Magazin der Jugend des Deutschen Alpenvereins. Ausgabe 03/2011

Editorial, Glosse, Impressum S. 78 || „Alle 16“ S. 79 || Die Natur gehört niemandem - oder allen S. 80 || Haken für Indien S. 81 || Gipfel zum Niederknien S. 82 || „Bergreisen müssen nachhaltig und zukunftsfähig sein.“, Gämschenklein S. 83 || Neue Wege (erstbe-)gehen, Erbse-Comic, Vorschau S. 84 03/11 Knotenpunkt.

Liebe Leser, [Text: Ulrike Maurus]

Wer häufig seiner bergsteigerischen Leiden- ligen Bergen und den 16 höchsten Erhebungen Albanien – die nicht nur (Bergerlebnisse) neh- schaft frönt, kommt herum. Trotzdem haben der deutschen Länder entdeckt. men, sondern auch (Unterstützung) geben will, vermutlich wenige Alpenvereinler Berge bei- „Andere Gebirge, andere Sitten“ – das gilt nicht wie die deutschen Kletterer in Indien … spielsweise im Rila (Bulgarien), Ruwenzori-Ge- nur für unbekannte Bergstöcke am Ende der birge (Afrika) oder Tian Shan (Zentralasien) be- Welt, sondern auch mitten in Europa: In Nor- Viel Spaß beim Lesen, stiegen. Dabei lohnt sich ein Abstecher in wegen kann man beim „Friluftsliv“ ganz neue Er- die Knotenpunkt-Redaktion fremde Gebirge. Das Knotenpunkt-Team hat fahrungen sammeln. Die JDAV schaut auch aktu- sich in der Welt umgesehen und dabei eine ell über den Tellerrand „ihrer“ Alpen hinaus: Im bunte Mischung aus verbotenen Gipfeln, hei- Sommer startet eine Mädchenexpedition nach

Geht hinter den Alpen die Welt weiter? [Text: Doro Baumgärtner]

Wo man Wandern, Klettern, Skifahren und Ra- sich abgekürzt ALPEN nennt. Was will man also wie schön der Knöllchen-Knöterich blüht, und deln kann? Alpen gibt es nicht nur bei uns: Auf mehr: Berge, Proviant und einen Plan, bis zum Wollsackverwitterung und Flyschablagerung Entdecker warten zum Beispiel die Albanischen Mond und zurück. sind kuriose Namen für noch faszinierendere Alpen, die Neuseeländischen Alpen, die Japa- Andererseits ist es fast schon frech, nach ande- Gesteinsformationen. Solange diese sensible nischen Alpen, die Australischen Alpen und die rem als den Alpen zu verlangen! Als könnte es Wunderwelt noch existiert, kann man schon Montes Alpes (wenn man den Mond mit be- einem dort langweilig werden: 200.000 Qua- hier eine ganze Welt entdecken. Und jenseits trachtet, schließlich ist die Zukunft nicht mehr dratkilometer mit 128 Viertausendern und jeder erst recht. Also los! weit …). Außerdem gibt es ein Müsli, das Alpen Menge kleinerer Gipfel. Himmelsherold und Al- heißt, und eine Zeitmanagementmethode, die pensalamander können ein Lied davon singen,

… und der Friedehorstpark (32,5 m) in

Deutschlands Höchste: Hessens

IMPRESSUM Autoren dieser Ausgabe: Doro Baumgärtner, Julia Deischl, Daniela Erhard, Margret Hornsteiner, Thomas Hudler, Katrin Lederer, Ulrike Maurus, Nina Schneider, Johanna Stuke. Herausgeber: Jugend des Deutschen Alpenvereins. Bundesjugendleiter: Michael Knoll. Redaktion: Georg Hohenester (verantwortl.), Andi Dick in Zusammenarbeit mit dem KNOTENPUNKT-Redaktionsteam. Beiträge in Wort und Bild an den DAV, Redaktion KNOTENPUNKT, Von-Kahr-Straße 2 - 4, 80997 München. Die Beiträge geben immer die Meinung der Verfasser, nicht die der Jugend des Deutschen Alpenvereins wieder. Diese Publikation wird gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Titelillustration: Johanna Stuke. Gestaltung und Produktion: Sensit Communication, www.sensit.de

78 Knotenpunkt. 03/11 Deutschlands höchste Gipfel 15 [Text: Daniela Erhard, Die Jagd nach 16 Summits Fotos: Carsten Subbe, Jörg Marretsch (3)]

