Herbert Steffny Das große Laufbuch: Vom richtigen Einstieg bis zum Leseprobe Das große Laufbuch: Vom richtigen Einstieg bis zum Marathon von Herbert Steffny Herausgeber: Südwest - Random Hause

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Inhalt

Vorwort 8

STEP 1 Laufgeschichte 10 Laufen in Urzeiten 12 Freizeitlaufen 13 Das afrikanische Laufwunder 15 Essay Zu den Wurzeln des kenianischen Laufwunders 16

STEP 2 Motivation 20 Etwas für Fitness und Gesundheit tun 22 Gesundheitssport ist Ausdauersport 23 Laufen für Körper, Geist und Seele 25 Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 29 Laufen – für Test Risikotest Herz-Kreislauf-Erkrankungen 30 körperliche Fitness und seelisches So wirkt moderates Laufen auf den Körper 31 Wohlbefinden. Für Laufen ist man nie zu alt 32 Vor dem Loslaufen zum Gesundheits-Check 32 Interview – dem Herzinfarkt davongelaufen 34

STEP 3 Die Ausrüstung 38 Die Laufschuhe 40 Funktionelle Laufbekleidung 47 Weitere Accessoires 51 Lauftagebuch – so ziehen Sie Bilanz 54

Ambitionierte STEP 4 Biologie des Laufens 56 Läufer kennen die physiologischen Anpassungen von Blutkreislauf, Lunge, Herz 58 Grundlagen des Anpassungen der Muskulatur 60 Trainings. Die Energiebereitstellung 62 Mehrgleisige Energiegewinnung 66 Grundlagen der Anpassung 68 Biologie der Regeneration 70 Ableitungen für das Training 73

STEP 5 Trainingssteuerung 76 Die Leistungsreserven planvoll ausschöpfen 78 Trainieren der körperlichen Fähigkeiten 78 Trainieren mit System 82 Trainingssteuerung nach Körpergefühl 86

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 4 05/05/11 10:51 Inhalt

Trainingssteuerung über die Herzfrequenz 88 Trainingssteuerung über Leistungsdiagnostik 93 Die Formen des Lauftrainings 96 Normieren von Lauf strecken und Tempo 107

Jogging 110 STEP 6 Der Weg ist das Ziel 112 Laufen lernen mit dem richtigen Einstieg 113 Jogging und Walking – kein Gegensatz 115 So läuft‘s anfangs richtig 117 Test Der 30-Minuten-Test für Einsteiger 119 Wettkampfläufer Trainingspläne für Laufeinsteiger 120 verfolgen ihre Leistungsentwick- Vom Jogger zum Fitnessläufer 123 lung genau. Der Coopertest 127 Test

Trainingspläne Walking und Jogging 128 Trainingspläne

Running 134 STEP 7 Wettkampf ist das Ziel 136 Die optimale Leistung 137 Vom Fitness- zum Volksläufer 142 Trainingsplan für den ersten Volkslauf 143 Trainingspläne Der Zehn-Kilometer-Wettkampf 147 Auch auf dem Weg zur Spitzenleistung Trainingspläne für den 10-Kilometer-Wettkampf 152 Trainingspläne sind Trainingspläne das A und O. Halbmarathon 159 Trainingspläne für den Halbmarathon 162 Trainingspläne 25-Kilometer-Wettkampf 169 Trainingspläne für den 25-Kilometer-Wettkampf 170 Trainingspläne

Marathon 174 STEP 8 Mythos Marathon 176 Der Marathonboom 176 Marathontraining im Jahreslauf 179 Kenia liegt im Schwarzwald 180 Essay Wintertraining für Marathonläufer 183 Vorbereitung auf den Herbstmarathon 187 Countdown auf den Marathon 188 Der große Lauf 193 Vor dem Rennen – Jürgen Theofel im Gespräch 194 Interview

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 5 11/05/11 17:11 Inhalt

Mentale Power für Marathon 197 Essay Sandra Wallenhorst – Sieg und Niederlage 199

Essay Die Schlacht von 204 Mit Trainingsplänen zum Erfolg 205 Der richtige Plan 206 Die Elemente der Trainingspläne 209 Erläuterungen zu den Trainingsplänen 211 Gleichmäßiges Tempo ist Trumpf 217

Trainingspläne Trainingspläne für Marathon 218

Essay Mit Geduld zum Profi 242 Zielführend: Im Tumult des Marathonrennens STEP 9 Cross-, Berg- und Ultralauf 244 Ruhe bewahren. Crosslauf – Kampf mit den Elementen 246 Berglauf – Gipfel rufen! 247 Höhentraining – Top oder Flop? 249 Ultralauf – jenseits des 254 Trainingspläne Trainingspläne für den 100-Kilometer-Lauf 260

