Afrika Im Blickpunkt Institut Für Afrika-Kunde Institute of African Affairs
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Afrika im Blickpunkt Institut für Afrika-Kunde Institute of African Affairs Nummer 3 Juli 2002 ISSN 1619-3156 Fußball in Afrika. Gehört die Zukunft den "demokratischen Löwen" ? Andreas Mehler Die "Löwen von Teranga", Senegals Nationalteam, erreichten das Viertelfinale der WM 2002, die "un- bezähmbaren Löwen", Kameruns Kicker, waren gegen Deutschland ausgeschieden. Was bedeutet das? Ist Fußball nur ein Sport? Die Instrumentalisierung von Fußball durch sämtliche Parteien im deutschen Wahl- kampf, die Effekte von Sieg und Niederlage - von Korea bis Argentinien - belehren uns: nein! Über den afri- kanischen Fußball und seine Verbindungen zu Politik und Gesellschaft ist aber weniger bekannt hierzulande. Fußball ist in zahlreichen Staaten Afrikas mehr noch auf Verbandsebene, um ihr politisches Fortkom- als in Europa eine Angelegenheit, die dem Bereich men zu beschleunigen. des Politischen zugeordnet werden kann. Dies hat • Nationale Einheit und ethnische Vielfalt: Die mehrere Gründe: Fußball-Nationalmannschaften halten gern als • Prestige und Legitimität: Gewinnt die Natio- Symbol für eine nationale Einheit her, die an- nalmannschaft, so gewinnt auch das Regime. Ge- sonsten häufig wenig Realität besitzt. Gleichzei- rade autokratische Regime ohne Entwicklungser- tig bleibt die ethnische Zusammensetzung der folge setzen auf diesen Faktor (Kamerun unter Mannschaft ein Politikum und werden die Auf- Biya, Nigeria unter Militärdiktator Abacha). A- einandertreffen von Vereinen in den ersten Ligen ber auch der demokratisch gewählte Präsident gern zu Auseinandersetzungen zwischen Ethnien Senegals, Abdoulaye Wade, "surft" auf den Er- oder Clans hochstilisiert.2 folgen "seiner" Fußballspieler.1 • Korrektur des negativen Afrikabildes: Im • Politische Karriere: Sport und insbesondere Bereich des Fußballs erfährt Afrika die Anerken- Fußball befördert politische Karrieren. Zahllose nung, die dem Kontinent ob der realen und ver- Politiker engagieren sich im Vereinsfußball und meintlichen Krisen ansonsten versagt bleibt. Fußball gilt als eine afrikanische Erfolgsge- 1 Umgekehrt kann der Nationalstolz durch schlechte Leis- schichte, die vermarktet werden kann. tungen auch so verletzt werden, dass ein Diktator, nämlich Und gleichzeitig liefert der Fußball auch Indikatoren Robert Gueï in der Côte d’Ivoire, die Spieler gar zur Er- lernung desselben in ein Militärlager steckte. Eine gütige für die tiefer liegenden Probleme Afrikas: und strafende "Vaterfigur" erkennt Michael Schatzberg: Political Legitimacy in Middle Africa. Father, Family, Food, Bloomington 2001, S.105-107, in den ostentativ 2 Vgl. Zu Kamerun André Ntonfo: Football et Politique au "sportlichen" Präsidenten des Kontinents. "Sports is poli- Cameroun, Yaoundé 1994, S.55ff. Ntonfo überschreibt tics" zitiert er den ehemaligen tanzanischen Präsidenten sein Kapitel "Organisation des clubs : au commencement Mwinyi. était l’ethnie". Andreas Mehler • Korruption und Klientelismus: Fußballvereine Mit dem zweimaligen Gewinn der Afrikameis- und -verbände sind Orte der klientelistischen terschaft in Folge (2000 und 2002, zuvor schon 1984 