Berlin und Bremen haben doch gar keine Berge, oder? Von wegen. Die „Seven Summits“ sind out – wahre Abenteu- rer sammeln die 16 höchsten Gipfel der deutschen Bundesländer. Daniela Erhard sprach mit zwei Gipfelstürmern.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die höchs- die Summits zu vervollständigen. Aber auf Be- einziges Bundesland seinen höchsten Punkt ten Berge der Bundesländer zu sammeln? suchen oder im Urlaub nehmen wir die Berge nicht markiert. Und am war es lausig Carsten Subbe: In Anlehnung an die „Seven mit, die am Weg liegen. kalt: Mit Windchill etwa minus 15 Grad Celsius, Summits“ ist in der Online-Alpinismus-Grup- das war grenzwertig. pe de.rec.alpinismus die Idee entstanden. Das An welche Tour erinnern Sie sich besonders Subbe: Meine Frau und ich hatten am Feldberg, fand ich ganz nett. Und mit meinem eineinhalb- gerne zurück? an einem 30. Dezember, Schwierigkeiten, das jährigen Sohn muss ich meine Ziele etwas tie- Subbe: Am wollten wir eigent- Zelt im vielen Schnee aufzubauen. Auch der Bro- fer ansetzen. lich zelten, fanden dann aber eine gemütliche cken hat mich gefordert: ein langer Latscher, an Jörg Marretsch: Meine Frau und ich waren im Hütte mit Matratzenlager. Der Wirt war sehr einem heißen Tag mit meinem Sohn in der Kraxe. Mai 2005 auf Besuch in . Da haben wir freundlich und hat uns den Weg zum Gipfel recherchiert und sind zum gewan- ausführlich erklärt. Herr Subbe, elf höchste Punkte haben Sie dert. Und weil wir schon mal im Norden waren, Marretsch: Überrascht war ich in Mecklen- schon. Werden es in diesem Jahr mehr? sind wir am nächsten Tag noch nach Bremen burg-Vorpommern: Auf dem Helpter Berg steht Subbe: Ich fahre nicht extra los, um da raufzu- gefahren. ein schmiedeeisernes Kreuz aus dem Jahr 1780 laufen. Aber wenn es sich ergibt, schließe ich oder so. Wenn ich einen Lieblingsgipfel wählen die Lücke natürlich. Was reizt daran, quer durch die Republik zu müsste, wäre das der im Saarland. Da reisen und Mittelgebirgsgipfel zu besteigen? kommt man am Hunnenwall vorbei, einer gi- Herr Marretsch, Sie haben die Gipfelsamm- 2962 m  Marretsch: Ich fand's toll, in Ge - gantischen keltischen Ringanlage. lung komplett. Was wird das nächste Projekt? genden zu fahren, wo man normaler- Marretsch: Ich sammle auch die höchsten Ber- weise nie hinkommt. Man lernt die Welcher Gipfel war besonders schwierig? ge der europäischen Länder. Davon habe ich einzelnen Regionen besser kennen. Marretsch: Der Friedehorstpark in Bremen war etwa die Hälfte schon besucht. In diesem Jahr Subbe: Ich fahre nicht extra los, um am schwierigsten – zu finden, weil Bremen als sollen die baltischen Gipfel dazukommen.

Das sind sie: 1493 m die höchsten außeralpinen Gipfel von 15 Bundesländern, neben der in Bayern Jörg Marretsch (* 1964) 1215 m lebt der Berge wegen im baye- 1141 m rischen Bruckmühl. Der ambitio- 950 m 971 m 983 m nierte Bergsteiger hat die 15 au- 843 m 816 m ßeralpinen Gipfel der 16 Summits 695 m innerhalb eines Jahres absolviert.

201,4 m 179 m 114,8 m 116 m 168 m Carsten Subbe (* 1968) 32,5 m lebt im Ruhrgebiet. Neben (Berg-) Wandern gehören auch Radtouren und Kanufahren zu seinen Hobbys. eldberg F Dollberg Zugspitze F ichtelberg Hasselbrack L angenberg Gr. Beerberg Gr. Helpter Berg Helpter Wasserkuppe Gr. Müggelberg Gr. F riedehorstpark Bayern: Bayern: Saarland: (höchster Punkt)/ (höchster Sachsen: Hessen: Hessen: Berlin: Hamburg: Hamburg: Thüringen: Thüringen: Sachsen-Anhalt: Sachsen-Anhalt: Bremen: Bremen: Niedersachsen: Rheinland-Pfalz: Heidehöhe Baden-Württemberg: Baden-Württemberg: Schleswig- Holstein: Holstein: Schleswig- Nordrhein-Westfalen: Mecklenburg-Vorpommern: Mecklenburg-Vorpommern: Brandenburg: Brandenburg: 79 Kutschenberg (höchster eigenständiger Gipfel) eigenständiger (höchster Kutschenberg 03/11 Knotenpunkt. Norwegen: Friluftsliv statt Outdoor