STEP 10 Kinder-, Frauen- und Seniorenlaufen 264 Kinder- und Jugendlaufen 266 Test Coopertest für Kinder und Jugendliche 270 Frauenlaufen 272 Seniorenlaufen 279 Dehnen nach dem Training Intervieww Seniorenweltmeister Walter Koch im Gespräch 288 pflegt Muskeln und Sehnen. STEP 1111 Gymnastik und Laufstil 290 Dysbalancen vermeiden 292 Dehnen, Kräftigen, Lockern 294 Dehnungsprogramm 296 Kräftigungsprogramm 300 Das Gymnastikprogramm erweitern 304 Test Kraft- und Beweglichkeitstest 305 Den Laufstil optimieren 310 Laufschule und Koordinationsläufe 317

STEP 12 Den Laufspaß behalten 324 Crosstraining 326 Laufbandtraining – die Alternative im Winter 330

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 6 05/05/11 10:51 Inhalt

So kommen Sie gut über den Winter 333 Laufen im Sommer 335 Rennen bei Regen 337 EssayEssa

Zum Nachahmen wirklich zu heiß! 338 EssayEs

Vögel hassen Läufer 341 Essay Laufen und Hunde 342 Regenerieren und entspannen 343 Verletzungen vermeiden 346 Läufertypische Verletzungen 350 Moderne Sport- Läufertypische Beschwerden 354 ernährung – viel- fältig, nährstoff- reich und sehr Ernährung für Läufer 356 STEP 13 genussvoll. Mangel im Überfluss 358 Essen für die Fitness 359 Kohlenhydrate – für Muskeln und Nerven 359 Fette – mehr als nur Energie 361 Eiweiße – Bausteine unseres Körpers 362 Vitamine – kleine Menge, große Wirkung 364 Mineralstoffe und Spurenelemente 365 Hohe Nährstoffdichte – wenig Zusatzstoffe 366 Getränke – so stimmt die Wasserbilanz 367 Sekundäre Pflanzenstoffe – Naturmedizin 368 Powerfood für Läufer 368

Wettkampfernährung 372 STEP 14 Die Ernährung vor dem Wettkampf 374 Nüchternläufe – nur mit Vorsicht durchzuführen 376 Essay Essen und Trinken während des Laufs 380 Getränke und Essen nach dem Lauf 381 Nahrungsergänzungsmittel 381

Auslaufen 388 STEP 15 Portrait Herbert Steffny 390 Herbert Steffnys Laufseminare 391 Lexikon der wichtigsten Fachbegriffe 392 Weiterführende Literatur 400 Internetadressen 401 Register 401 Bildnachweis 408 Impressum 408

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 7 05/05/11 10:51 Vorwort

Gestern Marotte, heute fast ein Muss Laufen boomt bei uns seit Mitte der 1980er-Jahre, und das Laufvirus ist für Sportmuffel gefährlich ansteckend: Läufer sind heute fast so etwas wie das herumlaufende schlechte Gewissen der »Noch-nicht-Läufer«.

Laufende Fitness- Fernsehen und Computer bewegten botschafter wir uns täglich auf der Straße und spielten Fangen, Fuß- und Völkerball. Krankenkassen fördern Walking- und Laufprogramme. Journalisten überbie- ten sich heute in ihrem Enthusiasmus, Das Lauftier in mir Dieses Buch soll über Laufen und Marathon so viel Posi- dem Einsteiger vom tives zu berichten, dass man fast schon Als jüngster Spross einer laufbe- richtigen Auftakt wieder warnend eingreifen muss. Vom geisterten Familie brauchte ich nicht über Jahre vielleicht Spinner zum Gladiator! Marathon, das lange zu suchen, um mein Talent zu sogar bis zum Matterhorn des kleinen Mannes, die finden. Wollte ich die Familienrekorde Marathon verhelfen, Speerspitze der Laufbewegung! Zig- brechen, musste ich die älteren Brü- den Fortgeschrit- tausende bevölkern heute beim Mara- der übertreffen. Das hieß im Klartext: tenen zur Perfek- thon die Herzen der Großstädte. Eine Weltklasseläufer werden! tion und zu neuen Abstimmung und Fitnessdemonstra- Die Trauben hingen ziemlich hoch, war Bestzeiten leiten, tion mit den Füßen. mein Bruder Horst immerhin West- den Gesundheits- Laufen war jahrhundertelang ein Sport deutscher Marathonmeister und der bewussten durch der unteren Klasse. Heute laufen auch älteste Bruder Manfred sogar zwei- Bewegung und ge- Macher und Manager, Direktoren, Poli- facher Olympiateilnehmer in dieser sunde Ernährung zu tiker und Promis. Firmen wie Pruden- Disziplin. Es war eine Last, aber auch Normalgewicht und tial in den USA fanden bereits Anfang eine Herausforderung. Es reichte höherer Lebensqua- der 1980er-Jahre heraus, dass jeder Anfang der 1970er zunächst für deut- lität führen. in die Fitness der Belegschaft inves- sche Jugendspitzenklasse und einen tierte Dollar sich durch weniger Fehl- deutschen Jugendrekord. Aber mit zeiten und höhere Produktivität dop- 19 Jahren war ich in der Männerklas- pelt bezahlt machte. se dem gestiegenen Erwartungsdruck Lebenslauf. Ich bin immer gelaufen, in nicht mehr gewachsen. Ich wurde den Wald zum Spielen, zu Freunden Diplombiologe, aber faulenzte auf und sechs Kilometer zur Schule. Ohne sportlicher Ebene.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 8 05/05/11 10:52 Laufen baut auf