Durchdringung, aber auch krimineller Handlun- und 1988) und den WM-Teilnahmen in 1982, 1990, gen. Die Anzahl der Skandale um veruntreute 1994, 1998 und nun 2002 erschien Kamerun vor der Gelder ist bedeutend. WM als unangefochtene Nummer 1 des afrikani- schen Fußballs, das Ausscheiden in der Vorrunde • Rare Aufstiegsmöglichkeiten, der schwierige relativiert diese Erfolge ein wenig. Ghana und Zam- Zugang zu Geld, Prestige und Modernität: Im bia, die Starmannschaften von einst, sind abge- Kontext einer Ökonomie der Armut bietet Fuß- rutscht, und auch Nigeria ist von seinen Glanzzeiten ball überdies sozial Unterprivilegierten eine der weit entfernt. Mit El Hadji Ousseyinou Diouf stellt wenigen Chancen auf individuellen Aufstieg und Senegal Afrikas Spieler des Jahres 2001, die Final- seriösen wie nicht seriösen Unternehmern ein teilnahme in der Afrikameisterschaft besiegelte den lukratives Betätigungsfeld. Aufstieg in die vordersten Ränge. Die WM-Qualifi- • Zwang zur Arbeitsmigration: Das Heil liegt für kation und das Auftreten der Mannschaft in allen die meisten afrikanischen Fußballer im Ausland Gruppenspielen bestätigt dies nur. und typischerweise in Europa. Die Transnationa- lität der Spitzenspieler, Integrationsprobleme im CAF und FIFA - Hayatou und Blatter Norden und der Ressourcentransfer zurück in die Der Kontinent ist bei der WM in Korea/Japan mit Heimat sind im Fußball extrem ausgeprägt, aber fünf Nationen vertreten (bis 1982: ein Team, 1982- doch in vielem vergleichbar mit anderen Formen 1990: zwei; 1994: drei), nachdem das Teilnehmer- temporärer Migration. feld bereits 1998 von 24 auf 32 aufgestockt worden ist. Hintergrund dieser Entscheidung war die Her- • Abhängigkeit: Armut, Ineffizienz und Ausbeu- ausbildung einer Interessenallianz zwischen den tung haben dazu geführt, dass Vereine und Ver- Fußballverbänden Europas und Afrikas - der Union bände von massiven äußeren Hilfen durch FIFA Européenne de Football Association (UEFA) und und private Sponsoren abhängig geworden sind. der Confederation of African Football (CAF), die Der sportliche Erfolg des afrikanischen Fußballs mit dem vor allem aus Europa betriebenen Versuch steht in einem krassen Missverhältnis zum Zu- zusammenhing, eine Wiederwahl des greisen und stand der Stadien, Ligen, Vereine und Verbände. autokratischen João Havelange (Brasilien) für eine Dieser Beitrag möchte einige der vorgenannten sechste Amtszeit an der Spitze der Fédération Inter- Themen vertiefen und durch Beispiele vornehmlich nationale de Football Association (FIFA) zu verhin- aus den Ländern illustrieren, die an der WM teilge- dern. Was nach Havelange kam, war nicht notwen- nommen haben. Zunächst gilt es aber die sportlichen digerweise besser: UEFA-Präsident Johansson, der Leistungen zu würdigen. sich auf die Unterstützung durch afrikanische Ver- bände verlassen hatte, verlor gegen den Havelange- Der Aufstieg des afrikanischen Fußballs Zögling und Generalsekretär Joseph ("Sepp") Blatter Bei ihren ersten Auftritten auf Weltmeisterschaften (s.u.).3 Allerdings machte der neue Präsident dem wurden afrikanische Mannschaften noch belächelt, Nachbarkontinent in seinem Wahlkampf weitrei- das änderte sich spätestens mit dem Auftreten der chende Versprechungen. Auch