max Littmann, eilte heraus, um ihnen zu helfen. „Sein Mut und sein Entschluß, die Deckung zu verlassen und uns entgegenzukommen, und die Schnelligkeit und Sicherheit seines Feuers bewahrten uns davor, von den roten Teufeln eingeschlossen und abgeschnitten zu werden.“ Littmann stürmte etwa 100 Yards vorwärts, ging auf die Knie nieder, um sein Gewehr zu stabilisieren, und begann eiin so schnelles Feuer, daß die Krieger nicht

223 Ibid., 74 and Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 49. 224 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 49. 225 Ibid.

94 Das Gelände des Wagon Box Fights heute, mit dem Gedenkmonument. Foto: D. Kuegler.

Red Cloud: Vom Kriegshäuptling Miwakan Yula, später bekannt als zum Diplomaten. Auch in Washington George Sword, Oglala Lakota, war einer verhandelte er erfolgreich. von Red Clouds Kriegern und begleitete ihn zu Verhandlungen.

95 imstande waren, sich den fl iehenden Männern weiter zu nähern. Die erschöpften Soldaten erreichten mit letzter Kraft den Wagenkasten-Corral.226 Max Littmann war 1866 mit 21 Jahren aus Deutschland eingewandert. Kurze Zeit später war er in die Armee eingetreten, obwohl er überhaupt kein Englisch konnte. Er versprach sich davon die Möglichkeit, das Land kennenzulernen, bevor er sich in irgendeinem Beruf irgendwo niederließ. Die Armee bedeutete für ihn – wie für viele Einwanderer – kostenlosen Transport ins Landesinnere und einen geringen aber sicheren Lohn. Obwohl er „in keiner Weise die Sprache beherrschte“, wurde er bereits sieben Monate nach seinem Eintritt in die Armee zum Sergeant befördert. Littmann war ein sehr tapferer Sol- dat, der sich im Kampf äußerst umsichtig verhielt.227 Und Littmann war ein sehr bescheidener Mann. In keinem seiner Berichte über diese Schlacht erwähnte er auch nur mit einem Wort, daß er sein Leben riskiert hatte, als er aus dem Corral gestürzt war, um Gibson und die anderen Männer zu retten, die um ihr Leben rannten. Der deutsche Sergeant lag am Morgen mit einigen anderen Soldaten noch in seinem Zelt, als sie plötzlich den Ruf hörten: „Indianer!“ Sie eilten zu ihren Stellungen im Wagenkasten-Corral. Dann sah Littmann schon Captain Powell, der zum Lager zurückhastete. Der Offi zier war am Morgen zu dem nahen Bach gegangen, um ein Bad zu nehmen. Als er die ersten Schüsse hörten, rannte Powell zurück; er hatte noch seine Ho- sen über einem Arm hängen. Im Corral zog er sich an und hatte das Kommando übernommen, als Gibson und die anderen Männer sicher die Palisade erreichten. Gibson fürchtete, einen Tadel dafür zu erhalten, daß er und seine beiden Kameraden ihren Posten verlassen hatten. Noch außer Atem berichtete er Captain Powell, daß sie angesichts eines übermächtigen Feindes die Flucht ergreifen mußten. Der Captain beruhigte ihn: „Ihr habt euch richtig verhalten, mein Junge! Ihr konntet es nicht besser machen.“ Dann wandte er sich an alle drei, die gerade den Corral erreicht hatten, und sagte: „Sucht euch einen Platz hinter den Wagenkästen. Heute werden wir alle um unser Leben kämpfen müssen.“ Die drei Männer füllten ihre Hüte mit Patronen und gingen innerhalb der Umfriedung in Stellung. Auch andere weiße Männer hatten sich am Morgen des 2. August vom Camp ent- fernt und mussten um ihr Leben laufen. R. J. Smyth, ein Zivilist, und ein Freund hatten Fort Phil Kearny noch vor Tagesanbruch verlassen, um am frühen Morgen Hirsche zu jagen. Sie ritten in das Hügelland, um nach Rotwild Ausschau zu halten. Noch im Dämmerlicht sahen sie viele indianische Rauchzeichen auf mehreren Hügeln. Damit war klar, daß sich eine größere Zahl Indianer in der Nähe aufhielt. Die Männer versuchten, zum Fort zurückzureiten, aber der Weg war bereits blok-

226 Ibid., 2:49-50. 227 Littmann in Hebard and Brininstool, 2: 73.

96 kiert. Daraufhin versuchten sie, sich einem Holztransport anzuschließen, der an diesem Morgen auf dem Weg zum Fort war. Auch dieses Unterfangen erschien zu gefährlich. In ihrer Verzweifl ung ritten sie zu dem Wagenkasten-Corral, wo sie gerade recht- zeitig eintrafen, um ihr Leben zu retten und die Verteidiger in der Umfriedung zu verstärken. Einige andere Männer in dem kleineren Außenlage waren nicht so glücklich. Dieser kleinere Corral bestand vermutlich nur aus 7 Wagenkästen, und hier hiel- ten sich zu wenige Männer auf, um entschiedenen Widerstand leisten zu können. Die meisten diese Männer fl üchteten erfolgreich in das Waldland auf den Hügeln, wo sie sich für den Rest des Tages versteckten. Sie überlebten wahrscheinlich, weil sie ohne lange zu überlegen das Richtige getan hatten, und weil die Indianer stärkeres Interesse an dem großen Wagenkasten-Corral hatten als an der Jagd auf einzelne weiße Männer. Aber auch drei der Männer aus dem Außenlager wurden getötet, bevor sie sich in Sicherheit bringen konnten. Als White Bull die Zelte dieses Holzfällercamps erreichte, fand er zwei tote weiße Männer, mit Pfeilen gespickt. Traurig für ihn, daß er zu spät kam, um an diesen Toten Coup zu zählen. Die Indianer nahmen sich die Zeit, das Lager zu plündern und es dann in Brand zu stecken. White Bull schloß sich danach dem Angriff auf den großen Wagenkasten- Corral an.228

Ein verzweifelter Kampf

Soldat Gibson kroch in einen der Wagenkästen. Gibson war 18 Jahre alt; er war der jüngste Mann in diesem Kommando. Seine Kameraden nannten ihn häufi g „the kid“ (= Kleiner). Als der junge Mann seine Position einnahm, sagte ihm Soldat John Grady: „Du musst heute kämpfen wie der Teufel, Kid, wenn Du hier lebend rauskommen willst.“ 229 Die weißen Männer versuchten, ihre Deckungen zu verstärken. In die Lücken zwischen den Wagenkästen packten sie Gegenstände wie „Baumstämme, Dek- kenbündel, Kleidung und Säcke mit Mais.“ Den Männern war klar, daß die Wa- genkästen nur geringen Schutz vor Kugeln boten also versuchten sie, sich besser zu sichern. Einer der Zivilisten, R. J. Smyth, „hatte Leinensäcke mit Mais, die er an den Ecken in einem der Kästen platzierte.“ Zusätzlich bohrte er ein Loch