Abgelaufen, Verfallsdatum erreicht? soll Sie aus der Sicht eines Naturwis- Trau keinem über 30! Nun war es senschaftlers und Weltklasseläufers, bei mir bald so weit. Vom vielen aber auch aus meiner jahrzehntelan- Sitzen beim Studium hatte ich Rücken- gen Erfahrung als Trainer für Laufein- beschwerden und Übergewicht steiger und Profis motivieren, infor- bekommen. So konnte es nicht weiter- mieren und beraten. Mein größtes Ziel Wer rastet, der gehen! Mit 28 begann ich aus Fitness- ist, dass Sie wieder ein gutes Gefühl für rostet! Mutter Natur gründen im Lauftreff erneut mit dem Ihren Körper entwickeln und zum Läu- hat uns mit zwei Joggen und brachte bald im Studen- fer mit Spaß und Genuss werden! Beinen zur Fort - tenwohnheim anderen bei, dass man bewegung geschaf- langsam eine halbe Stunde am Stück fen – wir sollten sie laufen kann. Was aus Gesundheits- Dauerläufer benutzen. Laufen ist gründen begann, endete in einer nicht kein Allheilmittel, mehr für möglich gehaltenen Karri- »Das große Laufbuch« ist seit seinem aber ein wichtiger ere als Weltklasseläufer und vielen ersten Erscheinen 2004 von der Lauf- Schritt in die rich- deutschen Meistertiteln. Ich erfüllte gemeinde überaus positiv aufgenom- tige Richtung. Man mir sogar meinen Kindheitstraum, bei men worden und wurde zum Bestsel- begibt sich auf eine einer internationalen Meisterschaft im ler. Erfreulich viele Rückmeldungen ganzheitliche Reise eigenen Land ein vollbesetztes Sta- von Laufeinsteigern und -profis bestä- zu sich selbst. Wer dion zum Jubeln zu bringen und eine tigten die bewährten Konzepte und noch im höheren Medaille zu erringen. Trainingspläne. Das Buch wurde in Alter mit dem zahlreichen Besprechungen in Fit- Laufen beginnt, nesszeitschriften, Fachmagazinen und jammert nicht mehr, Laufen baut auf Laufportalen als »Standardwerk« und sondern nimmt »Laufbibel« gefeiert. In dieser erwei- sein Schicksal in die Die Natur belohnt Läufer mit Glücks- terten Neuauflage wurden zahlreiche Hand und hat mit hormonen wie Serotonin und Endor- Textstellen aktualisiert, wobei viele sich Positives vor. phinen, eine uralte Anpassung für das dankenswerte Anregungen der Leser Durchhalten von Jägern und Samm- einflossen. Das beliebte Handbuch lern. Diese Hormonfreisetzung löst und Nachschlagewerk ist durch neue eine positive Sucht aus. Doch auch hier Bilder, Tabellen, Grafiken, Essays und macht die Dosis das Gift. Wir müssen Trainingspläne erheblich erweitert lernen, mit dem Naturheilmittel Lau- worden. Es bleibt aber nach wie vor fen, dieser natürlichsten aller Drogen, seinem Prinzip treu, für Fitnessläufer vernünftig umzugehen, beim Erwei- und Fortgeschrittene ein allgemein- tern der Grenzen Verletzungen zu ver- verständlicher Ratgeber für Theorie meiden und den Spaß zu behalten. und Praxis zu sein. Auf diesem Weg soll Sie mein Buch auf Ihrer privaten Lauf-Bahn begleiten. Es Herbert Steffny

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 9 05/05/11 10:52 Laufbuch 08642 - 001-408.indd 10 05/05/11 10:52 STEP 1

Lauf- geschichte

Die ersten Läufer waren Afrikaner! Dieser Satz könnte die Schlagzeile am Tag nach dem Berlin Marathon sein, aber auch aus einem Buch über die Evolution des Menschen. Wer über Laufen schreibt, kommt so oder so an Afrika nicht vorbei.

Laufbuch 08642 - 001-408.indd 11 05/05/11 10:52 STEP 1 Laufgeschichte

Die Evolution des Laufens Jahrmillionenlang war Fitness eine Notwendigkeit zum Überleben. Und heu- te? Unsere Gene sind eigentlich die eines auf Bewegung programmierten »Lauftiers«. