Schriftenreihe | Bibliothek am Guisanplatz 69 Die Massnahmen der­ Historischer Abriss anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Historischer Bestehens Abrissanlässlichdes10-jährigen ürnsäiki in ­Führungsfähigkeit zur Stabs Einsatzunterstützung Landesregierung ­Aufrecht Jeremias Fellmann ­erhaltung Landes­ ­Krisenzeiten ihrer ­ihrer regierung regierung

 Herausgeber Bibliothek am Guisanplatz (BiG), Philippe Müller Autor Jeremias Fellmann Premedia Zentrum elektronische Medien, ZEM (80.112) Copyright Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz (alle Rechte vorbehalten), 2017 Bezugsadresse Bibliothek am Guisanplatz, Papiermühlestrasse 21a, 3003 Bern, www.guisanplatz.ch (Publikationen) Vertrieb BBL, Verkauf Bundespublikationen, CH-3003 Bern www.bundespublikationen.admin.ch, Art.-Nr. 500.1669.d

ISBN 978-3-906969-85-5 ISSN 2296-4630

08.17 300 860406146 

Die Massnahmen der Landesregierung zur ­Aufrecht­erhaltung ihrer Führungsfähigkeit in Krisenzeiten

Historischer Abriss anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Stabs Einsatzunterstützung Landesregierung

Jeremias Fellmann 4 

Vorwort Wann soll der Bundesrat Bern verlassen? Wohin soll er dislozieren? Wer sorgt für den Schutz des Transports? Und: Arbeitet die Bundesverwaltung weiter oder nicht? Diese und andere Fragen finden wir in einem Memorandum der damali- gen Generalstabsabteilung vom 26. Februar 1948. Solche Fragestellungen waren damals nicht neu – die Armee hatte seit jeher auch immer die Aufgabe, den Bun- desrat in der Krise zu unterstützen. Der Zweite Weltkrieg löste die Sensibilität bezüglich dieses wichtigen Themas wieder zusätzlich aus. Natürlich, die sicherheitspolitische Lage hat sich zwischenzeitlich substanziell verändert. Und damit auch die Anforderungen an die Krisenorganisation. Weder die damals bereitgestellten sechzig Telefonanschlüsse im Postgebäude Engelberg noch die als Befehlsübermittler vorgesehenen fünfzig Pfadfinder mit ihren Fahrrädern würden heute ausreichen, die Kommunikationsbedürfnisse der Landesregierung in einer Krise zu befriedigen. Ich habe auch Zweifel, ob die Finanzkontrolle dank des reservierten Tresors mit Platz für 100 Tonnen Gold im Kloster Engelberg aufrecht erhalten werden könnte. Und ich kann Ihnen versi- chern: Es besteht kein Plan mehr, den Bundesrat im Krisenfall in einem Eisen- bahnzug mit Arbeits- und Schlafräumen einzuquartieren und in einem Tunnel auf der Gotthardstrecke zu parkieren. Wie beantworten wir diese Fragen denn heute? Im Gegensatz zu früher stehen vorbereitete Infrastrukturen mit modernsten Kommunikationsmitteln bereit. Basierend auf einer realistischen Einschätzung der heutigen Bedrohungslage haben wir Massnahmen geplant und vorbereitet, um die Funktionsfähigkeit der Landesregierung auch in ausserordentlichen Situationen sicherzustellen. Ich bin froh, dass ich mit dem Stab Ei Ustü LR auf ein Team von tatkräftigen, kompeten- ten Stabsoffizieren zählen kann, welches die Bundeskanzlei in diesem wichtigen Prozess der Krisenvorsorge unterstützt. Die vorliegende Schrift liefert – nebst den erwähnten Anekdoten – eine um- fassende geschichtliche Aufarbeitung der Unterstützung unserer Landesregie- rung durch die Armee. Eine solche Unterstützung ist äusserst wertvoll, denn wir wissen: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen – und schon gar nicht die Zukunft gestalten. Ich bin deshalb froh, dass Oberst Beat Gujer, Kommandant Stab Ei Ustü LR, die Idee zur Aufarbeitung der Geschichte der militärischen Unterstützung der Landesregierung hatte und die Realisierung in der für ihn gewohnt engagierten Art vorangetrieben hat.

Bundeskanzler Walter Thurnherr

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Dank Der Beitrag der Armee im Bereich «Schutz und Sicherheit zugunsten der Lan- desregierung in ausserordentlichen Lagen» hat sich seit dem zweiten Weltkrieg kontinuierlich den äusseren Rahmenbedingungen angepasst. Dabei wurde dem Grundsatz des Primats der Politik stets grosse Bedeutung beigemessen, was in der Direktunterstellung der jeweiligen Einheiten beim Bundesrat (handelnd durch den/die Bundeskanzler/in) zum Ausdruck kam. Um die Weiterentwick- lung des Stabes Einsatzunterstützung Landesregierung adäquat vorantreiben zu können, ist das Wissen um die Anfänge und die Wurzeln für alle Beteiligten es- sentiell. Denn: erst wenn man weiss, woher man kommt, kann man bestimmen, wohin die Reise geht! Mit der vorliegenden Schrift konnten diesen Anliegen im Sinne einer Annä- herung sehr gut Rechnung getragen werden. Wir alle danken unserem Kamera- den und Historiker Jeremias Fellmann sehr für seinen grossen Einsatz und seine präzisen Recherchen bei der Erarbeitung. Erstmals liegen nun vertieft Fakten und Hintergründe in historischer Abfolge vor, welche es erlauben, angepasst an die heutigen Verhältnisse die Zukunft des Stabes Einsatzunterstützung mit Au- genmass zu gestalten.

Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR

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Inhalt

1 Einleitung S. 15

1.1 Einführung · 15 1.2 Fragestellung · 16 1.3 Quellen · 16 1.4 Gang der Untersuchung · 17

2 Von der ­Jahrhundertwende bis zum Beginn des ­Zweiten ­Weltkriegs S. 21

2.1 Studie vom 10. März 1906 · 21 2.2 Endphase des Ersten Weltkriegs · 23 2.3 Das Dispositiv in den 1930er Jahren · 23 2.4 Zwischenfazit: Stand vor dem Zweiten Weltkrieg · 25

3 Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940 S. 31

3.1 Ausgangslage · 31 3.2 Die Vorbereitungen des Bundesrates bis zum Westfeldzug im Mai 1940 · 35 3.3 Unmittelbare Auswirkungen der Westoffensive Deutschlands · 37 3.4 Zwischenergebnis: Der deutsche Westfeldzug als Zäsur · 40 3.5 Die Konkretisierung der Evakuationsvorbereitungen nach dem Westfeldzug · 41 3.6 Zusammenfassung · 45

9 Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz | Nr. 69

4 Die Weichenstellungen im Jahr 1941 S. 51

4.1 Situation in Europa und Wahl von Karl Kobelt in den Bundesrat · 51 4.2 Neue Standortwahl des Bundesrates · 52 4.3 Vorbereitungen aufgrund des Bundesratsbeschlusses über die Standortwahl · 59 4.4 Bericht von Evakuationsoffizier Sessler vom 31. Dezember 1941 · 60 4.5 Zusammenfassung · 62

5 Von Anfang 1942 bis zum ­Kriegsende S. 67

5.1 Die Situation in Europa · 67 5.2 Für den Schutz und die Evakuation des Bundesrates ­zuständige ­Armeeformationen · 68 5.3 Vorkehrungen zum Transport · 78 5.4 Kriegsunterkunft und Betrieb der Anlagen · 81 5.5 Verbindungen · 84 5.6 Zusammenfassung · 86 5.7 Kriegsende · 87

10 Inhalt

6 Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende S. 93

6.1 Überblick · 93 6.2 Für den Bundesrat zuständige Formationen und Stäbe · 95 6.3 Themen im Zusammenhang mit dem Schutz und den Bedürfnissen der ­Landesregierung in Krisensituationen · 99 6.4 Zusammenfassung · 113

7 Armee XXI: Stab ­Einsatzunter­stützung ­Landesregierung S. 119

8 Fazit S. 127

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1Einleitung

11. Einleitung 1

1.1 Einführung Diriger, c’est prévoir – das gilt auch und besonders für die Frage, welche Vorkeh- rungen die politische Führung trifft, um in einer Krisenlage reaktions- und funk- tionsfähig zu bleiben. Ein wichtiges Instrument, welches der Bundesrat zu seiner Unterstützung in besonderen und ausserordentlichen Lagen seitens der Armee beiziehen und nutzen kann, ist der Stab Einsatzunterstützung Landesregierung (Stab Ei Ustü LR2). Der Stab Ei Ustü LR wurde 2004 gebildet und hat namentlich die Aufgabe, die Landesregierung in besonderen und ausserordentlichen Lagen oder im Rahmen eines speziellen Auftrages (Übungen, spezielle Einsätze, etc.) zu unterstützen. Der Stab Ei Ustü LR ist im Einsatz verantwortlich für die Betriebsbereitschaft und den Betrieb der geschützten Arbeitsräume der Landesregierung. Er plant, organisiert und führt in besonderen und ausserordentlichen Lagen gesicherte Transporte der Landesregierung und Teilen der Verwaltung in diese geschützten Arbeitsräume durch. Zudem stellt er die Verbindungen der Landesregierung zu den Aussenstel- len des Bundes und zu den Kantonen sicher. Bei Bedarf unterstützt der Stab Ei Ustü LR den Bundesrat auch über diese Kernaufgaben hinaus.3 Ausdruck der ausschliesslichen Zweckwidmung des Stabs Ei Ustü LR für die Bedürfnisse der Landesregierung, welche in dieser Art einmalig ist, sind einerseits die Ernennung des Stabschefs4 durch die Bundeskanzlerin und andererseits dessen Unterstel- lung unter die Bundeskanzlerin im Ernstfall.5 Wiewohl der Stab Ei Ustü LR erst 2004 gebildet und damit auf eine relativ junge Geschichte zurückblicken kann, ist er freilich nicht im luftleeren Raum entstanden: Die Armee hat seit langem die Aufgabe, den Bundesrat zur Aufrecht-

1 Das Manuskript wurde im August 2013 abgeschlossen. 2 Abkürzungen werden im vorliegenden Dokument in ihrer jeweiligen historischen Schreibweise und nicht basierend auf dem geltenden Reglement 52.002/II Militärische Schriftstücke/Abkürzungen verwendet. 3 Vgl. Weisungen des Bundesrates über organisatorische Massnahmen in der Bundesverwaltung zur Bewälti- gung von besonderen und ausserordentlichen Lagen vom 24. Oktober 2007, BBl 2007 8293-8296 [fortan: Weisungen Stab Ei Ustü LR] und den Auftrag der Bundeskanzlerin an den Chef Stab Ei Ustü LR vom 23. März 2010. 4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird hier und im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten, wo sich aus dem (historischen) Kontext nicht etwas anderes ergibt, gleichwohl für beide Geschlechter. 5 Art. 13 Abs. 1 Weisungen Stab Ei Ustü LR.

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erhaltung seiner Funktionsfähigkeit in Krisenlagen zu unterstützen. Anlässlich des bald 10-jährigen Bestehens des Stabs Ei Ustü LR hat dessen Chef, Oberst Beat Gujer, den Auftrag erteilt, die Geschichte des Stabes aufzuarbeiten und für einen interessierten Kreis zugänglich zu machen.

1.2 Fragestellung Aus diesem Auftrag leitet sich auch die historische Fragestellung ab: Es soll der Fra- ge nachgegangen werden, welche Vorkehrungen der Bundesrat für die Aufrecht- erhaltung seiner Funktionsfähigkeit in Krisenlagen seitens der Armee in der Vergangenheit treffen liess. Mithin ist auf dieBedrohungsszenarien einzugehen, welche die Landesregierung veranlassten, ihre Vorbereitungen zu treffen. Zudem sind die jeweiligen Bedürfnisse der politischen Führung in besonderen und ausser- ordentlichen Lagen zu erörtern. Ebenso sind die militärischen Einheiten zu be- leuchten, welche für den Bundesrat zuständig waren. Mit Blick auf diese Fragestellung sind indessen auch einige Einschränkungen hinzunehmen, die sich einerseits aus ihrem Inhalt ergeben, andererseits aber auch aus den Umständen, welche zur Erstellung der vorliegenden Schrift führten. So beschlägt die Frage nach den Vorkehrungen des Bundesrates für Krisensitu- ationen naturgemäss sensible Bereiche, welche in weiten Teilen der Geheimhal- tung unterstehen. Dies wirkt sich wiederum auf die zur Verfügung stehenden Quellen aus.6 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Schrift ganz in der Tradition unserer Milizarmee im Rahmen der ordentlichen militäri- schen Dienstleistung entstand, wodurch dem zeitlich zu betreibenden Aufwand Grenzen gesetzt waren. Dies führt dazu, dass der Schwerpunkt der vorliegenden Schrift auf den Vorkehrungen des Bundesrates für die Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit in Krisenlagen während des Zweiten Weltkriegs liegt.

1.3 Quellen Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich zur Hauptsache auf das Resultat von Recherchen im Schweizerischen Bundesarchiv und in den Beständen der Bi- bliothek am Guisanplatz in Bern. Umfangreiche einschlägige Literatur zur Fra- gestellung existiert bislang nicht. Das Bundesarchiv beherbergt Akten von Bundesstellen, welche diese nicht mehr ständig benötigen (Art. 6 Abs. 1 BGA).7 Soweit gewisse Akten von betroffenen Dienststellen noch beansprucht werden, sind sie also im Bundesarchiv noch nicht archiviert. Zudem unterliegen die Ak-

6 Vgl. dazu auch sogleich Kap. 1.3. 7 Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Archivierung (BGA, SR 152.1).

16 1.Einleitung

ten im Bundesarchiv gewissen Schutzfristen (vgl. Art. 9 ff. BGA), wobei nament- lich das Archivgut aus den Beständen des Bundesrates und des früheren EMD bzw. heutigen VBS verlängerten Schutzfristen unterliegt und somit (noch) nicht zugänglich ist.8 Eine gewisse Lückenhaftigkeit der dieser Schrift zugrundeliegen- den Quellenbestände ist daher hinzunehmen, was es auch im Rahmen der Schlussfolgerungen zu berücksichtigen gilt. Neben schriftlichen Quellen trugen mündliche Hinweise von heutigen oder ehemaligen Angehörigen des Stabs Ei Ustü LR bzw. seiner Vorgängerorganisati- onen zu dieser Schrift bei. Namentlich Oberst Beat Gujer, heutiger Chef Stab Ei Ustü LR, unterstützte diese Schrift mit seinen Kenntnissen massgeblich.

1.4 Gang der Untersuchung Der Aufbau dieser Schrift folgt grundsätzlich der Chronologie der Ereignisse. In einem kurzen Überblick wird dabei die Zeit von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs erörtert (Kap. 2). Anschliessend werden die ersten Monate des Zweiten Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940 behandelt (Kap. 3). Dem Jahr 1941, dessen Beginn mit dem Amtsantritt von Karl Kobelt als Bundes- rat und Vorsteher des EMD zusammenfiel, ist aufgrund wichtiger Weichenstel- lungen ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. 4). Sodann erfolgt eine Betrachtung der Kriegsjahre 1942 bis 1945 (Kap. 5), bevor die Phase des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende zum Gegenstand der Darstellung wird (Kap. 6). Den Abschluss bildet ein Überblick zum Stab Ei Ustü LR (Kap. 7) und ein kurzes Fazit (Kap. 8). Soweit geboten, wird innerhalb dieser chronologischen Darstellung eine thema- tische Gliederung vorgezogen, um einzelne Aspekte genauer zu beleuchten. Zu- dem findet sich jeweils ein kurzes Zwischenfazit mit den wichtigsten Ergebnissen.

8 Vgl. Anhang 3 der Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung (VBGA, SR 152.11).

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Von der ­Jahrhundertwende bis zum Beginn des Zweiten2 ­Weltkriegs 20 22. Von der Jahrhundertwende­ bis zum Beginn des ­Zweiten ­Weltkriegs

2.1 Studie vom 10. März 1906 Bereits um 1900 und damit noch weit vor dem Ersten Weltkrieg stellte der Bun- desrat gewisse Überlegungen zum Funktionieren der Landesregierung und der Verwaltung in ausserordentlichen Lagen an. Im Vordergrund stand eine Beein- trächtigung der Regierungstätigkeit durch kriegerische Ereignisse, wie sie die Schweiz zuletzt im deutsch-französischen Krieg 1870 – 1871 befürchten musste. Das Eidgenössische Militärdepartement unter Bundesrat Eduard Müller gab deshalb eine Studie in Auftrag, welche sich mit der «Evakuation der Bundes- Zentralverwaltung im Kriegsfalle»9 auseinandersetzte und am 10. März 1906 vorgelegt wurde. Verschiedene historische Beispiele wurden als Beleg für die Notwendigkeit entsprechender Vorbereitungen angeführt. So verwies der Autor unter anderem auf die Verlegung der preussischen Verwaltung im Jahr 1806 nach Königsberg und jene der französischen Administration nach Tours und Bordeaux während dem Krieg von 1870 – 1871.10 Im Einzelnen müssten jedoch, so der Tenor der Studie, die konkreten Verhält- nisse im jeweiligen Staat für die Planung und Durchführung einer Evakuation massgebend sein. Vor diesem Hintergrund gelangten vor allem der Zeitpunkt und der Umfang einer allfälligen Evakuation zur Diskussion. Zudem wurden Optionen für einen neuen Sitz des Bundesrates im Konfliktfall geprüft. Da ein direkter Krieg oder ein strategischer Überfall auf die Schweiz als sehr unwahrscheinlich betrachtet wurden, rechnete der Autor der Studie von 1906 mit mindestens vierzehn Tagen Vorlaufzeit ab einem Aufgebotsbeschluss, um die Evakuation der Landesregierung in die Wege zu leiten. Die Verlegung selbst

9 «Evakuation der Bundes-Zentralverwaltung im Kriegsfalle», Studie zuhanden des Eidgenössischen Militär- departements vom 10. März 1906 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13143. 10 Vgl. hierzu auch Wawro, Geoffrey, The Franco-Prussian War. The German Conquest of France in 1870 – 1871, 8.A., Cambridge 2007, S. 236 sowie Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 218.

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sollte – als «eine sehr missliche & bedenkliche & deshalb erst im äussersten Notfalle zu ergreifende»11 Massnahme – nur unter Berücksichtigung der konkre- ten Umstände erfolgen. Der Umfang der Evakuation hätte auf das «wirklich Notwendige» beschränkt bleiben sollen: Neben dem Gesamtbundesrat «als Oberhaupt & Leiter der Politik mit der Kanzlei & den Departements-Sekretariaten» hätten sich allenfalls auch die kantonalen «Militärdirektionen & alles was damit zusammenhängt» der Evakuation anschliessen müssen. Als Kriterien für die Wahl eines Sitzes der Landesregierung im Krisenfall dienten zum einen die grösstmögliche Sicherheit vor feindlicher Einwirkung in allen wahrscheinlichen Bedrohungslagen und zum andern die Gewährleistung von Verbindungen in alle Landesteile. So gelangte man zum Schluss, dass der «bereits als Basisraum der Armee gewählte & als solcher durch künstliche Verstärkungen zu sichernde Zentralraum an der Gotthardbahn» in Frage käme. Wegen der vielen militärischen Anlagen in Schwyz und der starken Belegung mit Armee- truppen im Falle eines Rückzugs sprach sich der Studienautor für Altdorf als Sitz des Bundesrates aus. Dort und im nahe gelegenen Flüelen sei genügend Raum für die Unterbringung der Landesregierung vorhanden. Wie weit die Vorbereitungen für eine Evakuation der Landesregierung gestützt auf die Studie des Eidgenössischen Militärdepartements vom 10. März 1906 letztlich gediehen, ist nicht restlos klar. Während des Ersten Weltkriegs wurde eine Verlegung des Bundesrates jedenfalls nicht notwendig. Aufgrund der Studie vom 10. März 1906 lässt sich jedoch wie erwähnt der Schluss ziehen, dass damals als ausserordentliche Lage, welche das Funktionieren der Verwaltung in Bern infrage stellen konnte, einzig ein Kriegsfall in Betracht gezogen wurde. Andere Bedrohungsszenarien für das Funktionieren der Landesregierung wurden dann- zumal nicht als vordergründig betrachtet. Zudem zeigt sich, dass man mit einer gewissen Vorlaufzeit rechnete, bis eine Evakuation tatsächlich hätte ausgelöst werden müssen. Darin spiegelt sich die noch einigermassen schwerfällige und wenig dynamische Kriegführung wider, wie sie dann auch während des Ersten Weltkriegs in Form des Stellungskriegs zwischen der Entente und den Achsen- mächten zum Tragen kam.

11 «Evakuation der Bundes-Zentralverwaltung im Kriegsfalle», Studie zuhanden des Eidgenössischen Militär- departements vom 10. März 1906 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13143.

22 2. Von der ­Jahrhundertwende bis zum Beginn des ­Zweiten ­Weltkriegs

2.2 Endphase des Ersten Weltkriegs Schon vor Ende des Ersten Weltkriegs galten die bestehenden Vorarbeiten für eine eventuelle Evakuation der Bundesverwaltung als überholt. Dies namentlich aufgrund der Ausdehnung der Abteilungen der Bundesverwaltung, welche für eine Evakuation in Frage kamen. Daher wurde eine bei der Territorialdienstlei- tung angesiedelte «Sektion für Evakuation» mit der Revision der Arbeiten beauf- tragt.12 Die Territorialdienstleitung erachtete neuerdings nicht mehr Altdorf als geeigneten Standort für eine evakuierte Landesregierung, sondern Genf und Um- gebung im Falle eines Kriegs gegen die Zentralmächte sowie St. Gallen und Um- gebung im Falle eines Kriegs gegen die Entente. Obwohl nicht sämtliche Verwaltungsstellen evakuiert werden sollten, sondern nur jene, die «mit dem Bundesrat untrennbar verbunden sind», fällt auf, dass neu nicht mehr alleine die politische Führung in die Überlegungen zu einer Evakuation einbezogen ­wurde. Vielmehr hätte ein «geordnete[r] Geschäftsbetrieb» der Verwaltung gewährleistet­ bleiben sollen, indem neben der Landesregierung auch wichtige Bundesstellen zur Verlegung im Kriegsfalle vorgesehen waren.

2.3 Das Dispositiv in den 1930er Jahren Diese Prämisse galt auch noch in den 1930er Jahren. Gemäss einem geheimen Bundesratsbeschluss vom 19. Juni 1936 war nun nicht mehr die Territorialdienst- leitung, sondern die Generalstabsabteilung für die Evakuationsvorbereitungen zuständig.13 Die Generalstabsabteilung sah weiterhin vor, dass mit dem Bundes- rat auch Teile der Verwaltung disloziert werden sollten. Dies um einen – wenn auch beschränkten – Behördenbetrieb aufrechterhalten zu können.14 Zugleich hätte die Evakuation gewisser Dienststellen sichergestellt, dass «Akten, Karten, Pläne usw., die dem Feinde von Nutzen sein könnten»,15 aus Bern weggeschafft wür- den. Mit der Koordination der Evakuationsvorbereitungen durch die einzelnen Verwaltungsstellen wurde im Jahr 1938 Hauptmann Sessler, Beamter des Zent- ralpolizeibüros, als Evakuationsoffizier betraut.16

12 Vgl. Schreiben der Territorialdienstleitung an das EJPD vom 25. Februar 1918, BAR E 4110 A 1000 1803 Bd. 20/21. 13 Vgl. Schreiben der Generalstabsabteilung an das Eidgenössische Militärdepartement vom 21. Februar 1939, BAR E 27 13143. 14 Ebd. sowie Schreiben der Generalstabsabteilung an den stv. Generalstabschef Huber vom 7. Februar 1939, BAR E 27 13143. 15 Schreiben von Bundesrat Minger an die Eidgenössischen Departemente vom 25. April 1939, BAR E 4321 (A) 1991/66 Bd. 15 B.11.43. 16 Vgl. Schreiben der Generalstabsabteilung an das Eidgenössische Militärdepartement vom 19. Dezember 1938, BAR E 27 13143.

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Obschon die Generalstabsabteilung in Betracht zog, dass eine Evakuation allen- falls innert kürzester Frist geschehen müsste,17 war sie in den 1930er Jahren noch der Überzeugung, dass genügend Zeit für die Verlegung des Bundesrates wie auch wichtiger Verwaltungsstellen blieb.18 Wie bereits in der Studie vom 10. März 1906 könnte sich darin widerspiegeln, dass die Generalstabsabteilung nicht mit einem überfallartigen Blitzkrieg unter Einsatz von starken motorisierten Verbänden, wie ihn dann Deutschland im Polenfeldzug 1939 erstmals führte, gegen die Schweiz rechnete. Erstmals erkannt wurden zudem neue Gefahren für das Funktionieren der Landesregierung, welche aus den Fortschritten in der militärischen Luftfahrt re- sultierten. In die Überlegungen zur Evakuation von Bundesrat und Verwaltung wurde daher explizit auch die Luftbedrohung einbezogen. Unter Hinweis auf die in Bern erstellten Luftschutzbauten erklärte Bundesrat Minger jedoch die Bedro- hung Berns durch Landstreitkräfte und nicht jene aus der Luft als massgeblich für den Zeitpunkt einer Evakuation. Eine Verlegung sollte «nicht lediglich der Fliegergefahr wegen erfolgen».19 Die Generalstabsabteilung teilte diese Auffas- sung, weil die Bedrohung aus der Luft, «vu l’exiguité de notre territoire, […] sen- siblement le même dans n’importe quelle ville»20 sei. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg – im Februar 1939 – warf die Generalstabs- abteilung auch die Standortfrage neu auf. Nach ihrer Einschätzung sollte die «capitale provisoire» so weit von Bern und einer möglichen Front entfernt sein, dass eine zweite Dislozierung im Kriegsverlauf «à aucun prix» notwendig würde. Zudem musste der Aufnahmeort genügend gross sein, um den Bundesrat und die evakuierten Verwaltungsstellen auf verschiedene, den Bedürfnissen entspre- chende Gebäude verteilen zu können. Ebenso sollte vor Ort die Gelegenheit be- stehen, das nötige Büromaterial, Schreibmaschinen und weitere Bedarfsgegen- stände zu kaufen oder zu requirieren. Von zentraler Wichtigkeit waren für die Generalstabsabteilung auch die «com- munications ferroviaires, routières, télégraphiques et radio-télégraphiques» vom Evakuationsort des Bundesrates in die übrigen Landesteile und zu verbündeten Staaten. Des Weiteren legte die Generalstabsabteilung grossen Wert darauf, dass die Bewahrung und der Schutz der provisorischen Hauptstadt die militärischen

17 Vgl. Schreiben der Generalstabsabteilung an das Eidgenössische Militärdepartement vom 21. Februar 1939, BAR E 27 13143. 18 Ebd. sowie Schreiben der Generalstabsabteilung an den stv. Generalstabschef Huber vom 7. Februar 1939, BAR E 27 13143. 19 Schreiben von Bundesrat Minger an die Generalstabsabteilung vom 1. März 1939, BAR E 27 13143. 20 Schreiben der Generalstabsabteilung an den stv. Generalstabschef Huber vom 7. Februar 1939, BAR E 27 13143.

24 2. Von der ­Jahrhundertwende bis zum Beginn des ­Zweiten ­Weltkriegs

Operationen nicht ungünstig beeinflussen könnten. Im Falle eines Angriffs durch die Achsenmächte Italien und Deutschland favorisierte die Generalstabsabteilung daher Lausanne als Sitz des Bundesrates. Sollte hingegen Frankreich als Aggres- sor auftreten, hätte die Bundesverwaltung in St. Gallen Schutz zu suchen gehabt. Bei einem Angriff aus Süden sahen die Planer keine Notwendigkeit, Bern zu räumen. In Bezug auf die Standortwahl wurde also die bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs herrschende Optik grundsätzlich bestätigt. Der Zeitpunkt einer allfälligen Evakuation sollte vom Bundesrat oder dem Armeekommando bestimmt werden.21 Wie weit die Planungen der Generalstabsabteilung für die Evakuation von Landesregierung und Verwaltung bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 vorangetrieben wurden, ist nicht aktenkundig. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Vorbereitungen für die Evakuation der Landesregierung im Herbst 1939 noch nicht ausreichten, damit diese im Ernstfall reibungslos gelungen wäre.

2.4 Zwischenfazit: Stand vor dem Zweiten Weltkrieg Im Sinne eines Zwischenfazits lässt sich damit für die Phase vor dem Zweiten Weltkrieg Folgendes festhalten: Als Bedrohungsszenario, welches eine Verlegung des Bundesrates nach sich ziehen konnte, stand ein Krieg im Vordergrund. Inte- ressanterweise wurden hierbei namentlich auch neue Gefahren identifiziert, wel- che den Fortschritten der militärischen Luftfahrt zuzuschreiben waren. Wenig Beachtung erfuhren soweit ersichtlich die neuen Bedrohungen, welche durch die fortschreitende Motorisierung militärischer Verbände entstanden. Als Bedürfnisse der politischen Führung sind insbesondere ein geschützter Standort ausserhalb Berns, d. h. in einem anderen Landesteil, sowie die Aufrecht- erhaltung von Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen zu nennen. Letzte- re sollten die Kontakte des Bundesrates sowohl in sämtliche Landesteile als auch zu verbündeten Staaten sicherstellen. Wichtige Verwaltungsstellen sollten ge- meinsam mit der Landesregierung verlegt werden, um das Funktionieren der Zentralverwaltung vom Evakuationsort aus zu gewährleisten. Für die Planungen der Evakuationsvorbereitungen war zunächst eine Sektion für Evakuation verantwortlich, welche bei der Territorialdienstleitung angesiedelt war. In den 1930er Jahren zeichnete die Generalstabsabteilung dafür verantwort- lich. Militärische Einheiten, welche die Verantwortung für die spezifischen Be-

21 Vgl. Schreiben von Bundesrat Minger an die Eidgenössischen Departemente vom 25. April 1939, BAR E 4321 (A) 1991/66 Bd. 15 B.11.43.

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dürfnisse des Bundesrates trugen, lassen sich nicht bezeichnen, weil eine kon- krete Ausführungsplanung nicht aktenkundig ist. Rückblickend als ungewöhnlich erscheint der Umstand, dass in den 1930er Jahren nicht allein der Bundesrat selbst den Zeitpunkt seiner Evakuation bestim- men konnte, sondern auch das Armeekommando. Mithin stand es nicht allein dem Bundesrat zu, über diese wichtige Frage zu entscheiden. Überdies legte die Generalstabsabteilung Ende der 1930er Jahre Wert darauf, dass die Standortwahl des Bundesrates im Falle einer Evakuation die militärischen Optionen nicht ungünstig beeinflusste. Darin könnte ansatzweise eineSchwächung des Primats der Politik erblickt werden.

26 27

Vom Beginn des ­Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. 3Dezember 1940 30 33. Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940

3.1 Ausgangslage Bereits seit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 bereitete sich Deutschland für einen Krieg vor, der ihm die Vorherrschaft über Europa si- chern sollte.22 Im März 1938 kam es zum «Anschluss» Österreichs an Deutsch- land, was von Hitler innenpolitisch als grosser Erfolg auf dem Weg zu einem «Grossdeutschen Reich» verbucht werden konnte.23 Das Sudetenland, welches als westlicher Teil der damaligen Tschechoslowakei nunmehr «zwischen den ver- schiedenen Teilen des Deutschen Reiches eingeklemmt»24 war, wurde Deutsch- land auf Kriegsdrohungen Hitlers hin anlässlich der Münchner Konferenz vom 30. September 1938 zugeschlagen.25 Damit nicht genug erliess Hitler nur wenige Tage später einen Geheimbefehl zur Erledigung der «Rest-Tschechei».26 Dies mündete im deutschen Einmarsch und der Einverleibung des sogenannten «Protektorat Böhmen und Mähren» im März 1939, nachdem die Slowakei ihre Unabhängigkeit erklärte und der tsche- chische Staatspräsident «bei einem Besuch in Berlin am 15. März 1939»27 von Hitler erpresst wurde. Unabwendbar erschien ein Krieg auf dem europäischen Kontinent spätestens im August 1939, als der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August gleichen Jahres bekannt wurde.28 Im Vorfeld des sich abzeichnenden Angriffs

22 Vgl. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, [Einleitung], in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 23 Vgl. Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 179. 24 Ebd., S. 179. 25 Ebd., S. 180; vgl. auch Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, [Einleitung], in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 26 Vgl. Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 96. 27 Ebd., S. 96f. 28 Vgl. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013].