Die Natur gehört niemandem - oder allen [Text und Fotos: Katrin Lederer] Markierte Wege, gesicherte Routen, Hütten mit Restaurant – der Alpen-Standard gilt nicht überall. Steinmänner und Selbstversorgung gehören zur norwegischen Philosophie des „Friluftsliv“.

Was interessiert uns, wenn wir in die Berge ge- nigfarbene Holzbänke, schwarzer Kamin, rote nige haben ein Häuschen am Seeufer, wo sie bei hen? Höhenmeter, Chronometer, GPS-Koordi- Tischdecken und große Kochtöpfe. Wer nach minus 15 Grad ihren Sonnenstuhl rausstellen, in naten und funktionelle Textilmembranen. Hö- einer Übernachtung wieder aufbrechen will, Decken vermummt grillen oder Karten spielen. her, schneller, weiter, besser. Und wenn wir wischt oder kehrt zusammen, spült Geschirr, Friluftsliv ist anders als „Outdoor“, wo es häufig unsere Leistung vollbracht, den Berg „bezwun- holt für den Nachfolger Trinkwasser und neues um Leistung und möglichst große „Härte“ geht. gen“, unsere Ausrüstung erprobt haben, dann Holz. Selbstverständlich gibt es auch hotel- Friluftsliv ist eine Lebensphilosophie. wollen wir dafür belohnt werden. Am besten ähnlich bewirtschaftete Bei allen Aktivitäten ver- mit einer warmen Dusche auf der Hütte, min- Hütten – aber das sind pflichtet man sich auch, destens jedoch mit einer warmen Mahlzeit, die von den 450 Hütten des Friluftsliv ist die Freu- dem Friluftslov zu folgen, uns der Hüttenwirt kredenzt. norwegischen Wander- de, umweltfreundlich dem Freiluftgesetz, das Ganz anders ist das in Norwegen. „Der Norwe- vereins DNT (Den Nors- draußen zu sein. seit 1957 den Zugang zu ger“ liebt und lebt sein unberührtes Land und ke Turistforening) nur 40. Natur und offenen Land- genießt die Natur. Eine Wanderung ist für ihn Dagegen sind von den schaften regelt. Landwirt- keine alternative Joggingstrecke, sondern ein 325 Hütten, die der DAV in den Alpen und im schaftsbetriebe und Eigentum in der Nähe von Genussgang durch unberührte Landschaften. Mittelgebirge betreibt, nur 129 unbewirtet. Wohnhäusern gehören zur „Innmark“: Wer sich Kaum Menschen, die seinen Weg teilen, einzig Diese spärliche Infrastruktur zu schätzen und hier aufhält, braucht eine Einwilligung des Be- lebendig ist vielleicht noch der schnaubende keine Luxushütte zu erwarten, ist Teil der Phi- sitzers. Alles andere, also nicht bewirtschaf- Hund an seiner Seite. losophie des „Friluftsliv“. Dieser Begriff umfasst tetes Eigentum wie Wald, offene Weideflächen Wandern in Norwegen heißt, sich in abge- die Freude daran, viel draußen zu sein, sich um- oder Almbetriebe, gehört zur Utmark. Die- schiedene, menschenleere Natur zu begeben weltfreundlich zu verhalten und sich möglichst se Naturbereiche darf gemäß „Allemannsrett“, – und die soll nach Auffassung der Einheimi- ohne technische Hilfsmittel fortzubewegen. Jedermannsrecht, jeder nutzen – zum Beispiel schen auch so leer bleiben. Die Maßnahmen Wie selbstverständlich verbringen die Norwe- darf man überall in der Utmark zelten, solan- dazu sind so einfach wie wirkungsvoll: Auf den ger ihre Wochenenden und Feierabende im ge man den Höflichkeitsabstand von 150 Meter Hütten kein fließend Wasser, die Toilette meist Freien. Einige fischen, andere schnallen sich ihre zum nächsten Wohnhaus wahrt. Denn die Ein- draußen, Kerzen statt Glühbirnen und schon Pulka vor den Bauch und skaten mit ihren Schlit- stellung der Skandinavier heißt: Die Natur ge- gar keine Bewirtung. Dafür urgemütliche ho- tenhunden über den gefrorenen See. Nicht we- hört niemandem.

