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1. Bedeutende Tischuhr, deutsch, Ende 16. Jh.. Bronze, graviert und feuerver- goldet. Quadratisches, teilweise durchbro- chen gearbeitetes Gehäuse mit ziselierten und umlaufenden Reliefverzierungen in Form von Greifen und Rollwerk, welche ovale Medaillons mit thronenden Papstdar- stellungen flankieren. Das Zifferblatt eben- falls feuervergoldet und mit gravierten Ver- zierungen, römischer Stunden- und arabischer 24-Stunden-Anzeige. Die Ecken mit vergoldeten Reliefzierden in Form von Putti. Originales Werk mit Kette, Schnecke, Spindelhemmung, dreischenkliger Stahlun- ruhe, welche ehemals eine Schweinsborsten- Regulierung aufwies. Viertelstundenschlag auf zwei Glocken. Herzmotive und Ran- kenwerk an der Werkzierplatte. Die Füss­ chen in Form von stilisierten Putti. 10:9:9 cm. 3000.—/5000.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz Sotheby’s Zürich, 24.11.1993, Los Nr. 184

Eine zeitgleiche Stützempore mit zwei Engeln für den Heiligen Christophorus im Kölner Dom. Register Seite 111–112 17

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2. Gefasste Skulpturenstütze eines Augustinermönches aus einem gotischen Dom, wohl Rhein- lande, 15. Jh., Sandstein, behauen und mit originaler, polychromer Fassung. Mit massivem Wandquader, daran sehr fein, in Hochrelief, die stützende Figur für eine Plastik des Heiligen Martin, in gebückter Haltung, den Blick dem Betrachter weit unter ihm im Kirchenschiff zugewandt. Er trägt eine braunrote Kutte und ein Spruchband «S. MARTIN». Über der Stützfigur der konsolenartige, profilierte Sockel für die heute fehlende Steinfigur des Heiligen Martin. 58:40:18 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz

Unsere gefasste Sandsteinempore ist ein besonders seltenes Beispiel einer in der Fassung völlig original erhaltenen Sandsteinplastik der deutschen Gotik. Unsere Stützfigur in Form eines Augustinermönches wäre an einem Pfeiler in einem gotischen Kirchenschiff in grosser Höhe angebracht worden. Auf seiner Konsole, welche er auf dem Rücken trägt, hätte sich eine Figur des Heiligen Martin be- funden. Weit vom Zugriff oder der Berührung durch Kirchgänger in grosser Höhe entzogen, hat sich die Fassung unserer Figur sehr schön bewahrt. Auf der Konsole findet sich eine Inventarnummer in roter Farbe: L 1469.

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3. Scherenschnitt. Schlesien, circa 1750, von Lieutenant von Vogelsang unter dem kayserl. Molkischen Regiment. Pergament, überaus fein und durchbrochen geschnitten, mit Blüten und Rankenwerk, welches eine zentrale Kartusche umrahmt. Auf dieser finden sich eine Jagdgesellschaft mit zwei Jägern und zwei Jägerinnen zu Pferd, eine Meute Jagdhunde, einem Hirschen nachstellend. Pfauen und paradiesische Vögel umrahmen die Szene. Die äusseren Randpartien mit sechs vierpassigen Ovalkartuschen bemalt, die unteren Randpartien mit sechs kleineren Kartuschen. In jeder dieser Kartusche weitere Jagdszenen in feinster Minia­turmalerei. Rückseitig bezeichnet. 40,5:19 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Handschriftlich, wohl Preussisches Kroninventar, Nummer 108 Aus einer Privatsammlung, Frankfurt a.M.

Beim Künstler dieses prachtvollen Scherenschnittes dürfte es sich um Christian Jacob von Vogelsang handeln, der in kaiserlich-könig­ lichen Diensten stand. Sein Bruder war preussischer Regierungspräsident in Halberstadt.

4. Zwei Tapisserie-Blumenbou- quets, England, London, wohl Manufaktur Mortlake, 17. Jh. Wolle gewirkt. Hochfor- matige Paneele mit Darstellung von Henkelkrügen, gefüllt u.a. mit Sonnenblumen, Rosen, Tulpen und Mohnblumen, auf grünem Grund. Als zwei­teiliger Paravent aufge­zogen. Tapisseriepaneele: 84:50 cm. 300.—/500.—

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5. Kniende und lesende Maria, nördliche Niederlande, 15. Jh., weisser Marmor. Auf ovalem Sockel die vollplastisch darge- stellte Figur der vor einem Lesepult knienden Maria mit Buch. Sie trägt einen prächtigen, in feine Falten geworfenen Umhang. H = 19 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Ehemals alter Frankfurter Privatbesitz 6. Kerzenstock, Limoges, erste Hälfte 13. Jh. (?). Kupfer, ver- goldet und polychromer Grubenschmelz, sog. émail champlevé, Bergkristall. Runde, kuppelartig gewölbte Basis auf drei ge- schweiften Füsschen. Fein mit drei Wappenkartuschen und ver- schlungenem Rankenwerk verziert. Der Schaft mit drei Kristall­ elementen, gefasst von vergoldeten Manschetten. Emaillierter Tropfteller mit hohem Dorn. H = 23 cm. 500.—/800.—

Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

Der Rankendekor und die Fassung unseres Kerzenstocks, ebenso sein Sockel auf den drei geschweiften, schlichten Füsschen sind sehr verwandt mit dem Dekor einer Reliquienmonstranz, Limoges, erste Hälfte 13. Jh., welche sich in der Samm- lung Thyssen-Bornemisza erhalten hat.

Vergleiche: Paul Williamson, Medieval sculpture and works of art, The Thyssen-Bornemisza Col- lection, London, 1987, Abb. S. 153. 6

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7. Stefano della Bella (Florenz, 18.5.1610–16.7.1664). Ansicht der Hauptfassade des Pantheons in Rom, 1651 – im Vordergrund Tier- und Figurenstaffage. Feder in Braun, braun laviert, und schwarzer Stift auf Bütten. 15,2:26,4 cm. 5000.—/8000.— Provenienz: Auktion Christie’s Paris, 23.3.2005 Sammlung Monica Streiff

Das Pantheon in Rom, das ursprünglich unter Kaiser Hadrian erbaute römische Heiligtum, wurde im frühen 7. Jahrhundert zur christ- lichen Kirche geweiht. Zusammen mit seinem vorgelagerten Platz, der heutigen Piazza della Rotonda, wurde es in den beinahe 1900 Jahren seines Bestehens verschiedentlich umgestaltet. Im 17. Jahrhundert gab es zwei markante Änderungen: Unter Papst Urban XVII. Barberini (Pontifikat von 1623 bis 1644) wurde der romanische Campanile abgerissen und durch zwei Attikatürme auf der Vorhalle er- setzt (welche 1883 wiederum entfernt wurden). Ein paar Jahre später, unter Papst Alexander VII. Chigi (Pontifikat von 1655 bis 1667), gestaltete man den vorgelagerten Platz der Bedeutung des Gebäudes entsprechend neu. Die Marktstände mussten zu diesem Zweck weichen. In unserer Zeichnung hält della Bella die Gegebenheit fest, wie sie genau zwischen diesen beiden augenfälligen Umgestaltungen vorzufinden war: Die Türme sind schon errichtet, während die Stände der Marktleute immer noch den Platz besetzen. Mehrere Aufenthalte della Bellas sind für die Jahre 1651 und 1652 belegt; so ist der Schluss nahe, dass die Ansicht des Pantheons genau in dieser Zeit entstanden sein muss. Die vorliegende Arbeit steht in Zusammenhang mit einer Zeichnung im Musée des Beaux-Arts, Besançon (Inv. D. 2702, Revue de l’Art, 1969, Nr. 5, S. 93, Abb. 4), und einem weiteren, in Stockholm aufbewahrten Blatt (Inv.-NM 191/1863, P. Bjurström und andere, Drawings in Swedish Public Collections, 8. Italian Drawings. Florence, Siena, Modena, Bologna. Stockholm, 2002, Nr. 1123).

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8.* Zwei Fayence-Figuren, ein Bettler und eine Bett­ lerin darstellend, wohl Manufaktur Künersberg, 2. Hälfte 18. Jh.. Der Bettler am Boden bezeichnet Josef Hackl, mit Krückstock, in seiner rechten Hand eine Münzschale haltend, die Bettlerin hat ihr Kind auf den Rücken gewickelt. H = 12 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Im Fischer-Böhler-Archiv als «Künersberg oder Lenzburg» bezeichnet.

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deutsche Fayencen, 1949.

9.* Prächtige Fayence-Meise, deutsch, Manufaktur Schrezheim, Ende 18. Jh.. Sehr fein modelliert, die Meise wenig nach vorne geneigt, auf einem Baum- stumpf, in Mangan- und Gelbtönen, der Rücken grün- lich gefärbt. Höhe = 13.5 cm. 600.—/900.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deutsche Fayencen, 1949

Literatur: Unsere Fayence-Meise findet sich beschrieben und abgebildet in: Hans Erdner/Gert K. Nagel, Die Fayencefabrik zu Schrezheim 1752–1865, Ellwangen, 1972, Abb. Nr. 35. 8

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10. Sehr feiner frühklassizistischer Sekretär, Schweden, Stockholm, um 1780/1790, dem Meister Gottlieb Iversson und seinem Umkreis zuzuschreiben. Mahagoni, massiv und furniert. Hochformatiger Korpus mit originalem, profiliertem und grau-weiss-grün durchzogenem Kolmärden-Marmordeckblatt. Die Front mit geschrägten und mit Messingkannelüren eingelegten Stollen, die Beine vierkantig, sich nach unten verjüngend und ebenfalls mit Messingkannelüren versehen. Abklabbare Schreiblade über einer grossen und zwei kleineren Schubladen. Im Innern mit zentralem Schrankfach und drei offenen Briefkom-

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12 partimenten zwischen elegant angeordneten Schubladen. Vergoldete Messingzierbeschläge. Originalzu- stand. 122:94:46 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz

Das hier angebotene Schreibmöbel ist ein sehr schönes Beispiel der qualitätsvollen Möbel des schwedischen Frühklassizismus zur Zeit König Gustav III. In seiner feinen Innenaufteilung, den geschrägten Eckstollen und den schönen Mahagonifurnieren, erinnert unser Schreibmöbel an Arbeiten des Gottlieb Iversson, so an einen Sekretär des Meisters, der bei Torsten Sylvén abgebildet wird, aber auch an einen Sekretär des Carl Lindborg bei gleichem Autor abgebildet. Ein Sekretär mit gleicher Aufteilung des Kommodenteils findet sich im Nordiska Museet. Der besonders schön durchzogene, grün-silbern schimmernde Marmor unseres Möbels stammt aus den Brüchen von Kolmärden, in Östergötland, südlich von Stockholm. Besonders in der Zeit des Barocks und des Klassizismus galt der Kolmärden Marmor als sehr begehrt und fand besonders in den Schlössern des schwedischen Königshauses und des Adels Verwendung beim Bau von Treppenhäusern, Säulen und Marmordeckplatten von Luxusmobiliar.

Vergleiche: Torsten Sylvén, Mäsarnas Möbler, Stockholmsarbeten, 1700–1850, Stockholm, 1996, Abb. S. 196 und S. 223 Ernst Fischer, Gottlieb Iwersson, Göteborg, 1916 Hakan Groth, in the North 1770–1850, London, 1990, S. 209, Abb. 22, für den Sekretär aus dem Nordiska Museet.

11. Jean-Baptiste Leprince (Metz, 17.9.1734 – Saint-Denis-du-Port, 30.9.1781). Dame und Herr in orienta- lischem Kostüm. Öl auf Papier auf Malkarton, 8:5,5 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus Westschweizer Privatbesitz

Jean-Baptiste Leprince war Schüler bei François Boucher und gilt als Erfinder der Aquatinta. Im Jahre 1758 reiste Leprince nach Russ- land, wo er für Katharina die Grosse bedeutende Arbeiten in St. Petersburg ausführte. Einen wichtigen Platz in seinem Œuvre nehmen seine Darstellung von orientalischen Szenen und als Orientalen kostümierten Figuren ein. Die grosse Mode der sogenannten Turquerie, dieser Sehnsucht nach dem Orient, begann im westlichen Europa bereits im 16. Jahrhundert und erreichte mit Künstlern wie Jean- Étienne Liotard, Carle van Loo und Jean-Baptiste Leprince einen eigentlichen Höhepunkt im 18. Jahrhundert.

12. Deutsche Schule, 18. Jahrhundert. Portrait der Christine Henriette, Gräfin von Rohde, geb. Reichsfrei- herrin von Müller-Lengsfeld, circa 1795–1800. Pastell auf Papier, 27:22 cm. 800.—/1200.—

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Grossherzogliches Residenzschloss Karlsruhe, um 1900

13. Chinoiserie-Lackspiegel, Italien, Vene- dig, circa 1740. Holz, grün gefasst und mit polychromen Blumen und Figuren in chinoi- sem Stil bemalt. Originales Spiegelglas und originale, rückseitige Fassung in Rot. 36:30 cm. 400.—/600.— Provenienz: Zürcher Privatbesitz

14. Karlsruher Hofmaler, 18. Jh., wohl Phi­ lipp Jakob Becker (1763–1829), nach Guido Reni. Portrait der Beatrice Ceni. Pastell auf Papier. In geschnitztem und vergoldetem Rahmen, Karlsruher Hofwerkstatt, um 1775. 62:47 cm. 6000.—/8000.—

Provenienz: Schloss Karlsruhe Aus einer Privatsammlung, Frankfurt a.M.

Unser Portrait der Beatrice Geni trägt auf der Rückseite einen Inventarklebezettel des Grossherzoglichen Inventars Karlsruhe, Inv.-Nr. 712, und einen weiteren Inventar­ klebezettel: 1898 Inventar, S. 44, Nr. 596. Das reizende Pastell der Beatrice Geni, nach Guido Reni, hat sich in einem sehr schönen originalen Zustand erhalten und dürfte wohl durch einen Karlsruher Hofmaler des letz- 13 ten Viertels des 18. Jh. entstanden sein. Besonders pracht- voll ist der zeitgenössische Rokoko-Boiserie-Rahmen in feinstem Schnitzwerk und alter Vergoldung, der in den Karlsruher Hofwerkstätten oder in Mannheim entstanden sein dürfte.

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15.* Sehr feines und seltenes Bozzetto mit dem Heiligen Nepomuk, mit alter Zu- weisung an Egid Quirin Asam, München, vor 1750. Terrakotta, polychrom gefasst und teilvergoldet. Der kniende Heilige auf einem Wolkenband, vor ihm der Erlöser am Kreuz, gestützt von zwei Putti. Originale Fassung. Am Boden mit alter Bezeichnung: «Nr. 13 Hl. NEPOMUK, gefasste Ton-Figur v. Asam. Fischer- Böhler Antiquitäten München 2, Residenzstrasse 10/1». H = 33 cm. 1000.—/1500.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

16.* Geschnitzte Holzfigur des Heiligen Pe- trus, süddeutsch, wohl München, circa 15 Mitte 18. Jh.. Holz, geschnitzt, polychrom gefasst, versilbert, vergoldet und lüstriert. Der bärtige Heilige mit nach rechts gerichtetem Blick, seine Hände sehr fein geschnitzt. Auf profiliertem und geschnitztem Volutensockel. H = 37 cm. 600.—/900.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

17.* Sehr feine und ungewöhnliche Konso- lenapplike, deutsch, fränkisch, wohl Bayreuth, circa 1760. Holz, geschnitzt und polychrom gefasst. Passig ausgeschnittenes und profiliertes, wohl späteres Blatt, über aus Rocaillenwerk, Blumen und Ranken ge- schnitztem Wandstück. Ein sich windender Drache krallt sich in das Rankenwerk. H = 51 cm. B = 38 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

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18. Sehr feine Konsole, Toskana, Florenz, circa 1780. Holz, geschnitzt, original gefasst und teilvergoldet. Grau-weiss durchzogenes, fassoniertes Marmordeckblatt, über passig geschweifter und überaus fein und reich geschnitzter Zarge. Akanthusrollwerk, Rosetten und Blumen in Gold über türkisfarbenem Grund. Die sich nach unten verjüngenden Stabbeine mit vergoldeten Kannelüren. Die Füsse und Kapitelle reich mit Akanthus geschnitzt. 87:87:49 cm. 6000.—/9000.—

Provenienz: Aus adligem deutschem Besitz, Schweiz Auktion Sotheby’s Zürich, Juni 2000, Los Nr. 365

Unsere Konsole mit ihrer original erhaltenen Fassung und Vergoldung ist ein besonders schönes Beispiel der Florentiner Konsolmöbel der Zeit um 1780–1790. Im Palazzo Pitti in Florenz haben sich Konsolen mit ähnlich feiner Zargenschnitzerei erhalten. Die Kombina- tion dieses pfefferminzfarbenen, leicht türkis gefassten Möbels mit dem sehr feinen, vergoldeten Schnitzwerk ist typisch für die Möbel und Raumdekors in der Toskana im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.

Vergleiche: Enrico Colle, I mobili di Palazzo Pitti. Il primo periodo lorenese 1737–1799, Florenz 1992 Enrico Colle, Il mobile Neoclassico in Italia, Mailand, 2005

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19. Michelangelo Maestri (Italien, gest. 1812). Ariane und Bacchus. Mythologi- sche Szene nach Raffael. Gouache auf Papier. Unten links bezeichnet: «Raph. San Urb. in/Roma apud Maestri». In ori- ginaler Passepartoutmalerei des Künst- lers und mit zeitgenössischem Rahmen. 50.5:43,5 cm. 1500.—/2000.—

Provenienz: Alter Schweizer Privatbesitz

20. Michelangelo Maestri (Italien, gest. 1812). Jupiter und Antiope. Mythologi- sche Szene nach Raffael. Gouache auf Papier. Unten links bezeichnet: «Raph. San Urb. in/Roma apud Maestri». In ori- ginaler Passepartoutmalerei des Künstlers und mit zeitgenössischem Rahmen. 50,5:43,5 cm. 1500.—/2000.—

Provenienz: Alter Schweizer Privatbesitz

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21. Sehr schöne Serie von vier Louis-XV-Fauteuils, Frankreich, Paris, circa 1775–1780, signiert von Louis Charles Carpentier und Martin Nicolas Delaporte. Buche, massiv, geschnitzt und weiss-grau gefasst. Mit leicht trapezförmigem, hochgepolstertem Sitz und sehr fein moulurierter Zarge mit Eckrosetten. Die Beine in Stabform, sich nach unten verjüngend und kanneliert. Gepolsterte Armlehnen und geschweifte, wiederum fein kannelierte Stützen. Die Rückenlehne wenig nach hinten geneigt, jochförmig abschliessend und mouluriert. Grüner Seidenbezug mit Streublumen. Canapé: 108:198:55 cm, Fauteuils: 102:65:50 cm. 6000.—/8000.— Louis Charles Carpentier, Meister ab 1752 Martin Nicolas Delaporte, Meister ab 1765

Die sehr feinen, hier angebotenen Louis-XVI-Fauteuils, tragen die Signatur des Louis Charles Carpentier (stirbt um 1787), der als Schöpfer dieser prächtigen Sitzmöbel bestimmt werden kann. Die Zweitsignatur ist jene des Martin Nicolas Delaporte, der die Möbel wohl zu einem unbestimmten Zeitpunkt repariert hat. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Stempelsignatur des Martin Nicolas Delaporte. Sie ist identisch mit jener seines Onkels, Martin Delaporte, der bereits 1756 stirbt. Deshalb ist auszuschliessen, dass die mit seinem Stempel signierten Louis-XVI-Möbel von ihm stammen, sondern vielmehr von seinem Neffen, der das Atelier in der Rue des Filles-Dieu-Saint-Sauveur weiterführte, ohne aber einen eigenen Stempel benutzt zu haben. Dass unsere Sitzmöbel von Louis Charles Carpentier geschaffen wurden, beweist nicht nur seine Signatur an den Möbeln, sondern auch die exquisite Ausführung der Schreiner­ arbeit. Carpentier gehörte zu den begabtesten Menuisiers und so war er denn auch Hoflieferant des Prinzen von Condé, für den er zahlreiche Sitzmöbel für das , das Schloss von Chantilly und andere seiner Residenzen lieferte. Später wurde Carpentier auch mit Aufträgen des Herzogs Philippe von Orléans bedacht, wo er unter anderem Sitzmöbel für Schloss Hénonville lieferte. Sein Atelier hatte Carpentier in der Rue de Cléry, welches er bis 1779 führte.

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22.* Fayence-Karikatur eines Landmannes mit Gehstock, Manufaktur Braunschweig (?), um 1750. Auf rundem Sockel stehende Figur mit blauen Hosen und grüner, halb geöffneter Weste. Wenig buckelige Haltung, das paus­ backige Gesicht mit knorriger Nase, der Blick dem Betrachter zugewandt, eine Mütze auf seinem Haupt. Seine linke Hand einen Geh­ stock umfassend. H = 15 cm. 600.—/800.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deutsche Fayencen, 1949

Unsere Figur wird im Fischer-Böhler-Archiv als «Braun- schweig, 1745–56» bezeichnet, mit Bemerkung, dass diese Figur durch Dr. Müller, Augsburg, der Manufaktur Gög- gingen zugewiesen wird.

23.* Fayence-Karikatur eines Landmannes mit geblümter Weste, Manufaktur Braun- schweig (?), um 1750. Auf rundem Sockel stehende Figur mit manganfarbener Hose und weisser Weste mit Streublumenmotiv, eine grüne Schärpe um seine Hüfte gebunden. Pausbäckiges Gesicht mit Knollennase, eine Mütze auf seinem Haupt. Alte Sockelreparatur.­ H = 15 cm. 400.—/600.— 24 Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

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25 26 Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deutsche Fayencen, 1949

Unsere Figur wird im Fischer-Böhler-Archiv als «Braunschweig, 1745–1756» bezeichnet, mit Anmerkung, dass diese Figur durch Dr. Müller, Augsburg, der Manufaktur Göggingen zugewiesen wird.

24.* Seltene Fayence-Figur eines sitzenden Chinesen, deutsche Manufaktur, 18. Jh., mit alter Zu- weisung nach Strassburg. Polychrom bemalte, sitzende Figur mit lachendem Gesichtsausdruck, den Blick dem Betrachter zugewandt. Mit weiten, faltigen, gelben Hosen und blauem Umhang mit rotem Zier- rand. Alte Bestossungen. H = 9 cm. 400.—/600.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Abgebildet und durch Karl Fischer im Fischer-Böhler-Archiv als «Strassburger Manufaktur» beschrieben.

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deutsche Fayencen, 1949

25.* Schöne Papageienkanne, Manufaktur Dietrichstein-Proskau, 1770–1783, bezeichnet «D.P.». Aus zwei Teilen, mit Kannenkörper und Deckel. Der Henkel in Form von gewundenem Ranken- und Laub- werk. Sehr fein bemalt mit polychromem Gefieder, bräunlichem Rücken und gelbem Kopf mit braunem Schnabel. Der Blick dem Betrachter zugewandt. H = 15 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Schloss Jegenstorf, 1952, Das Tier in der Kunst des 18. Jahrhunderts. Dort beschrieben Katalog S. 22/23.

Literatur: Abgebildet und besprochen in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt Nr. 74, Oktober 1967. Dr. Konrad Strauss, Zur Geschichte der schlesischen Fayencenfabriken des 18. Jahrhunderts und ihrer Erzeugnisse, Abb. Tafel XIII, Nr. 30

26.* Kleiner Fayence-Vogel mit polychromem Gefieder, wohl deutsche Manufaktur, 2. Hälfte 18. Jh., mit alter Zuweisung nach Delft. Auf ovalem Sockel mit Baumstumpf. Der Vogel in feinen Grün-, Gelb-, Rot- und Blautönen bemalt. H = 10 cm. 400.—/700.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München Im Fischer-Böhler-Archiv als «Vogel, wahrscheinlich ManufakturRegister Seite Delft» 111 bezeichnet–112 und abgebildet. 36

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27. Sehr feiner secretaire à abattant, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, signiert von Claude Charles Saunier (1735–1807) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Rosenholz, Veilchenholz und Amarant, furniert und eingelegt. Bastionsartig ausgeschnittenes und profiliertes, weisses Marmordeckblatt mit umlaufender Dreiviertelbalustrade in vergoldeter Bronze. Eine schmale Friesschub- lade über abklappbarer Schreibplatte mit wohl originalem, grünem, goldgeprägtem Lederbezug. Im Innern mit sehr feiner Unterteilung von einem grossen und sechs kleineren, offenen Briefkompartimenten. Darun- ter eine zentrale Schublade mit Bodengeheimfach, seitlich davon je drei übereinander angeordnete Schub­ laden mit Filetintarsien und vergoldeten Zierbronzen. Unter dem Abattant ein zweitüriges Schrankfach, dahinter sechs tiroirs à l’anglaise. Zwei dieser Schubladen mit Bodengeheimfächer welche durch Anheben der Rückwand vortreten, sonst aber nicht sichtbar sind. Weitere Geheimfächer im Boden des Sekretärs, welche durch Herausziehen der Traverse zwischen den sechs Schubladen des Unterbaus zum Vorschein kommmen. Alle Flächen mit feinen Filetintarsien, die Ecken mit schönem Mäander, geschrägte Frontstollen und Manschettenumfassung in vergoldeter Bronze von Sockel und Abschluss des Schreib- möbels. Sehr fein ziselierte Bronzen als Schlüssellochzierden, Zierrosetten und Schlüssellochzierden. Die Eckstollen mit eingelegten Kannelüren und Rosetten in feuerver- goldeter Bronze. 145:100:44 cm. 7000.—/8000.—

Claude Charles Saunier, Meister ab 1752

Provenienz: Ehemals alter französischer Besitz

Der hier angebotene Sekretär trägt die Signatur eines der bedeutendsten Pariser Ebe- nisten des 18. Jahrhunderts, Claude Charles Saunier (1735–1807), der seine Werkstatt, wie zuvor schon sein Vater, in der Rue du Faubourg Saint-Antoine hatte. Von sei- nem Vater übernimmt er denn auch 1765 die damals schon berühmte Werkstatt, um sich fortan den neuen Modeströmungen des goût grec zu öffnen, zu deren Vorreitern seine Werkstatt gehörte. So sind denn auch fast alle seine Möbel der Transitionszeit und besonders jene des ausgereiften Louis XVI von ausgesuchter Eleganz und redu- ziert auf nur wenige, aber effektvolle Details des Dekors, so wie wir dies ganz beson- ders schön an unserem Sekretär vorfinden. Ein Grossteil der Schöpfungen der Werk- statt waren für den berühmten Händler (marchand-mercier) Dominique Daguerre bestimmt, dessen feines Verkaufslokal sich im Faubourg Saint-Honoré befand und für den neben Saunier auch Adam Weisweiler und Martin Carlin arbeiteten. Daguerre hatte eine Niederlassung in London, wo er teils mit dem Architekten Henry Holland zusammenarbeitete. Daguerre und die für ihn tätigen Pariser Ebenisten waren mass- 28

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geblich an der Ausstattung von Carlton House, Woburn Abbey und Lord Spencers Landsitz Althorp, aber auch Spencer House in Lon- don beteiligt. Für den berühmten Brighton Pavillon von George Prince of Wales wurde wiederum feinstes Mobiliar über Daguerre geliefert. Unser Sekretär zeigt in seinem zweitürigen Schrankfach eine Einteilung mit Schubladen auf, wie sie besonders in England sehr beliebt war und die in Paris schon in der Zeit um 1775, als unser luxuriöses Schreibmöbel entstand, als tiroirs à l’anglaise bezeichnet wurde. Die Qualität unseres Möbels zeigt sich denn besonders auch an der perfekt ausgeführten Innenausstattung mit den vier Geheim- fächern.

28. Vogelfigur, China, 19. Jh. oder früher. Sich putzende Ente auf ockerfarbenem Felssockel. Blau-grün-weisses Gefieder. Boden aus vergoldetem Messing. H = 20 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz Register Seite 111–112 38

29. Grosse Berliner Porzellanfigur­ des Herkules, circa 1770, mo- delliert 1769 von Wilhelm Christian Meyer (Erfurt, 1726 – Berlin, 1786). Auf felsigem Rundsockel sitzende, athletische Figur des Herkules mit Keule und Bärenfell. Den Blick zu seiner Linken gerichtet, den Oberkörper wenig gebeugt, das rechte Bein angewinkelt. Szeptermarke in Unterglasurblau. H = 34 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung G. Choron, Wiesbaden

30. Grosse allegorische Berliner Porzellangruppe, circa 1770, modelliert 1766/67 von Wil- helm Christian Meyer (Erfurt, 1726 – Berlin, 1786). Auf einem Podest über Rundsockel die sit- zende Figur des Kriegsgottes Mars in Harnisch, seinen Helm neben sich postiert. Sein rechter Arm umfasst die stehende, weibliche Figur der Klio, Muse der Ge- schichte. Sie trägt eine Augen­ binde, in ihrer Rechten ein offe- nes Buch, in der Linken einen Federkiel. Am Sockel liegen Tro- phäen, welche die Künste ver- sinnbildlichen. Kleine Fehlstellen. Szeptermarke in Unterglasurblau. H = 44,5 cm. 3000.—/4500.—

Provenienz: Sotheby’s Zürich, 25. November 1992, Los Nr. 201.

Die Figurengruppe von Mars und Klio, 29 1769 von Wilhelm Christian Meyer mo- delliert, ist die grösste je von der Berliner Manufaktur hergestellte Figurengruppe des 18. Jh. Ein Exemplar dieser seltenen Gruppe findet sich in Rom, im Museo di Palazzo Venezia, eine weitere Gruppe hat sich in Schloss Charlottenburg erhalten und wird von Winfried Baer in einem Keramos-Beitrag besprochen. Eine weitere Gruppe im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. Für eine Gruppe mit Postament à 2 Fuss, die mit dieser seltenen Gruppe identifiziert wurde, erhielt Wilhelm Christian Meyer zwischen dem 1. Juni 1766 und dem 31. Mai 1767 Honorar. Sie ist die erste dokumentarisch fassbare Arbeit des Künstlers in der Berliner Porzellanma- nufaktur, in die er auf Betreiben seines Bruders, des Modellmeisters Friedrich Elias, 1766 eingetreten war.

Vergleiche: Winfried Baer, Berliner Porzellan vom Rokoko bis zum , in Keramos 58/72 S. 44–50. Johanna Lessmann, Michaele Braesel, Katharina Dück, Berliner Porzellan des 18. Jahrhunderts, Museum für Kunst und Gewerbe, Ham- burg, 1993, Seite 194 und 195, Nr. 260.

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31. Ein Paar grosse Fo-Hunde, China, 17. Jh. Auf hohen Sockelquadern mit herzförmigen Öffnungen. Beide Bestien dem Betrachter zugewandt. Das Männchen hält einen Brokat- ball unter der Pfote, das Weibchen spielt mit einem Jungtier. Famille verte. Email sur biscuit, China, Qing-Dynastie. H = 47 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Robert Weller, Aschaffenburg Galerie Koller, Zürich

32. Schöner Pinselhalter, China, circa 1825–1875, signiert von Wang Bingrong. Porzellan mit limettengrüner Glasur. Die Wandung sehr fein in Relief dekoriert mit Blüten- und Ran- kenwerk. Am Boden mit Siegelmarke «Wang Bingrong zuo» (gemacht von Wang Bingrong). H = 11 cm., D = 7,5 cm. 500.—/700.—

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33. Ein Paar sehr feine, gefasste Louis-XV-Stühle, Frankreich, Paris, circa 1750, signiert von Louis I. Cresson (1706–1761). Buche, massiv, ge- schnitzt und grünlich gefasst. Wenig trapezförmiger Sitz über wellig ausgeschnittener und moulurierter Zarge mit Blumenschnitzerei. Die Beine S-förmig geschweift, die Rückenlehne wenig nach hinten ge- neigt und elegant geschweift und geschnitzt mit Blumen und Rankenwerk. Joncgeflecht und lose Sitzkissen in grüner Seide. 101:49:49:46 cm. 3000.—/5000.— Louis I. Cresson, Meister ab 1738

Louis I. Cresson entstammte einer berühmten Familie von Menui­ siers und hatte seine Werkstatt in der Rue de Cléry in Paris. Die hier angebotenen Rokokostühle sind ein besonders schönes Bei- spiel seiner grossen Könnerschaft. Die zierliche Formgebung und Beschnitzung der Rückenlehne, aber auch die harmonisch flies­ senden Linien der Beine und Zargen sind typisch für die Werke des begabten Kunstschreiners, der u.a. Hoflieferant des Herzogs von Orléans und des Prinzen von Condé war. Ein identisches Stuhlmodel von Louis I. Cresson wird bei Jean Nicolay abgebil- det. Der Möbelforscher nannte denn auch die Werke von Louis I. Cresson und den Meister selbst «...le plus notable des dix Maîtres ébénistes que fournit sa famille à la Corporation. Tous ses meubles ad- mirables de proportions...» und rühmt die Feinheit der Schnitzarbeit «...toujours avec une discrétion du meilleur goût».

Vergleiche: 33 Jean Nicolay, L’art et la Manière des Maîtres Ébénistes Français au XVIIIè siècle, Paris, 1956, S. 118, Abb. F.

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34. Sehr schöne Lackkommode, Rokoko, wohl Piemont, Turin, circa 1770. Holz, geschnitzt und cremefarben gelackt, schöne Patina. Dreiseitig geschweifter und gebauchter Korpus auf volutenartig ge- schweiften Beinen, mit aus Akanthusrollen geschnitzten Füssen. Die Zarge betont geschweift und mit feinster Rankenschnitzerei versehen. Rocaillenartige Rankenschnitzerei schmückt die Kniepartie der Beine. Die Front mit zwei grossen und einer kleinen Schublade, mit sehr fein gearbeiteten und vergoldeten Beschlägen, in Form von doppelten Delfinbeschlägen als Zuggriffen, Schlüssellochzierden und Zierhängern für die oberste Schublade. Originale, beige-grau durchzogene und fein profilierte Marmorplatte. 88:122 cm. 6000.—/8000.—

Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer Ehemals Sammlung Fischer-Böhler, München

Die hier angebotene Rokokokommode ist ein wunderbares Beispiel der zurückhaltenden Eleganz der Piemonteser Rokokomöbel. Meist in den bevorzugten Furnierhölzern Rosenholz und Veilchenholz gearbeitet, sind die Turiner Lackmöbel von sehr grosser Selten- heit. Typisch für die Gegend sind die meisterlichen Schnitzarbeiten, die anstelle von vergoldeten Bronzen treten und die Konturen des Möbels besonders hervorheben. Die Form des Möbels erinnert etwa an zeitgenössische Modelle aus der Lombardei und Venedig, doch sind die betonten Beine des Möbels typisch für die Turiner Gegend. Die Lackarbeiten des Piemont waren allgemein von sehr hoher Qualität, sind aber im Dekor sehr viel zurückhaltender als etwa die reich bemalten zeitgenössischen venezianischen Möbel. Mit ihrem meist subtilen Dekor, wie etwa an unserer Kommode mit dem feinen Schnitzwerk, gelingt eine sehr schöne und besonders elegante Wirkung. Im Museo Civico, Palazzo Madama, in Turin, hat sich ein vom Typus sehr ähnliches Kommodenpaar erhalten, welches wohl in die Zeit um 1775 zu datieren ist.

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35.* Sehr feine Aubusson-Tapisserie, Frankreich, Paris, letztes Viertel 18. Jh., aus den Pastorales à draperies rouges, dem Atelier de Grellet zuzuweisen. Wolle und Seide gewirkt. Hochformatige Tapisserie in Boiserierahmen. Inmitten einer ländlichen Landschaft findet sich ein galanter Jungmann, der einem Mädchen vom Maultier hilft, eine Magd daneben. Die ganze Szene fein umrahmt von roten Drape- rien und feinen Blumen- und Blattranken. 225:165 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Das Pendant zu unserer Tapisserie, aus gleicher Provenienz, konnte durch unser Haus am 22. November 2013, Los Nr. 87, versteigert werden. Unsere Tapisserie gehört sicher zu den schönsten Schöpfungen der Spätzeit der berühmten französischen Manufaktur und dürfte dem Atelier de Grellet zugewiesen werden. In ihrer Komposition entspricht sie der Folge von Tapisserien aus den Adieux du fermier und L’Arrivée de la fermière, welche um 1791 entstanden sind. Im Historischen Museum in Basel hat sich aus dieser Tenture des pastorales ein sehr bedeutender Wandteppich erhalten, der identisches Rahmenwerk aufweist und ebenfalls nach Vorbildern von Jubier und Huet komponiert wurde.

Vergleiche: Dominique Chevalier, Les Tapisseries d’Aubusson et de Felletin, Paris, 1988, S. 175

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36. Charles François Grenier de Lacroix, gen. Lacroix de Marseilles (Marseilles, 1700 – Berlin, 1782). Pêcheurs remontant les filets devant un bateau à voile. Öl auf Nussholz. Unten rechts signiert und datiert: «1776». 20:27,5 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Zürcher Privatbesitz

37. Schöne Pfeilerkommode, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, in der Art von Pierre Garnier (1726/27 –1806). Satinholz, Amarant und Sycamore, furniert und eingelegt. Hochformatiger, vierschübiger Korpus auf Stollenfüssen. Grau-weiss durchzogenes, profiliertes und frontseitig geschrägtes Marmordeckblatt. Die Schubladen- fronten und die Schmalseiten mit sehr fein gemaserten Satinholzfeldern, umrahmt von Bandwerk und Filets. Schlüssellochzierden in vergoldeter Bronze. Die geschräg- ten Frontstollen mit vergoldeten Zierbronzen in Form von Rosetten. Einlegearbeiten von Rosetten in gefärbtem und graviertem Sycamore. 116,5:68:37 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Zürcher Privatbesitz

Die Schlichtheit und die durch die Schlichtheit aufgehobene, leichte Mas- sigkeit unserer Chiffonniere, lassen dieses Möbel dem Pariser Ebenisten Pierre Garnier zuweisen. Die Verwendung der Satinholzfelder, umrahmt von diesen breiten Amarant-Bändern, sind von gleicher Art, wie wir sie auch an Beistellmöbeln und Kommoden des Meisters finden. 37 Vergleiche: Christophe Huchet de Quénetain, Pierre Garnier 1726/27–1806, Paris, 2003, für die verwandten Möbel des Meisters. Register Seite 111–112 45

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38. Schöne Alabastervase, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775. Alabaster und vergoldete Bronzen. Quadratischer Sockel und runder, kannelierter und sich verjüngender Schaft. In einer Manschette von Akanthusblattwerk ist der birnenförmige Vasenkörper eingefügt. Seitliche, weibliche Masken mit gezopf- tem Haar stützen die kantigen Henkel, die mit der Randmanschette verbunden sind. Abschliessender, wiede­rum mit Akanthus verzierter Deckel mit Knauf. Zwischen den Ziermasken gebundene Draperien. H = 42 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Auktion Sotheby’s London

Ein Paar Deckelvasen mit identischem Fuss, Masken und Henkeln, aus gleicher Werkstatt wie unsere Vasen, konnten durch Christie’s Paris, 19.12.2007, Los Nr. 447, versteigert werden. Ein weiteres Vasenpaar, ehemals Sammlung der Comtesse de Pimodan, wurde durch Maîtres Poulain/Le Fur in Paris angeboten.

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39. Régence-Spiegel, schwedisch oder deutsch, 1. Hälfte 18. Jh. Holz, geschnitzt, durchbrochen und vergoldet. Hochformatiges, originales, zweiteiliges Spiegelglas in profi- liertem und mit Ranken geschmücktem Rahmen. Das Fron- ton reich durchbrochen, mit Gitterwerk, Rocaillen und Ranken. 160:65 cm. 2000.—/3000.—

40. Äusserst seltene Rotlack-Toilettenschatulle oder sog. Toilette carrée en tombeau, mit graviertem Golddekor, Frankreich, Paris, circa 1710–1720, dem Meister Guillaume Martin, maître peintre et vernisseur du roi, zuzu- weisen, der gravierte Golddekor wohl durch Antoine Bercy, graveur sur vernis. Von achteckiger Tombeau-Form in zwei scharnierten Teilen. Der untere Teil geschweift und mit Chinoiserielandschaften, Pavillons, Vögeln, Blumen­ ranken und Tieren, sehr fein in Gold auf rotem Lackgrund. Die Front mit vergoldeter und gravierter Schlüsselloch- Jean-François de Troy, 1734, Dame à sa zierde, rückseitig mit Scharnieren in gleicher Manier. Der toilette reçevant un cavalier. prachtvolle, dachförmige, gewölbt abschliessende Deckel mit einer zentralen Szene zweier Chinesen in einer park­ ähnlichen Landschaft mit hohen Bäumen, Blütenzweigen und einem Pavillon. Der sitzende Chinese, wohl ein Edel- mann, erteilt einem bewaffneten und fein gekleideten Offi- zier Befehle. Die ganze Szene wird in der konkaven Umfas- sung von Vögeln, Blumen und Astzweigen umrahmt. Der Boden und das Innere mit Goldstaublack gefasst. 16:33:24 cm. 2000.—/3000.—

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Unsere Toilettenkassette ist in die Zeit um 1710–1720 zu datieren und dürfte in der Werkstatt des Guillaume Martin (gest. 1749) in Paris entstanden sein, der gravierte Golddekor wohl durch Antoine Bercy graveur sur vernis, der im Auf- trage des Meisters arbeitete. Dieser Typus der für Toilettentische hergestell- ten und durch die grossen Lackkünstler dekorierten Kassetten war in Paris in der ersten Hälfte des 18. Jh. sehr beliebt. Von so luxuriöser Art wie unsere Kassette waren sie aber nur sehr selten anzutreffen und es haben sich nur sehr wenige Exemplare erhalten. Unsere Kassette zählt wohl zu den schönsten erhaltenen dieser mit feinster, gravierter Goldmalerei dekorierten Schatullen. Eine aus demselben Atelier stammende Kassette, von gleicher Form, An­ ordnung des Dekors und Qualität, hat sich im Lackmuseum in Münster erhalten. Auch die dortige Arbeit wird in die Nähe des Guillaume Martin verwiesen.

Vergleiche: Anne Forray-Carlier und Monika Kopplin, Les secrets de la laque française, Le vernis Martin, Paris, 2014, S. 59, Nr. 19 Monika Kopplin, European Lacquer, München, 2010, Abb. S. 111 Archives nationales, Convention concernant Guillaume Martin, maître peintre et vernisseur du roi, Faubourg Saint-Denis

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41. Christian Wilhelm Ernst Dietrich, auch Christian Guillaum Ernest Dietricy (Weimar 1712–1774 Dresden). La Réunion dans le Parc. Öl auf Leinwand, 110:138 cm. 120000.—/150000.— Provenienz: Herzog von Talleyrand, Valençay et Sagan Château de Valançay et Sagan Auktion Galerie Georges Petit, Paris, 1899, Los Nr. 57 Genfer Privatbesitz

Gutachten: Prof. S. Bergmans, Brüssel, 9. Juni 1969 Das hier angebotene Gemälde aus dem ehemaligen Besitz des Herzogs von Talley- rand darf wohl zurecht als ein eigentliches Hauptwerk des sächsischen Hofmalers Christian Wilhelm Ernst Dietrich (30. Oktober 1712 in Weimar – 23. April 1774 in Dresden) bezeichnet werden. Unter den Altmeistergemälden aus dem Besitze des Herzogs von Talleyrand, welche im Jahre 1899 über Auktion durch die berühmte Galerie Georges Petit in Paris versteigert wurden, nahm unser grossformatiges Ge- mälde eine herausragende Stellung ein. Das Gemälde, welches damals fälschlicher- weise Antoine Watteau zugewiesen wurde, wurde als eine: «Très belle et importante composition d’une exécution magistrale» beschrieben. Den französischen Katalogtext geben wir hier wieder:

La Réunion dans le Parc. Des musiciens, des couples et des enfants, composant une société de dix-sept personnes, se reposent dans un parc planté de grands arbres et orné d’une statue du dieu l’An. Au centre, devant un joueur de flûte et une musicienne tenant un cahier de musique, une jeune femme en robe blanche, écoute en souriant un cavalier, en habit rouge, qui l’entretient familièrement, le bras gauche posé sur ses épaules, une dame assise près d’eux et accoudée sur un bloc de pierre, près de celle-ci deux fillettes, l’une adossée cosire sa robe tient de fleurs. À gauche, deux couples, l’un étendu à terre, l’homme tournant le dos; l’autre se dirigeant vers le bois. À droite, une jeune femme, debout, coiffée d’un chapeau de paille orné de fleurs, retient sa jupe d’une main; au pied de la statue, un autre couple et un enfant. Au delà, une échappée sur un paysage avec collines.

Diese grossartige Figurenkomposition, in einer fein abgestuften und in ein unend- liches Dickicht verlaufenden Parklandschaft, darf unter den Gemälden des deut- schen Rokokos zu den herausragendsten überhaupt gezählt werden.

Vergleiche: Petra Schniewind Michel, Christian Wilhelm Ernst Dietrich – genannt Dietricy, Katalog der Versteigerung von 1899 München, 2012

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42 Detail

42. Äusserst seltene und feine commode d’entre deux, Transition Louis XV/Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1765, signiert von Louis Moreau (bis 1791) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, signiert. Rosenholz, Sycamore, teils grün gefärbt, Satinholz, Palisander und Ahorn, furniert und fein marketiert. Dreiseitig ge- schweiftes, frontseitig abgesetztes und fein profiliertes Brèche-d’Alep-Marmordeckblatt über zweischübigem Korpus sans traverse. Wellig ausgeschnittene Zargen, gerundete und eingezogene Frontstollen, die Beine ge- schweift und in frontseitigen Sabots. Die Schmalseiten mit hängenden Girlanden ein- gelegt, umrahmt von Bandwerk und Filets. Der äussere Rand in vergoldeter und zise- lierter Bronze und mit Zierscheiben verse- hen. Die Front mit zwei seitlichen Ziervasen mit hängenden Girlanden und umlaufendem Mäanderband. Beide Vasen wiederum mit sehr feiner Randfassung, die Ecken mit Zier- scheiben versehen. Das mittlere Paneel mit einem auf hohen Bocksbeinen ruhenden Himmelsglobus mit Vollkreismeridian und Horizontring. Der Kommodenfries in Form eines sehr schönen, doppelten Mäanders in fein ziselierter, vergoldeter Bronze. Wie- derum mit umlaufendem Bandwerk verziert. Die geschrägten Eckstollen mit angedeuteten Kannelüren und schattiert untersetzten Zier- bronzen als Chutes. Die Frontbeine mit Rand­ fassung versehen. Schlichte Zargenzierde. 80:92:49 cm. 12000.—/15000.— Louis Moreau, Meister 1764 42 Provenienz: Aus altem Tessiner Privatbesitz

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Die hier angebotene, zierliche Kommode als commode d’entre deux stammt aus der Werkstatt des berühmten Pariser Ebenisten Louis Moreau. Die Kommode ist von grosser Seltenheit und besonders raffiniertem Dekor der Marketerie, mit gravierten und teils gefärbten Hölzern. Durch den Lichteinfluss hat sich das ehemalige Blau des Zierfrieses und der Kannelüren in ein dezentes Grün gewandelt. Die an unserer Kommode anzutreffenden Vasen sind typisch für diese sehr frühen Möbel des goût grec, der neuen Stilrichtung, weg von den überschwänglichen Formen des Rokokos, hin zu klareren Linien, wie sie in Frankreich bereits in den 1750er-Jahren im Möbelbau an- gewendet wurden. Unser aussergewöhnliches Ziermöbel mit seinem doppelten Mäanderfries und seinen kunstvollen klassizistischen Vasen ist für diese Stilentwicklung ein ganz besonders schönes Beispiel. Bereits in den Jahren zwischen 1760 und 1762 wendet Jean- François Oeben doppelte Mäanderfriese als Dekorelement auf seinen Kommoden an und positioniert diese – identisch zu unserem Möbel – am Fries über den Hauptfeldern. Im Gegensatz zu Moreau wird der Mäander bei Oeben in Holz eingelegt, wo hingegen unser Schreiner in aufwändiger, vergoldeter Bronze arbeitet. Die erwähnte Kommode von Oeben fand sich in der Sammlung Bensimon, Paris, und wird bei Eriksen abgebildet. Antikisierende Vasen, wie unsere beiden markant positionierten, finden sich mit identischem, einfachem Mäander auf verschiedenen Stichvorlagen der Zeit um 1760, so bei Jacques-Philipe de Beauvais (1739–1781) und in sehr früher Form auf einem durch Germain Doré ausgeführten Entwurf des J.-F. Blondel aus dem Jahre 1760 für eine Balustrade, dargestellt in einem Kupferstich aus dem Jahre 1777 von N.-B. Richard. Moreau arbeitete für eine aristokratische Kundschaft und erhielt verschie- dentliche Aufträge vom französischen Hof, über die Administration der sogenannten menus plaisirs. Viele der bedeutendsten Ebenisten seiner Zeit arbeiteten für den begabten Ebenisten und Kaufmann, so etwa Bircklé, Foullet und Topino und wohl auch Léonard Boudin, der ab circa 1770 für Louis Moreau als Unterakkordant arbeitete. In diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert ist eine bedeu- tende Kommode des Louis Moreau, welche die Zweit­signatur des Léonard Boudin trägt und circa 1765 zu datieren ist. Diese Kom- mode ist in der Friesgestaltung à la grecque von fein ziselierter Bronzeauflage (einfacher Mäander) und im Charakter sehr verwandt und befand sich einst in der Sammlung der Earls of Normanton, auf Somerley in Hampshire, später in der Sammlung Robert Abdy.

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Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) Les Charmettes bei Chambéry, Landhaus der François-Louise de Warens

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43. Die sogenannten Jean-Jacques-Rousseau-Stühle. Eine seltene Serie von sechs Louis-XVI-Stühlen, Westschweiz/Savoyen, 2. Hälfte 18. Jh. Kirsche, massiv, gedrechselt und geschnitzt. Trapezförmiger Sitz aus in Zopfband geflochtenem Stroh. Die Zarge frontseitig mit Medaillon und Kannelüren. Gedrechselte Beine und ebensolche Traverse. Der Rücken jochförmig abschliessend und mit Kornähren geschnitzt. 500.—/800.— Provenienz: Aus Schweizer Besitz, der Überlieferung nach aus dem Besitz von Jean-Jacques Rousseau stammend.

Die hier angebotene, seltene Serie von feinen, ländlichen Esszimmerstühlen hat sich in Schweizer Besitz erhalten und soll nach Famili- entradition aus dem Besitze des grossen Genfer Philosophen und Schriftstellers Jean-Jacques Rousseau (28.6.1712 Genf – 2. Juli 1778 Ermonville bei Paris) stammen.Wenn sich auch die überlieferte Herkunft nicht mit Sicherheit nachweisen lässt, so ist immerhin sehr erwähnenswert, dass sich im Landhaus Les Charmettes bei Chambéry kleinformatiges, fast identisches Sitzmobiliar erhalten hat, welches sicherlich aus derselben Werkstatt stammen dürfte. In Les Charmettes lernte der junge Rousseau im Jahre 1728 François-Louise de Warens, geborene Baronin de la Tour du Pil, kennen, die Besitzerin von Les Charmettes und einflussreiche Förderin Rousseaus.