ohne Blatters Hilfe Nationalmannschaft Kameruns auf der WM 1990: hat sich der internationale Stellenwert des afrika- nach dem Auftaktsieg gegen Argentinien (1:0) en- nischen Fußball ständig verbessert. Dennoch bleibt dete das Abenteuer mit einem unglücklichen 2:3 im das Gefälle zwischen den Staaten weiterhin hoch Viertelfinale gegen England; 1994 überstand dann und auch die Leistungsdichte in den nationalen Li- nur Nigeria die Vorrunde. Kamerun ist trotz seines gen bleibt niedrig im Vergleich zu den National- frühzeitigen Ausscheidens bei der WM 2002 amtie- mannschaften mit ihren hochbezahlten Legionären. render Olympiasieger. Mit Senegal ist bei der glei- chen WM 2002 nun erneut ein afrikanisches Teams ins Viertelfinale eingezogen. Das sind mehr als nur Achtungserfolge. Was für die Nationalmannschaften stimmt, gilt schon länger für individuelle Spieler. Mittlerweile hat jede zweite europäische Spitzen- mannschaft einen oder mehrere Afrikaner in ihren Reihen (man denke nur an Oliseh - Borussia Dort- mund, Kuffour -Bayern München, Foé - Olympique Lyon, Diouf - RC Lens, Geremi Ndjitap - Real Ma- drid, Mboma - AC Parma, Kanu und Lauren Etame - Arsenal London). 3 Zur Allianz CAF-UEFA und den folgenden Enttäu- schungen vgl. Darby 2002, S.108ff. 2 Afrika im Blickpunkt Nr. 3-02 Fußball in Afrika Tab.: FIFA-Punkte, Afrika- und Weltrang des afrikanischen Fußballs nach der WM 2002 Land FIFA A W Land FIFA A W Kamerun 680 1 17 Uganda 353 27 121 Nigeria 642 2 29 Sudan 349 28 122 Senegal 637 3 31 Swaziland 347 29 123 Südafrika 634 4 33 Mozambique 334 30 126 Tunesien 626 5 36 Mauritius 327 31 128 Marokko 606 6 40 Burundi 320 32 130 Ägypten 591 7 44 Rwanda 317 33 132 Côte d'Ivoire 566 8 47 Äthiopien 316 34 133 Ghana 537 9 57 Botswana 306 35 136 Angola 531 10 60 Lesotho 305 36 137 Zimbabwe 524 11 63 Sierra Leone 270 37 144 Zambia 513 12 66 Benin 237 38 149 Togo 502 13 72 Tanzania 232 39 152 DR Kongo 493 14 76 Gambia 221 40 154 Liberia 491 15 77 Kap Verde 197 41 160 Burkina Faso 491 15 77 Eritrea 179 42 169 Algerien 490 17 79 Guinea-Bissau 146 43 174 Mali 471 18 86 Tschad 141 44 175 Kongo 427 19 98 Mauretanien 134 45 179 Namibia 414 20 104 ZAR 104 46 183 Kenya 409 21 105 Sao Tomé 95 47 187 Gabun 409 21 105 Äq.-Guinea 74 48 191 Guinea 388 23 110 Djibouti 71 49 192 Malawi 377 24 114 Somalia 66 50 193 Libyen 365 25 118 Niger 65 51 194 Madagaskar 359 26 119 Seychellen 65 51 194 Quelle: FIFA Coca-Cola World Rankings (03/07/2002) (http://www.fifa.com/rank/main_E_latest.html) Die CAF als afrikanischer Fußballverband existiert zugt.4 Die Zeit seiner nationalen Verbandspräsi- seit 1957 und war zu Beginn deutlich durch nordost- dentschaft (1986-88, zuvor Generalsekretär) ist in afrikanische Verbände und Funktionäre dominiert angenehmer, skandalfreier Erinnerung; erst nach (Ägypten, Äthiopien, Sudan). Innerhalb der FIFA seinem Aufstieg an die Spitze der CAF (1988) ging hat sich das Gewicht der CAF kontinuierlich erhöht. es in der Fédération Camerounaise de Football (FE- Am 29. Mai 2002 trat erstmals ein afrikanischer CAFOOT) drunter und drüber (s.u.). Hayatous CAF- Kandidat gegen den Amtsinhaber Joseph Blatter an, Präsidentschaft brachte die laufende Ausweitung der um den Vorsitz des weltgrößten Sportverbands,