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von Deutschland auf Polen – welcher am 1. September 1939 begann – wurden in der Schweiz am 29. August 1939 die «Grenzbrigaden sowie Teile der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen aufgeboten». Die Wahl von Henri Guisan zum General und Oberbefehlshaber sowie von Jakob Labhart zum Generalstabschef fand am 30. August 1939 durch die Bundesversammlung statt. Der Bundesrat erteilte derweil den Befehl zur allgemeinen Kriegsmobilmachung. Insgesamt wurden 430 000 Mann Kampftruppen und 200 000 Hilfsdienstpflichtige aufgeboten.29 Nach dem Überfall auf Polen erklärten Frankreich und Grossbritannien dem nationalsozialistischen Deutschland am 3. September 1939 den Krieg. Weitere Staaten des britischen Commonwealth folgten kurz darauf. Während Polen innert weniger Wochen zerschlagen wurde, enthielten sich die westeuropäischen Staa- ten und ihre Verbündeten vorderhand grossangelegter Kampfhandlungen.30 Bevor sich Hitler seinen damals wichtigsten europäischen Gegnern Frankreich und Grossbritannien zuwenden konnte, musste er sich um die Sicherung der «Erzlieferungen des neutralen Schweden, die über den norwegischen Hafen Narvik abgewickelt wurden»,31 kümmern. Dies geschah während des Winters 1939/1940 mit einer «Weserübung» genannten Operation gegen Dänemark und Norwegen. Die Befürchtung, wonach sich bereits im Oktober 1939 eine deutsche Offen- sive gegen Frankreich richten könnte, trat nicht ein. Vielmehr blieb es an der Westfront vorderhand ruhig, was der Kriegsperiode den Namen «Drôle de guerre» eintrug. Die vorübergehend etwas entspanntere Lage erlaubte es General Guisan, die «gegen Deutschland gerichtete Limmatstellung zum Bezug vorbereiten und ausbauen»32 zu lassen. Gleichzeitig bereitete der General im Wissen und mit Zustimmung von Bundesrat eine Zusammenarbeit mit der fran- zösischen Armee im Falle eines deutschen Einmarsches vor. Der lange erwartete Angriff gegen Frankreich erfolgte dann mit der Auslösung der Westoffensive durch Hitler am 10. Mai 1940. Tags darauf wurden im Rahmen der zweiten Generalmobilmachung «alle entlassenen Wehrmänner» der schwei- zerischen Armee wieder unter Waffen genommen. Seitens der Armeeführung wurde zunächst befürchtet, die deutsche Wehrmacht könnte die französische Maginot-Linie südlich über schweizerisches Territorium umgehen.33 Es stellte

29 Vgl. Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 262. 30 Vgl. Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 288. 31 Ebd., S. 290. 32 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 33 Vgl. Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 264.

32 3. Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940

sich indessen heraus, dass der Nachrichtendienst auf ein deutsches «Täuschungs- manöver hereingefallen war».34 Die deutsche Wehrmacht stiess entgegen der schweizerischen Erwartungen in einem als «Sichelschnitt» bezeichneten Manö- ver und «unter Missachtung der belgischen, luxemburgischen und niederländi- schen Neutralität»35 innert zehn Tagen «über die Ardennen bis zur Kanalküste vor». Die anschliessende Fortsetzung des deutschen Überfalls führte nach nur sechswöchigem Kampf zur Niederlage der französischen Streitkräfte. Am 22. Juni 1940 musste der französische Regierungschef Marschall Philippe Pétain einen Waffenstillstandsvertrag unterzeichnen, «in dem er der faktischen Annexion Elsass-Lothringens zuzustimmen und sich mit einem von Deutschland abhän- gigen Restfrankreich mit der Hauptstadt Vichy zufriedenzugeben hatte.»36 Für die Schweiz bedeutete die Niederlage Frankreichs eine fast vollständige Umschliessung durch die Achsenmächte Deutschland und Italien. Ausgenom- men war ein kleiner Abschnitt am Genfersee.37 Bundesrat und General gelangten bei dieser Ausgangslage zur Auffassung, dass Hitler die eingeschlossene Schweiz vorderhand nicht mehr anzugreifen brauche, weil er sie «politisch und wirtschaft- lich erpressen könne.» Die Vorbereitungen der Armee auf einen möglichen Überfall durch Hitler-Deutschland liefen währenddessen freilich weiter, allerdings nach Massgabe der veränderten Umstände. Aus der neuen Lage zog General Guisan Mitte Juli 1940 erste Konsequenzen, «indem er die Armee ein neues Dispositiv beziehen liess, das drei Elemente beinhaltete: [D]ie Grenzverteidigung, den Kampf um Zeitgewinn im Jura und Mittelland sowie die Verteidigung des Zentralraumes.» Zur gleichen Zeit liess Hitler – «gereizt vom Abschuss von elf d[eutschen] Flugzeugen auf Schweizer Gebiet»38 – einen Angriffsplan gegen die Schweiz ausarbeiten (sog. «Operation Tannenbaum»).39

34 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 35 Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 290. 36 Ebd., S. 291. 37 Vgl. zum Ganzen Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 38 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 39 Vgl. zum Ganzen Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013].

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Abbildung 1: Liste der bundesrätlichen Domizile (Anhang zum Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an den Platzkommandanten von Bern vom 24. April 1940, BAR E 27 10046)

34 3. Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940

3.2 Die Vorbereitungen des Bundesrates bis zum Westfeldzug im Mai 1940 Bei den Vorkehrungen für den Schutz und die Evakuation der Landesregierung hatte in den ersten Kriegsmonaten soweit ersichtlich Bundesrat Pilet-Golaz die Federführung. Der Bundespräsident von 1940 trat am 2. März desselben Jahres die Nachfolge des verstorbenen im Politischen Departement an.40 Als Aussenminister besass er auch den direkten Draht in die diplomatischen Ver- tretungen im Ausland. Sein vordringlichstes Anliegen war es zunächst, die Bewachung und den Schutz der Landesregierung «gegen [einen] Überfall durch Angehörige fremder Staaten»41 in der Bundesstadt zu verbessern.42 Zu diesem Zweck verlangte er vom Platzkommando Bern eine besondere Schutzabteilung, bestehend aus einem Offizier und zwei Gruppen à je einem Unteroffizier und sechs Mannschaften.43 Bundesrat Pilet-Golaz wies den Chef der mit einem Lastwagen ausgestatteten Schutzabteilung an, sich gemeinsam mit dem Chauffeur ein Bild von den Zu- fahrtswegen zu den Unterkünften der Bundesräte in Bern zu machen, damit im Notfall keine unnötige Zeit verloren ging.44 Trotz anfänglicher Probleme mit der Bewaffnung der Schutzabteilung – die verlangten 24 Maschinenpistolen mit Munition waren bei der Sektion für materielle und technische Angelegenheiten des Armeekommandos nicht verfügbar, sodass auf Faustfeuerwaffen und leichte Maschinengewehre ausgewichen werden musste45 – war diese offenbar noch vor Beginn des deutschen Westfeldzugs einsatzbereit. Noch vor Beginn des deutschen Westfeldzugs mehrten sich indessen warnen- de Stimmen über die getroffenen Evakuationsvorbereitungen für die Landesregie- rung und die Bundesverwaltung. Der Ende des Ersten Weltkriegs aufgestellte Grundsatz, wonach sowohl die politische Führung als auch die für eine Aufrecht- erhaltung des Behördenbetriebs notwendigen Amtsstellen evakuiert werden ­sollten, hatte soweit ersichtlich weiterhin seine Gültigkeit. Angesichts der verän- derten geopolitischen, strategischen und militärischen Rahmenbedingungen

40 Vgl. Favez, Jean-Claude, Pilet-Golaz, Marcel, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 2. Februar 2010, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D4641.php [zuletzt konsultiert am 27.01.2013]. 41 Schreiben des Unterstabschefs Front an die Sektion für materielle und technische Angelegenheiten vom 23. April 1940, BAR E 27 10046. 42 Vgl. «Instructions du Conseil fédéral pour la protection du Palais fédéral et du Gouvernement» von Marcel Pilet-Golaz vom 18. April 1940, BAR E 27 10046. 43 Vgl. Schreiben des Unterstabschefs Front an die Sektion für materielle und technische Angelegenheiten vom 23. April 1940, BAR E 27 10046. 44 Vgl. Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an den Platzkommandanten Bern vom 24. April 1940, BAR E 27 10046. 45 Vgl. Notiz der Sektion für materielle und technische Angelegenheiten an den Unterstabschef Front vom 24. April 1940, BAR E 27 10046 sowie Schreiben des Unterstabschef Front an den Platzkommandanten von Bern vom 26. April 1940, BAR E 27 10046.

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kamen jedoch Zweifel auf, ob dieser im Kriegsfall auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden könnte. So setzte sich der Generalsekretär des Eidgenössischen Volkswirtschaftsde- partements (EVD), Eugène Péquignot, in einer Notiz vom 25. April 1940 zuhan- den von Bundesrat Hermann Obrecht kritisch mit den bisherigen Evakuations- vorbereitungen auseinander. Die Evakuation der ordentlichen Abteilungen und der Kriegswirtschaftsämter des EVD sei zwar vorbereitet. Nachträglich waren auch noch die Eidgenössische Getreideverwaltung sowie die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel in den Evakuationsplan des EVD aufgenommen worden. Für jedes Arbeitszimmer bestand sogar eine Karte oder Liste, auf welcher die zu evakuierenden Güter – «sehr wichtige Akten und Doku- mente sowie Bureaumaterial»46 – aufgeführt waren. Insgesamt sah der «bis in alle Einzelheiten vorbereitet[e]» Evakuationsplan des EVD den Wegtransport von Gütern mit einem Gewicht von 64 Tonnen sowie von 700 Personen vor. Jedoch seien diese Vorbereitungen unnütz, wenn für den Abtransport die nötigen Trans- portmittel fehlten oder für die Aufnahme der evakuierten Personen und Güter nicht gesorgt sei. Diese Befürchtung, wonach es an Transportmitteln fehlte und auch für die Unterbringung von Personen und Gütern nicht gesorgt sei, stützte Generalse- kretär Péquignot auf Gespräche mit dem 1938 ernannten Evakuationsoffizier, Hauptmann Sessler.47 Hauptmann Sessler sei – so Péquignot in seiner Notiz an Bundesrat Obrecht – nicht in der Lage, über die zur Verfügung stehenden Trans- portmittel und den Evakuationsort für Bundesrat und Verwaltungsstellen Aus- kunft zu geben. Beides lag offenbar in der Verantwortung der Armee.48 Der zu- ständige Oberstleutnant Steffen vom Evakuationsdienst im Armeestab habe Hauptmann Sessler widersprüchliche Signale gesendet. Zuletzt habe es seitens des Armeestabs gar geheissen, der Bundesverwaltung würden gar keine Camions für die Evakuation zur Verfügung gestellt und die Verschiebung per Bahn sei ausgeschlossen. Mittlerweile habe Hauptmann Sessler den Eindruck gewonnen, die Bundesverwaltung werde überhaupt nicht evakuiert. Generalsekretär Péquig- not drängte deshalb darauf, dass Bundesrat Obrecht anlässlich einer anstehenden Unterredung mit EMD-Vorsteher Rudolf Minger und General Guisan zwei Punkte zur Sprache bringen werde, welche im Verantwortungsbereich der Armee lagen und für die Evakuation der Landesregierung geradezu essentiell waren: Die

46 Notiz von Generalsekretär Péquignot an Bundesrat Obrecht vom 25. April 1940, BAR E 27 13145. 47 Vgl. oben Kap. 2.3. 48 Vgl. Notiz von Generalsekretär Péquignot an Bundesrat Obrecht vom 25. April 1940, BAR E 27 13145.

36 3. Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940

Bestimmung des Aufnahmeorts für Personal und Güter sowie die Zurverfügung- stellung der nötigen Transportmittel. Gestützt auf diese Aktenlage drängt sich demnach der Schluss auf, dass in der Startphase des Kriegs die Bewachung und der erste Schutz der Landesregierung in der Bundesstadt gewährleistet waren. Auch die Evakuationsvorbereitungen der Eidgenössischen Departemente scheinen bis im Frühjahr 1940 so weit vorange- trieben worden sein, dass einem Abtransport von Bundesrat und Verwaltungs- stellen seitens der Behörden prinzipiell nichts im Wege stand. Dagegen scheint es, dass der zuständige Evakuationsdienst des Armeestabs im April 1940 nicht ausreichend in der Lage war, die für einen raschen Abtransport nötigen Trans- portmittel ab Bern bereitzustellen. Auch ein sicherer Aufnahmeort für den Bun- desrat war zu diesem Zeitpunkt soweit ersichtlich nicht vorhanden. Angesichts der sich zuspitzenden politischen und militärischen Situation im Frühjahr 1940 erscheint das Drängen von Generalsekretär Péquignot auf Klärung der offenen Fragen mehr als gerechtfertigt.

3.3 Unmittelbare Auswirkungen der Westoffensive Deutschlands Es sollte sich denn auch zeigen, dass die Evakuationsvorbereitungen für den Bun- desrat mit dem Start der Westoffensive Hitlers einer gänzlich neuen Dynamik be- durften. Am 18. Mai 1940 und damit rund eine Woche nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Benelux-Staaten erliess der Bundesrat – offenbar auf Verlangen des Armeekommandos hin49 – eine neue Weisung über das zu evaku- ierende Personal und Material.50 Um sich den zur Verfügung gestellten Transportmitteln anzupassen, ordnete die Landesregierung eine Reduktion der in einem ersten Schritt zu evakuierenden Anzahl Personen auf 400 an. Darunter sollten sich nur noch diejenigen Organe befinden, welche mit gesetzgeberischen und organisatorischen Arbeiten im Kriegsfall betraut waren. Konkret umfasste dies «den Bundesrat mit seinen Se- kretären und die Abteilungschefs mit dem unbedingt notwendigen Büreauper- sonal und Material». Vorderhand fallengelassen wurde zudem der Abtransport via Bahn. Im Gegenzug sicherte die Armeeleitung dem Bundesrat vierzehn Ca- mions und 120 Personenwagen als Transportmittel zu, um die Evakuation der allerersten Dringlichkeitsstufe zu ermöglichen. Konkret war für den Fall einer Evakuation vorgesehen, dass jedes Departement zwei Mann zum Platzkommando Bern schickte, welches im Knabenprogymna-

49 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Evakuationschefs der Bundesverwaltung vom 29. Mai 1940, BAR E 27 13145. 50 Weisungen des Bundesrats vom 18. Mai 1940, BAR E 27 13145.

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sium am Waisenhausplatz untergebracht war. Sie hätten von dort die zugeteilten Transportmittel an die jeweilige Verladestelle gelotst. Für das EMD waren zum Beispiel vierzehn Personenwagen und ein Camion zum Transport von 45 Beam- ten und vier Tonnen Gütern vorgesehen. Geplant war, dass die Camions nach der Beladung unter Führung von einem Hauptmann der Kriegsmaterialverwaltung (KMV) und je begleitet von zwei bewaffneten Beamten an den Bestimmungsort überführt wurden. Der Bundesrat und die übrigen Beamten hätten sich mit den Personenwagen ohne militärische Führung an den Evakuationsort begeben ­sollen.51 Nachdem sich Generalsekretär Péquignot noch am 25. April 1940 besorgt über den Stand der Evakuationsvorbereitungen seitens des Armeestabs gezeigt hatte, herrschte wenige Wochen später also immerhin etwas grössere Klarheit bezüglich der Transportmittel. Ob dieser rasche Wandel auf die Unterredung der Bundes- räte Obrecht und Minger mit General Guisan zurückzuführen war,52 lässt sich heute nicht mehr eruieren. Offenbar ungewiss blieb aber auch Ende Mai 1940 der Evakuationsort für die Landesregierung im Kriegsfall. In diese Frage kam erst im August 1940 wieder Bewegung. In der Zwischen- zeit hatte General Guisan am «Rütli-Rapport» vom 25. Juli 1940 seine Strategie des Rückzugs in den Alpenraum, d. h. in das «Réduit national» dargelegt. Diese konnte nicht ohne Konsequenzen auf die Evakuationsvorbereitungen des Bun- desrates bleiben: Die zuvor getroffenen Massnahmen basierten noch darauf, dass ein grosser Teil des Landes bei einem feindlichen Angriff gehalten werden könnte.53 Generalstabschef Jakob Huber, der von General Guisan am 23. März 1940 zum Nachfolger von Jakob Labhart ernannt worden war, meldete dem Oberbefehlsha- ber der Armee daher am 6. August 1940 eine für den Bundesrat geeignete ­Kriegsunterkunft. Seine Wahl fiel auf Engelberg. Dies insbesondere der Drahtver- bindungen wegen, welche von Emmetten über den Seelisberg und längs dem Westufer des Urnersees nach Seedorf führten. Zudem lag ein Kabel im See von Treib nach Brunnen, weshalb Generalstabschef Huber die Verbindungen von der Landesregierung zum Armeekommando in Altdorf als gesichert erachtete.54 Anlässlich der weiteren Abklärungen zum Standort Engelberg gelangte der Unterstabschef Gruppe Id im Armeekommando allerdings zur Ansicht, dass die

51 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Evakuationschefs der Bundesverwaltung vom 29. Mai 1940, BAR E 27 13145. 52 Vgl. oben Kap. 3.2. 53 Vgl. Schreiben von General Guisan an den Bundesrat vom 5. Oktober 1940 BAR E 5795 153. 54 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 6. August 1940, BAR E 27 13145.

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bereits im Mai 1940 auf 400 reduzierte Zahl der zu evakuierenden Personen noch weiter verringert werden müsse. Zur Begründung führte er an, das Réduit sei für die Aufnahme von Personen wie Gütern sehr beschränkt.55 Er werde durch die in ihm sesshafte Bevölkerung und durch die Armee mit dem notwendigen Ma- terial und den Verpflegungsmitteln schon aufs Äusserste in Anspruch genom- men.56 Er schlug daher vor, es sei nur die politische, nicht aber die administrative Behörde zu evakuieren, eventuell unter Einbezug des Parlaments. Die eigentliche Bundesverwaltung solle im Okkupationsgebiet verbleiben und das Schicksal der Zivilbevölkerung teilen, um dem okkupierenden Feind in deren Interesse zur Verfügung zu stehen.57 Dieser Meinung schlossen sich sowohl General Guisan als auch Generalstabschef Huber an.58 In der Folge gelangte Oberbefehlshaber Guisan mit Schreiben vom 5. Oktober 1940 an den Bundesrat, um ihn darüber zu informieren, dass aufgrund der «veränderte[n] Lage die Evakuation der Bundesverwaltung neu»59 geregelt werden müsse. Da die Eidgenössische Verwaltung im Réduit «im Kriegsfall kaum mehr verwaltungstechnische Aufgaben zu erfüllen» habe, reiche es auch, den Bundes- rat «mit dem ihm zur Fortführung der politischen Geschäfte notwendigsten Personal und Material» im Zentralraum unterzubringen. Die Entscheidung, ob auch die Bundesversammlung in das Réduit evakuiert werden oder ihr dort im- merhin Aufnahme im Kriegsfalle «gesichert» werden sollte, überliess General Guisan dem Bundesrat. Auf diese Mitteilung reagierte die Landesregierung prompt: Bereits am 8. Ok- tober 1940 teilte Bundespräsident Pilet-Golaz dem Oberbefehlshaber mit, dass man seitens des Bundesrates gegen eine weitere Reduktion des zu evakuierenden Personals nichts einzuwenden habe. Bezüglich der Bundesversammlung erachte- te es die politische Führung weder «pratiquement possible, ni nécessaire, de la convoquer et de la réunir où nous siégerons.»60 Für die Vollmachtenkommissionen sollten hingegen Vorkehrungen getroffen werden, um sie mit dem Bundesrat

55 Vgl. Schreiben des Unterstabschef Gruppe Id von Muralt an General Guisan vom 30. September 1940, BAR E 5795 153. 56 Schreiben von General Guisan an den Bundesrat vom 5. Oktober 1940, BAR E 5795 153. 57 Vgl. Schreiben des Unterstabschef Gruppe Id von Muralt an General Guisan vom 30. September 1940, BAR E 5795 153. 58 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 4. Oktober 1940, BAR E 5795 153 und Schreiben von General Guisan an den Bundesrat vom 5. Oktober 1940, BAR E 5795 153. 59 Schreiben von General Guisan an den Bundesrat vom 5. Oktober 1940 BAR E 5795 153. 60 Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an General Guisan vom 8. Oktober 1940, BAR E 27 13145; vgl. auch Schreiben von Bundesrat Minger an General Guisan vom 18. Oktober 1940, BAR E 27 13145.

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evakuieren zu können, «si c’était indispensable.»61 Hinsichtlich des Unterkunfts- orts habe der Bundesrat beschlossen, dem Vorschlag des Generalstabs zu folgen: «Ce serait dans le canton d’Unterwald, où vous savez» – also in Engelberg.

3.4 Zwischenergebnis: Der deutsche Westfeldzug als Zäsur Somit ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen als Zwischenergebnis, dass die Niederlage Frankreichs nach dem Westfeldzug Hitlers eine eigentliche Zäsur in den Evakuationsvorbereitungen für den Bundesrat markierte: Zuvor, d. h. von Kriegsbeginn bis ins Frühjahr 1940 galt weiterhin die Ende der 1910er Jahre formulierte Doktrin, wonach mit der Landesregierung auch eine reduzier- te, aber funktionsfähige Verwaltung evakuiert werden sollte. Behördenseitig wa- ren die entsprechenden Vorbereitungen weit fortgeschritten, wie Dokumente aus dem EVD zeigen. Unklarheiten herrschten hingegen hinsichtlich der Transport- mittel für die Evakuation und deren Bestimmungsort.62 Beides lag nach dem Ver- ständnis der involvierten Personen in der Verantwortung der Armee.63 Mit der Niederlage Frankreichs und der darauf folgenden Réduit-Strategie von General Guisan kam es indessen zum Bruch mit den bisherigen Planungen: Zum einen verlangte das Armeekommando eine weitere drastische Reduktion des zu evakuierenden Personals. Damit verbunden waren eine Beschränkung der Eva- kuation auf die politische Führung und die Spitzen einiger wichtiger Ämter. Das Gros der Verwaltungsbehörden sollte weitgehend in Bern verbleiben. Zum andern gab es nun Zusagen hinsichtlich der von Seiten der Armee zur Verfügung gestell- ten Transportmittel und einen konkreten Entscheid zum Evakuationsort. Es liegt zwar nahe, dass der Anstoss für diese Veränderungen ursprünglich vom Generalsekretär des EVD kam, welcher noch vor dem Westfeldzug auf eine Aussprache des Bundesrates mit General Guisan drängte. Entscheidende Fragen wurden jedoch erst im Spätsommer und Herbst 1940 angegangen und damit erst, nachdem klar war, dass die Armee den Grossteil des Landes im Rahmen der Réduit-Strategie nicht halten würde. Da viele wichtige Entscheidungen gemäss den konsultierten Quellen massgeblich durch die Armeeführung und nicht durch den Bundesrat selbst vorbereitet wurden, könnte im Rückblick der Eindruck

61 Ebd.; wenn die Vollmachtenkommission «als Rumpfparlament» überhaupt evakuiert werden sollte, so war allerdings deren «Standort […] möglichst weit weg vom Bundesrat gewünscht», wobei diese Tatsache auch noch nach dem Krieg vertraulich behandelt werden sollte, vgl. Schreiben des stv. Direktors der Militärver- waltung an die Generalstabsabteilung vom 21. April 1948, BAR E 27 13143. 62 Vgl. auch die Notizen an Bundesrat Minger vom 8. Oktober 1940 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13145 und vom 11. Oktober 1940, BAR E 27 13145. 63 Vgl. dazu etwa die Notiz von Generalsekretär Péquignot an Bundesrat Obrecht vom 25. April 1940, BAR E 27 13145.

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entstehen, als ob das Primat der Politik im Bereich der Evakuationsvorbereitungen für den Bundesrat in jener Phase nicht durchgehend gewährleistet war.

3.5 Die Konkretisierung der Evakuationsvorbereitungen nach dem Westfeldzug Die im Herbst 1940 getroffene Wahl Engelbergs als Aufnahmeort und der Ent- schluss zur Begrenzung der Dislokation auf die politische Führung und die Spit- zen einiger wichtiger Ämter bildeten die Grundlage für eine Konkretisierung der Evakuationsvorbereitungen. Am 8. Oktober 1940 gelangte Bundespräsident Pilet-Golaz an den zuständigen Evakuationsoffizier der Bundesverwaltung, Hauptmann Sessler, und befahl die Vorbereitung von «Unterbringung und Verpflegung von ca. 200 Personen in heizbaren Etablissementen»64 in «einem Ort der Zentralschweiz», der anlässlich der Unterredung vom 7. Oktober 1940 bekannt gegeben worden sei. Nach dem vorstehend Gesagten muss es sich dabei um Engelberg gehandelt haben. Zudem ordnete Bundespräsident Pilet-Golez an, dass Hauptmann Sessler Bericht über Verbindungswege und Bahnverbindungen sowie «Post, Telegraph und Telephonverbindungen [sowie] Radioempfang» erstatte. Es sei zu prüfen, ob die Strassenverbindung im Winter offen gehalten und ein Radiosender einge- richtet werden könne. Ebenso sollten Motorboote für die Verbindung mit dem Armeestab in Altdorf zur Verfügung gehalten, die Einrichtung eines Militärflug- platzes in der Nähe von Engelberg und die Versorgungssituation mit elektrischer Kraft geprüft werden. Fragen stellten sich Bundespräsident Pilet-Golaz auch in Bezug auf «Lebensmittel- und Heizungsvorräte, Sanitätseinrichtungen, Tele- phon- und Auto-Ersatzmaterial» sowie «eine leistungsfähige Druckerei». Schliess- lich erteilte Bundesrat Pilet-Golaz dem Evakuationsoffizier auch den Auftrag, die Möglichkeit zur Einrichtung von Luftschutzlokalitäten in den für den Bundesrat bestimmten Gebäuden in Engelberg sowie einen gegen Fliegersicht geschützten Parkplatz für Automobile zu evaluieren. Den Auftrag von Bundespräsident Pilet-Golaz nahm Hauptmann Sessler un- verzüglich an die Hand. Bereits am 9. Oktober 1940 begab er sich für zwei Tage nach Engelberg, um die dortige Situation zu rekognoszieren. Am 17. Oktober 1940 fand eine Konferenz zwischen Hauptmann Sessler und einem Offizier des Armeekommandos über die Ergebnisse der Rekognoszierung statt.65 Dabei

64 Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an Evakuationsoffizier Sessler vom 8. Oktober 1940, BAR E 27 13145. 65 Vgl. Bericht von Hauptmann Simonin an den Unterstabschef Front über die Konferenz vom 17. Oktober 1940 mit Evakuationsoffizier Sessler vom 18. Oktober 1940, BAR E 27 13145.

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wurde festgestellt, dass das Kloster in Engelberg für die Unterbringung nicht in Betracht kam, da keine Keller für Luftschutzräume vorhanden waren, sich in einem Nebengebäude ein Munitionslager befand und zudem zahlreiche Samm- lungen des Landesmuseums Zürich im Kloster deponiert waren. Für eine Unterbringung des Bundesrates zur Verfügung standen jedoch zwei bis drei grosse Hotels ausserhalb der Ortschaft Engelberg. Für die dort untergebrach- ten deutschen Emigranten musste jedoch eine neue Bleibe gefunden werden. Offenbar handelte es sich um die Hotels Terrasse-Palace, Parkhotel Sonnenberg und Edelweiss.66 Die damaligen Heiz- und Lebensmittelvorräte in Engelberg waren nach Einschätzung von Evakuationsoffizier Sessler ungenügend, je vier Bäckereien und Metzgereien waren in Engelberg aber vorhanden. Die verfügba- ren 80 Tonnen Heizungsmaterial sollten weiter aufgestockt werden, da sie als Vorrat nicht ausreichten. Die Verkehrsverbindungen nach Engelberg mit der Schmalspurbahn – welche parallel zur Strasse verlief und daher verletzbar war – und den Strassen über den Surenen- sowie den Jochpass betrachtete man als dürftig. Für den Kontakt zum Armeestab in Altdorf wurden indessen vier Schnellboote in Buochs bereitgestellt. Als Militärflugplatz kam nur der dortige Flugplatz in Frage. Die Telefon-, Tele- graphen- und Radioverbindungen qualifizierten die Verantwortlichen als noch ausbaufähig. Für die Versorgung mit elektrischer Energie standen das Werk der Schmalspurbahn sowie das Obermattwerk (in Verbindung mit dem Grimselwerk) zur Verfügung. Das klostereigene Stromkraftwerk stand kurz vor der Fertigstel- lung. Die Lage der Elektrizitätswerke wurde von Hauptmann Sessler jedoch als ungünstig erachtet, weil sie gegnerischer Fliegereinwirkung ausgesetzt waren. Da die Ortschaft Engelberg lediglich verdunkelungspflichtig war und das Kloster – wie erwähnt – nicht über unterirdische Gänge oder Keller verfügte, war vorge- sehen, über den Winter 1940/1941 im Berg Luftschutzstollen anzulegen. Über die Evakuation des Bundesrates nach Engelberg war von Hauptmann Sessler lediglich der dortige Gemeindepräsident informiert worden. Anlässlich der Konferenz vom 17. Oktober 1940 wurden auch weitere Einzel- fragen diskutiert. So kamen Hauptmann Sessler und der von Seiten des Armee- kommandos an der Konferenz teilnehmende Hauptmann Simonin überein, dass unbedingt festgelegt werden müsse, welche Personen genau zu evakuieren seien. Bestimmt werden müsse zudem, welches Material mitgenommen, zu vernichten oder unbeschädigt in Bern zurückzulassen sei. Sie erachteten es auch als unum-

66 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Generalstabschef Huber vom 7. Januar 1941, BAR E 27 13145.

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gänglich, Truppen zur Bewachung und Verkehrsregelung sowie ein Stabskomman- do, Dienstorgane und Heerespolizisten abzukommandieren. Für das Verhalten während der Fahrt nach Engelberg sei die Erteilung von Weisungen betreffend Fliegerdeckung und Abständen unerlässlich. Angesichts der zahlreichen Unzu- länglichkeiten von Engelberg warfen Hauptmann Sessler und Hauptmann Simo- nin indessen auch die Frage auf, ob Andermatt anstelle von Engelberg als Standort des Bundesrates im Evakuationsfall nicht geeigneter wäre. In der Folge hielt der Bundesrat zunächst an Engelberg als Evakuationsort fest und sprach am 12. November 1940 einen Kredit über Fr. 50 000.– für den Bau von dortigen Luftschutzeinrichtungen.67 Am 31. Dezember 1940 genehmigte er überdies verschiedene Dispositionen von Hauptmann Sessler, welche zu treffen dieser im Zusammenhang mit der Evakuation nach Engelberg vorschlug.68 So sollte sich die Zahl der zu evakuierenden Personen auf 157 bis 212 Personen be- laufen. Hauptmann Sessler wurde beauftragt, den Armeestab über die Belegung der drei Hotels in Engelberg zu informieren und diesen zu veranlassen, die «notwendigen Anordnungen für den militärischen Schutz dieses Ortes zu tref- fen.» Beim Armeestab sollte zudem die nötige Anzahl Personenwagen und Ca- mions bestellt werden. Im Weiteren wurde Hauptmann Sessler beauftragt, mit der Generaldirektion der SBB Kontakt aufzunehmen, damit diese zwei Eisen- bahnzüge in Bern und eine entsprechende Anzahl Rollschemmel in Interlaken bereitstellte. Die Rollschemmel waren nötig, um bei einem allfälligen Abtransport per Bahn mit dem SBB-Rollmaterial in Interlaken auf die Schmalspurbahn Richtung Brünig zu wechseln. Für die Bereitstellung von Heizmaterialvorräten verwies Bundespräsident Pilet-Golaz den Evakuationsoffizier an das EVD. Die PTT sollten zudem mit «Erweiterungen der Telephonzentrale in Engelberg […] und [der] Stellung des Bedienungspersonals» betraut werden, die Einrichtung einer Sende-Anlage in Engelberg hingegen oblag dem Armeestab. Im Anschluss an die Genehmigung der Vorschläge von Hauptmann Sessler durch den Bundesrat erliess Generalstabschef Huber verschiedene Anordnungen an die zuständigen Stellen, um die von der politischen Führung verlangten Vorkehrungen zu treffen.69 Insbesondere forderte er den Kommandanten des 3. Armeekorps auf, den Schutz des in seinen Verantwortungsbereich fallenden

67 Vgl. Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Schweizerischen Bundesrates vom 12. November 1940, BAR E 27 13145. 68 Vgl. Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an Evakuationsoffizier Sessler vom 31. Dezember 1940, BAR E 27 13145. 69 Vgl. etwa Schreiben von Generalstabschef Huber an den Chef der Mobilmachungssektion vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145; Schreiben von Generalstabschef Huber an den Unterstabschef der Gruppe Ia Front vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145.

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Abbildung 2: Belegung der Ortschaft Engelberg (Beilage zum Schreiben des Kommandanten des 3. Armeekorps an Generalstabschef Huber vom 12. Januar 1941, BAR E 27 13145)

44 3. Vom Beginn des Zweiten ­Weltkriegs bis zum 31. Dezember 1940

Engelbergs zu übernehmen. Da das 3. Armeekorps auch für die Sperre des Sure- nen- und Jochpasses verantwortlich war, ging Generalstabschef Huber davon aus, dass in Engelberg ohnehin eine Truppenreserve stationiert sei. Auch die Ortswehr stand für den Schutz des Bundesrates zur Verfügung und Generalstabschef Huber stellte in Aussicht, dass im Bedarfsfall Polizeiorgane aus dem Mittelland nach Engelberg verlegt werden könnten.70 Während des Transports der Eisen- bahnzüge von Bern nach Engelberg sollte die «Bedeckungs- und Begleitmann- schaft […] aus der Bundeshauswache gestellt werden.»71 Am 12. Januar 1941 gelangte der Kommandant des 3. Armeekorps an den Generalstabschef und teilte diesem aufforderungsgemäss die von ihm vorgese- hene Belegung von Engelberg mit. Gleichzeitig wies er daraufhin, dass ihm der Bestand und die Kampfaufgaben der in diesem Raum zur Verfügung stehenden Truppen die Übernahme des Schutzes von Engelberg nicht erlaubten, weshalb er um Zuteilung einer Ter. Füs. Kp. und einer Ter. Mitr. Kp. bat. Zudem teilte er dem Generalstabschef mit, dass Engelberg «unter den gegebenen Umständen […] einer starken Flab bedarf.»72

3.6 Zusammenfassung Für den Zeitraum vom Beginn des Zweiten Weltkriegs bis Ende 1940 folgt aus dem Gesagten, dass anfänglich weiterhin die Prämisse aus der Zwischenkriegs- zeit galt, wonach im Kriegsfall neben dem Bundesrat auch ein ­funktionstüchtiger Teil der Bundesverwaltung evakuiert werden sollte. Dass als Bedrohungsszenario ein ebensolcher Kriegsfall im Vordergrund stand, ist angesichts der politischen Grosswetterlage in Europa mehr als nachvollziehbar. Es zeigte sich, dass für den damals federführenden Bundespräsidenten Pilet- Golaz der Schutz der Landesregierung in Bern zunächst Priorität hatte. Die Vorbe- reitungen für eine Evakuation des Bundesrates und der von ihm bezeichneten Ämter waren seitens der Verwaltung indessen ebenfalls weit fortgeschritten. Die Armee konnte Mitte 1940 den Transport und die Unterbringung des Bundesrates im Kriegsfall aber nicht garantieren. Insbesondere verfügte sie über zu wenige Lastfahrzeuge und soweit ersichtlich war auch der Evakuationsort noch nicht näher bestimmt. Ohnehin geht die Forschung davon aus, dass die Schweiz damals militärisch einem «Vorstoss der Wehrmacht von Frankreich her rasch erlegen»73

70 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an den Kommandanten des 3. Armeekorps vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145. 71 Schreiben von Generalstabschef Huber an Evakuationsoffizier Sessler vom 9. Januar 1941, BAR E 27 13145. 72 Schreiben des Kommandanten des 3. Armeekorps an Generalstabschef Huber vom 12. Januar 1941, BAR E 27 13145. 73 Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 264.

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wäre, da «die Verteidigungsstellungen […] auf den Rhein ausgerichtet, die Trup- pen im Mittelland zerstreut [und] die Moral nach dem Fall Frankreichs erschüt- tert» war.74 In Bezug auf die Evakuationsvorbereitungen kam es indessen nach dem Be- ginn der Westoffensive Hitlers gegen die Benelux-Staaten und Frankreich im Mai 1940 zu einer regelrechten Zäsur: Einerseits drängte das Armeekommando auf eine starke Reduktion des zu evakuierenden Personals, sodass schliesslich bei einer Zahl von rund 200 Personen nur noch von einer Verschiebung der eigentlichen politischen Führung und der Spitze der zentralen Ämter die Rede sein kann. Als Ort für die Unterbringung dieser Gruppe war Engelberg vorgesehen. Für das nun mit grossem Elan an die Hand genommene Evakuationsdispositiv nahm der Evakuationsoffizier der Bundesverwaltung, Hauptmann Sessler, eine zentrale Rolle ein. Er war für die Klärung der vom Bundesrat aufgeworfenen Fragen hauptsächlich zuständig. In Zusammenarbeit mit dem Generalstabschef und weiteren Armeestellen kümmerte er sich um die wichtigsten Anliegen der Lan- desregierung, welche insbesondere die Kommunikationsverbindungen von Engel- berg nach den anderen Landesteilen, den Betrieb der als Unterkünfte ausgewähl- ten Hotels und den Transport dorthin betrafen. Angedacht war, dass die Landes- regierung von der Bundeshauswache begleitet wurde, damit auf dem Transport für ihren Schutz gesorgt war. Für den militärischen Schutz Engelbergs und insbe- sondere der Unterkünfte des Bundesrates gelangte Hauptmann Sessler ebenfalls an den Generalstabschef, welcher den Kommandanten des 3. Armeekorps mit den entsprechenden Vorkehrungen betraute. Die vorhandenen Quellen lassen den Schluss zu, dass immerhin gegen Ende 1940 die Evakuationsvorbereitungen des Bundesrates in ein Stadium fortgeschrit- ten waren, in welchem von einem leidlich funktionierenden Dispositiv gesprochen werden kann. Wie sich indessen zeigen sollte, verkamen diese Vorbereitungen nur wenig später teilweise wieder zur Makulatur.

74 Relativierend hierzu allerdings: Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg, Schlussbericht, Zürich 2002, S. 84.

46 47

Die Weichenstellungen 4im Jahr 1941 50 44. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

4.1 Situation in Europa und Wahl von Karl Kobelt in den Bundesrat Dass die Vorbereitungen für die Evakuation des Bundesrates im Jahr 1941 bereits wieder revidiert wurden, hatte wenig mit einer unvermittelten Änderung der mi- litärischen oder geopolitischen Lage in Europa zu tun: Seit der Niederlage Frank- reichs im Juni 1940 konzentrierte sich die militärische Führung Deutschlands vielmehr darauf, «Grossbritannien durch massierte Luft- und Seekriegführung niederzuringen».75 Im April 1941 sah sich Hitler dann gezwungen, Jugoslawien sowie Griechenland zu besetzen, um den italienischen Verbündeten zu Hilfe zu eilen und den britischen Einfluss im Mittelmeer zu begrenzen.76 Bereits im Fe- bruar 1941 hatte Deutschland unter General Erwin Rommel das sog. «Afrika- korps» nach Nordafrika geschickt,77 um gemeinsam mit italienischen Verbänden die dort stationierten Briten in Schach zu halten. Parallel dazu bereitete die nationalsozialistische Führung den Überfall auf die Sowjetunion vor.78 Der von Hitler bereits am 18. Dezember 1940 befohlene Angriff mit dem Decknamen «Fall Barbarossa» begann am 22. Juni 1941: Unter Miss- achtung des im August 1939 geschlossenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffs- pakts überfielen «etwa drei Millionen deutsche Wehrmachtssoldaten zusammen mit etwa 600 000 Soldaten aus Italien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn […] die völlig überraschte Sowjetunion.» Durch den massiven Einsatz von Personal und Material der Wehrmacht in Nordafrika und im Osten entspannte sich die strategische Lage der Schweiz dem- nach langsam, «hätte es doch fortan der Wehrmacht Mühe bereitet, die für die Eroberung der Schweiz notwendigen Truppen»79 aus den laufenden Operationen herauszulösen. Zudem befanden sich «im Mai 1941 genügend Vorräte für Truppen

75 Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 291. 76 Ebd., S. 294. 77 Ebd., S. 295. 78 Ebd., S. 297. 79 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013].

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und Bevölkerung im alpinen Zentralraum», sodass General Guisan «auch die 2. Hälfte der Feldarmee ins Réduit zurück[zog]». Bei dieser Ausgangslage hätte erwartet werden können, dass der Bundesrat an den im Jahr 1940 getroffenen Vorbereitungen für sein Funktionieren im Kriegs- fall festhält. Am 1. Januar 1941 trat jedoch Karl Kobelt in die Landesregierung ein.80 Er war am 10. Dezember 1940 in den Bundesrat gewählt worden und trat die Nachfolge von Rudolf Minger als Vorsteher des EMD an. Während in der Amts- zeit Mingers gemäss Aktenlage vor allem der nicht unumstrittene Bundespräsi- dent von 1940, Marcel Pilet-Golaz,81 um die Bedürfnisse des Bundesrates im Kriegsfall bekümmert war,82 nahm sich ab 1941 der EMD-Vorsteher Kobelt dieser Angelegenheit an. Er war in Bezug auf die Krisenvorbereitungen des Bundesrates ungleich aktiver als sein Amtsvorgänger und Bundesrat Pilet-Golaz. Zudem zeigte sich im Verhältnis zur Armeeführung ein stärkeres Beharren auf dem Primat der Politik, was die Evakuationsvorbereitungen des Bundesrats anbelangt. Ob dies Folge oder gar (Mit-) Ursache für das «von Distanz und teils von Argwohn»83 geprägte Verhältnis von Bundesrat Kobelt zu General Guisan war, muss an dieser Stelle offen bleiben.

4.2 Neue Standortwahl des Bundesrates Beleg für die aktiveren Bemühungen um die Bedürfnisse der Landesregierung ist, dass sich bereits kurz nach dem Amtsantritt Kobelts eine neue Wahl für den Standort des Bundesrates im Kriegsfall abzeichnete. Mit Schreiben vom 13. Janu- ar 1941 teilte General Guisan dem Generalstabschef Huber mit, dass der «Chef des Eidgenössischen Militärdepartements […] von der Auswahl Engelbergs als Sitz der Bundesregierung im Kriegsfalle nicht sehr befriedigt»84 war. Eine Abänderung der Unterbringung des Bundesrates berührte die Armee nach Ansicht von General Guisan aber nur insofern, als der Landesregierung bekannt gegeben werden müsse, welche Ortschaften noch belegt werden könnten. Er bat Generalstabschef Huber daher, Standorte im Reusstal, am Vierwaldstätter- see und in der Gegend von Schwyz zu prüfen. Den Handnotizen von Generalst-

80 Vgl. Mayer, Marcel, Kobelt, Karl, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21. August 2006, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D4646.php [zuletzt konsultiert am 19. Mai 2013] sowie http:// www.admin.ch/br/dokumentation/mitglieder/departementsvorsteher/archiv/index.html?lang=de [zuletzt konsultiert am 19. Mai 2013]. 81 Vgl. hierzu Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 266. 82 Vgl. dazu das vorstehende Kap. 3. 83 Mayer, Marcel, Kobelt, Karl, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21. August 2006, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D4646.php [zuletzt konsultiert am 19. Mai 2013]; vgl. zum kon- fliktbeladenen Verhältnis zwischen Bundesrat Kobelt und General Guisan etwa auch: Bradke, Sven, Bun- desrat Karl Kobelt: EMD Chef während des Zweiten Weltkriegs, ASMZ 12/2010, S. 41. 84 Schreiben von General Guisan an Generalstabschef Huber vom 13. Januar 1941, BAR E 5795 154.

52 4. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

abschef Huber kann entnommen werden, dass dieser Engelberg entgegen der Meinung des Bundesrates weiterhin als «am geeignetsten»85 für dessen Unter- bringung erachtete. Die Standorte Weggis, Vitznau, Gersau und Brunnen-Ingen- bohl seien zu nahe an der Front gelegen, Seelisberg zu fliegerexponiert. In seiner Antwort vom 17. Januar 1941 teilte er dem Oberbefehlshaber daher mit, dass seiner Ansicht nach an Engelberg als Kriegsstandort festzuhalten sei. Diese Wahl sei insbesondere «mit Rücksicht auf den vorgesehenen Kriegs-K.-P. des Armee­ kommandos»86 getroffen worden. Zudem sei für direkte Drahtverbindungen vom Oberbefehlshaber zum Bun- desrat gesorgt und auch sonst seien die Verbindungen von Engelberg nach aussen verbessert worden; eine von Engelberg aus bedienbare Sendeanlage sei im Bau. Des Weiteren sei Engelberg die einzige grössere Ortschaft «mit genügend dispo- nibler Unterkunft in bis zum Letzten gesicherter Lage und auch der Fliegerein- wirkung wenig ausgesetzt.» Sollte der Bundesrat einen Standort wünschen, von dem aus persönlicher Verkehr mit dem Oberbefehlshaber «noch leichter» möglich sei, so kämen Erstfeld, Amsteg oder Wassen in Frage, wobei die dortigen Unterkunftsmöglichkeiten aber bescheiden seien. Dieses Schreiben leitete der General am 18. Januar 1941 an Bundesrat Kobelt weiter, mit der Bitte «um mög- lichst baldige Mitteilung der Entschlüsse des Bundesrates.»87 Während sich die Führungsspitzen von Armee und Politik erneut mit der Standortwahl für den Bundesrat befassten, gingen derweil die Vorbereitungen für eine Evakuation nach Engelberg weiter. Im Armeekommando finalisierte der Evakuationsdienst am 21. Januar 1941 einen vertraulichen Plan über die Evakua- tion des Bundesrates nach Engelberg.88 Demgemäss wiesen die drei dortigen Hotels Sonnenberg, Terrace und Edelweiss eine Kapazität von 187 Personen auf. Der Evakuationsdienst erhoffte sich weiterhin eine personell schlanke Evakuation nach dem Grundsatz: «Dans le Réduit il ne faut pas administrer, mais seulement gouverner.» Für den Transport ab Bern sei in erster Linie auf Autos zurück zu greifen, welche in Bern sicherzustellen und für den Weg via Brünig mit je «2 Kan- nen Benzin […] nur für den B[undes].R[at].» auszustatten seien. Als zweite Möglichkeit sei der Abtransport mit zwei Zügen vorbereitet, welche Bundesrat Pilet-Golaz direkt bei den SBB bestellt hatte. Vorgesehen war, entweder die Strecke­

85 Handnotizen auf dem Schreiben von General Guisan an Generalstabschef Huber vom 13. Januar 1941, BAR E 27 13145; zudem Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 17. Januar 1941, BAR E 27 13145. 86 Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 17. Januar 1941, BAR E 27 13145. 87 Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 18. Januar 1941, BAR E 5795 154. 88 Vgl. Evakuationsplan des Armeekommandos Gruppe Id, Evakuationsdienst, vom 21. Januar 1941, BAR E 27 13145.

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Abbildung 3: Auszug aus dem Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 12. Februar 1941 (BAR E 27 14326)

54 4. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

ab Ostermundigen via Langnau nach Luzern zu benützen, dann über den See nach Stansstad zu gelangen und von dort erneut weiter mit der Bahn nach En- gelberg zu dislozieren, oder aber via Interlaken-Brünig nach Sarnen zu fahren und von dort mit Autos weiter nach Engelberg zu verschieben. Die Begleitmann- schaft für Autos und Bahn hätte der Ter. Kr. 3 gestellt. Die Telefoneinrichtungen waren noch in Ausführung, wobei im Postgebäude in Engelberg sechzig An- schlüsse für den Bundesrat zur Verfügung standen. Im Kloster hatte man für die Finanzkontrolle einen Tresor mit Platz für 100 Tonnen Gold reserviert. Für die Stromversorgung war auf das Kraftwerk der Stadt Luzern, auf das Trübseewerk und das neue Elektrizitätswerk des Klosters zurückzugreifen. Es war vorgesehen, die Bewachungstruppe im Berghaus zu kantonieren. Die Luftschutzorganisation bestand aus 120 und die Ortswache aus 60 Mann. Ob dieser vertrauliche Plan des Armeekommandos (Gruppe Id Evakuations- dienst) dem Bundesrat je zur Kenntnis gelangte, ist nicht bekannt. Jedenfalls ging Bundesrat Kobelt bereits am 29. Januar 1941 gemeinsam mit dem Geniechef der Armee nach Amsteg, um die dortigen Verhältnisse zu rekognoszieren.89 Am 12. Februar 1941 informierte Bundesrat Kobelt dann General Guisan über den Entscheid des Bundesrates, als Regierungssitz im Evakuationsfall neu Amsteg zu bezeichnen.90 Gleichzeitig stellte der Vorsteher des EMD klar, dass es sich bei Amsteg nur «um den Sitz der Bundes-Regierung (Bundesrat, Bundeskanzlei und einige Mitarbeiter und Bureaupersonal, total 30 – 40 Personen)» handle. Für die Bundesverwaltung, «soweit sie überhaupt evakuiert» werde, bleibe Engelberg als Aufnahmeort bestehen. Weiter wies Bundesrat Kobelt den Oberbefehlshaber der Armee an, in Amsteg verschiedene Vorkehrungen zu treffen. So sei die Ortschaft Amsteg für den Bun- desrat zu reservieren und die Armee habe die nötige Bewachungsmannschaft und die Flugabwehr zu organisieren. Weiter habe die Armee bombensichere Wohn- und Arbeitsräume im Fels mit den nötigen Installationen («Arbeits-, Wohn- und Schlafräume; Verpflegungsmagazin; Küche, sanitäre Einrichtungen; Räume für Wachmannschaft, Kuriere und Küchenpersonal; Ventilation; Gasschutz; Hei- zung; Beleuchtung etc.») zu erstellen. Diese Kaverne sei so auszubauen, dass sie später als Armeemagazin verwendet werden könne. Es sei weiter für die Unter- kunft der Bundesregierung in Hotels zu sorgen und darauf zu achten, «dass ein günstiger Zugang von den Hotels zur Kaverne erstellt wird.»

89 Vgl. Handnotizen von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 29. Januar 1941, BAR E 27 13145. 90 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 12. Februar 1941, BAR E 27 14326.

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Abbildung 4: Auszug aus den Anordnungen für die Evakuation des Bundesrates und eines Teiles der Bundesverwaltung vom 3. Juni 1941 (BAR E 27 14326)

56 4. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

Um auch bis zur Fertigstellung dieser Kaverne für einen Kriegsfall gerüstet zu sein, sei als bombensicherer Unterstand der Bahntunnel südlich der Station Sile- nen-Amsteg zu verwenden. Es solle zu diesem Zweck «ein Eisenbahnzug mit Ar- beits- und Schlafräumen in den Tunnel gestellt werden», wobei das eine Gleis der Gotthardstrecke auf diesem Abschnitt für den Durchgangsverkehr zu sper- ren sei. Damit der Tunnel von Amsteg aus gut erreicht werden konnte, wies Bun- desrat Kobelt das Armeekommando an, den Fussweg zu dessen Südportal zu verbessern. Weiter mussten «Telephonanschlüsse […] vom Tunnel, den Hotels und der Kaverne zum Armeekommando» erstellt sowie die notwendigen Vorbe- reitungen «für den Pressedienst, das Radio, den Radioabhör- und den Nachrich- tendienst im Reusstal» getroffen werden. Letztere Dienste seien neben der Armee auch dem Bundesrat zur Verfügung zu stellen. Alle diese Vorbereitungen seien – so Bundesrat Kobelt in seinem Schreiben vom 12. Februar 1941 an General Gu- isan – durch die Armee zu treffen, in Verbindung mit dem Chef des EMD. Mit dem Amtsantritt von Karl Kobelt als Vorsteher des EMD ergaben sich demnach erhebliche Änderungen bei den Evakuationsvorbereitungen des Bundes- rates: Zum einen und am offensichtlichsten betraf dies den Kriegsstandort des Bundesrates: Nachdem unter der Führung von Bundespräsident Pilet-Golaz und auf Vorschlag der Armeeführung hin zunächst Engelberg ausgewählt wurde, fiel die Wahl unter Bundesrat Kobelt auf Amsteg. Welche Gründe letztlich den Aus- schlag für Amsteg gaben, lässt sich rückblickend nicht mehr restlos klären. Vieles spricht indessen dafür, dass die Landesregierung im Kriegsfall in der Nähe des Armeekommandos bleiben wollte, dessen Kriegs-Kommandoposten sich damals offenbar in Altdorf befand.91 Zum anderen brachte es die Wahl Amstegs als Kriegsunterkunft des Bundes- rates mit sich, dass eine Zweiteilung des zu evakuierenden Personals vorgenommen werden musste. In der «Gruppe A»,92 welche nach Amsteg verbracht worden wäre, befanden sich nur die Bundesräte, der Bundeskanzler und einige enge Mitarbeiter sowie Büropersonal, insgesamt dreissig bis vierzig Personen. Die nach Engelberg zu evakuierende «Gruppe B»93 hätte nur die Spitzenbeamten einiger wichtiger Verwaltungsstellen umfasst. Schliesslich lässt sich erkennen, dass Bundesrat Kobelt den Evakuationsvor- bereitungen für den Bundesrat eine höhere Priorität einräumte als dies noch unter Bundespräsident Pilet-Golaz der Fall war. Gegenüber der Armeeführung

91 Vgl. Maurer, Hans-Rudolf (Hrsg.), Geheime Kommandoposten der Armeeführung im Zweiten Weltkrieg: Projekte, Bauten und der mobile Kommandoposten, 2.A., Lenzburg 2001, S. 14. 92 Evakuationsoffizier Sessler, Personenverzeichnis der Gruppe A vom 24. April 1941, BAR E 27 13145. 93 Evakuationsoffizier Sessler, Personenverzeichnis der Gruppe B vom 24. April 1941, BAR E 27 13145.

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Abbildung 5: Auszug aus dem Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Generaldirektion der Bundesbahnen vom 11. Juni 1941 (BAR E 27 13145)

58 4. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

und den mit den Vorbereitungsarbeiten befassten Stellen trat er mit grösserer Bestimmtheit auf und mischte sich auch in die Planungsdetails ein. Im Vergleich zu den ersten fünfzehn Kriegsmonaten bis Ende 1940 zeichnete sich damit ab, dass das Primat der Politik gegenüber dem Oberbefehlshaber der Armee stärker akzentuiert wurde, als dies noch unter dem Vorgänger von Bundesrat Kobelt, Bundespräsident Pilet-Golaz, der Fall gewesen war. Dies zeigte sich auch daran, dass der Zeitpunkt der Evakuation der Landesregierung neuerdings nur noch vom Bundesrat und nicht mehr – alternativ – auch von der Armeeführung zu bestim- men war.94

4.3 Vorbereitungen aufgrund des Bundesratsbeschlusses über die Standortwahl Die Wahl von Amsteg zum Kriegsstandort des Bundesrates machte eine ganze Reihe von zusätzlichen Vorbereitungsarbeiten nötig. Zu diesem Zweck begab sich Evakuationsoffizier Sessler Ende Mai 1941 nach Amsteg, um vor Ort weitere -Re kognoszierungen vorzunehmen.95 Zudem fand am 9. Juni 1941 eine hochrangi- ge Sitzung zwischen Bundesrat Kobelt, dessen Departementssekretär Burgunder und dem 1. Adjunkten des EMD, Major Bracher, Geniechef Vifian sowie weite- ren Funktionären statt. Zur Sprache kamen anlässlich dieser Zusammenkunft insbesondere die Be- reitstellung von Arbeits- und Schlafräumen vor Fertigstellung der geplanten Kaverne, der militärische Schutz des Bundesrates in Amsteg sowie die Kommu- nikationsverbindungen.96 Der Ausbruch der Kavernen aus dem Fels hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits begonnen und sollte am 10. Juli 1941 beendet werden. Am 11. Juni 1941 ersuchte Evakuationsoffizier Sessler die Generaldirektion der SBB um Bereitstellung einer Zugskomposition in Erstfeld, welche dem Bundes- rat im Kriegsfalle als Aufenthalts- und Arbeitsstätte dienen sollte.97 Der sollte wie folgt zusammengesetzt sein: 1 Dampflokomotive, 1 elektrische Loko- motive, 1 Schlafwagen, 1 Salonwagen, 1 Speisewagen, 2 Wagen erster und zweiter Klasse, 1 Drittklasswagen mit abmontierbaren Bänken, 2 Fourgons und 2 Güter- wagen K 3. Des Weiteren sollten 2 Güterwagen K 2 mit Sandsäcken gefüllt und als Splitterwehr an die Spitze und an den Schluss des Zuges gestellt werden. Evakuationsoffizier Sessler informierte die Generaldirektion der SBB zudem

94 Vgl. Evakuationsoffizier Sessler, Anordnungen für die Evakuation des Bundesrates und eines Teiles der Bundesverwaltung vom 3. Juni 1941, BAR E 27 14326. 95 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Bundesrat Kobelt vom 30. Mai 1941, BAR E 27 13145. 96 Vgl. Handnotizen von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 9. Juni 1941, BAR E 27 13145. 97 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Generaldirektion der Bundesbahnen vom 11. Juni 1941, BAR E 27 13145.

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­darüber, dass die Armee mittlerweile «Zuleitungen für Lichtstrom mit Transfor- matoren und ein Telephonkabel in den Tunnel, welcher für die Aufnahme des Zuges bestimmt ist, gelegt» habe. Um das richtige Funktionieren der Leitungen zu prüfen, sollte der Zug versuchsweise für kurze Zeit in den Tunnel gefahren werden. Gleichzeitig wies Hauptmann Sessler darauf hin, dass einer der beiden anfangs 1941 zur Evakuation ab Ostermundigen bestellten Züge nicht mehr be- nötigt werde. Die Generaldirektion der SBB bestätigte Evakuationsoffizier Sessler den Erhalt von dessen Schreiben am 19. Juni 1941 und stellte gleichzeitig die Zurverfügung- stellung des verlangten Rollmaterials in Erstfeld in Aussicht. Sie schlug jedoch vor, die Versuche mit den Lichtstrom- und Telefonleitungen in Erstfeld statt im Tunnel bei Amsteg vorzunehmen. Dies um den starken Verkehr auf der Gott- hardlinie nicht zu behindern und die Geheimhaltung «der auffallenden Zusam- mensetzung [des Zuges] wegen»98 nicht zu gefährden. Zudem wiesen die SBB Hauptmann Sessler darauf hin, dass die im Kriegsfall vorgesehene ständige Stationierung einer Zugskomposition im Tunnel südlich Amsteg-Silenen die «Ausserbetriebsetzung einer Spur» nötig mache, was sich nachteilig auf den «starke[n] Militärverkehr» auswirken könne. Überdies bestehe die Gefahr, dass bei Beschädigung der Durchgangsspur «der Betrieb überhaupt eingestellt werden müsste». Soweit ersichtlich hatten diese Einwände der Generaldirektion der SBB keine Weiterungen zur Folge, wohl weil mit den fortschreitenden Arbeiten an der Bundesratskaverne in Amsteg die Bedeutung der Zugskomposition ­ab­­nahm.

4.4 Bericht von Evakuationsoffizier Sessler vom 31. Dezember 1941 Über die weiteren, im ersten Amtsjahr von Bundesrat Kobelt getroffenen Evaku- ationsvorbereitungen der Landesregierung, gibt der Bericht von Evakuationsoffi- zier Sessler vom 31. Dezember 1941 Aufschluss.99 Demnach hätte die den Bundesrat und seine engsten Mitarbeiter, insgesamt 38 Personen umfassende Gruppe im Evakuationsfall zunächst die Hotels Sternen- Post, Kreuz, Hirschen, Engel und Baumgarten in Amsteg bezogen. Die bomben- sichere Unterkunft mit «Wohn- und Arbeitsräume[n] im Fels der Burg Zwing-Uri» war Ende 1941 noch im Bau, wobei die Armee den Ausbruch beendet hatte und nunmehr die weiteren Installationen – «Arbeits- & Schlafräume für 40 Personen, ferner ein Wachtlokal, Küche, Vorratsräume für Lebensmittel, zwei Speisezim- mer, 1 Sitzungszimmer für den Bundesrat, spezielle Räume für Telephonzentra-

98 Schreiben der Generaldirektion der SBB an Evakuationsoffizier Sessler vom 19. Juni 1941, BAR E 27 13145. 99 Vgl. Bericht von Evakuationsoffizier Sessler über die bis zum 31. Dezember 1941 getroffenen Vorbereitun- gen zur Evakuation des Bundesrates und seiner Mitarbeiter, BAR E 27 14326.

60 4. Die Weichenstellungen im Jahr 1941

le und Radio, 1 Krankenzimmer, 1 Raum für das Finanzdep[artemen]t zur Unter- bringung von Geld, eine Garage für 5 Personenwagen etc.» – eingerichtet wurden. Bis zur Bezugsbereitschaft der Bundesratskaverne war der bereits erwähnte Ei- senbahnzug vorgesehen, der im Bedarfsfall in den Tunnel südlich Amsteg-Silenen gezogen werden konnte. Sobald die Kaverne für den Bundesrat hergerichtet war, sollte der Zug als «Arbeits- & Aufenthaltsraum für die Abteilung Presse & Rund- funk sowie für solche Funktionäre dienen, für welche in der Kaverne kein Platz vorhanden» war. Die Alarmorganisation in Bern sah vor, dass der Evakuationsbefehl den Beam- ten durch die Departementschefs oder durch Hauptmann Sessler telefonisch mitgeteilt worden wäre. Für den Fall einer Störung der Telefonverbindungen hatte das Ter. Kdo. 3 «als Befehlsübermittler […] fünfzig Pfadfinder mit Fahrrädern zur Verfügung gestellt». Für den Transport von Bern nach Amsteg standen «7 bundeseigene Personen- wagen für die Mitglieder des Bundesrates» sowie «60 von der Mob. Sekt. mit Aufgebot belegte Privatwagen [und] 8 von der Mob. Sekt. mit Aufgebot belegte Lastwagen» zur Verfügung. Die Sicherheit des Bundesrates in Bern hatte das Ter. Rgt. 80 zu gewährleisten. Für die «Begleitung der Mitglieder des Bundesrates und zur Bewachung der Lastwa- gen hat[te] die Armee einen Zug Infanterie zur Verfügung gestellt», welcher eben diesem Ter. Rgt. 80 zu entnehmen war. Bei der Verschiebung nach Amsteg hat- te «jedem Auto eines Departementschefs […] ein Wagen mit 3 Infanteristen [zu] folgen.» Vor Ort in Amsteg war es am Unterstabschef Front, «die Stellung der nö- tigen Bewachungsmannschaft […] und die Organisation der Flugabwehr» anzu- ordnen. Zur Gewährleistung der Verbindungen am Kriegsstandort des Bundesrates stand einerseits eine Kompanie Radfahrer zur Verfügung. Zudem war vorgese- hen, «dort die bundeseigenen Personenwagen zurück[zu]behalten.» Die Telefon- verbindungen von der Kaverne, den Hotels und dem Eisenbahntunnel zum Ar- meekommando waren von der Armee Ende 1941 bereits erstellt worden. Die Abteilung Presse und Funkspruch führte zusammen mit der Gruppe Front noch Vorbereitungsarbeiten für die Organisation des Presse- und Radioabhör- sowie des Radiodienstes durch. Um die Kommunikation mit den in Engelberg unter- gebrachten Verwaltungsstellen auch mittels Meldeläufern aufrechterhalten zu können, standen in Buochs vier Motorboote «zur ausschliesslichen Verwendung durch die Bundesverwaltung zur Verfügung.» Weitere Vorkehrungen für die Evakuation des Bundesrates betrafen namentlich den Sanitätsdienst. Dieser

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musste von einem Truppenarzt gewährleistet werden, wobei in der Bundesrats- kaverne ein eigenes Krankenzimmer zur Verfügung stand.

4.5 Zusammenfassung Somit lässt sich festhalten, dass das Jahr 1941 mit Blick auf die Planungen des Bundesrates für den Kriegsfall einige Änderungen mit sich brachte. In grundsätz- licher Hinsicht ist zu bemerken, dass Bundesrat Kobelt als EMD-Vorsteher die Evakuationsvorbereitungen stärker nach den Bedürfnissen der politischen Füh- rung auszurichten begann. Dies bedingte eine stärkere Akzentuierung des Pri- mats der Politik gegenüber der Armeeführung. Neben der ins Auge fallenden Änderung des Kriegsstandorts für den Bundesrat ist auch eine grössere Detailliert- heit der fortschreitenden Planungen zu erkennen. Zudem reflektiert der Bau ei- ner bombensicheren und im Kriegsfall längerfristig bewohnbaren Kaverne in Amsteg die Erkenntnis, dass die Achsenmächte einen «totalen Krieg» führten, was entsprechender Vorkehrungen bedurfte. Des Weiteren lässt sich erkennen, dass die Landesregierung im Jahr 1941 – neben einer geschützten Unterkunft – namentlich daran interessiert war, die (Kommunikations-) Verbindungen zum Armeekommando, der Bevölkerung (via die Abteilung Presse und Funkspruch) und der reduzierten Bundesverwaltung in Engelberg aufrecht zu erhalten. Letztere konnte auch den Kontakt zu den di- plomatischen Vertretungen und fremden Staaten gewährleisten.100 Ferner war es dem Bundesrat daran gelegen, über eine gesicherte Transportverbindung nach dem Evakuationsort im Reusstal zu verfügen. Bezüglich der involvierten Armeeteile ergibt sich, dass für die Sicherheit des Bundesrates in Bern das Ter. Rgt. 80 verantwortlich zeichnete. Ein Zug des Ter. Rgt. 80 sollte den Bundesrat bei einer allfälligen Dislokation nach Amsteg beglei- ten, um den Transport zu sichern. In Amsteg selbst waren Schutz und Betreuung des Bundesrates den örtlichen Territorialverbänden anheimgestellt.

100 Vgl. hierzu auch Schreiben von Bundesrat Pilet-Golaz an Bundesrat Kobelt vom 28. Mai 1941, BAR E 27 13145.

62 63

Von Anfang 1942 bis zum5 Kriegsende­ 66 55. Von Anfang 1942 bis zum ­Kriegsende

5.1 Die Situation in Europa Wie schon erwähnt101 entspannte sich die strategische Lage für die Schweiz ab Sommer 1941, als die Achsenmächte Deutschland und Italien ihre Kräfte auf die Kriegführung gegen die Sowjetunion und in Nordafrika konzentrierten.102 Nach den Niederlagen Deutschlands in Nordafrika und Stalingrad im November 1942 bzw. Februar 1943 begann sich das Blatt endgültig zu Ungunsten der Achsen- mächte zu wenden.103 Im Juli 1943 landeten zudem alliierte Streitkräfte in Sizilien, was eine neue Front gegen die faschistischen Regime in Europa eröffnete.104 Im Zusammen- hang mit dieser Invasion glaubte der Schweizerische Nachrichtendienst eine erhöhte Bedrohung für die Landesgrenzen zu erkennen. Er ging davon aus, die deutsche Führung plane die Errichtung einer Festung Europa, in welcher «die Schweiz einen Pfeiler hätte darstellen können.»105 Die Befürchtung, wonach ein Angriff auf die Schweiz kurz bevorstehe, führte zum sogenannten «Märzalarm 1943». Trotz der Landung der Alliierten in Süditalien im Juli 1943 war bis zum Som- mer 1944 im Wesentlichen die Rote Armee «allein für den entscheidenden Landkrieg gegen Deutschland zuständig.»106 Erst mit der Landung in der Nor- mandie am 6. Juni 1944 («Operation Overlord») und dem Landeunternehmen Mitte August an der französischen Mittelmeerküste bei Cannes kam es dann zu einem regelrechten Zweifrontenkrieg gegen das nationalsozialistische Deutsch- land.

101 Vgl. oben Kap. 4.1. 102 Vgl. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 103 Ebd.; vgl. auch Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 300. 104 Vgl. Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 294 f. 105 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 106 Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 302.

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Damit verlagerte sich auch das Kampfgeschehen wieder in die Nähe der Schweiz.107 Im Herbst 1944 musste die Schweizer Armee die Westgrenze wegen der heran- rückenden 7. US-Armee sichern, um ein Übergreifen der Kämpfe gegen die sich bei Belfort verschanzenden Deutschen auf das Gebiet der Eidgenossenschaft zu verhindern. Dasselbe galt für die Nordgrenze, als die französische Armee im Frühjahr 1945 nach Süddeutschland vorstiess.108 An der Südgrenze machten «der Sturz Mussolinis, die Flucht Tausender von Italienern in die nahe Schweiz [und] die Partisanenkämpfe unmittelbar an der Schweizer Grenze»109 eine starke mi- litärische Präsenz nötig. Obwohl die Integrität der Landesgrenzen damit ab 1941 nicht durchgehend sicher war, musste mit einer eigentlichen Eroberung durch die Achsenmächte, wie sie noch 1940 zum Teil befürchtet und seitens Hitler auch angedacht war (sog. «Operation Tannenbaum»110), bis zum Kriegsende nicht mehr gerechnet werden.111

5.2 Für den Schutz und die Evakuation des Bundesrates ­zuständige ­Armeeformationen

5.2.1 Ausgangslage Für den Schutz und die Evakuation des Bundesrates waren auch ab 1942 verschie- dene Armeeformationen zuständig. Es ist zu unterscheiden zwischen Einheiten und Stäben, welche für die Landesregierung zuständig waren, solange sich die- se in Bern befand, während sie auf dem Weg ins Réduit war oder sich vor Ort in Amsteg aufhielt. Das für die beiden letzteren Aufgaben – also die Evakuation des Bundesrates und den Betrieb der Kaverne – notwendige Militärpersonal wurde kontrolltech- nisch in den Armeestab 102 eingeteilt. Da diese Nummer indessen für die eigent- liche Kanzlei des Armeestabes stand, «erhielt die für den Bundesrat zuständige Gruppe den Beinamen ‹Bernina›».112 Die «Gruppe Bernina» bildet demnach

107 Vgl. zum Ganzen auch Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012, S. 272 f. 108 Vgl. zum Ganzen Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 109 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 110 Vgl. dazu oben Kap. 3.1. 111 Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Ver- sion vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 112 Kommando Armee Stabsregiment 700, 50 Jahre Stabsrgt 700. Kurzer Abriss der geschichtlichen Begleitum- stände, die letztlich zur Gründung des A Stabsrgt 700 führten, Amsteg 1991, S. 8.

68 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

historisch betrachtet die Vorläuferorganisation des heutigen Stabs Einsatzunter- stützung Landesregierung.

5.2.2 Schutz in Bern Für den Schutz in Bern war nach einer Mobilmachung weiterhin und bis zum Kriegsende das Ter. Rgt. 80 mit einem Bataillon verantwortlich.113 Es stand dem Bundesrat «zur direkten Verfügung.»114 Sollte die Mobilisierung der neu für den Bundesrat zuständigen Motorradfahrer Kompanie 3 (Mot. Rdf. Kp. 3115) nicht mit der Evakuation des Bundesrates nach Amsteg zusammenfallen, war vorgesehen, dass auch sie vorderhand zu dessen Schutz in Bern diente.116 Im Juni 1943 wandte sich Bundesrat Kobelt mit dem Anliegen an General Guisan, dass der Schutz des Bundesrates und seiner Mitglieder auch vor der Mobilmachung der obgenannten Truppen verstärkt werde.117 Obwohl Bundesrat Kobelt den bestehenden Wachtdienst in Bern und Umgebung als genügend er- achtete, hielt er es «in Anbetracht der Lage» als unerlässlich, eine erhöhte Bereit- schaft stets zur Verfügung stehender Truppen in der Nähe von Bern sicherzustel- len. Zudem bat Bundesrat Kobelt den Oberbefehlshaber um Bereitstellung eines Detachements von Heerespolizisten, welche den persönlichen Schutz der Mitar- beiter des Bundesrates gewährleisten sollten. Den Wünschen der Landesregierung entsprach General Guisan mit einem Befehl an das Kommando des 1. Armeekorps vom 19. Juni 1943.118 Er wies dieses an, ab 1. Juli 1943 bis auf weiteres in Münsingen eine Füsilier- oder Schützen- Kompanie bereit zu halten, welche, mit Motorfahrzeugen ausgerüstet, «rasch verschoben und eingesetzt» werden konnte. Die Kompanie unterstand für ihren Einsatz dem Ter. Kdt. 3, welcher mit Bezug auf die Bewachung der Landesregie- rung direkt zur Verfügung stand. Im April 1944 wurde die Kompanie in Münsin- gen durch ein ganzes Bataillon ersetzt, welches in der Umgebung von Bern sta- tioniert war.119 Eine direkte Unterstellung dieses Bataillons unter die Befehlsge- walt von Bundesrat Kobelt lehnte der Oberbefehlshaber indessen ab.120

113 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armeekorps vom 29. April 1942, BAR E 27 10046 sowie Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Division vom 2. Mai 1942, BAR E 27 13145. 114 Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armeekorps vom 20. November 1942, BAR E 27 14326. 115 Vgl. dazu sogleich unten. 116 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Kriegsmaterialverwaltung vom 17. September 1942, BAR E 5795 156. 117 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 4. Juni 1943, BAR E 5795 157. 118 Vgl. Befehl von General Guisan an das Kommando des 1. Armeekorps vom 19. Juni 1943, BAR E 5795 157. 119 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 17. Mai 1944, BAR E 5795 151. 120 Vgl. Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 1. Juni 1944, BAR E 5795 158.

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Mit Blick auf den persönlichen Schutz der Bundesratsmitglieder verfügte der Ge- neralstabschef am 30. Juli 1943, dass ein besonderes Detachement bestehend aus insgesamt 34 Personen zu bilden sei, welche überwiegend der Heerespolizei ent- stammten.121 Die Bewachung hatte nach dem Einrückungsbefehl durch den Vor- steher des EMD «Tag und Nacht zu erfolgen».122 Diese später als «Détachement Niesen» bezeichnete Formation123 hatte insbesondere die Bewegungsfreiheit der Bundesräte in Bern sicherzustellen.124 Zu ihrem persönlichen Schutz waren die Bundesräte und der Bundeskanzler im Übrigen auch selber bewaffnet. Dies geht aus einer Umfrage hervor, welche Evakuationsoffizier Sessler im Oktober 1943 bei den verschiedenen Departemen- ten durchführte: Bis auf Bundesrat Pilet-Golaz, welcher sich aus prinzipiellen Gründen – er befürchtete eine Militarisierung der zivilen Behörden und den Verstoss gegen internationale diplomatische Gepflogenheiten125 – gegen die persönliche Bewaffnung der Landesregierung und den sie begleitenden Spitzen- funktionäre aussprach, verfügten alle Regierungsmitglieder über eine Pistole.126 Dies weil der Bundesrat damit rechnete, dass «bei der heutigen Art der Kriegfüh- rung auch die kleine Gruppe von Beamten, die die Landesregierung bei ihrer Dislokation begleitet, mit aller Wahrscheinlichkeit feindlichen Angriffen ausgesetzt»127 sein würde.

5.2.3 Schutz während des Transports von Bern ins Réduit

Territorial-Füsilier Kompanie III / 151 Für den persönlichen Schutz der Landesregierung während des Transports nach Amsteg war einerseits – wie bereits im Bericht von Evakuationsoffizier Sessler vom 31. Dezember 1941 deutlich wurde – ein Infanteriezug des Ter. Rgt. 80 vor- gesehen. Für den mit dieser Spezialaufgabe betrauten Zug der Territorial-Füsi-

121 Vgl. Befehl von Generalstabschef Huber betreffend den persönlichen Schutz der Mitglieder des Bundesra- tes und des Bundeskanzlers vom 30. Juli 1943, BAR E 27 14326. 122 Ebd., vgl. auch Schreiben von Bundesrat Kobelt an die übrigen Bundesräte vom 9. August 1943, BAR E 27 13145. 123 Vgl. Schreiben von Hauptmann Rosset an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 25. Juni 1945, BAR E 27 13145. 124 Vgl. Befehl von Oberst Jacquillard betreffend den persönlichen Schutz der Mitglieder des Bundesrates und des Bundeskanzlers vom 7. August 1943, BAR E 27 14326. 125 Vgl. hierzu auch das Schreiben von Bundesrat Kobelt an Bundesrat Pilet-Golaz vom 3. Januar 1944, BAR E 27 13145. 126 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Oktober 1943 inkl. Beilagen, BAR E 27 13145. Die Opposition von Bundesrat Pilet-Golaz gegen die Bewaffnung führte of- fenbar zu Verstimmungen mit Bundesrat Kobelt, vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an Bundesrat Pilet- Golaz vom 3. Januar 1944, BAR E 27 13145. 127 Schreiben von Bundesrat Kobelt an Bundesrat Pilet-Golaz vom 3. Januar 1944, BAR E 27 13145.

70 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

lier Kompanie III/151128 wurden verschiedene Optionen geprüft, um die Mobilisierung im Krisenfall zu beschleunigen. Letztlich gab man einem telegra- phischen Aufgebot den Vorzug, weil eine Benachrichtigung der Wehrmänner mit Radfahrern «nicht rascher […] ausgeführt»129 werden konnte. Der kriegsstar- ke Zug III/151 war ursprünglich mit einem Offizier sowie 44 Unteroffizieren und Soldaten besetzt und mit drei leichten Maschinengewehren ausgerüstet.130 ­Zunächst wurde im Frühjahr 1942 unter Massgabe der «Bedeutung des Trans­ portes»131 noch eine Aufstockung auf eine ganze Kompanie ins Auge gefasst. Nach der Fertigstellung der Kaverne in Amsteg musste die Zahl indessen redu- ziert werden, weil in der Kriegsunterkunft des Bundesrates nur Raum für 33 An- gehörige der Wachmannschaft bestand (ein Offizier und 32 Mann).132

Motorradfahrer Kompanie 3 und Hilfsdienst-Detachement 402 Neben diesem Infanteriezug wurde dem Bundesrat ab April 1942 eine motorisier- te Einheit zur Seite gestellt, nämlich die Motorradfahrer Kompanie 3 (abzüglich eines Zuges). Auf Befehl von Generalstabschef Huber an den Kommandanten des 1. Armeekorps war die Mot. Rdf. Kp. 3 «im Falle einer Kriegsmobilmachung sofort und ohne weiteren Befehl zur Verfügung des Bundesrates nach Bern abzukommandieren».133 Sie war dafür vorgesehen, die «Bedeckung des Bundes- rates bei dessen Evakuation» zu übernehmen.134 Zur Vorbereitung dieser spezi- ellen Aufgabe ordnete Generalstabschef Huber den Kommandanten der Mot. Rdf. Kp. 3, Hauptmann Häring, an, mit Major Bracher, 1. Adjunkt des EMD, Kontakt aufzunehmen. Wie sich zeigen sollte, warteten auf die Mot. Rdf. Kp. 3 und insbesondere deren Kommandanten intensive Monate der Vorbereitungen für den Ernstfall. Im Juni 1942 rekognoszierten Hauptmann Häring und sein Stellvertreter, Oberleutnant

128 Vgl. zur Bezeichnung Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 31. Mai 1944, BAR E 5795 157. 129 Schreiben vom Kommandanten des Territorial Regiments 80 an das Kommando des Territorialkreises 3 vom 26. Februar 1942, BAR E 27 13145. 130 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armeekorps vom 29. April 1942, BAR E 27 10046; vgl. auch Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Di- vision vom 2. Mai 1942, BAR E 27 13145. 131 Aktennotiz vom 2. März 1942 (unbekannter Verfasser), BAR E 27 13145. 132 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Dezember 1942, BAR E 27 13145. 133 Schreiben von Generalstabschef Huber an den Kommandanten des 1. Armeekorps vom 29. April 1942, BAR E 10046. 134 Vgl. auch Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Division vom 2. Mai 1942, BAR E 27 13145.

71 Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz | Nr. 69

Keller, mit einem Personenwagen des Motorfahrzeugparkes Thun mögliche Evakuationsrouten von Bern nach Amsteg.135 Neben diesen ersten praktischen Vorbereitungen zog der neue Bestimmungs- zweck der Mot. Rdf. Kp. 3 aber auch seltsame Diskussionen betreffend ihren Korpssammelplatz nach sich. Ursprünglich war vorgesehen, dass sich die Mot. Rdf. Kp. 3 bei einer Mobilmachung in Thun besammeln sollte, um anschliessend nach Bern zu dislozieren.136 Sowohl das Departement,137 der Stabschef der 3. Di- vision138 als auch Hauptmann Häring139 waren indessen einhellig der Meinung, dass die Mot. Rdf. Kp. 3 zur Erfüllung ihrer Aufgabe neu in Bern zu mobilisieren habe. Dies wegen des Zeitverlusts für die Fahrt nach Bern bei einer Besammlung in Thun. Zudem wurde befürchtet, die Mot. Rdf. Kp. 3 könnte auf dem Weg nach Bern, wo sie den Bundesrat abholen sollte, «mit den nach dem Réduit marschie- renden Trp. der 3. und 2. Division» kollidieren und bereits zerstörte Aareüber- gänge nicht mehr benutzen können. Damit hätte sich die Evakuation des Bun- desrats ins Réduit verzögert. Dennoch stellte sich der in die Festlegung des Korpssammelplatzes involvierte Oberst i. Gst. Münch gegen dessen Änderung, da die Verlegung eines Korpssammelplatzes immer auch eine Unzahl anderer damit zusammenhängender Änderungen notwendig mache. Zudem werde das Armeekommando von solchen Anträgen überschwemmt. Es komme, so liess sich Oberst i. Gst. Münch vernehmen, ohnehin darauf an, ob man die Kriegsaufgabe der Mot. Rdf. Kp. 3 im Rahmen der 3. Division als wichtiger erachte, als die ihr übertragenen Spezialaufgaben. Eine Änderung des Korpssammelplatzes für die Mot. Rdf. Kp. 3 war schliesslich nur auf Gesuch des EMD bei General Guisan hin möglich.140 Als Korpssammelplatz für die Mot. Rdf. Kp. 3 wurde sodann das Primarschulhaus Spitalacker in Bern bestimmt.141 Der wichtige Auftrag der Mot. Rdf. Kp. 3 gab auch Anlass für eine spezielle Bewaffnung dieser Einheit. So erbat der Vorsteher des EMD persönlich um ver-

135 Vgl. zu den vorgesehenen Evakuationsrouten unten Kap. 5.3. 136 Vgl. Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Division vom 15. Mai 1942, BAR E 27 13145. 137 Vgl. Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an den Stabschef der 3. Division vom 8. September 1942, BAR E 27 13145. 138 Vgl. Handnotiz vom Stabschef der 3. Division an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 27. August 1942, BAR E 27 13145. 139 Vgl. Schreiben von Hauptmann Häring an den Stabschef der 3. Division vom 26. August 1942, BAR E 27 13145. 140 Vgl. Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an den Stabschef der 3. Division vom 8. September 1942, BAR E 27 13145. 141 Vgl. Bericht von Hauptmann Häring vom 28. November 1943 über die Mobilisierungsübung vom 19./20. Oktober 1943, BAR E 27 13145.

72 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

mehrte Zuteilung von Offensiv-Handgranaten und Maschinenpistolen.142 Wäh- rend diesem Wunsch bezüglich der Handgranaten bald entsprochen werden konnte, verzögerte sich die Bewaffnung der Mot. Rdf. Kp. 3 mit zwölf Maschinen- pistolen zunächst «wegen Fabrikationsschwierigkeiten».143 Der Mot. Rdf. Kp. 3 wurden des Weiteren mit dem Hilfsdienst-Detachement 402144 (fortan: H.D.-Det. 402) eine Reihe von Hilfsdienst-Chauffeuren zugeteilt. Diese konnten mit den von der Mobilisierungssektion bezeichneten Motorfahr- zeugen145 für die Evakuation des Bundesrates und seiner engsten Mitarbeiter nach Amsteg herangezogen werden. Das so gebildete Begleitdetachement des Bundesrates wurde intern offenbar mit dem Decknamen «Ida» bezeichnet.146 Bei den Hilfsdienst-Chauffeuren handelte es sich mehrheitlich um nicht dienst- pflichtige «Herrenfahrer der Stadt Bern».147 Eine erste, vierstündige Mobilma- chungsübung am 10. Februar 1943148 förderte jedoch einige Schwächen zutage, wenngleich von 43 aufgebotenen Hilfsdienst-Chauffeuren immerhin deren 38 einrückten: Insbesondere war das Fahrzeugmaterial mangelhaft, was die Marsch- bereitschaft «durch Ausfall von 12 Wagen beinahe in Frage»149 stellte. Unter anderem fehlten bei den meisten Wagen die Schneeketten. Zufolge dessen wurde der Bestand der reservierten Personenwagen durch die Sektion Mobilma- chung auf 65 erhöht.150 Im Juli 1943 beantragte der Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3 mit der Begrün- dung, die Mobilisierungsübung vom 15. Februar 1943 habe ihn zur Überzeugung gebracht, dass «die Marschbereitschaft des Motf. Det. in verschiedenen Beziehun- gen nicht oder ungenügend vorhanden ist»,151 die Durchführung einer mehrtägigen Übung mit dem H.D.-Det. 402. Die Übung sollte gewährleisten, dass die Evaku- ation des Bundesrates seitens der Fahrzeuge und ihrer Fahrer derart gut vorbe- reitet war, dass «in allen möglichen Fällen […] die Marschzeit kurz, die Sicherheit gross» war. Das Vorhaben von Hauptmann Häring fand in Evakuationsoffizier Sessler einen Unterstützer. Er drang bei Bundesrat Kobelt auf die Bewilligung dieser Übung, da einige neu dem H.D.-Det. 402 zugeteilte Hilfsdienst-Chauffeu-

142 Vgl. die Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Kriegsmaterialverwaltung vom 17. September 1942, BAR E 5795 156 und vom 18. November 1942, BAR E 27 13145. 143 Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 5. Dezember 1942, BAR E 27 13145. 144 Vgl. Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 13. Mai 1944, BAR E 27 13145. 145 Vgl. hierzu den Bericht von Evakuationsoffizier Sessler über die bis zum 31. Dezember 1941 getroffenen Vorbereitungen zur Evakuation des Bundesrates und seiner Mitarbeiter, BAR E 27 14326. 146 Vgl. Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 15. Dezember 1945, BAR E 27 13145. 147 Bericht von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Bundesrat Kobelt (undatiert), BAR E 27 13143. 148 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 21. Juli 1943, BAR E 27 13145. 149 Bericht von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 15. Februar 1943, BAR E 27 13145. 150 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 4. März 1943, BAR E 27 13145. 151 Schreiben von Hauptmann Häring an das EMD vom 2. Juli 1943, BAR E 27 13145.

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Abbildung 6: Marschbefehl von Hauptmann Häring an das H.D.-Det. 402 vom 2. August 1943 (BAR E 27 1345)

74 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

re über ihre Aufgabe noch nicht im Bild waren und zudem «keine Ahnung von militärischer Disziplin»152 hätten. Die vom Kommandanten der Mot. Rdf. Kp. 3 geplante Übung könne, so Sessler, den Hilfsdienst-Chauffeuren «einen Begriff über den Grund und die Wichtigkeit des Auftrages geben, den sie gegebenenfalls zu lösen haben werden». Zudem biete sie Gewähr dafür, dass «sich das Komman- do auf die Leistungsfähigkeit der Kolonne verlassen» könne. Das Vorhaben von Hauptmann Häring erhielt letztlich auch den Sukkurs von Bundesrat Kobelt.153 Nach Durchführung der Übung, welche namentlich Fahrtechnik und Kolon- nenfahren sowie Geschicklichkeitsprüfung am Berg zum Inhalt hatte, erstattete Hauptmann Häring am 28. August 1943 dem EMD ausführlich Bericht.154 Trotz einiger aufgedeckter Mängel konnte er feststellen, dass sein Eindruck von Mann- schaft und Motorfahrzeugen ein «recht guter» war und seine Erwartungen im positiven Sinne weit übertroffen wurden. Der Transport des Bundesrates war aus seiner Sicht mit Bezug auf das H.D.-Det. 402 gewährleistet. Zu seiner Verteidi- gung sollte das H.D.-Det. 402 jedoch noch mit Revolvern bewaffnet werden.155 Kurz nach dieser Übung mit dem H.D.-Det. 402 stand ein Ausbildungskurs für die Mot. Rdf. Kp. 3 als solche an. Das Einrücken fand durch Alarmierung am 19. Oktober 1943 statt, wobei das Aufgebot wie geplant via Telegraph erfolgte. Es zeigte sich, dass 91% der Aufgebotenen innerhalb von sieben Stunden nach Erhalt des Marschbefehls zum Primarschulhaus Spitalacker in Bern eingerückt waren. Die Alarmorganisation für die Begleitmannschaft des Bundesrates wurde daher als zweckmässig qualifiziert. Sofern die Mobilisierung der Mot. Rdf. Kp. 3 im Ernstfall ohne direkte feindliche Einwirkung erfolgen konnte, rechnete deren Kommandant, Hauptmann Häring, mit einer Einsatzbereitschaft von 90% in- nerhalb von zehn bis zwölf Stunden.156 Diese Quellen lassen für den Spätherbst 1943 den Schluss zu, dass seitens der Mot. Rdf. Kp. 3 und dem ihr unterstellten H.D.-Det. 402 eine funktionierende Organisation für die rasche Evakuation der Landesregierung bestand. Im Frühling 1944 kam es indessen zu einer Rochade an der Spitze der zentra- len Mot. Rdf. Kp. 3, welche die erfolgreich getroffenen Dispositionen wieder zu gefährden schien. Der Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3, Hauptmann Häring, wurde wegen ungenügender Leistungen in taktischer Hinsicht bei der Führung

152 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 21. Juli 1943, BAR E 27 13145. 153 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an Hauptmann Häring vom 28. Juli 1943, BAR E 27 13145. 154 Vgl. Bericht von Hauptmann Häring über den Ausbildungsdienst des H.D.-Det. 402 vom 28. August 1943, BAR E 27 13145. 155 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 2. Oktober 1943, BAR E 5795 151. 156 Vgl. Bericht von Hauptmann Häring vom 28. November 1943 über die Mobilisierungsübung vom 19./20. Oktober 1943, BAR E 27 13145.

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seiner Kompanie mit gesichtswahrender Verfügung des Oberfeldarztes aus dem Aktivdienst entlassen.157 Bundesrat Kobelt zeigte sich gegenüber General Guisan konsterniert darüber, dass er über diesen Entscheid nicht vorab informiert worden war. Hatte sich die Mot. Rdf. Kp. 3 seiner Ansicht nach doch mittlerweile «in ihre besondere Aufga- be eingelebt, wozu namentlich eine Rekognoszierungsübung sowie Rekognos- zierungen des Kaders wesentlich» beigetragen hätten. Der Vorsteher des EMD befürchtete, dass mit der Versetzung von Hauptmann Häring «in der Erfüllung des Sonderauftrages der Mot. Rdf. Kp. 3 eine gewisse Unsicherheit eintreten [werde], bis sich der neue Kdt. mit allen Einzelheiten vertraut machen kann.» Die Übertragung des Kommandos könne sich, so die wohl nicht ganz zu Unrecht gehegte Befürchtung von Bundesrat Kobelt, auf die Evakuation des Bundesrates im Ernstfall «sehr nachteilig» auswirken. Zum neuen Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3 wurde Hauptmann Rudolf Gygax ernannt. Dieser arbeitete sich – wie vom Vorsteher des EMD verlangt158 – umgehend in seine neue Aufgabe ein. Am 13. Mai 1944 erstattete er einen Bericht zuhanden von Bundesrat Kobelt.159 Grundsätzlich bestätigte er die bereits getroffenen Vorbe- reitungen. Indessen monierte er insbesondere die Bewaffnung, die Ausrüstung mit Requisitions-Lastwagen (anstelle von Armee-Lastwagen vom Typ Fargo) und die der Mot. Rdf. Kp. 3 auferlegten Abkommandierungen an die 3. Division und das Armeekommando, welche zur Folge hatten, dass der Mot. Rdf. Kp. 3 für die Wahrnehmung ihrer Sonderaufgabe nur ungefähr siebzig Mann verblieben. Hauptmann Gygax war der Ansicht, dass «der Sicherungsdienst und die Stre- ckenorganisation […] mit diesen Mitteln nur schwach, wenn nicht ungenügend organisiert werden» konnten. Demzufolge seien die Abkommandierungen auf- zuheben. Des Weiteren ersuchte er um die Erlaubnis für eine Streckenrekognos- zierung und eine unerwartete Mobilmachungsübung mit «Dislokationsfahrt bis in die Gegend von Luzern-Brunnen». Ferner regte der neue Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3 an, die Verschiebung des Bundesrates im Ernstfall tagsüber vor- zunehmen, da er «den Kriegsberichten entsprechend» nächtliches Kolonnenfah- ren als sehr anspruchsvoll und eine Evakuation bei Nacht daher als wenig erfolg- versprechend erachtete. Insgesamt signalisierte Hauptmann Gygax gegenüber

157 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 6. April 1944, BAR E 5795 157; vgl. auch Hand- notizen von Major Bracher an Bundesrat Kobelt vom 6. April 1944, BAR E 27 13145. 158 Vgl. hierzu Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 6. April 1944, BAR E 5795 157. 159 Vgl. Bericht von Hauptmann Gygax an das EMD vom 13. Mai 1944, BAR E 27 13145.

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dem Vorsteher des EMD indessen, dass er mit seiner Einheit «den Schutz der Landesregierung sicherzustellen»160 in der Lage war. Bemerkenswert ist, dass sämtliche von Hauptmann Gygax betreffend die Ausrüstung, Bewaffnung und Mannschaftsstärke der Mot. Rdf. Kp. 3 geäusserten Beanstandungen zwar von Bundesrat Kobelt an General Guisan weitergeleitet wurden, bei diesem jedoch keine offenen Ohren fanden. So beschied der General dem Vorsteher des EMD, dass er «angesichts der Notwendigkeit 1 Zug [der Mot. Rdf. Kp. 3] der 3. Div. zu belassen keine Möglichkeit [sah], dem Bundesrate die ganze Mot. Rdf. Kp. 3 für die Dislokation von Bern nach dem Reduit zur Verfügung zu stellen.»161 Auch eine Ausrüstung der Mot. Rdf. Kp. 3 mit Armeelastwagen vom Typ Fargo, welche nur «zu Lasten einer bereits damit ausgerüsteten Einheit erfolgen» könnte, lehnte der Oberbefehlshaber ab. Immerhin beschied er dem Vorsteher des EMD, dass eine Erhöhung des Bestands von Maschinenpistolen 41 bei der Mot. Rdf. Kp. 3 von damals 23 auf total 36 Stück bei der Operationssektion veranlasst wurde. Die Zuständigkeiten für den Schutz und den Transport des Bundesrates an den Evakuationsort, wie sie vorstehend erörtert wurden, blieben soweit ersichtlich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs so bestehen.

5.2.4 Schutz in Amsteg Der Schutz des Bundesrates in Amsteg und insbesondere seiner Kaverne wurde in die Frage der Verteidigung des dortigen Talkessels mit einbezogen. Sie oblag aus- schliesslich der Armee.162 Anfang März 1942 überprüfte das Armeekommando, ob die Bewachung von Amsteg als Evakuationsort des Bundesrates mit Einschluss der Flugabwehr genügend war.163 Am 4. März 1942 teilte es dem EMD mit, dass die Flugabwehr in Amsteg ausreichend sei, seien dort doch das Flab Det. 85 und die Ortsflab Bttr. 334 zum Einsatz vorgesehen.164 Freilich ergab sich in Amsteg aufgrund der Evakuation des Bundesrates eine «Vermehrung der Verteidigungsaufgaben».165 Deshalb ordnete Generalstabschef Huber am 11. April 1943 zudem an, die mit dem Begleitschutz der Landesregie- rung betraute Mot. Rdf. Kp. 3 sei am Evakuationsort auch zum Schutz des Bun- desrates einzusetzen.

160 Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 17. Mai 1944, BAR E 5795 157. 161 Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 31. Mai 1944, BAR E 5797 157. 162 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 1. April 1943, BAR E 5795 156. 163 Vgl. Aktennotiz vom 2. März 1942 (unbekannter Verfasser), BAR E 27 13145. 164 Vgl. Schreiben vom Büro Unterstabschef Front an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 4. März 1942, BAR E 27 13145. 165 Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armeekorps vom 11. April 1943, BAR E 27 14143.

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Kurz darauf erteilte General Guisan dem Kommandanten des 3. Armeekorps, in dessen Kompetenz die Verteidigung von Amsteg fiel, den Befehl, die nötigen Vor- bereitungen für die Bewachung der Kaverne Amsteg zu übernehmen. Der Kom- mandant des 3. Armeekorps hatte die Kaverne Amsteg – nach dem Bezug durch den Bundesrat – im Rahmen der allgemeinen Verteidigung des dortigen Talkes- sels insbesondere gegen jeden Angriff, eingeschlossen Angriffe von Luftlande- truppen, zu verteidigen.166 Gestützt auf diese Anweisung wurde die Verteidigung des Reusstals durch den dafür zuständigen Kommandanten des 3. Armeekorps neu geordnet. Der bisherige Abschnitt «Unteres Reusstal» wurde in zwei neue Abschnitte gegliedert, bestehend aus einem Abschnitt «Amsteg Nord» und «Am- steg Süd». Den Abschnitt «Amsteg Nord» mit der Kaverne des Bundesrates hat- ten die Mot. Rdf. Kp. 3, der den Bundesrat ab Bern begleitenden Zug der Ter. Füs. Kp. III/151, ein halber Zug Ter. Mitr. Kp. 23 sowie das Flab Det. 22 (minus zwei Züge) zu verteidigen. Der Kommandoposten befand sich in unmittelbarer Um- gebung der Bundesratskaverne. Den Flabschutz der Kaverne Amsteg hatte das Flab. Det. 22 von den Stellungen der Ortsflab. Bttr. 334 auf der Burg Zwing-Uri zu gewährleisten.167 Zur Erprobung und Einübung der Verteidigungspläne in Amsteg wurden seitens der Mot. Rdf. Kp. 3 unter dem damaligen Kommando von Hauptmann Häring im Sommer 1943 auch taktische Manöver durchgeführt.168 Ein weiteres Schutzelement für den Bundesrat in Amsteg war das in Erstfeld und Altdorf stationierte Rdf. Bat. 4.169

5.3 Vorkehrungen zum Transport Der Transport des Bundesrates zum Evakuationsort in Amsteg stellte eine gros­ se logistische Herausforderung dar. Dies umso mehr, als der genaue Zeitpunkt des Abtransports naturgemäss nicht im Voraus zu bestimmen war und auch die kon- kreten Umstände einer Evakuation nur schemenhaft antizipiert werden konnten.­ Die Transportmittel für den Bundesrat und seine Eskorte bestanden wie bereits erwähnt aus sieben bundeseigenen Personenwagen für die Mitglieder der Landes­

166 Vgl. Schreiben von General Guisan an den Kommandanten des 3. Armeekorps vom 13. April 1943, BAR E 5795 156. 167 Vgl. Schreiben vom Kommandanten des 3. Armeekorps an Generalstabschef Huber vom 1. Mai 1943, BAR E 27 13145. 168 Vgl. Programm taktischer Fortbildungskurs Mot. Rdf. Kp. 3 vom 20. Juni 1943, BAR E 27 13145. 169 Vgl. Bericht von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Bundesrat Kobelt (undatiert), BAR E 27 13143.

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regierung,170 65 Privatwagen171 für das H.D.-Det. 402 und acht Last­wagen,172 welche von der Sektion für Mobilmachung mit einem Aufgebot belegt waren. Die Evakuation des Bundesrates mittels Flugzeugen wurde zwar im Mai 1943 kurz angedacht, aber sogleich wieder verworfen. So wäre die Benützung von Flugzeu- gen zwar grundsätzlich möglich gewesen, «jedoch nur für die Strecke Belp- Buochs»,173 weil «in unmittelbarer Nähe des Kriegsstandortes […] nur die kleinen Verbindungsflugzeuge und auch dies[e] nur bei guter Witterung landen» konnten. Um die Strecke von Bern nach Amsteg mit den Motorfahrzeugen zu schaffen, war namentlich eine ausreichende Versorgung mit Betriebsstoff sicherzustellen. Während die bundeseigenen Fahrzeuge des Bundessrates «mit gefüllten Tanks innert kürzester Zeit einrücken»174 konnten, mussten die 65 Fahrzeuge der Be- gleitmannschaft nach Erstellung der Marschbereitschaft noch betankt werden. Evakuationsoffizier Sessler regte daher bei Oberstleutnant Roesler vom Büro Unterstabschef Front an, von der Sektion Mobilmachung «eine Tankstelle auf dem Kirchenfeld in Bern bezeichnen [zu lassen], an welcher die Fahrzeuge den Vortritt vor allen anderen zum Tanken zukommen würde.» Hauptmann Ses­sler wurde in der Folge ein Schlüssel für eine Tanksäule in der Nähe des Dählhölzli- waldes in Bern ausgehändigt, an welcher die Fahrzeuge vor der Abfahrt betankt werden konnten.175 Für die Versorgung mit Benzin während der Fahrt verlangte der Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3, Hauptmann Häring, vom Kommando des 1. Armeekorps entweder die Zuteilung eines motorisierten Zisternenwagens, oder dann vier Benzinfässer à je 200 Liter Fassungsvermögen, welche anlässlich der Mobilisierung aufgefüllt und auf einem der Lastwagen mitgeführt werden kon­ nten.176 Die sieben bundeseigenen Fahrzeuge – welche für den Transport der Bundes- räte nach Amsteg vorgesehen waren – sollten sich, sobald sie die Mitglieder der Landesregierung an ihrem Domizil abgeholt hatten, direkt im Wald südlich der

170 Vgl. Bericht von Evakuationsoffizier Sessler über die bis zum 31. Dezember 1941 getroffenen Vorbereitun- gen zur Evakuation des Bundesrates und seiner Mitarbeiter, BAR E 27 14326 sowie Schreiben von Evakuati- onsoffizier Sessler an Büro Unterstabschef Front vom 21. Februar 1942, BAR E 27 13145. 171 Vgl. Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 4. März 1943, BAR E 27 13145. 172 Vgl. Bericht von Evakuationsoffizier Sessler über die bis zum 31. Dezember 1941 getroffenen Vorbereitun- gen zur Evakuation des Bundesrates und seiner Mitarbeiter, BAR E 27 14326. 173 Aktennotiz vom 14. Mai 1943 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13145. 174 Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Büro Unterstabschef Front vom 21. Februar 1942, BAR E 27 13145. 175 Vgl. Schreiben von Hauptmann Häring an das EMD vom 2. Juli 1943, BAR E 27 13145; zudem Aktennotiz der Sektion Mobilmachung betreffend Besprechung mit Evakuationsoffizier Sessler vom 8. August 1945, BAR E 27 13145. 176 Vgl. Schreiben von Hauptmann Häring an das Kommando des 1. Armeekorps vom 9. September 1943, BAR E 27 13145.

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Abbildung 7: Evakuationsrouten des Bundesrates gemäss Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an den Armeestab vom 29. Juli 1943 (BAR E 27 13145)

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SBB-Station Worb versammeln, «gesichert durch die Mot. Rdf. Kp. 3».177 Weil die Betankung der Fahrzeuge des H.D.-Det. 402 vor der Abfahrt im Kirchenfeld geplant war, wurde als deren Besammlungsort hingegen der Dählhölzliwald in Bern festgelegt.178 Erst nach der Betankung wäre das H.D.-Det. 402 zum Bun- desrat mit der Mot. Rdf. Kp. 3 in Worb gestossen, von wo anschliessend die Ver- schiebung in einer Kolonne nach Amsteg stattgefunden hätte.179 Um sich über die verschiedenen Wegstrecken von Bern nach Amsteg kundig zu machen, hatte der Kommandant der Mot. Rdf. Kp. 3 mit seinem Stellvertreter im Sommer 1942 entsprechende Rekognoszierungsfahrten vorgenommen.180 Welche Route die Kolonne mit dem Bundesrat im Ernstfall nehmen sollte, hing davon ab, welches im betreffenden Zeitpunkt die «günstigste Strasse in den Zentralraum»181 war. Favorisiert wurde offenbar die Routevia Entlebuch nach Lu- zern-Innerschweiz. Sollten diese Strassen «unpassierbar sein, so würde die Eva- kuation eventl. über Interlaken-Grimsel oder Interlaken-Brünig-Vierwald­ ­stät­ter­ see»182 stattfinden. Die Strasse über den Sustenpass war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht fertig gebaut.183 Die bereits 1940 in Buochs stationierten Schnellbo­ ote184 wurden neuerdings nach Beckenried beordert, von wo sie allenfalls den Weitertransport der Landesregierung nach Altdorf und von dort weiter nach Amsteg gewährleisten konnten.185

5.4 Kriegsunterkunft und Betrieb der Anlagen Der Bau der Bundesratskaverne in Amsteg lag nach dem Standortentscheid des Bundesrates am 12. Februar 1941 in der Verantwortung der Armee.186 Nach ei- ner Bauzeit von etwas mehr als einem Jahr war der Unterstand der Landesregie- rung Ende April 1942 «nahezu bezugsbereit»187 und bedurfte «nurmehr der entsprechenden Möblierung», wobei diese lediglich «mietweise, in Berücksich-

177 Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Dezember 1942, BAR E 27 13145, vgl. auch Bericht von Hauptmann Häring über den Ausbildungsdienst des H.D.-Det. 402 vom 28. August 1943, BAR E 27 13145. 178 Vgl. Schreiben von Hauptmann Häring an das EMD vom 2. Juli 1943, BAR E 27 13145. 179 Vgl. Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 13. Mai 1944, BAR E 27 13145. 180 Vgl. Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Oberstdivisionär Jordi, Waffenchef der leichten Truppen vom 5. Juni 1942, BAR E 27 13145. 181 Schreiben von Bundesrat Kobelt an Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, vom 4. Juni 1942, BAR E 27 13145. 182 Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Oberstleutnant Roesler, Armeestab, vom 29. Juli 1943, BAR E 27 13145. 183 Vgl. dazu auch Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorgani- sation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143. 184 Vgl. dazu oben Kap. 4.4. 185 Vgl. Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Oberstleutnant Roesler, Armeestab, vom 29. Juli 1943, BAR E 27 13145. 186 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 12. Februar 1941, BAR E 27 14326. 187 Schreiben von Bundesrat von Steiger an Generalstabschef Huber vom 28. April 1942, BAR E 27 13145.

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tigung einer Rückgabe nach Ende des Aktivdienstes erfolgen» sollte. Am 18. Juni 1942 wurde die Kriegsunterkunft der Landesregierung von Bundesrat Kobelt in- spiziert.188 Betriebsbereit war die mit dem Decknamen «Werk 1102» versehene Kaverne189 indessen erst im Oktober 1942. Ab diesem Zeitpunkt konnte auch auf die Bereitstellung einer eigentlichen Ortsunterkunft in Amsteg verzichtet wer- den. Für den Bundesrat blieben einzig die Hotels Sternen und Post reserviert, für Zeiten, während welcher die Bedrohungslage nicht eine ständige Unterbringung in der Kaverne nötig machte.190 Noch bevor das Werk 1102 bezugsbereit war, nahm Wachtmeister Fritz Reis- cher, welcher vom Kommandanten des Hauptquartiers der Armee zugeteilt wurde, im Mai 1942 seine Tätigkeit als dortiger Kavernenwart auf.191 Eine auf Verlangen von Bundesrat Kobelt vorgenommene geheimdienstliche Überprüfung durch die Gruppe Grandson im Armeestab führte jedoch rasch zu dessen Entlas- sung aus der verantwortungsvollen Funktion. Die Erhebungen ergaben, dass Wachtmeister Reischer früher in Zürich «die Wirtschaft zur Weinrebe und zum Roten Turm»192 geführt hatte. Daraus hatten jedoch hohe Schulden resultiert und es waren noch immer 18 Betreibungen «im Betrage von total Fr. 6550.– hängig». Des Weiteren lebte Wachtmeister Reischer von seiner Ehefrau getrennt und seine Geliebte, Johanna Buchser, stand «ebenfalls in schlechtem Ruf». In Zürich sei sie bei der Stadtpolizei wegen «liederlichem Lebenswandel, gewerbsmässiger Unzucht, Betrug und Schmuckdiebstahl» vermerkt. In Amsteg halte man sie «zu Allem fähig.» Auf Verlangen von Bundesrat Kobelt wurde Wachtmeister Reischer aufgrund dieser bedenklichen Erkenntnisse bereits am 24. Juli 1942 durch Wachtmeister Ritter ersetzt, der zuvor in der Fortverwaltung Andermatt tätig war.193 Damit war die Sache für Wachtmeister Reischer indessen noch nicht ausgestanden: Im Dezember 1942 leitete die Militärjustiz ein Verfahren gegen ihn und die Firma Vinzenz Fedier in Amsteg ein, weil durch letztere der italieni- sche Staatsangehörige Gilardi «entgegen den bestehenden Vorschriften einige Zeit im Kavernenbau […] beschäftigt wurde und Wm. Reischer als militärisches

188 Vgl. Schreiben vom Geniechef der Armee an Architekt Buser in Hindelbank vom 19. Juni 1942, BAR E 27 13145. 189 Vgl. Schreiben der Festungssektion im Armeekommando an den Kommandanten des Festungskreises 3 vom 6. Mai 1943, BAR E 27 13145. 190 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Platzkommandanten von Amsteg vom 16. Oktober 1942, BAR E 27 13145. 191 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Kommandanten des Armee-H.Q. vom 19. Mai 1942, BAR E 27 13145. 192 Schreiben von Oberstleutnant Haudenschild, Armeestab Gruppe Grandson, an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 7. Juli 1942, BAR E 27 13145. 193 Vgl. Verfügung von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 24. Juli 1942, BAR E 27 13145.

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Kontrollorgan keine Schritte zur Behebung dieses Zustandes unternommen hat[te].»194 Neben diesen personellen Wirren bereiteten offenbar zunächst vor allem die Frischluftzufuhr und die Ventilationsanlagen in der Bundesratskaverne Schwie- rigkeiten für einen reibungslosen Betrieb. Noch am 18. Februar 1944 musste Bundesrat Kobelt persönlich an den Geniechef der Armee gelangen, um die Entlüftung der zur Kaverne gehörenden Garage sicherzustellen. Mit Nachdruck drängte Bundesrat Kobelt darauf, dass «mit den Arbeiten [zur Ventilationsein- richtung] unverzüglich begonnen wird, denn es wurde erneut festgestellt, dass eine Belegung des Raumes mit Motorfahrzeugen solange für die gesamte Beleg- schaft des Werkes mit Gefahr verbunden ist, als keine hinreichende Entlüftung besteht.»195 Für die Sicherstellung der Verproviantierung der Bundesratskaverne war offen- bar der Evakuationsoffizier der Bundesverwaltung, Hauptmann Sessler zuständig. Er war es jedenfalls, der die im Werk eingelagerten Lebensmittel jeweils «dem Armeemagazin Göschenen zurückgegeben und durch gleiche Quantität frischer Ware ersetzt»196 hat. Im Übrigen zeigt sich, dass das EMD grossen Wert darauf legte, dass die Landesregierung im Kriegsfall in der Bundesratskaverne auch tatsächlich lange durchhaltefähig war. Um das Werk 1102 diesbezüglich zu evaluieren, wurde eigens bei Prof. Dr. med. Fritz Schwarz vom gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Zürich ein Gutachten in Auftrag gegeben. Prof. Schwarz besuchte die Kriegsunterkunft des Bundesrates in Amsteg am 25. März 1943 und erstattete daraufhin Major Bracher, dem 1. Adjunkt im EMD, Bericht.197 Neben der Prüfung verschiedener Aspekte wie z. B. der Frischluftzufuhr, den Wasservorräten, den Kampfstoff-Filtern sowie der Beleuchtung, nahm er sich auch der Frage des «allgemeine[n] Wohnkomfort[s]» an und empfahl Bildschmuck, da eine «güns- tige psychologische Rückwirkung guter Gemälde» unbestritten sei. Zudem würden auch «Unterhaltungsspiele, eine kleine Bibliothek, ein Radioapparat und vielleicht auch ein Grammophon mit beschränkter, aber guter Plattenauswahl» den Aufenthalt im Bundesratsbunker erleichtern. Des Weiteren sei an einen genügenden Vorrat an Kaffee zu denken, da dieser «in kritischen Situationen direkt einen therapeutischen Effekt haben» könne.

194 Schreiben vom Untersuchungsrichter der 9. Division an das EMD vom 17. Dezember 1942, BAR E 27 13145. 195 Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Geniechef der Armee vom 18. Februar 1944, BAR E 27 13145. 196 Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Bundesrat Kobelt vom 24. Oktober 1943, BAR E 27 13145. 197 Vgl. Exposé von Prof. Dr. med. F. Schwarz an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 29. März 1943, BAR E 27 13145.

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5.5 Verbindungen Wie bereits in der ersten Phase des Kriegs war es der Landesregierung auch ab 1942 ein wichtiges Anliegen, die Kommunikations- und Nachrichtenverbindungen zur Aussenwelt ständig aufrechterhalten zu können. Das betraf nicht nur die Zeit während einer allfälligen Unterbringung in der Bundesratskaverne in Amsteg, sondern auch die Fahrt dorthin. Für den Aufenthalt in der Bundeshauptstadt wur- den – soweit ersichtlich – keine speziellen Vorkehrungen seitens der Evakuati- onsorgane getroffen.

5.5.1 Verbindungen während der Fahrt ins Réduit Das Vorhaben, auch während der Dislozierung ins Réduit ständige Kommunika- tionsverbindungen aufrechterhalten zu können, entsprang hauptsächlich einem taktischen Anliegen: Die den Bundesrat begleitenden Formationen sollten Kon- takt «sowohl mit dem Armeekommando, Nachrichtensektion, […] wie mit dem zuständigen A.K. betreffend Freihaltung von Zufahrtsstrassen und Eingangsto- ren in den Zentralraum»198 herstellen können. Der Mot. Rdf. Kp. 3 sollten zu die- sem Zweck Funkmittel zur Verfügung gestellt werden. Dies hätte es ihr erlaubt, ständig über die aktuelle Lage im Bilde zu sein und allenfalls während der Fahrt die gewählte Route zu ändern. Verschiedene Verbindungsübungen, welche von der Mot. Rdf. Kp. 3 in den Jahren 1943 bis 1944 durchgeführt wurden, schlugen jedoch fehl. Die damaligen Verantwortlichen führten dies auf schlechte Funkverhältnisse oder mangelhafte Ausrüstung zurück.199 Insbesondere waren die Bedingungen für Funkverkehr aus den fahrenden Wagen – Ausrüstung der Lastwagen «mit einer speziellen, festmontierten Dachantenne […] und hinreichend entstört[er]»200 Motor – offen- bar nicht gegeben. Demzufolge wurde das Funknetz der Mot. Rdf. Kp. 3 am 22. März 1944 vom EMD aufgehoben: Das Mitführen der tragbaren leichten Funkstationen (TL-Stationen) hätte «in der Kolonne der Mot. Rdf. Kp. […] deshalb lediglich eine Belastung»201 bedeutet. Sobald besseres Funkmaterial zur Verfü- gung gestanden hätte, wäre indessen die Wiedereinrichtung des Funknetzes vorgesehen gewesen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war dies soweit er-

198 Schreiben von Bundesrat Kobelt an Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, vom 4. Juni 1942, BAR E 27 13145. 199 Vgl. Schreiben von Hauptmann Häring an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Dezember 1943, BAR E 27 13145; ebenso Schreiben von Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, an Major Bracher, 1. Ad- junkt im EMD, vom 15. Februar 1944, BAR E 27 13145. 200 Schreiben von Hauptmann Meili, Kommandant Funker Kompanie 3, an Hauptmann Häring vom 16. März 1944, BAR E 27 13145. 201 Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, vom 22. März 1944, BAR E 27 13145.

84 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

sichtlich jedoch nicht der Fall. Während der Dislozierung ins Réduit mussten sich der Bundesrat bzw. die ihn begleitenden Formationen demnach ausschliess- lich auf die fortlaufend gewonnene Informationslage stützen.

5.5.2 Verbindungen aus der Bundesratskaverne Da die Bundesratskaverne in Amsteg auf einen dauerhaften Betrieb für den Kriegsfall ausgelegt war, mussten die dort eingerichteten Verbindungen zur Au- ssenwelt ungleich vielfältigeren Bedürfnissen gerecht werden. Exemplarisch zeigt dies die im Mai 1943 «unter der Annahme kriegsmässiger Voraussetzungen»202 durchgeführte Verbindungsübung vom Kriegsstandort der Bundesregierung aus. Zum einen sollten die internen Draht- und Funkverbindungen des Bundesrates mit der Gruppe B in Engelberg, den in Bern zurückgebliebenen Abteilungen der Bundesverwaltung und den Kantonsregierungen sowie der Kriegsabteilung Pres- se und Funkspruch getestet werden. Des Weiteren sollten unter Einschluss von Schreibtelegraphen die Draht- und Funkverbindungen zum Armeekommando auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Ferner waren die externen ­Verbindungen der Bundesregierung mit schweizerischen Gesandtschaften sowie befreundeten und neutralen Staaten mittels «Funktelegraphie (chiffrierte Tele- gramme), Funktelephonie» zu prüfen. Zu guter Letzt war es der Landesregierung auch ein Anliegen, die Verbindungsmöglichkeiten mit dem Volk «über bisheri- ge Landessender innerhalb des Zentralraumes» zu erproben. Bemerkenswert ist, dass sich für die Übung vom Mai 1943 sämtliche Bundes- räte und auch der Bundeskanzler nach Amsteg begaben und zudem auch die Kriegsabteilung Presse und Funkspruch sowie weitere Spitzenbeamte teilnah- men.203 In der Kriegsunterkunft des Bundesrates waren zur Unterbringung des Funkmaterials eigens Radiokabinen eingerichtet worden.204 Wie dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 15. Juni 1943 zu entnehmen ist, liessen sich aus der Verbindungsübung «eine ganze Anzahl wertvoller Anregungen»205 gewinnen. Insbesondere zeigte sich, dass die «bereits ein­ge­ spielten Fernschreibeverbindungen […] ­Abteilung ­Kriegspresse-Werk 1102-Ar- meekommando» unverzichtbar waren. Indessen erachtete es der Bundesrat aufgrund einiger Unzulänglichkeiten der in seiner Kaverne eingesetzten PTT-

202 Aktennotiz zur Verbindungsübung K.K.P. des Bundesrates von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 10. Mai 1943, BAR E 27 13145. 203 Vgl. Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Wachtmeister Ritter vom 11. Mai 1943, BAR E 27 13145. 204 Vgl. Schreiben vom Geniechef der Armee an Architekt Buser in Hindelbank vom 19. Juni 1942, BAR E 27 13145. 205 Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung zur Anschaffung von Fernschreibeapparaten vom 15. Juni 1943, BAR E 27 13145.

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Fernschreiber – sie erforderten insbesondere eine im Kriegsfall kaum zu gewähr- leistende konstante Stromspannung – als unerlässlich, acht militärische Fern- schreibeapparate zum Preis von Fr. 250 000.– zu beschaffen. Weil diese noch nicht sofort zur Verfügung standen, erging seitens des EMD die Anweisung an den Telegraphenchef der Armee, die acht benötigten Apparate «heute schon […] aus der Reserve der Armee [zu] entnehmen»,206 weil «die Bedürfnisse der Lan- desregierung in diesem Punkte der Armee vorangehen und es wichtiger ist, dass die Landesregierung über die nötige Zahl Fernschreiber verfügt, als dass un­ tergeordnete Stäbe für sich diese Erleichterung in gegenseitigem Verkehr bean- spruchen.» Eine weitere, am 7. und 8. Oktober 1943 in Amsteg und Engelberg durchgeführte Fernschreibeübung verlief zur vollsten Zufriedenheit von Evaku- ationsoffizier Sessler.207

5.6 Zusammenfassung Damit lässt sich als vorläufiges Ergebnis festhalten, dass der Bundesrat – ange- sichts der politischen und militärischen Lage wenig erstaunlich – auch ab 1942 ein kriegerisches Ereignis als Bedrohungsszenario für seine Funktionsfähigkeit identifizierte. Um dieser Bedrohung zu entgegnen, liess er verschiedeneVorkeh - rungen treffen, welche gleichzeitig mit seinen Bedürfnissen für den Krisenfall korrespondierten. Im Vergleich zu den ersten Kriegsmonaten, als die Federfüh- rung für die Vorbereitungen zum Schutz der Landesregierung bei Bundesrat Pi- let-Golaz lag, fällt erneut auf, dass sich EMD-Vorsteher Kobelt stark einbrachte. Er legte offenbar Wert darauf, die nötigen Vorkehrungen des Bundesrates für Kri- sensituationen unabhängig zu definieren, obwohl sich die Landesregierung für ihre Zwecke weitgehend auf Mittel der Armee stützen musste. Die Landesregierung hielt demgemäss am Bau einer geschützten Unterkunft in Amsteg fest, um im Kriegsfall von dort ihren Amtsgeschäften nachgehen zu können. Der störungsfreie Betrieb dieser Anlage nahm einen hohen Stellenwert ein, damit der Bundesrat auch dauerhaft handlungsfähig bleiben konnte. Weiter liess der Bundesrat ein Dispositiv zu seinem Schutz einrichten, welches sowohl die persönliche Sicherheit seiner einzelnen Mitglieder in Bern, als auch den Raum- schutz am Evakuationsort betraf. Besonderes Augenmerk wurde auf die Organi- sation der Dislokation gelegt, welche einen reibungslosen und sicheren Transport von Bern nach Amsteg garantieren sollte. Ferner war es ein besonderes Anliegen

206 Schreiben von Bundesrat von Steiger an Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, vom 3. Juli 1943, BAR E 27 13145. 207 Vgl. Bericht von Evakuationsoffizier Sessler vom 13. Oktober 1943 über die Fernschreibübung der Gruppen A & B der Bundesverwaltung vom 7. & 8. Oktober 1943 in der Kernzone, BAR E 27 13145.

86 5. Von Anfang 1942 bis zum Kriegsende­

des Bundesrates, dass seine (Kommunikations-) Verbindungen nach allen Seiten hin gewährleistet blieben. Wichtig war ihm nicht nur der Kontakt mit dem Ar- meekommando, sondern auch jene ins Ausland, zu den Kantonsregierungen und der Bundesverwaltung. Für den Bundesrat waren verschiedene militärische Einheiten zuständig: Nach einer erfolgten Mobilmachung wäre das Ter. Rgt. 80 mit einem Bataillon in Bern zuständig gewesen. Ab 1943 standen zudem Füsiliere bzw. Schützen in Münsin- gen bereit, um der Landesregierung im Notfall rasch zu Hilfe eilen zu können. Derweil war die als «Détachement Niesen» bezeichnete Gruppe von Heerespoli- zisten (auch vor einer Mobilmachung) für den persönlichen Schutz der Bundes- ratsmitglieder in Bern verantwortlich. Zur Gewährleistung eines sicheren Transports ins Réduit hätte das «Begleitdétachement Ida» – bestehend aus der Mot. Rdf. Kp. 3 und dem H.D.-Det. 402 – gemeinsam mit einem Zug Territorial- Füsiliere verantwortlich gezeichnet. Der Schutz der Landesregierung am Evaku- ationsort Amsteg sollte durch die dortigen Territorialverbände, verstärkt um die Mot. Rdf. Kp. 3 und den erwähnten Zug Territorial-Füsiliere, gewährleistet werden. Das für die Evakuation des Bundesrates und den Betrieb der Kaverne nötige Militärpersonal wurde kontrolltechnisch in den Armeestab 102 eingeteilt und erhielt als für den Bundesrat zuständige Gruppe den Beinamen «Bernina».208

5.7 Kriegsende Am 8. Mai 1945 kapitulierte das nationalsozialistische Deutschland, was dem Zweiten Weltkrieg in Europa ein Ende setzte.209 Der Aktivdienst der Schweizer Armee dauerte indessen wegen Räumungsarbeiten noch bis zum 20. August 1945 an.210 Unter dem Eindruck der eingestellten Kampfhandlungen wurden auf Anwei- sung von Bundesrat Kobelt auch verschiedene Vorbereitungen wieder rückgängig gemacht, welche den Schutz und die gesicherte Evakuation des Bundesrates im Kriegsfall gewährleistet hätten.211 Bereits am 5. und 6. Juni 1945 wurden z. B. die im Kloster und Zeughaus Engelberg eingelagerten Akten der verschiedenen Departemente in einem verschlossenen Güterwagen nach Bern zurücktranspor- tiert. Evakuationsoffizier Sessler begleitete den Transport und überwachte «die

208 Vgl. Kommando Armee Stabsregiment 700, 50 Jahre Stabsrgt 700. Kurzer Abriss der geschichtlichen Be- gleitumstände, die letztlich zur Gründung des A Stabsrgt 700 führten, Amsteg 1991, S. 8. 209 Vgl. Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stuttgart 2002, S. 303. 210 Vgl. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. 211 Vgl. Schreiben des EMD an das Armeekommando vom 1. August 1945, BAR E 27 13145.

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Übergabe der Kisten an die einzelnen Amtsstellen in Bern».212 Auch die für die Evakuation des Bundesrates reservierten Personenwagen sowie die zuletzt in Buochs stationierten Motorboote wurden von der Sektion Mobilmachung wieder freigegeben.213 Weiter wurde das mit dem persönlichen Schutz der einzelnen Bundesräte betraute «Détachement Niesen» am 25. Juni 1945 wieder aufgelöst.214 Vorgesehen war, dass sich in der kommenden Friedenszeit die Bundespolizei dieser Aufgabe annahm.215 Ebenso erging es der intern als «Begleitdétachement Ida»216 bezeich- neten Formation aus der Mot. Rdf. Kp. 3 und dem H.-D.-Det. 402, welches für die Beförderung des Bundesrates nach Amsteg sowie dessen Schutz während der Dislokation und seinem Aufenthalt im Reusstal vorgesehen war.217 Bezüglich der Kaverne in Amsteg beschloss der Bundesrat an seiner Sitzung vom 10. November 1945, «la salle des séances, la salle à manger, la cuisine et les locaux accessoires nécessaires au service de chancellerie et d’expédition»218 wei- terhin zu unterhalten, während die übrigen Räume zu Materialdepots umgenutzt werden sollten. Die Erleichterung über das Ende des Zweiten Weltkriegs fand damit auch in den Evakuationsvorbereitungen des Bundesrates ihren Niederschlag. In den ersten Monaten nach Kriegsende konnte das Dispositiv zum Schutz der Landes- regierung wieder auf friedlichere Zeiten ausgerichtet werden.

212 Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 7. Juni 1945, BAR E 27 13145. 213 Vgl. Aktennotiz der Sektion Mobilmachung betreffend Besprechung mit Evakuationsoffizier Sessler vom 8. August 1945, BAR E 27 13145. 214 Vgl. Schreiben von Hauptmann Rosset an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 25. Juni 1945, BAR E 27 13145. 215 Vgl. Schreiben des EMD an Major Maurer, Kommissär der Bundespolizei, vom 7. Juli 1945, BAR E 27 10047. 216 Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 15. Dezember 1945, BAR E 27 13145. 217 Vgl. Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 15. Dezember 1945, BAR E 27 13145. 218 Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Schweizerischen Bundesrates vom 11. November 1945, BAR E 27 13145.

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Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende6 92 66. Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende

6.1 Überblick Schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs akzentuierte sich der weltan- schauliche Konflikt zwischen westlichen Staaten unter der Führung der USA und dem Ostblock unter jener der Sowjetunion. Der sich zum Kalten Krieg entwi- ckelnde Gegensatz zweier gesellschaftlicher, ideologischer und wirtschaftlicher Systeme führte dazu, dass die Schweiz nicht damit rechnen durfte, dass der eben eingetretene Friedenszustand in Europa von Dauer sein konnte. Diesbezüglich löste insbesondere der kommunistische Prager Umsturz von 1948 «in der Schweiz umfassende Reaktionen»219 aus. Zeitgleich wurde verwaltungsintern auch die Frage wieder zum Thema, welche Vorbereitungen zu treffen sind, damit der Bundesrat als politisches Führungsorgan in einer Krisensituation funktions- fähig bleiben konnte. Der folgenden Darstellung ist vorauszuschicken, dass sie die Vorbereitungen des Bundesrates für ausserordentliche Lagen während des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende – und auch darüber hinaus220 – aus verschiedenen Gründen nur skizzenhaft wiedergeben kann: Zum einen mögen die relevanten Akten dem Bundesarchiv noch nicht zur Übernahme angeboten worden sein, weil sie unter Umständen noch benötigt werden (vgl. Art. 6 BGA). Zum anderen unterliegen viele Akten für den im vorliegenden Kapitel erörterten Zeitraum einer verlänger- ten Schutzfrist gemäss Art. 12 Abs. 1 BGA. Das gilt insbesondere für Archivgut aus den Beständen des Bundesrates und des früheren EMD bzw. heutigen VBS.221 Zu guter Letzt ist auch nicht auszuschliessen, dass gewisse Aktenbestände im Laufe der Zeit vernichtet wurden. Unter Vorbehalt dieser Einschränkungen nimmt die nachfolgende Darstellung Bezug auf die Ursachen, welche aus der Sicht der zuständigen Stellen für den Bundesrat eine besondere oder ausserordentliche Situation herbeiführen konn-

219 Flury-Dasen, Eric, Kalter Krieg, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 9. Oktober 2008, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17344.php [zuletzt konsultiert am 24.03.2013]. 220 Vgl. unten Kap. 7. 221 Vgl. Anhang 3 der Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung (VBGA, SR 152.11).