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44. Abraham-Louis Girardet (1772–1820). Miniaturportrait des Stadtarztes von Neuchâtel, Abraham-Louis Matthieu (1744–1817) und seiner Familie. Gouache auf hartem Papier. Unten rechts signiert und datiert: «AL Girardet pinxit 1800». Rückseitig auf einer Rixheimer Tapete bezeichnet: «Quiconque ne reconnaitras pas ces personnes dans ce tableau ne les auras donc jamais vues, le 1. Xbre 1800 par Am. Ls. Girardet à Neuchâtel». 24:31,3 cm. 2000.—/3000.—

Unser Familienportrait aus der Hand des Neuenburger Miniaturmalers und Kupferstechers Abraham-Louis Girardet (1771–1820), ist wohl eine der eindrücklichsten Arbeiten dieses Genres aus der Westschweiz des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert. Dem Miniaturisten gelingt mit dem Portrait der Familie des Neuenburger Stadtarztes, Abraham-Louis Matthieu (1744–1817), ein Kleinwerk von grosser Ausdrucksstärke und Qualität. Vor einem Alkoven mit einem lit à la polonaise findet sich der 56-jährige Arzt mit seiner Frau Suzanne-Elisabeth, einer geborenen Lardy, in festlichem Sonntagsgewand gekleidet sitzend. Die beiden Söhne Guillaume-Auguste (1785–1844) und Charles-Louis (1787–1863) der Mutter zugewandt, mit einer Früchteschale bzw. einen Tross gelbgrüner Trauben in den Händen tragend. Die Dargestellten sind so minutiös wiedergegeben, dass der Künstler rückseitig handschriftlich vermerkt: «Wer auch immer die auf diesem Bild dargestellten Personen nicht erkennt, der wird sie auch nie gesehen haben!

Abraham-Louis Girardet wurde am 22.5.1772 in Le Locle geboren. Als Kupferstecher pflegte er besonders den Portrait- und Veduten- stich. Er war als Buchillustrator und Miniaturist bekannt und um 1790 in Paris tätig. Wenige Jahre nach Vollendung unseres Familien- portraits verschlechterte sich der psychische Zustand des Künstlers, der sein Leben 1820 im Irrenhaus in Neuchâtel beendete.

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45. Schönes Schrägpult, England, George II, circa 1750. Mahagoni, massiv und furniert. Geschrägte, le- derbezogene Schreibfläche über einer Zargenschublade mit Schreibeinge- richte. Seitlich mit schwenkbaren Armen zum Stellen der Kerzenstöcke. Massive Vierkantbeine mit Eckzierden in Chinoiseriestil. Messingbeschläge. 88:79:52 cm. 800.—/1200.—

Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz

46. Abendmahlskelch, Barcelona, 16./17. Jh. Silber, teilvergoldet. Ge- rader, leicht konischer Becher mit In- nenvergoldung über balusterartigem 45 Schaft und rundem, gestuftem Fuss. Mit vergoldeter Patene. Gew. 540 g. H = 23 cm. 1000.—/1200.—

47. Johann Balthasar Bullinger d. J. (23.11.1777 Zürich – 19.8.1844 Küs- nacht). Bey Obermeilen. Tusche auf Papier, braun laviert und weiss ge- höht. Unten rechts bezeichnet, sig- niert und datiert: «1808». Unten links mit Werknummer 3534. 27,5:34,5 cm. 800.—/1200.—

Bei der romantischen Darstellung handelt es sich um den wenig unterhalb der Burgruine Friedberg beim Weiler Burg gelegenen Wasser- fall im Dorfbachtobel in Meilen, der sich bis heute in fast unveränderter Weise erhalten hat.

Bei der handschriftlichen Nummer 3534 dürfte es sich wohl um die Werknummer Bullingers handeln. Bullinger war der Enkel von Johann Balthasar Bullinger, der von 1732 bis 1735 in der Werkstatt des Giovanni Battista Tiepolo arbei- tete. Johann Balthasar Bullinger d.J. war Zeich- ner, Radierer, Kunstsammler und Theologe.

48. Maximilian Neustück (1756–1834). Vier Mühlen. Tusche, braun laviert, auf Papier. Alt montiert und unten rechts bezeichnet: «Maximilian Neu­ stück T 1834». 30,5:25 cm. 500.—/800.— Provenienz: Sammlung Peter Vischer-Sarasin, Schloss Wil- denstein

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49.* George Desmarées (Gimo 1697 – Mün- chen 1776) oder Werkstatt. Adelige Dame mit Rosenbouquet. Öl auf Leinwand, um 1750/55. In geschnitztem und vergoldetem Münchener Rahmen der Zeit um 1750. Masse: 94,5:76 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

50.* Sehr schöne Fayence-Deckeldose in Form einer Rose, Manufaktur Holitsch, 2. Hälfte 18. Jh., im Deckel bezeichnet. Naturalistisch modelierte Blütenblätter in zarten Rottönen und grün staffierte Knospe mit Laubwerk. H = 9 cm. D = 17 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München 50 Im Fischer-Böhler-Archiv als «Holitsch, im Deckel bezeichnet IH» erwähnt.

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51. Sigmund Freudenberger (Bern, 16.6.1745– 15.11.1801) zuzuweisen. Le maltraité. Gouache und Feder auf Papier. In Originalrahmen der Zeit. 17:13 cm. 600.—/800.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz

52. Sigmund Freudenberger (Bern, 16.6.1745– 15.11.1801) zuzuweisen. La visite attendue. Gouache und Feder auf Papier. In Originalrahmen der Zeit. 17:13 cm. 600.—/800.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz

53. Sehr feines und seltenes Cartel, Louis XVI, Bern, circa 1780, das Gehäuse Johann Friedrich Funk II. (1745–1811) zuzuschreiben. Holz, geschnitzt, ge- fasst und teilvergoldet. Hochformatiges, sehr reich und fein geschnitztes, schildförmiges Werkgehäuse mit zentralem Glastürchen vor weissem Emailziffer- blatt für römische Stunden- und arabische Minuten- zahlen. Fein durchbrochene und vergoldete Zeiger. Das Werk mit Viertelstunden- und Stundenschlag auf zwei Glocken. Die Zifferblattumfassung flankiert Johann Friedrich Funk II, Gemälde von Johann Weber von Lorbeerzweigen, Girlanden und Rosetten. Unter dem Zifferblatt ein mit Zopfband ver- ziertes Fach als Teil einer fein kannelierten Konsole. Abschliessend mit aufgesetzter Blumenvase und seit­ lichen Blumengirlanden. 95:45:12 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Alter Privatbesitz Unser Cartel mit seinem einzigartigen, schildförmigen Gehäuse und seinem ausgewogenen und qualitätsvollen Schnitzwerk darf mit grösster Sicherheit der Werkstatt des Johann Friedrich Funk II. (1745–1811) zugeschrieben werden. Die seitlichen Girlanden finden sich in identischer Weise an einer Wandkonsole des Meisters aus der Zeit um 1780, welche bei Hermann von Fischer abgebildet wird und sich in Privatbesitz erhalten hat. Ebenso finden sich das Maschenwerk und die feinen Lorbeerzweige in identischer Weise an Spie- geln der Werkstatt aus der gleichen Zeit. Eine formähnliche Cartel-Uhr mit einem Werk von Jean-Pierre Huguenin (1718–1786) hat sich im Château de Monts erhalten. Wenn auch schlichter in der Schnitzerei und weniger ausgewogen, dürfte auch das dortige Gehäuse im Umkreis der Berner Werkstatt entstanden sein.

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54. Feine commode demi-lune, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, signiert von Jean-Baptiste Vassou (1739–1807) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Amarant und Rosenholz furniert. Frontseitig geschweiftes, profiliertes, halbrundes und sehr schön in Rot-braun-weiss durchzogenes «Rouge de France»-Marmordeckblatt, über zweischübigem Korpus mit zwei seitlichen Türchen, dahinter mit Tablaren. Hohe, sich nach unten verjüngende Stabbeine in Sabots. Vergoldete Beschläge und Schlüssel- lochzierden. 86:94:48 cm. 6000.—/8000.— Jean-Baptiste Vassou, Meister ab 1767

Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz Auktion Sotheby’s Zürich, 7. Juni 2000, Los Nr. 302

Unsere halbrunde Kommode mit ihren seitlichen, wellig geschweiften Türchen ist ein Werk des Pariser Ebenisten Jean-Baptiste Vassou und kann in die Zeit um 1775 datiert werden. Vassou hatte sein Atelier in der Rue Saint-Nicolas im Haus zu «La Tête noire». Die Möbel von Vassou sind immer von einem eleganten, sehr zurückhaltenden Louis-XVI-Stil. Der Ebenist verwendet die vergoldeten Bronzen nur sehr zurückhaltend, doch gelingen ihm im Kontrastspiel mit hellen und dunkeln Furnieren immer ganz ausserordentlich schöne Möbelschöpfungen, wie unsere Kommode mit den seitlichen Türchen.

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55. Ein Paar bedeutende Girandolen, Empire, Frankreich, Paris, circa 1805, in der Art von Claude Galle. Bronze, vergoldet. Quadratischer, reich applizierter Sockel mit sehr elegant geformter Vase mit schlanker Wandung und applizierten Viktorien. Seitlich zwei geschweifte Schwäne, welche in ihren Schnä- beln je eine vasenartige Kerzen­tülle tragen. Über der Vase eine weitere Kerzentülle. Sehr fein ziseliert. Das Gold poliert und gemattet. H = 50 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Jean Seligman & Co. Paris, Nr. 1050/2 Aus altem Zürcher Privatbesitz

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56. Sehr seltener Fayence-Frosch als Taba­ tiere, Rokoko, deutsch, Fulda, um 1750. Kauernder, zum Sprunge bereiter, schön modellierter Frosch, in Grün- und Gelb- grün-Tönen bemalt und dunkelbraun ge- tupft. Der Sockel mit vergoldeter Metall- montur und bodenseitigem Dosendeckel in Perlmutt. Kleine alte Bestossungen. H = 6,5 cm. L = 9,5 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer Sammlung Ingrid Loosen-Grillo

Der hier angebotene, als Rokokozierdose gefasste Fayence-Frosch, ist sicher eines der schönsten und feinsten Beispiele dieser seltenen Tierdarstellungen. Im Fischer- Böhler-Archiv wird unsere Froschdose der Höchster Manufaktur zugeschrieben und in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert, doch ist das Modell bei Horst Reber unbekannt. Eine Zuweisung nach Fulda erscheint zutreffender, findet sich doch ein gleiches, bei Margit Bauer besprochenes Modell aus der Fuldaer Manu­faktur im Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt am Main.

Literatur: Margit Bauer, Europäische Fayencen – Museum für Kunst- handwerk, Frankfurt am Main, 1977, S. 107, Nr. 168 56

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57. Console desserte, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1785, signiert von Jean-Baptiste Vassou (1739– 1807). Mahagoni, massiv und furniert, vergoldete Bronzen. Längsformatiger Korpus mit seitlich gerunde- tem, weiss-grau durchzogenem Marmorblatt in Dreiviertelgalerie. Die Zarge mit von Perlband umfasster, zentraler Schublade und ebensolchen seitlichen Schwenktüren. Auf vier sich nach unten verjüngenden und kannelierten Stabbeinen mit Manschetten und Sabots in vergoldeter Bronze. Das Zwischentablar wiederum in Marmor, seitlich gerundet und frontseitig ausgeschnitten. Der ganze Marmor mit umfassender Dreivier- telgalerie. Schlüssellochzierden und Zugringe. 89:129:49,5 cm. 4000.—/7000.—

Jean-Baptiste Vassou, Meister ab 1767 Provenienz: Paul Durand-Ruel, Paris Berner Privatbesitz Die hier angebotene, aus dem ehemaligen Besitz des berühmten Pariser Kunsthändlers Paul Durand Ruel (1831-1922) stammende Anrichtekonsole hat sich in einem sehr schönen und unberührten Zu- stand erhalten. Unsere Konsole ist ein typisches Beispiel der schlichten, aber sehr qualitätsvollen Möbel aus der Pariser Werkstatt des Jean-Baptiste Vassou (1739–1807), dessen Werkstatt sich in der Rue Saint-Nicolas befand. Wie sehr beliebt die Möbel des J.-B. Vassou waren, ersehen wir u.a. aus der Tatsache, dass der Meister auch nach dem Um- sturz in Frankreich sehr aktiv blieb und dank grossem Vermögen während der Revolutionsjahre mehrere Liegenschaften in Paris aufkaufen konnte.

Paul Durand-Ruel in seiner Pariser Galerie

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58. Pierre Bonnard (Fontenay-aux-Roses, 3.10.1867 – Le Cannet, 23.1.1947). Nu à côté du tub. Bleistift auf Papier. Unten links mit Nachlassstempel. 31:24 cm. 12000.—/15000.— Provenienz: Galerie Hopkins-Thomas, Paris Schweizer Privatbesitz

Ausgestellt: Fondation Pierre Gianadda, Martigny Exposition Bonnard, 11. Juni bis 14. November 1999, Nr. 97

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59. Kommode, England, George II, circa 1740/50. Mahagoni und Nussbaum, massiv und furniert. Recht- eckiges, wenig profiliertes und vorstehendes Blatt über vierschübigem Korpus mit wenig erhöhtem Sockel und Winkelfüssen. Die Flächen mit Bandintarsien, die Front mit Messingbeschlägen in Form von Schlüs- sellochzierden und Handhaben. 73:83:50 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz

60. Eine sehr feine und seltene Rokokoschnitzerei, wohl St. Gallen, Mitte 18. Jh. Nussbaum, massiv. Aus zwei Wangen gebildetes Eckstück. Reich mit zwei zentralen, herz- artigen Kartuschen verziert. Um die Kartuschen mit reichem Voluten- und Rankenwerk in teilweise durchbrochener und kräftiger Schnitzerei. Die Ecken mit Palmettenzierden. 104:100:65 cm. 300.—/400.—

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Die hier angebotene, prächtige Schnit- zerei dürfte in St. Gallen, in der Zeit um 1745–1750, entstanden sein. Wenn auch seine ursprüngliche Aufstellung unge- klärt bleibt, so weist das kräftige und reiche Schnitzwerk doch auf einen hochbegabten Meister hin, wie wir ihn im Umkreis einer Klosterwerkstatt fin- den würden. 61

61. Schöne Terracotta-Calyx-Kratervase, wohl Wedgwood, 19. Jh., nach einem griechischen Vor- bild der Zeit um 450 v. Chr.. In Schwarz- und Terracottatönen bemalt mit antiken Figuren. Feines Zierband von Palmetten und Mäander. Ausladende Glockenform mit seitlichen Henkeln. H = 41 cm. 500.—/700.—

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62. Christian Rohlfs (Niendorf, 22.12.1849– Hagen, 8. Januar 1938). Rotes Mädchenportrait, ca. 1910. Farb- kreide auf Papier, Rückseitig mit Nachlassstempel und handschriftlichem Vermerk: «Frau Christian Rohlfs». 16:15 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Nachlass Christian Rohlfs Helene Rohlfs Schweizer Privatbesitz

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63.* Sehr feine Fayence-Dose in Form eines Finken auf Stamm, wohl Manufaktur Höchst, 2. Hälfte 18. Jh.. Sehr schön in zwei Teilen modelliert, die obere Hälfte abnehmbar. Runder Sockel mit Blattwerk und hohlem Ast, auf welchem der Fink stehend den Blick geradeaus richtet. H = 13 cm. 400.—/600.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Unser Fink ist im Fischer-Böhler-Archiv erwähnt und durch Karl Fischer der Manufaktur Höchst, um 1750, zugewiesen.

64.* Sehr seltene und bedeutende Fayence-Jagdgruppe, Manufaktur Höchst, 2. Hälfte 18. Jh. Zwischen mächtigen Baumstrünken findet sich ein ruhender Jäger auf felsigem Grund sitzend. Vier Jagdhunde vor ihm um einen erlegten Hasen gruppiert. Der Jäger in grünes Jagdgewand gekleidet. Sein linker Arm um- fasst die Flinte, sein Blick ist seiner Meute zugewandt. L = 22 cm. H = 14 cm. 3000.—/4000.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum München, Alte deutsche Fayencen, 1949

Literatur: Dr. J.M. Noothoven van Goor, De Arnhemse Aardewerkfabriek 1759–1773, 1954, dort abgebildet und beschrieben Seite 203, Abb. 17: Höchster Fayence Jachtgroep, Klein Vuur.

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65. Ein Paar porte-clefs, Louis XV, Frankreich, wohl Paris, um 1745, Hinterglasmalerei und verre églomisé Tierdarstellungen nach Jean-Baptiste Oudry (1686–1755) oder Jacques Oudry (1720–1778). Auf blauem Fond je zentrale Wappenkartuschen: schwarzer Adler auf weissem Grund über drei goldenen Kugeln auf rotem Grund bzw. gevierteilt mit zwei Getreidegarben und rot-weissen Balken. Eingerahmt mit feinster «Verre-églomisé»-Malerei von Blumengirlanden und von mit Blumenbouquets umwundenen Ziersäulen. Die Wappen an Blumengirlanden hängend. Die untere Bildhälfte mit Tierdarstellungen in feinster Qualität. Rückseitig bezeichnet: «Porte-clefs provenant du château de St. Albin». In feuervergoldeten Bronzerahmen der Zeit. Je 24:19 cm. 2000.—/4000.— Provenienz: Château de Saint-Albin, Frankreich Schweizer Privatbesitz

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66. Überaus seltene Rotlackschatulle als Reisese- kretär, deutsch, Dresden, circa 1730/40. Nuss- baum, Mooreiche und Ahorn, massiv und furniert. Die äussere Hülle mit poliertem Rotlack gefasst. Längsformatige Kassette mit aufklappbarem Deckel und seitlichen Tragebügeln. Die Front durch Auf- klappen des Deckels und Betätigen einer seitlichen Verriegelung abklappbar. Hinter der Frontklappe­ eine heraufziehbare, mit Bandwerk eingelegte Lade, dahinter versteckt vier Geheimschübe. Der Deckel im Innern ebenfalls mit einer klappbaren Lade für Briefpapier. Ein offenes Fach als Korrespondenz- lade. Sehr reiches und durchbrochenes, feuervergol- detes Beschlagswerk in Form von Scharnieren und Randzierden. Alles in reichster Régence-Ornamentik. 26:42:25,5 cm. 8000.—/12000.— Unsere Schatulle gehört zu einer sehr kleinen Gruppe von wohl drei beinahe identischen Kassetten, welche wohl alle in Dresden in der Zeit um 1730/40 entstanden sein dürften. Alle diese Kas- setten weisen dieselbe Rotlackierung auf und die künstlerisch wertvollen Beschläge in vergoldeter Bronze. Eine identische, wenn auch in den Beschlägen wenig einfacher gearbeitete Scha- tulle, hat sich aus der Sammlung James A. de Rothschild im Landsitz Waddesdon Manor in England erhalten. Vergleiche: Geoffrey de Bellaigue, The James A. de Rothschild Collection at Waddesdon Manor, Furniture Clocks and Gilt Bronzes, Fribourg, 66 1974, Abb. S. 542

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67. Ein feines Paar Louis-XVI-Kerzen­ stöcke, Frankreich, Paris, circa 1780. Bronze, ziseliert und vergol- det. Mit rundem, profiliertem und mit Akanthus verziertem Fuss und nach oben ausladendem und kanne- liertem Schaft. Die aufgesetzte Tülle in Vasenform, mit Tropfteller. H = 29 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Galerie Lionel Chamouleau, Paris

68. Table guéridon in englischer Ma- nier, Frankreich, Paris, 18./19. Jh. Mahagoni massiv. Rundes, grün- weiss durchzogenes «Verde Antico»- 67 Marmordeckblatt mit umlaufender, vergoldeter und durchbrochener Bronzegalerie. Der sich elegant ver- jüngende Schaft auf drei geschweif- ten Beinen mit englischen Füssen. H = 76 cm. D = 56 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus einer französischen Privatsammlung, Paris Auktion Sotheby’s Zürich, November 1993, Los Nr. 303

Der Schaft und die Beine unseres Tischchens erinnern an die in englischer Manier geschaffe- nen Louis-XVI-Beistelltischchen aus der Werkstatt des Pariser Ebenisten Joseph Gen- genbach (1712–1797) genannt Canabas, dem der Unterbau unseres Tischchens wohl auch zugewiesen werden darf.

69. Antoine Pesne (Paris, 29.5.1683 – Berlin, 5.8.1757) zugewiesen. Pedro- lino aus der Commedia dell’arte. Bleistift und Kohle auf Papier. 43,5:32,5 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Aus altem Berliner Privatbesitz Zürcher Privatbesitz

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70. Faltbarer, zweiblättriger Kaminschirm, Louis XV, Frankreich, circa Mitte 18. Jh. Buche, massiv und ge- schnitzt. Hochformatiger, moulurierter und geschweifter Rahmen auf vier s-förmigen und boucliert endenden Beinen. Bogenförmig geschweifter Abschluss mit Blumen- schnitzerei. Aufklappbar, die Innenfläche mit gelber, flora­ler Seide bespannt, das Äussere mit floraler, polychro- mer Stickerei der Zeit. 107:73 bzw. 148:32 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus altem Westschweizer Besitz

71. Grosse Schenkkanne, sogenannte Luzerner Rats- kanne, wohl Bossard Luzern, 19. Jh., nach den Rats- kannen von 1678. Zinn und Messingguss. Ovaloide Gefässform auf rundem, eingezogenem, mit Profilen um- zogenem Fuss. Seitliche Henkel in Form von fischleibigen Frauengestalten, daran nach oben hin beweglicher Trage- henkel, gebildet aus zwei Delfinen mit spindelförmiger Handhabe. Zinndeckel erhöht bekrönt durch Kegel mit vier gerillten, alternierenden Scheiben. An Vorder- und Rückseite Luzerner Wappenkartusche in Messing. Aus- guss in Form eines Adlerkopfes mit Krone. Im Innen­ boden Zinnmedaillon mit Kreuzdarstellung: Höhe mit aufgestelltem Henkel: 55 cm. 800.—/1200.—

Bei unserer Ratskanne handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine Kopie der Ratskannen von Luzern aus dem Jahre 1678. Von grosser handwerklicher Qualität, ist davon auszugehen, dass unsere Kanne durch die Luzerner Kunsthandwerkerdynastie Bossard hergestellt wurde.

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72. Robert Zünd (Luzern, 3.5.1827–15.1.1909). Waldlichtung mit Bach. Öl auf Holz. Unten rechts monogrammiert RZ Rückseitig mit SIK Nr. 24034. 9:12 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Auktion German, Zürich, April 1989, Los Nr. 114 (Zuschlag 18’400.–)

73. Lindenholzfigur, süddeutsch, circa Mitte 18. Jh. Wohl ein Bozzetto für eine Gartenskulptur mit Darstellung des Herbstes. Auf profiliertem Sockel. H mit Sockel: 28 cm. 300.—/400.—

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74. Hochbedeutende und aussergewöhnliche Rokokokommode, Italien, Rom, circa 1765, einer Meisterwerkstatt zuzuschreiben. Bois de violette, furniert, gefriest und parkettiert. Dreiseitig mehrfach geschweiftes, rosa- und lachsfarben, gelblich und bräunlich durchzogenes und auf Unterplatte aufwendig furniertes Sienamarmordeckblatt, mit eingelassener, sehr fein ziselierter und feuervergoldeter Bronze­ randfassung. Über zweischübigem, gebauchtem Korpus mit tief ausgeschnittener Zarge und geschweiften, wenig ausstehenden Beinen in prächtigen Sabots in vergoldeter Bronze. Die Schmalseiten gebaucht und geschweift. Sehr feine Furnierwahl. Die Schubladenfronten mit quadratischen Motiven parkettiert, umrahmt von gefriestem Bandwerk in spiegelnder Manier. Die Schmalseiten ebenso gespiegelt furniert. Überaus reiche, sehr fein ziselierte, feuervergoldete Zierbronzen als Handhaben, Schlüssellochzierden, Zargenschürzen und Sabots sowie Randfassung. 91:128:64,5 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Privatbesitz, Schweiz Die hier angebotene, prachtvolle und museale Rokokokommode gehört zu den schönsten in Rom in der Zeit um 1765 bis 1770 herge- stellten Kommodenmöbeln überhaupt. Der französische Einfluss etwa eines Pierre Migeon ist an unserer Kommode ganz ausserge- wöhnlich stark zu erkennen. Der römische Möbelbau der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts orientierte sich denn auch stark an den Werken der Pariser und Genueser Meister, ohne aber seinen sehr starken lokalen Charakter zu verleugnen. So sind die massiv furnier- ten Marmorplatten, wie wir sie in schönster Form an dem hier angebotenen Möbel finden, ganz typisch für den römischen Möbelbau. Durch das kleine Aufstückeln der grösseren Marmorplatten erzielte man im Ganzen ein harmonischeres Bild, als dies bei einer massiven, aus einem Stück geschnittenen Platte je der Fall sein könnte. Unsere Platte, in schönstem gelblich-rosa schimmerndem Sienamarmor gefügt, ist ein besonders schönes Beispiel der hohen Kunst der römischen Steinschneider. Wie auch an den römischen Konsoltischen üblich, finden sich auch an den Kommodenplatten die fein ziselierten und feuervergoldeten Randzierden in Bronze. Dass Rom im 18. Jahrhundert nicht nur ein Zentrum des Luxusmöbelbaus war, sondern auch ganz hervorragende Bronziers aufzuweisen hatte, das zeigen in eindrücklichster Weise die Beschläge unserer Kommode, die fein, wie von einem Goldschmied bearbeitet, die drei Schauseiten des Möbels zieren. Die prachtvollen Sabots sind von einer Qualität, wie sie der französische Möbelbau etwa an Kommoden eines Charles Cressent in der Zeit um 1745–1750 findet und gleiche Qualität weisen auch die Zargenzierden, die Handhaben, Chutes und Schlüssellochzierden auf. Wiederum sehr ähnlich wie bei den Möbeln eines Pierre Migeon anzutreffen, finden sich die Schubladen innen leicht röt- lich eingefärbt. Dies wurde in Anlehnung an das farbkräftige Veilchenholz angewendet und ist an unserem Möbel noch immer erkennbar.

Vergleiche: Alvar Gonzàlez-Palacios, I Mobili Italiani, Il patrimonio artistico del Quirinale, Mailand 1997, für die römischen Kommoden des Rokokos

75. Gros- und Petitpointpaneel. Frankreich, wohl 19. Jh. in der Art des Louis XIV. In gekehltem und vergoldeten Rahmen, 100:78 cm. 600.—/900.— Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz 75

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76. Eugène Joseph Verboeckhoven (Warneton, 8.6.1799 – Schaerbeek, 19.1.1881). Weite Landschaft mit Kühen und Schafen, 1851. Öl auf Leinwand. Unten rechts sig- niert und datiert: «Eugène Verboeckhoven f. 1851». 76:100 cm. 6000.—/8000.— Das hier angebotene, prächtige Landschaftsgemälde des 1798 geborenen belgischen Malers Eugène Joseph Verboeckhoven strahlt eine grosse Ruhe aus und besticht durch die feinen farblichen Abstufungen im Himmel, der mehr als die Hälfte der Gemäldefläche einnimmt. Im Jahre 1851 entstanden, zählt unser Gemälde mit zu den schönsten Landschafts- kompositionen des Malers, entstanden in seiner erfolgreichsten Schaf- fensperiode. Unter seinem Vater hatte Verboeckhoven den Beruf des Bildhauers erlernt und arbeitete 1816 bei Voituron in Gent. Schon früh partizipierte er an den grossen Salons von Gent und Brüssel und be- suchte auf seinen ausgedehnten Kunstreisen die Ardennen, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland und Italien und bereiste 1841 und 1842 auch die Schweiz und Schottland. Mitglied der Kunstakademien in Brüssel, Gent, Antwerpen, St. Petersburg und Amsterdam, starb Verbo- eckhoven 1881 in Schaerbeek, Brüssel.

Eugène Josepeh Verboeckhoven (1799–1881)

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77.* Sehr feines und überaus selte­nes Kabinettmöbel mit Vitrinenaufsatz, Lüttich/Liège, um 1750. Eiche, massiv und fein geschnitzt, mit vorzüglicher Patina. Zweitüriger und zweischübiger Kredenzunter- bau auf fein mit Akanthus geschnitzten und gelockten Füssen. Die Schmalseiten­ kassettiert. Abgerundete Eckstollen und fein profiliertes Blatt. Der wenig zurückversetzte, dreiachsig gegliederte Vitrinenaufsatz mit zent­raler Türe und drei kleinen Schubladen im Zwischengeschoss. Der Kranz in doppelter Jochform und reicher, zentraler Kartusche. Innen mit zwei passig geschnittenen Tablaren. Besonders fein und reich ge- schnitzt mit Musikinstrumenten, Rocaillen, Voluten, Blumen und Ranken. H = 243 cm. B = 130 cm. T = 42 cm. 6000.—/8000.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Das bei Meister und Jedding bereits 1958 publizierte Fischer-Böhler-Kabinett und sein Pendant, welches als Los Nr. 57, am 22. No- vember 2013 durch Stuker versteigert werden durfte, zählt sicher zu den schönsten Lütticher Vitrinenmöbel­ des Rokokos. Im Untersatz des Möbels wurde die Form der Kredenz mit zwei Türen und Schubladen unverändert beibehalten. Der verglaste, prächtige Vitrinen- aufsatz ist etwas schmaler und dreiachsig gegliedert. Durch den zusätzlichen Schubladengurt wird der Übergang geschickt vermittelt. Der besondere Reiz dieses aussergewöhnlichen Möbels liegt aber in seiner Schnitzerei, die in ihrer Feinheit kaum zu übertreffen ist und deren Rocaillen sich an den Vitrinenfeldern sogar noch in durchbrochener Form überbieten. Am Fischer-Böhler-Kabinett wird der wichtige französische Einfluss auf die Lütticher Arbeiten in die lokale Schnitztradition in schönster Weise über- setzt. Unser Kabinett ist in seiner Feinheit wohl nur vergleichbar mit dem Lütticher Aufbauschrank mit Vitrine, welcher sich in Brüssel, in den Musées Royaux d’art et d’histoire erhalten hat und bei Paul Schoenen (Nr. 50) abgebildet wird. Wie in Süd- und Mittel- deutschland hatte sich auch im Norden und Nordwesten mit dem Barock das furnierte Möbel durchgesetzt. Eine Ausnahme jedoch bildete das Grenzgebiet zwischen Aachen und Lüttich. Im Fürstentum Lüttich (deutsch bis 1817) war unter deutschem und französischem Einfluss die Tradition des Eichenholzmöbels bis zum späten 18. Jahrhundert lebendig und hatte zur Bildung eines selbständigen bürgerlichen Möbelstils geführt. Die künstlerische Wirkung dieser Möbel beruhte vornehm- lich auf der erhaben geschnitzten Rokokoornamentik, wie wir sie an unserem Möbel ganz besonders schön vorfinden. Das Eichenholz selbst blieb fast immer in der Naturfarbe erhalten. Aber auch die sogenannten Mark- strahlen oder Spiegel des Holzes, die bei der Eiche be- sonders ausgeprägt sind und quer zur Holzrichtung ver- laufen, wurden bewusst als ästhetisches Moment in die künstlerische Gestaltung mit einbezogen.

Vergleiche: Paul Schoenen, Aachener und Lütticher Möbel des 18. Jahr- hunderts, Berlin, 1942, Abb. 43, 45, 49 und 50 Joseph Philippe, Le meuble liégois à son âge d’or, Liège, 1990, S. 56 und 57 für verwandte Vitrinen, und Abb. 77 für einen Entwurf des Meisters Matthias Soiron für ein Vitrinenmöbel von sehr ähnlichem Typus. Peter W. Meister und Hermann Jedding, Das schöne Möbel im Lauf der Jahrhunderte, Heidelberg, 1958, Abb. 294, wo das hier angebotene Kabinett abgebildet und beschrieben ist.

Das Pendantkabinett, Auktion Stuker Bern, 22. November 2013, Los Nr. 57

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78. Ein Paar Löwenfiguren, Lille, datiert «1782». Auf flachen, rechteckigen Sockeln sitzend, die Köpfe nach oben gewandt, mit gelber Mähne und blau getupftem Fell. Beide mit Ritzzeichen NB und Jahrzahl. H = 20,5 cm. L = 20,5 cm. 600.—/800.—

79. Sehr feiner und seltener Rokoko-Spieltisch, Zürich, um 1760–1765, dem Meister des Stuhles aus der Bärengasse zuzuschreiben. Nussbaum, massiv und geschnitzt. Längsformatiges, aufklappbares Blatt über wellig ausgeschnittener, rückseitig ausklappbarer Zarge und s-förmig geschweiften Beinen. Geschnitzt mit Akanthus, Rankenwerk, Voluten und Perlmotiven. Originale Scharniere und Bügel. 80:89:34,5 bzw. 69 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Ziegler, Küsnacht

Unser Konsol- und Spieltisch gehört wohl zu den schönsten der bekannten Zürcher Rokokotischen der Zeit um 1760 und findet sich bei Boller/Dubno als Katalog-Nr. 225 abgebildet. Sein hoch­ stehender holzbildhauerischer Schmuck in Form von rocaillearti- gem Blattwerk und Akanthusschnitzerei ist in dieser Qualität nur vergleichbar mit dem Schnitzwerk eines ebenfalls um 1760 zu datierenden Zungenstuhls im Besitze des Schweizerischen Natio- nalmuseums (LM2357), der sich einst im Museum Bärengasse befand. Die Schnitzerei dieser beiden Möbel wiederum ist ver- gleichbar mit jener an einem Zürcher Sekretär aus dem Kloster Wurmsbach (LM1481), ganz besonders aber mit der Kranz­ schnitzerei eines viertürigen Rokokoschrankes aus dem Freigut in Zürich, eines um 1772 zu datierenden Möbels, welches der Werkstatt der Hirschgartner oder Bachofen zugeschrieben werden kann.

Vergleiche: Thomas Boller/Werner Dubno, Zürcher Möbel, das 18. Jahrhunderts, Zürich, 2004, dort besprochen und abgebildet S. 132/133. Seite 79 130/131 mit Abb. 222 und 222a für den aus gleicher Hand stam- menden Zungenstuhl aus der Bärengasse in Zürich.

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80. Grosse und äusserst seltene Deckelvase mit Puttenbac­ ­ chanal, Berlin, 1775, königliche Porzellanmanufaktur. Weisspor- zellan, un­­staf­fiert. Drei­teilige Vase mit achteckigem Sockel und ele- gant eingezogenem und profilier- tem Schaft. Die Wandung mit godronierter Manschette, darüber ein Bacchantenzug von Kindern, darüber Maskarons und von Trau- ben verzierte Volutenhenkel. Der domförmige Deckel mit einem kleinen Bacchus, dem Betrachter zuprostend. H = 53 cm. 600.—/800.—

Provenienz: Alter Zürcher Privatbesitz

Die hier angebotene KPM-Vase von 1775, Modell Nr. 640, zeigt in schönster Weise den Übergang weg von den üppigen For- men des Rokoko hin zum neuen, vom Ge- schmack des französischen Hofes unter Lud- wig XVI. geprägten Stil an. Eine Variante unserer Vase mit freiplastischem Blumen- strauss als Deckelbekrönung befindet sich im Victoria & Albert Museum in London, ein identisches Modell zu unserer Vase, jedoch die kleinere Ausführung und in Teilen ver- goldet, Modell Nr. 638, Höhe 35,6 cm, hat sich in den Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, Inv.-Nr. 1891.152, erhalten.

Vergleiche: Johanna Lessmann, Michaela Braesel, Katha- rina Dück, Berliner Porzellan des 18. Jahrhun- derts aus eigenen Beständen, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, 1993, Kat.- Nr. 252, Abb. S.186

81. Sigmund Freudenberger (Bern, 16.6.1745–15.11.1801), alte Zu- weisung. Gentilhom­me et bergère. Tusch­feder, laviert auf Papier. In geschnitztem und vergoldetem Louis-XV-Rahmen. 12,5:14 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Aus Berner Patrizierbesitz

82. Cachepot, Wien, um 1760. Auf rundem Fuss ovaler, gebauchter Korpus mit fein reliefiertem Pfei- fenmuster, Rocaillen und Schilf. 80 Hochgezogene Griffe mit Rocail- len. Unbemalt. Marke blauer Bin- denschild. Minim bestossen. H = 25,5 cm. 400.—/600.—

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83. Anna Barbara Abesch (Sursee, 23.3.1706–15.2.1773) nach Charles-Antoine Coypel (Paris, 11.7.1694– 14.6.1752). Hinterglasgemälde, Szene aus den Erzählungen des Don Quijote de la Mancha. Der Aufbruch des Sancho Panza zur Insel Barataria. 31:35 cm. 3000.—/5000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Charles de Beistegui, Château de Groussay

84. Sigmund Freudenberger (16.6.1745 Bern–15.11.1801 Bern). Fährschiff auf dem Bielersee. Bleistift mit Tusche, grau und braun laviert. 23:24 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Auktion Sotheby’s Zürich, aus Schweizer Privatbesitz

In einem Gutachten vom 14. Dezember 1920 wurde das hier vorliegende, wohl in die Jahre um nach 1780 zu datierende Blatt in die Frankreichzeit des berühmten Berner Künstlers Sigmund Freudenberger gewiesen und das dargestellte Lastschiff als französisches Kanalschiff bezeichnet. Bei genauerem Betrachten der sehr detailgetreuen Zeichnung stellt man aber fest, dass es sich um ein Fährschiff auf dem Bielersee handeln muss. Die dargestellten Reisenden auf dem Lastschiff wie auch die Personen im vorgelagerten Weidling tragen Seeländer Trachten, wie wir sie ähnlich in Biel, Lengnau und Täuffelen noch heute finden, mit den eleganten Hüten aus Floren- tinerstroh.

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85.* Sehr schöner und seltener Fayence- Frosch, deutsch, wohl Manufaktur Höchst, um 1750. Fein modelliert, mit gerundetem Sockel in hellem Mangan. Der Frosch in leicht geduck- ter, zum Sprunge bereiter Haltung. Sehr fein bemalt in zarten Grüntönen. Alte Bestossungen. H = 5,5 cm. L = 8,5 cm. 600.—/800.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deut- sche Fayencen, 1949 Schloss Jegenstorf, Das Tier in der Kunst des 18. Jahr- hunderts, 1952, Katalog S. 22

85 Der hier angebotene Frosch findet sich im Fischer- Böhler-Archiv beschrieben und abgebildet und wurde traditionsgemäss der Höchster Manufaktur zugewiesen.

86.* Schöne Fayence-Deckeldose in Form einer Weintraube, deutsch, wohl Manufaktur Schrezheim, 2. Hälfte 18. Jh. Naturalistisch model- liert; die leuchtend grünen, angedeute- ten Beeren sind schwarz umrandet. Auf dem abnehmbaren Deckel liegen ein brauner Stiel mit dunklen Blättern und eine Frucht. L = 14 cm. H = 7,5 cm. 400.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Durch Karl Fischer der Manufaktur Schrezheim 86 zugewiesen und im Fischer-Böhler-Archiv so be- zeichnet und abgebildet.

87.* Sehr schöner Fayence-Frosch, wohl Strassburg, um 1750. Fein modelliert, mit hell­blauem Sockel, der Frosch in leicht geduckter, zum Sprung bereiter Haltung. In bläulich-grünem Farbton bemalt, Brust und Bauch gelblich und dunkelbraun getupft. Alte Bestossung. H = 5,5 cm. L = 8,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Bayerisches Nationalmuseum, München, Alte deut- sche Fayencen, 1949 Schloss Jegenstorf, Das Tier in der Kunst des 18. Jahrhunderts, 1952, Katalog S. 22 Residenz München, Europäisches Rokoko, Kunst und Kultur des 18. Jahrhunderts. Ausstellung anläss- lich der 800-Jahr-Feier der Stadt München, 1958. Dort im Katalog, Seite 241, Nr. 853 a, b und c, einer von drei Fröschen, Strassburg um 1750 87

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88.* Sehr schöne Fayence-Spargeldose in Form eines Spargelbundes, Manufak- 88 tur Holitsch, 2. Hälfte 18. Jh., bezeich- net HH. Naturalistisch modelliert und sehr fein bemalt mit gelblich gesprenkeltem Spargel, die Spitzen in starkem Blaugrün. Abnehmbarer Deckel mit Astgriff. L = 22 cm. H = 11 cm. 1000.—/1500.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München Ausgestellt: Münchener Stadtmuseum, 1993, Die anständige Lust von Esskultur und Tafelsitten

89.* Sehr schöne Fayence-Birne auf Blatt- werk, Manufaktur Holitsch, 2. Hälfte 18. Jh., bezeichnet mit rotem «H». Naturalistisch modelliert und zart bemalt in Gelb und braun-grünlicher Farbgebung. Auf stark ausge- zackten Blättern liegend. L = 13 cm. 300.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Münchener Stadtmuseum, 1993, Die an- ständige Lust von Esskultur und Tafelsitten.

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90. In der Art des Claude Joseph Vernet (Avignon 14.8.1714 – Paris, 3.12.1798), Südlicher Hafen mit Festungsanlage und Figurengruppe im Vordergrund. Öl auf Eiche. 43:27,5 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Aus dem grossen Ramsteinerhof in Basel stammend

Die Komposition unseres Gemäldes ist den Werken des Claude Joseph Vernet sehr verwandt. Die Gruppierung der Figuren im Vordergrund lassen es aber auch in dem näheren Umkreis des Charles François Lacroix de Marseille (Marseille 1700 – Berlin 1779 oder 1782) zuordnen. Rückseitig ist das Gemälde mit einer Inventarklebe- nummer (48) versehen. Es stammt aus dem Ramsteiner­ hof an der Rittergasse 17 in Basel, dem hoch über dem Rhein thronenden, fürstlich anmutenden Palais mit Ehrenhof und eigener Pfalz. Der Ramsteinerhof ist ein Juwel des barocken Basel und ist das Werk des jugendlichen Architekten Johann Carl Hemeling. Den Auftrag zum Bau gab Samuel Burckhardt-Zaeslin, der vermögendste Basler seiner Zeit, um 1728. Bis 1522 Basel, Ansicht vom Rhein, mit Münster und Ramsteinerhof hatten die bischöflichen Ministerialen von Ramstein hier ihren Adelssitz.

Vergleiche: Felix Iselin-Merian, Der Ramsteinerhof und seine Bewoh- ner, Basel, 1921

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91. Sehr feine Encoignure in Lackmalerei, Italien, Genua, 3. Viertel 18. Jh. Holz, bombiert, gelb- weiss gefasst und mit monochromen Zierranken bemalt. Hochformatiges, dreibeiniges Schrankmöbel mit einer frontseitigen, leicht bombierten Türe. Wellig ausgeschnittene Zarge und geschweifte Beine. Die Platte profiliert und in Marmorimitation gelackt. Feinst bemalt mit Blumengirlanden, Ranken und Voluten, die Beine mit angedeuteten, palmettenartigen Sabots. 89:75:52 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Das hier angebotene Lackmöbel gehört zu einer kleinen Gruppe vorzüglicher Lackmöbel, die wohl alle von demselben Genueser Lack- künstler in den Jahren um 1760 geschaffen worden sind. In einer Römer Privatsammlung hat sich wohl aus demselben Atelier eine dreischübige Lackkommode erhalten, deren schlicht und elegant bombierter Korpus, aber auch die Blaufassung und Art der Ranken­ motive, besonders auch der Palmetten der Beine, unserem Möbel sehr verwandt ist.

Vergleiche: Alvar Gonzales-Palacios, Europäische Möbelkunst, München, 1976, Italien, Bd. II, S. 84, Abb 115

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92. Drei Statuetten von thronenden Würden- trägern, China, Republik Minguo, zwei signiert von «Zhu Yongji». Die drei Lebens­ alter darstellend: Sohn, Vater und Grossvater. Alle in sehr reich dekorierten Gewändern und mit glockenförmigen Hüten. Die thronartigen Sitze mit Drachen reich verziert. H = 25 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus einer Pariser Privatsammlung Zürcher Privatbesitz

93. Monumentaler Kopf eines Kriegers, China, Ming-Zeit. Holz, Stuck und Terracotta, ge- fasst und vergoldet. Grimmiger Gesichtsaus- druck mit Glasaugen und eingesetzten Barthaa- ren. Mächtige Stirnfalten und Augenbrauen. Kopfschmuck und Stirnbinde. Auf ebenisiertem Sockel montiert. H ohne Sockel: 50 cm. H mit Sockel: 77 cm. 1500.—/2000.—

94. Sehr schönes Rollbild, China, Qing-Dynas­ tie, wohl 2. Hälfte 19. Jh. Auf gelbgrundi- gem Stoffband aufgezogen, mit Stabhalterung. Darstellend eine weite Flusslandsschaft mit baumbestandener Bergkuppe im Hintergrund, ein Wasserfall bahnt sich seinen Lauf ins Tal. Der Vordergrund mit begrüntem Fels, seitliche Künstlersignatur. 434:164 cm. 1200.—/2000.— Provenienz: Aus Westschweizer Schlossbesitz

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95. Elegante und sehr seltene commode à fleurs, Transition Louis XV/Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1765–70, der Werkstatt des Roger Vandercruse, genannt La Croix (1727–1799) zuzuschreiben. Mit altem Inventarschlagstempel LMG 74. Rosenholz, bois de violette, Königsholz, Citronnier, Ahorn, Buchs und Palisander auf Eiche furniert. Dreiseitig geschweiftes und fein profiliertes, dunkelgrau-weiss durchzogenes, originales und seltenes noir royal, auch noir belge genanntes, Marmordecklatt über passig ge- schweiftem Korpus mit wellig ausgeschnittener Zarge und s-förmigen Beinen. Die Front mit zwei Schub­ laden sans traverse, die Eckstollen gerundet und gefriest, die rückseitigen Stollen wenig vorgestuft. Die schauseitigen Flächen mit prächtigen Kartuschen, gerahmt mit gefriestem Rosenholz und Bandwerk. In- nerhalb der Kartuschen Blütenzweige, das zentrale Paneel der Schubladen mit einem gebundenen Blumen- bouquet. Alle Blütenzweige kontrastreich in Rosenholz eingelegt, die einzelnen Blüten in Stirnholz, dem sogenannten bois de bout geschnitten. Die Beschläge mit schönen Schattenfurnieren umfasst. Chutes, Schlüs- sellochzierden, Zugringe, Zargenzierde und Sabots in ziselierter und vergoldeter Bronze. 115:90:58 cm. 18000.—/25000.—

Roger Vandercruse gen. La Croix, Meister ab 1755

Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz

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Die hier angebotene Kommode ist mit ihrer feinen Marketerie in bois de bout, den zierlich und harmonisch gestalteten Kartuschen, der exquisiten Furnierwahl und den qualitätsvollen Beschlägen in vergoldeter Bronze sicher eine der aussergewöhnlichsten der frühen Pariser Transitionskommoden der Zeit um 1765/70. Die Gestaltung der einzelnen Blütenzweige, die Art der Schattenfurniere zu den Beschlägen und das kontrastreiche Zusammenwirken zwischen den Marketerien, den Hintergrundfurnieren und rahmenden Edelhöl- zern sind typisch für die Werke des berühmten Pariser Ebenisten Roger Vandercruse Lacroix (RVLC). Diese feinen, teils gebundenen Blütenzweige in Stirnholz, dem bois de bout, finden wir in verwandtester Form an einem Kommodenpaar des Meisters, welches am 1. Juli 1771 durch Gilbert Joubert für das Grand Cabinet der Comtesse de Provence nach Schloss Compiègne geliefert wurde. Die beson- ders fein schattierten Kanten der Beine, die an der höchsten Erhebung durch Rosenholz verziert sind, haben sich identisch an einem Kommodenmöbel von Lacroix erhalten, welches zusätzlich identische Sabots aufweist, 1964 im Pariser Kunsthandel auftauchte und bei Kjellberg abgebildet wird. Die Umrahmung der Kartuschen unserer Kommode erinnern an ähnliche Kartuschen mit Blütenzweigen in bois de bout, wie sie zeitgleich auch Nicolas Petit an seinen Kommoden verwendete, doch sind die Marketerien unserer Kommode im Aufbau sehr viel ausgewogener und in der Zeichnung sehr viel feiner. Der aus Flandern stammende Meister Roger Vandercruse gehörte zu den bedeutendsten Pariser Ebenisten des 18. Jahrhunderts und zu den herausragendsten Wegbereitern hin zu den frühen Formen des Stils Louis XVI, für welche unsere Kommode der Zeit um 1765 ein besonders schönes Beispiel ist. Lacroix übernahm 1755 die Werkstatt seines Vaters in der Rue du Faubourg Saint-Antoine. Durch Vermittlung seines Berufskollegen Gilles Joubert lieferte Lacroix ab 1769 bedeutende Möbel an die Krone, namentlich an die Gräfin der Provence und Madame Victoire, Tochter von Louis XV.

Vergleiche: Clarisse Roinet, Roger Vandercruse dit la Croix, Paris, 2000, S. 70, Abb. 26, für eine der Kommoden der Comtesse de Provence Pierre Kjellberg, Le mobilier français du XVIIIe siècle, Paris 1998, S. 755, Abb C für die Kommode mit identischer Beingestaltung

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96. Französische Schule, um 1780. Corbeille de fleurs. Öl auf Leinwand. Der Originalrahmen mit Stempel- signatur des Meisters «A. LEMERT». 65:55 cm. 2500.—/3000.—

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97. Rokokokonsole, Schweden, circa 1750. Holz, geschnitzt und vergoldet. Dreiseitig geschweiftes und profilier- tes, grau-grün-weiss durchzogenes, originales Marmordeckblatt über wel- lig ausgeschnittener und mit Blumen, Kartuschen und C-Voluten verzierter Zarge. S-förmig geschweiftes Bein mit gelocktem Fuss, verziert mit Blumen und Ranken. 77:70:40 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus Schweizer Privatbesitz

98. Fauteuil, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1760, signiert von Pierre Leduc (1685–1765). Buche, ge- schnitzt, mouluriert und grünlich ge- fasst. Trapezförmiger Sitz über wellig ausgeschnittener Zarge, geschnitzt mit Blumen und Rankendekor. Die Beine s-förmig und gelockt endend. Gepols- terte Armstützen und jochartig ab- schliessende Rückenlehnen mit Blumen und Ranken geschnitzt. Grüner Bezug. 97 91:45:70:58 cm. 1200.—/1500.— Pierre Leduc, 1685–1765

Provenienz: Alter Zürcher Privatbesitz

99. Ein Paar sehr seltene Rokoko- Leuchtappliken,­ Genua oder Fran- ken, circa 1760. Holz, geschnitzt und vergoldet. Aus Blattvoluten geformtes Wandstück, aus welchem die drei ver- schlungenen Leuchtarme mit blütenar- tiger Tülle und Tropfteller emporstei- gen. 52:34 cm. 2000.—/3000.—

Provenienz: Pietro Accorsi, Turin Sammlung Fischer-Böhler, München

Das hier angebotene Paar Wandleuchter ist von grosser Seltenheit, übernimmt es doch in der Holzschnitzerei die Formen und Details der in der Zeit um 1750–1765 üblichen Leuchtappliken in vergoldeter Bronze. Diese Vorliebe für in Holz geschnitzte Leuchtappliken fand sich be- sonders in der reichen Hafenstadt Genua, aber auch in Franken. Unser Leuchterpaar ist einer kleinen Gruppe solcher Appliken zuzuordnen, von denen sich ein besonders schönes Paar aus der Zeit um 1760 in Genueser Besitz erhalten hat. Karl Fischer wies diese Appliken nach Würzburg.

Vergleiche: 98 Lodovico Caumont Caimi, L’Ebenisteria Genovese del Settecento, Parma, 1995, S. 36. Abb. XI

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100. Seltener und feiner Rokoko-Bilderrahmen, Süddeutschland, wohl Augsburg, circa 1760. Silberblech, getrieben, durchbrochen, ziseliert und teils vergoldet. Profilierter, längsformatiger Rahmen auf Holzleiste gezogen. Reiche Rokokokartuschen, Blumen, Rocaillen und Ranken. 40:45,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus einer deutschen Privatsammlung

101. Pierre François Courtois (Paris, 1736–Rochefort 1763) nach François Boucher (Paris 1703–1770). Venus et Enée, Paris, um 1760. Kupferstich auf weissem Bütten. Im unteren Rand gestochene Signatur. Rechts: «P.F. Courtois Sculp.», links «F. Boucher Pinx». In der Mitte kalligrafisch gestochene Bezeichnung, darunter Adresse: «A Paris chés Buldet, rue de Gèsvres». 27,3:34,8 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Aus dem Nachlass von Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726–1801) Auktion Prestel, Chodowiecki-Nachlass, Frankfurt a.M., 29. Mai 1925, Los Nr. 90

Ausgezeichneter, tadellos erhaltener Kupferstich im originalen Rahmen des 18. Jh.: Die Rahmenleisten verziert mit Perlstab, durch­ brochen gearbeiteter Kette und Kordel, in den Ecken erhabene Rosetten, oben bekrönt von grosser, durchbrochen gearbeiteter, filigraner Masche, deren Bänder sich in Relief über die Rahmenprofile legen. Verso violetter Stempel der Nachlassauktion Chodo- wiecki-Nachlass/90.