228 Ibid., 2:49-50. 229 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 50.

97 in eine der Wagenkästenwände, so daß er zwischen den Kornsäcken liegen und durch das Loch schießen konnte.230 Das war eine ungewöhnliche Methode der Sicherung, und andere Soldaten blieben dabei, über die Wagenwände hinwegzuschießen, statt durch irgendwelche Löcher. Der deutsche Max Littmann begriff , daß die Wagenkästen keine adäquate Sicherheit boten. Er rollte ein Salzfässchen in Position. Er legte sich „fl ach auf meinen Bauch hinter dieses Salzfaß.“ Gleich neben ihm befand sich der Soldat Jim Condon, der hinter einem Bohnenfaß Deckung genommen hatte. Soldat Thomas Doyle war ebenso fi ndig. Er stapelte einige schwere Ochsenjochs übereinander und baute sich auf diese Weise eine Art Brustwehr.231 * Ein anderer Soldat, Corporal Francis Robertson, ein altgedienter und erfahrener Mann, zog die Schnürsenkel aus seinen Schuhen. Er knotete sie zu einer längeren Schnur zusammen. An jedem Ende formte er eine Schlinge. Die größere Schlinge war für seinen Fuß, die kleinere für den Abzug seines Gewehrs. Er hatte Angst, daß er im Fall seiner Gefangennahme gefoltert werden würde, so wollte er seinem Leben lieber ein schnelles Ende bereiten, als lange leiden zu müssen. Er konnte die Mündung seiner Rifl e unter seinem Kinn platzieren und den Schuß auslösen, in dem er mit dem rechten Fuß im Schnürsenkel den Abzug drückte. Seinem Beispiel folgend, taten anderen Soldaten dasselbe; Sergeant John McQuiery und Soldat John Grady trafen ebenfalls Vorbereitungen, sich selbst zu töten, in dem sie ihre Schnürsenkel als Auslöser für ihr Gewehr zusammenknoteten. Auch Gibson folgte ihrem Vorbild. „Ich hatte gerade meine Schuhe ausgezogen und Schlingen in die Schnürsenkel gebunden, als der Kampf losging.“ 232 Private Gibson war ein frommer Mensch. Er hoff te, daß ein göttliches Eingreifen sein Leben in dem aufkommenden Kampf retten konnte. Also begann er zu beten. Mit einer gewissen Bescheidenheit berichtete er: „Ich war ein wenig furchtsam, als Pfeile und Kugeln durch die Luft schwirrten.“ Er begann „das Vaterunser zu beten. Als ich gerade die Worte erreicht hatte, „schütze uns vor dem Bösen“ … schlug mich der Mann neben mir mit seinem Gewehr und befahl: „Hör auf zu beten, schieße!’ Das tat ich.“ 233 Gibson hatte begriff en, daß Gott ihn nicht schützen würde, wenn er nicht selbst versuchte, sich zu retten.

230 R. J. Smyth “Personal Reminiscences of Fort Phil Kearney and the Wagon-Box Fight,” in Cyrus Townsend Brady, Indian Fights and Fighters (New York: Doubleday, 1913), 66. 231 Littmann in Hebard and Brininstool, 2: 2: 74 and Gibson also in Hebard and Brininstool, 2: 52. 232 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 53. 233 Gibson in Franklin Campbell Smith, Early Religious Services in Wyoming (Laramie: Laramie Printing, 1926), 62.

98 Die Krieger scharrten sich für den Angriff zu einer großen Masse zusammen. Gibson berichtete: „Es schienen Hunderte von Indianern zu sein. Sie alle saßen auf ihren schönsten und besten Kriegsponies. Sie ritten hin und her, sangen ihre Kriegs- und Todeslieder.“ Die Krieger sammelten sich rings um das Lager. Lieutenant Jenness versuchte herauszufi nden, nach welcher Taktik sie vorgehen wollten. Er schaute durch ein Fernglas zu ihnen hinüber. Nachdem er den Hügel östlich des Corrals abgesucht hatte sagte er zu Powell: „Captain, ich glaube, daß sich Red Cloud auf dem Gipfel dieses Hügels befi ndet.“ Die Frage, ob Red Cloud tatsächlich selbst an dieser Schlacht teilgenommen hat, ist seither immer wieder von Historikern diskutiert worden. Die Aussage von Jenness ist zweifelhaft, da nicht sicher ist, daß er den Häuptling auf diese große Distanz wirklich identifi zieren konnte.234 Als Powell sah, daß die Indianer ihren Angriff auf der linken Seite der Verschan- zung begannen, rief er seinen Leuten zu: „Männer, jetzt kommen Sie! Nehmt eure Plätze ein, und schießt um zu töten.“ Gibson stützte sein Gewehr auf den Rand eines Wagenkastens und begann mit den anderen zu schießen. Es gab viele Ziele. „Die ganze Ebene war mit Indianern gefüllt. Sie alle waren beritten und kamen aus jeder Richtung.” Die Krieger ritten nicht direkt auf die Wagenkästen zu. Wenn sie das getan hätten, hätten diese Hunderte von Männern die Stellung einfach überrennen können, aber die Indianer zeigten bei ihrem Ansturm brillante Reitkunst und näherten sich der Befestigung in Wellen. „Sie preschten wie wild hin und her und schossen auf uns mit Gewehren, Bogen und Pfeilen – erst an einer Seite, dann an der anderen Seite des Corrals. Dann umrundeten sie uns; und jedes Mal rückten sie näher, das alles mit heillosem durchdringenden und geradezu überirdischem Kriegsgeschrei.“ Einige der Krieger, die besonderen Mut beweisen wollten, „ritten nah an uns heran und warfen ihre Speere nach uns. Andere schwenkten ihre Kriegskeulen und To- mahawks.“ Wieder andere preschten auf die Stellung der Weißen zu und hingen seitlich an ihren Pferden. „Alles was wir sehen konnten, war ein Arm oder ein Bein, die über den Rücken des Ponies ragten – und dann zischten die Pfeile.“ 235 Nach Eröff nung des Angriff s zu Pferde, sprangen viele Krieger auf den Boden und attackierten zu Fuß. Sie näherten sich in einer großen Gruppe, vielleicht 300

234 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 52-3. 235 Ibid., 2: 53-4.