Draußen: weite Natur ohne Wege, Markierungen und Liftanlagen

Drinnen: bescheidene, aber von allen gepflegte Unterkünfte

80 Knotenpunkt. 03/11 Kletter-Entwicklungshilfe

Haken für Indien [Text: Nina Schneider, Fotos: Archiv SCI]

Indien bietet hohe Berge, aber auch schöne Kletterziele. Und die Einheimischen selber lieben den Sport auch. Eine Besuchergruppe hat dabei geholfen, die Kletterrouten sicherer zu machen.

einem deutschen Kletterer vor, der in Pune ge- ment setzen sie sich für ihren Sport ein, die At- rade einen Yogakurs besuchte. Dessen Yoga- mosphäre erinnert stark an die Aufbruchsstim- lehrer stellte die Verbindung zu den indischen mung der europäischen Kletterszene der 1970er Kletterern her, und so wurde deren Ausrüstung Jahre. Größere Projekte werden zusammen mit gründlich untersucht. Das Fazit: Die vorhan- den örtlichen Trekkingclubs organisiert, in den denen Haken reichten kaum aus, eine Kamera Outdoorläden wird Kletterausrüstung ange- aufzuhängen, die Kletterer besaßen nur wenig boten. In der Stadt wurde eine Kletterhalle er- Verständnis für das Risiko ihres Sports und si- richtet, die neueste Anschaffung ist eine mo- cherten völlig unzureichend. bile Kletterwand, die, auf der Ladefläche eines In Deutschland besorgte der engagierte Helfer Landrovers festgezurrt, von Schule zu Schule eine Biegemaschine und einige Bühlerhaken zur gefahren wird, um den Kindern den Spaß am Anschauung und machte sich schon bald wie- Klettern und den Erwachsenen die pädago- der auf den Weg, um rund 25 Kletterer in die gischen Hintergründe wie verbessertes Team- Bedienung der Maschine einzuweisen und ih- verhalten, Konzentration und kontrollierten

Drin: Hakensetzen will gelernt sein. nen vorzuführen, wie die Haken fachgerecht im Stressabbau zu vermitteln. Fels einzementiert werden. Die Zuhörer waren Indien war bisher vor allem ein Land der Trek- begeistert. Um ganz sicherzugehen, wurden die kingclubs, besonders in den Ballungszentren Am Wandfuß herrscht buntes Treiben, rund selbst hergestellten Haken zudem an die DAV- Mumbai und Delhi findet das Klettern jedoch 100 Menschen haben sich versammelt. Einige Sicherheitsforschung geschickt – und zur allge- immer größeren Zuspruch. Die Tempelstadt schleppen Material, andere kochen, eine Grup- meinen Freude für gut befunden. pe kommentiert eifrig das Geschehen am Fels. Um dem neuen Wissen eine Plattform zu ge- Dort hämmert Swanand Joshi gerade auf einen ben, gründeten die Kletterer 2005 den gemein- alten Haken ein – er braucht nicht lange, der nützigen Verein „Safe Climbing Initiative“, kurz Die Haken reichten Haken bricht bereits nach ein paar Schlägen. SCI, dem heute rund 500 Mitglieder angehören. kaum aus, eine Von unten ertönt erstauntes Gemurmel. Rund Ihr Ziel: in den vorhandenen Kletterrouten so Kamera aufzuhängen. zehn Minuten später sitzt ein paar Zentimeter viele alte Haken wie möglich sanieren und die weiter ein handgefertigter Bühlerhaken. erworbenen Erkenntnisse zum richtigen Sichern So einfach und sicher war es nicht immer: 2002 bestmöglich umsetzen und weitergeben. stürzte nahe der Stadt Pune im indischen Bun- Immer mehr Routen werden nun mit den neu- Hampi gilt bereits als Boulderparadies. Man kann desstaat Maharashtra eine Seilschaft ab. Un- en Haken aus mittlerweile drei Biegemaschi- gespannt sein, wie schnell sich das neue Hob- fälle kamen in der kleinen, rund 200 Personen nen bestückt, viele Mitglieder der SCI verbrin- by seinen Weg bahnen wird – denn dass in dem umfassenden Klettergemeinde häufig vor, doch gen fast jedes Wochenende in den Felsen in der 1,2-Milliarden-Land großes Potenzial und Begeis- ein Ereignis von solcher Tragik drang auch zu Nähe ihrer Heimatstadt. Mit großem Engage- terungsfähigkeit herrschen, steht außer Frage.

Rund: Maschinell krümmt sich das Häkchen.

Stolz: Gründungsmannschaft und Trainer arbeiteten gemeinsam.

81 03/11 Knotenpunkt. Berge: verbotene Heiligtümer

[Text: Thomas Hudler, Gipfel zum Niederknien Fotos: robinwangdi, Hajo Netzer, Thomas Schoch/wikimedia commons]

Wo die Erde dem Himmel am nächsten kommt, haben Menschen schon oft Kontakt zum Göttlichen gesucht. Viele berühmte Gipfel sind Heiligtümer und für Bergsteiger tabu.

Ein Berg, vor allem wenn es sich um eines der grö- Der bekannteste Vertreter verbotener und heili- keine Rechte besaß, wurde und wird ihr Heiligtum ßeren Exemplare handelt, ist eine imposante Er- ger Berge ist aber nicht der Gangkhar Puensum, von den Touristen im wahrsten Sinne des Wortes scheinung. Also ist es nicht verwunderlich, dass sondern der Kailash (6714 m) in Tibet, eines der mit Füßen getreten. Mittlerweile wurde ein Kom- Berge in vielen Kulturen eine religiöse Bedeutung höchsten Heiligtümer im Buddhismus und Hin- promiss zwischen den Interessen der Tourismus- haben. In unseren Breiten etwa steht das wohl duismus. Er ist Pilgerstätte und Göttersitz, die industrie und der Urbevölkerung gefunden. Es berühmteste Symbol des Abendlandes auf bei- Besteigung wäre daher ein ungeheuerlicher Fre- gibt kein Verbot, aber es wird darauf hingewie- nahe jedem Berggipfel. vel. Selbst Reinhold Mess- sen, dass eine Begehung nicht gerne gesehen Heilige oder verbotene ner hat verzichtet, obwohl wird. Nach offiziellen Angaben der National- Berge findet man in den Ein Gott auf der Zug- er 1985 eine Genehmigung parkverwaltung ging darauf die Anzahl der Gip- Alpen aber nicht, und falls spitze? Der wäre für das Gebiet erhalten felstürmer fast auf die Hälfte zurück. auf Deutschlands höchs- hatte. Die Pilger huldigen Auch in den Alpen gibt es mittlerweile Einschrän- tem und komplett zube- schon längst weg. ihrem Heiligtum durch ei- kungen und Verbote für bestimmte Gebiete, die toniertem Gipfel doch ne 53 Kilometer lange Um- allerdings eher die Pflanzen- und Tierwelt als die irgendwann ein Gott ge- rundung, die sie oft sogar Götter vor wachsenden Besucherströmen schüt- wohnt haben sollte, wäre er bestimmt schon lan- mehrmals hintereinander durchführen. Die be- zen sollen. So befremdlich uns religiöse Motive in ge umgezogen. Vielleicht wäre er in das König- schwerlichste Variante ist hierbei das ständige unserer aufgeklärten westlichen Welt erscheinen reich Bhutan gegangen, wo Berge einen derart Niederwerfen, Körperlänge für Körperlänge um mögen, die besorgniserregende Entwicklung im hohen Wert für die buddhistische Religion be- den gesamten Berg herum. Alpenraum ist nicht ganz frei vom Einfluss unseres sitzen, dass seit 1994 die Besteigung aller Gipfel Ein weiterer heiliger Berg ist der Uluru in Austra- religiösen Erbes. Der Hauptmotor unseres fort- über 6000 Meter verboten wurde. Berge gelten lien, bei uns unter dem Namen Ayers Rock be- schrittsorientierten Handelns mit einer allumfas- als Wohnort der Götter, das Betreten des Gipfels kannt. Er ist ein Heiligtum der einheimischen Ab- senden, oft zerstörerischen Naturbeherrschung als Sakrileg. Der höchste Berg Bhutans, der Gang- origines, die dessen Besteigung nicht gerne sehen. liegt nicht zuletzt auch im Erbe unserer christ- khar Puensum mit ungefähr 7500 Meter, ist daher Da diese Urbevölkerung aber durch die weißen lichen Religion und einem falsch verstandenen ih- der höchste unbestiegene Berg der Erde. Invasoren lange unterdrückt wurde und praktisch rer Leitsätze: „Macht Euch die Erde untertan“.