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Abbildung 8: Organigramm Armeestab 700, Gruppe Bernina (BAR E 4002 1984/27 Bd. 6)

94 6. Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende

ten. Zudem werden die Themenkomplexe erörtert, welche für die Krisenvorberei- tung in diesem Zusammenhang als relevant betrachtet wurden. Zunächst schliesst nun ein Überblick über die seitens der Armee für den Schutz und die Bedürfnis- se des Bundesrates zuständigen Einheiten an.

6.2 Für den Bundesrat zuständige Formationen und Stäbe Ergiebige Aktenbestände bezüglich der Formationen und Stäbe, welche seitens der Armee für den Schutz und die Betreuung des Bundesrates in besonderen Si- tuationen zuständig waren, sind für den Zeitraum von Anfang der 1950er Jahre bis heute aus den soeben erwähnten Gründen nicht vorhanden. Immerhin ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass das für die Evakuation des Bundesrates und den Betrieb seiner Anlagen nötige Militärpersonal im Zweiten Weltkrieg und offenbar auch darüber hinaus – wenigstens für eine ge- wisse Zeit – kontrolltechnisch in den Armeestab 102 eingeteilt war und als «Gruppe Bernina» bezeichnet wurde.222 Der Schutz der Landesregierung in Bern wurde bereits Mitte des 20. Jahrhun- derts von der Bundespolizei sowie der Kantons- und Stadtpolizei Bern wahrge- nommen, solange noch keine Truppen aufgeboten waren.223 Bei einer Verschär- fung der Lage und einem Aufgebot von Armeetruppen war zunächst das Ter. Rgt. 80 vorgesehen, um den Schutz des Bundesrates zu übernehmen. Ein Zug dieses Regiments hätte die Landesregierung zudem während der Dislokation an den Kriegsstandort begleitet. Spätestens ab November 1954 war die seitens der Armee mit dem Schutz und den Bedürfnissen des Bundesrates befasste «Gruppe Bernina» nicht mehr dem Armeestab 102, sondern dem Armeestab 700 zugeordnet.224 Das Protokoll einer Besprechung zwischen der Kriegsabteilung für Presse und Funkspruch (KAPF) und dem Armeestab 700 vom 18. März 1958 gibt überdies Auskunft darüber, dass der Armeestab 700 den Festungskommandanten des Bundesratsbunkers K10 in Brienz stellte.225 Zudem herrschte Einigkeit darüber, dass der Armeestab 700 die Mittel hatte, «Bewachung und Verteidigung» dieser Anlage zu gewährleisten.

222 Vgl. Kommando Armee Stabsregiment 700, 50 Jahre Stabsrgt 700. Kurzer Abriss der geschichtlichen Be- gleitumstände, die letztlich zur Gründung des A Stabsrgt 700 führten, Amsteg 1991, S. 8; vgl. auch Schrei- ben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an das EJPD vom 25. März 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6; zudem mündliche Auskunft von Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR, vom 31. Ja- nuar 2011. 223 Vgl. Schreiben von Oberst von Wattenwyl, Ter Kreis Kdt. 16, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern, vom August 1948, BAR E 27 13143. 224 Vgl. Organigramm Armeestab 700, Gruppe Bernina – Organisation des Stabes, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. 225 Vgl. Protokoll der Besprechung vom 7. März 1958 zwischen der KAPF und Armeestab 700 betreffend Ab- grenzung der Kompetenzen und Aufgaben in der Anlage [K10] vom 18. März 1958, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6.

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Mit Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961 wurde der Armeestab 700 dann um eine Evakuationskommission als «zivile Verlegungsorganisation»226 ergänzt, wel- che einen vom Bundesrat zu genehmigenden Plan für die Standortverlegung er- arbeitete. Sie war auch «bei der Ernennung und Entlassung des Kommandan­ten» des Armeestabs 700 anzuhören. Demgegenüber war es die «Gruppe Armeestab 700», welche im Falle der Verlegung für Transport, taktischen Schutz, Betrieb der Übermittlungseinrichtungen und die Versorgung des Bundesrates verant- wortlich war.227 Als Gruppe Armeestab 700 wurden der Armeestab 700 selbst so- wie sämtliche ihm unterstellten Stäbe und Truppen bezeichnet.228 Die erwähnte Kompetenzteilung wurde soweit ersichtlich beibehalten, bis im Zuge der Armeereform ab Mitte der 1990er Jahre (Armee 95) das HQ Rgt 2 für die Bedürfnisse des Bundesrates und dessen Schutz in Krisensituationen verant- wortlich zeichnete.229 Im Rahmen der neuerlichen Armeereform zur Armee XXI übernahm ab 2004 der Stab Ei Ustü LR die grösste Zahl der Aufgaben vom HQ Rgt 2, unterstützt durch ein HQ Bat.230 Zu erwähnen sind an dieser Stelle einige Eigenheiten bezüglich der Befehls- struktur der Formationen und Stäbe, welche nach dem Zweiten Weltkrieg für den Schutz und die übrigen Bedürfnisse der Landesregierung verantwortlich zeich- neten: Während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs war das Primat der politischen Führung über ihre Schutztruppen und massnahmen wohl nicht vollständig und durchgehend gewährleistet.231 Später legte der Bundesrat hierauf jedoch ein besonderes Augenmerk. So wurde seitens des Generalstabschefs be- reits 1948 kommuniziert, dass sich die Generalstabsabteilung bzw. das Armee- kommando «als Vollzugsorgane»232 der vom Bundesrat formulierten Vorgaben betrachteten. Die zu treffenden Vorbereitungen für einen Krisenfall wurden demnach von der Landesregierung definiert, wobei der Armee (einzig) deren Ausführung oblag. Was aus heutiger Sicht als selbstverständlich erscheinen mag, war es wohl gerade während spannungsvollen Phasen des Zweiten Weltkriegs nicht jederzeit. Der diesbezügliche Führungsanspruch des Bundesrates zeigte sich Ende der 1940er Jahre auch an seiner Forderung, sowohl der Kommandoposten der Ar- meeführung als auch jener der Landesregierung müssten sich «in der gleichen

226 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 227 Vgl. Art. 12 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 228 Vgl. Art. 12 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 229 Mündliche Auskunft von Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR, vom 31. Januar 2011. 230 Vgl. dazu unten Kap. 7. 231 Vgl. dazu oben, namentlich Kap. 3.4. 232 Schreiben des Generalstabschefs an Bundesrat Kobelt vom 4. Mai 1948, BAR E 27 8712.

96 6. Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende

Talschaft»233 befinden, um jederzeit den nötigen Kontakt herstellen zu können. Zudem legte das EMD grossen Wert darauf, dass der Bundesrat im Krisenfalle «für die Schutzmassnahmen der Landesregierung unmittelbar mit den verant- wortlichen Truppenkommandanten in Verbindung»234 stehen konnte. Auch der Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961 illustriert den hohen Stellen- wert, welcher der Autonomie der Landesregierung im Bereich der Krisenvorbe- reitungen seitens der Armee beigemessen wurde: Zum einen bestimmte Art. 25 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 25. Juli 1961, dass allein der Bundesrat «die Verlegung seines Standortes sowie derjenige […] von Teilen der Bundes­ verwaltung»235 anordnen konnte. Die Evakuation konnte demgegenüber in den ersten Monaten des Zweiten Weltkriegs auch von der Armee ausgelöst werden.236 Zum anderen war die Evakuationskommission – bestehend aus Vertretern der Verwaltung und wie bereits erwähnt ziviles Pendant des Armeestabs 700 – «bei der Ernennung und Entlassung des Kommandanten Armeestab 700»237 anzu- hören. Überdies bestimmte Art. 12 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 25. Juli 1961, dass die Gruppe Armeestab 700 zwar dem Generalstabschef unterstand, aber «ausschliesslich dem Bundesrat für die Verlegung und die damit zusam- menhängenden Aufgaben zur Verfügung» zu dienen hatte. Das EMD war gar befugt, die «für die Organisation der Gruppe Armeestab 700 erforderlichen Weisungen» zu erlassen. Noch heute weist der mit der Verlegung des Bundesrates und weiteren Aufgaben zugunsten der Landesregierung betraute Stab Ei Ustü LR in Bezug auf die Führungsstruktur ähnliche, wenngleich weitergehende Be- sonderheiten auf.238

233 Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Chef der Kriegstechnischen Abteilung vom 31. Juli 1948, BAR E 27 13143. 234 Schreiben von Oberst von Wattenwyl, Ter Kreis Kdt. 16, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern, vom August 1948, BAR E 27 13143. 235 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 236 Vgl. Kap. 2.4, Kap. 3.4 und Kap. 4.2. 237 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 238 Vgl. dazu unten Kap. 7.

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Abbildung 9: Memorandum der Generalstabsabteilung betreffend Bundesrat und Verwaltung vom 26. Februar 1948 (BAR E 27 13143)

98 6. Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende

6.3 Themen im Zusammenhang mit dem Schutz und den Bedürfnissen der ­Landesregierung in Krisensituationen Nach dem vorstehenden Überblick zu den Formationen und Stäben, welche ab dem Zweiten Weltkrieg für den Bundesrat zuständig waren, gilt es nun, einige der Themenkomplexe aufzugreifen, die im Zusammenhang mit dem Schutz und den Bedürfnissen der Landesregierung in Krisensituationen einen wichtigen Platz einnahmen.

6.3.1 Erste Diskussionen nach Ende des Zweiten Weltkriegs

Memorandum der Generalstabsabteilung vom 26. Februar 1948 Wie bereits erwähnt wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einige der konkret getroffenen Evakuations- und Schutzvorbereitungen für den Bundesrat wieder rückgängig gemacht.239 Freilich waren mit dem Ende des Zweiten Welt- kriegs nicht sämtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz und der Eva- kuation der Landesregierung in Krisensituationen vom Tisch. So hielt die Generalstabsabteilung (Sektion für Territorialdienst) bereits in einem internen Memorandum vom 26. Februar 1948 fest, dass zwischen dem Armeekommando und der Regierung verschiedene Fragen zu klären seien. Diese betrafen die Phasen «vor, bei oder nach einer Kriegsmobilmachung».240 Offen waren insbesondere die Fragen, wann der Bundesrat Bern verlassen, wohin er sich begeben und welche Mitarbeiter ihn begleiten sollten. Zu klären war des Weiteren, wer für die Bereitstellung der nötigen Transportmittel und den Schutz des Transports verantwortlich zeichnete. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, wer für die Gewährleistung der Verbindungen des Bundesrates zuständig war. Ebenfalls angesprochen wurde, wie im Krisenfall mit fremden Gesandtschaften verfahren werden sollte.241 Ob das Memorandum der Generalstabsabteilung (Sektion für Territorialdienst) nur zufällig genau im selben Zeitraum verfasst wurde, als in der Tschechoslowakei der kommunistische Prager Umsturz statt- fand – welcher in der Schweiz wie erwähnt «umfassende Reaktionen»242 auslös- te –, muss offen bleiben.

239 Vgl. Kap. 5.7. 240 Aktennotiz der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorialdienst, vom 26. Februar 1948, BAR E 27 13143. 241 Vgl. Aktennotiz der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorialdienst, vom 26. Februar 1948, BAR E 27 13143. 242 Flury-Dasen, Eric, Kalter Krieg, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 9. Oktober 2008, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17344.php [zuletzt konsultiert am 24.03.2013].

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Besprechung zwischen der Generalstabsabteilung und dem EMD vom 30. März 1948 Jedenfalls fand bereits am 30. März 1948 zwischen der Generalstabsabteilung (Sektion Territorialdienst) und dem Direktor der Militärverwaltung eine Bespre- chung zur Diskussion der erwähnten Fragen statt.243 Darin wurde festgehalten, dass der Bundesrat die Bundesstadt zu jenem Zeitpunkt verlassen werde, ab wel- chem «seine ungestörte Arbeit, der Vollzug seiner Entscheidungen, der sichere Weg vom Domizil zum Büro und umgekehrt nicht mehr gewährleistet sind.» In Bezug auf die Ursachen, welche die Landesregierung zum Verlassen von Bern zwingen könnten, floss indessen nicht mehr nur eine (kriegerische) Bedro- hung von aussen in die Analyse ein. Neu wurden auch mögliche innere Einflüsse genannt, welche allenfalls Anlass zu einer Dislokation des Bundesrats geben konnten: Insbesondere «Ruhestörungen, Demonstrationen, Streiks» könnten demnach als innere Einflüsse die Arbeit des Bundesrates in Bern beeinträchtigen, so das Resultat der Besprechungen zwischen der Generalstabsabteilung und dem Vertreter des EMD. Für diesen Fall wurde vorgeschlagenen, einen «Tagungsort in der Nähe von Bern» zu wählen, wobei der Schutz der Landesregierung «durch zivilpolizeiliche Massnahmen, eventuell in Verbindung mit kantonalen O.D.- Massnahmen durch kantonale Truppen» sicherzustellen wäre. Als mögliche Einflüsse von aussen, welche die Landesregierung zum Verlassen von Bern zwingen könnten, erachtete man insbesondere «militärische Aktionen vom Ausland her». Für diesen Fall sahen die Generalstabsabteilung und das EMD nach dem Vorbild der Dispositionen im Zweiten Weltkrieg vor, zwei Staffeln zu bilden, wobei die Staffel A mit dem Bundesrat und seinen engsten Mitarbeitern («insgesamt nicht über 40 – 50 Personen») mit «bundeseigene[n] Fahrzeuge[n] der PTT, Zoll, W+F, usw.» aus Bern wegtransportiert würde. Als Aufnahmeort kam weiterhin Amsteg in Betracht. Die Staffel B, zusammengesetzt aus «Personen und Akten, die einem feindlichen Angriff entzogen werden soll[t]en» hätte sich wie bereits während des Zweiten Weltkriegs nach Engelberg begeben sollen. Der militärische Schutz des Bundesrates am Evakuationsort sollte gemäss der Bespre- chung vom 30. März 1948 im Rahmen des Raumschutzes gewährleistet werden. Weiter war vorgesehen, dass die Organisation und der Schutz der Transporte in der Verantwortung des Evakuationschefs der Bundesverwaltung standen. Bemerkenswert ist, dass dieser Evakuationschef gemäss Besprechung vom 30. März 1948 auch «die Begehren betr[effend] die von der Armee zuzuteilenden

243 Vgl. Aktennotiz über die Besprechung der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorialdienst, mit Oberst- leutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, betreffend Armeekommando und Landesregierung vom 30. März 1948, BAR E 27 8712.

100 6. Vom Beginn des Kalten Kriegs bis zur Jahrtausendwende

Mittel» hätte formulieren müssen und auch «bis zur Erfüllung seiner Aufgabe allein» über diese verfügt hätte. Dies bedeutet wohl, dass nach der Vorstellung der Generalstabsabteilung und des EMD die Truppen, welche für den Transport und den Schutz des Bundesrats von der Armee zur Verfügung gestellt wurden, unter ziviler Führung gestanden hätten. Ferner kam an der Besprechung vom 30. März 1948 auch die Frage zur Sprache, wer die Verbindungen des Bundesra- tes in Krisensituationen zu gewährleisten hätte. Gestützt auf die Besprechung vom 30. März 1948 gelangte der damalige Ge- neralstabschef, Oberstkorpskommandant de Montmollin am 4. Mai 1948 mit einem Schreiben an Bundesrat Kobelt.244 Darin hielt er für den Fall einer beson- deren Lage die Verantwortlichkeiten der Generalstabsabteilung bzw. des Armeekom- mandos betreffend die Landesregierung fest. Demnach hatte die Generalstabsab- teilung «im Rahmen der allgemeinen militärischen Massnahmen» den Schutz der Bundesregierung zu gewährleisten. Zudem lag es in ihrer Verantwortung, Transportmittel und militärischen Schutz für die Dislokation zur Verfügung zu stellen. Am Unterbringungsort hatte das Armeekommando den Schutz der «Staffeln A und B […] im Rahmen des allgemeinen Raumschutzes» zu gewähr- leisten. Für die Bereitstellung der nötigen Unterkünfte am Evakuationsort bzw. deren Requisition wartete der Generalstabschef auf die Bedarfsmeldung des Evakuationschefs der Bundesverwaltung. Zu guter Letzt hielt Oberstkorpskommandant de Montmollin in anschaulicher Weise die Funktion fest, welche der Armee in Bezug auf die Bedürfnisse des Bundesrates im Krisenfall zukamen: Die Rolle der Generalstabsabteilung bzw. des Armeekommandos liege «in der Tätigkeit als Vollzugsorgan der Einzelwün- sche des Evakuationschefs» und folglich der Landesregierung. Damit zeigte er auf, dass der Armee wichtige Aufgaben für den Schutz des Bundesrates in Kri- sensituationen zukamen, die Hoheit über die zu treffenden Vorbereitungen und Massnahmen aber bei der politischen Führung verblieb.

Interner Bericht des EMD über die Organisation und den Standort des ­Bundesrates im Kriegs- und Krisenfall vom Juni 1948 Wohl durch die von Oberstkorpskommandant de Montmollin dargelegte Kom- petenzverteilung sah sich Bundesrat Kobelt veranlasst, verwaltungsintern einen Bericht über die Organisation und zum Standort des Bundesrates im Kriegs- bzw.

244 Vgl. Schreiben des Generalstabschefs an Bundesrat Kobelt vom 4. Mai 1948, BAR E 27 8712.

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Krisenfall einzuholen, um anschliessend die Aufträge an die Armeeführung zu formulieren.245 In besagtem Bericht, der allem Anschein nach im Juni 1948 erstattet wurde und für den offenbar der Direktor der Militärverwaltung, Oberstleutnant Bracher verantwortlich zeichnete, wurde zunächst festgehalten, dass die Kriegsorganisa- tion des Bundesrates, so wie sie nach 1941 getroffen wurde,grundsätzlich zweck- mässig gewesen sei. Sie hätte «den an sie gestellten Voraussetzungen wohl auch im Ernstfall entsprochen». Auch für die Zukunft sollten deshalb zwei Staffeln gebildet werden, wobei die erste aus einem «möglichst klein gehaltenen ‹Front­ stab›» des Bundesrates und die zweite aus jenen Dienststellen, welche «dem Feinde möglichst lang entzogen werden müssen», bestanden hätte. Für die Vorbereitung und Organisation der Evakuation sollte wiederum ein Evakuations- chef bestimmt werden. In Bezug auf konkrete Fragen zur Evakuation und zum Schutz der Landesre- gierung wurde im Bericht zunächst erörtert, welche Standorte der Bundesrat beziehen könnte, wenn er in Bern an der Arbeit gehindert wäre. Als Tagungsort, welcher namentlich im Falle von Störungen durch innere Einflüsse oder vor Ausbruch intensiver Kriegshandlungen zum Zuge gekommen wäre,246 standen das Verwaltungsgebäude der Landestopographie in Wabern, die Waffenfabrik Worblaufen und diejenige im Nordquartier der Stadt Bern zur Auswahl. Als am besten geeignet wurde die erste Variante betrachtet, weil das Gebäude der Lan- destopographie in Wabern über einsturzsichere Luftschutzräume, zahlreiche Büro- und Konferenzräume, gute und ausreichende Verbindungen unter Umge- hung der Stadtzentrale, eine gute Übersicht für die Bewachung sowie eine «versteckte Zufahrt für Motorfahrzeuge»247 verfügte. Nach Ansicht des Bericht- erstatters konnten allenfalls «zur Täuschung und Tarnung noch das von Watten­ wylhaus» und der Landsitz Lohn in Kehrsatz herangezogen werden. Sollte die politische oder militärische Lage eine weitere Verschiebung des Bundesrates notwendig machen, wurde im Bericht an den Bundesrat empfohlen, am «früheren Standort Amsteg festzuhalten». Dies umso mehr, als die militär- technische Entwicklung Luftlandeaktionen immer wahrscheinlicher machte, das Réduit aber bereits aus topographischen Gründen weniger Möglichkeiten dazu

245 Vgl. Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorganisation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143. 246 Vgl. hierzu auch die Aktennotiz über die Besprechung der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorial- dienst, mit Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, betreffend Armeekommando und Lan- desregierung vom 30. März 1948, BAR E 27 8712. 247 Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorganisation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143.

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bot. Zudem gewährleistete die nunmehr erfolgte Eröffnung der Sustenstrasse­ eine bessere Verkehrsanbindung Amstegs an «die andern Teile des Réduits und gegebenenfalls des Mittellands durch einzelne Fahrzeuge». Für Amsteg sprachen auch die in nächster Nähe gelegenen «nötigen eingespielten Funk­anlagen». Be- züglich der im Zweiten Weltkrieg erstellten Bundesratskaverne war indessen unter dem Eindruck neuer Bedrohungen die Frage zu klären, «ob der Stollen Amsteg auf seine Eignung gegen Atombomben geprüft werden soll.» In Bezug auf die bis damals «bekanntgewordenen Beschreibungen der Atombombenwir- kungen in Japan dürfte der Stollen in seiner […] Ausführung zum mindesten dem Luftdruck und der Hitzewirkung ohne weiteres wider­stehen.» Hinsichtlich der Radioaktivität wurde Bundesrat Kobelt indessen die Erstellung eines entsprechen- den Gutachtens durch die Direktion der Eidgenössischen Bauten empfohlen. Für den persönlichen Schutz der Bundesräte in Bern wurde im Bericht vom Juni 1948 angeregt, auf «Inspektoren und Kommissäre der Bundespolizei unter Zuzug der Stadt- und Kantonspolizei» zurück zu greifen. Militärisch sollte der Schutz in der Bundesstadt und am allfälligen ersten Ausweichstandort in der Nähe von Bern wiederum durch das Territorial-Regiment 80 sichergestellt werden. Als wichtig erachtet wurde dabei insbesondere der direkte Kontakt mit dem verant- wortlichen Kommandanten, um «nicht noch den weitschweifigen Umweg über [das] Armeekommando» nehmen zu müssen: «Je kürzer der Weg vom Bundesrat zum ausführenden Truppenkommandanten, umso besser.» Hinsichtlich des Transports ins Réduit und dem Schutz am Evakuationsort gelangte man im Bericht an den Bundesrat vom Juni 1948 zum Schluss, dass – ebenfalls wie im Zweiten Weltkrieg – aus besonders «zuverlässigen Leuten» ausgewählte Hilfsdienst-Fahrer zum Zuge kommen sollten. Als Begleitschutz müsse der Bundesrat über eine Motorradfahrer-Kompanie verfügen können. Am Kriegsstandort selbst sollten grundsätzlich die Réduit-Truppen für den Schutz des Bundesrates zuständig sein, jedoch «in Berücksichtigung der erhöhten Gefahr von Luftlandeaktionen». Grosse Bedeutung wurde des Weiteren auch den Kommunikationsverbindungen des Bundesrates beigemessen. Zum einen sollte für die innerschweizerischen Verbindungen auf das zivile Telefonnetz zurückgegriffen werden können, wel- ches «im Ernstfalle bekanntlich bestimmte Leitungsstränge für besondere Zwecke reserviert.» Insbesondere am Standort Amsteg könne der Bundesrat zudem ein ausgedehntes und gut erhaltenes Militärnetz in Anspruch nehmen, das ihn «mit besonders sorgfältig verlegten Kabelsträngen mit dem Kommando- netz des St. Gotthardes, über den Klausen mit dem Kommandonetz von Sargans und über den Susten mit dem Kommandonetz des Berneroberlandes» verband.

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Für den Unterhalt sowohl der zivilen wie der militärischen Leitungen sollte der Landesregierung eine Mot. Tg. Kp. zur Verfügung gestellt werden. Funkstationen im Reusstal konnten zudem die Verbindung des Bundesrates zu den höheren Kommandostellen, den Kantonsregierungen und – via die Funkstationen Hir- zenboden (Altdorf), Seelisberg, Klewenalp sowie die Überseestation Frutt – über die Landesgrenzen hinaus gewährleisten.

Zwischenstand Wie sich zeigen sollte, wurde in den soeben erörterten Dokumenten – also dem Memorandum der Generalstabsabteilung vom 26. Februar 1948, der Aktennotiz über die Besprechung zwischen der Generalstabsabteilung und dem EMD vom 30. März 1948 sowie dem verwaltungsinternen Bericht über die Organisation und den Standort des Bundesrates im Kriegs- und Krisenfall vom Juni 1948 – die wesentlichen Themenkomplexe bereits angesprochen, welche während des Kal- ten Kriegs die Vorbereitungen des Bundesrates für den Krisenfall prägten: Es handelte sich um die Ursachen, welche eine besondere oder ausserordentliche Lage auslösen konnten, die Befehlsstruktur, den Standort des Bundesrates, dessen Schutz und Transport an einen Ausweichstandort, sowie die Gewährleistung von Verbindungen zu den verschiedenen Ansprechpartnern der Landesregierung. Die Behandlung von einzelnen dieser Aspekte lässt sich im späteren zeitlichen Verlauf nachvollziehen, auf andere wiederum kann an dieser Stelle aus bereits erwähnten Gründen, insbesondere der Aktenzugänglichkeit, nicht näher einge- gangen werden.248 Soweit aufgrund der Quellenlage möglich, werden im Folgen- den einige dieser Themenkomplexe kurz beleuchtet.

6.3.2 Nähere Beleuchtung ausgewählter Themenkomplexe

Kriegsstandort des Bundesrates Bezüglich seines Kriegsstandorts wurde dem Bundesrat im internen Bericht vom Juni 1948 empfohlen, als ersten Ausweichstandort im Krisenfall das Verwaltungs- gebäude der Landestopographie in Wabern und bei einer Verschiebung weg vom Raum Bern auf die Kaverne in Amsteg zurück zu greifen.249 Diese Vorschläge befriedigten Bundesrat Kobelt angesichts der veränderten geopolitischen Lage in- dessen nicht gänzlich. So gelangte er Ende Juni 1948 an den Generalstabschef und legte diesem dar, dass zwar der Bundesratsbunker in Amsteg aufrechterhal-

248 Vgl. dazu Kap. 1.3 sowie Kap. 6.1. 249 Vgl. Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorganisation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143.

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ten werden sollte, aber auch ein Kriegsstandort «im westlichen Teil des Zentral- raumes vorzusehen sei»,250 wobei sich das Berner Oberland dazu am besten eigne. Im Herbst 1948 entschied der Bundesrat zudem, weitere Rekognoszierun- gen für einen Ausweichstandort in der Nähe von Bern zu veranlassen. Die Grup- pe Festungswesen in der Generalstabsabteilung beschied dem Generalstabschef daraufhin am 7. Oktober 1948, dass sich die bereits bestehende Kaverne im ehe- maligen Sandsteinbruch Harnischhut in Bolligen dafür eignen würde. Ein ers- ter Ausbau der Kaverne Harnischhut für die Unterbringung von Truppen hatte bereits im Jahr 1940 stattgefunden und für die Bedürfnisse des Bundesrates kön- ne ohne weiteres eine Fläche von 2000 m2 zur Verfügung gestellt werden.251 Im Anschluss daran teilte Bundesrat Kobelt dem Generalstabschef am 21. Okto- ber 1948 im Namen der Landesregierung mit, dass der Kriegsstandort Reusstal mit der Kaverne Amsteg für den Bundesrat und das unterirdische Magazin Eilen für das Armeekommando beibehalten und soweit nötig ausgebaut werden soll- ten. Im Raume Interlaken sei indessen «beförderlichst»252 ein neuer Kriegsstand- ort für die Landesregierung und das Armeekommando zu erstellen. Vorsorglich sei allerdings bereits eine Unterbringung des Bundesrates und des Armeekom- mandos in der Nähe von Bern vorzubereiten, «wobei sich die ehemaligen Sand- steinbrüche bei Harnischhut dazu am besten eignen.» Nach eingehenden Diskussionen und «zahlreicher in den Jahren 1948/1949 ausgeführter Rekognoszierungen und Studien»253 beschloss der Bundesrat schliesslich am 17. November 1950, als neuen Kriegsstandort (neben Amsteg) den als K10 bezeichneten Bundesratsbunker in Brienz bauen zu lassen.254 Dieser Kommandoposten wurde in der Brunnenfluh 500m südlich des Aareeinflusses bei Brienz erstellt.255 Um die beiden für den K10 vom Talboden her vorgesehenen Eingänge gegen Fliegerbeschuss schützen zu können, bat der Direktor der Militärverwaltung Mitte Januar 1951 den Waffenchef der Flieger- und Flab-Truppen, durch einen Piloten den Nord-Süd-Anflug vom Brienzer Rothorn her gegen die Brunnenfluh ausexerzieren zu lassen. Dies sollte es erlauben, der Eidgenössischen Baudirek- tion als projektierender Behörde nähere «Weisungen […] über die Erstellung der

250 Schreiben von Bundesrat Kobelt an Generalstabschef de Montmollin vom 29. Juni 1948, BAR E 27 13143. 251 Vgl. Schreiben der Generalstabsabteilung, Gruppe Festungswesen, an Generalstabschef de Montmollin vom 7. Oktober 1948, BAR E 27 8712. 252 Schreiben von Bundesrat Kobelt an Generalstabschef de Montmollin vom 21. Oktober 1948, BAR E 27 8715. 253 Schreiben von Generalstabschef de Montmollin an Bundesrat Kobelt vom 16. März 1950, BAR E 27 8715. 254 Vgl. Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Direktion der Eidgenössischen Bauten vom 4. Dezember 1950, BAR E 27 8715. 255 Vgl. Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den Waffenchef der Flieger- und Flab-Truppen vom 13. Januar 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2.

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Abbildung 10: Auftrag des EMD zur Durchführung eines Testanflugs in der Umgebung von Brienz (BAR E 5001 (F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2)

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beiden Tunneleingänge» zu erteilen. Allerdings stellte sich dabei heraus, dass «Anflüge in Nord-Süd-Richtung, d. h. quer zum Talverlauf möglich sind, indem mit einem Stechwinkel von nur ca. 22 Grad die Talsohle schon ca. 1500 m vor dem Fusse der Brunnenfluh erreicht wird.»256 Dies gar mit schwereren Flugzeu- gen als der für den Versuch verwendeten C-3603. An den Direktor der Eidgenös- sischen Bauten ging folglich die Anweisung, die Eingangstüren zum Bundesrats- bunker K10 technisch so zu gestalten, «dass sie auch einem Fliegerbeschuss standzuhalten vermögen.» Im Zusammenhang mit dem Bau der unterirdischen Anlage K10 kam es im Übrigen zu Misstönen in der Bevölkerung. So erschien am 22. Juli 1951 in der Sonntagsausgabe des «Bund» ein kritischer Artikel über Schuttablagerungen im alten Aarelauf: In diesem «einzigartige[n] Schilf- und Sumpfgebiet»257 und be- liebten Aufenthaltsort wurde auf Empfehlung der Baudirektion des Kantons Bern der Ausbruch für die Anlage K10 abgelagert.258 Dies anstelle einer Deponie «ganz in der Nähe des Stollens auf der Seeseite […], wo überdies ein idealer und der Allgemeinheit dienender Holzablagerungsplatz entstehen würde.»259 Ob der Aushub für die Anlage K10 anschliessend an einer anderen Stelle abgelagert wurde, um weiteres Aufheben zu verhindern, ist nicht aktenkundig. Nach der Fertigstellung der Anlage K10 in Brienz hatte der Bundesrat, soweit dies den Akten entnommen werden kann, neben dem Werk 1102 in Amsteg eine zweite Kriegsunterkunft zur Verfügung, wobei jene in Amsteg «als Ausweich- möglichkeit in Reserve gehalten»260 wurde.

Transport In Bezug auf den Transport des Bundesrates an seinen Kriegsstandort ging das EMD in einer ersten Einschätzung nach dem Zweiten Weltkrieg noch davon aus, dass weiterhin auf Hilfs-Dienst-Fahrer zurückgegriffen werden könne, welche aus besonders «zuverlässigen Leuten»261 auszuwählen seien. Bald darauf gelang- te der Direktor der Militärverwaltung jedoch zur Auffassung, dass die «kleine Gruppe des Bundesrates und seiner engsten Mitarbeiter nur von den vertrauten

256 Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an die Direktion der Eidgenössi- schen Bauten vom 13. Februar 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. 257 Abschrift aus der Sonntagsausgabe des «Bund» vom 22. Juli 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. 258 Vgl. auch Schreiben der Direktion der Eidgenössischen Bauten an die Baudirektion des Kantons Bern vom 24. Juli 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. 259 Abschrift aus der Sonntagsausgabe des «Bund» vom 22. Juli 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. 260 Schreiben von Generalstabschef de Montmollin an Bundesrat Kobelt vom 29. November 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.1. 261 Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorganisation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143.

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Abbildung 11: Schreiben an den Platzkommandanten von Bern betreffend Schutz der Landesregierung und Flugplatz Belp vom August 1948, erste Seite (BAR E 27 13143)

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Wagenführern […], die den einzelnen Departementschefs auch in Friedenszeit zur Verfügung stehen»,262 an den Evakuationsort zu fahren sei. Dies erlaube es, im Sinne der Sicherheit für die Landesregierung künftig auf Requisitionswagen zu verzichten und «nach Möglichkeit nur mit angestammtem Personal und mit einwandfrei instandgehaltenen Wagen zu fahren». Die Verfügbarkeit von Motor- fahrzeugen und Chauffeuren wurde bereits kurz darauf von den involvierten Dienststellen bestätigt. Nachdem die Fahrzeugführer für ihre Spezialaufgabe «in einem halbtägigen Kurs die Handhabung der Maschinenpistolen»263 erlernt hat- ten, konnte für den Transport des Bundesrates ab Ende der 1940er Jahre auf Hilfs- Dienst-Personal verzichtet werden. Für das Transportwesen zeichnete allem Anschein nach spätestens im Jahr 1954 die «Gruppe Bernina» im Armeestab 700 verantwortlich.264 Der Bundes- ratsbeschluss über die Standortverlegung des Bundesrates und der Bundesver- waltung für den Fall eines aktiven Dienstes vom 25. Juli 1961 bestätigte diese Kompetenzordnung, indem der Gruppe Armeestab 700 «im Falle der Verlegung […] der Transport […] des Bundesrates»265 und dessen taktischer Schutz anvertraut wurde. Die Verschiebung der Landesregierung an ihren Kriegsstandort wurde zum Teil unter realistischen Bedingungen geübt, so etwa im Herbst 1958, als eine Dislokation «ab Bern bis Anlage»266 mit den «engsten Mitarbeiter[n] des Bundes- rates» stattfand. Nach der Armeereform Mitte der Neunziger Jahre kam diese Aufgabe seitens der Armee dem HQ Rgt 2 zu, seit 2004 dem Stab Ei Ustü LR.

Schutz des Bundesrates Einblick in die Vorbereitungen zum bewaffnetenSchutz des Bundesrates kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gibt namentlich das vom August 1948 datie- rende Schreiben des Ter. Kreis Kdt. 16, Oberst von Wattenwyl, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern. Darin informierte Oberst von Wattenwyl den Platzkommandanten von Bern, dass der Bundesrat «für den Fall von Unruhen und vor Einsetzung von Truppen für das Wahren der inneren Sicherheit […] über den Schutz eines Detachements [verfügt], das von der eidg[enössischen] Bundespolizei im Einvernehmen mit

262 Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den administrativen Adjunkt der Waffenfabrik [und weitere] vom 10. September 1948, BAR E 27 13143. 263 Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den Oberzolldirektor vom 5. Ok- tober 1948, BAR E 27 13143. 264 Vgl. Organigramm Armeestab 700, Gruppe Bernina – Organisation des Stabes, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. 265 Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 266 Protokoll der Besprechung vom 7. März 1958 zwischen der KAPF und Armeestab 700 betreffend Abgren- zung der Kompetenzen und Aufgaben in der Anlage [K10] vom 18. März 1958, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6.

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Abbildung 12: Schreiben an den Platzkommandanten von Bern betreffend Schutz der Landesregierung und Flugplatz Belp vom August 1948, zweite Seite (BAR E 27 13143)

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Kantons- und Stadtpolizei gestellt wird.»267 Sobald ein Truppenaufgebot ergangen wäre, hätte – wie bereits während des Zweiten Weltkriegs – das Ter. Rgt. 80 den Schutz der Landesregierung übernommen. Vorgesehen war, dass das Ter. Bat. 151 den Bernerhof an der Bundesgasse 3, das Bundeshaus mitsamt dem Parlaments- gebäude, das Gebäude der Berner Kantonalbank («zur Verteidigung des Bundes- hauses»), die Nationalbank, das Hauptpostgebäude sowie das Radio Studio Bern bewacht und beschützt hätte. Das Ter. Bat. 150 wäre mit einer Kompanie für die Sicherung des Flugplatzes Belp zuständig gewesen. Ein «verstärkter Zug»268 des Ter. Bat. 150 stand dem Bundesrat zur Verfügung. Dieser sollte auf der Fahrt zum Ausweichstandort und daselbst dem Schutz der Landesregierung dienen.269 Für den Zeitraum von Anfang 1950er Jahre an sind wie bereits erwähnt keine Akten mehr zugänglich, welche ergiebige Hinweise auf die Organisation des militärischen Schutzes für den Bundesrat geben. Es kann aber offenbar davon ausgegangen werden, dass das hierfür zuständige Militärpersonal zunächst weiterhin kontrolltechnisch als «Gruppe Bernina» im Armeestab 102 eingeteilt war.270 Dem Protokoll einer Besprechung zwischen der Kriegsabteilung für Presse und Funkspruch (KAPF) und dem (nun für die Belange des Bundesrates zuständigen) Armeestab 700 vom 18. März 1958 ist zu entnehmen, dass letzterer den Festungskommandanten des Bundesratsbunkers K10 in Brienz stellte.271 Zudem herrschte Einigkeit darüber, dass der Armeestab 700 die Mittel hatte, «Bewachung und Verteidigung» der Anlage zu gewährleisten. In Bezug auf den militärischen Schutz des Bundesrates ist sodann dessen Beschluss vom 25. Juli 1961 erwähnenswert. Darin wurde der «Gruppe Armeestab 700» namentlich der Auftrag erteilt, im Fall einer Evakuation des Bundesrates dessen Schutz zu garan- tieren.272 Nach der Armeereform Mitte der Neunziger Jahre wurde auch diese Aufgabe dem HQ Rgt 2 anvertraut.

267 Schreiben von Oberst von Wattenwyl, Ter Kreis Kdt. 16, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern, vom August 1948, BAR E 27 13143. 268 Protokoll über die Konferenz betreffend räumliche Aufteilung des Armeestabes nach erfolgter Mobilma- chung vom 6. Juli 1950, BAR E 27 8715. 269 Vgl. Schreiben von Oberst von Wattenwyl, Ter Kreis Kdt. 16, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern, vom August 1948, BAR E 27 13143. 270 Vgl. Kommando Armee Stabsregiment 700, 50 Jahre Stabsrgt 700. Kurzer Abriss der geschichtlichen Be- gleitumstände, die letztlich zur Gründung des A Stabsrgt 700 führten, Amsteg 1991, S. 8; vgl. auch Schrei- ben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an das EJPD vom 25. März 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. 271 Vgl. Protokoll der Besprechung vom 7. März 1958 zwischen der KAPF und Armeestab 700 betreffend Abgren- zung der Kompetenzen und Aufgaben in der Anlage [K10] vom 18. März 1958, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. 272 Vgl. den Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994.

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Verbindungen Wie bereits zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nahm die Frage nach der Gewähr- leistung der Kommunikationsverbindungen auch im späteren Krisendispositiv der Landesregierung eine wichtige Stellung ein. Am 26. April 1949 teilte der Direk- tor der Militärverwaltung der Generaldirektion der PTT mit, dass der Bundesrat unter anderem eine «mehradrige Verbindung Amsteg-Bern Bundesverwaltung für normalen Telephon- und Stg.-Verkehr»,273 ergänzt mit einer Funkverbindung wünsche. Für den Kontakt mit den Kantonshauptorten erachtete die Landesre- gierung je eine Drahtverbindung für notwendig, wobei «der heute bestehende Polizeifunk für diese Verbindungen als Notbehelf mit eingespannt werden könn- te.» Da Armeekommando und Landesregierung in Amsteg «möglichst nahe zu- sammen arbeiten werden», erübrigte sich hier neben einer mehradrigen Telefon- und Stg.-Verbindung eine subsidiäre Funkverbindung. Wie den zugänglichen Aktenbeständen entnommen werden kann, wurden die Kommunikationsverbindungen des Bundesrates in den 1950er Jahren von der «Gruppe Bernina» im Armeestab intensiv getestet. So fand etwa im Oktober 1951 durch das «Verbindungsdetachement der Landesregierung eine Verbin- dungsübung mit Stg. […] im Réduit»274 statt. Die Abteilung für Übermittlungs- truppen hatte zugunsten der «Gruppe Bernina» verschiedene Vorbereitungen zu treffen, unter anderem musste sie die «notwendigen Linien für 3 Stg. von Amsteg (Werk K8) nach Engelberg (Hotel Edelweiss)» bereitstellen. Die Bundesratska- verne in Amsteg wurde dazu zwischenzeitlich ebenfalls belegt.275 Im Mai 1952 wurde in Amsteg erneut eine «Verbindungsübung der Gruppe Bernina des Armeestabes 102»276 durchgeführt. Anlässlich der Hauptübung vom 19. und 20. Mai 1952 sollten «die Leistungsfähigkeiten des de[n] Kriegsverbin- dungen der Landesregierung zugeteilten Personals» geprüft werden. Dazu war auch die Leitung des Personals in der Bundesratskaverne «durch einen Uebungs- stab, als eine Pseudo-Regierung» geplant. Vorgesehen war, dass dieser Übungs- stab aus je einem Spitzenbeamten des Politischen Departements, des EMD sowie des EJPD bestehen sollte. Als Szenario lagen dieser Verbindungsübung sich verschärfende Spannungen in Osteuropa entlang des Eisernen Vorhangs sowie

273 Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Generaldirektion der PTT vom 26. April 1949, BAR E 27 13143. 274 Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Abteilung für Übermittlungstruppen vom 27. August 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.8. 275 Vgl. Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Abteilung Genie und Festungswesen vom 28. August 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.8. 276 Schreiben von Oberstleutnant Bracher an das EJPD vom 25. März 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6.

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Flüchtlingsströme und das Eindringen sowjetischer Truppen «bis an den Zürich- see und die Limmat»277 zugrunde. Über spätere Verbindungsübungen kann den im Bundesarchiv bis dato zu- gänglichen Akten nichts entnommen werden.

6.4 Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen lassen erkennen, dass die Bedürfnisse des Bun- desrates in besonderen und ausserordentlichen Lagen während der Zeit des Kal- ten Kriegs bis zur Jahrtausendwende weitgehend identisch waren mit jenen in den vorangehenden Perioden. So war die Landesregierung darauf bedacht, ihre politische Führungsaufgabe aus sicheren bzw. geschützten Unterkünften heraus wahrnehmen zu können. Zudem legte sie Wert auf die Gewährleistung von (Kom- munikations-) Verbindungen zum Armeekommando und zivilen Stellen im In- und Ausland auch in Krisensituationen. Ebenso sollte die Dislokation vom jeweiligen Standort der Landesregierung an einen anderen im Ernstfall reibungs- los vonstattengehen können. Des Weiteren war die jederzeitige Aufrechterhal- tung eines adäquaten Schutzes ein Anliegen der Landesregierung. Als ein weiteres Bedürfnis des Bundesrates in besonderen und ausserordentlichen La- gen ist die Wahrung des Primats der Politik zu nennen. Wie schon unter Karl Ko- belt im Zweiten Weltkrieg blieb es dabei, dass die Landesregierung im Krisenfall zwar auf Mittel der Armee zurückgreifen konnte, in ihrer Entscheidungs- und Verfügungsfreiheit aber auch diesbezüglich autonom blieb. Während die Bedürfnisse der Landesregierung betreffend die Vorbereitungen auf ausserordentliche Situationen demnach zum grossen Teil konstant blieben, ergaben sich in Bezug auf die Bedrohungsszenarien Abweichungen. Als äussere Ursache, welche die Funktionsfähigkeit des Bundesrates bedrohen konnte, stand zwar weiterhin ein Krieg im Vordergrund. Aber auch militärische Aktionen un- terhalb der Kriegsschwelle gerieten ins Blickfeld. Zudem ist erkennbar, dass die Fortschritte der Militärtechnik (hinsichtlich der Durchführung von Luftlandeak- tionen) und das Aufkommen neuer Waffengattungen (insbesondere der Atom- bombe) zu neuen Überlegungen in Bezug auf den Schutz des Bundesrates Anlass gaben. Neben diesen äusseren Ursachen rückte – wohl unter dem Eindruck der Vorgänge im Ostblock – auch eine mögliche Bedrohung durch Ereignisse im Inland (Demonstrationen, Streiks) auf die Liste jener Szenarien, welche die Funktionsfähigkeit der Landesregierung beeinträchtigen konnten.

277 Schreiben von Oberstleutnant Bracher an diverse Beamte der Bundesverwaltung vom 15. Mai 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6.

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Dies führte freilich auch zu Veränderungen bei den konkreten Vorkehrungen für den Krisenfall. So liess der Bundesrat etwa in Brienz eine neue Führungsanlage errichten, welche (zumindest für eine gewisse Zeit noch) neben jener in Amsteg eine sichere Unterkunft gewährte. Auch in der Umgebung von Bern liess er Aus- weichstandorte für Phasen prüfen, in welchen eine Dislokation an den Kriegss- tandort noch nicht nötig war. In Bezug auf die Transportmittel für eine Verschiebung musste sich der Bundesrat mit fortschreitend besserer Ausrüstung der Bundesverwaltung nicht mehr auf private (Requisitions-) Fahrzeuge stützen. In Bezug auf die militärischen Einheiten, welche für den Bundesrat verantwort- lich waren, lässt sich soweit möglich das Folgende festhalten: Waren die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für den Bundesrat zuständigen Einheiten noch als «Gruppe Bernina» im Armeestab 102 eingeteilt, wechselte die Zuteilung der «Gruppe Bernina» in den 1950er Jahren zum Armeestab 700. Mit Bundesrats- beschluss aus dem Jahr 1961 wurde diese Zuständigkeit bestätigt. Im Zuge der Armeereform in den 1990er Jahren (Armee 95) wurde das HQ Rgt 2 mit dieser Aufgabe betraut.

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Armee XXI: Stab Einsatzunter­stützung Landesregierung7 118 77. Armee XXI: Stab ­Einsatzunter­stützung ­Landesregierung

Wie bereits erwähnt ging nach dem Ende des Kalten Kriegs und im Zuge der an- schliessenden Armeereform (Armee 95) die Verantwortung für den Schutz der Landesregierung und die Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse in Krisenlagen auf das HQ Rgt 2 über.278 Allerdings war aufgrund von Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage und Mängeln der Armee 95 bereits um die Jahrtausendwende eine Anpassung der Armeestruktur nötig, was zur Armeereform XXI führte.279 Die Veränderung der sicherheitspolitischen Lage hatte für die Armee insbesondere zur Folge, dass neben der Raumsicherung und Verteidigung die internationale Friedensunter- stützung und Konfliktbewältigung sowie subsidiäre Einsätze zur Prävention und Bewältigung existenzieller Gefahren neues Gewicht gewannen. Insbesondere bei subsidiären Einsätzen zugunsten ziviler Behörden stand als Grundszenario nicht ein bewaffneter Konflikt im Vordergrund.280 Im Gefolge dieser veränderten Ausgangslage und der Armeereform XXI wurde das bisher für den Bundesrat zuständige HQ Rgt 2 abgelöst und ab 2004 der neu geschaffeneStab Einsatzunterstützung Landesregierung (Stab Ei Ustü LR) mit der Aufgabe betraut, «in besonderen und ausserordentlichen Lagen die Verlegung des Bundesrates in die Führungsanlagen»281 vorzunehmen und bei Bedarf «weitere Aufgaben» zugunsten der Landesregierung zu erfüllen.282

278 Vgl. dazu Kap. 6.2 oben; zudem mündliche Auskunft von Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR, vom 31. Januar 2011. 279 Vgl. Botschaft des Bundesrates zur Armeereform XXI und zur Reform der Militärgesetzgebung vom 24. Oktober 2001, BBl 2002 858-900, S. 860. 280 Vgl. hierzu auch den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL B 2000) vom 7. Juni 1999, S. 18 ff. 281 Art. 12 der Weisungen des Bundesrates über organisatorische Massnahmen in der Bundesverwaltung zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen vom 24. Oktober 2007, BBl 2007 8293-8296, S. 8295. 282 Mündliche Auskunft von Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR, vom 31. Januar 2011; vgl. zudem die so- eben zitierten Weisungen des Bundesrates über organisatorische Massnahmen in der Bundesverwaltung zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen vom 24. Oktober 2007, BBl 2007 8293-8296, S. 8295.

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Im März 2010 konkretisierte die Bundeskanzlerin den Auftrag an den Stab Ei Ustü LR: Demnach hat der Stab Ei Ustü LR die Landesregierung in besonderen und ausserordentlichen Lagen oder im Rahmen eines speziellen Auftrages (Übun- gen, spezielle Einsätze) zu unterstützen. Zudem ist er im Einsatz verantwortlich für die Betriebsbereitschaft und für den Betrieb der geschützten Arbeitsräume des Bundesrates und der zivilen Führungsstäbe. Überdies hat er gesicherte Trans- porte von den Arbeitsräumen der Regierung in Bern an andere Standorte, insbe- sondere in die Führungsanlagen zu planen, organisieren und im Ernstfall auch durchzuführen. Ferner sorgt der Stab Ei Ustü LR gemäss dem Auftrag der Bun- deskanzlerin für die Sicherstellung der Verbindungen innerhalb der Führungs- anlagen, zu den Aussenstellen des Bundes und zu den Kantonen. Schliesslich unterstützt der Stab das ausländische diplomatische Korps in der Schweiz in au- sserordentlichen Lagen basierend auf völkerrechtlichen Verpflichtungen. Für die Erfüllung dieser Aufträge kann der Stab Ei Ustü LR im Rahmen von Leistungs- vereinbarungen auf zivile und militärische Leistungserbringer zurückgreifen.283 Besonders bemerkenswert an den Weisungen des Bundesrates über organisa- torische Massnahmen zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen (im Folgenden: Weisungen des Bundesrates) und dem Auftrag der Bun- deskanzlerin an den Stab Ei Ustü LR ist dreierlei: Zum einen wird der Einsatz des Stabs Ei Ustü LR neu vom Mass der Beeinträchtigung normaler Verwaltungsab- läufe, nämlich von besonderen oder ausserordentlichen Lagen284 abhängig ge- macht und nicht mehr von einem konkreten Bedrohungsszenario. Darin zeigt sich – ganz im Einklang mit dem im Sicherheitspolitischen Bericht 2000 iden- tifizierten breiteren Bedrohungsspektrum285 – eine Flexibilisierung des Einsatz- bereichs gegenüber jenem früherer Stäbe und Formationen. Namentlich während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs stand hauptsächlich eine kriegeri- sche Bedrohung der Landesregierung im Vordergrund, am Rande allenfalls noch schwerwiegende innenpolitische Verwerfungen. Heute ist der Einsatz des für den Bundesrat zuständigen Stab Ei Ustü LR nicht mehr von konkreten Ursachen, sondern von den durch sie gezeitigten oder absehbaren Auswirkungen abhängig. Zum anderen blieben die Anforderungen und Bedürfnisse des Bundesrates an seine militärische Schutz- und Unterstützungsformation weitgehend konstant. Wie bereits im Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Kriegs verlangt die

283 Vgl. zum Ganzen Auftrag der Bundeskanzlerin an den Chef Stab Ei Ustü LR, vom 23. März 2010. 284 Art. 12 der Weisungen des Bundesrates über organisatorische Massnahmen in der Bundesverwaltung zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen vom 24. Oktober 2007, BBl 2007 8293-8296, S. 8295; vgl. dort auch Art. 3 (S. 8293). 285 Vgl. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL B 2000) vom 7. Juni 1999, S. 16 ff.

120 7. Armee XXI: Stab Einsatzunter­ ­stützung ­Landesregierung

Landesregierung eine sichere Dislokation sowie reibungslos funktionierende und betriebsbereite Führungsanlagen. Sie legt des Weiteren grossen Wert auf die Verbindungen innerhalb der Führungsanlagen und zu ihren Ansprechpartnern und Ausführungsorganen im näheren und weiteren Umkreis. Dass die Bedürf- nisse des Bundesrates an seine Schutz- und Unterstützungsformation über derart lange Zeit weitgehend unverändert blieben, ist umso bemerkenswerter, als deren Einsatzbereiche parallel zur Änderung der Bedrohungsszenarien einem starken Wandel unterlagen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat in seinen Weisungen zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen für den Stab Ei Ustü LR eine spezielle Befehlsstruktur vorsah. So bestimmt die Bundeskanzlerin den Chef des Stabs Ei Ustü LR in Eigenregie, während er vom Chef der Armee lediglich formell ernannt wird (vgl. Art. 13 Abs. 1 Weisungen des Bundesrates). Zudem ist der Chef des Stabes Ei Ustü LR im Einsatz der Bundeskanzlerin un- terstellt, mithin nicht der Armeeführung (Art. 13 Abs. 2 Weisungen des Bundes- rates). Diese Besonderheit widerspiegelt den Anspruch der Landesregierung, das Primat der Politik über die zu ihrem Schutz und ihrer Unterstützung zu treffen- den Massnahmen im Krisenfall zu bewahren. Art. 13 der Weisungen des Bundes- rates über organisatorische Massnahmen in der Bundesverwaltung zur Bewälti- gung von besonderen und ausserordentlichen Lagen ist diesbezüglich sehr klar und bestimmt. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass namentlich im Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961 entsprechendes immerhin im Keim be- reits angelegt war, indem die Gruppe Armeestab 700 zwar dem Generalstabschef unterstand, aber dem Bundesrat ausschliesslich zur Verfügung stand.286 Wenn auch der Stab Ei Ustü LR vom Bundesrat bis dato glücklicherweise noch nie in einer Krisensituation einberufen werden musste, hatte er im Rahmen seines Auftrags bereits Ernstfälle – wichtige konkrete Einsätze – zu meistern. Dies betraf namentlich die 2006 in Flims/Flem abgehaltene ordentliche Herbst- session der Vereinigten Bundesversammlung. Aufgrund der Renovation des Parlamentsgebäudes in Bern mussten die Eidgenössischen Räte «extra muros» tagen, wobei der Stab Ei Ustü LR im Rahmen eines subsidiären Einsatzes den Auftrag hatte, die Bundeskanzlei und die Parlamentsdienste «in den Bereichen Sicherheit, Transport, Logistik und Übermittlung […] zu unterstützen».287 Für die Planung und Führung der Unterstützungsleistungen zu Gunsten der Session in Flims/Flem war der Stab Ei Ustü LR in Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlei

286 Vgl. den Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994. 287 Maurer, Hans-Rudolf, Die Armee als wichtiger Dienstleister an der Session in Flims, ASMZ 2/2007, S. 17 – 19, S. 17.

121 Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz | Nr. 69

und den Parlamentsdiensten zuständig. Die zivilen Beauftragen (z. B. Hotels, Lieferanten) sowie die für die Sicherheit im Kanton Graubünden zuständige Kantonspolizei wurden von militärischer Seite subsidiär durch das HQ Bat 25 – im Rahmen eines ordentlichen Wiederholungskurses – unterstützt. Der Stab Ei Ustü LR als Teil der Krisenorganisation Stufe Bund arbeitet eng mit der Verlegungsorganisation der Bundesverwaltung zusammen, welche ebenfalls von der Bundeskanzlei geleitet wird. Im Rahmen seines Auftrages und seiner Kompetenzen übt der Stab Ei Ustü LR die reibungslose Auftragserfüllung gemeinsam mit seinen Partnern regelmä- ssig, um auftragsgemäss für zukünftige Ernstfälle einsatzbereit zu sein. Die Er- kenntnisse aus diesen Übungen fliessen in die Weiterentwicklung der Einsatz- unterstützung zugunsten der Landesregierung ein, wobei die Bundeskanzlei im Sinne des Primates der Politik die Federführung innehat. Aus der Natur der Sache ergibt sich, dass Einzelheiten dieser Vorbereitungsarbeiten an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können.

122 123

8Fazit 126 88. Fazit

Der vorstehende historische Abriss bezüglich der Massnahmen der Landesregie- rung zur Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit in Krisenzeiten gibt den Blick frei sowohl auf Aspekte der Konstanz als auch auf solche der Dynamik. Zu erwähnen sind zunächst die Szenarien, welche die Landesregierung in den vergangenen Dekaden als mögliche Bedrohung für ihre Funktionsfähigkeit identifizierte. Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts stand die Beeinträch- tigung der Exekutivfunktionen durch einen Krieg im Vordergrund, wenngleich auch dieses Bedrohungsbild mit der Entwicklung der Kriegführung – erinnert sei an das Aufkommen von Luftstreitkräften, stark bewegliche motorisierte Verbände oder die Atombombe – verschiedene Modifikationen erfuhr. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und wohl unter dem Eindruck kommunistischer Um- stürze in Osteuropa rückte zudem die Möglichkeit von innenpolitischen Einflüs- sen als Ursache für eine Beeinträchtigung der Regierungsfunktionen ins Blickfeld. Um die Jahrtausendwende kam man indessen angesichts des breiten, aber zum Teil diffusen Bedrohungsspektrums davon ab, einzelne Szenarien konkret zu bezeichnen, welche den Krisenvorkehrungen für den Bundesrates zugrunde liegen. Seither stellt vielmehr das Ausmass, in welchem die Funktion der Lan- desregierung beeinträchtigt ist, die Richtschnur für die Krisenvorbereitungen dar und nicht die jeweilige Ursache. Während die Vorbereitungen des Bundesrates für Kriegs- und Krisensituatio- nen insofern einem steten Wandel unterworfen waren, blieben die konkreten Bedürfnisse der Landesregierung erstaunlich konstant. So legte sie immer schon Wert auf eine sichere Dislokation im richtigen Moment an einen ausreichend geschützten (Krisen-) Standort, dessen reibungsloser Betrieb ebenfalls als essen- tiell betrachtet wurde und wird. Von ebenso zentraler Bedeutung war seit je her die Aufrechterhaltung der Verbindungen zu den verschiedenen Ansprechpart- nern im In- oder Ausland. In den Vorkehrungen für den Bundesrat lässt sich des Weiteren seit den 1940er Jahren ein Momentum festmachen, welches darauf gerichtet ist, in Krisensitua- tionen das Primat der Politik auch beim Rückgriff auf Mittel der Armee zu be- wahren. Dies zeigt sich heute etwa daran, dass der Stab Ei Ustü LR im Einsatz der Bundeskanzlerin unterstellt ist.

127 Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz | Nr. 69

In Bezug auf die für den Bundesrat zuständigen militärischen Einheiten kann schliesslich festgehalten werden, dass zunächst verschiedene Truppenkörper, die unter dem Namen «Gruppe Bernina» dem Armeestab zugeordnet waren, hier- für verantwortlich zeichneten. Ab den 1950er Jahren waren die für den Bundes- rat verantwortlichen Armeeangehörigen dem Armeestab 700 (später Armeestabs Rgt 700) zugeteilt. Mitte der 1990er Jahre wurde im Zusammenhang mit der Ar- meereform das HQ Rgt 2 mit dieser Aufgabe betreut. Seit 2004 ist der Stab Ein- satzunterstützung Landesregierung im Einsatz für die Bedürfnisse des Bundesrates verantwortlich. Er wird dabei von Partnern in Armee, Bundesver- waltung und Kantonen unterstützt.

128 129 130 Abkürzungsverzeichnis A Armee A. Auflage A.K. Armeekorps Abs. Absatz Art. Artikel ASMZ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift BAR Bundesarchiv Bat Bataillon BBl Schweizerisches Bundesblatt Bd. Band BGA Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Archivierung (SR 152.1) B.R. Bundesrat Bttr. Batterie bzw. beziehungsweise d. h. das heisst Det. Detachement Div. Division ebd. ebenda EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EMD Eidgenössisches Militärdepartement EVD Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement eventl. eventuell Flab Flugabwehr Füs. Füsilier H.D. Hilfsdienst HLS Historisches Lexikon der Schweiz HQ Hauptquartier Hrsg. Herausgeber i. Gst. im Generalstab K.-P. Kommandoposten Kap. Kapitel KAPF Kriegsabteilung für Presse und Funkspruch Kdo. Kommando Kdt. Kommandant KMV Kriegsmaterialverwaltung Kp. Kompanie

131 Kr. Kreis Mitr. Mitrailleur Mob. Sekt. Mobilisierungssektion Mot. Motorisiert Motf. Motorfahrer O.D. Ordnungsdienst Ortsflab Ortsfliegerabwehr PTT Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe Rdf. Radfahrer Rgt Regiment S. Seite SBB Schweizerische Bundesbahnen SIPOL B 2000 Sicherheitspolitischer Bericht des Bundesrates an die ­Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 7. Juni 1999 sog. sogenannt SR Systematische Sammlung des Bundesrechts Stab Ei Ustü LR Stab Einsatzunterstützung Landesregierung Stabsrgt Stabsregiment Stg. Schreibtelegraph Stv. Stellvertretend[e/r] Ter. Territorial Tg. Telegraph[en] TL-Station Tragbare leichte Funkstation Trp. Truppen URL Uniform Resource Locator usw. und so weiter VBGA Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung (SR 152.11) VBS Eidgenössisches Departement für Verteidigung, ­Bevölkerungsschutz und Sport vgl. vergleiche Wm. Wachtmeister W+F Eidgenössische Waffenfabrik

132 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Liste der bundesrätlichen Domizile (Anhang zum Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an den Platzkommandanten von Bern vom 24. April 1940, BAR E 27 10046) · S. 34 Abbildung 2: Belegung der Ortschaft Engelberg (Beilage zum Schreiben des Kommandanten des 3. Armeekorps an ­Generalstabschef Huber vom 12. Januar 1941, BAR E 27 13145) · S. 44 Abbildung 3: Auszug aus dem Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 12. Februar 1941 (BAR E 27 14326) · S. 54 Abbildung 4: Auszug aus den Anordnungen für die Evakuation des Bundesra- tes und eines Teiles der Bundesverwaltung vom 3. Juni 1941 (BAR E 27 14326) · S. 56 Abbildung 5: Auszug aus dem Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Generaldirektion der Bundesbahnen vom 11. Juni 1941 (BAR E 27 13145) · S. 58 Abbildung 6: Marschbefehl von Hauptmann Häring an das H.D.-Det. 402 vom 2. August 1943 (BAR E 27 1345) · S. 74 Abbildung 7: Evakuationsrouten des Bundesrates gemäss Schreiben von Eva- kuationsoffizier Sessler an den Armeestab vom 29. Juli 1943 (BAR E 27 13145) · S. 80 Abbildung 8: Organigramm Armeestab 700, Gruppe Bernina (BAR E 4002 1984/27 Bd. 6) · S. 94 Abbildung 9: Memorandum der Generalstabsabteilung betreffend Bundes­- ­rat und Verwaltung vom 26. Februar 1948 (BAR E 27 13143) · S. 98 Abbildung 10: Auftrag des EMD zur Durchführung eines Testanflugs in der Um­gebung von Brienz (BAR E 5001 (F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2) · S. 106 Abbildung 11: Schreiben an den Platzkommandanten von Bern betreffend Schutz der Landesregierung und Flugplatz Belp vom August 1948, erste Seite (BAR E 27 13143) · S. 108 Abbildung 12: Schreiben an den Platzkommandanten von Bern betreffend Schutz der Landesregierung und Flugplatz Belp vom August 1948, zweite Seite (BAR E 27 13143) · S. 110

133 Literaturverzeichnis Bernecker, Walther L., Europa zwischen den Weltkriegen 1914 – 1945, Stutt- gart 2002. Bradke, Sven, Bundesrat Karl Kobelt: EMD Chef während des Zweiten Welt- kriegs, ASMZ 12/2010. Favez, Jean-Claude, Pilet-Golaz, Marcel, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 2. Februar 2010, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D4641.php [zuletzt konsultiert am 27.01.2013]. Flury-Dasen, Eric, Kalter Krieg, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 9. Oktober 2008, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/ D17344.php [zuletzt konsultiert am 24.03.2013]. Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 4.A., Baden 2012. Maurer, Hans-Rudolf, Die Armee als wichtiger Dienstleister an der Session in Flims, ASMZ 2/2007, S. 17 – 19. Maurer, Hans-Rudolf (Hrsg.), Geheime Kommandoposten der Armeefüh- rung im Zweiten Weltkrieg: Projekte, Bauten und der mobile Kommando- posten, 2.A., Lenzburg 2001. MAYER, MARCEL, Kobelt, Karl, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21. August 2006, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/ D4646.php [zuletzt konsultiert am 19. Mai 2013]. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, [Einleitung], in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. Senn, Hans, Zweiter Weltkrieg, Kap. 1: Militärische Lage, in: Historisches Lexi- kon der Schweiz (HLS), Version vom 1. März 2013, URL: http://www.hls- dhs-dss.ch/textes/d/D8927.php [zuletzt konsultiert am 12.05.2013]. Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg, Schlussbericht, Zürich 2002. Wawro, Geoffrey, The Franco-Prussian War. The German Conquest of France in 1870 – 1871, 8.A., Cambridge 2007.

134 Quellenverzeichnis

Bundesarchiv Die Quellen sind zunächst systematisch gemäss Archivplan, anschliessend chro- nologisch aufgeführt.

BAR E 27

8712 –– Aktennotiz über die Besprechung der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorialdienst, mit Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwal- tung, betreffend Armeekommando und Landesregierung vom 30. März 1948, BAR E 27 8712. –– Schreiben des Generalstabschefs an Bundesrat Kobelt vom 4. Mai 1948, BAR E 27 8712. –– Schreiben der Generalstabsabteilung, Gruppe Festungswesen, an General­ stabschef de Montmollin vom 7. Oktober 1948, BAR E 27 8712.

8715 –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an Generalstabschef de Montmollin vom 21. Oktober 1948, BAR E 27 8715. –– Schreiben von Generalstabschef de Montmollin an Bundesrat Kobelt vom 16. März 1950, BAR E 27 8715. –– Protokoll über die Konferenz betreffend räumliche Aufteilung des Armee- stabes nach erfolgter Mobilmachung vom 6. Juli 1950, BAR E 27 8715. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Direktion der Eidgenössischen ­Bauten vom 4. Dezember 1950, BAR E 27 8715.

10046 –– «Instructions du Conseil fédéral pour la protection du Palais fédéral et du Gouvernement» von Marcel Pilet-Golaz vom 18. April 1940, BAR E 27 10046. –– Schreiben des Unterstabschefs Front an die Sektion für materielle und ­technische Angelegenheiten vom 23. April 1940, BAR E 27 10046. –– Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an den Platzkommandanten von Bern vom 24. April 1940, BAR E 27 10046. –– Notiz der Sektion für materielle und technische Angelegenheiten an den Unterstabschef Front vom 24. April 1940, BAR E 27 10046.

135 –– Schreiben des Unterstabschef Front an den Platzkommandanten von Bern vom 26. April 1940, BAR E 27 10046. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armee- korps vom 29. April 1942, BAR E 27 10046.

10047 –– Schreiben des EMD an Major Maurer, Kommissär der Bundespolizei, vom 7. Juli 1945, BAR E 27 10047.

13143 –– «Evakuation der Bundes-Zentralverwaltung im Kriegsfalle», Studie zuhan- den des Eidgenössischen Militärdepartements vom 10. März 1906 ­(Verfasser unbekannt), BAR E 27 13143. –– Schreiben der Generalstabsabteilung an das Eidgenössische Militär­ departement vom 19. Dezember 1938, BAR E 27 13143. –– Schreiben der Generalstabsabteilung an den stv. Generalstabschef Huber vom 7. Februar 1939, BAR E 27 13143. –– Schreiben der Generalstabsabteilung an das Eidgenössische Militär­ departement vom 21. Februar 1939, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Bundesrat Minger an die Generalstabsabteilung vom 1. März 1939, BAR E 27 13143. –– Aktennotiz der Generalstabsabteilung, Sektion für Territorialdienst, vom 26. Februar 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben des stv. Direktors der Militärverwaltung an die Generalstabs­ abteilung vom 21. April 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an Generalstabschef de Montmollin vom 29. Juni 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Chef der Kriegstechnischen ­Abteilung vom 31. Juli 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Oberst von Wattenwyl, Ter Kreis Kdt. 16, an Oberst Steiner, Platzkommandant von Bern, vom August 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den administrativen Adjunkt der Waffenfabrik [und weitere] vom 10. ­September 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den Oberzolldirektor vom 5. Oktober 1948, BAR E 27 13143. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Generaldirektion der PTT vom 26. April 1949, BAR E 27 13143.

136 –– Bericht von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Bundesrat Kobelt ­(undatiert), BAR E 27 13143. –– Bericht von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, über die Kriegsorganisation und den Kriegsstandort des Bundesrates (undatiert), BAR E 27 13143.

13145 –– Notiz von Generalsekretär Péquignot an Bundesrat Obrecht vom 25. April 1940, BAR E 27 13145. –– Weisungen des Bundesrats vom 18. Mai 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Evakuationschefs der ­Bundesverwaltung vom 29. Mai 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 6. August 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an Evakuationsoffizier Sessler vom 8. Oktober 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an General Guisan vom 8. ­Oktober 1940, BAR E 27 13145. –– Notiz an Bundesrat Minger vom 8. Oktober 1940 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13145. –– Notiz an Bundesrat Minger vom 11. Oktober 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Minger an General Guisan vom 18. Oktober 1940, BAR E 27 13145. –– Bericht von Hauptmann Simonin an den Unterstabschef Front über die Konferenz vom 17. Oktober 1940 mit Evakuationsoffizier Sessler vom 18. Oktober 1940, BAR E 27 13145. –– Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Schweizerischen Bundesrates vom 12. November 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundespräsident Pilet-Golaz an Evakuationsoffizier Sessler vom 31. Dezember 1940, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an den Chef der Mobilmachungs- sektion vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an den Unterstabschef der Gruppe Ia Front vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an den Kommandanten des 3. ­Armeekorps vom 2. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Generalstabschef Huber vom 7. Januar 1941, BAR E 27 13145.

137 –– Schreiben von Generalstabschef Huber an Evakuationsoffizier Sessler vom 9. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben des Kommandanten des 3. Armeekorps an Generalstabschef ­Huber vom 12. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Handnotizen auf dem Schreiben von General Guisan an Generalstabschef Huber vom 13. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 17. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Evakuationsplan des Armeekommandos Gruppe Id, Evakuationsdienst vom 21. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Handnotizen von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 29. Januar 1941, BAR E 27 13145. –– Evakuationsoffizier Sessler, Personenverzeichnis der Gruppe A vom 24. ­April 1941, BAR E 27 13145. –– Evakuationsoffizier Sessler, Personenverzeichnis der Gruppe B vom 24. ­April 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Pilet-Golaz an Bundesrat Kobelt vom 28. Mai 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Bundesrat Kobelt vom 30. Mai 1941, BAR E 27 13145. –– Handnotizen von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 9. Juni 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an die Generaldirektion der ­Bundesbahnen vom 11. Juni 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben der Generaldirektion der SBB an Evakuationsoffizier Sessler vom 19. Juni 1941, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Büro Unterstabschef Front vom 21. Februar 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Kommandanten des Territorial Regiments 80 an das ­Kommando des Territorialkreises 3 vom 26. Februar 1942, BAR E 27 13145. –– Aktennotiz vom 2. März 1942 (unbekannter Verfasser), BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Büro Unterstabschef Front an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 4. März 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat von Steiger an Generalstabschef Huber vom 28. April 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Division vom 2. Mai 1942, BAR E 27 13145.

138 –– Schreiben vom Kommandanten des 1. Armeekorps an den Kommandanten der 3. Division vom 15. Mai 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Kommandanten des Armee-H.Q. vom 19. Mai 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an Oberst Mösch, Telegraphenchef der ­Armee, vom 4. Juni 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Oberstdivisionär Jordi, Waffenchef der leichten Truppen, vom 5. Juni 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Geniechef der Armee an Architekt Buser in Hindelbank vom 19. Juni 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Oberstleutnant Haudenschild, Armeestab Gruppe Grandson, an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 7. Juli 1942, BAR E 27 13145. –– Verfügung von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 24. Juli 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Häring an den Stabschef der 3. Division vom 26. August 1942, BAR E 27 13145 –– Handnotiz vom Stabschef der 3. Division an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 27. August 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an den Stabschef der 3. Division vom 8. September 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Platzkommandanten von Amsteg vom 16. Oktober 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Kriegsmaterialverwaltung vom 18. November 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 5. ­Dezember 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Dezember 1942, BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Untersuchungsrichter der 9. Division an das EMD vom 17. Dezember 1942, BAR E 27 13145. –– Bericht von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 15. Februar 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 4. März 1943, BAR E 27 13145. –– Exposé von Prof. Dr. med. F. Schwarz an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 29. März 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben vom Kommandanten des 3. Armeekorps an Generalstabschef ­Huber vom 1. Mai 1943, BAR E 27 13145.

139 –– Schreiben der Festungssektion im Armeekommando an den Komman­ danten des Festungskreises 3 vom 6. Mai 1943, BAR E 27 13145. –– Aktennotiz zur Verbindungsübung K.K.P. des Bundesrates von Major ­Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 10. Mai 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Wachtmeister Ritter vom 11. Mai 1943, BAR E 27 13145. –– Aktennotiz vom 14. Mai 1943 (Verfasser unbekannt), BAR E 27 13145. –– Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung zur Anschaffung von Fernschreibeapparaten vom 15. Juni 1943, BAR E 27 13145. –– Programm taktischer Fortbildungskurs Mot. Rdf. Kp. 3 vom 20. Juni 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Häring an das EMD vom 2. Juli 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat von Steiger an Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, vom 3. Juli 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 21. Juli 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an Hauptmann Häring vom 28. Juli 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Oberstleutnant Roesler, ­Armeestab, vom 29. Juli 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an die übrigen Bundesräte vom 9. August 1943, BAR E 27 13145. –– Bericht von Hauptmann Häring über den Ausbildungsdienst des H.D.-Det. 402 vom 28. August 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Häring an das Kommando des 1. Armeekorps vom 9. September 1943, BAR E 27 13145. –– Bericht von Evakuationsoffizier Sessler vom 13. Oktober 1943 über die ­Fernschreibübung der Gruppen A & B der Bundesverwaltung vom 7. & 8. Oktober 1943 in der Kernzone, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Oktober 1943 inkl. Beilagen, BAR E 27 13145. –– Bericht von Hauptmann Häring vom 28. November 1943 über die Mobili­ sierungsübung vom 19./20. Oktober 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an Bundesrat Kobelt vom 24. ­Oktober 1943, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Häring an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 14. Dezember 1943, BAR E 27 13145.

140 –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an Bundesrat Pilet-Golaz vom 3. Januar 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Oberst Mösch, Telegraphenchef der Armee, an Major ­Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 15. Februar 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an den Geniechef der Armee vom 18. ­Februar 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Meili, Kommandant Funker Kompanie 3, an Hauptmann Häring vom 16. März 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, an Oberst Mösch, ­Telegraphenchef der Armee, vom 22. März 1944, BAR E 27 13145. –– Handnotizen von Major Bracher an Bundesrat Kobelt vom 6. April 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 13. Mai 1944, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Evakuationsoffizier Sessler an das EMD vom 7. Juni 1945, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Rosset an Major Bracher, 1. Adjunkt im EMD, vom 25. Juni 1945, BAR E 27 13145. –– Schreiben des EMD an das Armeekommando vom 1. August 1945, BAR E 27 13145. –– Aktennotiz der Sektion Mobilmachung betreffend Besprechung mit Eva­ kuationsoffizier Sessler vom 8. August 1945, BAR E 27 13145. –– Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Schweizerischen Bundesrates vom 11. November 1945, BAR E 27 13145. –– Schreiben von Hauptmann Gygax an das EMD vom 15. Dezember 1945, BAR E 27 13145.

14143 –– Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armee- korps vom 11. April 1943, BAR E 27 14143.

14326 –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 12. Februar 1941, BAR E 27 14326. –– Evakuationsoffizier Sessler, Anordnungen für die Evakuation des Bundes­ rates und eines Teiles der Bundesverwaltung vom 3. Juni 1941, BAR E 27 14326.

141 –– Bericht von Evakuationsoffizier Sessler über die bis zum 31. Dezember 1941 getroffenen Vorbereitungen zur Evakuation des Bundesrates und seiner ­Mitarbeiter, BAR E 27 14326. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an das Kommando des 1. Armee- korps vom 20. November 1942, BAR E 27 14326. –– Befehl von Generalstabschef Huber betreffend den persönlichen Schutz der Mitglieder des Bundesrates und des Bundeskanzlers vom 30. Juli 1943, BAR E 27 14326. –– Befehl von Oberst Jacquillard betreffend den persönlichen Schutz der ­Mitglieder des Bundesrates und des Bundeskanzlers vom 7. August 1943, BAR E 27 14326.

BAR E 1003 –– Bundesratsbeschluss vom 25. Juli 1961, BAR E 1003 1994.

BAR E 4002 –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an das EJPD vom 25. März 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher an diverse Beamte der Bundes­ verwaltung vom 15. Mai 1952, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. –– Protokoll der Besprechung vom 7. März 1958 zwischen der KAPF und ­Armeestab 700 betreffend Abgrenzung der Kompetenzen und Aufgaben in der Anlage [K10] vom 18. März 1958, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6. –– Organigramm Armeestab 700, Gruppe Bernina – Organisation des Stabes, BAR E 4002 1984/27 Bd. 6.

BAR E 4110 A –– Schreiben der Territorialdienstleitung an das EJPD vom 25. Februar 1918, BAR E 4110 A 1000 1803 Bd. 20/21.

BAR E 4321 (A) –– Schreiben von Bundesrat Minger an die Eidgenössischen Departemente vom 25. April 1939, BAR E 4321 (A) 1991/66 Bd. 15 B.11.43.

BAR E 5001 (F) –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an den Waffenchef der Flieger- und Flab-Truppen vom 13. Januar 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2.

142 –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher, Direktor der Militärverwaltung, an die Direktion der Eidgenössischen Bauten vom 13. Februar 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. –– Abschrift aus der Sonntagsausgabe des «Bund» vom 22. Juli 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. –– Schreiben der Direktion der Eidgenössischen Bauten an die Baudirektion des Kantons Bern vom 24. Juli 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.2. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Abteilung für Übermittlungs- truppen vom 27. August 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.8. –– Schreiben von Oberstleutnant Bracher an die Abteilung Genie und Fes- tungswesen vom 28. August 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.8. –– Schreiben von Generalstabschef de Montmollin an Bundesrat Kobelt vom 29. November 1951, BAR E 5001(F) 1000 1856 Bd. 4 0443.1.

BAR E 5795 –– Schreiben des Unterstabschef Gruppe Id von Muralt an General Guisan vom 30. September 1940, BAR E 5795 153. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an General Guisan vom 4. Oktober 1940, BAR E 5795 153. –– Schreiben von General Guisan an den Bundesrat vom 5. Oktober 1940, BAR E 5795 153. –– Schreiben von General Guisan an Generalstabschef Huber vom 13. Januar 1941, BAR E 5795 154. –– Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 18. Januar 1941, BAR E 5795 154. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an die Kriegsmaterialverwaltung vom 17. September 1942, BAR E 5795 156. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 1. April 1943, BAR E 5795 156. –– Schreiben von General Guisan an den Kommandanten des 3. Armeekorps vom 13. April 1943, BAR E 5795 156. –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 4. Juni 1943, BAR E 5795 157. –– Befehl von General Guisan an das Kommando des 1. Armeekorps vom 19. Juni 1943, BAR E 5795 157. –– Schreiben von Generalstabschef Huber an Bundesrat Kobelt vom 2. Oktober 1943, BAR E 5795 151.

143 –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 6. April 1944, BAR E 5795 157 –– Schreiben von Bundesrat Kobelt an General Guisan vom 17. Mai 1944, BAR E 5795 151. –– Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 31. Mai 1944, BAR E 5795 157. –– Schreiben von General Guisan an Bundesrat Kobelt vom 1. Juni 1944, BAR E 5795 158.

Weitere –– Kommando Armee Stabsregiment 700, 50 Jahre Stabsrgt 700. Kurzer ­Abriss der geschichtlichen Begleitumstände, die letztlich zur Gründung des A Stabsrgt 700 führten, Amsteg 1991. –– Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheits­ politik der Schweiz (SIPOL B 2000) vom 7. Juni 1999. –– Botschaft des Bundesrates zur Armeereform XXI und zur Reform der ­Militärgesetzgebung vom 24. Oktober 2001, BBl 2002 858-900, S. 860. –– Weisungen des Bundesrates über organisatorische Massnahmen in der Bundes­verwaltung zur Bewältigung von besonderen und ausserordentlichen Lagen vom 24. Oktober 2007, BBl 2007 8293-8296. –– Auftrag der Bundeskanzlerin an den Chef Stab Ei Ustü LR vom 23. März 2010. –– Mündliche Auskünfte von Oberst Beat Gujer, Chef Stab Ei Ustü LR, vom 31. Januar 2011. –– Interview mit Hans-Ueli Bruderer, vormals Geschäftsstelle A Stabsrgt 700, vom 17. Februar 2011. –– Übersicht über die Departementsvorsteher des VBS, zugänglich unter http://www.admin.ch/br/dokumentation/mitglieder/­ departementsvorsteher/archiv/index.html?lang=de [zuletzt konsultiert am 19. Mai 2013]. –– Schriftliche Auskunft (E-Mail) von Oberst Rolf Burren, Stv. Chef Stab Ei Ustü LR, vom 2. Juni 2013.

144 145 146 Kurzlebenslauf des Autors Jeremias Fellmann Jeremias Fellmann (geb. 14. Juni 1983) hat an den Universitäten Bern und Lau- sanne Geschichte und Politikwissenschaften (2009: Bachelor of Arts in History [BA in History]) sowie Rechtswissenschaften (2010: Bachelor of Law [BLaw] / 2012: Master of Law [MLaw]) studiert. Im Fach Geschichte schloss er das Studi- um mit einer Arbeit zur Sozialgeschichte der Stadt Sursee ab. Für den juristi- schen Studienabschluss beschäftigte er sich in seiner Masterarbeit mit einem Thema aus dem Bereich der Geldwäschereibekämpfung. Im Jahr 2013 hat er im Kanton Luzern das Rechtsanwaltspatent erworben, wo er anschliessend auch als Anwalt tätig war. Seit 2016 arbeitet er als Gerichtsschreiber an der Zweiten öf- fentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts. Nach der Rekrutenschule im Jahr 2002 zunächst beim Historischen Dienst der Bibliothek am Guisanplatz ein- geteilt, leistete der Autor seine restlichen Diensttage beim Stab Einsatzunterstüt- zung Landesregierung.

Der Herausgeber

Philippe Müller (1974) Lic. phil. hist. 2008 an der Universität Bern in Geschichte, Kunstgeschichte und Ur- und Frühgeschichte. Seit 2012 Chef Forschungsdienst, Spezialsammlungen an der Bibliothek am Guisanplatz. Seit 2013 Herausgeber der Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz. Forschungsschwerpunkte: Täter- und Genozidfor- schung, Militär- und Polizeigeschichte im 20. Jahrhundert, deutsche SS- und Po- lizeieinheiten sowie Sicherungstruppen der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs.

147 148 Schriftenreihe/Publications/Serie di pubblicazioni/Series of publications

Nr. 68 Bruno Pauvert, La fin du Régiment Grison au service de Sardaigne – De la guerre des Alpes au retour des Français en Piémont en juin 1800

Nr. 55 2. Auflage, Michael Christian Ruloff, Lehrerinnen und Lehrer in der Schweizer Presse (1800 bis 1830)

Nr. 67 Ursula Bonetti, Fahnengruss – Eine Autobiografie

Nr. 61 2. Auflage, Pius Müller (Hg.),Das Rückgrat der Armee – Die Unteroffiziere der Schweizer ­Armee und ihr Wirken von 1798 bis heute

Nr. 66 Fernand Carrel, Walter Dürig, Markus Gygax, Peter Lyoth, Ein Kampfflugzeug für die Schweiz – Dokumentation zum Projekt F/A-18

Nr. 65 Lukas Boser, Patrick Bühler, Michèle Hofmann, Pulverdampf und Kreidestaub – Beiträge zum Verhältnis zwischen Militär und Schule in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert

Nr. 64 Sibylle Niklaus, Erhaltung und Bewertung analoger Fotoarchive in ­Bibliotheken – Ein Diskussionsbeitrag am Beispiel des Walter-Rutishauser-Archivs in der ­Bibliothek am Guisanplatz

Nr. 63 Jürg Stüssi-Lauterburg, Cornelia Albert, Manuel Bigler, Christine Rohr-Jörg, Daniela Siegenthaler, Anna Katharina Weltert, Schwarzer September – Chronologie des Septembers 1970

Nr. 62 Christian Baumann, Revolution im Namen der reinmoralischen Religion – Thaddäus Müller als katholischer Aufklärer vor und während der Helvetischen ­Republik (1798 – 1803)

Nr. 61 Pius Müller (Hg.), Das Rückgrat der Armee – Die Unteroffiziere der Schweizer ­Armee und ihr Wirken von 1798 bis heute

Nr. 60 Simon Marti, Himmlers « germanische » Soldaten

Nr. 59 Werner Lustenberger, Oberst Abraham Stocker. Lebensbild eines Eidgenossen im jungen Bundesstaat

Nr. 58 Marcel Berni, « Gooks », Feinddarstellungen in amerikanischen Feldpostbriefen aus dem Vietnamkrieg (1965 – 1975)

Nr. 57 Bernhard Stüssi, Transfer to Canada ? – Das Projekt zur Sitzverlegung schweizerischer Firmen im Krisenfall 1949 – 1959

Nr. 56 Manuel Bigler, Ein naher Blick auf Glasnost – Berichte des Schweizer Verteidigungs- attachés aus Moskau aus dem Jahr 1986

Nr. 55 Michael Christian Ruloff, Lehrerinnen und Lehrer in der Schweizer Presse (1800 bis 1830)

149 Nr. 54 Felix Bendel, Bündner Wirren (1620 – 1639), Richelieus Idee vom verdeckten Krieg gegen Spanien und der Abfall der Drei Bünde

Nr. 53 Bruno de Meester, Camille-Aimé Coquilhat und die Ba-Ngala

Nr. 52 Peter Steiner, Nachlass Hans Bracher

Nr. 51 Angel Eduardo Román López Dollinger, Anna-Katharina Weltert, Maras. Jugendbanden, Gewalt und organisiertes Verbrechen in Zentralamerika

Nr. 50 Heinrich L. Wirz, Florian A. Strahm, Der Tiger-Teilersatz (TTE) in temporären Turbulenzen

Nr. 49 Heinrich L. Wirz, Florian Strahm, Schweizer im Amerikanischen Sezessionskrieg 1861 – 1865

Nr. 48 Hubert Foerster, Erfolg trotz Misserfolg : Der Aufstand und der Befreiungskrieg 1799 in der Schweiz

Nr. 47 Bruno Pauvert, Les Légions helvétiques en Italie 1798 – 1799

Nr. 46 Die Limmat. Eine militärische Betrachtung

Nr. 45 Heinrich L. Wirz, Florian A. Strahm, Armee, Bund und Kantonale Militärhoheit. Die verfassungsrechtliche Zentralisierung des schweizerischen Wehrwesens und ihre Folgen

Nr. 44 Begebenheiten aus dem 2. Weltkrieg

Nr. 43 Marco Arni, Es drückt der Schuh. Die Fussbekleidung in der Schweizer Armee 1850 – 1918

Nr. 42 Heinrich L. Wirz, Florian A. Strahm, Der Tiger-Teilersatz (TTE) in temporären Turbulenzen

Nr. 41 Hubert Foerster, Die eidgenössische Militärsanität während der Mediation 1803 – 1813/15. Die Freiburger Militärärzte zur Zeit der Mediation (1803 – 1813/15)

Nr. 40 Roland Haudenschild, Die chemischen Waffen in der Schweizer Armee

Nr. 39 Roland Haudenschild (Hrsg.), Von der Armee 61 über die Armee 95 und die Armee XXI zum Entwicklungsschritt 2008/11. Eine vergleichende Übersicht und Zusammenfassung (Armee-Synopse)

Nr. 38 Jost Rodolphe Poffet, Captain James Cook der britischen Royal Navy in Australien und Ozeanien 1768 bis 1779

Nr. 37 Hubert Foerster, Das Regiment Bachmann im Dienste von Sardinien 1793 – 1798, Eine Quellenpublikation

150 Nr. 36 Werner Wettstein, Die Kesselringaffäre als Spiegel der alten Eidgenossenschaft

Nr. 35 Alberto Palaia, « Cumpagnia adatg ! » Das Rätoromanische in der Armee

Nr. 34 Hanspeter Dolder, Verwaltung und Verpflegung der schweizerischen Armee 1939 – 1945

Nr. 33 Oliver Thomas Gengenbach, « ( … ) die Verantwortung für das Wohl und Wehe unseres Vaterlandes. »

Nr. 32 Simon Rageth, Sold und Soldrückstände der Schweizer Truppen in französischen Diensten im 16. Jahrhundert

Nr. 31 Henri Guisan par Laurent Boillat

Nr. 30 Hervé de Weck, Lʼarmée suisse face au fascisme et au nazisme (1930 – 1945)

Nr. 29 Stephan Lütolf, Mike Moling, Christoph Riedo, Tobias Schoch, Anita Springer, Von den bunten Ordonnanzen des 19. Jahrhunderts zur feldgrauen Einheitsuniform 1914/1915

Nr. 28 Joel Blunier, Aktenzeichen « Lenzlinger » ungelöst – Über die mysteriösen Umstände der Ermordung des Fluchthelfers Hans-Ulrich Lenzlinger und seine Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR

Nr. 27 Peter Hofer, Planung und Bau des Festungsgürtels Kreuzlingen

Nr. 26 Anne Barth-Gasser, Dominic M. Pedrazzini, Roland Haudenschild, Marcel Pilet-Golaz. Apérçu

Nr. 25 Felix Bendel, Rohan et Dufour : Guerre en montagne. La campagne du duc de Rohan dans les Grisons et en Valteline (1635 – 1637) – Critiques du Général Dufour

Nr. 24 Gabriel Dondi, Jürg Stüssi-Lauterburg, Dokumente zur Flüchtlingspolitik der Schweiz im August 1942

Nr. 23 Peter Reichert, Basel im Zweiten Weltkrieg. Ein Stimmungsbild

Nr. 22 Anne Barth-Gasser u. a., Dufour-Herzog-Sprecher-Wille-Guisan. Fünf Persönlich­ keiten der Schweizer Geschichte und ihre Bronzebüsten im Bundeshaus Ost

Nr. 21 Gilbert Ceffa, Témoignages de la Résistance en région genevoise 1940 – 1944. ­Dix-sept messages de captivité du Révérend Père Louis Favre

Nr. 20 Pierre Morath, Les internés militaires en suisse pendant la 2e guerre mondiale. Les cas des polonais de la division Prugar

Nr. 19 Philippe Allain, Lʼélaboration du règlement de service RS80 de lʼarmée suisse : mise en œuvre ou remilitarisation de la réforme Oswald ?

151 Nr. 18 Walter Graf, Fricktaler Aktivdienst 1939 – 1940 – Erlebnisbericht eines Augenzeugen. Geb. Mitr. Kp. IV/32

Nr. 17 Andreas Schwab, Vom « totalen Krieg » zur « deutschen Gotterkenntnis » – Die Weltanschauung Erich Ludendorffs

Nr. 16 Jost Rodolphe Poffet, Kriegsende, Waffenstillstand, Kapitulation und Friedensschluss

Nr. 15 Bernhard Altermatt, Der Umgang der Schweizer Armee mit der Mehrsprachigkeit : Proportionalität und Territorialität

Nr. 14 Thomas Bachmann, Guillaume Henri Dufour im Spiegel seiner Schriften – Biblio- graphisches Handbuch

Nr. 13 Christophe Koller, Claudio Recupero, « Ce quʼil y a de beau, dʼintéressant et dʼhorrible en Suisse » Correspondance de Joseph Gautier, soldat des armées de Napoléon pendant les campagnes dʼHelvétie et dʼAllemagne (1799 – 1801)

Nr. 12 Schweizer Schlachtfelder III : Schwaderloh, Luftgefechte 1940

Nr. 11 Schweizer Schlachtfelder II : Laupen, St. Jakob, Bicocca

Nr. 10 Schweizer Schlachtfelder I : Bibracte, Baylen

Nr. 9 Stephan Scheuzger, Aspekte der Beziehungen der Schweiz zu Mexiko und Zentralamerika

Nr. 8 Thomas Flatt, Hans Peter Bläuer, Reto Ammann, Aspekte der Beziehungen zwischen der Schweiz und den Baltischen Staaten

Nr. 7 Georg Büchler, Neue Beziehungen in den Balkan. Schweizer Kontakte zu Slowenien und Mazedonien

Nr. 6 Mathias Flückiger, Religion in der Schweizer Armee

Nr. 5 Andreas Urs Sommer, Krieg und Geschichte. Zur martialischen Ursprungsgeschichte der Geschichtsphilosophie

Nr. 4 Bernhard Sterchi, Der Orden vom Goldenen Vlies und die burgundischen Überläufer von 1477

Nr. 3 Werner Rutschmann, Die Visier- und Richtmittel der Schweizer Feld- und Positionsgeschütze Mitte 19. bis Anfang 20. Jahrhundert

Nr. 2 Andreas Urs Sommer, Zur militärischen Metaphorik im Stoizismus

Nr. 1 Bernhard Sterchi, Fortuna im burgundischen Hofadel (15. Jahrhundert). Literarische Traditionen und deskriptive Techniken

152 numéro S

S 10 « Wohlbehütet ! » – Hüte im Wandel der Zeit, 18. bis 21. Jahrhundert, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 1. November 2016 bis 24. Februar 2017 an der Bibliothek am Guisanplatz.

S 1 Hervé de Weck, Guerre secrète en Ajoie, Service de renseignement stratégique de lʼArmée et Service de renseignement de la brigade frontière 3, 2e edition revue.

S 9 RE : from the Archive, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 1. Juni 2016 bis 30. September 2016 an der Bibliothek am Guisanplatz.

S 3 Jürg Stüssi-Lauterburg, Cornelia Albert (Hg.), Die Schweizer Kriegsjahre 1798 und 1799 und die Schlacht an der Grimsel, 4., überarbeitete Auflage

S 8 Christian Furrer, Streiflichter zur NEAT – Zum langen politischen Ringen um die Neue Eisenbahn-Alpentransversale

S 7 Hervé de Weck, Le maquis du Lomont, août – septembre 1944

S 6 Jürg Stüssi-Lauterburg, Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango

S 3 Jürg Stüssi-Lauterburg, Cornelia Albert (Hg.), Die Schweizer Kriegsjahre 1798 und 1799 und die Schlacht an der Grimsel, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage

S 5 Breitenrain – Breitfeld – Beundenfeld. Streifzug durch die Geschichte unserer ­Nachbarschaft, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 1. Juli 2015 bis 26. Februar 2016 an der Bibliothek am Guisanplatz.

S 3 Jürg Stüssi-Lauterburg, Cornelia Albert (Hg.), Die Schweizer Kriegsjahre 1798 und 1799 und die Schlacht an der Grimsel, 2. Auflage

S 4 Schritt für Schritt. Die Geburt des modernen Schuhs, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 6. Januar bis 27. März 2015 an der Bibliothek am Guisanplatz.

S 3 Jürg Stüssi-Lauterburg, Cornelia Albert (Hg.), Die Schweizer Kriegsjahre 1798 und 1799 und die Schlacht an der Grimsel

S 2 « Zuerst die Soldatenstuben, dann die Fürsorge », Else Züblin-Spillers Tagebuch 1916 – 1918.

S 1 Hervé de Weck, Guerre secrète en Ajoie, Service de renseignement stratégique de lʼArmée et Service de renseignement de la brigade frontière 3.

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6 9 DIE MASSNAHMEN DER ­LANDES­REGIERUNG ZUR ­AUFRECHTERHALTUNG­ IHRER­ FÜHRUNGSFÄHIGKEIT­ IN KRISENZEITEN­ In Krisensituationen sieht sich der Bundesrat vor wichtige Fragen gestellt: Wohin begibt er sich? Wer begleitet ihn und gewährleistet seine Sicherheit? Welcher Einrichtungen bedarf es, damit die ­Regierungsarbeit weitergeführt werden kann? Die vorliegende Schrift geht diesen Aspekten nach und erörtert gestützt auf Quellen des Bundesarchivs verschiedene Dispositive, die sich der Bundesrat im historischen Verlauf zur Aufrechterhaltung seiner Führungsfähigkeit gab. Ein Augenmerk gilt dabei den ­militärischen Einheiten, die für die Belange des Bundesrates zuständig waren. Zeitlich liegt der Schwerpunkt dieses historischen Abrisses auf der stürmischen Phase rund um den Zweiten Weltkrieg, wobei zugleich ein Brückenschlag in die Gegenwart erfolgt. Schriftenreihe | Bibliothek am Guisanplatz | Bibliothek Schriftenreihe

DIE SCHRIFTENREIHE Die Bibliothek am Guisanplatz (BiG) unterstützt und betreibt allgemein historische und kulturwissenschaftliche Forschung. Im Rahmen dieser Aufgabe erscheinen Forschungsresultate von Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern in der Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz. Die Schriftenreihe ist die Fortführung der Schriftenreihe der Eidgenössischen Militärbibliothek und des Historischen Dienstes, welche seit 2002 erscheint.

ISBN 978-3-906969-85-5

9 783906 969855