99 Mann stark. Zunächst bewegten sie sich langsam, aber nach der ersten Salve der Weißen stürmten sie vorwärts. Anscheinend dachten die Indianer, daß die Soldaten noch immer ihre langsam zu ladenden Vorderlader-Gewehre benutzten. Die Krieger glaubten, daß sie nach den ersten Schüssen die Verschanzung erreichen konnten, bevor die Männer dahinter erneut geladen hatten. Fire Thunder war verwirrt. Die Weißen „lagen hinter ihren Wagenkästen und schossen schneller als jemals zuvor auf uns. Wir glaubten, daß sie über eine neue Medizin mit großer Macht verfügten, weil sie so schnell schossen als wenn sie eine Decke zerreißen würden.“ Später erfuhr Fire Thunder, daß die Weißen „neue Gewehre hatten, die man von hinten laden konnte“, statt durch die Mündung.236 Auch nach der zweiten Salve „kamen die Indianer noch immer mit wildem Gebrüll und schrillem Kriegsgeheul herangestürmt. Zweifellos glaubten sie, daß unsere Gewehre leergeschossen waren und sie den Corral überrennen und einen leichten Sieg erringen konnten.“ Aber eine dritte Salve stoppte sie im vollen Lauf, und sie begannen zu fl üchten und auseinanderzustieben, um der Wirkung einer weiteren Salve zu entgehen. Sie konnten off ensichtlich nicht verstehen, wieso die Weißen so schnell und kontinuierlich zu schießen vermochten.237 Der Sioux-Krieger White Bull beobachtete, das Hairy Hand getroff en wurde und von seinem Pferd stürzte. Der schwer verwundete Mann lag bewegungslos auf dem Boden. White Bull war lediglich mit einer Lanze bewaff net, aber er eilte sofort zu Fuß vorwärts, um seinem Freund zu helfen. Hairy Hand war in die Brust geschossen worden. Die Kugel hatte ihn vollständig durchbohrt. Er blutete aus Mund und Nase. Noch immer schlugen Kugeln rechts und links von ihm ein. White Bull griff nach seinen Handgelenken und zerrte ihn in eine Bodenfalte, wo er außer Gefahr war. Trotz seiner schweren Verletzung überlebte Hairy Hand und lebte noch viele Jahre.238 Ein anderer Krieger, der verletzt wurde, war Crazy Horse. Obwohl er denselben Namen wie der berühmte Kriegshäuptling hatte, der 1876 die Sioux am Little Big Horn gegen Custer führte, handelte es sich um einen anderen Mann. Dieser Crazy Horse wurde bei einer der Angriff swellen von seinem Pferd geschossen. Die Kugel traf ihn oberhalb des Knies; die Wunde war nicht schlimm. Zwei Freunde hasteten zu ihm und trugen ihn aus der Schusslinie. Der Krieger erholte sich von der Verletzung.239

236 Fire Thunder in John G. Neihardt, Black Elk Speaks: Being the Life Story of a Holy Man of the Oglala Sioux (London: Barrie and Jenkins, 1955), 16.. 237 Littmann in Hebard and Brininstool, 2: 76-7.. 238 Vestal, Warpath, 75. 239 Ibid., 76.

100 Das Gewehrfeuer der Weißen hatte große Wirkung. „Rings um den Wagenkasten- Corral lagen tote und sterbende Indianer und ihre gestürzten Ponies.“ Private Gibson entschuldigte sich sogar dafür, so viele Opfer unter seinen Feinden zu verursachen: „Wir waren keine Unmenschen, die sich über die Leiden der Ver- wundeten freuten.“ Aber der Soldat erinnerte an das Fetterman-Massaker, und er und seine Kameraden waren gewillt, den Indianern die größtmöglichen Verluste zuzufügen. „Es war nicht Rache, sondern Vergeltung.“ 240 Viele der toten und verwundeten Krieger lagen dicht vor den Wagenkästen, man- che weniger als 6 m entfernt. „Die verletzten Indianer lebten nicht lange, als der Angriff vorbei war.“ Einige der Verwundeten verfügten noch immer über Kampfgeist. „Sie beobach- teten uns und versuchten, auf uns zu schießen“, wenn sie eine Möglichkeit dazu hatten. Es wurde nötig, auch sie zu erschießen. Smyth räumte ein: „Wir töteten sie in Selbstverteidigung.“ Er rechtfertigte die Handlungen der Verteidiger als Racheakte: „Es war der Ausgleich für Fetterman.“ Er fügte hinzu: „Sie zeigten niemals Mitleid mit einem verwundeten weißen Mann, und sie sollten keine andere Behandlung von uns erwarten.“ 241 Die Indianer bargen ihre Toten und Verwundeten, wann immer es möglich war. Das war Teil ihrer Kultur. Die Krieger „unternahmen heroische Versuche“, in der Wagenkasten-Schlacht „ihre Verwundeten zu retten“. Ihr Mut und ihr Geschick erzeugten bei den Soldaten Bewunderung. „Wir beobachteten die großartigsten reiterlichen Fähigkeiten, die man sich vorstellen kann.“ Zwei berittene Indianer arbeiteten zusammen. Sie „ritten wie der Wind zwischen die Toten und Verletzten. Wenn sie sahen, daß sich ein Arm oder Bein nach oben reckte, sprengten sie von beiden Seiten an den verwundeten Wilden heran, packten ihn, hoben ihn im Galopp hoch und trugen ihn in Sicherheit.“ Zur Verblüff ung der Soldaten wiederholten sie diese reiterliche Höchstleistung wieder und wieder. „Es geschah viele Male, und wir konnten nichts anderes tun als den Mut und die Kühnheit zu bewundern.242 Die Krieger schossen die Wagenkästen in Stücke, aber zur großen Überraschung der Weißen drangen diese Schüsse niemals durch und trafen somit niemanden. * Einige indianische Scharfschützen lagen fl ach im Gras. Sie hielten sich so niedrig, daß „alles, was man von ihnen sehen konnte, die beiden Stöcke waren, auf denen sie ihre Gewehre anschlugen“, wenn sie zielten. Einige der Krieger dacten sich eine kluge List aus. Sie ließen sich von ihren Pferden fallen und taten so, als seien

240 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 56-7. 241 Smyth in Brady, 68. 242 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 57

101 sie tot. Dann krochen sie hinter „einen Salbeibusch und warteten auf die Chance auf uns zu schießen.“ Aber die Verteidiger ließen sich nicht lange täuschen. „Wir beobachteten den Boden, und sowie wir auch nur die geringste Bewegung wahr- nahmen, pusteten wir sie weg.“ 243 Es waren die indianischen Scharfschützen, die die einzigen Opfer unter den Solda- ten verursachten. Lieutenant John C. Jenness wurde früh getroff en. Wahrscheinlich fi el er während des ersten indianischen Angriff s. Obwohl er keine Erfahrungen im Kampf mit Indianern hatte, stand er mutig in einem der Wagenkästen und leitete den Kampf an der Westseite der Umfriedung. Er brachte sich selbst in Gefahr, und Corporal Francis Robertson sorgte sich um seine Sicherheit. Der Soldat rief ihm zu: „Lieutenant, ich hoff e, Sie werden sich in Deckung bringen. Sie sollten besser auf sich aufpassen.“ Der Offi zier antwortete verärgert: „Ich weiß, wie man gegen Indianer kämpft!“ Das waren seine letzten Worte; dann traf ihn eine Kugel in die Stirn, und er war auf der Stelle tot.244 Sergeant Littmann berichtete etwas anderes über den Tod des Leutnants. Dem deutschen Soldaten zufolge war Jenness dabei, seine Männer zu warnen, als er getroff en wurde. „Boys, passt auf! Hier sind eine Menge Indianer, aber…“ In der Mitte des Satzes starb er.245 Einige Männer empfanden große Trauer. Smyth sagte: „Er war ein großartiger, guter Mann und furchtloser Offi zier.“ 246 Soldat Thomas Doyle wurde zur selben Zeit getötet. Der Soldat lag hinter den aufgestapelten Kummets der Zugtiere, als er in den Kopf getroff en wurde. Er starb nicht sofort und litt entsetzlich unter seiner Wunde. „Er wurde durch den Kopf geschossen und starb ungefähr zwei Stunden nach dem Treff er.“ 247 Private Henry Haggerty wurde durch die linke Schulter geschossen. Sein linker Arm hing danach kraftlos herunter, aber er kämpfte tapfer weiter. Trotz seiner Schmerzen und dem hohen Blutverlust, lud und feuerte er sein Gewehr nur mit der rechten Hand noch für zwei Stunden. Er wurde schließlich getötet, als eine Kugel ihn hoch in den Kopf traf.248

243 Ibid., 2: 58 and Frederick Claus, “The Wagon Box Fight: Interview,” in Powder River Country: the Papers of J. Elmer Brock, (np.: Frontier, 1981), 83-4. 244 Claus, “The Wagon Box Fight,” in Hebard and Brininstool, 2: 83. 245 McDermott, 2: 425; Frederic Claus in Hebard and Brininstool, 2: 84; and Littmann in Hebard and Brininstool 2: 7. 246 Smyth in Brady, 67 247 Ibid., 67. 248 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 61.

102 Als die Indianer ihren zweiten großen Angriff begannen, schrie jemand: „Seht nur! Sie kommen wieder!“ Die Weißen sahen, daß die Krieger sich von allen Seiten näherten, nur nicht von Süden, wo noch immer alle Zelte standen und die Sicht damit blockiert war. Einer der Soldaten erkannte das Problem und rief: „Die Zelte!“ Niemand hatte nach dem ersten Angriff daran gedacht, sie niederzureißen. Jetzt stürzten zwei Männer hinaus und begannen damit, sie umzuwerfen. Private John Grady forderte Samuel Gibson auf: „Komm mit mir, Kid.“ Grady und Gibson sprangen über die Wagenkästen und liefen zu den Zelten. „Kugeln schwirrten über uns, Pfeile zischten an uns vorbei und bohrten sich rechts und links neben uns in den Boden.“ Die Männer lösten die Schlingen an den Zeltstangen, und die Planen fi elen zu Boden. Nur noch das Offi zierszelt stand, aber Sergeant John Hoover rief nach den Soldaten: „Kommt zurück! Ihr werdet getroff en! Kümmert euch nicht um das Zelt des Captains. Kommt in die Wagenkästen und schießt!“ 249 Die Indianer griff en wieder an. Sie stürmten mit Speeren und Tomahawks auf die Befestigung zu. „Jeder trug einen großen Schild aus Bisonhaut.“ Unter ihnen war ein hochgewachsener Indianer, Jipala (To Sting Like A Wasp), Er hatte sich „für die Schlacht entkleidet und führte die Attacke von Osten an.“ Er war ein sehr großer Mann, der „einen mächtigen Bisonhautschild vor sich hielt. Er schwenkte seinen Speer und sang ein Kriegslied.“ Er „hielt seine Schild an einer Seite und rannte im Zickzack, wobei er den Schild mal auf die eine, mal auf die andere Seite hob.“ 250 Jipala fi el Soldat Gibson auf. „Da war ein großer, gigantischer Indianer, der mehr- fach hin und her gerannt war …, und er war immer unseren Kugeln entgangen.“ Bewundern fügte Gibson hinzu: „Er war in der Tat eine herrliche Erscheinung indianischer Männlichkeit.“ Der Krieger „stürmte auf uns zu, sprang in die Luft, veränderte seine Laufrichtung immer wieder. Der Anblick war faszinierend, und wir konnten nicht anders, als seinen großartigen Mut zu bewundern.“ Mehrere Soldaten schossen auf ihn und trafen ihn kein einziges Mal. Schließlich aber justierten sie ihre Visiere, und mehrere feuerten zur selben Zeit auf den Krieger. Diesmal trafen sie ihr Ziel. „Er wurde in die Luft gerissen und stürzte wie eine Gliederpuppe zu Boden, von Kugeln durchlöchert.“ 251

249 Ibid., 2: 60. 250 Vestal, Warpath, 77. 251 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 65.

103 Die Indianer versuchten schließlich, ihre Angriff e durch schnelle Kommunikati- on der verschiedenen Gruppen zu koordinieren. „Sie schickten sich Signale mit Taschenspiegeln, … und Kuriere preschten in halsbrecherischem Galopp hin und her.“ Diese Kommunikation schien eff ektiv zu sein, weil die Indianer sich für ihre Attacken häufi g zu großen Gruppen zusammenschlossen.252 Jedesmal wenn ein Krieger getötet wurde, fl aute der Kampf etwas ab, und die Häuptlinge sammelten ihre jungen Männer und riefen sie in großem Ernst dazu auf, „tapfer und vorsichtig zu sein.“ Trotzdem hatten die Indianer viele Opfer. Beim dritten Angriff wurde der Krieger Muskrat-Stands-On-His-Lodge erschossen. Die Weißen feuerten so schnell und heftig, daß es keinem Indianer gelang, seine Leiche zu bergen und vom Schlachtfeld zu holen. Packs-His-Leg (Dog Tongue) griff an und wurde ins Bein geschossen. Seine Freunde versuchten ihn zu retten, aber sie trauten sich nicht an den verwundeten Mann heran. Die Soldaten zielten wieder auf ihn und töteten ihn. Auch seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Young Duck hatte den Angriff geführt; er wurde angeschossen. Drei seiner Freunde, Bear-Loves, Liar und Pack-On-Him, stürmten nach vorn, um ihn in Deckung zu ziehen. Sie hoben ihn auf und kehrten um, als alle drei zur selben Zeit ebenfalls getroff en wurden. Eine Kugel traf Bear-Loves oberhalb des linken Knies. Liars Kniescheibe wurde von einer Kugel gestreift. Pack-On-Him erhielt einen Treff er unterhalb des rechten Knies. Sie ließen Young Duck fallen und retteten sich selbst.253 Während der Schlacht feuerten die Soldaten so schnell, daß ihre Gewehre heiß wurden und sie versuchen mussten, die Waff en zwischen den Angriff en zu küh- len. „Unsere Gewehrläufe waren so überhitzt durch das schnelle Feuer, daß wir uns am Metall die Hände verbrannten. Wir mussten in den Gefechtspausen die Ladeblöcke öff nen, um die Läufe abzukühlen.“ 254 R. J. Smyth berichtete, daß er bei Beginn des Kampfes eine gefüllte Feldfl asche hatte, aber „ich nutzte das meiste Wasser, um mein Gewehr zu kühlen.“ Die Weißen feuerten heftig, und es war windstill, so das „ständig Rauch um uns herum wogte.“ Der Pulverdampf war so dicht, „das wir manchmal keine 10 Fuß [3 m] weit sehen konnten.“ 255 Die Probleme der Verteidiger wuchsen, je länger der Kampf andauerte. Der Tag war sehr heiß, und die Männer hatten ihre Hüte abgenommen, um darin die Munition zu sammeln. Die Sonne brannte gnadenlos auf sie nieder, und ihr Durst wuchs qualvoll.

252 Ibid. 2: 59. See also Littmann in Hebard and Brininstool, 2: 81. 253 Vestal, Warpath, 77-8.. 254 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 60. 255 Smyth in Brady, 68 and Claus, “Wagon Box Fight,” in Hebard and Brininstool, 2: 84.

