Deutscher Drucksache 15/4136 15. Wahlperiode 09. 11. 2004

Gesetzentwurf der Abgeordneten , Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, Dr. Wolfgang Götzer, (Heilbronn), Günter Baumann, , Hartmut Büttner (Schönebeck), Dr. Jürgen Gehb, , , Ralf Göbel, , Reinhard Grindel, Michael Grosse-Brömer, , Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Kristina Köhler (Wiesbaden), Dr. Günter Krings, Dorothee Mantel, (Recklinghausen), (Altötting), , , , Daniela Raab, Andreas Schmidt (Mülheim), Dr. Ole Schröder, Andrea Voßhoff, , , Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Richtervorbehalts für die DNA-Analyse anonymer Spuren

A. Problem Die erfolgreiche Aufklärung schwerster, auch lange zurückliegender Verbre- chen in Deutschland und im Ausland zeigt, dass die DNA-Analyse ein verläss- liches, effektives und unverzichtbares Mittel zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten, aber auch zur Entlastung zu Unrecht Beschuldigter ist. Der Schutz der Bevölkerung vor schweren Straftaten gebietet eine konsequente und umfassende Nutzung der Möglichkeiten der DNA-Analyse. Dennoch wird die- ses Instrument nicht in dem Maße genutzt, wie dies Praktiker aus Polizei und Justiz fordern und wie dies technisch möglich wäre. Die Möglichkeiten der DNA-Analyse lassen sich nur effizient nutzen, wenn dieses Instrument nicht durch bürokratische Hürden unpraktikabel gemacht wird. Darum muss die DNA-Analyse bei anonymen Tatspuren durch Polizei und Staatsanwaltschaft selber angeordnet werden können, ohne vorher erst noch eine richterliche Entscheidung abwarten zu müssen. Dass auch für die molekulargenetische Untersuchung von anonymen Spuren eine richterliche Anordnung notwendig ist, wurde erst durch Gesetz vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018) in § 81f Abs. 1 Satz 2 StPO festgelegt. In der Sache besteht aber keinerlei Notwendigkeit für einen solchen Richtervorbehalt. Denn das DNA-Identifizierungsmuster als solches enthält keinerlei Hinweis auf die Persönlichkeit des Spurenverursachers und ist – solange es nicht mit den Perso- nalien des Spurenverursachers verknüpft worden ist – kein sensibles personen- bezogenes Datum. Bei der Untersuchung anonymer Tatspuren sind also Per- sönlichkeitsrechte, deren Schutz die Einschaltung eines Richters erforderlich machen würde, nicht betroffen. Der gegenwärtige Richtervorbehalt ist ein un- nötiger bürokratischer Aufwand und daher überflüssig. Er behindert in vielen Fällen eine schnelle Aufklärung und damit auch die Verhinderung künftiger schwerer Straftaten. Drucksache 15/4136 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mit der Aufhebung des Richtervorbehalts bei der DNA-Analyse anonymer Spu- ren würde zugleich ein erster Schritt unternommen, um die Ergebnisse eines Gutachtens des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zur Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekom- munikation und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen umzusetzen.

B. Lösung Der sachlich nicht gerechtfertigte Richtervorbehalt für die molekulargenetische Untersuchung anonymer Spuren wird gestrichen.

C. Alternativen Die Union hat in Bundestag und Bundesrat wiederholt eine weitergehende bzw. umfassendere Neuregelung der Fragen der DNA-Analyse beantragt (zu- letzt Bundestagsdrucksachen 15/29 und 15/2159 sowie Bundesratsdrucksachen 850/02 und 465/03). Nur so wären die Möglichkeiten der DNA-Analyse zum Schutz der Bevölkerung konsequent und umfassend zu nutzen. Demgegenüber ist die ausschnitthafte Beseitigung einer einzelnen sachwidrigen und nicht grundrechtsgebotenen Hürde für die effektive Arbeit der Strafverfol- gungsbehörden die weniger weitreichende Alternative. Da jüngste Äußerungen aus der Koalition (Der Tagesspiegel, 30. Oktober 2004, „Weniger Regeln für DNA-Spurensuche?“) aber eine Mehrheit im Deutschen Bundestag wenigstens insofern erhoffen lassen, soll zunächst der hier aufgegriffene Teilbereich einer Lösung zugeführt werden. Da es sich um eine klar abgrenzbare Sonderproblematik innerhalb des Rege- lungskomplexes DNA-Analyse handelt, ist sie einem gesonderten Gesetzge- bungsverfahren zugänglich.