Uluru: heiliger Thron der Aborigines

Kailash: Göttersitz zweier Religionen

Gangkhar Puensum: aus Respekt unbestiegen

82 Knotenpunkt. 03/11 Bergreisen weltweit – Angebot und Nachfrage

„Bergreisen müssen nachhaltig

und zukunftsfähig sein.“ [Interview: Julia Deischl, Foto: DAV Summit Club] Lust auf Berge, aber nicht in die Alpen? Was Weltenbummler wollen, erklärt Ralph Bernhard, Geschäftsführer des DAV Summit Club.

Welche außeralpinen Regionen bereisen Haben sich die Interessen in den letzten Nach welchen Kriterien stellen Sie Ihr Ihre Gäste am liebsten? Jahren geändert? Angebot zusammen? Unsere ältere Zielgruppe bevorzugt die Anden, In der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise ha- Reisen muss nachhaltig und zukunftsfähig sein. den Himalaya oder die Europa-Wanderpro- ben viele Menschen Reisen zu den beliebten Deswegen stützt sich unsere Philosophie auf gramme. Aber die Nachfrage nach den großen Bergsteigerzielen in Nepal, Indien, Ostafri- vier Säulen: Sicherheit, Sozial- und Umweltver- Gebirgen der Welt steigt kontinuierlich auch un- ka und Südamerika aufgeschoben und träglichkeit und Transparenz. Ein so- ter den 20- bis 30-Jährigen. Um den Wünschen durch Reisen in Euro- lidarisches Miteinander fördern wir der jüngeren Reisenden zielgerichtet gerecht zu pa ersetzt. Nach der etwa durch intensive Zusammenar- werden, haben wir Programme aufgelegt, bei Flaute ist die Sehnsucht beit mit lokalen Guides oder durch denen die Unterbringung etwas schlichter ist, nach den Klassikern in die Möglichkeit, Umweltverschmut- man den Rucksack selber tragen muss und die der Ferne wieder deut- zung durch den „atmosfair-Beitrag“ Tour nicht so sehr durchgeplant ist. lich angewachsen. zu kompensieren.

[Sebastian Schrank]

83 03/11 Knotenpunkt. Die JDAV Mädchenexpedition

Neue Wege (erstbe-)gehen [Text und Foto: Margret Hornsteiner]

Ein außergewöhnliches und außeralpines Ziel Südwand des Arapi, steht bei den Wettkampf- ein soziales Jahr. Wie für die meisten Teilneh- hat sich auch die JDAV Mädchenexpedition ge- kletterinnen Caroline North (20, Darmstadt) und merinnen ist es für Veronika Hofmann (16, Pei- wählt. Unter der Leitung von Elli Meyer, Ingrid Magdalena Kärcher (19, Rosenheim) an oberster ting) die erste große Expedition. Das ganze Team Taubert und Ferdinand Triller bricht das elfköp- Stelle. Daneben plant das Team auch verschie- freut sich darauf, wenn es endlich losgeht. fige Team Ende Juli für vier Wochen nach Nord- dene ökologische und soziale Projekte vor Ort. www.maedelszumarapi.de albanien in die Dinarischen Alpen auf. Ruth Stephan (18, Darmstadt) freut sich vor allem Unterstützt von: Equipment, Globetrotter Das abgeschiedene Thethi-Tal bietet für Katha- auf das Wegeprojekt in Zusammenarbeit mit rina Janosovits (17 Jahre, Karlsruhe) die Möglich- der GTZ. Das Interesse von Stefanie Meier (20, keit, dort zu klettern, wo noch niemand zuvor Ulm) gilt dem Schulprojekt, bei dem die Expedi- geklettert ist. Doch um dorthin zu gelangen, tionsteilnehmerinnen Kinder zum Thema Natur- braucht es eine gute Logistik, die Mariella Kast (17, schutz unterrichten werden. Gerade diese Kom- Augsburg) als besondere Herausforderung sieht. bination macht für Diana Taubert (17, Friedberg) Das sportliche Hauptziel, die Erstbegehung einer den besonderen Reiz aus. Nach dem Abitur sieht Sportkletterroute durch die 800 Meter hohe sie die Expedition als Erfahrungszeit, ähnlich wie

KNOTENPUNKT. Vorschau 04/2011 Freiheit In den Bergen wohnt die Freiheit! Wirklich? Und was für eine Art von Freiheit denn? Wir haben uns mit dem liebsten Klischee der Bergsteiger befasst und den Konflikt zwischen Anspruch und Wirklichkeit erforscht.