104 Zusätzlich hatten die Krieger einige Brandpfeile in den Corral geschossen. Einige davon hatten sich in Strohballen gebohrt oder den getrockneten Dung von den Tieren in der Mitte der Umfriedung in Brand gesetzt. Der Rauch bedrängte die Männer, und „der Gestank von diesem Feuer war scheußlich.“ Sergeant Littmann stimmte zu: „Dieser furchtbare Gestank und Rauch nahm uns manchmal alle Luft zum Atmen.“ 256 Die Feldfl aschen der Soldaten hatten ebenfalls stundenlang in der Sonne gelegen, und einige der Männer konnten das Wasser darin kaum trinken, weil es zu heiß war. Direkt außerhalb des Corrals stand, als der Kampf losging, ein Faß halbvoll mit Wasser. Inzwischen hatten viele Kugeln die Fassdauben durchschlagen, und das Wasser u Fuß durchzuführen.war fast vollständig ausgelaufen. Zum Glück für die Männer hatte der Lagerkoch einige Kessel mit Wasser gefüllt, und diese Behälter waren bei ihnen im Corral.257 John Grady wandte sich zu Samuel Gibson und sagte zu ihm: „Kid, laß uns einen dieser Kessel holen.“ Der junge Mann antwortete: „Machen wir.“ Die beiden Soldaten robbten an dem Bohnenfaß vorbei, hinter dem Jim Condon lag. Die anderen begannen ein stetiges Feuer, um die Indianer von den beiden Männern abzulenken. Die Soldaten erreichten die Kessel außerhalb des Corrals, ergriff en sie und ver- suchten, zurückzukriechen. Da wurden sie entdeckt. Die Indianer begannen sofort, sie unter Feuer zu nehmen. Direkt vor den Männern peitschten Kugeln in den Boden und schleuderten Erde hoch. Gibson konnte das Pfeifen der Projektile hören, und das durchdringende Klirren, wenn die Kessel getroff en wurden. Die Männer hatten Glück, keiner wurde getroff en. Sie brachten das „dreckige, schwarze Wasser“ durch, obwohl einiges ausgelaufen war, da die Kugeln Löcher in die Kessel geschlagen hatten. Aber es war genug Wasser übrig, so daß sich jeder der Männer daran laben konnte.258 Die immer wieder scheiternden Versuche, die weißen Männer zu überrennen und zu töten, waren frustrierend für die Indianer. Fire Thunder gab zu: „Wir versuchten es immer wieder, aber wir schaff ten es nicht. Inzwischen stapelten sich die toten Krieger und Pferde rings um die Wagenkästen und lagen verstreut auf der Ebene.“ Die Krieger entschieden, ihre Pferde in einer nahen Schlucht zu lassen und einen letzten Angriff zu Fuß durchzuführen.

256 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 62-3 and Littmann in Hebard and Brininstool, 2: 76. 257 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 60. 258 Ibid., 2: 63-4.

105 Ihnen hämmerte eine regelrechte Wand aus Blei entgegen; es war „als würde das grüne Gras [auf der Ebene] in diesem Feuer verdorren.“ 259

Der letzte Angriff

Nachdem der Kampf schon seit Stunden getobt hatte, trat plötzlich Ruhe ein. Die Verteidiger in ihrer Umfriedung warteten, was die Krieger als Nächstes tun würden. Dann vernahmen die weißen Männer „eine Art brummenden Klang, der anscheinend von vielen Stimmen erzeugt wurde.“ Einige der Männer glaubten, daß die indianischen Frauen Trauergesänge für ihre Toten angestimmt hätten, aber der Klang wurde immer lauter. Die Männer lauschten „diesem fremdartigen Geräusch, anders als alles, was wir jemals zuvor gehört hatten.“ Dieses „furchtbare Brummen, eine Art Chorgesang. Er nahm an Stärke und Intensität zu und rückte näher und näher.“ Dann schrieen einige der Männer plötzlich auf: „Sie kommen! Jeder schaute in die angegebene Richtung, und „uns bot sich ein Bild, das keiner von uns … bis zu seinem Tode jemals wieder vergessen wird.“ Soldat Gibson gab freimütig zu: „Mir gefror mein Blut in den Adern.“ Hunderte von Indianern näherten sich zu Fuß. Sie formten einen Keil, oder ein großes V, und sie drohten die Verteidiger allein mit ihrer gewaltigen Zahl zu überwältigen.260 Soldaten und Zivilisten eröff neten das Feuer auf die geballte Masse der Krieger. Die Zahl der Schüsse war beeindruckend, aber „unser Feuer hatte keine einschüch- ternde Wirkung. Die Streitmacht rückte langsam und unaufhaltsam näher. In großer Zahl. Jene, die unter unserem Feuer fi elen, wurden sofort von anderen ersetzt.“ Die „indianische Horde“ rückte unerschütterlich so nahe heran, daß „das die schweren Gewehrkugeln aus unseren Waff en zwei oder drei der Männer durch- schlagen haben müssen.“ Dennoch schritt die Masse der Krieger weiter. Sie rückte den Wagenkästen so nahe, daß die Verteidiger „sogar das Weiße in ihren Augen sehen“ konnten.261 Obwohl die Angreifer mit „schrillem Kreischen und durchdringendem Geschrei“ vorwärts drängten, war keiner der Verteidiger verunsichert. Soldat Jim Condon sprang hinter seinem Bohnenfaß, das ihm als Deckung diente, auf die Beine. Trotzig schwenkte er sein Gewehr über dem Kopf und brüllte her-

259 Fire Thunder in Black Elk Speaks, 17. 260 Gibson in Hebard and Brininstool, 2: 65-6. 261 Ibid., 2: 66-7.

106 ausfordernd: „Kommt nur, ihr faselnden Söhne einer Kanone! Wir können euren ganzen verdammten Haufen schlagen!“ Captain Powell gefi el der Ausfall seines Soldaten nicht. Er befahl ihm, sich sofort wieder hinzulegen und Deckung zu nehmen.262 Die Krieger rückten weiter vor, und die Männer hinter den Wagenkästen fürch- teten, überrannt und getötet zu werden. Aber dann, plötzlich, hörten die Krieger den Klang von Kanonen, die auf sie abgefeuert wurden. Rufe ertönten: „Große Gewehre! Große Gewehre!“ [Big Guns! Big Guns!] Es war der Moment, als der Druck auf die Verschanzung am größten war – da drehten die Indianer sich um und fl üchteten.263

Die Entsatzkolonne triff t ein

Buchstäblich in letzter Sekunde traf die lange erwartete Hilfe aus Fort Phil Kearny ein. Nach stundenlangem Kampf hatte man im Fort begriff en, daß die Männer in der Wagenkasten-Festung in ernster Gefahr waren. Vermutlich hatte ein Posten auf Pilot Hill gesehen, das ein heftiger Kampf tobte, aber die Offi ziere trafen ihre Entscheidungen und Handlungen zögerlich. Schließ- lich war gegen 11 Uhr am Vormittag eine Entsatzkolonne organisiert worden. Das Kommando hatte Major Benjamin Smith. Er führte 100 Mann und hatte eine Berghaubitze dabei. Der Trupp verließ das Fort um 11.30 Uhr. Smith befahl seinen Männern, vorsichtig vorzugehen; denn er befürchtete, von Indianern abgefangen zu werden. Als sie noch etwa anderthalb Meilen von der Wagenkasten-Verschanzung entfernt waren, sahen sie einen hohen Hügel unweit der Umfriedung. Der Hügel war von einer großen Gruppe Indianer besetzt. Es mochten fünf- oder sechshundert sein, und Smith vermutete, daß sich weitere Krieger in der Nähe aufhielten. Überall brannte das Gras. Um Captain Powell zu signalisieren, daß ein Entsatz- kommando auf den Weg war, ließ Smith seine Kanone abfeuern. Dieser einzelne Schuß beendete die Schlacht, denn er „schien die Indianer völlig aus der Fassung zu bringen. Einige Indianer ritten in hohem Tempo auf mein Kommando zu, drehten dann ab und fl üchteten.“ Die Krieger hatten off ensichtlich genug von diesem Kampf und begannen einen vollständigen Rückzug.264