102. Stefano della Bella (Florenz, 18.5.1610–16.7.1664). Portrait von Louis XIV. Schwarzer Stift auf Bütten, In der Mitte in Tinte bezeichnet: «Louis». 27:19 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Monica Streiff

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103. Sehr seltene Arita-Porzellankanne mit Goldbronzemontur. Die Kanne Japan, 17. Jh., die Goldbronzen, französisch oder deutsch, 1. Viertel 18. Jh.. Das Porzellan von koni- scher, gefächerter Form mit originalem Deckel. Unterglasurblau bemalt mit einem seltenen Ho-ho-Vogel inmitten von Pfingst­ rosen und Granatäpfeln. Der Volutenhenkel mit Rankenwerk bemalt, der Deckel mit einem Knauf. Mit sehr feinen Goldbronzen gefasst: Drücker mit einem steigenden Löwen und Akanthusblattwerk, der Ausguss als Delfin. Auf fein mit Akanthus verzierter Manschette, welche die gefächerte Form der Kanne übernimmt, und über drei Delfinen ruhend. H = 38,5 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Sotheby’s London, Auktion vom 13.12.1996, Los Nr. 67

Unsere in schönstem Zustand erhaltene und seltene Arita- Porzellankaffeekanne ist ein sehr schönes Beispiel dieser 103 frühen japanischen Porzellane mit europäischer Gold- bronzefassung. Unser Exemplar gehört zu den schönsten einer kleinen erhaltenen Gruppe ähnlicher Kannen. Eine dieser Kannen, mit identischem Löwenknauf und Delfin- füssen, findet sich bei Lunsingh Scheurleer abgebildet. Eine Kaffeekanne mit identischem Ausguss wurde bei Christie’s London am 20. Juni 1994, Los Nr. 230, verstei- gert und eine weitere, sehr ähnliche, jedoch wenig kleinere und im Dekor abweichende Kanne fand sich bei Sotheby’s Paris, Auktion vom 27.6.2001, Los Nr. 5. In Schloss Rosenborg in Kopenhagen hat sich eine identi- sche Arita-Kanne mit identischem Vogel, aber mit Silber- montur im dortigen Lackkabinett erhalten.

Vergleiche: D.F. Lunsingh Scheurleer, Chinesisches und japanisches Porzellan in europäischen Fassungen, Braunschweig, 1980, S. 397, Abb. 428

104. Zierspiegel mit geschliffenem Glas. Öster­reich, wohl Wien, um 1740. Holz, überaus fein geschnitzt mit Rankenwerk und Voluten. Originales, teilweise mit Blumen geschliffenes Spiegelglas. 69:40 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus Westschweizer Patrizierbesitz

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105. Ein Paar Spiegel mit Schliffdekor, Italien, Venedig, circa 1740. Längsformatiges Spiegelglas­ mit sehr schönen Blindstellen. Geschliffen mit eleganten Rokokofiguren in Parklandschaft. Der Rahmen profiliert und mit reich geschnitztem Fronton von Rankenwerk, Blumen und Akanthus. H = 67 cm. L = 63 cm. 3000.—/4000.—

Provenienz: Wilhelm Böhler, München, ca. 1920 Sammlung Karl Fischer-Böhler, München

106. Venezianische Schule des 18. Jh., wohl Apollonio Facchinetti, gen. Domenichini (Venedig 1715–1757), vormals Meister der Veduten der Langmatt-Stiftung, zuzuweisen. Vedute mit dem Campanile von San Marco, dem Palazzo della Zecca und der Libreria. Öl auf Leinwand. 57:80 cm. 15000.—/25000.—

Provenienz: Alter Schweizer Privatbesitz

Unser Gemälde zeigt eine der sehr seltenen Ansichten des Molo di San Marco mit dem städtischen Kornhaus, den sogenannten granai pubblici di Terranova, die seit dem 14. Jahrhundert bestanden und erst 1807 abgerissen wurden. An ihrer Stelle befinden sich heute die königlichen Gärten. Das Kornhaus diente der Stadt dazu, Korn in günstigen Momenten in grossen Mengen zu lagern und es dann verkaufen zu können, wenn die Preise anstiegen. Dank dem grossen Volumen der Lagerhäuser konnte markanter Einfluss auf die Preis- gestaltung genommen werden. Auf nur sehr wenigen Venedig-Ansichten wird das Kornhaus so bedeutend hervorgehoben, wie auf unserer eindrücklichen Ansicht des Molo di San Marco, wie man ihn von der Punta della Dogana aus sieht.

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107. Monogrammist HVZ, Zürcher Meister des 17. Jh., nach Aegidius Sadeler II. Christus an der Geisselsäule. Tusche, grau und braun laviert, auf Papier. Monogrammiert HVZ ligiert und datiert «1697». 54,5:40 cm. 2000.—/2500.—

Bezeichnet auf Stufe: «Er ist umb unser missethat willen und umb unser sünden willen zerschlagen: Die straff ligt auf ihm auf dass wir fride hetten und durch seine wunden sind wir geheilet. Jesai. 53»

108. Prächtige Vasenuhr, süddeutsch, wohl Augsburg, um 1580/1600. Bronze und Messing, vergoldet. Vasenförmiges Gehäuse auf profiliertem Rundfuss. Ausladende, teils durchbrochen gearbeitete und reich mit Ranken- und Girlandendekor gravierte Wandung. Geschmückt mit gefassten und grün hinterlegten Bergkristallen. Eingezogene Schulter und aufgesetzter Abschluss mit seitlichen, aus Ranken geformten Volutenhenkeln. Über einer späteren Sphäre mit silbernem Zifferring steht eine Justitia, deren Schwert auf die Stundenzahlen zeigt. Eisenwerk mit Saite, Schnecke, Spindelhemmung, Waagunruhe mit Bleigewich- ten und Stundenschlag auf eine Glocke. Alte Ergänzungen. H = 47 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz Sotheby’s Zürich, 24.11.1993, Los Nr. 185

Vergleiche: Klaus Maurice, Otto Mayr, Die deutsche Räderuhr, München, 1980, Abb. 355–363

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109. Italienischer Meister, 17. Jh. Elegante Dame mit Fächer. Öl auf Leinwand. In originalem Rahmen der Zeit. 72:59 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus einer alten Schweizer Sammlung

110. Bronzefigur eines Knaben, Italien, Rom 17. Jh. Bronze, mit braun-goldener Patina. Liegende, voll­ plastische Figur eines männlichen Kleinkindes, den Blick geradeaus, seine Ärmchen stützen sich auf, der Körper wenig aufgerichtet, die Beinchen angewinkelt. Mit roter Hohenzollern-Inventarnummer 55 auf die Bronze aufgemalt. L = 44 cm. 5000.—/8000.— Provenienz: Ehemals Kunstkammer des Hauses Hohenzollern, mit Inventarnummer 55 Vergleiche: Eine sehr ähnliche Bronzefigur, Frankreich, 17. Jh. und Jacques Sarazin (1592–1660) zugeschrieben, wurde im März 2018 durch Marc-Arthur Kohn in Paris angeboten. Register Seite 111–112 109

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111. Ein Paar sehr bedeutende und seltene Ro- koko-Bozzetti aus der Werkstatt des Johann Peter Wagner (1730–1809), Würzburg, circa 1770. Darstellend die Heilige Maria und Johan- nes. Maria, stehend, ihren Blick nach unten ge- neigt, ihre Hände gefaltet, ihr Gewicht auf den linken Fuss gelagert, ihr feines Gewand mit lan- gem Umhang zum Rücken hin. Johannes mit ausgestrecktem rechtem Arm, die andere Hand auf Herzhöhe auf seiner Brust, sein Blick nach rechts gerichtet. Auch er mit langem Gewand und Umhang. Die rechte Hand des Heiligen fehlt. H = 19 bzw. 18,5 cm. 1200.—/1400.— Provenienz: Sammlung Dr. William M. Milliken (1889–1978), Direktor des Cleveland Museum of Art Sotheby’s London, 23.5.1974, Los Nr. 104 Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Unsere beiden Bozzetti sind verwandt mit zwei Figuren der Maria Empfängnis von Wagner im Mainfränkischen Museum in Würzburg, für die Haltung und Draperie beider Figuren. Die Figur des Heiligen Johannes ist zudem vergleichbar mit zwei Terracotta-Bozzetti Wagners der Heiligen Petrus und Johannes, für Figuren in der Klosterkirche in Ebrach, welche sich im Luitpold-Museum in Würzburg erhalten haben.

111 Ausgestellt: The Age of Elegance; The and its Effect, Baltimore Museum of Art, 1959, Katalog Nr. 294

Vergleiche: Dr. Max von Freeden, Kleinplastik des Barock, Stuttgart, 1951, Abb. 52 und 57 A. E. Brinkmann, Barock-Bozzetti, Frankfurt a. M. 1923–1925, Bd. IV, Abb. 59

112. Heiliger Johannes von Nepomuk, München, um 1740/50, Johann Baptist Straub (1704–1784) zugeschrieben. Lindenholz, gefasst und vergoldet. Auf originalem, vergoldetem Volutensockel steht der Heilige auf einer Wolke schwebend. Sein Körper wenig nach vorne geneigt, seine Arme und Hände geöff- net. Mit fein in Falten geworfenem Talar, das Rochett mit goldenem Saum, darüber eine pelzverbrämte Mozetta, hinter dem Heiligen ein Wolkenband. H mit Sockel: 37 cm. 4000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Die Zuschreibung der hier angebotenen, überaus feinen und seltenen Plastik erfolgte 1956 erstmalig durch Prof. Dr. Rudolf Schnell- bach (1900–1980), Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe, 1952–1967, und wurde von Dr. Theodor Müller, Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, im gleichen Jahre ebenfalls bestätigt. Vergleichbar ist unser Bozzetto insbesondere mit einem Modell des Heiligen Johannes Nepomuk für einen Altaraufbau, welcher dem Umkreis des Johann Baptist Straub zugeschrieben wird und sich in München, Sammlung Edmund Löwe, befand. Beide Figuren sind von identischer Grösse, Ausdruck und Faltenstil. Johann Baptist Straubs Münchener Werkstatt war wohl die bedeutendste seiner Zeit. Sein wichtigster Schüler war der berühmte Ignaz Günther. Straub erlernte den Beruf des Bildhauers bei seinem Vater Johann Georg Straub und wechselte dann in die Werkstatt des Hofbildhauers Gab- riel Luidl. Für den Hof fertigte er unter Joseph Effner Schnitzarbeiten für die Münchener Residenz. Nach einer weiteren Lehrzeit in Wien, im Kreise um Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Raphael Donner, kehrte Straub 1734 nach München zurück und wurde am 7. Juni 1737 von Kurfürst Karl Albrecht von Bayern zum Hofbildhauer ernannt. Ausgestellt: München, Stadtmuseum, 1965, Kunstschätze aus Münchener Privatbesitz, S. 26, Nr. 122, ganzseitig abgebildet Tafel 42

Vergleiche: Franz Matsche, Johannes von Nepomuk, Passau 1971, Ausstellung anlässlich der 250. Wiederkehr der Seligsprechung des Johannes von Nepomuk, S. 45, Tafel IV für die Figur der Sammlung Edmund Löwe, München

Zuschreibung: Dr. R. Schnellbach, Karlsruhe, den 13. August 1956 Dr. Theodor Müller, München, 18. Juli 1956

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113. Walter Hofer, Schweiz (1904–1994). Pariser Hinterhof mit Blick auf den Kirchturm von Saint- Germain-des-Prés in Paris, 1928. Öl auf Holz. Unten rechts signiert und datiert «W. Hofer, 28». 100:80 cm. 1500.—/2000.—

114. Schöner Barocktisch, Louis XIII, Frankreich, 17. Jh. Nussbaum, massiv. Rechteckiges, beige- grau-weiss durchzogenes Marmordeckblatt über einschübiger, schlichter, profilierter Zarge. Mit vier sehr schönen, balusterartig gedrechselten und teils geschwärzten Beinen mit aufwendigem Steg aus bogenartigen Seitenstücken und jochförmigem Mittelstück mit gedrechseltem Aufsatz. Schmiedeeiserner Zugring. 84:100:52 cm. 600.—/800.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz

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115. Ein sehr feiner Rokokostuhl, Portugal, Lissabon, circa 1760/70. Rio-Palisander, massiv und geschnitzt. Gepolstertes, herausnehmbares Sitzkissen mit floralem Bezug. Die Zarge sehr fein geschweift und mit Rocaille und Rankenwerk geschnitzt. S-förmige Beine mit H-för- migem Steg und gelockten Füsschen. Die Rückenlehne ganz in englischer Manier durchbrochen mit Bogenwerk und stilisierten Herzformen. 600.—/800.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz Der hier angebotene Stuhl gehört zu den schönsten Beispielen der portu- giesischen Sitzmöbel der Regierungszeit José I. (1714–1777). In feinstem Palisanderholz gearbeitet, ist er von einer grazilen Leichtigkeit und abso- luten Ausgewogenheit in Form und Proportion. Den sehr engen politi- schen Beziehungen zwischen England und Portugal in der zweiten Hälfte des 18. Jh. ist es zu verdanken, dass auch die Ideen der bedeutendsten englischen Möbelbauer von den Portugiesen übernommen und teils noch verfeinert wurden.Wenngleich auch unser Stuhl keine direkte Kopie eines englischen Sitzmöbels darstellt, so muss der unbekannte Schreiner unseres Stuhles doch vertraut gewesen sein mit den 1762 in London von Thomas Chippendale herausgegebenen Möbelvorlagen: The Gentleman & Cabinet- Maker’s Director. Dieses Werk enthielt Stichvorlagen für Sitzmöbel, Schreibkabinette, Spiegel, Kleinmöbel und alle in einem gehobenen Haushalt vorkommenden Ziermöbel, wie man sie in der Zeit des Rokokos vorfand. Auf Tafel XVI bildet Chippendale einen Stuhlrückenentwurf ab, dem unsere Stuhllehne, wenn auch vom Schreiner modifiziert und wenig geändert, im Wesentlichen doch zugrunde liegt. Beachtenswert an unse- rem Stuhl ist auch die Verarbeitung des verwendeten Edelholzes. Seine flammige und sehr schöne Maserung verbindet sich wunderbar mit dem feinen Schnitzwerk des Sitzmöbels, ein eigentliches Qualitätszeichen, das wir an vielen portugiesischen Möbeln dieser Zeit vorfinden.

115 Vergleiche: Thomas Chippendale, The Gentleman & Cabinet-Maker’s Director, St. Mar- tin’s Lane, London, 1762, Tafel XVI, für den erwähnten Entwurf

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116 Detail

116. Sehr feine und grosse Leucht-Applike, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1755, in der Art von François Thomas Germain (1726–1791). Bronze, feuervergoldet. Aus einem reich aus Akanthusvolu- ten und Rankenwerk geformtem Wandstück steigen drei ineinander greifende Leuchtarme empor. Jeder mit Akanthus und Rankenwerk in Form von virtu- osen Voluten. Die Vasentüllen ebenso geformt, die Tropfteller aus Blattwerk, blütenartig geformt. H = 60 cm. B = 50 cm. 2000.—/2500.—

Provenienz: Sammlung Karl Fischer-Böhler, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Die hier angebotene Leuchtapplike ist von monumentaler Grösse und sehr hoher Qualität der Ausführung. Vergleichbar ist sie mit dem Applikenpaar, welches der berühmte Pariser Silberschmied, François Thomas Germain (1726–1791), im Jahre 1756 für das Pa- lais des Grafen Bernstorff in Kopenhagen fertigte, wo diese seit- lich des Kaminsimses angebracht wurden. Von gleicher Virtuosität des Akanthuslaubwerkes zeigen die Bernstorffer Appliken eben- falls den godronierten Abschluss der unteren C-Voluten, überge- hend in eine gelockte Endvolute. Verwandt dort auch die Tropf- teller und Tüllen, wie an unserer Applike.

Vergleiche: Pierre Verlet, Les bronzes dorés français du XVIIIe siècle, Paris, 1987, S. 88. Abb. 91 Ottomeier/Pröschel, Vergoldete Bronzen, München, 1986, Bd. 1, Die Leuchtapplike, bei Fischer-Böhler, circa 1960 S. 144, Abb. 2.11.21

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117. Zürcher Maler des Rokokos, 18. Jh. Drei seltene Vogeldarstellungen, Zürich, circa 1760. Aquarelliertes Basrelief auf holländischem Büt- ten. Bezeichnet: «grauer Falk, Grüner Papagei mit gelbem Kopf, gelb und rothen Fleken, eine Art Chi- nesischer Fasan». 36,5:27 cm. 2000.—/3000.—

Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz

118. Deckenleuchter, französisch, 2. Hälfte 18. Jh.. Bronze und Kristallglas, geschliffen. Mit aus geschliffenen Glaskugeln geformtem Schaft, aus welchem vier Kranzebenen hervorsteigen. Mit geschweiften Armen für Glasprismen und Ziergehänge, Glastürmchen und Rosetten. Die unterste Ebene mit geschweiften Leuchtarmen für sechs vasenartige Tüllen und blütenförmigen Tropfteller. Fehlstellen. H = 75 cm. D = 60 cm. 1000.—/1500.—

Provenienz: Aus altem Patrizierbesitz Zürcher Privatbesitz

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119. Sehr bedeutendes bureau de pente, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1735–1740, signiert von Pierre IV Migeon (1696–1758). Bois de violette, Satinholz, Ebenholz, Amarant und Ebenholz, furniert, gefriest und in bois de bout eingelegt. Längsformatiger, allseitig furnierter Korpus zum Freistellen. Wellig ausge- schnittene Zarge und wenig ausstehende Beine in Sabots. Die Front des Unterbaus mit Beinfreiheit, darüber eine Längsschublade, deren innerer Boden die Stempelsignatur des Meisters trägt. Über dieser Schublade eine angedeutete Schublade, deren Inneres die Geheimlade eines Bodenfachs versteckt. Seitlich beider Schubladen je ein Schrankfach. Abklappbare Schreiblade mit goldgeprägtem Ledereinsatz. Das Innere überaus reich und fein gestaltet in getreppter Anordnung von sechs grossen und zwei mitt­ leren, wenig kleineren Schüben. Durch Ver- schliessen des unteren Mittelfaches wird die Ge- heimlade verriegelt. Über den Schüben mit drei Briefkompartimenten. Die unterste Schublade rechts mit Tinteneingerichte aus vergoldeter Bronze. Das Innere der Schubladen mit origina- ler Beizung in violettem Farbton. Ausziehbare, schmiedeeiserne Holme zum Stützen der Schreiblade. Rundum überaus fein und elegant gefrieste Flächen, umrahmt von sehr feinem Bandwerk. Die Schreiblade mit Rankenwerk und Blumen in bois de bout eingelegt. Prächtige, sehr fein ziselierte und feuervergoldete Zier- bronzen in Form von Schlüssellochzierden, Sa- bots, Chutes und Zuggriffen. 105:112:49 cm. 12000.—/15000.— Provenienz: Aus altem Privatbesitz 119 Detail

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Das hier angebotene bureau de pente, um 1735–1740 entstanden, ist wohl eines der frühesten Beispielen dieses beliebten Typus eines Schreibmöbels der frühen Louis-XV-Zeit und trägt die Signatur von Pierre IV Migeon (1696–1758), einem der berühmtesten Pari- ser Ebenisten des 18. Jahrhunderts. In der Juniauktion 1997, fand sich bei Sotheby’s Zürich, aus einer Baden-Badener Sammlung und ehemals aus der Sammlung Bernhard Berghaus stammend, ein bureau de pente, welches wir hier zum Vergleich abbilden und von dem wir dank dem hier angebotenen Möbel nun wissen, dass es sich ebenfalls um eine Arbeit der Migeon-Werkstatt handelte. Beide Möbel sind von identischem Typus und weisen auch im Innern eine identische Handschrift auf. Sogar die Beschläge sind aus gleicher Werkstatt. Beide Möbel gehören, zusammen mit einem bureau de pente aus der Sammlung James A. de Rothschild in Waddesdon Manor, zu den frühesten Beispielen dieser Möbelgat- tung überhaupt, die sich besonders in der Zeit zwischen 1745 und 1770 grösster Beliebtheit erfreute und eine grosse Entwicklung erlebte. Alle drei Möbel, das hier angebotene, das Schreibmöbel aus der Berghaus-Sammlung und jenes in Waddesdon Manor, 119 weisen schmiedeeiserne Stützholme auf, wie wir sie an Pariser Schreibmöbeln der 1730er-Jahre vorfinden, wie sie später aber kaum mehr vorkommen. Der Ebenist A.R. Gaudreaux lieferte im Jahre 1733 für das Cabinet de Retraite in Schloss Marly ein bureau de pente für den Gebrauch der Königin mit einer Schreibfläche, welche als «suporté par deux tirans mobiles de fer, à boutons de cuivre argenté» beschrieben wurde. Ähnliche Schreibmöbel wurden dem Hof in den Jahren 1736–1738 geliefert, ab 1745 verschwinden diese ausziehbaren Holme. Pierre Migeon entstammte einer der bedeutendsten Ebenistenfamilien und erhielt in den Jahren der Entstehung unseres Möbels erste Aufträge von der Krone. Migeon genoss die bedeutende Protektion der Marquise de Pom- padour, die ihm wichtigste Aufträge vermittelte. Ein secrétaire en pente von Migeon, mit Schlüssellochzierden in gleicher Manier und einem Furnierbild von gleichermassen hoher Qualität, fand sich auf der Auktion bei Christie’s Monaco, vom 5.12.1993, Los Nr. 181. Die sehr selten vorkommenden Sabots, wie sie unser Möbel aufweist, fanden sich an einer Kommode von Jacques Dubois, der als Unterakkordant ebenfalls für Migeon arbeitete, auf der Auktion bei Christie’s Paris, vom 17.11.2010, Los Nr. 214.

Vergleiche: Sophie Mouquin, Pierre IV Migeon, Paris, 2001 für verwandte Möbel des Meisters und Marketerien in bois de bout. 119 Geoffrey de Bellaigue, The James A. de Rothschild Collection at Waddesdon Manor, London, 1974, Band I, Objekt Nr. 59, für den verwandten Sekretär

119 Bureau von Migeon aus der Sammlung B. Berghaus Register Seite 111–112 121

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120. Seltene Bronzegruppe des Pluto mit Zerberus, Frankreich, 2. Hälfte 17. Jh., nach dem Modell von Michel Anguier (Eu, 28.9.1612 – Paris, 11.7.1686). Bronzeguss, fein ziseliert. Auf rechteckigem Sockel die stehende, bärtige Figur des melancholischen, zur Linken schauenden Pluto, hinter ihm der drei- köpfige Hund Zerberus. H = 23,9 cm. 5000.—/8000.— Provenienz: Aus der Kunstkammer der Markgrafen von Baden

Zurück in Paris von einem mehrjährigen Aufenthalt in Rom schuf Anguier 1651 eine Serie von sechs Bronzefiguren von Gottheiten, darunter den Pluton mélancolique. Für die Figur des Pluto liess sich Anguier von der antiken Statue des Farnese-Herkules in Rom inspi- rieren. Die schönste dieser Pluto-Gruppen von Anguier findet sich in Dresden und ist von ähnlicher Grösse wie unsere Bronze aus der badischen Kunstkammer. Die Dresdener Bronze war Teil der Sammlungen August des Starken seit 1699. Eine weitere Version hat sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel erhalten. Ein sehr ähnlicher, jedoch grösserer Guss wurde durch Sotheby’s Paris, am 4. November 2015 versteigert.

Vergleiche: B. Black und H.W. Nadeau, Michel Anguier’s Pluto: The Marbel fo 1669, 1990, für eine detaillierte Besprechung dieser Komposition

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121. Dirk Valkenburg (Amsterdam, 1675–1721). Jagdstillleben mit Hase, Rebhühnern und Eisvogel in Park- landschaft. Öl auf Leinwand. Bezeichnet oben links JWF. 92:75 cm. 7000.—/9000.— Provenienz: Aus adligem Privatbesitz Rückseitig mit Inventarnummer NB 376

Unser sehr fein ausgearbeitetes Jagdstillleben mit einem Hasen, zwei Rebhühnern und einem Eisvogel vor Parklandschaft entspricht einem in der Komposition identischen Werk des Künstlers Jan Weenix, welches sich in Privatbesitz erhalten hat und von nur wenig kleineren Ausmassen ist. Unser Gemälde, welches früher dem Künstler Jan Weenix (1640–1719) zugewiesen wurde, trägt oben links ein Monogramm JWF (wohl für Jan Weenix fecit).

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122. Schöne Schreibkassette, deutsch, Hohenlohe, circa 1715. Nussholz, Zwetschgenholz, Birnenholz, Ahorn, Birkenmaser und teils gefärbte und schattierte Hölzer, furniert und marketiert. Von rechteckiger Form, der Deckel mit einem zentralen Wappen und Helmzierde eingelegt. Seitlich des Wappens zwei Singvögel auf Ästen. Umrahmt von Bandwerk und dünnen Filets. Die Seiten mit gebundenen Blumen- zweigen und Rocaillen eingelegt. Im Innern mit originalem Türkischpapier ausgeschlagen. Im Deckel eine Dokumentenlade mit vergoldetem Verschluss. 1200.—/2000.—

123. Sehr schöne Fayence-Melonendose auf Teller, wohl Manufaktur Schrezheim, um 1760. Die tiefe Platte mit leicht gefächertem Rand, innen bemalt mit feinen Wiesenblumen in Gelb, Blau und Rostrot. Die Melone in Gelb- und Grüntönen, sehr fein bemalt und naturalistisch modelliert in zwei Teilen. Kraut- stiel mit zwei Blättern, wovon eines als Knauf für den Deckel. Alte Bestossungen. 13,5:25:19 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

124. Dose in Form einer Quitte, Anfang 19. Jh. Der obere Teil als Deckel ab- nehmbar. Vom Stiel gehen drei wellen- förmig geschwungene Blätter aus, von denen zwei die Frucht seitlich um- schliessen; ein Blatt befindet sich an der Unterseite der Quitte. Diese Blätter dienen gleichzeitig als Standhilfe für das Gefäss. Aufglasurbemalung in Grün und Gelb mit gespritztem Mangan. H = 9 cm. L = 14,5 cm. 1000.—/1200.— Vergleiche: Thomas Rudi, Augenlust und Gaumenfreude, Fayence- Geschirre des 18. Jahrhunderts, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, S. 108, Nr. 33. Provenienz: 124 Antiquités Georges Ségal, Basel

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125. Zwei Porzellangruppen, Königliche Porzellan- manufaktur Berlin, 2. Hälfte 18. Jh., beide mit Unterglasurmarke. Über erhöhten Profilsockeln auf grossen Kissen mit seitlichen Quasten, die sich zugewandten Figuren des Aktaion mit Hund und Jagdhorn, sein Bogen neben sich liegend. Die Pen- dantgruppe mit liegender Diana und einem Amor. Kleine Fehlstellen. 25:23 cm. bzw. 25:22 cm. 1200.—/1800.—

Aktaions Vater war Aristaios, ein Sohn des Apollo, seine Mutter eine Tochter des Königs von Theben. Aktaion wurde vom Ken- taur Cheiron erzogen, der ihn in die Jagdkünste einweihte. Auf der Jagd überraschte Aktaion die Göttin Diana beim Bade, worauf sie ihn in einen Hirschen verwandelte und der Unglückliche von seinen eigenen Jagdhunden zerfleischt wurde. Auf diese Sage neh- men unsere beiden Gruppen Bezug.

126. Bronzebüste des Aulus Vitellius, Römischer Kaiser, Italien, Rom, circa 1800, der Werkstatt des Francesco Righetti oder des Giuseppe Valadier zuzuschreiben. Bronze, patiniert und reich gestal- teteter, wohl zeitgenössischer Marmorsockel. Der Kaiser in Brustharnisch mit Umhang, seinen Blick dem Betrachter zugewandt, sein Haupt leicht nach seiner Linken geneigt. Der Sockel mit vergoldeter Schrifttafel bezeichnet «VITELIO». Die Marmorwahl in schöner Farbabfolge von gelbem Siena Marmor, rosafarbenem «Orange Varois»-Marmor und weissem Carrara-Marmor. H mit Sockel = 48 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz 126

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Die hier angebotene, sehr schöne, patinierte Bronzebüste des Kaisers Vitellius (12–69) genannt Germanicus, welcher sich am 2. Januar des sog. Vierkaiserjahres 69 von den germanischen Legionen in Köln zum Kaiser ausriefen liess, dürfte in der Zeit um 1800 in der römi- schen Werkstatt des Francesco Righetti (1749–1819) entstanden sein. Als Vorlage für die Büste dürfte Righetti der aus der Antike stam- mende Marmorkopf aus der Sammlung Grimani in Venedig gedient haben, von dem überliefert war, dass es sich um das Portrait des Kaisers Vitellius handelt. Eine im 16. Jahrhundert in Italien gefertigte Kopie des Grimani-Marmors findet sich heute in den Sammlun- gen des Louvre in Paris (MR684). Diese beiden Darstellungen des Kaisers sind mit unserer Bronze sehr nah verwandt. Eine beinahe identische Büste Righettis, aus der Sammlung Lily & Edmond J. Safra, konnte am 18. Oktober 2011 als Los 755A (Serie von 12 Büsten) bei Sotheby’s in New York versteigert werden. Die Büsten aus der Safra-Sammlung unterscheiden sich in ihren unteren Sockelhälften, die bei unserer Büste nicht kanneliert und sehr viel weniger aufwendig gearbeitet ist. Das Spiel der verschiedenen Marmorarten aller- dings – wie dies unser Sockel in schönster Weise aufweist – war ein besonderes Merkmal der Arbeiten des berühmten römischen Silber- schmiedes und Bronzegiessers Luigi Valadier (1726–1785), bei dem Righetti ausgebildet wurde, und findet sich auch an bekannten Ar- beiten des aus gleicher Familie stammenden römischen Architekten Giuseppe Valadier (1762–1839).

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127. Bedeutende Satinholz-Kommode, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1770/1774, signiert von Maurice Bernard Evald (aktiv bis 1774). Satinholz, massiv und auf Eichenkorpus furniert. Originales, basti- onsartig ausgeschnittenes und fein profiliertes, weiss-grau durchzogenes Marmorblatt über fünfschübigem Korpus auf massiven, sich nach unten verjüngenden Vierkantbeinen in vergoldeten Bronzesabots. Die Front mit vorstehendem Mittelrisalit und drei Schubladenrängen. Die unteren beiden Schubladen sans tra- verse und beinahe übergangslos in feinstem Furnierbild gestaltet. Eine profilierte Bronzezierleiste folgt der Kommodenform und trennt die unteren Schubladen von den drei nebeneinander liegenden Friesschüben. Der ganze Fries mit feinstem Zopfband und Akanthus in ziselierter und feuervergoldeter Bronze eingelas- sen. Die geschrägten Eckstollen kassettiert und mit Zierleisten versehen. Grosse, vergoldete Bronzerosetten auf Höhe des Frieses. Vergoldete Zugringe, Schlüssellochzierden und Zargenschmuck. 92:137:56,5 cm. 10000.—/15000.— Provenienz: Aus adligem Privatbesitz

Maurice Bernard Evald (auch Ewald) Meister ab 1765

Diese hochwertige Kommode von Maurice Bernard Evald, entstanden in den Jah- ren um 1770–1774, ist eine der ausgewogensten Arbeiten des Meisters und eines der schönsten seiner grossformatigen Kommodenmöbel der frühen Louis-XVI- Zeit. Evald war, zusammen mit Roussel, Foullet, Joubert und Oeben, einer der eigentlichen Wegbereiter hin vom Louis XV zum beliebten goût grec, aus dem sich in den 1775er-Jahren der ausgereifte Louis-XVI-Stil herausbildete. Die perfekte Auswahl der besten Satinhölzer für diese Kommode zeigt das grosse Können des Meisters, der, wenn auch seine Werkstatt nur neun Jahre Bestand hatte, doch sehr bedeutende Möbel an den Hof liefern konnte. Zu seinen bedeutendsten Kunden des Hochadels zählten u.a. der Herzog von Orléans, der Herzog von Aumont und der Herzog von Luyens. Zu den Hauptwerken Evalds zählte ein Juwelenkabinett, welches Ludwig XV seiner Schwiegertochter Marie-Antoinette schenkte. Das heute verlustige Kabinett wurde von Evald nach Entwürfen des Hofarchitekten Belanger gefertigt.

Vergleiche: Svend Eriksen, Early Neo- in France, London 1974

128. Italienische Schule, 20. Jh. Ansicht einer Kirchenfront, wohl Santa Maria Novella, Florenz. Gouache auf Papier. 128 39,5:31 cm. 250.—/350.—

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129. Eine Serie von vier feinen Louis-XVI-Fauteuils, Toskana, Florenz, um 1790/1800. Buche, ge- schnitzt und gebeizt. Trapezförmiger Sitz mit moulurierter Zarge und kannelierten, sich nach unten ver- jüngenden Stabbeinen. Die Armstützen geschweift, die Rückenlehne wenig nach hinten geneigt und sehr fein durchbrochen und geschnitzt mit Rosetten und Lotusblüten. Grüner Bezug. 86:40:56:46 cm. 1200.—/1600.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

Wohl aus derselben toskanischen Werkstatt, wie die hier beschriebenen Fauteuils, stammen zwei Sessel, welche sich im Kunstgewerbe- museum in Köln erhalten haben. Sie weisen die gleichen Rahmen auf und unterscheiden sich lediglich in der gleichermassen feinen Gestaltung der Rückenlehne und wurden dort fälschlicherweise einer niederrheinischen Werkstatt um 1780 zugewiesen. Vergleiche: Hermann Schmitz, Deutsche Möbel des Klassizismus, Stuttgart, 1923, Abbildung Tafel 5

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130. Reiseschreibschatulle, Frankreich, Empire/Restauration, 1. Viertel 19. Jh., dem Marchand Mercier Granchez «Au petit Dunkerque» zuzuschreiben. Leder, Grün, Schwarz und Rot, mit Goldprä- gung in gotisierendem Stil. Rechteckig, in Form eines Buches. Der Rücken mit einer Trageschlaufe und mit gotischem Bogenwerk verziert. Klappbare, reich verzierte Schreiblade und klappbarer Verschluss des Schreibeingerichtes mit ähnlichem Dekor. Innen eine geschrägte und mit originalem, grünem Filz bezo- gene Schreibfläche. Unter der Schreibfläche zwei aufklappbare Kompartimente. Ein Kompartiment mit einer verschliessbaren Börse und Dokumentenablage, das zweite Kompartiment mit Halterungen für Federn und Federkiele. In geschlossenem Zustand: 32:24,5:9 cm. 300.—/500.— Eine absolut identische, Granchez zugewiesene Kassette, fand sich in der Auktion «Chateau de la Petite Malmaison», Joron-Derem, Paris, 16.10.2011, Los Nr. 143.

131. Heinrich Jenny (1824–1891). Bauern bei der Weinlese, 1860. Aquarell auf Papier. Unten links signiert und datiert «Jenny 60». 32:46,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus einer Zürcher Privatsammlung

Unsere Ansicht eines Bauerndorfes mit Blick auf die Schweizer Berge und Bauern bei der Weinlese im Vordergrund, ist sicher eines der schönsten Auqarellblätter aus der Hand des 1824 in Langenbruck geborenen Zeichners, Illustrators und Historienmalers Heinrich Jenny. Seit den 1840er-Jahren war Jenny als Illustrator bedeutender Zeitschriften bekannt. So arbeitete er etwa für den «Charivari», den «Post- heiri» aber auch für die berühmte «Gartenlaube». Wenige Jahre nach Entstehen des vorliegenden Blattes reiste Jenny nach Berlin und arbeitete u.a. 1866 als Zeichner anlässlich der Schlacht von Königgrätz. 1878 wurde Jenny als Zeichenlehrer an die Kantonsschule Solothurn berufen, wo ihn seine Schüler, unter ihnen der junge Cuno Amiet, schätzten. Bis zu seinem Tode 1891 arbeitete Jenny als Illustrator, so u.a. regelmässig für den «Nebelspalter».

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132. Sehr feine Louis-XVI-Kommode, Frankreich, Paris, circa 1780, zweifach signiert von Joseph Feuerstein (1733–1809) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Weisses, sehr fein in Grau durchzogenes und profiliertes Marmordeckblatt über sehr fein und klar gegliedertem Korpus auf kannelierten und sich nach unten verjüngenden Stabbeinen mit Manschetten und Sabots. Die Front mit zwei grossen Schubladen sans traverse und einer kleineren Friesschublade. Alle Schubladen mit sehr feinem, innen verschraubtem und vergoldetem Perlband in Bronze. Die gerundeten Eckstollen mit feinen Kanne- lüren und Kannelürenzierden in vergoldeter und ziselierter Bronze. Die Zarge mit eingelassenem Rillen- band, die Beine mit feinsten Manschetten und ebenso fein ziselierten Sabots. Die Schmalseiten in gleicher Manier gearbeitet. Schlüssellochzierden, Zugringe und sehr feine, eingelassene Chutes in Form von Zierro- setten in vergoldeter Bronze. Zweifach signiert an der Zargenunterseite. Der Marmor mit alter Beschrif- tung. 84.5:78,5:45 cm. 8000.—/12000.— Joseph Feuerstein, auch Feurstein, Meister ab 1767

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Die hier angebotene Kommode ist von allerfeinster Verarbeitung und hochstehender Furnierauswahl von flammigem Mahagoniholz. Die Goldbronzen alle sehr fein ziseliert und der hohen Qualität des Möbels entsprechend innen verschraubt. Joseph Feuerstein, der Meister unserer Kommode, stammte, wie viele der besten französischen Schreiner des 18. Jahrhunderts, aus Deutschland. Nach seinen Wanderjahren kam er nach Paris, wo er sich im berühmten Ebenistenviertel, dem Faubourg Saint-Antoine, niederliess. Dort blieb er bis zum Ende der Revolutionsjahre als Kunsttischler tätig. Als Vergolder arbeitete der berühmte Habert für Feuerstein und dieser dürfte auch die Vergoldung der Bronzen unserer Kommode ausgeführt haben, die sich original und in sehr gutem Zustand erhalten hat. Die markanten Eckbronzen in Form überaus feiner Zierrosetten findet sich an weiteren Möbeln des Meisters, so an einer Kommode, welche sich 1985 im Lyoner Kunsthandel befand und bei Pierre Kjellberg abgebildet wird.

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133. Nattier, Jean-Marc (1685–1766 Paris) Umkreis des, Portrait der Prinzessin Marie-Adelaide von Frank- reich als Diana. Tempera auf mit originaler Goldfolie hinterlegtem Elfenbein. Unten rechts mit einer Signatur «Nattier». In sehr fein geschnitztem, wohl sächsischem, originalem Rokokorahmen der Zeit. 10:16 cm. 2000.—/4000.— Provenienz: Aus dem Besitze eines einst regierenden Hauses Sammlung Karl Fischer, München, wohl seit den frühen 1930er-Jahren Sammlung Anneliese Geyh-Fischer, München

Die hier angebotene Miniatur ist eine zeitgenössische, hoch qualitätsvolle Verkleinerung des berühmten Gemäldes der Prinzessin Marie- Adelaide de France, als Diana dargestellt, welches von Jean-Marc Nattier (1685–1766) im Jahre 1745 gemalt wurde und sich heute in der Galleria degli Uffizi in Florenz befindet. Der Auftraggeber unserer Miniatur muss aus einem regierenden Hause gestammt haben, ist doch die Miniatur selbst von allerhöchster Qualität und beachtlicher Grösse. Alleine des Auffinden eines Elefantenstosszahnes, der den Zu- schnitt dieser Malunterlage erlauben konnte, dürfte kein einfaches und müsste ein besonders kostspieliges Unterfangen gewesen sein. Die Hinterlegung dieser feinen Scheibe mit der Goldfolie auf Bütten verleiht der Miniatur zusätzliche Tiefe und Wärme. Der bild­ hauerisch hochstehende Rahmen ist für unsere Miniatur geschaffen worden und dürfte einem sächsischen, möglicherweise einem Ber- liner Hofbildhauer zuzuweisen sein.

134. Ausserordentlich feine und virtuos geschnitzte console d’applique, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1750, Nicolas Heurtaut (1720–1771) und Michel Fressancourt (1700–1764) zuzuschreiben. Linde und Hartholz, geschnitzt und vergoldet. Rot-braun, weiss-grau durchzogenes und profiliertes, all­seitig ge- schweiftes «Rouge-royale»-Marmordeckblatt über besonders fein geschnitzter und durch ineinandergreifende Voluten, Kartuschen, Rocaillen und Blattwerk geschnitzter Zarge. Dazwischen Lorbeer. Teile der Zarge gitterartig graviert, die Schmalseiten gleichermassen virtuos gearbeitet und in die beiden aus C-Voluten und durchbrochenen Voluten, Blattwerk und Blumen geschnitzten Beine übergehend, welche sich nach unten hin ver­einen. 61:52:24 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Aus einer Privatsammlung

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Die hier angebotene Konsolenapplike ist wohl eine der schönsten ihrer Art und repräsentiert das französische Rokoko in seiner ganzen Vollkommenheit. Der hoch be­gabte Bildhauer dieses meisterlichen Ziermöbels muss mit den wichtigsten Werken seiner Zeit vertraut gewesen sein. Nur wenige Konsolen der Zeit um 1750–1760 sind von solcher Virtuosität der Schnitzkunst. Unsere Konsole ist ver- gleichbar mit einer signierten Konsole von Nicolas Heurtaut, welche sich in den Sammlungen der Fondation Gandur in Genf befindet. Beide weisen durchaus vergleichbare künstlerische Asymmetrie auf und sind von überschwänglichem Dekor, wirken dabei aber nicht überladen, sondern im Gegenteil sehr leicht und beschwingt. Heurtaut wurde 1742 Bildhauermeister und erlangte im Jahre 1753 die Meisterwürde als Hersteller (Menuisier) von Sitzmobiliar, durch welche er besondere Berühmtheit erlangen sollte. Heurtaut erhielt wichtige Aufträge von der Krone und zählte, neben Tilliard und Foliot zu den bedeutendsten Menuisiers in der Epoche Louis XV.

Eine weitere mögliche Zuschreibung unseres Ziermöbels wäre wohl jene an den in Stuttgart für Herzog Karl Eugen von Württemberg (1728–1793) tätigen Hofbildhauer Michel Fressancourt (1700–1764), möglicherweise nach Entwürfen des Architekten Philippe de La Guêpière. Von diesem überaus begabten Bildhauer findet sich in Schloss Ludwigsburg, altes corps de logi, sog. Marszimmer, Audienzzim- mer der Erbprinzessin (Raum 193), eine Konsole des Meisters, die eine gleiche Verrücktheit der geschnitzten und ineinanderfliessenden Voluten aufweist, wie sie unsere reizvolle Kleinkonsole zeigt.

Vergleiche: Bettina Franz, Die französischen Möbel des 18. Jahrhunderts in Schloss Ludwigsburg. Schwetzingen, 1998

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135. Ein ausserordentlich feines Paar Fauteuils, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1770, signiert von Nicolas Lexcellent, genannt Lexelant. Buche, massiv, fein geschnitzt und elfenbeinfarben gefasst. Hochgepolsterter Sitz über dreiseitig geschweifter, sehr fein mit Spiralwerk geschnitzter Zarge. Die Beine stabförmig, sich nach unten verjüngend und kanneliert. Gepolsterte Armlehnen mit geschweiften sehr fein geschnitzten und moulurierten Stützen. Geschweifte Rückenlehne mit umlaufender Zierschnitzerei. In grünem Velours bezogen. 98:70:57 cm. 3000.—/5000.— Nicolas Lexcellent, gen. Lexelant, Meister ab 1764

Das hier angebotene Paar Fauteuils weist eine besonders feine und qualitätsvolle Schnitzerei auf und ist eine Arbeit des Pariser Menuisiers Nicolas Lexcellent. Lexcellent hatte seine Werkstatt im Kloster Saint-Jean-de-Latran. Seine Sitzmöbel sind, wie unser Paar, stets von einer sehr schlichten, aber behäbigen Qualität, was für die Möbel im Stil des Louis XV wie auch alle seine Arbeiten im Stil des Louis XVI gilt. Jean Nicolay bildet von unserem Meister ein kleines Kanapee mit Tapisseriebezug ab, welches sich 1935 auf der Auktion Founès befand und mit unseren Fauteuils vergleichbar ist. Ein nahezu identischer Fauteuil mit gleichem Spiralwerk, signiert von L. Carpentier und in die Zeit um 1768–1769 zu datieren, findet sich abgebildet bei Svend Eriksen. Nach dem Tode von Nicolas Lexcellent im Jahre 1788, betrieb seine Witwe das Atelier weiter und übergab es später an ihren Sohn, der es noch bis 1806 weiter- führte.

Vergleiche: Svend Eriksen, Early Neo-Classicism in France, London, 1974, Abb. 171, für den Fauteuil von L. Carpentier

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136 Venus Victrix, Kupferstich von 1734, nach der Antike

136. Sehr feine Empire-Bronze der Venus, Frankreich, Paris, 1. Viertel 19. Jh.. Bronze, vergoldet. Auf quadratischem, gestuftem Sockel und rundem Schrägpodest, die stehende Venus in eleganter Haltung, ihr wellendes Haar gebunden, den Blick nach unten gerichtet. Der Sockel mit Lyraapplika- tionen und frontseitig beschriftet «VENUS VICTRIX». H = 69 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Sammlung G. Choron, Wiesbaden

137. Bronze der Venus nach dem Bade, Frankreich, Paris, circa 1815. Auf recht- eckigem Sockel die Liebesgöttin mit gebun- denem Haar, den Blick zu ihrer Rechten geneigt, hinter ihr ein Wasserkrug. Mit schöner, braun schimmernder Patina. H = 21 cm. 500.—/700.—

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138. Ein Paar gefasste Fauteuils, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1750/60. Buche, geschnitzt und weiss gefasst. Trapezförmiger Sitz über wellig ausgeschnittener Zarge und s-förmig geschweiften Beinen. Die Rückenlehne wenig nach hinten geneigt und jochartig abschliessend. Gepolsterte und geschweifte Armstützen. Geschnitzt mit Rocaillenwerk, Ranken, und Blüten. Mit polychromen Stickereibezügen in sog. point de Saint-Cyr von Rankenwerk, mythologischen und höfischen Figuren, Blumen und paradiesi- schen Vögeln. 98:43:66:54 cm. 4000.—/6000.—

139. Albert Lebourg (Montfort-sur-Risle, 1.2.1849 – Rouen, 6.1.1928). Pont du Château, Auvergne. Öl auf Leinwand. Unten links signiert und bezeichnet: «Alb. Lebourg/Pont-du Château Auvergne». 39:55,5 cm. 8000.—/12000.— Literatur: Léonce Bénédite, Albert Lebourg, Georges Petit, Paris 1923, Nr. 121

Provenienz: Sotheby’s London, Auktion vom 29.4.1964, Los Nr. 67 Zürcher Privatbesitz

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140. Sehr schöne Rokokofigur der Maria Immaculata, frän- kisch, circa Mitte 18. Jh. Holz, geschnitzt, polychrom gefasst und teilvergoldet. Von schöner Bewegung, mit luftigem Fal- tenwurf des Umhanges steht Maria auf der durch die Schlange umwundenen Erdkugel. Mit ihrem rechten Fuss erdrückt sie den Kopf des Reptils, das sich vor die Mondsichel geschlungen hat. Ihr linker Fuss ruht wenig zurückversetzt. Die Hände ge- faltet, Körper und Blick wenig seitlich und nach unten geneigt. Der Umhang sehr schön in Gold und Rot lüstrierend bemalt. Auf Volutensockel stehend. H mit Sockel: 46,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Die hier angebotene Bildschnitzerei gehörte zu den bevorzugten Objekten Karl Fischers. Da sie schon sehr früh auf fotografischen Abbildungen der Galerie auf- taucht, ist davon auszugehen, dass die Figur bereits zur Zeit Wilhelm Böhlers in Galeriebesitz war. In den 1960er-Jahren wurde die Figur mehrfach für Anzeigen Fischer-Böhlers verwendet, so auch auf einer Weihnachtskarte. Zum Verkauf allerdings stand diese Figur zu keinem Zeitpunkt.

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141. Hochbedeutendes und äusserst seltenes Verwandlungsmöbel als table liseuse und coiffeuse, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1755/60, signiert von R.V.L.C – Roger Vandercruse, genannt Lacroix (1728–1799). Rosen-, Satinholz, Palisander und teilweise gefärbte, schattierte und gravierte Hölzer, furniert und massiv. Nierenförmiges, randgefasstes, dreiteiliges Blatt mit zentraler, aufklappbarer Buch- stütze. Die seitlichen Kompartimente ebenfalls aufklappbar, im Innern mit Eingerichte. Das ganze Blatt mit einem zentralen Blumenkorb sehr fein eingelegt in gefriestem Grund. Die Blütenzweige bedecken die ganze Fläche des Blattes und haben, besonders beim Blattwerk, einen Teil der ursprünglichen Farbigkeit erhalten. Die wellig ausgeschnittene und geschweifte Zarge frontseitig mit ausziehbarem Schreibblatt. Die Schreibfläche mit grünem, goldgeprägtem Leder bezogen. Rückseitig mit weiterem Kompartiment, darin der Stellschirm, bespannt in alter Seide. Vergoldete und ziselierte Beschläge. 72:90:65 cm. 15000.—/20000.— R.V.L.C – Roger Vandercruse, genannt Lacroix, Meister ab 1755

Provenienz Schweizer Privatbesitz

Das hier angebotene Ziermöbel ist eine besonders feine und qualitativ hochstehende Arbeit des Roger Vandercruse (1728–1799), einem der begabtesten Pariser Ebenisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und dürfte in die Zeit um 1755/60 zu datieren sein. Von flämischer Herkunft wurde Roger Vandercruse 1727 in Paris geboren, wo schon sein Vater eine Ebenisten-Werkstatt betrieb. Kaum ein anderer Kunstschreiner seiner Zeit war so eng mit allen bedeutenden Pariser Ebenisten verwandtschaftlich und freundschaftlich verbun- den wie Roger Vandercruse Lacroix. Eine seiner Schwestern war mit dem Hofschreiner Jean-François Oeben verheiratet und heiratete nach dessen Tode seinen Nachfolger am Hofe, Jean-Henri Riesener. Eine weitere Schwester war mit Simon Oeben verheiratet. Durch seine Frau, Marie-Jeanne Progin, wurde Vandercruse zum Schwager von Pierre Pioniez und Jean Marchand. Eng befreundet war Van- dercruse mit Pierre IV Migeon, der zu seinen wichtigen Kunden gehörte, und mit Martin Carlin. Kurz nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1755, übernahm Roger Vandercruse die Werkstatt im Faubourg Saint-Antoine. Durch Vermittlung von Gilles Joubert, konnte Vandercruse bedeutende Arbeiten an Mesdames de France – die Töchter von Louis XV – und an die Comtesse de Provence liefern.

Zu den ersten grossen und regelmässigen Kunden des Roger Vandercruse gehörte Pierre IV Migeon, der damals zu den umsatzstärksten Ebenisten und Händlern in Paris gehörte. Viele der von Migeon signierten Werke sind oft keine eigenen Arbeiten seines Ateliers, son- dern Möbel, die von Unterakkordanten wie etwa Vandercruse hergestellt wurden. So ist es denn nicht verwunderlich, dass das Modell unseres Verwandlungsmöbels einem Typus entspricht, welcher Migeon in fast identischer Weise anbot. Ein solches Tischchen findet sich abgebildet bei Sophie Mouquin und kann in die Zeit um 1750 datiert werden. Sind Form und Verwendungszweck der beiden Ti- sche auch identisch, so weist unser Tischchen eine sehr viel reichere Blumenmarketerie auf, die sich mit ihren Blüten und Zweigen vom zentralen Paneel über die ganze Fläche des Tischblattes ausdehnt. Vorlageblätter zu solchen corbeilles de fleurs waren in der Zeit um 1750/60 in grosser Anzahl vorhanden, doch scheinen einem Ebenisten wie Vandercruse bevorzugt die druckgrafischen Vorlagen des Jean-Baptiste Monnoyer (1636–1699) und jene des Hofmalers Louis Tessier (1719–1786) für seine reichen Marketerien gedient zu haben. Besonders die Kupferstiche nach Originalen von Tessier, der als Blumenmaler für die Gobelinmanufaktur arbeitete, scheinen

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von den Pariser Schreinern umgesetzt worden zu sein. Die Leichtigkeit unseres Tischchens, seine fröhliche Blumenmarketerie, die viel von ihrer einstigen Farbigkeit und den Gravuren erhalten hat, seine vielfältige Verwandlungsfähigkeit und sein formschöner Entwurf machen unser Möbel zu einem ganz besonderen Ziermöbel des Pariser Rokokos und zu einem vorzüglichen Werk des Roger Vander- cruse, genannt Lacroix.

Vergleiche: Clarisse Roinet, Roger Vandercruse dit La Croix, Paris, 2000 Rosemarie-Stratmann-Döhler, Jean-François Oeben, Paris, 2002, für sehr verwandte Marketerien Sophie Mouquin, Pierre IV Migeon, Paris, 2001, für die verwandten Tischchen aus der Werkstatt Migeon

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142. Zwei sehr schöne Vogelfiguren, China, 18/19. Jh., Porzellan. Auf weiss-grün glasiertem Lochfelsen je ein dunkelblau­ gefiederter Vogel. Ein Stück mit vergoldetem Messingboden. H = ca. 21,5 cm. 1500.—/2000.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz

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143. Schöne Zierschale, Spanien, 16. Jh., von maurischem Dekor. Rund, mit vertieftem und im Zent- rum erhöhtem Spiegel, darin eine Wappenkartusche. Die prächtig gestaltete Fahne mit godroniertem Fischblasenmotiv sehr fein profiliert und mit Rankenwerk und stilisierten Blumen bemalt. Die Rückseite ebenfalls sehr reich und floral dekoriert. Originale Aufhängebohrung. D = 38 cm. 1500.—/2500.— Provenienz: Sotheby’s Zürich

144. Seltener und ungewöhnlicher Taschenuhrenhalter, Florenz, circa 1750. Nussholz, geschnitzt und mit schöner alter Politur. Die Halterung in Form einer Schlossruine mit seitlichen Bäumen und einer Brücke, die sich über einen reissenden Bach spannt. H = 38 cm. 500.—/800.— Provenienz: Palazzo Serristori, Florenz

145. Spätgotische Lindenholzgruppe, wohl Oberrhein, Basel oder Strass- burg, 16. Jh. In Hochrelief geschnitzt, mit der Muttergottes, das Jesuskind in den Armen haltend. Sie trägt ein in schöne Falten geworfenes Kleid und Um- hang. Ihr langes Haar wellig über ihre Schultern fallend, den Blick dem Kinde zugewandt. Neben ihr stehend Caspar, dem Jesuskind einen prächtigen Pokal mit Myrrhe als Geschenk überreichend. Mit Resten der originalen Fassung, schöne Patina. H = 64 cm. 5000.—/7000.—

Provenienz: Aus altem Schweizer Besitz Kunsthandel Zürich

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146. Aussergewöhnliches Zier- und Mehrzweckschreibmöbel, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1760. Rosenholz, furniert und massiv, auf Eiche. Längsformatiger Korpus mit wenig vorstehendem, an den Ecken gerundetem Blatt mit umlaufender, profilierter Messinggalerie. Das Blatt unterteilt in drei gleich grosse, umrahmte und gefrieste Felder. Das rechte Feld mit verstecktem und verschliessbarem Klappdeckel, darunter eine herausnehmbare Lade mit Schreibkompartimenten, über einer offenen Lade für Briefpapier. Dieses herausnehmbare Fach gänzlich in Rosenholz, massiv verfertigt. Der Korpus mit ausgeschnittener Kniehöhle mit zweitürigem Schrankfach. Über der Kniehöhle eine herausziehbare Schreiblade. Seitliche, Schrankfächer mit Tablaren. Geschweift ausgeschnittene Zarge und s-förmige Beine in Sabots. Die ganzen Flächen des Möbels mit sehr fein, teils en papillon eingelegten und gefriesten Feldern. 78:98:44 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Schweizer Privatbesitz

Das hier angebotene, kleinformatige Schreib- und Ziermöbel ist von sehr feiner Qualität der Ausführung und erinnert in seiner elegan- ten Strenge an vergleichbare Möbel des Pierre IV Migeon aus der Zeit um 1750/60. In seiner Form noch ganz der Régence verhaftet, weist die freundliche und raffinierte Anwendung des Rosenholzes, aber auch die Schweifungen der Beine und die Betonung der Knie- partie unseres Möbels mit den vergoldeten Bronze-Chutes in die Zeit des Louis XV.

147. Ein Paar Doppelkürbisvasen, China, Kang-shi, um 1700. Kugeliger, hellbraun glasierter Korpus mit grau krakelierter Schulter. Mit Kugel und Nodus profilierter, hoher, schlanker Hals, bemalt in Unter­ glasurblau: blütengefüllte Reserven, einzelne Blumen und gemusterte Streifen. Sehr schöne, seltene Stücke. Eines mit kleinem Haarriss. H = 29 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz

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148. Deckeldose in Form einer Limone, Italien, um 1775–1780, Fabbrica di Pasquale Antonibon alle Nove (Periode Giovanni Maria Baccin, 1775–1802). Fayence, naturalistisch in zwei Teilen modelliert, bemalt und glasiert. In der Deckelinnenseite in Unterglasur signiert: «AIS (?)», und mit Klebezettel der Antique Porcelaine Company, Nr. 3319. 9:16,5:8 cm. 1000.—/1500.— Unsere Deckeldose in Form einer naturalistisch modellierten Limone ist ein besonders schönes Beispiel solcher Augentäuschungen oder trompe-l’œil, wie sie als Tafeldekor im 18. Jahrhundert sehr beliebt waren. In Form von kostbaren Früchten und Gemüsesorten, wie Zitronen oder Pomeranzen, Artischocken oder Melonen, gehörten sie zum Dekor ausgefallener Tafeln und waren meist mit Süssigkei- ten, wie kandierten Früchten, Compots, Gelées oder Confits, gefüllt und bedeuteten besonders beim Dessertgang einen eigentlichen Höhepunkt eines festlichen Mahles. Unsere Limone stammt aus der Sammlung Lucas aus dem 1790 erbauten und 1960 abgetragenen Landsitz Haxby Hall in York. Provenienz: Sammlung T.S. Lucas, Haxby Hall, York Antique Porcelaine Company, London

Haxby Hall, historische Aufnahme

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149. Papagei (Kakadu) in Hängering, Fayence, Manufaktur Delft, circa 1755–1770. Der Ring in gelb- lich-grünem Farbton, darin der schön modellierte und in kräftigen Rot-, Grün- und Blautönen bemalte Kakadu mit zurückgelegter Federhaube. Leuchtend blauer Schnabel und ebensolche Beine und Krallen. H = 20 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Alte deutsche Fayencen, Bayerisches Nationalmuseum, München, 1949

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150. Seltene und frühe commode en arbalète, Louis XV, Frank- reich, Paris, circa 1745, Jean-Charles Saunier (Meister ab 1743) zuzuweisen. Rosenholz, bois de violette und Citronnier, auf Eiche furniert und parkettiert. Dreiseitig geschweiftes und fein profiliertes, rot-braun-weiss durchzogenes, originales «marbre de rance»-Deckblatt über passig geschweiftem Korpus mit wellig ausgeschnittener Zarge. Die Beine s-förmig ge- schweift, die Eckstollen gerundet und gefriest. Zweischübige Front sans traverse und en arbalète geschweift. Die Schmalseiten und Schubladenflächen mit feinstem Gitterwerk in Citronnier, mit fein gravierten Blümchen an den Schnittstellen. Feinste Rokokobeschläge in Form von Voluten, Rocaillen- und Blütenwerk als Handhaben, Schlüssellochzierden, Chutes, Zargenzierden und aussergewöhnlich feinen, durchbrochen gegossenen und aus Voluten geformten Sabots. Innen mit massiven Originalschlössern. 84,5:121:55 cm. 15000.—/25000.—

Jean-Charles Saunier, Meister ab 1743

150 Detail

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Die hier angebotene Kommode ist eine besonders frühe, noch ganz den Formen der Régence verpflichtete Pariser Kommode der Zeit um 1745 und darf dem Ebenisten Jean-Charles Saunier zugewiesen werden. Eine wohl in die gleiche Zeit zu datierende und vom Meister signierte Kommode findet sich in französischem Privatbesitz und wird bei Monica Burckhardt abgebildet. Beide Kommoden weisen dasselbe Gitterwerk in Citronnier auf, welches durch feinste, gravierte Blüten verziert wird. Wie an unserer Kommode wird auch an der Kommode in französischem Privatbesitz dieses helle Gitterwerk gekonnt und kontrastreich in einen Grund von dunklem Veilchen- holz eingelegt. Die verwandte Kommode ist stärker bombiert als unser Möbel und dürfte wenig später, um 1750, zu datieren sein. Nur an einem weiteren Möbel des Meisters, einem Beistelltischchen mit drei Schubladen, welches 1939 in Paris verauktioniert wurde und bei Nicolay abgebildet wird, finden wir dieses reizvolle Gitterwerk abermals verwendet. Besonders eindrücklich sind an unserem Möbel die verwendeten Zierbeschläge in feuervergoldeter und ziselierter Bronze. Sie sind von grosser Virtuosität und haben die Qualität bes- ter Goldschmiedearbeiten. Besonders hervorzuheben sind die feinst durchbrochenen Bronzeschuhe der Kommode und die aus Voluten, Rocaillenwerk und Blumen geformten Kniebronzen, den sogenannten Chutes, wie wir sie in identischer Form nur an einem weiteren Möbel, einem bureau à gradin aus der Sammlung Lagerfeld, Christie’s Paris, 9.4.2000, Los Nr. 315, nachweisen können, welches den Meistern Oeben oder Migeon zuzuweisen ist. Jean-Charles Saunier war der ältere Sohn des Charles Saunier, dessen Werkstatt in der Rue du Faubourg Saint-Antoine er übernahm und bis circa 1760 weiterführte. Seine Arbeiten sind immer von feinster Qualität, so wie wir dies mit unserem Möbel bestätigt finden. Sein Sohn Claude Charles arbeitete in gleicher Weise wie sein Vater und wurde zu einem der bedeutendesten Ebenisten der Louis-XVI-Zeit.

Vergleiche: Monica Burckhardt, Mobilier Régence et Louis XV, 1976, S. 44 für die Kommode von J.-C. Saunier Jean Nicolay, L’Art et la Manière des Maîtres Ebenistes Française au XVIII e Siècle, Paris, 1986, S. 425, Abb. A für das dreischübige Beistell- tischchen von J.-C. Saunier

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Kupferstichvorlagen zu unseren Hinterglasgemälden

151. Ein Paar sehr feine Hinterglasgemälde, Frankreich, Paris, 18. Jh., nach François-Hubert Drouais (1727–1775). Les enfants du Marquis de Béthune avec un chien et une mandoline und Les enfants du Duc de Bouillon en costume savoyard. In Originalrahmen der Zeit. 34,5:42 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus altem Privatbesitz, Madrid

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152. Sehr feiner Teller mit Korbrand und feinem Bouquet, Sceaux, um 1763, Periode Jacques Chapelle. Sandfarbener Scherben mit weisser Glasur und polychromem Muffeldekor. Teller mit ansteigender, in Korbgeflecht durchbrochener Fahne. Auf dem Spiegel ein Bouquet mit grosser Rosenblüte, oben links ein Maikäfer. Gemarkt mit Fleur-de-Lys in Mangan. Altes Sammlungsetikett «Collection RC» und Verkäufer­ etikett. D = 23,5 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Sammlung R.C. Ingrid Loosen-Grillo

Ein Teller mit vergleichbarem Dekor, der Hand des Jean-Pierre Sonerres zu- gewiesen, findet sich in der Sammlung der Cité de la céramique in Sèvres (Inv.-Nr. MNC2746-2).

153. Teller aus dem Service des Comte Adam-Philippe de Custine, Niderviller, um 1760/1770, Jean-Louis Beyerlé. Schwach gemuldeter, mit feinem Korbflechtmuster-Relief überzogen. Schräger, mit Gittermuster versehener, durch- brochener, violett staffierter Rand. Im Zentrum zwei Palm- zweige und das Monogramm des Grafen; darüber Spruch- band: «Fais ce que tu dois arrive ce qui pourra». Aussen drei kleine Blumenbouquets. D = 23,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Adam-Philippe Comte de Custine Aus Solothurner Privatsammlung Adam-Philippe Comte de Custine (1740–1793) war eine äusserst bemerkens- werte Person des 18. Jahrhunderts. Aus einer lothringischen Adelsfamilie stammend nahm er schon im zarten Alter von sieben Jahren als Unterleut- nant im Regiment Saint-Chamans am flandrischen Feldzug des Maréchal de Saxe teil. Seine Verdienste in verschiedenen militärischen Funktionen, unter anderem nahm er am Siebenjährigen Krieg teil, brachten ihm ein Comte Adam-Philippe de Custine (1740–1793)

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eigenes Regiment ein. 1780 gab er dieses wieder auf, um am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer teilzunehmen. Dieses Engagement in Übersee und sein Abgeordnetensitz in der Nationalversammlung machten ihn auch für die Revolutionsregierung glaubwürdig, welche ihn an den Rhein entsandte. Nach der erfolgreichen Einnahme der Städte Speyer, Worms, Mainz und Frankfurt im Jahre 1792 war sein Kriegsglück aufgezehrt, was ihm als Verrat angekreidet wurde. Comte de Custine musste sich schliesslich wegen angeblichen Paktierens mit Republikfeinden und Beleidigens von französischen Kommissaren vor dem Revolutionsgericht verantwor- ten. 1793 starb er unter der Guillotine. Neben seinen militärischen und politischen Ämtern erwarb Comte de Custine 1770 die lothringi- sche Manufaktur Niderviller, welche er zusammen mit seinem Produktionsleiter Francois Antoine Anstett zu beachtlichem Erfolg führte. Dies brachte ihm den Ruf ein, «un soldat et un connaisseur» zu sein. Der zur Auktion gelangende Teller mit sehr schöner und feiner Malerei entstammt gleichermassen aus der Manufaktur wie auch dem persönlichen Besitz des Comte de Custine.

154. Gitterkorb, Sceaux, um 1770. Oval, durchbrochene Wandung. Gedrehte Astgriffe. Im Fond Rosen- zweig. L = 30 cm. 300.—/500.—

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155 Jean-Henri Riesener (1734–1806)

155. Hochbedeutender und überaus seltener secrétaire à abattant mit Schrank- und Kommodenteil, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1785, von Jean-Henri Riesener (1734–1806). Mahagoni, soge- nanntes acajou moucheté, furniert und massiv. Rechteckiges, frontseitig geschrägtes und fein profiliertes Sainte-Anne-Marmordeckblatt über passig geformtem und sehr fein kassettiertem Korpus auf wellig ausge- schnittener Zarge und Stollenfüssen. Zentrale, abklappbare Schreiblade, vor mehrschübigem, sehr fein ver- arbeitetem Innern. Über dem Schreibteil ein mit drei übereinanderliegenden Schubladen bestückter Auf- satz. Unter dem Schreibteil ein zweitüriges Schrankfach, im Innern mit sehr fein gearbeiteten Schubladen.­ Die vergoldeten Bronzezüge überaus fein ziseliert. 167:91:46 cm. 15000.—/25000.— Jean-Henri Riesener, Meister 1768

Provenienz: Kunsthandel, Paris, 1978 Französischer Privatbesitz Auktion Sotheby’s Monaco, 23. Februar 1986, Los Nr. 885 Das hier angebotene Schreib- und Archivmöbel ist wohl eines der qualitätsvollsten seiner Art überhaupt und eine prachtvolle Arbeit des französischen Hofebenisten Jean-Henri-Riesener (1734–1806) und ein Meisterwerk des Frühklassizismus. Wenn auch nicht signiert, so ist unser Möbel nur dem Meister und seiner Werkstatt selbst zuzuweisen, was auch Alexandre Pradère, der grosse Kenner des französischen Möbels des 18. Jahrhunderts, bestätigt, als er das Möbel 1986 in Monte Carlo bei Sotheby’s anbietet (300000–350000 FF). Und so findet es sich denn auch publiziert bei Pierre Kjellberg in dessen Standardwerk zum fran- zösischen Mobiliar des 18. Jahrhunderts. Unser Möbel ist von einer solch einzigartigen Qualität der Ausführung, dass man sich mehr an Goldschmiedekunst denn an Kunstschreinerarbeit erin- nert fühlt. Jede Schublade des reich gestalteten und luxuriösen Innern ist von grösster Präzision und in dieser nicht zu übertref- fen. Die Jahre um 1780–1785 sind denn auch die besten und er- folgreichsten des berühmten Ateliers, in denen grosse Aufträge 156 für die Krone zu bewältigen sind. Unser Möbel gehört zu einer

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Gruppe von zeitgleich entstandenen Arbeiten, deren Dekor ganz auf das Spiel der Furnierhölzer reduziert wird, mit nur sehr sparsamen Goldbronzen von höchster Qualität. Zu dieser Gruppe gehört etwa ein bureau à gradin, welches ebenfalls in dem kostbaren Mahagoni «moucheté» gefertigt ist und bei A. Pradère abgebildet wird. Svend Erikson bildet eine Kommode Rieseners aus der Zeit um 1775 ab, die bereits ca. 10 Jahre früher dieses gleiche, noble Konzept der Ausführung aufweist, reduziert auf Acajou moucheté, schlichte Profilleisten und wenig Goldbronzen.

Vergleiche: Pierre Kjellberg, Le mobilier français du XVIII è siècle, Paris, 1998, wo unser hier angebotener Sekretär auf Seite 715 abgebildet wird Svend Erikson, Early Neo-Classicism in France, London, 1974, Abb. 149 Alexandre Pradère, French Furniture Makers, London, 1989, S. 378, Abb. 456 für das erwähnte bureau à Gradin, ehemals Galerie Levy, Paris

156. Feiner Fussschemel, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1780. Buche, massiv, geschnitzt und vergoldet. Längsformatig und hochgepolstert, mit grünem Samtbezug. Die Zarge mit feinem Rollband ge- schnitzt. Die kreiselförmigen Beine kanneliert und sich nach unten verjüngend. Mit Inventarnummer in Kaltstempel: S 2329, und Nr. 249 in Schablone und Tinte. 21:30:35 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus französischem Schlossbesitz. Inv.-Nr. S 2329 und 249

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Die Herkulesbrücke in Berlin, Kupferstich von J.G. Riegel.

157. Fauteuil, Louis XVI, Frankreich, circa 1780. Buche oder Nussholz, weiss gefasst. Trapezförmiger Sitz über mit Zopfband geschnitzter Zarge und kannelierten, stabförmigen, sich nach unten verjüngenden Bei- nen. Die Rückenlehne mouluriert und ebenfalls mit Zopfband dekoriert. Gepolsterte Armlehnen und ge- schweifte und kannelierte Stützen. Beiger Veloursbezug mit Gitterwerk. 92:45:60:47 cm. 500.—/600.—

158. Alfred Heide (deutsch, geb. 1855). Alte Herkulesbrücke bei Abendbeleuchtung. Mischtechnik auf Mal­ karton. Unten rechts signiert und datiert «1888». 35:28 cm. 2000.—/2500.—

Provenienz: Aus Berliner Privatbesitz

Unser Aquarell zeigt eine seltene, nächtliche Ansicht der Herkulesbrücke über dem Königsgraben in Berlin, zwei Jahre vor ihrem Abriss. Rückseitig ist das Aquarell von Heide handschriftlich bezeichnet: «Die Herkulesbrücke an der neuen Promenade in den 80er-Jahren bei der heutigen Stadtbahn Börse bis Hackerscher Markt oder Burgstrasse, Monbijourichtung, der Teil der Spree ist Strasse geworden, an der ehemals hübsche Biergärten waren».

Der Königsgraben war Teil der alten Berliner Stadtbefestigung und bereits zu Beginn des 18. Jh. militärisch unbedeutend geworden. Anstelle einer ein- fachen Holzbrücke, entstand 1787/88 eine steinerne Gewölbebrücke, die bis 1890 bestand. Der Entwurf zur Brücke stammte vom Architekten Carl Gotthard Langhans, die künstlerische Ausschmückung wurde bei Johann Gottfried Schadow in Auftrag gegeben, der diese bis 1791 beendete.

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Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) Gemälde von Anton Graff

159. Bozetto zum geplanten Denkmal für den deutschen Dichter Christian Fürchtegott Gellert (Hainichen, 4.7.1715–Leipzig, 13.12.1769). Porzellanmanufaktur Meissen, 1775, modelliert von Johann Joachim Kaendler (1706–1775). Porzellan und Biskuit, unstaffiert. Auf einem mit Zopfband verziertem Sockel ein Obelisk mit Reliefmedaillon: Portrait des Christian F. Geller und bezeichnet «Gellert». Darüber schwebt ein die Fanfare blasender Putto und auf der Obeliskspitze sitzt eine Taube. Am Sockel rechts eine trauernde Muse, ein Buch in der Hand haltend, links eine Räucherurne, auf einem Buche stehend, und vorne eine kleine Engelsfigur mit Schreibfeder, im Begriffe, eine Gedächtnisinschrift auf dem Sockel anbringen zu wollen. Die Bücher und Schreibfedern weisen auf Gellerts Tätigkeit als Dichter hin. H = 29,3 cm. 3000.—/4500.— Provenienz: Sotheby’s Zürich

Unser Denkmal für Christian Fürchtegott Gellert, ganz in Porzellan und Biskuit und unstaffiert ausgeführt, zeigt in schönster Form den Übergang vom Rokoko hin zum Zopfstil. Das Gellert-Denkmal ist die letzte Arbeit, die der berühmte Modelleur Johann Joachim Kaendler für die Meissener Manufaktur ausführte. Noch einmal scheint der begabte Künstler den lieblichen Formen des Rokokos eine letzte Ehre erweisen zu wollen. Das Denkmal kam in dieser Form nicht zur Ausführung, entschloss man sich doch für eine sehr viel schlichtere Variante, die ganz die Formen des Louis XVI aufnahm. Erhalten blieb das Bozetto Kändlers, das die Manufaktur in einer kleinen Anzahl ausführte und von denen nur ganz wenige Exemplare erhalten sind. Gellert studierte Theologie und Philosophie in Leipzig, wo er seit 1745 Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral hielt. 1751 wurde er zum ausserordentlichen Professor für Philosophie ernannt. Goethe besuchte bei ihm Vorlesungen und mit Leopold Mozart stand Gellert seit 1754 in einem Briefwechsel. Leopold, seine Frau und die Kinder Wolfgang und Nannerl Mozart besuchten ihn am 3. Oktober 1766 in Zürich, auf dem Rückweg von ihrer grossen Konzertreise durch Europa.

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Schloss Kiesen

160. Sehr feine Konsole mit zugehörigem Konsolspiegel, Italien, Lucca, circa 1790. Holz, reich und fein geschnitzt und vergoldet. Weisses, rechteckiges Marmordeckblatt mit dreiseitiger, geschnitzter Umfas- sung. Sehr reich geschnitzte Zarge mit Löwenfratzen und hängenden Ziergirlanden. Der untere Teil der Zarge durchbrochen mit Rosetten geschnitzt. Sehr feine Balusterbeine mit Widderköpfen. Der Spiegel mit originalem, hochformatigem Spiegelglas in mit Akanthus und Voluten geschnitztem Rahmen. Auf aus Palmetten geformten Füssen, das Fronton überaus reich und prächtig mit zentraler Palmettenkrönung, Ranken und Schlaufen dekoriert. 164:78:45 cm. 7500.—/9000.— Provenienz: Sammlung Oberstdivisionär Roger Albert Dollfus de Volckersberg Schloss Kiesen BE Auktion Sotheby’s Zürich, November 1993, Los Nr. 261

Unsere Konsole ist wohl eine der bemerkenswertesten Schöpfungen der Luccheser Schreinermeister des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Diese sehr filigran und mit teils grotesken Masken verzierten Konsolen und Spiegel gehören sicher zu den ausdruckstarksten Möbel- schöpfungen Norditaliens. Eine identische Konsole, aus derselben Werkstatt stammend, allerdings ohne dazugehörigem Konsolspiegel fand sich in der Sammlung Rudolph Moshammer in München, weitere verwandte Möbel finden sich u.a. im Palazzo Pitti in Florenz. Oberstdivisionär Roger Albert Dollfus de Volckersberg, aus dessen Sammlung unsere Konsole und unser Konsolspiegel stammen, gehörte während der Kriegsjahre 1939–1945 als Generaladjutant zum engsten Stab von General Henri Guisan. In Schloss Kiesen, das der Familie Dollfus seit 1915 gehörte, fanden regelmässig Generalstabssitzungen statt. Die militärische Bedeutung des Verstorbenen würdigend, hielt General Henri Guisan 1948 persönlich die Abdankungsrede am Grabe seines ehemaligen Adjutanten. Vergleiche: Enrico Colle, Il mobile Neoclassico in Italia, Mailand, 2005, S. 210 bis 214 für Luccheser Spiegel und Konsolen der Zeit

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161. Sehr feine Lindenholz-Schnitzerei Corpus Christi auf dem Grabtuch, deutsch, 17. Jh. Längs­ formatig, auf gekerbtem Grund, darüber ein besticktes Kissen und das Grabtuch. Der gemarterte Körper liegend, den Kopf wenig zu seiner Rechten geneigt. Sein rechter Arm gestreckt, der linke Arm wenig über dem Lendentuch angewinkelt. Rückseitig bez. «P. Odilo Sperl/Prof. Blanck». Auf gestuftem Sockel. 6,5:26:8 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Der Überlieferung nach aus der Benediktinerabtei Plankstetten, Oberpfalz Odilo Sperl, Pater in Plankstetten, bis 4. April 1743 Sammlung Bonavita Blank, 1740–1827, Naturforscher und Fossiliensammler, Professor für Naturgeschichte in Würzburg Privatbesitz

162. Seltener Miniatur-Altarleuchter, Wien, ca. 1750, Lindenholz, geschnitzt und vergoldet. Drei­ passiger Fuss mit Voluten und Ranken. Der Schaft balusterförmig, mit zentraler Kartusche. Ausladende Tülle und blecherner, vergoldeter Tropfteller. H = 32 cm. 400.—/600.—

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Anonymer Kupferstich des 17. Jh. mit Darstellung aller Kunststücke, welche die Elefantenkuh Hansken beherrschte. Unten links das Kunststück mit der Münze

163. Stefano della Bella (Florenz, 18.4.1610–16.7.1664). Kopf der Elefantenkuh Hansken, eine Münze mit ihrem Rüssel haltend. Feder in Braun, sparsam braun laviert und schwarzer Stift auf Bütten. 10,5:11,3 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Adrian Ward-Jackson, London Galerie Katrin Bellinger, London Sammlung Monika Streiff

Unsere Zeichnung mit dem Kopf der berühmten Elefantenkuh Hansken ist wohl eine der eindrücklichsten Tierdarstellungen im Œuvre von Stefano della Bella. Bildfüllend präsentiert sich der Kopf des Elefanten – im aufgerollten Rüssel eine Münze haltend. Mit brauner Tinte, in kurzen, raschen Strichen und feinen Schraffuren aufs Blatt gebracht und mit sparsamer Lavierung modelliert, hat della Bella ein sensibles und so frappierend lebendiges und plastisches Portrait gegeben, dass der Betrachter beinahe ein Zwinkern des schmalen Auges des Tieres zu entdecken glaubt. Beim porträtierten Elefanten handelt es sich nicht um ein beliebiges Tier, sondern um Hansken, einer 1633 per Schiff aus Ceylon (heute Sri Lanka) nach Amsterdam gekommenen Elefantenkuh – ein Geschenk für Frederik Hendrik, dem damaligen holländischen Statthalter. 1636 wurde das Tier an einen Privatmann verkauft, der ihm vielerlei Kunststücke beibrachte – etwa, wie auf unserer Zeichnung gezeigt, die Fähigkeit, mit dem Rüssel Münzen vom Boden aufzusammeln – und es auf Tournee durch ganz Europa schickte. Belegt sind Auftritte in Hamburg, Bremen, Rotterdam, Frankfurt und Lüneburg und, spätestens 1655, auch in Rom und Florenz. Die Elefantenkuh war eine Sensation, nicht allein ihrer Kunststücke wegen, sondern auch weil lebende Elefanten in Europa damals äusserst selten zu sehen waren. Hansken begeisterte nicht nur ein breites Publikum, das sich an ihren Dressurakten ergötzte und das massige Tier bestaunte, es waren nicht zuletzt auch Künstler, die sich seiner Faszination nicht entziehen konnten. Rembrandt etwa hat die Elefantenkuh Hansken in Amsterdam wiederholt gezeichnet und von Stefano della Bella sind eine Reihe von Zeichnungen bekannt: Neben den berührenden Skizzen des toten, am Boden liegenden Tieres, die unmittelbar nach Hans- kens Tod am 9. November 1655 entstanden sein müssen (Städel-Museum, Frankfurt a. M., Inv.-Nr. 16827/16828) haben sich kleine szenische Skizzen erhalten, aber auch Zeichnungen wie die vorliegende, die den Kopf des Tieres ins Zentrum stellen. Della Bella scheint schon in früheren Jahren Sympathie für die Dickhäuter empfunden zu haben: In seiner um 1641 entstandenen Folge Diversi animali findet sich die Radierung «Un éléphant dirigé vers la gauche» (de Vesme/Massar, 699) und um 1547 radiert er das Blatt «L’éléphant et son cornac» (de Vesme/Massart, 143, aus: Diversi capricci).

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164. Sehr schöne Melonendose auf bemaltem Teller, Manufaktur Bayreuth 18. Jh. (?) Zweiteilig, fein modelliert und polychrom bemalt. Gefächerter Tellerrand und tiefer Spiegel, darin die von zwei grossen Blättern umklammerte, zweiteilige Melone in Grün und Gelb bemalt und appliziert mit kleiner Birne an langem Stiel mit vier Blättern. Der Teller mit Wiesenblumen, einer Tulpe und Enzian bemalt. Alte Bestossungen. 12:25 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Alte deutsche Fayencen, Bayerisches Nationalmuseum, München, 1949

Vergleiche: Albrecht Miller/Alfred Ziffer, Bayreuther Fayencen, Bestandeskatalog Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Landshut, 1994, für eine Melonendose der Bayreuther Manufaktur, S. 134, Nr. 182

165. Sehr seltene Rokokokommode, Frankreich, wohl aus der Gegend um Arles, circa 1765/70, die Schnitzereien einem Genueser Schnitzer zuzuweisen. Nussbaum, massiv, mouluriert und geschnitzt. Dreiseitig geschweiftes und profiliertes, rot-braun-weiss durchzogenes Marmorblatt, über passig geschweif- tem, zweischübigem Korpus mit Traversen. Die Zarge wellig ausgeschnitten und prächtig geschnitzt, mit Blüten und Rankenwerk, die Beine geschweift und mit Voluten verziert und in Bocksfüssen endend. Kassettierte Schmalseiten mit Rokokoeckzierden. Die Schubladenfronten in Relief aus einem Stück geschnitzt. Mit zentraler rocaillenartiger Kartusche, welche das Schlüsselloch umfasst, seitlich davon mit Girlanden, Blumen und Musikinstrumenten, dazwischen Narrenfiguren und schönstes Rokokozierwerk. Vergoldete Bronzehandhaben und Schlüssellochzierden. 87:123:57 cm. 5000.—/8000.— Provenienz: Aus einer alten Privatsammlung Die hier angebotene südfranzösische Kommode ist mit ihren feinen Reliefschnitzereien und der virtuosen Schnitzerei der Frontzarge, eines der schönsten Beispiele der französischen Kommodenmöbel der Provence und dürfte in der Gegend um Arles entstanden sein. Der besonders feine holzbildhauerische Schmuck unseres Rokokomöbels wird traditionsgemäss einem Genueser Künstler zugeschrie- ben, was wohl auch zutreffen dürfte, waren doch viele gut geschulte Genueser Handwerker in den südfranzösischen Regionen tätig. Unser Möbel eifert mit ihrem Marmordeckblatt den Pariser Modellen nach, besitzt aber den ganzen Charme eines hochstehenden Möbels aus der Provinz.

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166. Sehr feiner Barockspiegel mit Hinter- glasmalerei nach Johann Elias Riedinger, süddeutsch, erste Hälfte 18. Jh. Holz, ebenisiert und mouluriert. Hochformatiges Spiegelglas in bastionsartig ausgeschnittenem Rahmen. Das Fronton ebenfalls in Bastions- form und mit eingelassenem Hinterglasge- mälde, eine Hirschjagd darstellend. 86:56 cm. 1200.—/1600.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

167. Maria immaculata, Wien, circa 1740. Lindenholz, polychrom gefasst und vergoldet. Auf einem fein profilierten und marmorier- ten Sockel mit seitlichen Voluten steht die Muttergottes, mit ihrem rechten Fuss auf die sich um die Erdenkugel windende Schlangen- Drachen-Figur. Ihr linker Fuss auf der Mondsichel. Maria mit weissem Gewand und blauem Umhang in schönstem Faltenwurf. Ihr Haupt bedeckt durch ein grünfarbenes Kopftuch. Die Hände gefaltet, ihr Blick nach rechts unten geneigt. Ein prächtiger Strah- lenkranz rückseitig der Figur. H mit Sockel: 35 cm. 2000.—/2500.—

Provenienz: Sammlung Dr. William M. Milliken (1889–1978), Direktor des Cleveland Museum of Art Auktion Sotheby’s London, 23.5.1974, Los 124 Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

William Mathewson Milliken (1889–1978) war ein be- rühmter Spezialist für die Kunst des Mittelalters und von 1930 bis 1958 Direktor des Cleveland Museum of Art. Millikens Vater war ein vermögender Leinenproduzent in New York. 1907 trat Milliken in Princeton ein, von wo er nach erfolgreichem Abschluss ans Metropolitan Museum of Art nach New York kam. Unter dem be- rühmten William R. Valentiner fand Milliken in der Ab- teilung für Kunsthandwerk Anstellung und wurde alsbald mit der mittelalterlichen Sammlung J.P. Morgans bestens bekannt, welche damals als Leihgabe im Museum ausge- stellt war und die er eingehend studierte. Milliken, der Europa mehrfach besucht hatte, wurde zu einem eigent- lichen Experten der Kunst des Mittelalters. 1919 wech- selte er als Kurator zum Cleveland Museum of Art und wurde 1930 zu dessen Direktor gewählt. In den Jahren bis zu seinem Rücktritt 1958 machte Milliken das Museum zu einem der bedeutendsten Institutionen seiner Art in den Vereinigten Staaten. Millikens Privat- sammlung: A Distinguished Collection of Small Wood Carvings formed by Dr. William M. Milliken, wurde am 23. Mai 1974 durch Sotheby’s London ver­ steigert. Die Sammlung wurde vorher in München aus- gestellt und Fischer-Böhler erstand daraus in London einige der bedeutendsten Objekte, darunter als Los 167 die hier angebotene Maria immaculata.

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168. Grosse Rotlack-Chinoiserie-Kassette als Reiseschreiblade, Holland, wohl Amsterdam, circa 1720. Koromandelholz, furniert und massiv. Längsformatige Kassette, mit Rotlackfassung und feinster Bemalung mit Chinoiserien in Form von Figuren und Vögeln in kleinen Vignetten. Als Rahmung der Vignetten feinstes Rankenwerk und Fächermotive. Die Rückseite mit grossen Blütenzweigen über die ganze Fläche. Die Front abklappbar als Schreibfläche. Im Innern mit vier Schubladen von unterschiedlicher Grösse. Seitliche Geheimlade und zwei weitere Geheimladen über den Schubladen. Mit geöffnetem Deckel erschliesst sich ein grosses Fach für Dokumente. Sehr reiche und fein geschnittene und vergoldete Messing- zierbeschläge über die ganzen Flächen. Randzierden und herzförmige Schlossplatten. 44:74:44 cm. 10000.—/15000.— Provenienz: Aus altem englischem Besitz Auktion Sotheby’s London, 11.12, 1992, Los Nr. 75

Die hier angebotene Schreib- und Dokumentenkassette ist wohl eine der grössten ihrer Art und wohl die einzige in diesem Format er- haltene in europäischem Rotlack in Imitation von asiatischem Lack. Das sehr seltene aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, stammende Macassar-Ebenholz, auch Koromandelholz genannt, wurde von den holländischen Kolonialherren in Ceylon als besonders seltenes Tropenholz nach Europa importiert. Das im Innern auf Eiche gearbeitete Ziermöbel ist in seinem Äusseren von besonderem Charme, mit kleinen Vignetten von Chinoiseriesujets. Die vergoldeten Messingzierden unserer Schreibkassette, verleihen dem Möbel durch ihren Reichtum ein prachtvolles Aussehen und lassen vermuten, dass unsere Kassette für einen bedeutenden Auftraggeber gefertigt wurde. Der Typus dieser Reiseschreibschatullen war in der Zeit um 1720–1740 in Deutschland und Holland sehr beliebt.

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169. Peruzzini, Antonio, Francesco (Ancona, 1643 – Mailand, 1724). Weite Landschaft mit Wanderer, vor einem Wegkreuz kniend. Öl auf Leinwand, 51:73 cm. In originalem Rahmen des 17. Jh. 5000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

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Abbildung im Katalog C.G. Boerner, Leipzig, 1924, Sammlung Geheimrat A. Köster

170. Nicolas Lagneau (1590–1666). Brustbild eines vornehmen Herrn mit Spitzbart und Halskrause. Farbige Pastellkreide auf Papier, Oben rechts datiert: «Ce 25 me juillet 1617». 40:28,5 cm. 6000.—/9000.— Provenienz: Sammlung Geheimrat A. Köster Leipzig Auktion C.G. Boerner, Leipzig, 13. November 1924, Los Nr. 243, Tafel 23

Unsere Zeichnung mit Brustbild eines vornehmen Herrn mit Spitzbart und Halskrause gehört zu den bedeutendsten Arbeiten des in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Paris tätigen Künstlers Nicolas Lagneau. Hier wird besonders in der fein ausgearbeiteten Gesichts- partie des Dargestellten die Nähe und der Einfluss von Rembrandts Frühwerken spürbar. Unser Blatt stammt aus der bedeutenden Handzeichnungssammlung des Geheimrats Albert Köster in Leipzig, die am 13. November 1924 durch C. G. Boerner versteigert wurde. Die Zeichnung wurde schon damals als vorzügliche Arbeit des Künstlers bezeichnet und im Sammlungskatalog, zusammen mit einem weiteren Werk des Künstlers, abgebildet.

Ende 1. Teil 15 Minuten Pause

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171. Jean-François Millet (Antwerpen, 27.4.1642 – Paris, 3.6.1679) zugeschrieben. Hügelige Landschaft mit Gebirge im Hintergrund. Öl auf Leinwand. 98:135 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Galerie Kurt Meissner, Zürich

Unser Gemälde einer weiten, hügeligen Landschaft mit Gebirge im Hintergrund und Wandersleuten stammt aus altem Zürcher Privat- besitz und wurde durch Kurt Meissner als Arbeit des Antwerpener Malers Jean-François Millet zugeschrieben. Die Komposition unse- rer Landschaft erinnert an ein Werk des Künstlers im Ashmolean Museum of Art and Archaelogy. Millet arbeitete hauptsächlich in Paris, scheint aber auch England und Holland besucht zu haben. Es haben sich keine signierten oder dokumentierten Gemälde des Meisters erhalten, doch können einige seiner Arbeiten durch frühe druckgrafische Arbeiten zugewiesen werden. Millets Arbeiten sind von Poussin und Dughet beeinflusst und weisen romantische Details auf, wie wir sie im Werk von Salvator Rosa kennen.

172. Aussergewöhnlich feiner und grosser Régence-Spiegel, sog. miroir à fronton et parecloses, Frank- reich, Paris, circa 1715–1720. Holz, geschnitzt und vergoldet. Hochformatiges Spiegelglas in fein profi- liertem innerem Rahmen. Der äussere Rahmen mit geschliffenen Spiegelpaneelen belegt, die Ecken reich geschnitzt mit weiblichen Mascarons und feinem Rankenwerk in durchbrochener Arbeit. Das Fronton ge- treppt und mit von Rankenwerk umrahmtem, weiblichem Mascaron bekrönt. Seitlich davon mit ver- schlungenen Akanthusranken und Voluten. Originale Vergoldung und Spiegelgläser. 175:93 cm. 10000.—/15000.— Provenienz: Aus einer Genfer Privatsammlung

Unser prächtiger Régence-Spiegel ist das Werk eines hochbegabten Bildschnitzers und hat seine ursprüngliche Vergoldung und die originalen Spiegelgläser erhalten. Die feine und beinahe filigran wirkende Schnitzerei unseres Spiegels lassen ihn ganz ohne Zweifel einer Pariser Werkstatt der Zeit um 1715 zuweisen. Der Spiegel selbst ist noch stark dem Stil Louis XIV verpflichtet, doch entspricht sein elegant durchbrochenes Fonton schon ganz dem frühen Régence-Stil, wie er ganz besonders in Paris beliebt war. Ein künstlerisch so anspruchsvoller und im Aufbau so ausgewogener Spiegel würde den Salon eines aristokratischen Auftraggebers geziert haben.

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173. Ungewöhnlicher Fussschemel in Elfen­bein, Indien, circa 1840. Hartholz, mit Elfenbein belegt. Quadratische Form mit Joncgeflecht. Die Elfen- beinplättchen sehr fein mit Blumen, Vögeln und umrahmendem Zierband graviert. Die Ecken mit Messingbändern verstärkt, auf rosettenartig ge- schnitzten Elfenbeinfüsschen. 10:32:32 cm. 500.—/800.—

174. Sehr seltener Drachenteppich, wohl aus der Werkstatt des Theodore Tuduc, um/vor 1930. Längsformatiges Feld mit umlaufender Bordüre mit stilisiertem Blüten- und Rankenwerk. Das innere Feld in feinen Blau-, Rot-, Grün- und Senftönen geknüpft, dazwischen Medaillons von Altrosa. Mit Drachen, Vögeln und rennenden Tieren, dazwi- schen Rankenwerk und prächtige Rosetten und Blütenbäume. 323:181 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz Der hier angebotene Teppich gehört zu einer kleinen Gruppe von Drachenteppichen, welche nach frühen kaukasischen Vorbil- dern geknüpft wurden. Alle diese Teppiche, von denen sich ein identisches Exemplar in einer alten Zürcher Privatsammlung be- findet und ein weiteres durch Sotheby’s London, am 1. Novem- ber 2016, Auktion Rugs and Carpets, Los Nr. 23, angeboten wurde, werden der berühmten Werkstatt des Theodore Tuduc zu- geschrieben und sind von ausserordentlicher Qualität der Ausfüh- rung. Der hier angebotene Teppich stellt ein eigentliches Pendant zum Teppich aus der Londoner Auktion dar und ist von gleichen Ausmassen. Tuduc war einer der berühmtesten Teppichrestaura- toren seiner Zeit und fertigte in bewusster Täuschung Kopien an- tiker kaukasischer Teppiche an, welche sich heute u.a. in sehr bedeutenden Museen finden. Die Qualität dieser Tuduc-Teppiche Drachenteppich aus der Werkstatt des Theodore Tuduc. ist so beeindruckend und kommt den frühen Exemplaren so nahe, dass sie selbst zu Sammlerteppichen wurden. Von den bekannten Teppichen des Ateliers Tuduc ist der hier angebotene sicher einer der besonders schönen. Im Islamischen Museum in Berlin fand sich bis 1945 ein Fragment eines grösseren Teppichs, welcher von Theodor Graf in Damaskus gefunden wurde. Dieses leider kriegsverlus- tige Fragment zeigte frühe Motive des Dekors auf, denen unser Teppich nachempfunden und durch Tuduc umgesetzt wurde.

Vergleiche: Serare Yetkin, Early Caucasian Carpets in Turkey, London, 1978, Bd. 1, S. 8–40, für die frühen Drachenteppiche und die Entwicklung ihre Motive

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175. Sehr feines bureau à cylindre, Roentgen-Umkreis, westdeutsch, circa 1780/90. Mahagoni, massiv und furniert. Längsformatiger Korpus auf kannelierten, sich nach unten verjüngenden Vierkantbeinen mit angedeuteten Sabots. Die Zarge mit drei nebeneinander angeordneten Schubladen und zwei seitlichen, ausziehbaren und mit goldgeprägtem, grünem Leder bezogenen Tiretten. Der Schreibaufsatz mit Zylinder- verschluss und herausziehbarem, ebenfalls lederbezogenem Schreibblatt. Das Innere mit drei angedeuteten und drei ausziehbaren Schubladen sowie drei offenen Briefkompartimenten. Abschliessend mit drei schma- len Friesschubladen, wobei die mittlere Schublade mit einem aufklappbaren Notenständer in Kirschholz versehen ist, die beiden seitlichen Schubladen als Schwenkfächer, darin Tablare für Kerzenstöcke. Abschlies­ send mit feiner, durchbrochener Messinggalerie mit Vasenaufsätzen. Messingkannelüren, Messingzierleis- ten, Zugringe und Schlüssellochzierden. Die Schreibfläche mit grünem, goldgeprägtem Leder besetzt. Das Schlüsselloch des Zylinderverschlusses mit den Initialen SvG wohl für Sophie von Grunelius, geb. Wachs, oder früher. 122,5:123:66 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Familie von Grunelius, Frankfurt a.M. Wohl an Sophie von Grunelius, geb. Wachs (1838–1912) Ernst Max von Grunelius (1901–1987) Auktion Sotheby’s Zürich, November 1995, Los Nr. 202 Kunsthandel Lugano Unser bureau à cylindre ist ganz in der Tradition und wohl von einem Mitarbeiter der Roentgen-Werkstatt geschaffen, von hervorragen- der Qualität der Ausführung, und versteckt im Innern einen ausziehbaren und aufklappbaren Notenständer mit seitlichen Schwenktab- laren für Kerzenstöcke, wohl einem speziellen Wunsch des ursprünglichen Auftraggebers entsprechend. Das aus dem Besitze der Frank- furter Familie Grunelius stammende Schreibmöbel dürfte in der Zeit um 1780-1790 entstanden sein. Möglich wäre als Erstbesitzer der Frankfurter Kaufmann Peter Grunelius, (1739–1810), Vater des Joachim Andreas Grunelius (1776–1852), dem Gründer des Frankfurter Bankhauses Grunelius & Co. Letzter Besitzer des bureau à cylindre war Ernst Max von Grunelius (1901–1987), bis zu dessen Tode das alte Frankfurter Bankhaus in Familienbesitz geblieben war. Die Grunelius nannten sich bis 1577 Grünling und liessen sich im 17. Jahr- hundert in Frankfurt am Main nieder. Die Grunelius waren vor allem im Tuch- und Wollwarengeschäft seit 1730 erfolgreich tätig. Seit der Gründung der Privatbank­ Grunelius & Co. durch Joachim Andreas Grunelius, im Jahre 1824, gehörten sie zu den bedeutenden Frankfurter Bankiersfamilien.

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176. Luigi Bienaimé (Carrara, 4. März 1795 – Florenz, 17. April 1878), Bozetto zu Lie- gende Bacchantin, 1837/38, Terracotta. Mit Überfang. Auf profiliertem und vergoldetem Holzsockel. L = 24 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Der Überlieferung nach aus dem Besitze König Wilhelm I. von Württemberg Alter Zürcher Privatbesitz Unsere liegende Figur einer Bacchantin mit Weinglas und Krug ist der Bozzetto von Luigi Bienaimé zu seiner in Car- rara-Marmor ausgeführten Plastik der Liegende Bacchantin von 1838, welche der Künstler u.a. für König Wilhelm I. von Württemberg für Schloss Rosenstein herstellte und die sich heute im Besitze der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg im Säulensaal der Staatsgalerie Stutt- gart befindet. Weitere Skulpturen der liegenden Bacchantin finden sich von Bienaimé in der Hermitage in St. Petersburg und im Latvian National Museum of Art. König Wilhelm I. von Württemberg hatte, inspiriert von den Sammlungen in Rom und Florenz, zwischen 1839 und 1864 Schloss Rosen- stein mit einer Vielzahl von Gemälden und Skulpturen aus- gestattet. Hatte er zunächst nur Kopien bekannter Meister- werke der italienischen Sammlungen anfertigen lassen, so bestellte und kaufte er jedoch schon bald Eigenentwürfe von jungen und teilweise noch unbekannten Künstlern. Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte die königlich-württembergi- sche Skulpturensammlung bereits zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa und war nur vergleichbar mit der Sammlung der russischen Grossfürsten Nikolaus und Paul von Russland. Luigi Bienaimé arbeitete in Rom im Atelier des Bildhauers Bertel Thorvaldsen und wurde später zu des- sen Werkstattleiter. Luigi Bienaimé, Liegende Bacchantin, um 1838. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Register Seite 111–112 187

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177. Transition-Kommode, Louis XV/Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1770/75, signiert von Daniel de Loose (–1767). Satinholz, massiv und furniert. Längsformatiges, originales, profiliertes und bastionsartig ausgeschnittenes rosa-gelb-braun durchzogenes «brocatelle d’Espagne»-Marmordeckblatt über zweischübigem Korpus sans traverse. Die Frontstollen geschrägt und in wenig geschweifte Beine überge- hend, die Zarge wellig ausgeschnitten. Vergoldete und ziselierte Bronzen in Form von Zugringen, Schlüs- selloch- und Zargenzierden, Sabots und Chutes. 86:96:51 cm. 5000.—/7000.— Daniel Deloose, auch de Loose, Meister ab 1767 Provenienz: Aus Zürcher Privatbesitz

Die hier angebotene Kommode ist ein sehr typisches Werk des Pariser Ebenisten Daniel de Loose, der seine Werkstatt in der Rue du Faubourg Saint-Antoine führte. Neben einer grossen Privatkund- schaft belieferte de Loose als Unterakkordant u.a. auch den berühm- ten Jean-Henri Riesener mit Möbeln von hoher Qualität. Unsere Kommode weist die von de Loose an verschiedenen seiner Möbel anzutreffende Zargenzierde, Chutes und Sabots auf. Von dem hier angebotenen Kommodenmodell findet sich eine bis auf den Marmor praktisch identische Kommode in Versailles, im , wel- che über Jean-Henri Riesener am 16. Juli 1774 geliefert wurde und von Daniel de Loose gefertigt wurde «...pour le service du Nouveau Pavillon de Trianon».

Vergleiche: De Versailles à Paris. Le Destin des collections royales, Centre cultu- rel du Panthéon, Paris, 1989, Nr. 54

178 Ein Paar Kerzenstöcke, China, Compagnies- des-Indes, Porzellan. Flacher Fuss und mehrfach profilierter Schaft. Bunter Blumendekor. H = 21 cm. 178 300.—/500.—

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Neues Schloss Meersburg, Gartenfront

179. Sehr seltener und bedeutender Rokokospiegel des Joseph Anton Feuchtmayer (1697–1770), mit dem Wappen des Konstanzer Fürstbischofs Kasimir Anton von Sickingen, Reichsfreiherr von und zu Hohenburg (1684–1750, reg. 1743). Holz, fein geschnitzt, vergoldet, versilbert und polychrom ge- fasst. Hochformatiger Spiegelrahmen, reich geschnitzt mit Volutenwerk und Ranken in Rokokomanier. Das Fronton mit dem Wappen des Fürstbischofs, darüber ein bekrönter, nach links blickender Putto, voll- plastisch geschnitzt und mit originaler Fassung erhalten. Geschliffenes, originales Spiegelglas. 100:60 cm. 4000.—/7000.— Provenienz: Ehemals Neues Schloss Meersburg Schweizer Privatbesitz

Unser prächtiger Rokokospiegel mit dem Wappen des Konstanzer Fürstbischofs, Kasimir Anton von Sickingen, Reichsfreiherr von und zu Hohenburg (1684–1750), und dem bekröntem Putto mit lockigem Haar ist der Hand des berühmten süddeutschen Bild- schnitzers Joseph Anton Feuchtmayer (1696–1770) zuzuweisen. Die Schnitzerei des Puttos und die sehr feinen, leicht grottenhaften Rankenschnitzereien entsprechen identischem Schnitzwerk, wie sie Feuchtmayer in der zwischen 1746 und 1749 erbauten Wall- fahrtskirche Birnau am Bodensee schuf. Der aussergewöhnliche Spiegel ist wohl einer von zwei Spiegeln, welche in einer Zah- lung des Zisterzienserklosters Salem an Joseph Anton Feucht- mayer erwähnt und im Rentkammer-Rodel von 1753/54 einge- tragen sind:

«Ausgaab Gelt. Denen Kunst- und Handt-Werckhs-Leuthen Bildhawer und Stuckhador: Dem H(errn). Feichtmeyer, sein nach dem schein N: vor 2 Spiegel- Rahmen a 8f t (hut) 16f. Dann zwei kleinere Rahmen auff Mör- spurg, mit dem Roth und Siging. Wappen, p. 12 f zusammen den 27to 7bris 1753 bezahlt 28.–»

Angesprochen sind die Wappen des Konstanzer Fürstbischofs Franz Konrad von Rodt (1706–1775, reg. 1750) und seines On- kels und Vorgängers Kasimir Anton von Sickingen (1684–1750, reg. 1743), deren Residenz das Neue Schloss in Meersburg war. Vergleiche: Rentkammer Rodel 1753/54 Generallandesarchiv Karlsruhe 62/9257 (S. 358)

Unser Dank gilt Frau Andrea Huber, Darmstadt, für die Erfor- schung der Provenienz des hier angebotenen Spiegels.

Kasimir Anton von Sickingen (1684–1750)

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180. Schönes Rokokokanapee, Zürich, um 1760. Buche, massiv und fein geschnitzt. Längsformatiger, drei- fach unterteilter Sitz mit losem Sitzkissen und Joncgeflecht. Die Zarge mouluriert, mit Blumen geschnitzt und wellig ausgeschnitten. Auf acht s-förmigen Beinen ruhend. Gepolsterte Armstützen und wenig nach hinten geneigte Rückenlehne mit Joncgeflecht und jochartigem Abschluss. Rankenschnitzerei, dazwischen Rocaillenmotive und Blumen. 96:50:200:65 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Aus dem Besitze von Nach- fahren des Johann Caspar Lavater (1741–1801) Alter Zürcher Privatbesitz Auktion Sotheby’s Zürich, November 1990, Los Nr. 257

181. Caisse à oignons, Sceaux, um 1760. Quadratisch, auf Akan­ thusfüssen. Fein relie- fierter, bunter Dekor mit Tieren an der Tränke.­ Purpurrot schraffierter Rand. Mit gelochtem, losem Einsatz. Minim bestossen. H = 12,5 cm. 400.—/500.—

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182. Ein Paar seltene Krüge, Meissen, um 1750. Gedrungener, eiförmiger Korpus auf wenig profiliertem Stand­ring. Eingezogener, steiler Hals mit profiliertem Mündungsrand, Deckel aus graviertem Vermeil mit Erdbeerknauf. Henkel und Röhrenausguss naturalistisch gestaltet als Ast mit halbplastischen Blümchen. Äusserst fein gemalter Blumendekor mit grossen, losen Bouquets mit jeweils zwei dominierenden Blumen. Auf dem Hals kleine Zweige. Schwertermarke. H = 32 cm. 2000.—/3000.—

183. Ein Paar schöne und seltene Konzert­hocker, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1750. Buche, geschnitzt, grau-blau gefasst und gehöht. Hochgepolsterter Sitz mit dunkelblauem­ Seidenvelours bezogen. Die Zarge mouluriert und wenig gebogen. Hohe, s-förmig geschweifte Beine, geschnitzt mit Akanthus, Blumen und Voluten. H-förmige Stegverbindung. 51:35:35 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus Schweizer Privatbesitz

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184. Sehr feine und bedeutende commode à fleurs, Transition Louis XV/Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1770, signiert A. Couturier und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Rosenholz, Ahorn, teils gefärbt und fein graviert, Satinholz, bois de violette und Palisander, furniert und reich eingelegt. Dreiseitig geschweiftes und profiliertes «Brêche d’Alep»-Marmordeckblatt über zweischübigem, dreiseitig geschweiftem und gebauchtem, sehr elegantem Korpus, über wellig ausgeschnittener Zarge und ausstehenden Beinen in frontseitigen Sabots. Die Front sans traverse und überaus fein eingelegt mit einem Blüten- und Rosenstrauss auf teils geriegeltem Ahornfeld, umrahmt von grün gefärbtem Mäanderband und Rosenholz. Die Schmalseiten gleichermassen gestaltet. Sehr feine, feuervergoldete Bronzebeschläge aus Zugringen, Schlüssellochzierden, Zargenzierden, Sabots und Beinfassungen. 86:80:40 cm. 8000.—/12000.— Antoine Léonard Couturier, Meister ab 1767

Provenienz: Schweizer Privatbesitz

Die hier angebotene Kommode ist ein besonders feines Möbel der Übergangszeit der Epochen Louis XV und Louis XVI und nimmt die Frühformen des style à la crecque auf in den klaren und eleganten Linien des Möbels und insbesondere in der Umfassung der Marketeriefelder mit Mäanderband. Antoine Léonard Couturier war Sohn des Ebenisten Jean-Baptiste Couturier und hatte sein Atelier in der Rue de la Grande-Truanderie, wo er bis 1775 erwähnt wird. Die Feinheit der Marketerie unserer Kommode erinnert an die hoch- stehenden Einlegearbeiten, wie wir sie etwa in den Werken des berühmten Pierre Antoine Foullet finden, wo ebenso die betonten, sehr feinen Schattierungen der Bein- und Zargenlinien in Veilchenholz und Palisander zu finden sind. An einem bonheur du jour und einem Sekretär von Meister Maurice-Bernard Evald, beide um 1770–1774 zu datieren, findet sich Blumenmarketerie von gleicher Feinheit. Von wem der Meister unserer Kommode mehr beeinflusst war, können wir nicht abschliessend feststellen, jedenfalls dürften ihm die Frühwerke der bedeutendsten Meister der Übergangszeit nicht unbekannt gewesen sein und es ist ihm mit dem hier angebotenen Möbel ein Meisterwerk gelungen.

Vergleiche: Svend Erikson, Early Neo-Classisism in France, London, 1972, Abb. 139, 140, 152 und 153 zum Vergleich der Marketeriebilder von Evald und Foullet

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185. Pariser Schule, 2. Hälfte 18. Jh. Portrait eines Edelmannes, der Überlieferung nach ein Portrait des Jacques Necker, Finanzminister unter Ludwig XVI. Rötel auf Papier. 34.5:26 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus Genfer Privatbesitz

186. Marmorgruppe der Venus, Amor an ihrer Brust nährend, Frankreich, Paris, circa 1775, Um- kreis des Étienne-Maurice Falconet (1716–1791). Carrara-Marmor auf originalem, kanneliertem weiss- grau durchzogenem und profiliertem Marmorsockel. Die Figur der Venus, auf einen Baumstrunk sitzend, ein Tuch in Falten drapiert. In ihren Armen hält sie den kleinen Amor, ihren Blick ihm zugeneigt. Alte Fehlstelle. H mit Sockel: 41,5 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Aus adligem, deutschem Besitz

Eine identische Version dieser Gruppe findet sich in der Wallace Collection in London, Venus nursing Cupid und wurde früher Étienne- Maurice Falconet zugeschrieben, doch geht man heute davon aus, dass sie von Jean Broche (1740 – nach 1801) geschaffen wurde. Die Gruppe in London weist einen weissen beinahe identischen Marmorsockel auf, doch ist unser Sockel sehr viel eher der Zeit um 1765– 1775 zuzuweisen und möglicherweise auch die Gruppe selbst, die eine sehr hohe Qualität aufweist, eher in den näheren Umkreis Fal- conets zu stellen oder ihm selbst und seiner Werkstatt zuzuweisen.

Vergleiche: J.G. Mann, Wallace collection SCULPTURE, London, 1981, Tafel 9, S28

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Pierre Jaquet-Droz, 1721–1790

187. Äusserst seltene und bedeutende Tag-Nacht-Uhr von Pierre Jaquet-Droz (1721–1790), La Chaux- de-Fonds, circa 1780. Bronze, vergoldet, Ebenholz und ebenisierte Hölzer. Hochformatiges Gehäuse in Form eines Zierturmes mit aufgesetztem türkischen Pavillon, einem sogenannten Kiosk. Der Sockel drei­ seitig mit rosettenverziertem Wellenband in vergoldeter Bronze auf Ebenholz bzw. ebenisiertem Holz appliziert. Seitliche Sockel, welche die kannelierten, korinthischen Säulen tragen. Die Säulen selbst stützen den von Ziervasen auf Podesten begrenzten und mit einer umlaufenden Balustrade versehenen Aufbau mit dem zentralen, achteckigen Pavillon als prunkvollem Zelt in Form eines türkischen Kiosks. Dieser Pavillon mit klappbarem Deckel und abschliessender Öffnung zum Entweichen des Kerzenrauches für die Nach- tuhr. Die Front mit weissem Emailzifferblatt für römische Stunden- und arabische Minutenzahlen. Die vergoldeten Zeiger sehr fein ziseliert und durchbrochen. Unter dem Zifferblatt eine mit Girlanden und Palmetten umrahmte Emailkartusche, darauf ein Blumenbouquet und zwei Urnen in feiner Grisaille-Male- rei. Die Frontplatte sehr fein graviert. Beide Schmalseiten mit verschliessbaren Türchen, darauf feine euro- päische Lackmalerei in Imitation von asiatischem Lack. Die Rückseite mit grossem Paneel, darin die durch- brochen angezeigte und stoffhinterlegte Ansicht der Nachtuhr in Form einer Rokokopendule, verziert mit Rankenwerk und Blumen. Zifferblatt mit römischen Zahlen. Die Zeigerscheibe mit durchbrochenem, stoffhinterlegtem Zeiger. Innen mit originalem Schälchen für das Talglicht. Siebentagewerk mit Stunden- und Viertelstundenschlag auf zwei Glocken. Messingschutz des Werkes zum Talglicht hin. Eine Welle verbindet das Werk mit dem Zifferblatt der Nachtuhr. 46:25:20 cm. 20000.—/30000.— Provenienz: Aus einer Zürcher Privatsammlung

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Unsere Tag-Nacht-Uhr gehört zu einer sehr klei- nen Gruppe von nur drei identischen Exemplaren, welche dem berühmten Uhrmachermeister zuge- wiesen werden können. Eine dieser drei Uhren ist von Pierre Jaquet-Droz (1721–1790) signiert und findet sich in einer deutschen Privatsammlung. Eine weitere, deren seitliche Lackpaneele im Dekor etwas abweichen, konnte durch Antiquorum in Genf, in der Auktion vom 15. Mai 2005, Los 2006, zugeschlagen werden (Fr. 55000.–). Die dritte die- ser Uhren ist unser Exemplar und mit dem zusätz- lich gravierten Zierblatt der Front, die wohl schönste dieser drei Uhren. Bis zur Entdeckung der signierten Tag-Nacht-Uhr in der deutschen Privat- sammlung im Jahre 1960 war keine einzige Nacht­ uhr von Pierre Jaquet-Droz nachzuweisen. Im Juni 1963 publizierte Hans von Bertele die besagte Uhr und die bei Antiquorum angebotene in einem Arti- kel Speculum Otis, Nachtuhren von Jaquet-Droz. Zu diesem Zeitpunkt war die hier angebotene Uhr noch nicht publiziert und fand sich in einer Zür- cher Privatsammlung. Die Nachtuhr bzw. das Nachtzifferblatt unserer Uhr, wird durch eine Welle mit dem Werk verbunden. Eine Dreh- scheibe, auf welcher der feste Zeiger durchbrochen eingeschnitten wurde, zeigt die genaue Zeit auf einem Zifferring mit römischen Zahlen. Im Gegen- satz zur frühklassizistischen Form der Tagesuhr, wie sie sich frontseitig des Werkgehäuses zeigt, hat Jaquet-Droz auf allen drei Uhren die Nachtuhr, bzw. das Gehäuse der Nachtuhr als Rokokopen- dule dargestellt, mit geschweiftem und aus Ranken geformtem Zierrat. Ein Talglicht, dessen originale Schale bei unserer Uhr erhalten geblieben ist, er- hellt den Innenraum des Werkgehäuses, wodurch 187 die ausgeschnittenen Linien des Zifferringes und die Konturen des Rokokogehäuses der Nachtuhr erhellt werden. Damit der Rauch und die Hitze nach oben hin entweichen konnten, wurde das Zeltdach des Pavillons mit einer abschliessenden Öffnung versehen. Zusätzlich konnte auch das ganze Zeltdach dank einem Scharnier nach hinten gekippt werden. In unserer Uhr wird das Genie des berühmten Uhrmachers, der u.a. durch seine Auto- matenuhren weltberühmt wurde und diese bis nach Spanien an den Hof König Ferdinand VI nach Madrid lieferte, erkennbar. Mit dieser Tag-Nacht- Uhr, ist dem erfinderischen Uhrmacher und Mechaniker ein Werk von grosser Eleganz und Qualität gelungen. Pierre Jaquet-Droz und sein Sohn Henri-Louis (1752–1791) unterhielten in London, Paris und Basel Zweigstellen.

Vergleiche: Hans von Bertele, Speculum Otis, Nachtuhren von Jaquet-Droz, Juni 1663 Charles Perregaux und François-Louis Perrot, Les Jaquet-Droz et Leschot, Neuchâtel, 1916

Tag- und Nachtuhr, Pierre Jaquet-Droz, La Chaux-de-Fonds, Auktion Antiquorum, Genf, 2005

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188. Ein Paar Kerzenstöcke, Empire, Frankreich, Paris, 1. Viertel 19. Jh. Bronze, vergoldet. Runder, wenig profilierter und fein guillo­ chierter Fuss und zylinderför- miger, in die Tülle überge- hender, ebenfalls guillochierter Schaft mit ausladenden Tropf- tellern. H = 28,5 cm. 400.—/600.—

189. Sehr seltene und unge- wöhnliche Konsole und Konsolspiegel, Italien, circa 1790/1800, in etrurischem Stil. Holz, geschnitzt, kanne- liert, gefasst, lackiert und teil- vergoldet. Bastionsartig ausge- schnittenes, weisses, wenig grau durchzogenes Marmor- blatt über passig geformter Wilhelm Kose, etrurisches Zimmer, ehemals im Potsdamer Stadtschloss Zarge und kannelierten, sich nach unten verjüngenden Vierkantbeinen. Die Zarge selbst mit einem sehr feinen Fries von rollendem Akanthus, dazwischen Pfeile. Die Ecken betont vorstehend und mit Medaillons verziert, darin römische Imperatoren. Über dem gelackten Fries ein umlaufender Abschluss in Form eines fein geschnitzten Eierstabes mit Akanthus. Wandseitig stehen die Beine vor und dienen gleichzeitig als Stützen für die mobilen Postamente auf denen eine weibliche und eine männliche, vollplastisch geschnitzte Büste angebracht sind. Der hochformatige Spiegel mit einem Profil von feuilles d’eau und Perlband, dazwischen wiederum ein gelacktes, überaus fein gemaltes und umlaufendes Band von rollendem Akanthus in Weisstönen auf dunklem Grund. Zwischen dem Rollband feinstes Blattwerk. Zweiteiliges, originales Spiegelglas. 277:118:53 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Aus Genfer Privatbesitz

Die hier angebotene Konsole mit dazugehörigem Spiegel hat sich in ihrem Originalzustand erhalten und ist ein eigentliches Unikat unter den italienischen Möbeln des ausgehenden 18. Jh. Im Palazzo Reale in Caserta, Neapel, hat sich eine halbrunde Kommode mit Spiegelaufsatz,­ um 1790/1800 erhalten, deren lackierte Fassung unserer Konsole und Spiegel verwandt ist. Diese Vorliebe für die Kunst der Antike findet ihren Niederschlag in sehr ähnlicher Manier wie an unserem Spiegel, im Mobiliar und der Wandverkleidung des kriegsverlustigen Etrurischen Zimmers im Potsdamer Stadtschloss, das ganz besonders schön in einem Aqua- rell Wilhelm Koses, nach Eduard Gärtner, um 1840 festgehalten ist. Dort finden wir diese rollenden Zier- friese an Möbeln und Wandvertäfelung wiedergegeben, in einer Feinheit, wie wir sie an unserer Zierkonsole vorfinden. Friedrich Wilhelm III. liess 1802/04 eine Zimmerflucht des Schlosses im klassizistischen Stil umbauen. Die Ausstattung und die Wandverkleidung des Etrurischen Zimmers sind nach Entwürfen von Gottfried Schadow von Franz und Friedrich Ludwig gearbeitet worden. Unsere Konsole mit ihrem elegan- ten Spiegel und den diesen flankierenden Büsten ist ein besonders schönes Beispiel dieser ganz der Antike nachempfundenen Möbelschöpfungen aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Vergleiche: Enrico Colle, Il Mobile Neoclassico in Italia, Mailand, 188 2005, S. 78 und 79 für die Kommode mit Spiegelauf- satz im Palazzo Reale in Caserta

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190. Feine Schreib- und Zierschatulle, Frankreich, Paris, 1770–1775. Rosenholz, Veilchenholz, Citron- nier und Ahorn, teils gefärbt und graviert. Rechteckige Kassette mit seitlichen, vergoldeten, ohrenförmigen Tragbügeln. Der Deckel überaus fein mit Musikinstrumenten in Rosenholzgrund eingelegt und umrahmt von Amarant und einem feinen Band von rotgraviertem Schuppenband. Die Seiten mit Rosenholzflächen, umrahmt von Amaranth und Ahorn. Im Innern mit abklappbarer Dokumentenlade. Vergoldete Beschläge und aufwendig gearbeiteter Schlüssel. 19,5:38:27 cm. 1800.—/2500.— Provenienz: Westschweizer Privatbesitz

Unsere Schreibkassette dürfte in Paris, um 1770–75 entstanden sein. Eine sehr verwandte Kassette, ebenfalls Paris um 1770–1775, findet sich abgebildet bei Svend Eriksen.

Vergleiche: Svend Eriksen, Early Neoclassicism in France, London, 1974, Abb. 134

191. Ernest Adolphe Hyacinthe Constantin Guys (Vlissingen, 3. Dezember 1802 – Paris, 13. März 1892). Zouaven jouant aux cartes. Aquarell und Feder auf Papier. 20:25,5 cm. 1500.—/2000.—

Provenienz: Sammlung Bruno Streiff, Zürich

Ausgestellt: Stedelijk Museum, Vlissingen, Constantin Guys, 10.7.–22.8.1954, Kat. Nr. 87 Patrick de Bayser, Paris Marlborough Fine Art Ltd. London, Constantin Guys, Exhibition in aid of The National Art-Collections Fund, 26.6.-31.7.1956, Nr. 123 Grafisches Kabinett Kunsthandel Wolfgang Werner KG, Bremen, Guys/Lautrec, 1985, Nr. 17

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Historische Aufnahme des Bibliothekssaals, Schloss Salem, mit den zwei Doppeltafeln, 2. Nische von links.

192. Schule von Konstanz, 16. Jh. Die beiden Evangelisten Lukas und Johannes. Öl auf Holz. Rückseitig mit Inventar-Nr. 261 aus dem 18. Jahrhundert und Inventarklebezettel «Schloss Salem Raum No. 56, O. No. 210» aus dem 19. Jh. 76:58 cm. 4000.—/7000.— Provenienz: Reichsabtei Salem am Bodensee Sammlung der Grossherzöge von Baden

Unser aus zwei Tafeln gefügtes Gemälde der Evangelisten Lukas und Johannes findet sich auf einer historischen Aufnahme im Innern des Bibliothekssaals der ehemaligen Zisterzienser Abtei Salem, zusammen mit den beiden anderen, heute wohl verlustigen Tafelbildern, der Evangelisten Markus und Matthäus, welche ebenfalls zu einem Gemälde gefügt waren. Die handschriftliche Inventarnummer 261 dürfte sich wohl auf das im Jahre 1740 erstellte Inventar des Hauses Baden beziehen: «Specificatio des Hochfürstlich-Baaden-Baadischen Pretiosen Haus-Geschmuckes Galanterien Cabinet und anderen Kunststücken, nebst besonderen merkenswürdigen Antiquen und Raritäten, 1740». Dieses Kunstkammerinventar wurde 1740 im Auftrage des Markgrafen Ludwig Georg von Schatzmeister Johann Heinrich Fürst erstellt. Der zweite Klebezettel betrifft das Schlossinventar Salem, erstellt im 19. Jh.

192. Inventarklebezettel

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193. Ein Paar Amoretti, Venedig, erstes Viertel 17. Jh., Nicolo Roccatagliata (1593–1636) zuzuweisen. Bronze mit schöner, dunkelbrauner Patina. Beide auf Rundsockeln, mit Flügeln, umgehängten Köchern und Bogen in der Hand. Einander zugewandt, auf vergoldeten Volutensockeln. H mit Sockel: 27 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Ehemals Frankfurter Privatbesitz

Ein Paar identische Amoretti und ebenfalls Niccolo Roccatagliata zugewiesen, konnten durch Christie’s Paris, aus der Sammlung V. Laloux stammend, am 16. Juni 2015, Los Nr. 82 angeboten werden.

Vergleiche: Leo Planiscig, Venezianische Bildhauer der Renaissance, Wien, 1921, S. 608, Nr. 675

GROSSER DECKELBECHER ZUM GEDENKEN AN DEN AUSBRUCH DES PFÄLZISCHEN ERBFOLGEKRIEGES, 1688, UND AN DEN FRIEDEN VON RIJSWIJK IM JAHRE 1697. 194. Deutsch, Augsburg, 1688–1689, Meistermarke des Philippe Jakob III. Drentwett. Silber, getrieben und teilvergoldet. Der Becher von sich nach unten verjüngender, wenig zylindrischer Form, auf drei Kugelfüssen ruhend. Der Deckel erhöht und mit aufgesetzter Zierkugel als Knauf. Die Wandung mit sehr fein gearbeiteten Kriegstrophäen, dazwischen drei Büsten, darstellend: Louis XIV von Frankreich, Leopold I. von Österreich und Karl XI. von Schweden. H = 24 cm. 3000.—/4000.—

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Provenienz: Galerie Jürg Stuker, Bern, Auktion vom 15. November 1968, Los Nr. 1921 Privatsammlung, Zürich

Der Friede von Rijswijk beendete 1967 den Pfälzischen Erbfolgekrieg, der 1688 von Ludwig XIV. nach dem Tode des letzten Nachkom- mens der Pfalz-Simmerner Linie und der Nachfolge der Pfalz-Neuburger Linie in der Kurpfalz zur Sicherung der Erbansprüche seiner Schwägerin, Liselotte von der Pfalz, begonnen worden war. Eine mächtige Koalition stand gegen Frankreich: die 1688 geschlossene Augsburger Allianz (mit dem Kaiser, Bayern, Franken, Spanien und Schweden), das seit der Glorious Revolution mit Holland verbündete England und das sog. Magdeburger Konzert, bestehend aus Brandenburg, Sachsen, Hannover und Hessen-Kassel, ausserdem Savoyen. Der Deckelbecher trägt den Jahresstempel für 1688–1689. Es ist also durchaus möglich, dass der Becher bereits in Gedenken an den Ausbruch des Erbfolgekrieges, 1688, geschaffen wurde, oder aber zehn Jahre später in der nun vorliegenden Form dekoriert wurde.

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195. Prächtiger Prunksessel mit Adlerköpfen, St. Gallen, datiert «1662», und mit Wappen der in St. Gallen seit dem 14. Jahrhundert ansässigen Familie Wirth. Rechteckiger, gepolsterter Sitz über schlichter, moulurierter Zarge und mit Schuppendekor geschnitzten Vierkantbeinen mit wellig ausge- schnittenen, umlaufenden Stegen. Die Armlehnen gerundet und mit grotesken Fratzen geschnitzt. Die Rückenlehne mit erhöhten, vollplastisch geschnitzten Adlerköpfen. Der untere Rückensteg mit grotesker Maske und Knorpelwerk, der obere, prachtvoll gestaltete Steg mit zentraler, 1662 datierter Wappenkartu- sche, darin die drei Rosen der St. Galler Familie Wirth, flankiert von den Initialen «G» und «W». Über dem Wappen eine Engelsschnitzerei, seitlich mit Rollwerk. 112:53:54:46 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Ehemals Haus zum Laufenberg, Zürich Hans Soller, Zürich

196. Ein Paar grosse Barockkerzen- stöcke, Holland, datiert «1671». Messing, getrieben und graviert. Achteckiger Fuss mit kartuschenför- migen Zierden aus Rankenwerk und gewölbter Wandung. Eine achteckige Manschette als grosser Tropfteller. Der Schaft in Form einer Spiralsäule. H = 19 cm. 300.—/400.— Provenienz: Alter Zürcher Privatbesitz

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197. Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (Castelfranco Veneto, 1478 – Venedig, 25.10.1510), Nach- folger des. Kopf eines Herrn in Brustharnisch. Öl auf Papier auf Holz. Rückseitig bezeichnet: «Hume Collection No. 113, Head of Marc... by Giorgione». 41,5:30 cm. 600.—/800.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

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198. Adriaen Brouwer (Oudenaarde, um 1605 – Antwerpen, Januar 1638) zugeschrieben. Soldat und Bauern beim Karten- spiel. Öl auf Eiche. Rückseitig mit alter Zuweisung an Adriaen Brouwer, durch «Haines and Son, Picture Restorers. By Appointment to Her Majesty, Thurloe Square, London». Datiert «17. September 1909». «Dear Sir, we should say that the picture is undoubtedly by Brouwer. Signed F. Haines & Son». Frederick Haines & Son waren berühmte Londoner Gemälderestaura- toren, Kunstexperten und Kunsthändler. Die Firma restau- rierte als Hofbegünstigte die Gemälde der Royal Collection aber auch Gemälde der National Portrait Gallery. 23,5:30 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Alter Berliner Privatbesitz

199. Lindenholzfigur der Maria auf der Weltkugel, Öster- reich, 18. Jh.. Mit alter Fassung. Auf runder Kugel tritt Maria mit dem rechten Fuss auf den Teufel in Darstellung einer Schlange. Sie trägt einen weiten, in breiten Falten lie- genden Umhang, ihren Blick zu ihrer Linken, eine Hand auf die Brust gelegt. H = 32,5 cm. 200.—/300.—

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200. Automatenuhr mit bellendem und die Augen verdrehendem Hund, Augsburg, 17./19. Jh.. Ebe- nisiertetes und profiliertes, kassettenartiges Holzgehäuse mit vierseitiger Verglasung, eingerahmt von ver- goldeten und ziselierten Einfassungen. Applizierte Säulen, welche den wenig vorstehenden und profilierten Aufsatz tragen. Stark profilierter Sockel mit gerollten Ranken, in Silber appliziert. Aufgesetzt mit vergolde- ter und ziselierter Messingplatte, darin die drei Zifferringe eingelassen und ein liegender, vollplastisch mo- dellierter Hund in ziseliertem Silber, den Betrachter anbellend. Seine Kugelaugen lassen sich durch das Automatenwerk von links nach rechts bewegen, der Unterkiefer senkt und schliesst sich und lässt die rote Zunge hervortreten. Unterseitig mit Öffnung, das Werk mit Glockenschlag. 27:34:23 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Galerie Koller, 1970er-Jahre Zürcher Privatbesitz Sotheby’s Zürich, 24.11.1993, Los Nr. 183

Die sehr fein ausgearbeitete, vollplastische Figur eines liegenden Hundes mit beweglichen Augen und Maul dürfte wohl in Augsburg um 1625 entstanden sein. Drei sehr ähnliche, beinahe identische Hunde finden sich abgebildet bei Maurice/Mayr. Das Geh- und Schlagwerk wohl im 19. Jh. ersetzt.

Vergleiche: Klaus Maurice, Otto Mayr, Die Welt als Uhr, München, 1980, Seite 269, Abb. 94–96

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201. Ein Paar sehr feine Zierkonsolen, wohl Venedig oder Genua, um 1680–1700, dem Umkreis des Filippo Parodi (1630–1702) zuzuweisen. Holz, vollplastisch geschnitzt und vergoldet. Beide mit profiliertem und furniertem, braun- grau-rötlich durchzogenem, halbrundem Marmordeckblatt. Mit sehr fein geschnitzten, allegorischen Figuren für Sommer und Herbst, auf Rocaillensockeln stehend. Die männliche Figur mit einem Vogelnest zu seinen Füssen, Weintrauben und Rebenlaub umfassen ihn, sein linker Arm ruht auf einer Rankenvolute, sein rechter Arm elegant angewinkelt. Der Blick des Jünglings zu seiner Rechten gerichtet. Die weibli- che Figur mit Kornähren und Rankenwerk verziert, ihr lan- ges, welliges Haar trägt sie offen über ihre Schultern, in der linken Hand hält sie einen Sommervogel. 98:74:43 cm. 8000.—/12000.— Die hier angebotenen Konsolen dürften in Venedig oder Genua in der Zeit um 1680 entstanden sein und sind den holzbildhauerischen Arbeiten des Filippo Parodi (1620–1702) sehr verwandt. An die Werke des berühmten Bildschnitzeres erinnern insbesondere die fein abgerundeten Konturen der Körper, aber auch die grazilen Handstellungen beider Darstellungen. Filippo Parodi war sicher der bedeutendste Genueser Barockbildhauer, der bis in die 1670er-Jahre ausschliesslich in Holz, danach vor allem in Marmor arbeitete. Im Jahre 1678 war der hochbegabte Künstler in Venedig tätig, wo er das Grabmonument für Bischof Francesco Morosini schuf.

Vergleiche: Enrico Colle, Il Mobile Barocco in Italia, Mailand, 2000, für Angaben zu Filippo 201 Parodi

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202. Grosser Khotan-Knüpfteppich, Ost- turkestan, 1. Hälfte 19. Jh. Wolle. Grosses Mittelfeld mit Granatapfel-Muster­ rapport und Rankenmotiven. Die Haupt- bordüre mit Wolkenbändern und umlau- fendem Mäander. Altersspuren, Fehlstellen. 362:181 cm. 1000.—/1500.—

Provenienz: Sammlung Wilhelm Böhler, München, 20er-Jahre Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Gertraud Grüninger-Fischer

203. Sehr hübsche Fayence-Wachteldose, unbekannte Manufaktur, deutsch oder französisch, 18. Jh. (?) Zweitei- lig, sehr fein modelliert. Sitzende Wach- tel, die Augen in Blau und Violett, Schna- bel und Brust in sattem Zitronengelb, die Federn in Mangan. Flügel mit alter Repa- ratur. 11:21 cm. 600.—/800.—

Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

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Bei Fischer-Böhler, circa 1950, mit Teppich, Los Nr. 202

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204. Aussergewöhnliche und bedeutende Schreibschatulle, Louis XIV, Frankreich, um 1700, wohl durch einen flämischen Meister gefertigt. Nussholz, Veilchenholz, Palisander und Elfenbein, furniert. Längsformatige Kassette mit gewölbtem Deckel, darin eine zentrale Elfenbein-Ovalkartusche, mit feinsten Palisanderholz-Einlagen in Form von grotesken Masken, paradiesischen Vögeln und verschlungenem Ran- kenwerk, welche alle eine Zierurne mit Fleur-de-Lys umrahmen. Dieses zentrale Medaillon liegt in einem rechteckigem Feld, dessen Flächen durch gewelltes Bandwerk unterteilt wird. Die Ecken des Deckels eben- falls mit feinesten Einlegearbeiten von Exotenholz, in eine Fläche von Elfenbein. Die Schmalseiten, Front und Rückseite in gleicher Manier gestaltet. Im Innern des Deckels eine scharnierte Lade. Die Kassette mit zentraler, verschliessbarer Lade, darunter geheime Schubladen. Umrahmend mit fünf offenen Komparti- menten. 15:44:34 cm. 2000.—/2500.—

Provenienz: Maurice Segoura, Paris Château de Beaumont Westschweizer Privatbesitz

Unsere Kassette mit ihren überaus feinen und reichen, ganz von verschlungenem Rankenwerk, exotischen Vögeln und Grotesken dominierten Einlegearbeiten ist von ganz ausserordentlicher Qualität der kunstschreinerischen Ausführung und dürfte wohl in die Zeit um 1700–1710 zu datieren sein.

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205. Vermeil-Trinkgefäss in Form eines springenden Hirsches, Nürnberg, 1550– 1650, Meistermarke MB ligiert. Mit abnehmbarem Kopf, auf bombiertem, ovalem Sockel mit Naturbodenstrucktur: Grasbüschel, Steine und Äste. G = 310 g. H = 21 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Aus Basler Privatbesitz

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206. Eine aussergewöhnliche Fayence-Bouquetière, Frankreich, 2. Hälfte 18. Jh. Auf drei ge- schweiften Füsschen; die in drei Rokokokartu- schen mit Blumenmalerei unterteilte, frontseitig geschweifte Wandung mit seitlichen Entenköpfen. Erhöhte und geschweifte Steckplatte mit feinen und polychrom bemalten Blumen in Hart- und Weichporzellan, an gefassten, metallenen Stielen mit grünen und vergoldeten Blättern. 33:31:14 cm. 3000.—/5000.—

207. Österreichische oder deutsche Schule, um 1790/1800. Stillleben mit Blumen in einer Vase, Früchten und Vögeln.Öl auf Leinwand. 90:67 cm. 5000.—/8000.— Provenienz: Aus adligem Privatbesitz

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Château de Vuippens

208. Sehr schöner und seltener, prachtvoller und grosser Fauteuil, Louis XV, Bern, circa 1750, von Johann Friedrich Funk I. (1706–1775). Nussholz, massiv getönt und geschnitzt. Trapezförmiger Sitz mit losem Sitzkissen und welliger Zarge über s-förmigen Beinen mit bouclierten Füssen. Die Armlehnen mit geschweiften Stützen und Polsterung. Die wenig nach hinten geneigte Rückenlehne jochförmig abschlies-­ send und mouluriert. In der Mitte des Abschlusses mit durchbrochener, sehr fein geschnitzter Rocaillenkartusche, flankiert von Akanthus. Die Zarge ebenfalls mit sehr feiner Rocaillenschnitzerei. Roter Seidenbezug mit weissem, floralem Dekor. 112:47:70:63 cm. 5000.—/8000.—

Provenienz: Château de Vuippens Sammlung Gustav Schneeli (1872–1944) Zürcher Privatbesitz

Der hier angebotene, grosse und thronartige Fauteuil ist ein besonders fei- nes Beispiel des hohen kunsthandwerklichen Könnens der Berner Werk- statt des Johann Friedrich Funk I. und dürfte in der Zeit um 1750 entstan- den sein. Seine grossen Ausmasse lassen vermuten, dass dieser Fauteuil einer thronartigen Verwendung in einer Landvogtei zugedacht war und sich möglicherweise schon im 18. Jahrhundert im Schloss Vuippens befand. Die schlichte Zargenführung mit dem Profilwulst und die Art der Armstüt- zen sind typisch für die Sitzmöbel aus der Funkwerkstatt. Besonders aber sind an unserem Fauteuil die prächtigen Schnitzereien an Rückenlehne und Zarge. Diese sind von so grossartiger Qualität, wie wir sie nur von den besten Spiegel- und Konsolschöpfungen der Werkstatt her kennen und wie wir sie am Schultheissenthron des Äusseren Standes (1757) und am Sessel der Bogenschützengesellschaft (1758) finden. Die prächtige, offene Rocail- len-Kartusche des Lehnen-Abschlusses ist im Aufbau praktisch identisch mit der Kartusche in Sandstein am Portal des Artillerie-Zeughauses, wel- ches Johann Friedrich Funk I. 1751 schuf.

Vergleiche: Hermann von Fischer, Fonck à Berne, Bern, 2001, Abb. 291

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209. Aussergewöhnliche und sehr seltene Pfeiler- kommode des Godefroy Dester (1768–1805). Rosenholz, Sycamore, Ahorn, Amarant und teils gravierte, gebeizte und bemalte Hölzer auf Eichen­ korpus furniert. Bastionsartig ausgeschnittenes und fein profiliertes, weiss-grau durchzogenes, originales Marmordeckblatt über passig geschweif- tem Korpus mit wellig ausgeschnittener Zarge. Geschweifte Beine in Sabots und Randfassungen von gerolltem Akanthus in vergoldeter Bronze. Gerundete Eckstollen mit sehr fein ziselierten Chutes und gefriesten Flächen mit Filetintarsien. Die Front mit einer Friesschublade mit Zugring und feinstem Wellenband, umrahmt von Band- werk in Filetfassung. Eine vergoldete Bronze-Pro- filleiste trennt die Friesschublade von den beiden darunterliegenden, grösseren Schüben sans tra- verse. Beide Schubladenfronten in ein Furnierbild gefasst, darin eine grosse und zwei diese flankie- renden, kleineren Blumenvasen mit feinsten Gra- vuren. Umrahmt von mäanderartig verkröpftem Bandwerk mit Filetfassung. Die Schmalseiten in ähnlicher Manier, mit jeweils einer Ziervase mit Blumenbouquet. 90:55:40 cm. 8000.—/12000.— Godefroy Dester, Meister ab 1774

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Die hier angebotene, zierliche Kleinkommode gehört zu den ungewöhnlichsten und feinsten Arbeiten der Werkstatt des Godefroy Dester und obwohl unsigniert, ist sie in allen Details identisch mit einer grösseren Kommode des Meisters, welche erstmals 1956 bei Nicolay und später bei Kjellberg abgebildet wird und 1949 bzw. 1968 auf Auktion in Paris verkauft wurde. Es ist davon auszugehen, dass unser Möbel, zusammen mit der grösseren Kommode in Paris, in der Zeit um 1775 für denselben 209 Auftraggeber gefertigt wurde. Wir bilden die entsprechende Kommode hier ab. Unsere Kommode nimmt die ganzen Sujets der beiden flankierenden Paneele der grösseren Kommode auf. In einem Raum der Zeit um 1775 waren möglicherweise zwei Eckmöbel von gleicher Manier, die grosse Kommode vis-à-vis eines Cheminées und das kleine Kommödchen zwischen zwei Fenstern chaussée- oder gartenseitig als commode d’entre-deux platziert. Die Pariser Kommode wies einen identisch geschnit- tenen Marmor auf und stimmte auch in allen Details der Bronzen mit unserem Möbel überein. Besonders aber ist bei beiden Möbeln die Marketerie und die feine Malerei über dem Wellenband noch sehr schön erhalten. Eine der bedeutendsten Arbeiten Desters ist das Paar Kommoden mit Porzellan-Plaket- ten, welche der Ebenist 1785 an den Comte d’Artoise liefern konnte. Eine dieser Kommoden konnte 1987 durch Christie’s in London versteigert werden.

Vergleiche: Jean Nicolay, L’art et la manière des Maîtres Ébénistes Français au XVIII e siècle, Paris, 1956, S. 148, Abb. «G» im Text fälschlich als Sekretär bezeichnet. Kommode von Godefroy Dester, Auktion Galerie Charpentier

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210. Sehr feine und seltene Kaminuhr, um 1780, signiert von Josué Robert et Fils & Com., La Chaux- de-Fonds. Weisser Marmor und vergoldete, ziselierte Bronzen. Halbrunder­ Sockel auf gedrückten Kugel- füssen und umlaufendem, spiralartigem Band. Vier dorische Säulen mit vergoldeter Basis und ebensolchem Kapitell tragen eine Balustrade mit umlaufender, durchbrochener Galerie. Über der Balustrade ein türki- sches Zelt mit gebundenen Portièren und hübschem Lambrequin. Perlgirlanden schmücken die Front und die Schmalseiten der Balustrade. Zylindrisches Werkgehäuse mit weissem Email-Zifferblatt für römische Stunden- und arabische Minutenzahlen. Signiert «J. Robert et fils & Com: A LA CHAUX DE FONDS». Seidenbespanntes und sehr fein durchbrochenes Werktürchen. Pendel mit Sonnenmotiv. Sehr feines Acht- tage-Werk mit Spindelhemmung und sichtbarer, polierter Kadratur des Halbstundenschlagwerkes auf eine Glocke. H = 46 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Ehemals Westschweizer Privatbesitz Auktion Sotheby’s Zürich, 29.11.1989, Los Nr. 321 Alter Zürcher Privatbesitz Eine beinahe identische Pendule, allerdings mit aufgesetzter Figur eines Chinesen, fand sich auf Auktion, Sotheby’s Monaco, 4.3.1984, Los Nr. 436, eine weitere identische Pendule findet sich auf Highclere Castle, Hampshire, im Besitze des Earl of Carnarvon. Die hier angebotene Pendule ist ein besonders schönes Werk der berühmten, von Josué Robert (1691–1771) in La Chaux-de-Fonds gegründe- ten Werkstatt. Robert war Hofuhrmacher Friedrich des Grossen.

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211. Ein sehr feines Paar Zierstühle von Henri Jacob (1753–1824), Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1785. Buche, massiv, geschnitzt und blau-weiss gefasst. Trapezförmiger Sitz über sehr fein geschnitz- ter und moulurierter Zarge. Die Stabbeine sich nach unten verjüngend und spiralförmig kanneliert. Eck- rosetten und hohe Polsterung. Die Rückenlehne bo- genförmig abschliessend und der Zarge gleich überaus fein geschnitzt. Gitterartig gewobener Seidenbezug. 93:53:56 cm. 2000.—/3000.—

Henri Jacob, Meister ab 1779

Provenienz: La Vieille Fontaine, Lausanne Privatbesitz

Die hier angebotenen Stühle sind mit ihren spiralförmig kannelierten Beinen, den reich und fein geschnitzten Zargen und Rückenlehnen von ausserordentlicher Feinheit und wurden von Henri Jacob (1753– 1824), einem der bedeutenden Menuisiers des ausgehenden 18. Jahr- hunderts geschaffen. Unter den bekannten Sitzmöbeln dieses Pariser Meisters, der ein Vetter des berühmten Georges Jacob war und im selben Ort, Cheny, geboren wurde, zählen unsere beiden Stühle zu den bedeutendsten erhaltenen Arbeiten. Von Henri Jacob sind nur sehr wenige Sitzmöbel mit den aufwändig spiralförmig kannelierten Beinen bekannt und auch bei seinem Vetter, Georges Jacob, den Henri Jacob gerne kopierte, kommt diese künstlerische Gestaltung der Stuhlbeine nur sehr selten vor. Viel eher ist davon auszugehen, dass sich Henri Jacob bei der Herstellung dieses ausserordentlichen Sitzmobiliars an bekannten Arbeiten des Jean-Baptiste-Claude Sené und des Jean-Baptiste-Bernard Demay orientierte. Die Schnitzarbeit an unseren Stühlen ist von so schöner Qualität, dass es sich bei den 211 hier angebotenen Sitzmöbeln wohl um Teile einer einst sehr bedeu- tenden höfischen Bestellung handeln dürfte.

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212. Sehr schöne frühklassizistische Kommode, Gustav III., Schweden, Stockholm, circa 1790, signiert GFT für Carl Gustaf Foltjern (1770–1829). Mahagoni und Messing, vergoldet. Weisses, grau durchzogenes und profiliertes, ausgeschnittenes Marmordeckblatt über dreischübigem Korpus mit frontseitig geschrägten Eckstollen, mit Messingkannelüren. Die Schubladen und Ränder mit feinen Messingschienen umrahmt. Zuggriffe und Schlüssellochzierden. Die Schubladen im Innern vom Meister signiert. Pyramidenartige und kannelierte Beine in Sabots. 85:111:54.5 cm. 2500.—/3500.—

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Vergleiche: Torsten Sylvén, Mästarnas Möbler, Stockholmsarbeten 1700–1850, Stockholm, 1996, Seite 129 für weitere Angaben zu Leben und Werk von Carl Gustaf Foltjern

213. Eine Serie von vier Wandgirandolen, deutsch, um 1800. Facettierte Glasprismen und Glasperlen. Korb­­­ förmiges Wandstück mit kronenartigem Abschluss und Leuchtring mit drei geschweiften Leuchtarmen und schlichten Tüllen. Die Messingrippen mit gestanztem Dekor. 1200.—/1500.— Provenienz: Aus adligem Privatbesitz

212 Signatur

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214. Wiener Schule, 1. Viertel 18. Jh. Ansicht einer Bildergalerie mit eleganten Besuchern. Gouache auf Pergament auf Holz. Rückseitig bezeichnet: Das obere Belvedere. Obigen Erinnerung von der Hand I. Kais. H. der Frau Erzherzogin Sophie, Mutter S.M des Kaiser Franz Joseph I. Aquarell gekauft in Berlin (6 Fr. d’or) vorstellend einen Bilder Saal des Belvedere – (Palais des Prinzen Eugen von Savoyen) zu seinen Erbzeiten. B. Koller. In originalem Rahmen der Zeit. 31:51 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: I.K.K.H. Erzherzogin Sophie von Österreich, geb. Prinzessin von Bayern Schweizer Privatbesitz

Erzherzogin Sophie von Österreich, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1836 214

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Das East India House in der Leadenhall Street, London, 1817

215. Ein Paar sehr seltene Kerzenstöcke mit dem Wappen der Honourable East India Company, China, 1796–1820. Porzellan, polychrom bemalt mit Zierbändern, Blumen und zentraler Wappenkartusche mit dem Wahlspruch: Auspicio Regis et Senatus Ang- liae / Im Auftrage des Königs und des Parlaments von England. Von trompetenartiger­ Form, mit sich verjüngendem Schaft und ausladendem Tropfteller. H = 24 cm. 400.—/700.—

Provenienz: Aus einem Schloss in der Westschweiz

Diese Kerzenstöcke und die nachfolgenden drei Positionen formten Teile des berühmten und grossen Service, welches zwischen 1796–1820 im Auftrage der Honourable East India Company hergestellt wurde. Das Service diente in den Resi- denzen der East India Company in Madras, Bombay und Kal- kutta. Die noch heute bestehenden Teile des Service sind jene, die durch die abwechselnden Governors der Company aber auch durch Earl and Countess Mountbatten of Burma, dem letzten Vizekönig von Indien, zurück nach England ge- bracht wurden. Von ihrem Hauptquartier in der Leadenhall Street in London aus organisierte die East India Company die Gründung der britischen Kolonie in Indien. Im Jahre 1718 erhielt die Handelsgesellschaft ein kaiserliches Dekret vom Mogulkaiser in Indien, der sie von der Zahlung von Zöllen in Bengalien befreite. Der Sieg in der Schlacht bei Plassey, 1757, liess die Britische Ostindien-Kompanie auch zu einem militä- rischen Machtfaktor werden. Die Flagge der Britischen Ostindien-Kompanie soll als Vorlage für die US-Flagge Stars and Stripes gedient haben. Die Anstrengungen der Handelsge- sellschaft, Indien zu verwalten, dienten der britischen Zivil­ verwaltung als Vorbild, besonders im 19. Jahrhundert. Nach- dem die Kompanie 1833 ihr Handelsmonopol verlor, wurde 215 sie wieder zu einer reinen Handelsgesellschaft.

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216. Eine Deckel- oder Por­ridge-Schale mit dem Wappen der Honourable East India Company, China, 1796–1820. Porzellan, polychrom bemalt mit Zierbän- dern und zentraler Wappenkartusche mit dem Wahl- spruch: Auspicio Regis et Senatus Angliae / 217 Im Auftrage des Kö- nigs und des Parla- ments von England. 216 Von runder Form, der Deckel mit er- höhtem Handgriff. D = 19.5 cm. 200.—/300.— Provenienz: Aus einem Schloss in der Westschweiz

217. Ein Paar Pinselhal- 218 ter mit dem Wap- pen der Honourable East India Company, China, 1796–1820. Porzellan, polychrom bemalt mit Zierbän- dern und zentraler Wappenkartusche mit dem Wahl- spruch: Auspicio Regis et Senatus Angliae / Im Auftrage des Königs und des Par- laments von Eng- land. Von zylindri- scher Form. H = 11 cm. 200.—/300.— Provenienz: Aus einem Schloss in der 219 Westschweiz

218. Ein Paar flache Schüsseln mit dem Wappen der Honourable East India Company, China, 1796– 1820. Porzellan, polychrom bemalt mit Zierbändern, Blumen und zentraler Wappenkartusche mit dem Wahlspruch: Auspicio Regis et Senatus Angliae / Im Auftrage des Königs und des Parlaments von England. Von rechteckiger Form, mit ausladender­ Wandung. 9:22:22 cm. 200.—/300.— Provenienz: Aus einem Schloss in der Westschweiz

219. Eine Serie von sechs grossen Reislöffeln, China, Qianlong, spätes 18. Jh. Alle mit feinen Blüten und Zierranken dekoriert und Wappenkartuschen. L = 21 cm. 80.—/120.—

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Das Präsidial-Palais am Bismarck-Platz in Regensburg

220. Bedeutender Thronsessel, Bayern, circa 1790. Eiche, massiv, geschnitzt und vergoldet. Wenig trapez- förmiger, frontseitig geschweifter Sitz über massiven, sich nach unten verjüngenden Vierkantbeinen. Die Armlehnen gepolstert und mit geschweift eingezogenen Stützen. Bogenförmige Rückenlehne. Geschnitzt mit Palmetten, Akanthus, Rosetten und Lorbeer. Bezo- gen in rotem Seidendamast. Mit St. Emmeram Inventar­ kleber Nr. 3588 und gestempelter Nummer 3588, sowie bekrönter Thurn und Taxis Brandmarke. 85:47:70:54.5 cm. 25000.—/35000.— Provenienz: Sammlung der Fürsten von Thurn und Taxis, Regensburg Schloss St. Emmeram Inventar Nr. 3588 Auktion Sotheby’s, Oktober 1993, Los Nr. 518

Unser prächtiger Thronsessel dürfte in München, in der Zeit um 1790/1805 entstanden sein. Seine behäbige Massigkeit und sein feines Schnitzwerk erinnern an den Entwurf von (1764-1838) und Pierre François Léonard Fontaine (1762-1853) von 1804 für den Thron . Die ungewöhnliche Formgebung und qualitätsvolle Ausführung erinnern an einen verwandten Sessel, welcher 1802 durch den Berliner Bildhauer Haensch nach einem Entwurf von Friedrich Gottlieb Schadow geschaffen wurde und sich ehemals im Potsdamer Stadtschloss befand. Nach freundlichen Angaben von Herrn Pompe, ehemaliger Kastellan von St. Emmeram, soll sich dieser Thronsessel einst im Palais am Bismarckplatz in Regensburg befunden haben, welches 1804/1805 vom Hofarchitekten Emanuel Herigoyen für den - freundlichen Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg errichtet wurde und Wappen des Fürstenhauses von Thurn und Taxis

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dem französischen Geschäftsträger, Theobald Jacques Justin Baron de Bacher beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg als repräsenta- tive Unterkunft diente. Wenn auch der Stil des klassizistischen Bauwerks sehr gut zum repräsentativen Charakter unseres Sessels passt, so ist es durchaus denkbar, dass unser Thronsessel schon einige Jahre früher geschaffen wurde und möglicherweise bereits dem letzten Prinzipalkommissar am Immerwährenden Reichstag in Regensburg, Karl Alexander Fürst von Thurn und Taxis (1770–1827) diente. Es ist davon auszugehen, dass unser Sessel einst auf einem treppenartig gestuften Podest Aufstellung fand.

Vergleiche: Walter Fürnrohr, Der Immerwährende Reichstag zu Regensburg, das Parlament des Alten Reiches, Regensburg 1963 Kreisel/Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels, München, 1983, Bd. 3, Abb. 290

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221. Johann Lorenz Kreul (1764–1840). Portrait des Georg August Graf zu Ysenburg und Büdingen (1741– 1822). Pastellkreide auf Papier. Mitte links bezeichnet: Kreul. Rückseitig handschriftlich bezeichnet Inven- tar-Nummer 6007, Fürstlich Ysenburg’sches Linienfideicommiss. 35:28,5 cm 800.—/1200.— Provenienz: Fürstlich Ysenburg’sches Linienfideicommiss

Der Dargestellte, Georg August Reichsgraf zu Ysenburg und Büdingen, trägt um seinen Hals, an weissem Band mit himmelblauer Randeinfassung, das goldene Ordenskreuz vom Orden des Pfälzer Löwen, dessen Ordenszeichen er auf der linken Brust trägt, unterhalb des Grosskreuzes des Militär-Max-Joseph-Orden, dem Verdienstorden der Bayerischen Krone. Georg August Reichsgraf zu Ysenburg und Büdingen wurde am 5. November 1741 als Sohn von Wilhelm Moritz II., Reichsgraf zu Ysenburg und Büdingen und dessen Gattin Luise Gräfin zu Stolberg-Gedern auf Schloss Philippseich geboren. Ysenburg verfolgte eine bedeutende militärische Karriere. Als Generalmajor wurde Ysenburg 1793 in das Hauptquartier des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preussen versetzt und nahm am Feld- zug gegen Frankreich 1793 und der Belagerung von Mainz teil. Am 28. Februar 1794 wurde er zum Kommandierenden des kurpfäl- zisch-bayerischen Kontingents der Reichsarmee ernannt und führte dieses in den Feldzügen gegen Frankreich bis 1796. Für seine Leis- tungen erhielt er im Oktober 1796 das Militär-Ehrenzeichen. Mit dem Infanterie-Regiment «Graf Ysenburg» besetzte er die Stadt Würzburg und übernahm das Kommando über die fränkischen Truppen. Im September 1805 erfolgte seine Ernennung zum Gouver- neur in Würzburg und auf der Feste Marienberg. Mit Armeebefehl vom 1. März 1806 wurde Ysenburg mit dem Grosskreuz des Mili- tär-Max-Joseph-Ordens ausgezeichnet.

Unser Pastell gehört zu den qualitätsvollsten Arbeiten des bayerischen Malers Johann Lorenz Kreul. Das Portrait dürfte wohl 1806, an- lässlich der Verleihung des Grosskreuzes des Militär-Max-Joseph-Ordens an Georg August zu Ysenburg, entstanden sein. Ein wohl zeitgleich entstandenes Halbfigurenbild des Grafen Ysenburg, aus Schloss Osterstein stammend, wurde aus der Sammlung der Fürsten Reuss j.L. durch Christie’s, am 26./27.5.1989, Los Nr. 242, in Gera versteigert.

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222. Sehr feiner und seltener Teetisch mit Lackmalerei, wohl Braunschweig oder Berlin, um 1780/85, die Platte wohl der Stobwasser Manufaktur zuzuweisen. Fruchtholz, massiv und furniert und als Mahagoni gebeizt. Ovales, randgefasstes Blatt, darin eine Metallplatte mit Darstellung einer Interieur-Szene in der Zeit um 1780. An einem weiss gedeckten Tisch sitzen zwei Herren, eine elegant gekleidete Dame über eine Stuhllehne geneigt, im Vorder- grund ein Mädchen, einen erlegten Hasen bedauernd. Die schlichte Zarge mit durchbrochener Zierschürze, die Beine vierkantig und sich nach unten verjüngend, mit angedeuteten Sabots. 75:77:56.5 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

Der ganz in einem an den englischen und nord- deutschen Möbelbau erinnernde, ovale Teetisch, dürfte in Braunschweig oder Berlin in der Zeit um 1780/85 entstanden sein und die mit Lackmalerei versehene Metallplatte möglicherweise aus der 1763 gegründeten Lackierwarenfabrik des Georg Heinrich Stobwasser (1717–1776) stammen.

Die Stobwasser-Erzeugnisse aus Braunschweig er- freuten sich so grosser Beliebtheit, dass das Unter- nehmen eine Zweigniederlassung in der Wilhelm- strasse in Berlin gründete und Anfang des 19. Jahrhunderts in ein Lokal Unter den Linden übersiedelte. Die Zargenschürze unseres Teetisches erinnert an die balustradenartige Bekrönung eines Berliner Schreibsekretärs der Zeit um 1800, wel- cher dem Meister des Sekretärs von der Pfauenin- sel zugeschrieben wurde, aus dem Berliner Stadt- schloss stammte und bei Sotheby’s Zürich in der 222 Auktion vom 3. Juni 1997, Los Nr. 211 angeboten wurde.

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223. Franz Thomas Löw (Braz, 2.5.1756–15.1.1800). Portrait eines Zürcher Knaben. Öl auf Leinwand. Auf Hammer datiert «1792» und signiert: «F. Th. Löw pinx». In originalem Rahmen der Zeit. 114:77 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Alter Zürcher Privatbesitz

Unser Knabenportrait ist eines der wenigen erhaltenen Arbeiten des Portraitmalers Franz Thomas Löw. Ein Gruppenbildnis des Malers aus dem Jahre 1794 befindet sich in den Sammlungen des Schweizerischen Landesmuseums. Der in Braz, im Klostertal in Vorarlberg geborene Löw arbeitete in den Jahren zwischen 1791–1798 in Winterthur.

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224. Aussergewöhnlicher und feiner Louis- XVI-Fauteuil, Frankreich, wohl Lyon, circa 1780. Nussbaum, massiv und sehr fein geschnitzt. Trapezförmiger Sitz mit abnehm- barem Sitzkissen über mit Kannelüren verse- henen und fein mit Rosetten geschnitzter Zarge. Die Beine balusterförmig und kanne- liert. Wenig nach hinten geneigte Rücken- lehne mit fünffach verschlungenem Füllwerk, die Armlehnen gerollt endend und mit kanne- lierten, säulenartigen Stützen. Der ganze Rah- men mit feinen feuilles d’eau geschnitzt. Roter Lederbezug. 96:48:58:53 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Aus Zürcher Privatbesitz

225. Feiner Louis-XVI-Sekretär, Frankreich, Paris, circa 1780. Mahagoni, massiv und fur- niert. Hochformatiger Korpus mit weiss-grau durchzogenem, wenig vorstehendem Marmor­ deckblatt. Die Front mit kannelierten und ge- schrägten Eckstollen. Der Unterbau mit zwei- türigem Schrankfach, darüber die abklappbare Schreiblade mit rotem, goldgeprägtem Leder. Im Innern mit vier offenen Briefkomparti- menten und sechs Schubladen. Abschliessend mit einer Friesschublade. Kassettierte Felder mit sehr schön geflammtem Mahagoni fur- niert. Vergoldete Beschläge in Form von 225 Triglyphen und Schlüssellochzierden. 150:112:38 cm. 1500.—/2000.— Register Seite 111–112 239

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226. Norddeutsche oder dänische Schule, circa 1820, Umkreis des Wilhelm Bendz. Der Abschied. Öl auf Holz. 71:61 cm. 15000.—/25000.— Provenienz: Ehemals belgischer Privatbesitz Dieses prächtige, in grösster Detailgenauigkeit ausgeführte, stimmungsvolle Gemälde, in dem jedes einzelne Gesicht, jedes Textilge- webe und jedes Pelzhaar in der Genauigkeit eines Miniaturisten wiedergegeben ist, erinnert etwa an die Werke der dänischen Künstler Wilhelm Bendz (1804–1832) und C.W. Eckersberg (1783–1853) dem Vater des Goldenen Zeitalters der dänischen Malerei und Profes- sor der Königlichen Akademie ab 1818.

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227. Gustave Eugène Castan (1823– 1892). Vue de Villers-sur-mer. – Le Saute-au-Chien. Öl auf Karton. Rück- seitig bezeichnet. 38:58,5 cm. 1500.—/2500.— Provenienz: Nachlassauktion des Künstlers, November 1892 Sammlung H.V. Aubert, an obiger Auktion für 100 frs ersteigert Sammlung Panchaud-de Bottens

228. Pfeilerkommode, spätes Louis XVI, 19. Jh. Mahagoni, massiv und auf Eiche furniert. Rechteckiges, wei- sses, grau durchzogenes Marmordeck- blatt mit umlaufender Dreiviertel- Galerie, über zweischübigem Korpus, mit kannelierten Eckstollen und kanti- gen, sich nach unten verjüngenden Beinen in Sabots. Zug­ringe und Schlüssellochzierden. 82:73,5:42,5 cm. 500.—/800.—

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229. Ein Paar Kerzenstöcke oder sog. Cassolettes, Schweden, um 1800. Bronze, patiniert und vergoldet. Run- der profilierter Fuss mit Zierbändern appliziert. Zylindrischer Säulenschaft mit vergoldeten Draperien und Quas- ten. Aufgesetzte Tülle in Vasenform. Die Tülle drehbar, so dass die Vase zu einer Räucherurne wird. H = 28 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Marguérite Iseli-Mooser, Zürich 229 230. Sehr feine Tischpendule, Direc- toire, Frankreich, Paris, circa 1790/1800. Mahagoni massiv und fur- niert. Hochformatiges, allseitig ver- glastes Gehäuse, mit fein profiliertem Sockel und ebensolchem Giebel. Die Verglasung in sehr feinen Goldbron- zeprofilen gefasst. Weisses Emailziffer- blatt mit römischen Stundenzahlen und arabischen Minutenzahlen und Tage des Monats. Feiner Pendel, das Werk mit Halbstundenschlag auf Glocke. 50:28:16 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Alter Genfer Privatbesitz

Das Gehäuse unserer Pendule erinnert in seiner Qualität und Architektur an die von Guillaume Benemann (1750–nach 1811), Hofebenist von Lud- wig XVI, hergestellten Uhrengehäuse­ und kann diesem Meister sicher zugeschrieben werden.

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231. Konsole mit Konsolspiegel, Wien oder Kassel, um 1825, wohl nach einem Entwurf von Georg Ludwig Friedrich Laves (1788–1864). Nussbaum, massiv, furniert und teilver- goldet. Längsformatiger Kon- soltisch mit wenig vorstehen- dem Blatt über umlaufendem Fries mit vergoldetem Eier­ stab. Mit einer Längsschublade, welche von zwei korinthi- schen Säulen-Paaren gestützt wird. Der Sockel frontseitig bogenförmig ausgeschnitten und erhöht. Die Rückseite verspiegelt, wodurch die Illu- sion entsteht, dass der Tisch von acht Säulen gestützt wird. Schlichter, profilierter Spiegel mit umlaufendem, vergoldetem Eierstab-Dekor. Alte Patina. Konsole: 91:97:40 cm. Spiegel: 107:75:4 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Aus altem Privatbesitz Galerie Fischer, Luzern, 1980er-Jahre

Die hier angebotene Konsole mit da- zugehörigem Konsolspiegel ist in den Jahren um 1825 in Wien oder Kassel entstanden. Eine genaue Zuordnung an einen bestimmten Meister ist schwierig, doch ist unser Möbel mit zwei sehr verwandten Möbeln um diese Zeit vergleichbar: In Wien, Akademie der bildenden Künste, Kupferstichkabinett; Inv.-Nr. 14948, hat sich ein Entwurf des Wiener Kunstschreiners Anton Loosy erhalten, welcher diese markanten korinthi- schen Säulenpaare mit Verspiegelung der Rückwand aufweist, wie sie an unserer Konsole anzutreffen sind. Vom Kasseler Hof-Ebenisten, Georg Ludwig Friedrich Laves (1788-1864) finden sich wiederum zwei Konsol­ tische mit gleichem Aufbau bei Tho- mas Dann abgebildet.

Vergleiche: Gabriele Fabiankowitsch und Chris- tian Witt-Dörring, Genormte Fantasie, Wien, 1996, S. 93, Abb. 123 für den 231 sehr verwandten Entwurf des Anton Loosy. Thomas Dann, Georg Ludwig Friedrich Laves (1788–1864), Das Möbelwerk, Bonn, 1996, Abb. 60 und 61.

232. Ein Paar Pinselhalter, China, 19. Jh.. Elfenbein, geschnitzt. Beide Zylinderförmig, mit fein geschnitzten Vignetten, darin Figuren in Parklandschaft. Auf geschnitzten Holzsockeln. H = 8,5 cm. 300.—/400.—

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233. Sehr schöne Wiener Automaten-Uhr mit einer Personifizierung von Amerika, 1. Viertel 19. Jh. Holz, geschnitzt, ebenisiert und ver- goldet. Rechteckiger, profilierter und mit Akanthus verzierter, auf Löwenfüssen ruhender Sockel. Darüber drei Ballen gebundener Baum- wolle als Werkgehäuse. An diese gelehnt, eine prächtig gestaltete Figur eines Indianers mit Bogen und Köcher. Er trägt einen in Falten geworfenen Umhang, eine Federkrone und einen Federrock. Seine Augen drehen sich im Takt mit den Sekunden des Werkes. Weisser Email-Zifferring für ara- bische Stundenzahlen und kleiner Zifferring für die Tage des Monats. Da- zwischen, feiner guillochiertes, breites Band. Schlagwerk für Stunden und Viertelstunden auf Feder. 47:34:17 cm. 2000.—/3000.— Vergleiche: Pierre Kjellberg, La Pendule Française, Paris, 1997, S. 348, Abb. C, für eine sehr ähnliche Figur eines Indianers mit Federschmuck. Siegel unter Uhrensockel

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234. Segnendes Jesuskind, Spanien, 1. Hälfte 17. Jh., der Werkstatt des Juan Martinez Montanés (1568– 1649) zuzuweisen. Holz, vollplastisch geschnitzt und polychrom gefasst. Auf einem reich profilierten Sockel mit Zierkissen. Das Jesuskind mit offenen Armen, die rechte Hand zum Segen gewinkelt, in der linken Hand ehemals eine Weltkugel haltend. Naturalistische Fassung, das Gesicht mit roten Wangen, von lockigem Haar umrahmt. H = 65,9 cm. 4000.—/6000.—

Provenienz: Wohl über Dr. Hubert Wilm, München, 1951 vermittelt Seine Expertise vom 28. Mai 1951 Aus altem Zürcher Privatbesitz

Die hier angebotene, überaus fein gearbeitete und naturalistisch ge- fasste Bildschnitzerei, wurde 1951 durch den berühmten Skulpturen- Kenner Dr. Hubert Wilm begutachtet und wohl zu dieser Zeit auch an die bedeutende Zürcher Sammlung vermittelt, in der sie bis zum heutigen Tage verblieben ist. Wilm beschreibt in seinem Gutachten die hohe Qualität der Bildschnitzerei und der Fassung und wies die Skulptur wohl zurecht in den Umkreis der von Alonso Berruguete (1480 Parades de Nava–1561 Toledo) beeinfluss- ten Künstler.

Eine fast identische Figur des Künstlers Juan Martinez Montanés (1568–1649) aus der Zeit um 1615–1625 findet sich im Museu Naci- onal d’Art de Catalunya in Barcelona (Inv.-Nr. 008340-000). Beide Figuren sind wohl von gleicher Hand geschaffen und weisen zudem einen praktisch identischen Sockel der Zeit auf. Eine weitere, sehr verwandte Figur des Künstlers fand sich auf Auktion bei Sotheby’s New York, 29. Januar 2009, Los Nr. 347 (Zuschlag US $ 28125.-) und findet sich heute im Toledo Museum of Art.

Vergleiche: Beatrice Gilman Proske, Juan Martinez Montanés, Sevillian Sculptor, New York, Hispanic Society of America, 1967, S. 55–52, Nr. 31–32 J. Hernandez Diaz, Juan Martinez Montanés (1568–1649), Seville, 1987

235. Seltener architektonischer Schrank, 17. Jh (?) wohl Frankreich, Paris. Eiche, massiv, geschnitzt und teilvergoldet. Hochformatiger, eintüriger Korpus auf schlichten Eckfüssen. Der ganze Schrank architek- tonisch gegliedert. Vier korinthische Säulen tragen das weit ausladende Gesimst mit Akanthusschnitzerei, Ei- erstab und Zierband. Die Kapitelle sehr fein ge- schnitzt, die Säulen mit betonten Eckquadern mit dia- mantartigem Dekor. Zwischen den Säulen, auf den Schmalseiten, mit längs­gezogenen Kassetten, unterteilt durch je vier Zierquader. Die Front mit prächtiger, kassettierter und reliefartig mit Arabesken geschnitzten und teilvergoldeten Füllungen. Vergoldete Schliessen und Handhaben. Innen mit Tablaren und mit gena- gelter, grüner Seide ausgeschlagen. Die Innenseite der Türe ebenfalls kassettiert und die Profile vergol- det. 217:128:45 cm. 8000.—/12000.—

Provenienz: Ehemals Pariser Privatbesitz

Die Lokalisierung des hier angebotenen, überaus ungewöhnlichen Schrankes in Form einer architektonischen Fantasie, ist nicht ein- fach, doch dürfte dieses stark von der französischen Renaissance be- 234 einflusste Möbel wohl in Paris selbst entstanden sein. Von besonders hoher Qualität sind die Schnitzereien in massivem Eichenholz.

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236. Schule von Sursee, wohl Anna Barbara Abesch, 2. Hälfte 18. Jh. Der junge David vor König Saul die Harfe spielend. Hinterglasgemälde. In Originalrahmen der Zeit. 49:65 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Sammlung Sybill Kummer, Zürich

Auf welche Kupferstichvorlage dieses prachtvolle, wohl von Anna Barbara Abesch geschaffene Hinterglasgemälde zurück- geht, ist nicht genau zu bestimmen. Jedenfalls nimmt der Kupfer­ stecher Schuler das Thema ebenfalls auf und betitelt sein Blatt als: «David erheitert mit dem Saitenspiel Sauls trübe Stunden. Wir bilden diesen Kupferstich hier zum Vergleich ab.

Kupferstich-Vorlage: «David erheitert mit dem Saitenspiel Sauls trübe Stunden»

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237. Monumentale Zierkanne, Frankreich, 19. Jh., im Stile der italienischen Renaissance. Bronzeguss mit alter Patina. Profilierter Rundfuss mit eiförmiger Wandung und prächtigem Ausguss mit grotesker Fratze. Die Schulter eingezogen und gestuft ansteigend. Der Deckel profiliert und mit Zierknauf abschlies­ send. Massiver Bügelhenkel, welcher seitlich der Wandung durch zwei weitere Reliefmasken gestützt wird. H = 112 cm. 2000.—/3000.—

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Urs Graf, Familie von Satyren, 1520, Weisslinienschnitt 238

238. Urs Graf d.Ä. (Solothurn, um 1485 – Solothurn, vor 13.10.1528) alte Zuweisung. Christus in der Vorhölle, um 1520. In Goldmalerei auf festem Papier über Nussholz. 40:30 cm. 7000.—/10000.—

Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

Die alte Zuschreibung unseres Gemäldes an Urs Graf erfolgte durch den be- rühmten Basler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897), dem Verfasser von Die Cultur der Renaissance in Italien. Urs Graf war der Erfinder des Weiss- linien-Holzschnittes. Diese «gemeinten» Linien werden in die Platte geschnit- ten und bleiben beim Druck als Weisslinien auf dem Grund stehen, so wie wir sie etwa sehr schön in seinem Holzschnitt der Familie von Saryren von 1520 und in seinem Bannerträger von Unterwalden aus dem Jahre 1521 sehen. In sehr ähnlicher Weise gestaltet der Künstler unseres Christus in der Vorhölle diese prachtvoll, ganz von Hand ausgeführte Arbeit, welche in ihrer feinen Goldmalerei auf dunklem Grund die Technik des Weisslinienschnittes über- nimmt. Unser minutiös ausgeführtes Werk ist von grosser Seltenheit und Be- deutung.

239. Architekturmodell eines gotischen Turmes, 2. Hälfte 19. Jh. Eiche massiv. Kubischer, durchbrochener Sockel, an den Ecken mit kleinen Ziertürmchen. Darauf achteckige Turmspitze mit gotischem Fenster und zulaufender Spitze, oben in gotischen Ornamenten endend. H = 141 cm. 500.—/800.—

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240. Anna Barbara Abesch (Sursee, 23.3.1706– 15.2.1773) nach Charles-Antoine Coypel (Paris, 11.7.1694–14.6.1752). Hinterglasge- mälde. Eine Szene aus den Erzählungen des Don Quijote de la Mancha. Don Quijote ans Fenster der Schenke gefesselt. 31:35 cm. 2000.—/4000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Charles de Beistegui, Château de Groussay

Vorlageblatt von Charles-Antoine Coypel.

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241. Der Sündenfall, wohl Leonhard Kern (1588–1662) zuzuweisen. Schwäbisch Hall, um 1630/1645. Den zentralen Baum der Erkenntnis flankierend stehen Adam und Eva. Adam ist im Begriffe, in den Apfel zu beissen, während Eva, zu ihm blickend, einen weiteren Apfel vor sich hält. Auf geschnitztem Sockel mit Blüte, Blättern und stilisierten Gräsern. Buchsbaum, äusserst fein geschnitzt. 36:24 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Aus altem Zürcher Patrizierbesitz stammend

Ungewöhnlich an der hier zum Verkauf kommenden Darstellung des Sündenfalls ist der Moment, wo Adam unmittelbar davor ist, in den Apfel zu beissen. In den meisten Darstellungen der Zeit reicht ihm Eva die Frucht des Baumes der Erkenntnis oder wird von der Schlange zum Pflücken des Apfels verführt. Dieser Moment «kurz davor» ist typisch für einige Werke des süddeutschen Barockbild­ hauers Leonhard Kern. Es ist der kurze Augenblick vor einem folgenschweren Ereignis – dem Verzehr der verbotenen Frucht –, wel- ches aber schon unabwendbar scheint. Es ist, als ob der Künstler die Katastrophe des Sündenfalls dem Betrachter in Zeitlupe vorführen­ wollte.

Leonhard Kern wurde 1588 in Forchtenberg in der Grafschaft Hohenlohe geboren. Kern entstammte einer Bildhauer- und Steinmetz- familie. Im Gegensatz aber zu seinen Brüdern war ihm vorerst von seinen Eltern eine Laufbahn bei Hofe, als Lehrer oder Pfarrer vorbe- stimmt worden. Er lernte Mathematik, griechisch, hebräisch und vertiefte sich in Theologie. Früh aber brach er seine klassische Bildung ab und ging bei seinem älteren Bruder Michael in die Lehre. 1609 verliess Leonhard Kern die Werkstatt seines Bruders und reiste über Italien bis nach Nordafrika. Bei dem anschliessenden, zweijährigen Romaufenthalt studierte er die Werke von Michelangelo, Giambologna, Bernini und Cellini. Auf seiner Rückreise von Rom erhielt Kern 1613 die ersten grossen Aufträge vom Fürstbischof von Laibach, Thomas Chrön. Schon bald aber musste er als Protestant im Zuge der Gegenreformation im Habsburgerreich weiterziehen. Auch auf seinen weiteren Stationen Nürnberg und Heidelberg, wo er im Dienste des Kurfürsten Friedrich arbeitete, wurde ihm sein

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241 Glaube zum Verhängnis. Nachdem Friedrich in Folge des Ausbruchs des 30jährigen Krieges in die Vereinigten Niederlande fliehen musste, fiel die Kurpfalz an die katholischen Wittelsbacher. Wiederum musste Kern weiterziehen und liess sich schliesslich 1620 in der Reichsstadt Schwäbisch Hall nieder.

Wohl in Ermangelung eines festen Auftraggebers wurde Leonard Kern zu einem der ersten freischaffenden Künstlern, dessen virtuose Kleinplastiken bei adeligen und gehoben-bürgerlichen Kennern regen Absatz fanden. Es war die Blütezeit der Kunst- und Wunder­ kammern, in welchen meisterliche Kleinplastiken, wie die hier angebotene, zum privaten Genuss gesammelt wurden.

Die Wirren des 17. Jahrhunderts beeinträchtigten ab den 1640er-Jahren das Schaffen Kerns ein weiteres Mal. Unter der finanziellen Belastung des Dreissigjährigen Krieges schwand seine Kundschaft und er war gezwungen, sämtliche Mitarbeiter der Werkstatt zu entlas- sen. Mit der Ernennung zum kurbrandenburgischen Hofbildhauer verlor Leonhard Kern 1648 gleichsam seine Unabhängigkeit; dies brachte ihm aber auch wieder finanzielle Sicherheit ein. 1662 starb der Meister als angesehener und begüterter Mann.

Leonhard Kern schuf etliche Variationen und Ausformungen des Motivs «Adam und Eva». Die bekanntesten befinden sich heute im Herzog Anton Ulrich Museum, Braunschweig, im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, im Landesmuseum Württenberg, Stutt- gart, und im Bode Museum, Berlin.

Literatur: Elisabeth Grünewald: Leonhard Kern – Ein Bildhauer des Barocks. Schwäbisch Hall, 1969. Vgl. Tafeln 23, 26, 27, 32 und Tafel 35. Harald Siebenmorgen (Hrsg.): Leonhard Kern (1588–1662). Meisterwerke der Bildhauerei für die Kunstkammern Europas. Sigmaringen, 1988.

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242. Sehr seltene Zierschatulle des Abraham Roentgen (1711–1793), deutsch, Neuwied, circa 1745– 1750. Bois de violette, furniert und massiv. Längsformatiger Korpus mit seitlichem Türchen und sehr feinen, ziselierten, vergoldeten Beschlägen. Im Innern mit drei Schüben, wel- che von unten nach oben in der Grösse graduieren. Die Schubladen- front mit vergoldeten Rosetten und Zügen. Die ganzen Schubladen in massivem Veilchenholz gearbeitet. Das Schloss des Türchens sehr fein graviert. Die Schatulle schauseitig mit feinsten Rauten eingelegt, darin diamantartige Füllungen. 16,5:24,5:15,5 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Aus deutschem Adelsbesitz Zürcher Privatbesitz

Unsere Schatulle von Abraham Roentgen (30.1.1711 Mühlheim a. Rhein–1.3.1793 Herrnhut) ist von grosser Seltenheit und fällt in die frühe Schaffenszeit des berühmten deutschen Kunstschreiners. Viele der bekann- ten Schatullen und Teekästchen Abraham Roentgens finden ihre Vorbilder in England Abraham Roentgen (1711–1793) und Holland, wo ähnliche Kassetten weitver­- breitet waren. Unsere Schatulle aber ist die einzige bekannte Schatulle des Meisters, die auf ein asiatisches Kästchen direkt Bezug nimmt und dieses bis in kleinste Details kopiert. Japanische Kästchen für Räucher- stäbchen waren nur in sehr wenigen Samm- lungen des europäischen Hochadels vorhanden. Ein solches japanisches Lackkästchen «Sage- dansu» zur Aufbewahrung von Räucheruten­ silien, fand sich in den Sammlungen der Marie-Antoi­nette im Cabinet doré de la Reine, aufgeführt im Inventar vom 10. Oktober 1789: Un très petit coffre fond or ouvrant par un des bouts et trois tiroirs en dedans. Das königliche Kästchen hat sich im Musée Guimet in Paris erhalten und ist in Anwendung, Aufteilung und Form mit unserem Kästchen identisch. So ist denn unsere, ganz in Veilchenholz ge- fertigte Schatulle, eine direkte Übersetzung Abraham Roentgens eines japanischen Käst- chens der Zeit.

Vergleiche: Monika Kopplin, Les lacques du Japon, Collections de Marie-Antoinette, Paris, 2001, Abb. S. 221. Dietrich Fabian, Roentgenmöbel aus Neuwied, Bad Neustadt, 1986, Abb. 659 und 661 für Kästchen für Räucherutensilien, Japan 18. Jh., ehemals Sammlung der Köni- zwei Kästchen von Abraham Roentgen, wel- gin Marie-Antoinette. Paris, Musée Guimet. che wenig später, um 1755, datiert werden können. Wolfram Koeppe, Zwischen Askese und Sinn- lichkeit, in Giessener Beiträge zur Kunstge- schichte, Bd. 10., Dettelbach, 1997, S. 108, Abb 24 für ein Kästchen mit identischer Par- ketterie.

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243. Aquarellier-, Lese- und Teetisch, England, George II, circa 1760. Mahagoni, massiv. Rechteckiges, aufklappbares und schrägstell­ bares Blatt mit Halteleiste und seitlichen, aus- fahrbaren Kerzenstockhaltern. Der kannelierte Säulenschaft in der Höhe verstellbar und auf ge- schweiftem Dreifuss stehend. Schöne Patina. 88:64:46 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Galerie Koller, Zürich

244. Seltener Rokokofauteuil, Bamberg oder Seehof, circa 1750, Umkreis des Bildhauers Ferdinand Dietz (1708–1777). Nussbaum, mas- siv und geschnitzt. Geschweifter, wenig trapez- förmiger Sitz über wellig ausgeschnittener und grottenhaft mit Rankenwerk und Voluten ge- schnitzter Zarge. Die Beine in gleicher Manier dekoriert und in grotesken Tatzenfüssen endend. Moulurierte Rückenlehne und geschweifte Armstützen, wiederum mit grottenhaftem Ranken- und Wulstdekor. Originales Joncge- flecht. 89:38:66:52 cm. 800.—/1200.—

Provenienz: Kunsthandel Martin Flaig, Basel

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Unser Rokokofauteuil ist in die Zeit um 1750 zu datieren und wird dem Bamberger Hofbildhauer Ferdinand Dietz (1708-1777) zuge- wiesen. Der grottenhafte Schnitzdekor am Rahmen unseres Sitzmöbels lässt es in den unmittelbaren Umkreis des für Schloss Seehof tätigen Bildhauers zuweisen. Ein Konsolenpaar aus Schloss Seehof, auch Ferdinand Dietz zuzuweisen, ehemals Sammlung Fischer-Böh- ler, München und abgebildet bei Sigrid Sangl, erinnert in seinem holzbildhauerischen Schmuck an unseren, völlig original erhaltenen Fauteuil. Der wulstartige Dekor findet sich ebenfalls an einem Bamberger Klappspieltisch, um 1745, welcher sich im Metropolitan Museum, New York, Inv.-Nr. 1974 355 126, befindet.

Vergleiche: Sigrid Sangl, Das Bamberger Hofschreinerhandwerk, München, 1990, Abb. 77 und 126

245. Bedeutende Hinterglas-Goldradierung, Augsburg oder Zürich, 17. Jh. Stillleben mit Früchten, Blumen und Insekten. Hinterglasgemälde. 29:29 cm. 600.—/800.— Provenienz: Sammlung Elisabeth Sprüngli-Halter, Zürich

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Rose Terrace, Michigan

246. Relief-Portrait-Medaillon von Louis XIV in Cuir Bouilli, Frankreich, Paris, 1. Hälfte 18. Jh., nach einem Entwurf des Hofbildhauers François Girardon (1628–1715). Weichgekochtes, formge- presstes und poliertes Leder. Der König im Profil, nach rechts blickend dargestellt. In überaus reich und fein durchbrochen gestaltetem und geschnitztem, vergoldetem Rahmen der Zeit. Rahmen: 90:79 cm. 15000.—/25 000.— Provenienz: Wohl durch Joseph Duveen, Paris, vermittelt an: Anna Thomson Dodge, Rose Terrace, Michigan Philippe de Beisac, Luzern William F. Reilly, New York Auktion Christie’s New York, 14.10.2009, Los Nr. 1 ($ 37’500.–)

Unser seltenes Reliefportrait in Leder, dem sogenannten «cuir bouilli» gehört zu einer kleinen Gruppe gleicher Darstellungen des Mon- archen, ausgeführt in gekochtem und formgepresstem Leder, welche ihn im Alter von circa 50 Jahren darstellen. Der Hofbildhauer von Louis XIV und Superintendant für Bildwerke, François Girardon (1628–1725), war wohl der Schöpfer des Entwurfs für unser Lederpor- trait. Girardon schuf das Vorbild für unser Lederportrait in Marmor, geschmückt mit Kriegstrophäen für das Hôtel de Ville in Troyes, im Jahre 1687, wo es noch heute steht. Eine Kopie des Marmorreliefs befindet sich in der Basilika Saint Denis. Von den wenigen be- kannten Lederportraits ist unser Portrait in seinem prachtvollen Rahmen wohl das bedeutendste. Es stammte aus der berühmten Samm- lung von Anna Thomson Dodge (1869–1970), aus ihrem Anwesen Rose Terrace in Michigan. Teile dieser bedeutenden, mehrheitlich durch Joseph Duveen vermittelten Sammlung finden sich heute im Detroit Institute of Arts. Ein Grossteil der Sammlung wurde kurz nach dem Tode der Sammlerin, in einer legendären Auktion durch Christie’s in London, versteigert, darunter auch unser Portrait.

Literatur: François Suchal, French Sculptors, London, 1981, Vol. II, Seite 57

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247. Charles François Lacroix de Marseille (Marseilles, um 1700–Berlin 1782), oder Umkreis. Die Wasserfälle von Tivoli. Öl auf Leinwand. 100:136 cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Aus der Sammlung des Marques of Winchester Kunsthandel Arhur Tooth & Sons Ltd., London Schweizer Privatbesitz

248. Beistelltischchen, auch table rognon, Louis XVI, Frankreich, circa 1780, in der Art von Joseph Gengenbach, ge- nannt Canabas. Mahagoni, massiv. Nie- renförmiges, wenig vertieftes Blatt über einschübiger Zarge und elegant ausge- 248 schnittenen Beinen mit stegartigen Füssen. 68:91:37 cm. 500.—/800.—

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247 Detail

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249. Überaus seltener und besonders feiner, grosser Rokokosalon- spiegel, deutsch, wohl Ansbach oder Bayreuth, circa 1760. Lin- denholz, geschnitzt, durchbrochen, polychrom gefasst und teilvergoldet. Hochformatiges Spiegelglas in fein profiliertem Rahmen und nach unten hin abschliessend, mit offener Kartusche aus zwei sich berühren- den C-Voluten, flankiert von feins- tem Rankendekor. Das Fronton überaus virtuos geschaffen in Form einer asymmetrischen, zentralen Kartusche und zwei kleineren Nebenkartuschen. Rocaillen und Voluten in feinster Schnitzarbeit, dazwischen Palmetten, Rosengir- landen und Blüten. Abschliessend mit einen Blumenkorb, darin Rosen und Wiesenblumen. 150:56 cm. 2500.—/3000.—

Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Der hier angebotene Rokokospiegel gehört sicher mit zu den schönsten Schöpfungen sei- ner Zeit. Kaum besser hätte der unbekannte, wohl fränkische Bildschnitzer seiner Zeit Aus­ druck geben können. Wie Porzellan wirkt dieser so fein geschaffene und sorgfältig gefasste Spiegelrahmen und erinnert an die polychrom gefassten Bayreuther Spiegel die- ser Zeit. Im Zusammenhang mit unserem Spiegel sei auch an eine Entwurfsskizze für einen Konsoltisch mit Pfeilerspiegel erinnert, welcher vom Würzburger Bildhauer Johann Peter Wagner stammt und in die Zeit gegen 1760 zu datieren ist. Dort zeigt das vorgese- hene Schnitzwerk des Spiegels, besonders im Fronton und den freihängenden Blumengir- landen, eine sehr ähnliche Leichtigkeit auf.

Vergleiche: Kreisel/Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels, München, 1983, Bd. 2, Abb. 537, für den Entwurf des Johann Peter Wagner

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250. Meisterliche, zweiteilige Fayence-Vogelplastik, einen pickenden Specht darstellend, Manufak- tur Schrezheim, um 1760/70. In schönsten Muffelfarben bemalt, das Federkleid in feinen Abstufungen von Blau, Grün und Gelb. Erhöhter Sockel in hellem Grün, darauf Blatt- und Astwerk. Der Vogel in leicht vorgebeugter Haltung zum Picken bereit. Kopf und Rücken des Tieres abnehmbar. Fein betonte Augen- partie, Rücken und Sockel mit alter Reparatur und Retusche. 18:25 cm. 4000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Ausgestellt: Alte deutsche Fayencen, Bayerisches Nationalmuseum, München, 1949 Das Tier in der Kunst des 18. Jahrhunderts, Schloss Jegenstorf, 1952, Katalog S. 23, Vitrine XI, Nr. 1

Literatur: Hans Erdner und Gert K. Nagel, Die Fayencefabrik zu Schrezheim, 1752–1865, Ellwangen, 1972, dort beschrieben und abgebildet, Nr. 36

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251. Ein seltenes Paar Zierkonsolen, Régence, Frankreich, 1. Viertel 18. Jh. Eiche, massiv, rot gefasst und teilvergoldet. Bauchiger und geschweifter Korpus auf marmoriertem und profiliertem, bastionsartig ausgeschnittenem Sockel. Die Wandung mit angedeuteten Kassetten. Die Front mit einer grossen, palmet- tenartigen Rocaille und hängenden Girlanden mit Trauben und Blumen. Seitlich mit geflügelten Engels- köpfen über sehr fein und reich gestalteten Muscheln und Akanthusranken. Abschliessend mit profilierten und halbrund geschnittenen «rouge de France»-Marmordeckplatten. 110:74:34 cm. 10000.—/15000.—

Provenienz: Aus einem Landhaus am Genfersee Sammlung Baronin de Balkany

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252. Domenico Brandi (Neapel, 1684–1736). Pecore con il loro pastore. Öl auf Leinwand. Unten rechts signiert: «D. Brandi». 70:125 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Zürcher Privatbesitz

253. Jeanne-Philiberte Ledoux (Paris, 1767 – Belleville, 12.10.1840) zugewiesen. Winzerknabe mit Weinglas. Öl auf Leinwand. Rückseitig handschriftlich bezeichnet. In Würzburger Rokokorahmen. 28,5:23 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Baron de B. Zürcher Privatbesitz

Jeanne-Philiberte Ledoux, war die Tochter des berühmten französischen Architekten Claude-Nicolas Ledoux und Schülerin von Jean-Baptiste Greuze.

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254. Monogrammist AB, flä- misch, 17. Jh. Schiffers- leute an einem Fluss und Bettelmusikant in Land- schaft mit Tieren. Gegen- stücke, Gouache auf Perga- ment. 22:31 cm. 500.—/600.— Provenienz: Ehemals Sammlung Baronin Kum- mer von Falkenfeld

255. Lackschatulle, Japan, 18./19. Jh. Längsformatige Schatulle mit geschweifter Wandung und profiliert ab- schliessendem Deckel. Fein ziselierte Beschläge und Eckzierden. Im Innern mit 254 diversen Kompartimenten und wie im Äusseren reich mit Landschaften und Vögeln in goldfarbenem Lack auf schwarzem Grund verziert. Im Innern unvollständig. Fehlstellen. 12,5:23,5 cm. 250.—/300.—

256. Ein Paar sehr feine Figuren von Mönchen, Burma, wohl 18. Jh. Holz, mit teils erhaltener, originaler Fassung. Beide knieend, ein Mönch in be- tender Stellung, der andere seine Hände auf den Ober- schenkeln abstützend. Schöne Patina. H = 34 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Château de Corbières 254 257. Dunkelbraune Lack- schatulle, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1745. Von Tombeau- Form, der Deckel sehr schön bemalt mit Chinesen und einer Parklandschaft. Die Ecken mit stilisiertem Akanthus, alles in Gold auf lackiertem Grund. Innen mit Goldstaub lackiert. 13:29:22 cm. 500.—/700.— Provenienz: Galerie Stuker, Bern

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258. Äusserst seltenes und sehr bedeutendes Rotlackkabinett mit Chinoiserie-Golddekor, Paris, um 1720/30, Guillaume Martin (1689–1749) und seiner Werkstatt zuzuweisen. Holz, rot gelackt und mit Golddekor. Hochformatiges, zweitüriges Kabinett auf gelacktem Unterbau mit wellig ausgeschnittener Zarge und geschweiften Beinen. Im Innern mit einer Längsschublade und sechs kleineren Schüben, unter- teilt durch ebenfalls fein gelackte und vergoldete Traversen. Alle Flächen mit feinsten Chinoiserien in gra- viertem Golddekor, in Form von Parklandschaften, bewaldeten und felsigen Landschaften, darin Kutschen mit höfischen Figuren, pardiesischen Vögeln und exotischen Tieren. Sehr fein ziselierte und vergoldete Beschläge und Handhaben in chinesischem Stil. 146:81:39 cm. 40000.—/60000.—

Die einzelnen Szenen:

1. Paneel, rechte Aussenwand: Inmitten einer exotischen Landschaft findet sich ein festlich gekleideter Höfling, begleitet von einem Pagen, der ihm einen prächtigen Sonnenschirm nachträgt. Auf felsigem Vorsprung sitzt ein Phönix und betrachtet das Geschehen.

2. Paneel der rechten Türe, aussen: Zwischen felsigen Vorsprüngen, Blumen und Rankenwerk, führt ein mit Säbel bewaffneter Höfling ein Ochsengespann, welches eine prächtig dekorierte Kutsche mit Drachen und Zieraufsatz zieht. Die Seiten- wände der Kutsche sind mit Fabelwesen dekoriert.

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3. Paneel der rechten Türe, innen: Zwei Musikanten in Chinoiserie-Kostümen inmitten von Blüten und Buschwerk. Die grössere Figur im Vordergrund mit grosser und kleiner Glocke, der Musikant im Hintergrund mit Trommelwalze und Glöcklein. Beide mit prächtigem Kopfschmuck.

4. Paneel der obersten kleinen Schublade, rechts: Ein Krieger zu Pferd, mit Fahne und ein die Pfeife rauchender Höfling, zwei Affen beim Spielen beo­ bachtend, inmitten von Pflanzenwerk, seitlich ein grosser Pavillon, Phönixe am Himmel.

5. Paneel der mittleren kleinen Schublade, rechts: Ein felsiger Hügel mit einer prachtvollen Pagode, davor sitzt ein hoher Beamter, vor ihm ein knieender Krieger, den rechten Fuss des Beamten umfassend, ein weiterer Krieger hinter ihm. Sommervögel, Kraniche und ein Phönix am Himmel, eine weitere Figur in der rechten Bildhälfte beim Füttern von zwei Enten.

6. Paneel der unteren kleinen Schublade, rechts: Zwei mit Bogen und Säbel bewaffnete Höflinge auf der Jagd. Ein aufgeschreckter Rehbock flieht in Rich- tung einer bewaldeten Landschaft mit Palmen. Eine Schlange windet sich um einen Jungbaum, ein Affe klettert den Palmbaum hoch. In der linken Bildhälfte eine schlossartige Gruppe von Pavillons, inmitten von Blütenwerk.

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7. Paneel der grossen Schublade: Um einen runden Tisch, im Schatten eines Palmbaumes, finden sich zwei Höflinge, sich zuprostend. Ein Diener bringt auf einem Tablett eine Kanne mit Tee. Seitlich der Szene mit einem Elefanten und einem Phönix.

8. Paneel der obersten kleinen Schublade, links: Eine hügelige Landschaft mit Pagoden, davor ein Einhorn. Blüten und Rankenwerk, fliegende Vögel und eine sitzende Figur, das heranschreitende Einhorn bestaunend, ein Page mit Sonnenschirm hinter ihm.

9. Paneel der mittleren kleinen Schublade, links: Eine Pagode am rechten Bildrand, davor ein fürstlicher Herr, vor ihm ein niederkniender Page, ein Getränketablett darbietend, hinter dem Fürsten ein Page mit Sonnenschirm. Sommervögel am Himmel, ein Hund, Blumen und Ziersträucher in der linken Bildhälfte.

10. Paneel der unteren kleinen Schublade, links: Zwei Beamte beim Pfeifenrauchen an einem gedeckten Tisch, Sträucher und Blüten, dazwischen Sommervögel und zwei Kraniche vor prächtiger, schiffarti- ger Pagode.

11. Paneel der linken Türe, innen: Inmitten von Palmbäumen, Blüten und Rankenwerk, unter einem Felsvor- sprung, eine prächtig gekleidete Figur eines Fürsten, vor ihm ein geduckter Page, ein Phönix auf hügeligem Vorsprung.

12. Paneel der linken Türe, aussen: Inmitten von Blütenbüschen, unter einem Felsvorsprung, ein prächtiger Sommerwagen mit Baldachin, eine fürstlich gekleidete Person darin sitzend. Ein Page mit Turban stösst den Wagen von hinten. 258 13. Paneel der Aussenwand, links: Eine felsige Landschaft mit Blütenzweigen und Palmbäumen, zwei Figuren in der Bildmitte.

Das hier angebotene, in seinem weitestgehend unberührten Originalzustand erhaltene Kabinett ist ein kostbares Unikat und wohl das einzige erhaltene Beispiel eines Pariser Rotlack-Kabinetts mit Golddekor aus der Werkstatt des Guillaume Martin überhaupt. Kennt man in dieser höchsten Qua- lität der Ausführung meist nur Kleingegenstände des täglichen Bedarfs, wie Encriers, Schatullen und Dosen, so ist unser Lackkabinett von allergrösster Seltenheit und hat sich in seinem alten und un- verdorbenen Zustand bewahrt. In einer französischen Privatsammlung hat sich einzig eine Etagère erhalten, die als grösseres Ziermöbel in der Qualität vergleichbar ist und ebenfalls um 1720 zu datie- ren ist. Von gleicher Qualität wie der gravierte Golddekor unseres Kabinetts sind zwei Pariser Lack- dosen der Zeit um 1720, welche wohl aus der Werkstatt des Guillaume Martin stammen. Eine dieser Schatullen findet sich im Museum für Lackkunst in Münster, Inv.-Nr. EU-l-b-2, eine weitere, bei- nahe identische Schatulle in gleicher Sammlung wie unser Kabinett und hier als Los-Nr. 40 ange­ boten. Eine weitere, läng­liche Schatulle in der Sammlung Kraemer, Paris, und wiederum um 1720 zu datieren, ist wohl von gleicher Hand graviert wie unser Kabinett und kann auch der Werkstatt des Guillaume Martin zugewiesen werden, für den Antoine Bercy als Gravurkünstler auf Lack tätig war. Ebenfalls wirkte für Martin der Lackkünstler und Graveur François-Philippe Duberselle. Es ist davon auszugehen, dass einer dieser beiden Künstler auch den fein gravierten Golddekor auf rotem Lack des hier angebotenen Kabinetts fertigte. Die Gebrüder Etienne-Simon und Guillaume Martin entwickelten in Paris einen Vernis, der es ihnen ermöglichte, die teuren Importe von asiatischen Lackarbeiten erfolgreich zu konkurrieren. Der von ihnen erfundene Vernis, mit dem Kleinobjekte, wie auch Möbel, Kutschen und Uhrengehäuse überzogen wurden, ist heute allgemein als Vernis Martin bekannt. Guillaume Martin hatte seine Werkstatt mit seinem Bruder im Faubourg Saint- Antoine, wo sich auch die berühmten Schreinerwerkstätten der Zeit befanden. Guillaume Martin erhielt am 23. Juni 1729 von Louis XV ein Brevet als Vernisseur du roi und ein Patent, das ihm das Exklusivrecht zur Herstellung der von ihm erfundenen Lacke garantierte. Als Vorlage für die Lack- künstler dienten u.a. die Kupferstiche des John Stalker, welche 1688 in London verlegt wurden als A treatise of Japaning and Varnishing aber auch die Entwürfe der französischen Künstler der Zeit.

Vergleiche: Anne Forray-Carlier und Monika Kopplin, Les secrets de la laque française, le vernis Martin, Paris, 2014, S. 59 Kat. Nr. 19, S. 60 Kat. Nr. 20, S. 69 Kat. Nr. 30 Monika Kopplin, European Lacquer, Münster, 2010 BO 63 258

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259. Ungewöhnlicher Teller, Langnau, 18. Jh. Flache Ausformung. Im Spiegel ein Stadttor und Häuser, darunter mit Inschrift: «Ein jeder der mich aufricht der gedänck sin nicht, denn gedänck er sin so vergäss er min». Auf der schrägen Fahne Vögel und Spiral­muster. Grün und ziegelrot bemalt auf weissem Grund. D = 26,5 cm. 600.—/800.—

260. Schöne Altarschale, Luzern, circa 1730, mit Wappen der Luzerner Patrizierfamilie Pfyffer von Altishofen. Holz, geschnitzt, grün gefasst und vergoldet. Runder Fuss mit Akanthusschnitzerei, darüber die ausladende Schale mit dem viergeteilten und bekrönten Wappen. Seitliche, s-förmige Henkel. Innen mit Löchern für Garben und zentraler, schmiedeeisener Rundstab. L = 37 cm. 500.—/800.— Provenienz: Familie Pfyffer von Altishofen Zürcher Privatbesitz

261. Louis Valtat, Südfrankreich (Dieppe, 8. August 1869–Paris, 1952). Blick aufs Meer, circa 1910 Aquarell über Kohlestift auf Papier. Unten rechts signiert: «L. Valtat». 24,5:32,5 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Tessiner Privatbesitz

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262. Gefasster Fauteuil, Louis XV, Frank- reich, Paris, circa 1760. Buche, ge- schnitzt und lindengrün gefasst. Trapezför- miger Sitz über moulurierter und blumengeschnitzter, wellig ausgeschnitte- ner Zarge und geschweiften Beinen. Die wenig nach hinten geneigte Rückenlehne mit Blumenschnitzerei, die Armstützen gepolstert. Mit Jonggeflecht und abnehm- barem Sitzkissen. 91:40:60:54 cm. 500.—/700.— Provenienz: Westschweizer Privatbesitz Auktion Sotheby’s Zürich, November 1995, Los Nr. 159

263. Schöne Chiffonière, Louis XV, Frank- reich, Paris, 2. Hälfte 18. Jh., signiert von Martin Ohneberg. Rosenholz und 262 Veilchenholz auf Eichenkorpus furniert und gefriest.Hochformatiger, sechsschübi- ger Korpus auf wellig ausgeschnittener Zarge und geschweiften Beinen. Die Eck- stollen abgeschrägt, vorstehendes, profilier- tes, sehr schönes «Brèche-d’Alep»-Marmor- deckblatt. Die Felder in gefriestem Rosenholz, die Rahmungen in welligem Veilchenholz. Vergoldete Bronzebeschläge. 115,5:46:33,5 cm. 2000.—/2500.—

Martin Ohneberg, 1738–nach 1798, Meister ab 1773.

Provenienz: Marguérite Iseli-Mooser, Zürich Privatbesitz, Küsnacht

Die hier angebotene Chiffonière ist eine sehr hübsche und schreinerisch qualitätsvolle Arbeit der Werkstatt des wohl ursprünglich aus Deutschland stammenden Pariser Ebenisten Martin Ohneberg. Sein erstes Atelier eröffnete Ohneberg in der Rue Traversière-Saint- Antoine. Ohnebergs Arbeiten waren stets von sehr fei- ner Verarbeitung, und so bestellten die berühmtesten Marchands-Merciers, darunter etwa die Gebrüder Presle, Arbeiten aus seinem Atelier. Ohnebergs Arbei- ten sind immer von zurückhaltender Art, aber immer sehr ausgewogen in Proportion und Dekor, wie wir dies auch an unserem Möbel sehr gut wahrnehmen. Die meisten Möbel seiner Produktion sind in den Stilen der Transition und des Louis XVI entstanden. Das hier angebotene Schubladenmöbel weist noch alle Merkmale des Louis XV auf, dürfte aber um die Zeit um 1775 zu datieren sein.