D. Kosten Keine Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4136

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Richtervorbehalts für die DNA-Analyse anonymer Spuren

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: 2. In § 81g Abs. 3 wird die Angabe „§ 81f“ durch die An- gabe „§ 81f Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2“ ersetzt. Artikel 1 Änderung der Strafprozessordnung Artikel 2 Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt- Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, ber. S. 1319), Das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7. September zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert: 1998 (BGBl. I S. 2646), zuletzt geändert durch …, wird wie 1. § 81f Abs. 1 wird wie folgt geändert: folgt geändert: a) In Satz 1 wird die Angabe „§ 81e“ durch die Angabe In § 2 Abs. 2 wird die Angabe „§§ 81f und 162 Abs. 1“ „§ 81e Abs. 1“ ersetzt. durch die Angabe „§ 81f Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und b) Satz 2 wird aufgehoben. § 162 Abs. 1“ ersetzt. c) Nach dem bisherigen Satz 3 wird folgender Satz an- gefügt: Artikel 3 „In den Fällen des § 81e Abs. 2 kann die Untersu- Inkrafttreten chung durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermitt- lungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgeset- Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in zes) angeordnet werden.“ Kraft.

Berlin, den 9. November 2004

Wolfgang Bosbach Kristina Köhler (Wiesbaden) Dr. Norbert Röttgen Dr. Günter Krings Hartmut Koschyk Dorothee Mantel Dr. Wolfgang Götzer Erwin Marschewski (Recklinghausen) Thomas Strobl (Heilbronn) Stephan Mayer (Altötting) Günter Baumann Michaela Noll Clemens Binninger Beatrix Philipp Hartmut Büttner (Schönebeck) Ronald Pofalla Dr. Jürgen Gehb Daniela Raab Norbert Geis Andreas Schmidt (Mülheim) Roland Gewalt Dr. Ole Schröder Ralf Göbel Andrea Voßhoff Ute Granold Marco Wanderwitz Reinhard Grindel Ingo Wellenreuther Michael Grosse-Brömer Wolfgang Zeitlmann Volker Kauder Dr. , und Fraktion Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Drucksache 15/4136 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines Anordnung notwendig ist. Diese von der Praxis sowie der Kommentarliteratur (vgl. beispielsweise Lutz Meyer-Goßner, Die erfolgreiche Aufklärung schwerster, auch lange zurück- Strafprozessordnung, 47. Auflage, § 81 f. Rn. 1) zu Recht liegender Verbrechen in Deutschland und im Ausland zeigt, kritisierte Entscheidung des Gesetzgebers muss korrigiert dass die DNA-Analyse ein verlässliches, effektives und un- werden. verzichtbares Mittel zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten, aber auch zur Entlastung zu Unrecht Beschuldig- In der Sache besteht keine Notwendigkeit für einen Richter- ter ist. Der Schutz der Bevölkerung vor schweren Straftaten vorbehalt bei anonymen Spuren. Das DNA-Identifizierungs- gebietet eine konsequente und umfassende Nutzung der muster als solches enthält keinerlei Hinweis auf die Persön- Möglichkeiten der DNA-Analyse. Dennoch wird dieses In- lichkeit des Spurenverursachers und ist – solange es nicht strument nicht in dem Maße genutzt, wie dies Praktiker aus mit den Personalien des Spurenverursachers verknüpft wor- Polizei und Justiz fordern und wie dies technisch möglich den ist – kein sensibles personenbezogenes Datum. Erst die wäre. Verknüpfung des DNA-Identifizierungsmusters mit den Per- sonalien einer konkreten Person führt zu einem grundsätz- Die Möglichkeiten der DNA-Analyse lassen sich nur effizi- lich schutzwürdigen personenbezogenen Datum. Der Ent- ent nutzen, wenn dieses Instrument nicht durch bürokrati- wurf ändert nichts daran, dass eine derartige Verknüpfung sche Hürden unpraktikabel gemacht wird. Darum muss die auch künftig gegen den Willen des Betroffenen nur auf DNA-Analyse bei anonymen Tatspuren durch Polizei und Grund einer richterlichen Anordnung hergestellt werden Staatsanwaltschaft selber angeordnet werden können, ohne kann. Dies wird dadurch sichergestellt, dass das geltende vorher erst noch eine richterliche Entscheidung abwarten zu Recht für Untersuchungen nach § 81e Abs. 1 StPO sowie in müssen. Dass auch für die molekulargenetische Untersu- den Fällen des § 81g StPO und des § 2 des DNA-Identitäts- chung von anonymen Spuren eine richterliche Anordnung feststellungsgesetzes nicht geändert wird. notwendig ist, wurde erst durch Gesetz vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018) in § 81f Abs. 1 Satz 2 StPO festgelegt. In Die Änderung von § 81f Abs. 1 Satz 1 StPO soll deutlich der Sache besteht aber keinerlei Notwendigkeit für einen machen, dass eine Anordnung des Gerichtes, die bei fehlen- solchen Richtervorbehalt. Denn das DNA-Identifizierungs- dem Einverständnis des Betroffenen erforderlich ist, nur muster als solches enthält keinerlei Hinweis auf die Persön- dann geboten ist, wenn es um die Untersuchung von DNA- lichkeit des Spurenverursachers und ist – solange es nicht Material einer bekannten Person geht. Der verfehlte § 81f mit den Personalien des Spurenverursachers verknüpft wor- Abs. 1 Satz 2 StPO wird gestrichen. Durch den neuen § 81f den ist – kein sensibles personenbezogenes Datum. Bei der Abs. 1 Satz 3 StPO wird geregelt, dass für die Untersuchung Untersuchung anonymer Tatspuren sind also Persönlich- von Spurenmaterial eine Anordnung durch die Staatsanwalt- keitsrechte, deren Schutz die Einschaltung eines Richters er- schaft oder durch ihre Ermittlungspersonen erforderlich, forderlich machen würde, nicht betroffen. Der gegenwärtige aber auch ausreichend ist. Richtervorbehalt ist ein unnötiger bürokratischer Aufwand und daher überflüssig. Er behindert in vielen Fällen eine Zu Nummer 2 (§ 81g StPO) schnelle Aufklärung und damit auch die Verhinderung künf- tiger schwerer Straftaten. Die Änderung von § 81g Abs. 3 StPO ist eine Folgeände- rung zu der vorgeschlagenen Änderung von § 81f StPO. In Mit der Aufhebung des Richtervorbehalts bei der DNA- den Fällen des § 81g StPO werden ohnehin keine Spuren un- Analyse anonymer Spuren würde zugleich ein erster Schritt tersucht. Es erscheint daher eine Präzisierung der Verwei- unternommen, um die Ergebnisse eines Gutachtens des Max- sung zweckmäßig, um klarzustellen, dass in diesen Fällen Planck-Instituts für ausländisches und internationales Straf- für eine molekulargenetische Untersuchung gegen den Wil- recht zur Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung len des Beschuldigten bzw. Betroffenen stets eine richter- der Telekommunikation und anderer verdeckter Ermitt- liche Anordnung erforderlich ist. lungsmaßnahmen umzusetzen. Die Untersuchung hat deut- lich gemacht, dass die Ermittlungsrichter von überflüssiger Arbeit entlastet werden müssen, damit sie mehr Zeit für Zu Artikel 2 (§ 2 Abs. 2 DNA-IFG) solche Entscheidungen haben, in denen ein Richtervorbehalt Die Änderung von § 2 Abs. 2 DNA-Identitätsfeststellungs- in der Sache geboten ist. gesetz ist eine Folgeänderung zur Änderung von § 81f StPO. In den Fällen des § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz B. Einzelbegründung werden ohnehin keine Spuren untersucht. Es erscheint daher eine Präzisierung der Verweisung zweckmäßig, um klarzu- Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung) stellen, dass in diesen Fällen für eine molekulargenetische Zu Nummer 1 (§ 81f StPO) Untersuchung gegen den Willen des Beschuldigten bzw. Be- troffenen stets eine richterliche Anordnung erforderlich ist. Mit dem Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018) wurde im neu eingefügten Zu Artikel 3 (Inkrafttreten) § 81f Abs. 1 Satz 2 StPO ausdrücklich normiert, dass auch für die Untersuchung von anonymen Spuren eine richterliche Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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