262 Ibid. 263 Claus in Powder River Country, 84. 264 B. E. Smith “Offi cial Report,” in Keenan, 57-8.

107 Die Männer in den Wagenkästen wurden von Freude überwältigt, als sie den Klang der Kanone hörten. Einige johlten los: „Horcht nur! Hört Ihr das?“ Sie stellten das Schießen ein und lauschten. Als Smiths Männer auftauchten, spran- gen die Männer im Corral auf und schrien: „Hier kommen sie, Männer! Hurra!“ Die Männer wußten nun, daß die Stunden der Angst, der Anspannung und des ständigen Kampfes vorbei waren. Sie gerieten fast in Ekstase, als sie Hilfsko- lonne eintraf. „Wir alle sprangen auf unsere Füße und jubelten und schrien. Wir schleuderten unsere Kappen und Hüte in die Luft. Wir umarmten uns gegenseitig in freudiger Ekstase. Wir lachten, weinten und schluchzten wie kleine Kinder in einem regelrechten Delirium und vor Erleichterung. Die furchtbare Anspannung war vorüber.265

Die Verluste der Schlacht

Captain Powell schrieb am folgenden Tag seinen Bericht über den Kampf, und er versuchte, die Zahlen dieses Zusammenpralls zu schätzen. Er hatte 3 Männer verloren, die in den Wagenkästen getötet wurden. Das waren Lieutenant John C. Jenness und die Soldaten Thomas C. Doyle und Henry Haggerty. Weitere vier Männer waren in dem kleineren Außenlager der Holzfäller ums Leben gekommen. Das waren Horace Kittridge, Herman Song, Herman Lang (Lange) und George W. Haines (Harris). Zudem waren drei Soldaten verwundet worden. James Condon war von einem Pfeil unterhalb des Knies getroff en worden. Nelson V. Deming hatte einen Schuß in die Schulter erhalten, und John L. Sommers war in den Oberschenkel geschossen worden. Der Zivilist R. J. Smyth hatte eine leichte Wunde an der linken Hand davongetragen.266 Es war ungleich schwieriger, die indianischen Verluste zu beziff ern. Die Weißen wussten mit Sicherheit, daß sie 5 Krieger getötet hatten, weil deren Leichen unweit ihrer Befestigung lagen. Einer der Soldaten schnitt der Leiche von Bear-That-Grabs den Kopf ab und gab ihn Dr. Horton in Fort Phil Kearny, der den Schädel später an das „Army Medical Museum“ in Washington D. C. schickte.267 Captain Powell gehörte zu jenen, die eine wesentlich größere Zahl bezüglich der indianischen Verluste angab. Er behauptete, daß die Verteidiger es mit etwa 3.000 Kriegern zu tun gehabt hatten. Um die 800 Indianer seien an den verschiedenen Angriff en beteiligt gewesen. Er schätzte ferner, daß „nicht weniger als 60 Indianer“

265 Gibson in Hebard and Brininstool, 68. 266 Powell, “Offi cial Report,” in Keenan, 60-1 and McDermott, 2: 435. 267 McDermott, 2: 434.

108 in der Schlacht getötet und zusätzlich „120 schwer verwundet“ worden waren. Powell fügte hinzu, daß einige seiner Männer diesen Zahlen nicht zustimmten. „Die Beteiligten an diesem Kampf, sind der Meinung, daß meine Schätzungen zu niedrig sind.“ 268 Soldat Gibson berichtete später, daß er eine indianische Kolonne gesehen habe, die eine Viertelmeile lang war und die Opfer dieses Kampfes abtransportiert habe. Er bemerkte, daß die Zahlen Captain Powells viel zu niedrig seien. Er „schätzte, daß 700 bis 800 Männer getötet und verwundet wurden.“ 269 Richard Irving Dodge behauptete, daß er mit einem Sioux-Häuptling gesprochen habe, der ihn im Herbst 1867 in seinem Militärposten in Nebraska besucht hatte. Der Mann hatte dem Offi zier erzählt, daß über 3.000 Indianer an dem Kampf be- teiligt gewesen waren; die Gesamtverluste an getöteten und verwundeten Kriegern hätten 1.137 betragen.270 Der deutschstämmige Soldat Claus spottete über diese hohen Schätzungen. Er sagte, derartige Zahlen „klingen für mich völlig unrealistisch und übertrieben, und ich kann nicht glauben, daß die Verluste der Indianer so hoch waren.“ Er berichtete, daß er sich nur an einen verwundeten Indianer erinnern konnte, der zurückgelassen wurde, als die Krieger abzogen. „Die indianischen Verluste … waren höchstens mehrere Dutzend.“ Der Soldat erzählte ferner, daß mehrere seiner Kameraden nach der Schlacht fl üchtende Indianer verfolgt hätten. „Wir fanden den Platz, wo sie ihre Verwundeten gesammelt hatten und entdeckten 50 bis 60 Stellen, wo ihre Toten gelegen hatten.“ Claus bemerkte, daß er nach der Schlacht mit einem Indianer gesprochen und der Mann ihm erzählt habe, Red Cloud habe geklagt, er habe „die Blüte seiner Nation“ in dieser Schlacht verloren.271 Tatsächlich zeigten die Indianer später nur geringes Interesse an diesem Kampf, und nur wenige von ihnen sprachen darüber. White Bulls Bericht ist der genaue- ste, und auch er spielte die Bedeutung dieser Schlacht herunter. Er bemerkte nur, „sechs Indianer wurden getötet und sechs verwundet.“ 272 Ungeachtet wie hoch die indianischen Verluste tatsächlich waren – die Soldaten und Zivilisten in dem sogenannten „Wagenkasten-Kampf“ hatten einen erstaunlichen

268 Powell, “Offi cial Report,” in Keenan, 60-1. 269 Gibson in Hebard and Brininstool, 70. 270 Richard Irving Dodge, Our Wild Indians: Thirty-three Years’ Personal Experience among the Red Men of the Great West (Hartford: Worthington, 1883), 488.. 271 Claus in Hebard and Brininstool, 85-6 and Claus in Powder River Country, 84. 272 Vestal, Warpath, 78.

109 Sieg errungen. Sie hatten sich gegen eine Überzahl von mindestens 50 zu 1, wenn nicht sogar 100 zu 1 erfolgreich zur Wehr gesetzt. Sie hatten wiederholte Angriff e dieser überwältigenden Überzahl über mehrere Stunden zurückgeschlagen. Trotz dieser Leistung, war dieser Kampf nicht entscheidend. Die Siege auf dem Heufeld und an den Wagenkästen beeinfl ussten den Ausgang des Krieges nicht. Die Indianer waren überzeugt, daß ihre Verluste unbedeutend waren, und die Re- sultate dieser beiden Kämpfe überzeugten sie, daß sie sich wieder ihren bewährten Taktiken zuwenden sollten, nämlich zuschlagen und verschwinden (hit and run). Für den verbleibenden Sommer und den Herbst des Jahres 1867 und bis zum Frühjahr 1868 überfi elen die Indianer erneut immer wieder Gruppen von Soldaten und Zivilisten, die sich außerhalb des Schutzes der Forts befanden. Die Krieger waren dabei so erfolgreich, daß der Bozeman Trail nicht mehr länger als Wagenroute benutzt werden konnte, weil es zu gefährlich wurde. Die Indianer hatten die Region vollständig unter Kontrolle, und die Bundesregierung begriff , daß sie entweder die Armee in diesem Territorium erheblich vergrößern oder den Eingeborenen das Gebiet überlassen musste. Irgendeine Art Friedensvertrag musste verhandelt werden.