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264. Eugène Ferdinand Victor Delacroix (Charenton- Saint-Maurice, 26.4.1798–Paris, 13.8.1863). Evêque haranguant une foule. Studie zu L’assassinat de l’Evêque de Liège. Aquarell über Bleistift auf Papier. Links unten mit Nachlass-Stempel ED. 15:19,5 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Galerie Nathan, Zürich

Unser Blatt ist eine Vorstudie zu Delacroix berühmten Werk L’as- sassinat de l’Evêque de Liège, von 1829, welches sich im Musée du Louvre in Paris befindet. Lambert von Lüttich wurde um 635 in Maastricht geboren und um 705 in Lüttich ermordet. Weil er als Bischof von Lüttich die Immunitätsrechte der Kirche gegenüber der Staatsgewalt konsequent verteidigte, liess man Lambert von Lüttich am 17. September, wohl im Jahre 705, in seinem Haus in Lüttich (Leodium) erschlagen. Diese Szene greift Delacroix in sei- nem ergreifenden Werk auf. Unser Blatt ist eine der schönsten und visionärsten der erhaltenen Studien.

Eugène Delacroix

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Der Kaminschirm an seinem ursprünglichen Standort, vor 1952, wie abgebildet bei Guillaume Janneau

265. Hochbedeutender und seltener Kaminschirm mit Savonnerie-Paneel, Frankreich, oder Eng- land, 1. Hälfte 18. Jh.. Das Savonnerie-Paneel der Manufaktur de la Savonnerie, Paris, wohl nach Vorlagen des Alexandre-Françis Desportes, oder London, Werkstatt des Thomas Moore zuzu- weisen. Holz, geschnitzt und vergoldet. Hochformatiger Rahmen, reich geschnitzt mit Voluten- und Rocaillenwerk. Die Zarge mit mächtigem, zentralem Muschelmotiv, seitlich davon, die mehrfach ge- schweiften Beine. Die Seitenstützen mit C-Voluten und Rankenwerk geschnitzt, der Abschluss mit zentra- lem Palmettendekor, flankiert von C-Voluten und Ranken. Das seltene Savonnerie-Paneel mit Darstellung eines Kirsche pickenden Papageien, eines Ara macoa, der sich auf dem Ast eines verdorrten Baumes nieder- gelassen hat. Unter ihm ein Früchtekorb, ein Eichhörnchen daneben verköstigt sich an den süssen Früch- ten. Eine weite und hügelige Landschaft im Hintergrund, der Himmel in hellen und dunklen Blautönen. Umrahmt wird das kostbare innere Bild von Rocaillen und umlaufenden Voluten auf rotem Grund. 110:84:31cm. 8000.—/12000.— Provenienz: Ehemals Sammlung des Herzogs von Mortemart Auktion Galerie Charpentier, Paris, 10. Dezember 1935, Collection du Duc de V. et de feu monsieur le duc de Mortemart, Los Nr. 13 Privatbesitz

Der hier angebotene Kaminschirm ist von allergrösster Seltenheit und in seinem unverdorbenen Originalzustand der Vergoldung ein einzigartiger Zeuge der Wohnkultur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überhaupt. Der Kaminschirm stammt aus dem Besitz der Herzöge von Mortemart. Die Herzöge von Mortemart sind eine Linie des Hauses Rochechouchart. Sie erhielten den Herzogstitel und die Erhebung zum Pair de France im Jahre 1663.

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Detail unseres Kaminschirms an seinem ursprünglichen Standort, Kaminschirm aus Dumfries House, 1759 vor 1952

Die Herstellung von Stuhlbezügen, Teppichen, Bezüge für Paravents und Kaminschirme, wie der hier angebotene aus der Sammlung des Herzogs von Mortemart, in der sogenannten Savonnerie-Technik ist besonders aufwändig und kostenintensiv. So gehörten denn diese Erzeugnisse bereits im 17. Jahrhundert zu den eigentlichen Luxusgütern und waren nur für eine sehr ausgelesene Kundschaft erschwing­ lich. Die Savonnerie-Technik ist vergleichbar mit der Knüpftechnik orientalischer Teppiche. Pierre Dupont (1560–1640) erhielt von Henri IV das Amt eines Tapissier ordinaire du Roi zugesprochen. Zuerst wurden Teppiche und Bezüge für Sitzmöbel, Paravents und Kaminschirme im Louvre selbst hergestellt, später in einer Seifenfabrik – deshalb der Name Savonnerie – am Fusse des Chaillot-Hügels bei Paris, etwa dort, wo heute das Palais de Tokio steht. Zu den bedeutendsten der frühen Entwerfern, für die königliche Manufaktur gehörten allen voran Charles le Brun (1619–1690). Zur Zeit von Louis XV bediente man sich besonders für die Entwürfe von Kamin- schirme und Paravents der Vorlagen des Malers Alexandre-François Desportes (1661–1743) der für die Gobelins-Manufaktur mit der berühmten Tapisseriefolge «Les Nouvelles Indes» beauftragt wurde, welche in den Jahren ab 1740–41 gewirkt wurden. Etwa in diese Zeit oder nur wenig später dürfe auch die Savonnerie unseres Kaminschirms zu datieren sein. In gekonnter Manier übernimmt der Régence-Rahmen die virtuose Umrandung des Savonnerie-Bildes. In der Sammlung Irwin Untermyer, Metropolitan Museum of Art, New York, findet sich eine dem Engländer Thomas Moore zugeschriebene «Savonnerie», die ein identisches Sujet aufnimmt, in der Rahmung jedoch sehr viel steifer wirkt. Eine völlig identische «Savonnerie» hat sich in einer Serie von drei Kaminschirmen erhalten, welche von Thomas Chippendale (1718–1779) im Jahre 1759 für Dumfries House geliefert wurden und deren «Savonnerie»-Paneel ebenfalls dem Engländer Thomas Moore zugeschrieben wird, der in einer Annonce aus dem Jahre 1756 im «The Public Advertiser» seine Arbeiten als «after the Manner oft he Gobelins» beschrieb. Die alte Provenienz der hier angebotenen Savonnerie lässt darauf schliessen, dass dieses beliebte Sujet sowohl in Frankreich, wie auch in England hergestellt wurde. So sind möglicherweise die Savonne- rien der Dumfries House Kaminschirme ebenfalls in Frankreich hergestellt worden, hingegen das identische Sujet mit unterschiedli- chem Rahmen aus der Untermyer-Sammlung von englischer Manufaktur und möglicherweise von Thomas Moore. Guillaume Janneau (1887–1981), Inspecteur des Monuments historiques, bildet unseren Kaminschirm in seinem Werk «Le meuble léger en France», Paris 1952, doppelseitig ab.

Vergleiche: Guillaume Janneau, Le meuble léger en France, Paris, 1952, dort doppelseitig abgebildet. Auktionskatalog Etienne Ader, Galerie Charpentier, 10. Décembre 1935, Los Nr. 269 Auktionskatalog Mes Ader-Picard, Palais Galliera, Paris, 15. Juni 1971, Los Nr. 79

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266. Lackschatulle, Zürich, circa 1740–50. Holz, schwarz gelackt und poly- chrom mit Chinoiserien bemalt. Von rechteckiger Form mit gewölbtem Deckel und vergoldeter und gravierter Schlüssel- lochzierde. Das Innere mit originalem Türkischpapier ausgeschlagen, aussen be- malt mit Parklandschaften, Pavillons, Blumen und Figuren mit Sonnenschir- men. 19:39:28 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus altem Zürcher Familienbesitz

267. Régencespiegel Italien, Genua, circa 1730. Holz, fein geschnitzt, durchbro- chen und vergoldet. Der mittlere Ovalrahmen um­ geben von reichem Ranken- werk, Grillage und Rocail- len. Originales Spiegel­glas. 77:50 cm. 2000.—/3000.—

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268. Drei seltene Figuren eines Chinesen «Bonz» und zwei Chinesinnen, Berlin, Manufaktur von Gerhard Wolbeer, um 1700–1725. Fayence, mit dreifarbigem Scharffeuerdekor in Blau, Grün und Eisen- rot. Ohne Marken, mit roter Inventarnummer 1866 auf zwei der Figuren. Die Chinesinnen auf rechtecki- gen, frontseitig abgeschrägten Sockeln aufrecht stehend, ihre Arme unter dem weiten und floral ge- schmückten Kleid verschränkt. Beide mit einem Collier und gewickelter Kopfbedeckung. Der Chinese auf rechteckigem Sockel, aufrecht stehend und seinen Blick keck zur Seite gewandt. Auch er mit weitem, blumengeschmücktem Gewand, seine Arme den kugeligen Bauch umfassend. Alte Restaurationen. Höhe des Chinesen: 28 cm. Höhe der Chinesinnen: 24 bzw. 25 cm. 2000.—/3000.—

Provenienz: Sammlung O. Riesebieter, Oldenburg Sammlung Anton Philips, Eindhoven Sammlung Schmitz-Eichhoff, Köln

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269. Seltene Rokokokonsole, deutsch, wohl Bamberg oder Würzburg, circa Mitte 18. Jh. Holz, ge- schnitzt, lindengrün gefasst und teilvergoldet. Dreiseitig geschweiftes, originales, sehr fein profiliertes, in Rot-, Braun- und Weisstönen durchzogenes Marmorblatt über sehr fein mir Rocaillen, Kartusche und Voluten geschnitzter, eingezogener Zarge. Die Beine zur Zarge hin aus zwei betonten C-Voluten geformt, danach übergehend in Bocksbeine mit Paarhufen. Die Kniepartie mit herzförmigen Kartuschen und feinster Schnitzerei in Andeutung von Ziegenhaar. 82:80:44 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

Die hier angebotene Konsole ist in ihrer Art sicher ein Unikat und dürfte gemäss Überlieferung aus dem fränkischen Raum, Würzburg oder Bamberg stammen. Seine farblich sehr fein gewählte und kostbare Marmorplatte lässt vermuten, dass dieses seltene Ziermöbel einen einst sehr festlichen Raum schmücken durfte. Ungewöhnlich sind die zoomorph geschnitzten Beine, die an die Beine eines Widders erinnern und durch die bei- den grosszügigen und sehr künstlerisch geschnitzten C-Voluten mit der Zarge vereint sind. Hier scheinen sich baro- cke Elemente sehr gekonnt mit dem feinen Rokoko der Zarge zu vereinen.

270. Schaugericht mit Feigen, La Rochelle, um 1800. In mit blauen Blümchen bemaltem Teller mit fassoniertem Rand. D = 23 cm. 500.—/700.—

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271. Marten de Vos (Antwerpen 1532–1603), alte Zuschreibung. Apollo und Diana, um 1590. Öl auf Eiche. Das Eichenpaneel rückseitig mit dem Stempel der Sankt Lukasgilde und dem Stempel der Stadt Antwerpen. 53:40 cm. 10000.—/15000.— Provenienz: Aus adligem Privatbesitz

Unser, wohl um 1590/1600 entstandenes Tafelbild ist von sehr schöner Qualität und frischen Farben und ist den Werken des Antwerpener Malers des Mannierismus, Mar- ten de Vos, sehr nahe. Nach Ausbildung bei seinem Vater und Frans Floris begab sich de Vos auf eine Studienreise nach Rom, Florenz und Venedig. Sein Hauptinteresse galt dem italienischen Maler Jacopo Tintoretto, für den er nachweislich einige der Land- schaftshintergründe malen durfte. Zurück in Antwerpen wurde de Vos im Jahre 1558 Meister der Lukasgilde, dessen Brandstempel unsere Eichentafel trägt.

272. Schöne Imari-Vase mit Filter, China, Kang-shi, Anfang 18. Jh., für den persischen Markt. Mit rundem, eingezogenem Fuss, dar- über die bauchige, sehr schön godronierte Wandung in schimmern- dem Blauton, darauf Blumen in Gold. Profilierte Schulter und lan- ger, wenig ausladender Vasenhals. Sehr fein bemalt mit Blumen, Ranken und Blütenzweigen in Rot und Blautönen. H = 29,5 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus Genfer Privatbesitz 272

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271 Detail

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273.* Ein Paar hochbedeutende Rokokoleucht­appliken, deutsch, fränkisch, circa 1765. Holz, ge- schnitzt, polychrom gefasst und mit vergoldeten Bronzetüllen und Tropftellern. Prachtvoll und virtuos geschnitztes Wandstück aus welchem drei sich windende, naturalistische Leuchtarme emporsteigen. Alle Arme mit Rös- chen und Rankenwerk verziert, dazwischen Wiesenblumen und Blattwerk. Blütenartig geschnitzte Emporen für die Tropfteller und vasenförmigen Kerzentüllen. H = 58,5 cm. 30000.—/50000.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Die hier angebotenen, überaus seltenen und prachtvollen Leuchtappliken, gehören zu einer Folge von acht Leuchtappliken, von denen sich heute sechs im Metropolitan Museum in New York befinden und Teil der Lesley and Emma Sheafer Collection bilden, welche dem Museum 1973 von Emma A. Sheafer geschenkt wurden. Lesley und Emma Sheafer kauften die sechs sich in New York befindli- chen Appliken bei Karl Fischer-Böhler, München. Ein Paar Appliken – die hier angebotenen – behielt der berühmte Kunsthändler für seine Privatsammlung zurück. Diese Appliken zählen mit zu den schönsten und ungewöhnlichsten Schöpfungen des deutschen Roko- kos überhaupt. In Ihrer naturalistischen Erscheinung und der Feinheit des Schnitzwerkes, aber auch in der Einzigartigkeit ihres Ent- wurfs, erinnern unsere grossen Rokokowandleuchter an die bedeutenden, zeitgleichen Sitz- und Ziermöbel aus Schloss Seehof, aus dem ehemaligen Besitz des Fürstbischof von Würzburg, Adam Friedrich von Seinsheim (1708–1779), welche um 1763/64 geschaffen wurden und sich einst im Franckenstein Schlösschen, einem ehemaligen Gartenpavillon am östlichen Ende der Orangerie von Schloss Seehof befanden. Von diesen prachtvollen, mit Schilf und Rankenwerk, Blumen und Grillage scheinbar überwucherten Rokokomöbeln, welche dem Bamberger Johann Michael Bauer (1710–1779) zugewiesen werden, haben sich ein Paar Ecksofas, ein Paar Fauteuils, vier Stühle und vier Konsolappliken im Metropolitan Museum erhalten. Sie alle wurden, wie auch die drei Paar Leuchtappliken, von denen unser Paar das vierte Paar darstellt, in den 50er-Jahren durch Karl Fischer-Böhler vermittelt und an Lesley und Emma Sheafer nach New York verkauft. Wenn auch archivalisch nicht nachweisbar, so dürften unser Paar Leuchtappliken und die drei Leuchtappliken- Paare in New York, wohl in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mobiliar aus dem Franckenstein Schlösschen entstanden sein und sprechen eine gleiche Sprache. Mehr noch als den Sitz- und Ziermöbeln aus dem Franckenstein Schlösschen würde man besonders unseren Leuchtappliken eine Bayreuther Provenienz auch nicht absprechen können. Dieses feine, naturalistische Schnitzwerk und die zarte Polychromie der Fassung, erinnert sehr an den Bayreuther Stil der Jahre um 1760. So ist denn nicht verwunderlich, dass Karl Fischer-Böhler für die Sitzmöbel aus Seehof eine ursprünglich Bayreuther Provenienz vermutete. Sophie Caroline Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth war sehr eng mit Adam Friedrich von Seinsheim befreundet und es ist nicht auszuschliessen, dass sie ihm die berühmte Möbelgarnitur schenkte. Das würde auch erklären, weshalb sie in keinen Rechnungsbüchern des Fürstbischofs als Aufwand auftauchen. Austausch von Möbeln zwischen Seinsheim und der Markgräfin kamen mehrfach vor.

Vergleiche: The Metropolitan Museum, New York, wo sich sechs der ehemals acht Leuchtappliken aus unserer Serie befinden und in der Galerie 533 ausgestellt sind. Inv.-Nr. 1974.356.101-6

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Aegidius Sadeler (1570–1629) nach Hans von Aachen, vor 1597

274. Hans von Aachen (Köln, 1552–Prag, 3.3.1615), wohl Studio, um 1600. Minerva führt die Malerei zu den Sieben Freien Künsten. Öl auf Leinwand. In vergoldetem Rahmen des 17. Jh.. 142:105 cm. 15000.—/25000.— Provenienz: Aus einer Londoner Privatsammlung Sotheby’s London, 30.5.1997, Los Nr. 17

Unser Gemälde ist identisch in der Komposition mit einem kleinformatigen Gemälde auf Kupfer (21,1:17,6 cm), welches Hans von Aachen zugewiesen wurde und am 8. Dezember 2010, Los Nr. 171, bei Christie’s in London versteigert werden konnte. Die Komposi- tion unseres Gemäldes geht zurück auf eine Arbeit Hans von Aachens, welche im Jahre 1598 in der Kunstkammer am Münchener Hof vermerkt wurde. Ein berühmter Stich von Aegidius Sadeler, eines seiner Hauptwerke, nimmt auf dieses Gemälde Bezug und so ist denn auch der Kupferstich mit Widmung an Herzog Maximilian von Bayern versehen und mit Text bezeichnet, der sich frei übersetzen lässt: Wenn die Erde etwas Edles beherbergt oder das Meer, wenn im Himmel etwas Sehenswertes haust, dann hat es die geschickte Malerei, wetteifernd mit der mächtigen Natur, auf Holztafeln, die immer fortleben werden, übertragen. Jede Form bleibt aber roh und unbehauen ohne die Bildung von Mi- nerva; wenn die Malerei und Minerva sich jedoch vereinen, was kann es Schöneres geben? Und wenn die allenthalben berühmte Tugendhaftigkeit sich zu beiden als Begleiterin gesellt, wird diese das vollkommende Werk mit Lorbeeren kränzen. Unser Gemälde ist wohl eine der wenigen erhalte- nen, zeitgenössischen Kopien des verlustigen Gemäldes. Dargestellt wird auf dem Gemälde, unter dem Blicke einer Statue des Herku- les, der die Tugend verkörpert, die Göttin Minerva, die die Malkunst an der Hand zu einer Gruppe weiblicher Personifikationen der Sieben Freien Künste geleitet. Von links nach rechts können sie anhand ihrer Attribute identifiziert werden als: Grammatik (ein junges Mädchen lehrend), Dialektik (mit Buch), Musik (ein Blasinstrument spielend), Rhetorik (Caduceus), Geometrie (Erdglobus und Zir- kel), Arithmetik (mit den Fingern zählend) und Astronomie (Armillarsphäre).

Literatur: Thomas Fusenig, Hans von Aachen (1552–1615) Hofkünstler in Europa. Ausstellungskatalog, Aachen, Wien und Prag, Aachen, 2010/2011, S. 175

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275. Ein Paar prächtige Kerzenstöcke, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1745, in der Art von Juste-Aurèle Meissonnier (1693–1750). Bronze, feuervergoldet. Profilierter und ge- schweifter Fuss mit Blumen, Rankenwerk und Voluten geschmückt, welche sich in den schwungvoll gestalteten Schaft hinaufranken. Betonte Schulter und vasenartige Tülle. H = 29,5 cm. 7000.—/9000.—

Unser Paar Rokokokerzenstöcke dürfte auf Entwürfe des in Paris tätigen und aus Turin gebürtigen Juste-Aurèle Meissonnier zurückgehen. Unsere Kerzenstöcke sind zudem vergleichbar mit einem Paar Rokokokerzenstöcke, Paris, Mitte 18. Jh., welche sich ehemals in der Sammlung Deane Johnson, Bel Air, Californien befanden und durch Sotheby Parke Bernet, New York, am 9.12.1972, Los Nr. 90, versteigert wurden. Die Meissener Porzellanmanu- faktur übernahm dieses Modell in wenig veränderter Form, jedoch mit völlig identischem Schaft und gleicher Tülle.

Juste-Aurèle Meissonnier, Entwurt zu einem Kerzenstock, Kupferstich Register Seite 111–112 295

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276. Sehr feine Louis-XVI-Kommode, Frankreich, Paris, circa 1775, signiert von Godefroy Dester (1768–1805) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Satinholz, massiv und furniert. Längsrechteckiges, bastionsartig ausgeschnittenes und profiliertes, weiss-grau durchzogenes, originales Marmordeckblatt über passig geformter Kom- mode. Die Front mit geschrägten Eckstollen und wenig vorstehendem Mittelrisalit. Zwei grosse Schubladen sans traverse und eine kleinere Fries- schublade. Verriegelung durch zentrales Schloss. Der ganze Fries der Kommode mit ausserordent- lich feinem Zopfband in ziselierter und feuerver- goldeter Bronze. Innerhalb des Zopfbandes mit Rosetten, ausserhalb mit Akanthus. Die Eckstol- len mit sehr fein durchbrochenen Chutes, die sich nach unten verjüngenden Vierkantbeine mit Sabots und Triglyphen als Manschetten. Zargen- zierde, Schlüssellochzierden und Zugringen. 89:98:47 cm. 8000.—/12000.—

Godefroy Dester, Meister ab 1774

Provenienz: Ehemals Sammlung Fould-Springer

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Die hier angebotene Kommode stammt aus der Pariser Werkstatt des Godefroy Dester und kann in die Zeit um 1775-80 datiert wer- den. Wenn der hochbegabte Ebenist auch nur während einer sehr kurzen Zeitspanne tätig war, so fanden seine hoch qualitätsvollen Arbeiten doch begeisterten Absatz bei einer sehr vermögenden Kundschaft. Eines seiner schönsten Kommodenmöbel ist sicher die mit Porzellanplaketten versehene, welche Dester für den Comte d’Artoise, den jüngsten Sohn Ludwig XV. fertigte und die 1987 durch Christie’s in London versteigert wurde.

Die hier angebotene, aus der berühmten Sammlung Fould-Springer stammende Kommode ist mit ihren besonders feinen Bronzen und dem ausgesuchten Satinholz-Furnier ebenfalls ein Werk von ganz besonderer Qualität und entspricht ganz der schlichten, aber stilvollen Ausstrahlung, welche ein grosser Teil der Möbel der Werkstatt auszeichnet. Das Palais abbatial de Royaumont wurde 1787 vom Archi- tekten Louis Le Masson, einem Schüler des Claude Nicolas Ledoux, für den Abbé de Ballivières erbaut. 1923 wurde das Palais von Baron Eugène Fould und seiner Frau, der Baronin Marie-Cécile von Springer gekauft, die es in der Folge mit hochstehendem Mobiliar und Kunst ausstatteten. Die Tochter Liliane Fould-Springer heiratete 1941 Élie de Rothschild, der das prächtige Anwesen bis zu seinem Tode, 2007, sehr oft besuchte.

277. Pierre Bonnard (Fontenay-aux- Roses, 3.10.1867 – Le Cannet, 23.1.1947). Esquisse Nu debout de profil, um 1923. Dauberville No 12/6 Tom III. Rötel auf Papier. 15:10 cm. 2500.—/3500.—

Provenienz: Zürcher Privatbesitz

Ausgestellt: Fondation Pierre Gianadda, Martigny, Exposi- tion Bonnard, 11.6.–14.11.1999, Kat. Nr. 102

Le Palais abbatial de Royaumont

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278. Schöne Parketterie-Kommode als commode à portes, im Stile Louis XVI. Satinholz, Amarant und Rosenholz. Dreiseitig wenig gerundetes, weiss-grau durchzogenes und profiliertes Marmorblatt über pas- sig geschweiftem Korpus und sich nach unten verjün- genden Vierkantbeinen in Sabots. Die Front mit ge- rundeten Eckstollen und zwei Türen. Innen mit Tablar. Die ganze Schauseite des Möbels mit geomet- risch gerahmten Rosetten eingelegt. 95:107:44 cm. 2000.—/3000.— Die hier angebotene Kommode ist eine späte, aber sehr dekorative Arbeit im Stile der Epoche Louis XVI. Die Parketterie des schau­ seitigen Möbels erinnert an ähnliche Parketterien auf Möbeln von Jean-François Leleu. Unser Möbel dürfte also als Kopie eines sol- chen Möbels zu sehr viel späterem Zeitpunkt entstanden sein, doch ist es durchaus von grossem dekorativem Nutzwert, als Salonmöbel wie auch als Anrichtemöbel.

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279. Fauteuil, Louis XVI, Frankreich, um 1780. Buche, massiv und kanneliert. Trapezförmiger Sitz über moulurierter Zarge und sich nach unten verjüngenden, kannelierten Stabbeinen. Die Rückenlehne rechteckig und wenig nach hinten geneigt, die Armstützen gepolstert. Karierter Bezug in Blau. 85:45:62:48 cm. 600.—/700.— Provenienz: Marguerite Iseli-Mooser, Zürich

280. Bedeutender Chachepot oder Jardinière, Frankreich, Paris, circa 1860/70, in der Art von Eduard Lièvre (–1886), die Bronzen wohl von Ferdinand Barbedienne (1810–1892). Weisses Porzellan, in Unter- glasurblau bemalt mit Blüten und Ranken. Massiver, godronierter und vergoldeter Bronzestandfuss auf ge- schweiften, sehr fein dekorierten Füsschen. Das Porzellan mit ausladender Wandung und sehr fein mit Blumen und Ranken dekorierter Manschette mit seitlichen Elefantenköpfen. Innen mit Blecheinsatz. H = 45 cm. L = 55 cm. 3000.—/5000.— Provenienz: Privatbesitz, Zürich

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281. Lebendmaske des Johann Wolfgang von Goethe (Frankfurt a. M. 28.8.1749–Weimar, 22.3.1832), vom Weimarer Hofbildhauer Karl Gottlieb Weisser (1780–1815) im Jahre 1808 abgenommen und von Johann Gottfried Schadow (Berlin, 20.5.1764–27.1.1850), 1816 abgegossen. Früher Guss, 19. Jh., mit einge- ritzter Nummer 12 und Siegel unter Glas. 26:17 cm. 2000.—/3000.— Goethes Abneigung gegen Totenmasken erhellt aus einer Stelle in den Wahlverwandtschaften: «Niemand denkt daran, lebende Formen zu erhalten... Da wird ein Toter geschwind noch abgegossen und eine solche Maske auf einen Block ge- setzt, und das heisst man eine Büste. Wie selten ist der Künstler imstande, sie völlig wieder zu beleben....» Im Jahre 1808 nahm der Bildhauer Weisser die Lebendmaske für den Phrenologen Gall ab. Diese entspricht unserer Maske. Am 10. Februar 1816 machte Johann Gottfried Schadow wohl von der bestehenden Maske einen Abguss in Gips. Die Ori- ginalausformung findet sich im Goethe Museum in Weimar. Von der in Weimar vorhanden Originalmaske ist wiederum unsere Maske ein früher Originalabguss mit eingeritzter Nummer «12». Im Oktober 1808 ist Gall in Weimar und be- sucht am 13. Oktober Goethe. In Goethes Tagebuch heisst es unter dem 16. Oktober: «Nachher Dr. Gall und Sporzheim (Spurzheim). Dr. Gall kam nach Tische wieder, wo wir über seine Lehre bis gegen Abend sprachen; da ich mich für ihn abgiessen liess.» Später wird Goethe wiederholt davon erzählen, «Gall zuliebe» habe er seine Maske abformen lassen und sie sei «wohlgeraten». Zur Situation der Maskenabnahme fehlen standfeste historische Notizen, umso erfreulicher ist die Johann Wolfgang von Goethe, Portrait von Josef Stieler, 1828 Milieuschilderung, die Jutta Hecker (1904–2002) in ihrer romanhaften Erzählung gibt, wobei sie auch historisch Exak- tes einmischt. Am 13. Oktober sei Weisser ins Haus auf dem Frauenplan bestellt und vom Diener ins kleine Arbeitszim- mer geführt worden. Goethe sei im Schlafrock gekommen, «er setzt sich nieder am Tisch in der Mitte, das Gesicht hat er dem Fenster zugewandt. Weisser beginnt seine Arbeit. Mit Herzklopfen legt er die Binden um den Haaransatz (und das Seidenpapier auf die Augen), fettet alle Gesichtspartien sorgfältig ein und beginnt die Masse vorsichtig von oben überzugiessen. Er spannt die Schnur für die beiden Maskenhälften. Er verdichtet die Schicht; wieder und wieder. Seine Hände zittern vor Aufregung. Nun muss die Masse trocknen. Goethe atmet mühsam und hörbar. Es ist das einzige Ge- räusch im Zimmer. Weisser tritt ans Fenster, öffnet es und wartet. Seine Blicke schweifen zurück über die Gestalt in der Mitte am Tisch. Welch ein gespenstiger Anblick! Über dem weisswollenen Schlafrock das mächtige Haupt mit dem dick aufgelegten Gipsbrei. Wenn die Form nun nicht gelänge! Wenn der Gips irgendwo haften bliebe auf der Haut! Endlich scheint die Masse getrocknet zu sein. Weisser fasst vorsichtig die Formhälften und schiebt sie in ängstlicher Erwartung von dem Gesicht. Sie lösen sich tadellos. Goethe steht auf und wischt sich mit einem Tuch das Gesicht ab. Er tritt ans Fenster, atmet tief und sagt: Das ist kein Spass, sich den nassen 281 Detail Dreck ins Gesicht schmieren zu lassen!»

Aus: Michael Hertl, Goethe in seiner Lebendmaske, Würzburg, 2008

Vergleiche: Egon Friedell, Das letzte Gesicht, Zürich, 1929, S. 13 Nr. 17

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Henry Walton, Portrait des Edward Gibbon (1737–1794)

282. Der Wedgwood-Vasensatz des Edward Gibbon,dem Verfasser von «The History oft the Decline and Fall of the Roman Empire». Grosser «Wedgwood Blue Jasper Ware»-Vasensatz, Ende 18. Jh.. Jede Vase von französi- scher Form, in hellem Blau, appliziert mit weissen Reliefs von mythologischen Szenen und Medaillons, Akanthus und Girlanden. Eine grosse Vase, zwei Vasen von mittlerer Grösse und zwei kleine Vasen. Mit Wedgwood-Marke und Rautenmarke. H = 30, 24 und 17,5 cm. 5000.—/7000.—

Provenienz: Aus dem Besitze des Historikers Edward Gibbon (1737–1794) Privatbesitz, Lausanne

Literatur: William de Charrière de Sévery, La Vie de Société dans le Pays de Vaud, Lausanne, 1912, dort abgebildet und beschrieben: Vases en Wedgwood bleu ayant appartenu à Gibbon.

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Der hier angebotene Vasensatz ist nicht nur wegen der fei- nen Qualität der Ausführung von Bedeutung, auch seine noble Provenienz erinnert an zwei bedeutende englische Persönlichkeiten des ausgehenden 18. Jahrhunderts: Edward Gibbon (1737–1794) und Josiah Wedgwood (1730–1795). Edward Gibbon, dessen Portrait sein Freund und bedeuten- der Keramik-Unternehmer, Josiah Wedgwood, nach 1788 in Jasperware nach einem Portrait von Sir Joshua Reynolds (1723–1792) schuf, war der Besitzer unseres Vasensatzes, der sich seit dem frühen 19. Jahrhundert in Lausanner Privatbe- Der Vasensatz wie 1912 abgebildet bei William de Charrière de Sévery sitz befand. Erstmalig wurden unsere Gibbon-Vasen 1912 von William de Charrière de Sévery in seinem Werk «La Vie de Société dans le Pays de Vaud», publiziert. Edward Gibbon war ein berühmter britischer Historiker in der Zeit der Aufklärung. Der Welt bekannt wurde Gibbon durch sein Hauptwerk History of the Decline and Fall of the Roman Empire, welches in sechs Bänden, ab 1776 veröffentlicht wurde und auf über 3000 Druckseiten die Geschichte des Römischen und Byzantinischen Reichs von der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus bis zur Einnahme Kon- stantinopels durch die Türken im Jahre 1453 schildert. Gib- bon wuchs als ältestes Kind einer vermögenden Familie des niederen Landadels in Surrey auf. Der Einzelgänger Gibbon besuchte die berühmte Westminster School und kam im Alter von 14 Jahren ans Magdalen College nach Oxford. Londoner Jesuiten hatten starken Einfluss auf den jungen Schüler, so dass dieser 1753 zum Katholizismus übertrat. Gibbon musste Oxford verlassen und wurde von seinem Vater zur weiteren Ausbildung nach Lausanne an den Gen- fersee geschickt. In Lausanne vertiefte Gibbon seine Kennt- nisse der alten Sprachen und verliebte sich in Suzanne Curchod, der späteren Frau von Jacques Necker. Nach Auf- enthalten in England und Paris, wo er u.a. traf, reiste er 1764 mit seinem Freund, dem späteren Lord Sheffield nach Rom. Hier, inmitten der antiken Ruinen, fühlte er sich zu Hause und fasste den Entschluss, über die Geschichte Roms schreiben zu wollen: «Es war zu Rom am 15. Oktober 1764, ich sass in der Abenddämmerung nachdenklich in der Kirche der Barfüssermönche, während sie im Jupitertempel auf den Trümmern des Kapitols die Vesper sangen, als mir zum ersten Mal der Gedanke kam, über den Verfall und Untergang Roms zu schreiben.» Am 17. Februar 1776 erschien der erste Band von Decline and Fall und bald folgten weitere Bände, die von sehr grossem Erfolg gekrönt waren. Zurück in Lau- sanne beendete Gibbon am 27. Juni 1787 den sechsten und letzten Band seines Werkes, der 1788 verlegt wurde. Er ver- starb am 16. Januar 1794.

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283. Wolfgang Adam Toepffer (Genf, 20.5.1766– 10.8.1847). Weite Westschweizer Landschaft. Öl auf Papier auf Karton. Mit Echtheitsbestäti- gung von Frau Catherine Monnier, datiert «20.9.1991». Das Gemälde ist im Schweizeri- schen Institut für Kunstwissenschaft unter der Nr. 22506 geführt. 25:36 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Alex Nathan, Zürich

Wolfgang Adam Toepffer, gemalt von Oskar Begas

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284. Sehr feines Bonheur du jour, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1780, signiert von Jean Chrysostome Stumpff (1731–1806). Rosenholz, Pali- sander und Citronnier furniert. Das originale Porzellan aus der Manufaktur Boissette des Herzogs von Orléans. Hoch- formatiger Korpus auf hohen, sich nach unten verjüngenden Vierkantbei- nen in Sabots auf originalen Holzrollen der Zeit. Der Unterbau in Form eines Bureau mit dreifach klappbarem, wenig vorstehendem Blatt. Die zent- rale Klappe im Innern mit einem Standspielgel, die rechte Klappe im In- nern mit blau ausgeschlagenem Puder- kompartiment. Die linke Klappe mit originalem Schmink- und Puder-Zu- behör von Döschen in Vernis Martin, floral bemalten Creme-Döschen in Pariser Porzellan der Manufaktur Boi- sette, Glasflacons, Glastrichter und vie- les mehr, alles in Blau ausgeschlagenem und fein verziertem Eingerichte. Die- ses ganze Kompartiment kann heraus- gehoben werden und eröffnet darun- 284 terliegend zwei Geheimschubladen. Die Zarge mit einer Schublade mit schiebbarer und mit blauer Seide belegter Schreibfläche, darunter ein offenes Kompartiment. Der zurückversetzte Aufsatz mit zentralem Doppeltürchen vor Tablaren, seitlich davon je drei übereinander angeordneten Schüben. Abschliessend mit originalem, weiss-grau durchzogenem Marmordeckblatt und Dreiviertelgalerie. Vergoldete Beschläge. 102:85:48 cm. 6000.—/8000.—

Jean Chrysostome Stumpff, Meister ab 1766 Porcelaine de Paris, Boissette, Manufacture de SAS Mgr. Le Duc d’Orléans

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Provenienz: Aus altem Frankfurter Privatbesitz Sotheby’s Zürich, 7. Dezember 1994, Los Nr. 451

Das hier angebotene Bonheur du jour des Pariser Meisters Jean Chrysostome Stumpff, aus der Zeit um 1780, ist eines der ganz wenigen erhaltenen Möbel dieses Typus, das seine originale Innenausstattung mit Porzellanen und Glasbehältnissen erhalten hat. Das Bonheur du jour war ein vielseitig verwendbares Luxus- und Ziermöbel, welches in der Zeit um 1760 durch die bedeutenden Pariser Marchands-Merciers entwickelt und von den Kunsttischlern umgesetzt wurde. Dieses Möbel, das als Schreib- und Schminkmöbel gleichzeitig zu verwenden war und auch als reines Ziermöbel in Boudoirs und Salons Aufstellung finden konnte, traf gänzlich den Geschmack der Zeit und wurde von allen bedeutenden Ebenisten der Zeit in den verschiedensten Ausführungen gefertigt. Die Innenausstattung solcher Kleinmöbel oblag gänzlich dem Marchand-Mercier, der diese mit feinsten Porzellanen und Schminkutensilien bereicherte und mit Seidenstoffen aus- kleiden liess, ganz so, wie ein Kunde dies wünschte. Leider sind in fast allen Bonheur du jour aus dem 18. Jahrhundert solche Innenaus- stattungen nicht mehr vorhanden, da sie auf Transporten Schaden nahmen oder aber veräussert wurden. Unser Kleinmöbel von Stumpff ist eines der wenigen Beispiele, wo sich fast die gesamte Innenausstattung intakt erhalten hat. Stumpff war, wie viele der bedeutenden Pariser Ebenisten des 18. Jahrhunderts, aus Schweigern in Schwaben nach Paris ausgewandert, wo er als Lutheraner, 1760 in der Schwe- dischen Gesandtschaft heiratete. Seine Werkstatt eröffnete Stumpff in der Rue Saint-Nicolas, wo er zeitlebens verbleiben sollte. Beson- ders berühmt wurde Stumpff für seine illusionistischen Parketterien in Form von Gitterwerk mit Würfelschmuck, die er an vielen sei- ner Möbel anwendete. Die Porzellane, welche sich in unserem Möbel erhalten haben, stammen aus der Manufaktur Boissettes, welche sich im Besitze des Herzogs von Orléans befand. Die in der Regierungszeit Louis XVI äusserst beliebte Manufaktur existierte nur für eine sehr kurze Zeitspanne, zwischen 1775 bis 1781, was auch die Datierung unseres Möbels in die Zeit um 1780 rechtfertigt.

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285. Anna Barbara Abesch (Sursee, 23.3.1706–15.2.1773) nach Charles- Antoine Coypel (Paris, 11.7.1694– 14.6.1752). Hinterglasgemälde. Szene aus den Erzählungen des Don Qui- jote de la Mancha. Die Furcht des Sancho Panza bei der Jagd. Unten links signiert und datiert. 31:25,5 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Sammlung Elisabeth Sprüngli-Halter, Zürich

Vorlageblatt von Charles-Antoine Coypel

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285 Detail

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Anton Hickel, die Prinzessin de Lamballe an einem Bureau à gradin von gleichem Typus

286. Sehr feines Bureau à gradin, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, signiert von Pierre Roussel (1723–1782) und mit Pariser Innungsstempel, dem JME, versehen. Eine der Schubladen mit könig- lichem Inventarstempel «S» und Krone. Königsholz und Satinholz auf Eichenkorpus furniert. Längsformati- ger Schreibtisch auf vier hohen, sich nach unten verjüngenden Stabbeinen in feinen, palmetten­ geschmückten Sabots auf Kugeln. Sehr feine Beinmanschetten in ziselierter und vergoldeter Bronze. Die Zarge mit vergoldeter Bronzerandfassung. Frontseitig mit einer grossen und zwei kleineren Schubladen. Die Schubladenfronten mit feinen Zierleisten von Eierstab und schlichten Schlüssellochzierden. Die seitli- chen Schubladen mit Handhaben und Zierquasten in Goldbronze, die mittlere Schublade mit sehr fein ge- arbeiteten Zugringen. Zierappliken an den Eckstollen. Zurückversetztes Cartonnier mit vier offenen Brief- fächern und zwei verschlossenen Kompartimenten mit feinem Jalousieverschluss zwischen sehr fein durchbrochenen Zierbronzen. Abschliessend mit weiss-grau durchzogenem Marmorblatt, umfasst von einer Dreiviertelgalerie in vergoldeter Bronze. 112:130:51 cm. 10000.—/15000.—

Pierre Roussel, Meister ab 1745

Provenienz: Aus adligem Besitz, mit bekröntem, nicht identifiziertem Schlagstempel

Vergleiche: François Quéré, Les Roussel, une dynastie d’ébénistes au XVIII e siècle, Dijon, 2012, S. 192 für ein Bureau plat des Meisters mit identischen Palmettensabots

Das hier angebotene Schreibmöbel ist ein besonders seltenes Beispiel eines sogenannten Bureau à gradin. Die Bronzen dieses Möbels sind von einer Feinheit, wie man sie in solcher Überarbeitung selten vorfindet und die an Goldschmiedearbeiten des ausgehenden 18. Jahr- hunderts erinnern. Dieser seltene Typus des Schreibmöbels als Bureau plat entspricht einer grosszügigeren Form des Bonheur du jour, wobei hier nun die Verwendung als Schreibmöbel im Vordergrund steht. Es ist die praktische Vereinigung eines Bureau plats mit dem Cartonnier, welches hier nicht seitlich Aufstellung findet, sondern als eleganter Abschluss das Bureau aufwertet. Einzigartig an unserem Möbel ist die Lösung des Jalousieverschlusses. Die einzelnen Lamellen sind so fein angebracht, dass man sie von blossem Auge gar nicht ausmachen kann und man meint, eine furnierte Fläche zu sehen. Das Bureau à gradin entspricht einer Möbelform, welche Roussel be- reits in den Jahren um 1760 anwendet und weiterentwickelt. Pierre Roussel zählte zu den bedeutendsten Ebenisten der Louis-XV- und Louis-XVI-Zeit. Sein Atelier hatte Roussel in der Rue de Charenton in Paris, im Haus zum «L’Image de saint Pierre». Zu seinen bedeu- tendsten Kunden zählten namentlich auch der Prince de Condé, für welchen Roussel bedeutendes Mobiliar ins Palais-Bourbon und ins Schloss Chantilly lieferte. Roussel starb im Jahre 1782, sein Atelier wurde noch bis zur Revolution von seinem Sohn, Pierre II, weiter- geführt.

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287. Sehr feine console demi-lune, wohl Frankreich, Paris, circa 1780, in der Art von Georges Jacob (1739–1814). Holz, geschnitzt, gefasst und teilvergoldet. In Grautönen durchzogenes und fein profiliertes, originales «Bleu turquin Capella»-Marmordeckblatt über halbrunder Zarge mit fein geschnitzten Kannelüren, Perl- und Spiralband. Auf vier sich nach unten verjüngenden, kannelierten Stabbeinen. Die Füsse mit Akanthus geschnitzt und durch quadratische Sockel mit den säulenartigen Beinen verbunden. Sehr schöne, fein geschnitzte ionische Kapitelle. Die Zargenunterseite mit alten Inventarnummern, Nr. 1160 in Tinte auf blauer Klebeetikette und 8927 ins Holz gestempelt. Klebeetikette des Garde-meuble, Rue de Moscou, Paris, beschriftet in Tinte Console salon. 88,5:120:60 cm. 6000.—/8000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Andrew Constable-Maxwell Aus einem Schloss in der Westschweiz Zürcher Privatbesitz

Unsere Demi-lune-Konsole besticht durch ihre feinen Proportionen und die besonders hohe Qualität der Schnitzerei. Ein Ziermöbel, die das Louis XVI von seiner schönsten Seite zeigt und einem bedeutenden Ebenisten der Zeit zugewiesen werden kann. Die selten anzutreffende Marmorplatte unserer Konsole, mit ihren harmonisch abgestuften Grautönen, stammt aus den Brüchen von Serravezza im Carrara-Massiv und war im 18. und frühen 19. Jahrhundert als Bleu turquin Capella in Frankreich sehr begehrt, als Marmor für Kommo- den und Konsolen, aber auch für Cheminée-Umrandungen, so etwa im Château de Compiègne, im salon des Fleurs. Die Inventar­ nummern an unserem Möbel, die Nummern 1160 und 8927 können leider noch nicht zugewiesen werden, doch dürfte sich unsere Konsole in der Zeit um 1950 in Paris befunden haben, bevor sie in der Westschweizer Residenz des berühmten Sammler-Ehepaars Andrew Constable-Maxwell Aufstellung fand.

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288. Otto Frölicher (Solothurn, 5.6.1840 – München, 2.11.1890). Felsige Landschaft mit römischen Soldaten und einem Jäger. Öl auf Leinwand. 51,5:59 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Basler Privatbesitz Galerie Martin Flaig, Basel

Otto Frölicher wuchs in Solothurn und Olten auf. In München liess sich Fröhlicher ab 1859 beim Landschaftsmaler Johann Gottfried Steffan ausbilden und wechselte 1863 nach Düsseldorf, wo er von der Stimmungsmalerei Oswald Achenbachs beeinflusst wurde. Ab 1868 wieder in München, entdeckte Frölicher die Schule der intimen Stimmungsmalerei des Adolf Heinrich Liers.

Eine Vorzeichnung unseres Gemäldes befindet sich im Kunstmuseum in Aarau. Unser Gemälde ist im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft unter der Nr. 9868 archiviert.

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289. Sehr feine frühklassizistische Kommode, Italien, Mailand, circa 1785/90, Giuseppe Maggiolini (1738–1814) und seinem Umkreis zuzuweisen. Rosenholz, Palisander, Amarant, Ahorn und teils ge- färbte und schattierte Hölzer, furniert, gefriest und teils in Holzpaste eingelegt. Rechteckiges, profiliertes, originales, weiss-grau durchzogenes «Bleu turquin Capella»-Marmordeckblatt aus den Brüchen von Serra- vezza im Carrara-Massiv. Der schlichte Korpus mit einer Friesschublade und zwei grösseren Schubladen sans traverse, auf sich nach unten verjüngenden Vierkantbeinen ruhend. Vergoldete Messingzugringe und Rosetten. Der Kommodenfries mit einem feinen Band von rollendem Akanthus, umrahmt von Bandwerk und Filets. Die Front mit zwei grossen, längsformatigen Intarsienfeldern gefriest, die Seiten mit zwei glei- chen, hochformatigen Feldern. Jedes Feld mit zentralem Medaillon. Darin auf der Front zwei tanzende, weibliche Figuren, wovon eine einen Triangel schlägt und eine zweite Figur die Kastagnetten spielt. Die Schmalseiten zeigen zwei weibliche Tänzerinnnen mit Tamburin. Alle Figuren in Amarant eingelegt, innerhalb einer feinen Umrandung und gefrieste Rosenholzfelder. Die Stollen und die Beine mit feinen, antikisierenden Einlegearbeiten. 91,5:123,5:55,5 cm. 12000.—/15000.— Provenienz: Sammlung Oberstdivisionär Roger Albert Dollfus de Volckersberg Schloss Kiesen BE Vente sur place, Schloss Kiesen, 10.6.1993

Unsere Kommode ist ein eigentlicher Solitär unter den Mailän- der Kommoden des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Nur an einer weiteren bekannten, wenn auch nicht identischen Kommode findet sich diese Aufteilung von zwei die ganze Front beherr- schenden Intarsienbildern in einer längsformatigen, nebeneinan- der liegenden Anordnung und nur an unserer Kommode finden sich diese vier Medaillon-Darstellung von musizierenden und tanzenden weiblichen Figuren. Sehr ähnlich sind bei beiden Kommoden die Friespartie und die Stollen bzw. die Beine der Kommode eingelegt. Beide Möbel stammen entweder aus der 290

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289 Detail

Maggiolini-Werkstatt selbst, oder sind von einem Schüler des Giuseppe Maggiolini in der Zeit um 1790 in Mailand geschaffen worden. Oberstdivisionär Dollfus de Volckersberg wurde am 14. Juli 1876 in Mailand geboren. In Mailand, wo sein Vater ein Chemie-Werk betrieb, und in Castagnola verbrachte Ruggero Dollfus seine Jugend. Nach dem Studium trat er dem Bankhaus Vonwiller seines Onkels in Mailand bei und übernahm in der Folge dessen Leitung. Wohl aus Mailänder Erbschaft aus seiner Familie oder aber über die Mailän- der Vonwiller dürfte unsere Kom- mode nach Schloss Kiesen gekom- men sein, das Dollfus mit seiner Frau Annie Elisabeth, einer gebore- nen Burckhardt aus Basel, ab 1915 bewohnte. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Oberstdivisio- när Roger Albert Dollfus von Volckersberg als Generaladjutant der Armee zum engsten Mitarbei- terstab von General Henri Guisan.

Vergleiche: Giuseppe Beretti, Giuseppe Maggio- lini, l’officina del Neoclassicismo, Mai- land, 1994

290. Eine Serie von drei Gra- natäpfeln, China, Qing- Dynastie, 19. Jh.. Porzel- lan, naturalistisch modelliert und grün und rot bemalt. Teils mit offenem Frucht- 289 fleisch. Alle unterschiedlich. L = je ca. 13 cm. 300.—/500.— Provenienz: Aus Westschweizer Schlossbesitz Register Seite 111–112 316

Maurice Quentin de La Tour, Portrait des Jean-Pâris de Monmartel

291. Louis-Jacques Cathelin (Paris 1738–1804), nach Charles Nicolas Cochin le Jeune und Maurice Quentin de La Tour. Portrait des Hofbankiers Jean-Pâris de Monmartel, Marquis de Brunoy (Moirans, 3.8.1690 – Château de Brunoy, 10.9.1766). Kupferstich, 3. Viertel 18. Jh. 63:44 cm. 3000.—/4000.— Bezeichnet: «Messire Jean Paris De Monmartel, Cons.er d’Etat, Marquis de Brunoy, Comte de Sampigny, Baron de Dagouville, Seigneur de Cha- teaumeillan, Chateauneuf et autres Lieux. La Tête d’après M.Q. de la Tour, L’Habillement et le Fond dessinés et le Tout Conduit par Ch.N. Chochin Fils. Gravé par L.J. Cathelin»

Dieser grossformatige Kupferstich gehört zu den Glanzleistungen des Pariser Kupferstechers Louis-Jacques Cathelin, nach einer Vorlage von Charles Nicolas Cochin le Jeune (1715–1790) Für den Kopf des Dargestellten verwendete Cochin als Vorlage das Pastell von Mau- rice Quentin de La Tour (Saint-Quentin 1704–1788) aus dem Jahre 1746. Die wenigen grossformatigen Blätter dieser Ausgabe wurden lediglich in der Familie und an Freunde des Dargestellten vergeben. Die wenigen erhaltenen Blätter sind denn auch von grösster Selten- heit, wobei unser Blatt sicher zu den besterhaltenen zählt. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere lässt sich der nach Ludwig XV reichste Franzose seiner Zeit, Jean-Paris de Monmartel, in seinem Grand Cabinet seines Palais in der Rue Neuve-des-Petits-Champs in Paris, in- mitten bedeutender Objekte seiner Privatsammlung darstellen. Viele dieser Objekte finden sich heute in öffentlichen und privaten Sammlungen, so der grosse Regulator (Wallace Collection) oder die berühmte Skulptur von Pigalle, L’enfant à la cage, den Sohn des Bankiers, den Marquis de Brunoy, darstellend (Musée du Louvre) und der mehrteilige Paravent (ehemals Slg. Karl Lagerfeld, Paris). Aus einfachen Verhältnissen in der Dauphiné stammend, arbeitete Jean-Pâris zuerst in der Auberge seines Vaters, bevor er seinen beiden Brüdern nach Paris folgte. Durch geschickte Transaktionen, besonders im Kornhandel bald schon zu einem gewissen Wohlstand ge- kommen, kaufte er 1715 das Amt des Trésorier des Ponts et Chaussées. Dank erfolgreichen Geschäften mit seinen Brüdern vermehrte sich sein Vermögen sehr rasch, so dass er 1722 die Seigneurie und das Schloss von Brunoy erwerben konnte. 1721 bittet ihn sein Freund François Poisson seiner Tochter Pate zu sein, was Jean-Pâris sehr gerne tat. Die Mutter des Kindes war Jeanne-Antoinette Poisson, die zukünftige . Diese Verbindung sollte sich später für Jean-Pâris de Monmartel sehr günstig auswirken und seinen Einfluss am Hofe Ludwig XV stärken. 1740 wird Monmartel Banquier de la Cour und 1755 Staatsrat.