110 Friedensverhandlungen in Fort Laramie 1868.

Veteranen aus Fort Phil Kearny auf dem Fetterman-Schlachtfeld. Mitte: Henry Carrington und seine Frau Frances Grummond Carrington.

111 Colonel Henry B. Carrington bei der Einweihung des Fetterman-Monuments.

Chief Red Cloud als alter Mann zu Pferde.

112 Der indianische Sieg und die Kapitulation der Vereinigten Staaten

Obwohl die Kämpfe in Red Clouds Krieg bemerkenswerte Siege beider Seiten verzeichneten, begriff die US-Regierung, daß sie sich in einer Pattsituation befand und nicht imstande war, den Bozeman Trail zu beherrschen und den Reisenden auf diesem Weg Schutz zu garantieren. Zur selben Zeit drängte die erste transkonti- nentale Eisenbahnlinie unter Führung der Union Pacifi c Railroad westwärts. (Von Kalifornien aus trieb die Central Pacifi c Railroad den Schienenstrang nach Osten.) Obwohl die Bahnlinie nicht vor 1869 vollendet sein sollte, hatten die Gleise der Union Pacifi c im Frühjahr 1868 Laramie in Wyoming erreicht. Es verkehrten be- reits reguläre Züge auf der Strecke. Der Weiterbau des Schienenstrangs bedeutete zugleich eine Verkürzung der Transportwege zu den Minenregionen Montanas. Als die Bahnlinie den Westen des heutigen Wyomings und das Gebiet des nördlichen Utah erreichte, verlor der Bozeman Trail erheblich an Bedeutung. Hinzu kam, daß die Bahnarbeiter im Sommer 1867 schon in Nebraska unter Indianerüberfällen gelitten hatten und militärischen Schutz benötigten. Diese Situation setzte sich 1868 fort. Die Armee der Vereinigten Staaten aber war zu klein, um sowohl den Bozeman Trail als auch die Eisenbahnlinien zu schützen.273 Schon 1864 hatte das amerikanische Parlament ein Gesetz verabschiedet, daß den Bau einer weiteren großen Eisenbahnlinie autorisierte, der „Northern Pacifi c Rail- way“, die schließlich direkt in die Minendistrikte Montanas reichen und leichten Zugang zu diesen Regionen garantieren würde. Der Wert der Militärposten am Bozeman Trail wurde immer fraglicher, insbeson- dere, weil die militärischen Kräfte woanders dringender benötigt wurden. Der Unterhalt der Forts wurde zu teuer, sie waren zu verwundbar, und bald würden sie völlig überfl üssig werden, aber noch waren sie für die Regierung zumindest als Verhandlungsmasse von Wert, wenn sie sich erneut mit den Indianern an einen Tisch setzte, um über einen neuen Vertrag zu sprechen.274 Die Bundesregierung entwarf einen Vertragstext und ernannte Kommissionäre, die damit nach Fort Laramie reisten und hoff ten, sich dort mit den einfl ussreichen Häuptlingen – darunter Red Cloud – treff en zu können. Aber Red Cloud stellte Bedingungen: Bevor er bereit war, sich an den Beratungen zu beteiligen, verlangte er die Räumung der Forts am Bozeman Trail.

273 James C. Olson, Red Cloud and the Sioux Problem (Lincoln: U of Nebraska, 1965), 58-65. See also McDermott, 2: 439-529. 274 Olsen, Red Cloud, 65-6.

113 Im Kern bedeutete seine Forderung die vollständige Kapitulation der amerika- nischen Regierung, bevor er bereit war, erneute Verhandlungen aufzunehmen. Unter diesen Bedingungen hätte schon zwei Jahre früher verhandelt werden können, aber damals hatte die Regierung keinerlei Interesse gezeigt, die Region zu verlassen. Jetzt hatten die Vereinigten Staaten ihre Meinung geändert, und sie stimmten zu, die Armee aus den Posten zurückzuziehen, bevor Red Cloud zu den Ratsfeuern in Fort Laramie ritt.275 Am 29. Juli 1868 räumten die Soldaten Fort C. F. Smith. Am nächsten Morgen legten Red Cloud und seine Krieger Feuer an die Gebäude und brannten den Posten nieder. Wenige Tage später marschierte die Armee aus den Forts Reno und Phil Kearny aus, beobachtet von den Indianern, die danach beide Befestigungen in Brand setzten. Damit waren Red Clouds Bedingungen für ein Treff en mit den Bundesbeamten in Fort Laramie erfüllt. Dennoch legte er keine Eile an den Tag, die Verhandlungen aufzunehmen. Wahrscheinlich wollte der große Kriegshäuptling seinen Sieg so gründlich wie möglich auskosten. Also ließ er noch mehrere Monate verstreichen, bevor er sich auf den Weg nach Fort Laramie machte. Er begründete die Zeitver- zögerung damit, daß er zunächst Fleischvorräte für den kommenden Winter hatte sammeln müssen, um sein Volk zu versorgen.276 Am 4. November 1868 ritt Red Cloud in Fort Laramie ein, begleitet von etwa 125 Häuptlingen verschiedener Sioux-Gruppen. Es war der Einzug eines Herrschers, der sich seiner Stärke voll bewusst war. Die Verhandlungen zogen sich über Stunden hin. Jeder Aspekt des Vertrages wurde sorgfältig erörtert und musste seitens der Beamten bis ins kleinste Detail erklärt werden. Da jede Äußerung der Verhandlungspartner und jeder Satz im Vertrag übersetzt werden musste, zogen sich die Gespräche lange hin. Red Cloud hatte viele Fragen bezüglich der Vereinbarungen. Schließlich reinigte der große Häuptling seine Hände mit dem Staub vom Boden und signalisierte damit, daß er bereit war, zu unterzeichnen. Er „berührte die Feder“ und setzte ein X unter den Vertrag, symbolhaft für seinen Namen. Die meisten anderen indianischen Führer folgten seinem Beispiel.277 Der Vertrag erwies sich bald in Teilen erneut als ein Versuch der Regierung, die Indianer zu hintergehen. Die Vereinigten Staaten hielten sich nur wenige Jahre

275 Ibid., 66-70. 276 Ibid., 70-6. 277 Ibid., 76-81.

114 an die getroff enen Vereinbarungen. Obwohl den Indianern nahezu das gesamte westliche Gebiet des heutigen Staates South Dakota, eingeschlossen das heilige Land der Black Hills, übertragen worden war, brach die Regierung ihr Wort und nahm den Stämmen einen großen Teil dieses Gebiets wieder weg, um es weißen Siedlern zu geben. Dieser Vertragsbruch führte schließlich zum „Großen Sioux Krieg“ von 1876-77, der in der Niederlage von George Armstrong Custer in der Schlacht am Little Big Horn 1876 gipfelte. Trotz des Sieges in Red Clouds Krieg verloren die Indianer den Konfl ikt mit der US-Regierung auf lange Sicht und waren gezwungen, weite Teile ihres alten Landes abzugeben. Besonders tiefgreifend war der Verlust der Black Hills 1877. Gleichwohl ändert dieser Rechtsbruch 1877 nichts am Charakter des indianischen Triumphes von 1868, als Red Cloud und viele seiner Krieger einen bedeutenden Sieg über die Vereinigten Staaten errangen.