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292. Seltenes Reliefportrait des Markgra- fen Ludwig Wilhelm von Baden- Baden (1655–1707), deutsch, Ende 17. Jh., Terrakotta. Der Dargestellte mit prächtiger Perücke, dem Betrachter zugewendet. In ovalem Rahmen aus Lorbeer und Rosetten. Unter dem Oval- rahmen das fragmentarisch erkennbare, bekrönte Badische Wappen. H = 46 cm. 1000.—/1500.— Provenienz: Aus der Kunstkammer der Markgrafen und Gross- herzöge von Baden

Bei dem hier angebotenen Reliefportrait handelt es sich um eine seltene, zeitgenössische Darstellung des Ludwig Wilhelm von Baden (1655–1707), der unter dem Namen Türkenlouis berühmt wurde. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, wurde am 8. Matthäus Merian d.Ä. Das Rathaus zu Nürnberg, April 1655, sieben Jahre nach Ende des Dreissigjäh- 1656 rigen Krieges, im Hôtel de Soissons in Paris gebo- ren. Sein Taufpate war König Ludwig XIV. von Frankreich. Im Alter von 19 Jahren begann Ludwig seine militärische Laufbahn und machte schon früh Karriere in der Kaiserlichen Armee, als General- wachtmeister bei der Befreiung Wiens, 1683. Im gleichen Jahr wurde er zum General der Kavallerie befördert. Im Alter von nur 31 Jahren war Ludwig von Baden Feldmarschall und wurde am 6. Septem- ber 1689 zum Oberbefehlshaber der osmanischen Front befördert. In über 20 bedeutenden Schlachten konnte er die Osmanen zurückdrängen und erbeu- tete in den Türkenkriegen gewaltige Reichtümer, die heute als Karlsruher Türkenbeute bekannt sind und sich im Karlsruher Schloss befinden. In der Schlacht bei Slankamen konnte Ludwig 1691 seinen grössten Triumph erzielen und wurde von Kaiser Leopold I. zum Generalleutnant aller kaiserlichen Truppen er- nannt. Als Anerkennung seiner Leistungen im Kampf gegen die Osmanen wurde Ludwig von Baden der Orden vom Goldenen Vlies verliehen. Am 4. Januar 1707 verstarb Ludwig Wilhelm von Baden in seinem noch unvollendeten Schloss in Rastatt.

Literatur: Wolfgang Froese/Martin Walter, Der Türkenlouis, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden und seine Zeit, Gernsbach, 2010

293. Vergoldete Silbermedaille, deutsch, Nürnberg, 1619, von Jacob Wolff, Georg Hodermann und Hieronymus Berckhausen. Grosse Medaille auf den Neubau des Nürnberger Rathauses im Jahre 1619. Darstellung des Rathauses, bekrönt mit dem Reichsadler und von zwei Putti gehaltene Kartusche mit Wid- mung. Rückseitig mit den Wappen der Nürnberger Patrizierfamilien. D = 8,5 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Sammlung Herbert Justin Erlanger Bank Leu, Zürich, Auktion Sammlung Erlanger, 292 21.–23. Juni 1989, Los Nr. 1021 Zürcher Privatbesitz

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294. Hochbedeutende Rokoko-Schreibkommode, Berlin-Potsdam, circa 1765–1768, von den Gebrü- dern Johann Friedrich Spindler (1726–1793) und Heinrich Wilhelm Spindler (1738–1788). Rosenholz, Amarant, Palisander, Zedernholz, Nussbaum und Fruchtholz, Ahorn und teils gefärbte und gravierte Höl- zer, furniert und gefriest. Zweiteiliger, hochformatiger Korpus mit wellig ausgeschnittener Zarge und ge- schweiften Beinen in vergoldeten Bronzesabots. Der Kommodenteil mit vorstehendem Mittelrisalit und drei Schubladen sans traverse. Die Eckstollen gerundet und fein gefriest. Vorstehendes Deckblatt mit profi- lierter und fein gravierter, feuervergoldeter Bronzerandfassung mit feinem Rautenmotiv. Der Schreibauf- satz wenig zurückversetzt, mit abklappbarem und bombiertem Schreibblatt vor fein unterteiltem Innern, mit sechs Briefkompartimenten und zwei grossen, zwei mittleren und zwei kleineren Schubladen. In einer der kleinen Schubladen mit Schreibeingerichte. Zentrales Türchen. Innen mit Rosenholz und Amaranth furniert, die Schreibfläche in Zedernholz, gefriest. Im Innern des Schrankfaches mit rückseitigem Spiegel. Alle schauseitigen Flächen mit prächtigen Rokokokartuschen, darin Blumengebinde in gravierten und ge- färbten Hölzern. Ein Reiher ziert den mittleren Bereich der Schreibklappe, darüber die sehr fein ziselierte und feuervergoldete Schlüssellochzierde in Bronze. Drei sehr fein gestaltete Kartuschen zieren die Fläche der Kommodenfront. Auf gefriestem Grund finden sich Blumengebinde und hängende Blumengirlanden. Verschlungenes Bandwerk umfasst die Kartuschen, Blumen und Zierpalmetten zieren die Umfassung. Die Schmalseiten mit besonders reichen Blumenbouquets innerhalb reich gestalteter Rokokokartuschen. Feuer- vergoldete und ziselierte Bronzebeschläge in Form von Blüten, zieren die Schultern des Möbels, eine reich ausgeführte Schlüssellochzierde und Rokokobeschläge bereichern die Front des Möbels. Die Schubladen innen in Zedernholz gefriest. 110:116:60 cm. 100000.—/150000.—

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Provenienz: Aus Adelsbesitz stammend Sammlung Karl Fischer-Böhler, München Sammlung Anneliese Gey-Fischer

Unsere, in die Zeit um 1765–68 zu datierende Potsdamer Rokokoschreibkommode ist in ihrer Farbigkeit und der lebensfrohen Kom- position der Blumenmarketerien verwandt mit einer zeitgleich entstandenen Schreib- kommoden der Gebrüder Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler, welche bei Kreisel/Himmelheber abgebildet wird und beide aus der Sammlung Karl Fischer-Böhler, München, stammen. Bei der bei Kreisel abge- bildeten Kommode fehlen jedoch die reichen, höfischen Randfassungen und Schulterbronzen in vergoldetet Bronze (wohl Kambli-Werk- statt, Potsdam), wie wir sie an unserem Möbel antreffen und an anderen friederizianischen Möbeln in Potsdam in verwandter Form vor- finden. Obwohl beide Schreibkommoden sicher von bedeutenden Persönlichkeiten des Das Spindler-Kabinett im Bayerischen Nationalmuseum in München

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Hochadels in Auftrag gegeben wurden, ist zu vermuten, dass unser Schreibmöbel, das mit seinen prachtvollen Zierbronzen ganz und gar einem höfischen Stil entspricht, möglicherweise für den Regenten selbst geschaffen wurde. Ist auch das Marketeriebild unseres Möbels noch ganz dem Rokoko verpflichtet, so zeigen mindestens die Schlüsselloch-Zierbeschläge der Schreiblade und des Kommo- denteils bereits erste Züge des sich anbahnenden Zopfstils an. Unser Möbel dürfte in den Jahren kurz nach Ankunft der Gebrüder Spindler in Potsdam gefertigt worden sein und in die gleiche Zeit ist auch die verwandte Schreibkommode zu datieren. 1765 vollende- ten die beiden hochbegabten Kunsttischler für Schloss Fantaisie ein sehr bedeutendes Intarsienkabinett – ein Hauptwerk des Bayreuther Rokoko überhaupt – welches sich heute in Kopie in Bayreuth und im Original, seit 1967, im Bayerischen Nationalmuseum in Mün- chen befindet. Die Zierpaneele dieses Kabinetts dürften mit ihren hell und dunkel gefriesten Flächen und ihren prächtigen Marketerien als eigentliche Inspiration für unser Schreibmöbel gedient haben. Das Intarsienkabinett gehörte sicher zu den bedeutendsten Arbeiten, welche die beiden Brüder für die Bayreuther Markgräfin Wilhelmine, der bevorzugten Schwester Friedrich des Grossen, fertigten. Nach dem Tode der Markgräfin wurden die beiden hochbegabten Brüder, die, neben Abraham und David Roentgen, zu den wichtigs-

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Wandvertäfelung der Gebrüder Spindler im Grossen Intarsienkabinett (Drittes Gästezimmer)­ in den Neuen Kammern, Potsdam-Sanssouci

Das Spindler-Kabinett im Bayerischen Nationalmuseum in München

ten Kunsttischler des deutschen Rokokos zählen, nach Potsdam berufen. Erste nachvollziehbare Aufträge, welche die beiden Brüder für das Neue Palais in Potsdam ausführen durften, datieren von 1766, also unmittelbar aus der Zeit nach der Fertigstellung der Intarsien für Schloss Fantaisie. Die prächtigen an unserem Möbel anzutreffenden Bronzebeschläge sind wohl der Potsdamer Manufaktur des Zürcher Stadtbürgers Johann Melchior Kambli zuzuweisen. Sehr ähnliche Randfassungen finden sich etwa an einem Klapptisch der Gebrüder Spindler in den Neuen Kammern Potsdam-Sanssouci, welcher sich einst im Neuen Palais befand und an einer lackierten Schreibkom- mode mit Bronzen von Kambli, welche sich im Neuen Palais befindet, ebenfalls an der schildpattfurnierten Kommode mit den drei Grazien, welche die Gebrüder Spindler und Johann Melchior Kambli um 1769 für das Neue Palais schufen.

Vergleiche: Kreisel/Himmelheber, Die Kunst des deutschen Möbels, Spätbarock und Rokoko, München, 1983, Abb. S. 247, und Abb. 721, 728, 733, 735 und 743

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295. Seltene Zürcher Rokokobüste, um 1760. Holz, geschnitzt und vergoldet. Auf profiliertem Rundfuss die Büste einer jungen Rokokoschönheit, den Blick zu ihrer Linken gewandt. Ihr Haar trägt sie gebunden und gelockt über die Schultern, Blumen in ihr Haar gesteckt. H = 68 cm. 500.—/800.—

296. Pfeilerspiegel, Schweden, Rokoko, 1750/60. Holz, geschnitzt und vergoldet. Hochformatiges Spiegelglas mit äusse- rem Spiegelrand und teils aufgelegtem und vergoldetem Stukkdekor. Der äus­ sere Rahmen sehr fein und reich mit Rocaillenmotiven, Ranken und Blumen geschnitzt. Die Vergoldung poliert und gemattet. Originales, geschliffenes Spie­ 296 gel­glas. 141:62 cm. 1500.—/2000.— 297. Sehr schöner und grosser Régencefauteuil, Frankreich, Paris, 1. Hälfte 18. Jh. Buche, massiv und geschnitzt. Wenig trapez­förmiger und tiefer Sitz mit losem Sitzkissen. Die Zarge wellig ausgeschnitten und überaus fein geschnitzt, mit Akanthus, Blattranken, Grillage und Rocaillen. Die Beine s-förmig geschweift und boucliert. Nach hinten geneigte und jochförmig abschliessende Rückenlehne und gepolsterte Armleh- nen mit wenig eingezogenen und sehr fein geschnitzten Stützen. Gelber Velours-Bezug. 102:45:72:58 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus altem Zürcher Privatbesitz

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298. Schönes Spielbrett, Zürich, um 1750. Veilchenholz, Mahagoni, Ebenholz und Ahorn furniert. Quadratisches, aufklappbares Brett. Aussen mit parkettierten Feldern für Schach- und Dame-Spiel. Im Innern ein Tric-trac-Spiel. Alle Spielfelder sehr fein mit breiten Veilchenholzbändern umrahmt. Diese breiten Bänder wiederum mit dünneren Ebenholzfilets und Ahorn umfasst. Vergoldete Be- schläge. Geschlossen: 10:45:45 cm. Geöffnet: 5:90:45 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus dem ehemals Werdmüllerschen Land- gut in Zürich-Enge, heute Muraltengut. Hans Konrad von Muralt, Bürgermeister von Zürich

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299. Norditalienischer Maler, 17. Jh. Christus an der Geisselsäule. Öl auf Nussholz. 47:45 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Alter Zürcher Privatbesitz

300. Kleines Tang-Pferdchen. China, gebrannter Ton mit brauner Glasur. Auf ovalem Sockel mit gepressten Ruyi Symbolen. Das Pferdchen mit pyramidenartiger Last über weiter Schabracke. H = 24 cm. 300.—/500.— Provenienz: Heinz Reichert, München

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Hôtel d’Ansembourg in Liège, circa 1920, mit Flügeltüre zum Gobelinsaal

301. Hochbedeutender und äusserst feiner Prunkschrank, Lüttich/Liège, circa 1750. Eiche massiv und reich geschnitzt. Hochformatiger, zweitüriger Schrank auf gedrückten Kugelfüssen. Die Schmalseiten mit kassettierten Füllungen, die Frontstollen gerundet und mit Régence- und Rokokomotiven verziert. Der Kranzaufsatz mehrfach gekehlt und profiliert. Régence-Rocaillen und -Rankenwerk ziert das Kranzband. Beide Türen kassettiert und mit feinen Profilleisten vertieft gerahmt. Innerhalb und ausserhalb dieser Kassetten mit den feinsten Eichenschnitzereien in Form von Zierrocaillen, Rosen und Wiesenblumen, geflügelten Motiven, Kartuschen und C-Voluten und herzförmige Motive. 206:154:55 cm. 10000.—/15000.— Provenienz: Sammlung Balser, Brüssel Familie Balser, Tegernsee Sammlung Karl Fischer, München Sammlung Anneliese Geyh-Fischer

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301 Detail

Der hier angebotene, museale Lütticher Schrank gehört zu den publizierten Möbeln jener Region und ist von ganz aussergewöhnlicher Qualität. Er zeugt vom handwerklichen Können der dortigen Bildschnitzer, die an den bedeutendsten europäischen Höfen arbeiteten. Auf Schloss Brühl arbeitete Aurelius Radoux (–1775) mit seinen Söhnen. Auch Paris zog Lütticher Meister an. Jean-François de Neufforge, der in den Jahren 1757 bis 1772 in Paris sein Recueil élémentaire d’Architecture herausgibt, ist aus Lüttich gebürtig. Von Paris aus geht der Lütticher Schnitzer Mathieu de Tombay nach Amsterdam, Den Haag und schliesslich nach Hamburg, und in Monschau dürften es auch Lütticher Meister gewesen sein, welche die bedeutende Treppe des Roten Hauses geschnitzt haben. Vom Typus vergleichbar mit dem berühmten Schrank aus der Maison d’Ansembourg, welcher bei Paul Schoenen 1942 erstmalig publiziert wird, tragen auch bei unserem Schrank die Lisenen ein betont ausladendes Hauptgesims, doch ist an unserem Schrank zusätzlich auch die Frieszone überaus fein ge- schnitzt, wohingegen diese am d’Ansembourg-Schrank frei bleibt. So ist denn auch unser Schrank circa 20 Jahre später, gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, zu datieren. Sehr viel freier wirkt nun das von der Régence noch stark beeinflusste Schnitzwerk. Es lässt sich aber nicht mehr in den architektonischen Rahmen des Möbels einzwängen, sondern überquillt in bereits schönster Rokokomanier über die Füllungen hinaus und diese verbindend. Eine einzige und veritable tour de force der Schnitzkunst, ein Umgang mit dem harten Material, als hätte der meisterliche Künstler nicht in Eiche geschnitzt, sondern in Wachs bossiert!

Vergleiche: Paul Schoenen, Aachener und Lütticher Möbel des 18. Jahrhunderts, Berlin, 1942, Abb. 12, für den Schrank aus der Maison d’Ansembourg und Abb. 22 für einen unserem Möbel sehr verwandten Schrank in den Musées Royaux d’art et d’histoire. Sigrid Müller-Christensen, Alte Möbel, München, 1948 und 1974, wo der hier angebotene Schrank auf Seite 131 bzw. 133 ganzseitig abgebildet wird. Joseph Philippe, Le meuble liégois à son âge d’or, Liège, 1990, Abb. 110 für einen sehr verwandten Schrank aus der Sammlung Marcel Raskin

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302.* Schöne Fayence-Trauben- dose, wohl Manufaktur Holitsch, 2. Hälfte 18. Jh. Naturalistisch modelliert, in zwei Teilen, mit abnehmba- rem Deckel. In leuchtend 302 hellem Blaurot, auf dem De- ckel liegen leuchtend grüne Blätter und eine Frucht als Knauf. Alte Bestossungen. L = 14 cm. H = 8 cm. 300.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Im Fischer-Böhler-Archiv abgebildet und bezeichnet: 1 Traube, Manufaktur Holitsch, 18. Jh..

303.* Prächtiger Fayence-Kürbis, italienische Manufaktur, 2. Hälfte 18. Jh. Naturalis- tisch modelliert, leuchtend orange-gelb bemalt, mit klei- nem, schwarzem Stiel und grünem Blatt. L = 16 cm. H = 9 cm. 303 300.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

Ausgestellt: Münchener Stadtmuseum, 1993, Die anständige Lust von Esskultur und Tafel- sitten.

304.* Fein modellierte Zitrone, italienische Manufaktur, 18./19. Jh. Naturalistisch modelliert mit kurzem Stil und in grün-gelblicher Farb- gebung. Alte Reparatur. L = 13 cm. 200.—/300.—

Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

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305.* Kleine Fayence-Eule, wohl französisch, Rouen (?), wohl 2. Hälfte 18. Jh. Auf drei- passigem, blauem Sockel mit gelbem Rand, die stehende Eule mit polychrom bemaltem Gefie- der und Halskrause. Den Blick geradeaus ge- richtet. Alte Bestossungen. H = 16,5 cm. 400.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, München

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306.* Sehr hübsche Fayence- Dose in Form eines Gir- litzes mit drei Jungen, deutsche Manufaktur, alte Zuweisung nach Schrez- heim, spätes 18. Jh. Zwei­ teilig, naturalistisch model- liert. Das Nest leicht vertieft, darin die aneinan- der gedrängten Jungvögel. Über dem fein geflochte- nen Nest der Girlitz, sein Blick dem Betrachter zuge- wandt. H = 14 cm. 400.—/500.— Provenienz: Sammlung Fischer-Böhler, Mün- chen

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Entwürfe für Stuhlbezüge von Pierre Ranson (1756–1786)

307. Eine Serie von vier sehr bedeutenden und seltenen Louis-XV-Stühlen à chasis amovible, Frankreich, Paris, circa 1745, signiert von Louis I. Cresson (1706–1761). Buche, überaus fein geschnitzt, mouluriert und mit Resten der Originalfassung in leichtem Grünton. Trapezförmiger Sitz mit herausnehmbarem Sitzpolster und wellig ausgeschnittener und moulurierter Zarge auf s-förmig geschweiften Beinen mit Akanthusschnitzerei und bouclierten Füss­ chen. Die Rückenlehne wenig nach hinten geneigt und bogenförmig abschliessend. Das Rückenpolster ebenfalls auf Rahmen gespannt und herausnehmbar. Mit Blumen und Ranken geschnitzt. Zwei Bezüge mit feinem Rosendekor in Petit-point-Stickerei auf weissem Grund. Sitz und Rückenlehne mit je einem zentralen Rosenbouquet, mit Atlasschlaufe gebunden, weitere Rosen und Blüten innerhalb einer Umrahmung in Form eines Lambrequins. Von den beiden Bezügen einer zu restaurieren. Ein Bezug mit gesticktem Dekor von Blütenzweigen und Ranken in Hellblautönen auf senfgelbem Grund, ein vierter Stuhl mit sehr feiner Blumenstickerei in Blau auf grau-beigem Grund. Mit alten Serien-Nummern 11/20/ 22 und 24. 91,5:44:53:48 cm. 307 10000.—/15000.—

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Louis Cresson, Menuisier, Meister ab 1738

Provenienz: Aus einem Schloss in der Westschweiz

Unsere vier sehr seltenen und frühen Louis-XV-Stühle sind Teil eines einst sehr viel grösseren Ensembles von 24 und mehr Stühlen, die wohl für denselben Auftraggeber gefertigt wurden, aber in verschiedenen Serien, mit unterschiedlichen Bezügen Aufstellung fanden. Aus der gleichen, hier vorge- stellten Serie finden sich mindestens zwei weitere Stühle in einer Zürcher Privatsammlung. Die mit polychromen Blu- men gestickten Bezüge gehen mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Entwürfte des Künstlers Pierre Ranson (1756–1786) zurück. Im Musée des Arts Décoratifs in Paris, hat sich eine Serie von Entwurfszeichnungen für Stuhlbezüge erhalten, die mit den beiden hier vorgestellten Bezügen sehr verwandt sind. Louis I. Cresson war der Sohn des Stuhlmachers Jean Cresson und gehörte zu den begabtesten Mitgliedern einer bedeutenden Dynastie von Ebenisten und Menuisiers im Paris des 18. Jh. Die Sitzmöbel von Louis I. Cresson weisen oft Motive auf, die noch sehr der Régence verhaftet sind, was wir ganz be- sonders schön an den hier angebotenen Stühlen vorfinden. Cresson zählte zu seinen aristokratischen Kunden den Prince de Condé und den Herzog von Orléans.

Vergleiche: Musée des Arts Décoratifs, Inv.-Nr. A223/226 für die 26 Ent- wurfszeichnungen von Pierre Ranson. 307

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308. Parketterie-Kommode, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, dem Ebenisten Godefroy Dester (1768–1805) zuzuweisen. Rosenholz, Sycamore und Amarant, furniert und teils gefärbt und graviert. Längsformatiger Korpus mit sehr fein profiliertem und passig ausgeschnittenem, grau-weiss durchzogenem «Bleu turquin»-Marmordeckblatt über zweischübiger Front mit gerundeten Eckstollen und stabförmigen, sich nach unten verjüngenden Beinen mit angedeuteten Kannelüren. Die Front mit elegant vorspringendem Mittelrisalit, die Schubladen mit Zugringen und Schlüssellochzierden. Die Zarge mit feinem Zierbeschlag. Gerundete Chutes, Manschetten und Sabots. Schauseitig mit der für Dester typischen Gitter-Parketterie mit Zierrosetten. 89,5:111:43 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: Aus Westschweizer Privatbesitz

Unsere Kommode ist in ihrer schlanken Form und dem besonders schönen «Bleu turquin»-Marmordeckblatt ein besonders schönes Möbel der Louis-XVI-Zeit und kann in die Jahre um 1775 datiert werden. Die an unserer Kommode anzutreffende Parketterie mit Gitterwerk und Rosetten ist ein eigentliches Markenzeichen des Pariser Ebenisten Godefroy Dester, der seine Werkstatt im Faubourg Saint-Anoine hatte. Die identische Parketterie fand sich an einem Tischchen der Louis-XVI-Zeit, und an einem Bonheur du jour des Meisters, welche sich im Pariser Kunsthandel, Galerie Perrin, befanden.

Vergleiche: S. de Ricci, Louis Seize Furniture, London, 1913, S. 96 für ein Tischchen aus der Sammlung Eugène Kramer, mit gleicher Parketterie.

309. Barometer und Thermometer, Louis XVI, Frankreich, Paris, signiert und datiert. Bettaely fecit Grande Rue du Faubourg St. Antoine vis à vis la Cour St. Louis aux armes de France à Paris, 1771. Joseph Betali, tätig in Paris, um 1750–1775. Holz, reich geschnitzt mit Turteltauben, Früchten, Girlanden und Schlaufen. Bekrönt von einer strahlenden Sonne mit lächelndem Gesicht. Originale Fassung und Beschriftung. H = 139 cm. 3000.—/4500.—

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310. Sehr feine Demi-lune-Konsole, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1785. Buche, massiv, fein ge- schnitzt und blau-weiss gefasst. Halbrundes, profiliertes und bastionsartig ausgeschnittenes «bleu turquin»- Marmorblatt über passig geformter Zarge und vier überaus fein geschnitzten und elegant gestalteten Stab- beinen mit ionischen Kapitellen. Bogenartige und gerade Stegverbindungen mit Podest für Musikinstrumente. Gedrechselte Füsse. Die Zarge mit Eierstab, Lotus, Ranken und Paterae fein verziert. Die Beine teils kanneliert. 91:131:56 cm. 5000.—/7000.— Provenienz: La Vieille Fontaine, Lausanne Privatbesitz

Die hier angebotene Konsole ist in die Jahre um 1785, in die Spätzeit der Regierung Louis XVI, zu datieren. Mit ihrer feinen Relief- schnitzerei, den detailreich gestalteten Beinen mit feinen ionischen Kapitellen und der delikat abgestuften Fassung gehört sie zu den charmantesten Möbeln ihrer Art und dürfte wohl in einer Pariser Meisterwerkstatt für ein Musikzimmer geschaffen worden sein, wo sie im Verbund mit einer wohl sehr ähnlich fein gestalteten Wandvertäfelung Aufstellung gefunden hätte. Die elegante, halbrunde Form, das Demi-lune, gänzlich ohne Absetzung, wie wir sie an unserem Möbel vorfinden, taucht im französischen Möbelbau kurz vor circa 1780 an Konsolen auf. Der Möbelkenner Guillaume Janneau verweist auf die Kommoden mit gerundeten Seiten, welche um 1780 als Anrichte- und Ziermöbel in Speisezimmern auftauchen. Der französische Erfinder dieser damals «commode circulaire» genannten Möbelform war der Pariser Meister Nicolas Grevenich, der diesen Typus wohl dem englischen Möbelbau entnahm und ihn in Paris erstmals um 1780 anwendet. Von diesen schnell beliebten Kommodenmöbeln fand die Demi-lune-Form dann auch Verwendung an Konsolmöbeln. Die sehr elegante Stegverbindung mit rückwärtig gerader Zierverbindung und frontseitig bogenförmigem Steg findet sich in identischer Form wie an unserer Konsole etwa am Konsoltisch, welcher vom Bildhauer Joseph Deschamps im Jahre 1785 für Mesdames de France, nach Schloss Bellevue geliefert wurde. In ihrer sehr an den Stil Piranesis anlehnenden Gestaltung erinnert unsere Konsole an das gefasste Kommodenpaar mit Sphingen in Schloss Fontainebleau, welches bei Seymour de Ricci abgebildet wird.

Vergleiche: Guillaume Janneau, Le Mobilier français, Le Meuble d’ébénisterie, Paris, 1989, S. 162 Seymour de Rici, Der Stil Louis XVI, Mobiliar und Raumkunst, Stuttgart, 1913, S. 79

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311. Terrakotta-Figur einer Chinesin mit einem Flechtkorb, Frankreich oder Deutschland, 18. Jh., nach oder von Johann Friedrich Eberlein (1696–1749). Auf einem rot lackierten Sockel mit vergoldetem Dekor steht eine vollplastisch modellierte, elegante Figur einer Chinesin, mit unter der Brust gebundenem Kleid und weitem Überhang. Ihr Haar trägt sie hochgesteckt, mit einem schulterlangen Schleier. Den Blick zu ihrer Rechten mit erhabenem Haupt. Mit ihrer rechten Hand umfasst sie eine Flechtschale, ihre linke Hand auf einem grossen Wasserkrug ruhend. Mit Nummerierung 12 und Inventarnummer 336 auf einem Etikett. H = 45,5 cm. 3000.—/5000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Sir Robert Abdy (1896–1976)

Unsere sehr fein ausgeführte und in schöner, originaler Patina erhaltene Terrakotta-Figur stammt aus der berühmten Sammlung Sir Robert Abdy. Die Figur unserer Chinesin ist sehr verwandt mit der allegorischen Figur des Friedens, welche von Johann Friedrich Eberlein 1750 als Pendant-Figur zum Krieg modelliert wurde. Es ist anzunehmen, dass unsere Figur in seinem Umfeld oder vielleicht vom berühmten Modelleur selbst gefertigt wurde.

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Eines der Eckmöbel in der Gemäldegalerie, Schloss Rheinsberg

312. Sehr feine und seltene Encoignure, Frühklassizismus, Berlin, letztes Viertel 18. Jh., von Johann David Hacker. Mahagoni, auf Eiche furniert. Frontseitig bastionsartig ausgeschnittene, grau-beige-weiss durchzogene und profilierte Marmorplatte über eintürigem Schrankmöbel auf drei sich nach unten verjün- genden Vierkantbeinen in Sabots auf gedrückten Kugeln. Die Front mit kanneliertem Fries, dazwischen Akanthusblattwerk in vergoldeter Bronze. Die vorstehenden und geschrägten Eckstollen mit Zierrosetten und je drei Kannelüren mit Messingeinlagen. Die Beine mit Ziermanschetten und gerilltem Zierband in vergoldeter Bronze. Die Türe ebenfalls wenig abgesetzt, mit rundem Medaillon und Eckzierden in Perl- band. Zargenzierde wiederum in vergoldeter Bronze. Innen mit frontseitig furniertem Tablar. 86,5:71,5:40,5 cm. 7000.—/9000.— Provenienz: Aus ehemals französischem Privatbesitz Das hier angebotene Eckschränklein, gehört zu einer Serie von möglicherweise ehemals vier Eckmöbeln, von denen sich zwei in der Gemäldegalerie von Schloss Rheinsberg erhalten haben. Unser, um 1790/95 zu datierendes Möbel, stammt aus der Berliner Werkstatt des berühmten Roentgen-Schülers Johann David Hacker (1748–1801). Der in Mecklenburg geborene David Hacker war einer der führen- den Mitarbeiter in der Manufaktur von David Roentgen in Neuwied und wurde nach Auflösung der Werkstatt, durch Vermittlung von David Roentgen, im Februar 1791 an den Hof Friedrich Wilhelm II. nach Berlin empfohlen. In Berlin konnte Hacker schon im glei- chen Jahr eine königlich privilegierte Werkstatt eröffnen und als Königlicher Hoftischler seine Arbeit aufnehmen und in der Folge be- deutende Möbel für das Marmorpalais, Schloss Pfaueninsel und Schloss Charlottenburg fertigen. In welchem Zusammenhang unser Eckmöbel und die beiden Eckmöbel in Schloss Rheinsberg gefertigt wurden, ist noch unbekannt, doch ist das Auftauchen dieser dritten lange Zeit unbekannten Encoignure von grosser Bedeutung. Die sehr seltene Zargenzierde unseres Eckschrankes findet sich an einer Kommode der Roentgenwerkstatt, welche 2016 bei Demessieur, Düsseldorf, angeboten wurde, die Zierrosetten der geschrägten Stollen in identischer Form an einer Kommode von David Roentgen um 1785–90, welche sich ehemals in Schloss Neuwied befand. Die Pal- mettenbeschläge des Frieses findet sich in gleicher Unterbrechung von je drei triglyphenartigen Kannelüren an einer Kommode von David Hacker, Berlin, um 1795, welche sich im Besitze der Staatlichen Schlösser und Gärten in Potsdam, ehemals Marmorpalais, befand und bei Hans Huth abgebildet wird.

Vergleiche: Dietrich Fabian, Roentgenmöbel aus Neuwied, Bad Neustadt, 1986, S. 150, Abb. 349-350 für die Kommode aus Schloss Neuwied. Hans Huth, Abraham und David Roentgen und ihre Neuwieder Möbelwerkstatt, Berlin, 1928, S. 108 für die Kommode von David Hacker aus dem Marmorpalais. Freunde der Preussischen Schlösser und Gärten, Anschaffungskatalog 1995/4 für die beiden Eckschränke in Schloss Rheinsberg.

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313. Ein Paar Alabastervasen aus Schloss Karlsruhe, Italien, circa 1845. Weiss-grau-beige durchzo- gener Alabaster mit quadratischem Sockel, zylindrischem Schaft und aufgesetzter Zierschale mit seitli- chen Schlangenhenkeln. Eine Vase mit alter Reparatur. Beide Vasen mit Inventarmarken des Karlsruher Residenzschlosses: Schloss Inventar Karlsruhe, Seite 396, O. No. 17. H = 40 cm. 800.—/1200.— Provenienz: Aus dem Besitze der Grossherzöge von Baden, Schloss Karlsruhe

314. Fauteuil, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1750, signiert von Pierre Leduc (um 1685–1765). Buche, geschnitzt und weiss ge- fasst. Trapezförmiger Sitz über welliger Zarge und geschweiften Beinen. Die Rückenlehne jochar- tig abschliessend, die Armstützen mit Akanthus geschnitzt. Der ganze Rahmen mit Rocaillen und Akan­ thus verziert. Joncgeflecht. 96:42,6:65:50 cm. 500.—/700.—

Pierre Leduc, um 1685–1765 314

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315. Ein feines Paar Louis-XVI-Kerzenstöcke, Frankreich, Paris, circa 1780. Bronze, ziseliert und vergoldet. Mit rundem, profiliertem und mit Akanthus verziertem Fuss und nach oben ausladendem und kanneliertem Schaft. Die aufgesetzte Tülle in Vasenform, mit Tropfteller. H = 29 cm. 2500.—/3500.— Provenienz: Auktion Sotheby’s Paris, 13.1.2010

316. Wilhelm Gimmi (Zürich, 7.8.1886 – Chexbres, 29.8.1965). Zirkusartisten. Bleistift und Kohle auf Papier. Unten rechts datiert «5.12.42», unten links signiert «Gimmi». 37:27 cm. 200.—/400.—

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317. Sehr feines Encrier, Russland, circa 1870, im Stile Louis XVI. Vergoldete Bronze und Malachit. Längsformatig, auf Scheibenfüssen ruhend. Die geschweifte Wandung sehr fein mir gerolltem Akanthus- werk eingelassen. Das Blatt in ausgesuchtem Malachit furniert. Zwei aufgesetzte Ziervasen mit scharnier- tem Deckel als Tintenfässchen. L = 36 cm. 1200.—/1500.— Provenienz: Ehemals Besitz der Grossherzöge von Mecklenburg-Schwerin Adliger Privatbesitz, Luzern

318. Joseph Georg Winter (München 1751–1789). Stehender Hirsch, 1783. Feder in Schwarz auf Papier. Unten rechts signiert, datiert und bezeichnet: «nach der Natur gezeichnet von JG Wintter den 28 august ad 1783». 27:32,5 cm. 1000.—/1400.— Provenienz: Aus dem Nachlass des Künstlers Privatbesitz, Küsnacht

Joseph Georg Winter war Kupferstecher, Maler und Teppichwirker. 1766–83 war er in der Kurfürstlichen Hautelisse-Manufaktur in München tätig, 1784 wurde er zum Kurfürstlichen Hof- und Jagdkupferstecher.

319. Honoré Daumier (Marseilles, 26.2.1808–Valmondois, 10.2.1879). Deux têtes. Tuschfeder, laviert. 7,1:10,1 cm. 2000.—/2500.— Provenienz: Galerie Hopkins-Thomas, Paris Zürcher Privatbesitz

Ausgestellt: Artis Monte-Carlo, Honoré Daumier, 31.7.–30.9. 1987

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320. Anna Barbara Abesch (Sursee, 1706–1773). Christi Einladung an die Mühseligen und Beladenen und Die Speisung der Viertausend. Hinterglasgemälde. Beide unten links signiert und datiert: «Anna Barbara ab Esch, Surlaci in Helvetia pinx (it) Ad 1766». 15000.—/25000.—

Unsere beiden grossformatigen Hinterglasgemälde gehören zu den Hauptwerken der 1706 in Sursee geborenen Anna Barbara Abesch. Beide Gemälde haben sich in einem prächtigen Originalzustand erhalten und weisen ihre originalen, geschnitzten und vergoldeten Luzerner Rokokorahmen auf. Der Künstlerin dürften die Werke eines italienischen Künstlers des 17. Jh. als Vorlage gedient haben. In Sursee sind die Anfänge der Hinterglasmalerei um 1680 wohl im Umkreis des Glasmalers Karl Ludwig Thuot zu suchen, der als Glas­ malers des Herzogs Karl von Lothringen seit 1673 in Innsbruck nachweisbar ist. Anna Barbara Abeschs Vater, Johann Peter Abesch, etablierte die grosse Tradition dieser Maltechnik in Sursee und auch seine Schwester, Katharina Abesch, hinterliess einige Werke. Es war aber Johann Peters Tochter, Anna Barbara Abesch, die die Hinterglasmalerei in Sursee und der Innerschweiz zur eigentlichen Hochblüte führte. Es ist anzunehmen, dass Anna Barbara das Zeichnen und Hinterglasmalen von ihrem Vater erlernt hatte, doch haben sich von ihrer Hand weder Zeichnungen noch Risse erhalten. Die meisten Werke der Künstlerin weisen biblische Geschichten auf, Heiligenbilder, seltener auch Allegorien, Szenen der Mythologie sowie Portraits. Als Vorlagen dienten ihr vorwiegend Kupferstiche nach italienischen, flämischen, deutschen und hauptsächlich französischen Malern. In umgekehrter Reihenfolge der Malschichten arbeitend, trug sie die Farben so hauchdünn auf, dass die dahinter applizierten Farben durchscheinen können. Die frühesten, belegbaren Werke der Künstlerin entstanden um 1727, die letzten um 1770. Anna Barbara Abesch war die erste Hinterglasmalerin der Schweiz, die ihre Kunst als Beruf ausübte. Mit ihrem virtuosen, an Miniaturmalerei erinnernden Stil verhalf sie der Innerschweizer Hinterglasmalerei zu grossem Ruhm.

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321. Joseph-Marie Vien (Montpellier, 18.6.1716 – Paris, 27.3.1809) zugewiesen. Vestalin mit Räucherurne. Öl auf Leinwand. In französischem Rahmen des 18. Jh. 64:79 cm. 4000.—/6000.— Provenienz: Kunsthandel London Schweizer Privatbesitz

322. Aussergewöhnlicher Guéridon als porte-torchère, Louis XVI, Frankreich, Paris, circa 1775, in der Art von Adam Weisweiler (1744–1820) und Joseph Gengenbach, genannt Canabas (1715–1797). Mahagoni, massiv und vergoldete und ziselierte Bronzen. Wellig ausgeschnittenes und vertieftes, messinggefasstes Blatt über zweiteiligem, kanneliertem und mit feinen, vergoldeten Bronzemanschetten verziertem Schaft, über drei geschweiften Beinen. Die Kannelüren des Schaftes mit erhöhten Messingzierden und Zierbronzen ge- füllt. Die Beine mit Rankenwerk in vergoldeter Bronze. Das ganze Möbel aus drei Teilen durch Eisen­achse verschraubt und nach unten hin mit Zierknauf verdeckt. H = 95 cm. D = 26 cm. 4000.—/7000.—

Das hier abgebildete, sehr fein gearbeitete und aus drei Teilen gefügte Guéridon-Tischchen dürfte in der Zeit um 1775 geschaffen wor- den sein und diente wohl zum Aufstellen einer Girandole. Die Art des fein kannelierten Schaftes, mit seinen sehr fein überarbeiteten Manschetten und die röhrchenartigen Kannelürenfüllungen finden sich mehrfach an Balustern, wie sie Adam Weisweiler für seine Kleinmöbel und Sekretäre verwendete. Die sehr englisch anmutende Form des Guéridon, der an einen Tripod-table der Zeit George III. erinnert, findet sich vor allem im Werk von Joseph Gengenbach.

Vergleiche: Maurice Segoura, Patricia Lemonnier, Weisweiler, Paris, 1983 mit verschiedenen Beispielen gleichartig geformter Baluster.

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323. Parketterie-Kommode, Louis XV, Frankreich, Paris, circa 1750, signiert von André Antoine Lardin (1724–1790). Bois de Violette und Amarant furniert auf Eichenkorpus. Dreiseitig geschweiftes und profiliertes, rot-weiss-braun durchzogenes «Rouge de France»-Marmordeckblatt über passig geschweiftem Kor- pus mit welliger Zarge und erhöhten Beinen mit Sabots, Randfassungen und Chutes in vergoldeter Bronze. Die bauchige Front mit zwei Schubladenrängen, wobei der obere Rang in zwei Schubladen unterteilt ist. Feine Rokokohandhaben, Zar- gen- und Schlüssellochzierden. Die schauseitigen Flächen alle sehr fein gefriest in Veilchenholz, umrahmt von Amarant. 85:129:62 cm. 5000.—/7000.— André Antoine Lardin, Meister ab 1750 Provenienz: Aus altem Genfer Privatbesitz

324. Grosse Porzellanplatte, China, Qing-Dynastie, Ende 18. Jh. Spiegel und Fahne sehr fein mit einer Parklandschaft und feinen Blütenzweigen und Blumen bemalt. D = 39 cm. 750.—/900.— Provenienz: Martin Kiener, Zürich

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325. Grosser frühklassizistischer Spiegel, Italien, Mailand oder Turin, circa 1780. Holz, geschnitzt und vergoldet. Hochformatiges, originales Spiegelglas in mouluriertem und fein mit feuilles d’eau und Akanthus verziertem Rahmen. Die Schürze wenig gerundet und mit Akanthus und Ranken verziert. Zwei konsolen- artige Stützen seitlich davon. Das Fronton wiederum bogenartig, mit grosser aufgesetzter Henkelvase, seit- lich flankiert von prächtigen Blütenranken. 193:95 cm. 3000.—/4000.— Provenienz: Ehemals Sammlung Oberst Dollfus de Volckersberg, Schloss Kiesen Zürcher Privatbesitz

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326. Die Herzkartuschenkonsole des Johann Friedrich Funk I. (1706–1775), Rokoko, Bern, circa 1765. Lindenholz, geschnitzt, durchbrochen und vergoldet. Braun-rot-beige durchzogenes, dreiseitig ge- schweiftes und profiliertes «Marbre de Büren»-Deckblatt. Die Zarge passig geschweift und frontseitig mit grosser, zentraler Herzkartusche, darin Blumen und Blattwerk, flankiert von prächtigen Akanthus-Voluten und durchbrochenem Rocaillenwerk. Die s-förmig geschweiften Beine mit gelockten Füsschen und be- tonten Eckkartuschen. Der Steg aus zwei grossen Volutenbögen geformt und wiederum mit zentraler herz- kartusche, darin eine weitere Kartusche in feinstem, durchbrochenem Rocaillenwerk. Seitlich mit Blumen- girlanden. Die Zargenschmalseiten durchbrochen und mit feinem Rankenwerk und Blumen. 86,5:122:56 cm. 20000.—/30000.—

Provenienz: Aus altem Privatbesitz

Die hier angebotene Konsole gehört zu den bedeutendsten Arbeiten der berühmten Werkstatt des Johann Friedrich Funk I. und ist in der wichtigsten Schaffenszeit des Künstlers, um 1765 entstanden. Unsere Konsole ist nicht nur holzbildhauerisch von allerhöchster Qua- lität, sie ist auch die einzige Rokokokonsole der Werkstatt, wo das Herzsujet so eindrucksvoll zur Anwendung kommt. Der Bildhauer hat die Konsole so gezeichnet und ausgeführt, dass sich beim Betrachten mit etwas Abstand, die Herzkartusche der Zarge mit der Herzkartusche des Steges optisch berühren. Zur Zeit der Fertigung unserer Konsole, zwischen 1765–1767, war Johann Friedrich Funk I. mit Teilen der Aus- stattung des nach Plänen von Johann Jakob Fechter erstellten Wildt- schen Haus am Petersplatz in Basel beauftragt, einer seiner eindrück- lichsten und noch heute erhaltenen Innenausstattungen, für die Funk neben Kaminumfassungen auch Spiegel und Konsolen lieferte. Der ver- mögende Kaufmann Jeremias Wildt-Socin (1705–1790) hatte den Auf- trag zum Bau des Palais erteilt und hielt in seinem Nota-Buch alle Aus- gaben feinsäuberlich fest. Die Konsoltische im Wildtschen Haus sind die bedeutendsten, die die Berner Werkstatt gefertigt hat und nur mit ihnen ist die Herzkartuschen-Konsole von 1765 vergleichbar.

Vergleiche: Hermann von Fischer, Fonck à Berne, 2001, Abb. 341, für die unserem Konsoltisch verwandteste der Konsolen aus dem Wildtschen Haus in Basel. Johann Friedrich Funk I.

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327. Barockstuhl, Schweiz, Graubünden, um 1700. Nussbaum, massiv und gedrechselt. Wenig trapezför- miger Sitz über schlichter Zarge und gedrechselten Beinen mit h-förmigem Steg. Die Rückenlehne wenig nach hinten geneigt und gerade abschliessend. Alter Lederbezug. 95:52:49:42 cm. 200.—/300.—

328. Aussergewöhnlich schöner Armlehnstuhl, Barock, schweizerisch, um 1660. Nussbaum, massig und fein geschnitzt. Rechteckiger Sitz über wellig ausgeschnittener Zarge mit gerolltem Akanthusblattwerk. Die massiven, vierkantigen Beine mit feinem Schuppenmotiv geschnitzt und durch verzopft geschnitztem Umlaufsteg verbunden. Gerade Armlehnen mit gerollten Enden. Die besonders reich gestaltete Rücken- lehne mit zwei Rückenbrettern. Das Hauptbrett mit zentraler Wappenkartusche, umrahmt von Rollwerk. Das untere Brett mit einer grotesken Maske. Seitlich mit aus den rückseitigen Beinen aufstrebenden Vier- kantsäulen mit Schuppendekor und abschliessenden Knospen. Gestreifter Bezug. Schöne Patina. 109:48:61:59 cm. 400.—/600.—

329. Heiliger Johannes, oberrheinische Schule, um 1600. Lindenholz, geschnitzt, polychrom gefasst und teilvergoldet. Stehende Figur des Heiligen , in seiner Rechten das Evangelium haltend, den Blick wenig nach unten, dem Betrachter zugeneigt. Über seinem hellblauen Kleid trägt er einen goldenen Umhang. Sein Haar gelockt. Auf ovalem, felsigem Sockel stehend. H = 125 cm. 2000.—/3000.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

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330. Eugène Louis Lami (Paris, 12.1.1800–19.12.1890). Zwei sich neckende Pferd beim Hufschmied. Bleistift auf Papier. Unten links signiert: Eug. Lami. 26,5:39 cm. 2500.—/3500.—

Provenienz: Zürcher Privatbesitz

Unser ganz in der Art von Horace Vernet und Théodore Géricault gezeichnete Studie zu zwei Pferden beim Hufschmied, ist eine frühe, wohl in die Jahre um 1825 zu datierende Arbeit des französischen Malers Eugène Louis Lami. Lami war Schüler von Antoine- Jean Gros und dem Pferdemaler Horace Vernet. Unsere Skizze ist von derselben Dynamik wie wir sie von den Pferdedarstellungen Vernets her kennen. Mit feinster Beobachtungsgabe ist dem Künstler mit dem vorliegenden Blatt ein Werk von grosser Ausstrahlung und Harmonie gelungen. Lami war Hauslehrer für Aquarellmalerei für die Prinzen von Orléans und wurde 1837 zum Ritter, 1863 zum Offizier der Ehrenlegion ernannt.

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331. Londoner Maler des 19. Jahrhunderts. Portrait eines Knaben auf reich geschnitztem Rokoko-Arm- lehnstuhl, Pastellkreide auf Papier, unten rechts unleserlich signiert und datiert London 1835. In vergolde- tem Louis-XVI-Rahmen. 58:43 cm. 800.—/1200.—

Provenienz: Schloss Kiesen, Sammlung Dollfuss

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332. Sehr feine Rokoko-Kommode des Mathäus Funk (1697–1783), Bern, circa 1750–1755. Nussbaum, massiv, furniert und gefriest. Dreiseitig geschweiftes und profiliertes «Rouge Suisse»-Marmordeckblatt aus den Brüchen nördlich von Yvorne, auch Marbre de Roche genannt. Passig geschweifter und gebauchter, zweischübiger Korpus auf wellig und tief ausgeschnittener Zarge und geschweift ausstehenden Beinen in frontseitigen Sabots. Die Schubladen sans traverse und mit eingelegten Messingzierleisten versehen. Sehr feine Rokoko-Zierbronzen in Form von rocaillenartig durchbrochenen C-Voluten, die Handhaben sehr elegant versteckt. Zargenzierde mit zentraler Rocaille, die Schlüssellochzierden wiederum aus Voluten kar- tuschenartig durchbrochen. Sehr feine und seltene Chutes. Alle Furnierfelder mit prächtig geflammtem Nussbaummaser furniert und mit doppeltem, gefriestem Bandwerk umrahmt. 89:102:57 cm. 30000.—/50000.— Provenienz: Aus altem Schweizer Privatbesitz

Die hier angebotene Rokoko-Kommode des Mathäus Funk (1697–1783) ist in ihrer Furnierwahl der Front- und Seitenflächen, von allerhöchstem Wert und sehr typisch für die sehr feinen und charaktervollen Kommoden der Zeit um 1755. Keine Marketerie benötigt der Meister, um seinen prachtvollen Kommoden ein Gesicht zu geben. Funk spielt nur mit der Wirkung der Furniere. Diese allerdings, sucht er sich aus den schönsten und ältesten Nussbaumstämmen, die in prächtige Furniere geschnitten wurden. Dieses Wellenspiel des flammigen Nussbaum, das von den Schlüssellochzierden in Kreisen sich nach aussen hin langsam verflüchtigt, ist die grosse Kunst dieser Luxusmöbel des Berner Rokoko. Die Kommodenmöbel Funks zeigen in schönster Weise die Verbundenheit Berns mit dem französi- schen und deutschsprachigen Kulturkreis auf. An keinem Möbel des Rokoko wird dies so augenfällig wie an den Kommoden aus der berühmten Berner Werkstatt. Form und Beschläge schauen nach Frankreich, wo Funk in Paris einen Teil seiner Ausbildung verbrachte. Zwischen 1716 und 1724 war Funk als Geselle auf Wanderschaft. Wann genau er in Paris tätig war, das lässt sich bis jetzt noch nicht festlegen, doch taucht seine Signatur an einem Pariser Bureau plat auf, das genau in die Zeitspanne zwischen 1715–1725 zu datieren ist und durch Sotheby’s Paris, im November 2009 versteigert werden konnte. Das von Funk signierte Bureau plat der Régence-Zeit weist sehr feine Boulle-Marketerie auf, wie sie Funk in sehr identischer Art an einem Pendulengehäuse verwendet, welches um 1730 datiert wird und bei Hermann von Fischer, Fonck à Berne, als Nr. 187 abgebildet wird. Dass Mathäus Funk auch nach seinem Pariser Aufent- halt den Kontakt zu den dortigen Handwerkern pflegte, beweist die Tatsache, dass die an seinen luxuriösen Kommoden anzutreffenden Rokokobeschlagsgarnituren, wie wir sie sehr schön auch an unserer Kommode finden, ab circa 1745 bei ihm in Bern auftauchen, sie aber nirgends sonst ausserhalb von Paris auftauchen. Es ist anzunehmen, dass Funk diese Beschlagsgarnitur, wie sie auch von den Pariser Ebenisten Jacques Dubois und Mathieu Criaerd in identischem Guss verwendet wurde, direkt bei einem Pariser Bronzier kaufte und davon in Bern Surmoulagen herstellte. Es ist davon auszugehen, dass Funk eine bereits in Paris überarbeitete und ziselierten Beschlags- garnitur für seine Abgüsse verwendete. Die Berner Abgüsse dieser Pariser Bronzen weisen keine Überarbeitung auf und sind auch nicht feuervergoldet, sondern weisen vielmehr einen feinen Goldvernis auf. Da sie aber von überarbeiteten Bronzen abgegossen wurden, entsteht der Effekt, sie seien nachgearbeitet. Unsere Kommode, mit dem sehr fein durchzogenen Marmorblatt und dem honigfarbenen Furnierton, gehört zu den besonders schönen Exemplaren der Werkstatt.

Vergleiche: Hermann von Fischer, Fonck à Berne, Bern 2001 für vergleichbare Kommoden der Zeit um 1750. Sotheby’s Paris, Important Mobilier, Sculptures et Objets d’Art, 10. Novembre 2009, mit Los Nr. 74 für das M.FUNK signierte Bureau plat.

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