Red Cloud als alter Mann mit seiner Red Clouds Grab auf dem Friedhof der Friedenspfeife. Bis zum Lebensende Holy Rosary Mission auf der Pine Ridge blieb er einfl ußreich. Reservation. Foto: D. Kuegler.

115 Bibliograpie

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118 Weitere packende Dokumentationen über die Zeit der Indianerkriege aus der Feder des amerikanischen Wissenschaftlers Professor Dr. Albert Winkler

Deutsche und Schweizer in der Schlacht am Little Big Horn 1876 Die Schlacht am Little Big Horn ist eines der kontroversesten Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Der Untergang von 5 Kompanien der 7. Kavallerie war ein Schock für die USA, der bis heute nachwirkt. Untersuchungen des 7. Regiments lassen diese Einheit exemplarisch für die gesamte amerikanische Armee in den Indianerkriegen erscheinen. 43 % der Soldaten stammten aus fremden Ländern, darunter waren nicht weniger als 131 Deutsche. 7 Soldaten stammten aus der deutschsprachigen Schweiz. Erstmals hat sich ein amerikanischer Wissenschaftler mit den deutschen und schweizer Soldaten im bekanntesten Kavallerieregiment der USA beschäftigt. Prof. Winkler füllt eine Lücke der Geschichtsschreibung. - 110 S., 30 Abb., gebunden. 21,- Euro

Die Schlacht am Rosebud Ohne die Schlacht am Rosebud wäre die Schlacht am Little Big Horn vielleicht anders aus- gegangen: Eine Woche vor Custers Angriff am Little Big Horn, stieß General George Crook mit seiner großen Armeekolonne am Rosebud auf Sioux und Cheyenne. In einem erbitterten Kampf wurde er von Crazy Horse geschlagen. Danach zog er sich aus dem großen Feldzug zurück. Custer und die 7. Kavallerie gingen schmachvoll unter. Zum erstenmal in deutscher Sprache liegt hier eine Dokumentation über dieses Schlüs- selereignis der Indianerkriege vor. Prof. Dr. Albert Winkler, bekannter US-Experte, hat hier eine meisterhafte, packend geschriebene und gut dokumentierte Darstellung der Schlacht am Rosebud vorgelegt. Inhalt: Der Große Sioux-Krieg - Die Big Horn Expedition - Kampf am Powder River - Rückzug - Die Bighorn-Yellowstone-Expedition - Die Rosebud-Schlacht - Nachspiel Ca. 110 S. ca. 35 Abb. Gebunden. 21,- Euro

Washita-Massaker Im Morgengrauen des 27. 11. 1868 stürmte die 7. US-Kavallerie unter G. A. Custer ein Dorf des bekannten Friedenshäuptlings Black Kettle am Washita-Fluß in West-Oklahoma und richtete ein Blutbad an. Mindestens 103 Indianer, überwiegend Frauen und Kinder, starben. „Washita“ begründete Custers Ruhm als „Indianerkämpfer“. Bei den Indianern galt er seither als „Woman Killer“. - Der US-Historiker Albert Winkler (Brigham Young University) dokumen- tiert diesen Kampf und seine Hintergründe im Detail. Er skizziert die handelnden Personen mit Hilfe von Zeitzeugen, Briefen, Tagebüchern. Inhalt: Custer + Black Kettle – Black Kettle u. d. Suche nach Frieden – Winterkampagne – Custers Feldzug – Angriff + Kampf. 90 Seiten, 29 Abb. Gebunden. 17,- Euro Verlag für Amerikanistik Postfach 1332 · 25931 Wyk auf Foehr · Tel. 04681/3112 + 3377 · Fax 04681/3258 E-Mail: [email protected] · Internet: www.amerikanistik-verlag.de

119 MAGAZIN FÜR AMERIKANISTIK Zeitschrift für amerikanische Geschichte Seit 40 Jahren: bewährt, kompetent, zuverlässig ! Inhaltliche Qualität, die überzeugt: Hier schreiben die Experten !

Die Geschichte der Indianer, ihre Kultur, ihre Lebensart, und die Geschichte der weißen Siedler, die in langen Planwagentrecks nach Westen zogen - diese Themen stehen im Mit- telpunkt dieser populärwissenschaftlichen Zeitschrift. Die Pionierzeit der USA wirkt bis heute nach. Das Vordrin- gen der Entdecker und Pelzjäger, die Eroberung der Great Plains, die Indianerkriege waren Ereignisse, die Amerika tief geprägt haben. Das Magazin für Amerikanistik arbeitet diese Geschichte auf. Mit wissenschaftlich fundierten Fakten. Lesbar geschrie- ben. Die redaktionellen Schwerpunkte:  Geschichte und Kultur der Indianer  Die Besiedelung des Westens  Der US-Bürgerkrieg Zu den Autoren gehören deutsche, amerikanische, englische und kanadische Autoren. Zum Beispiel: Dr. Colin F. Taylor (Catlin’s O-kee-pa) - Prof. E. Renner (Irokesenforschung) - Dr. Cath Oberholtzer (Kapuzen der James-Bay-Cree) - Dietmar Kuegler (Jim Bridger, Wagenspur nach Westen) - M. Solka M. A. (Tecumseh, Alamo) - Thomas Buecker (Direktor von Fort Robinson) Crazy Horse In den letzten Jahren erschienen z. B. diese Artikel: Dr. B. Wolters: Die Spanier in Kanada - Dr. Colin Taylor: Astronomie der Plainsindianer - W. Hochbruck: General Sigels Regiment - D. Kuegler: Wild Bill Hickok in Hays City – Falko Heinz: Der Kauf Louisianas – Dirk Steitz: Indianische Spielkasinos – F. Heinz: R. E. Lee und U. S. Grant - Prof. Dr. E. Renner: Die Irokesen-Liga - Prof. Dr. Solldach: Coronado-Expedition - Brian Butko: Der Lincoln Highway - M. Solka: Daniel Boone - D. Kuegler: Oregon-Trail - B.+K.Schmäling: Weiße Indianer – Roy B. Young: Scout Jack Stilwell u. Beecher Island – H. von Papen: Frühe Anasazi – D. Kuegler: Astoria-Expedition – M. Solka: Ku Klux Klan Dazu stets aktuelle Nachrichten, viele Buchbesprechungen, Veranstaltungstermine. Das Magazin für Amerikanistik erscheint 4mal jrl. Format DIN A 4, ca. 60 Seiten pro Heft, reich bebildert, teilweise farbig! Vierfarbiger Umschlag. Abonnieren Sie diese inhaltsreiche Zeitschrift jetzt! Oder bestellen Sie unverbindlich 1 Probeheft zum Sonderpreis von nur 5,- Euro Lassen Sie sich von dem hohen Informationsgehalt und der Kompetenz unserer Autoren überzeugen.

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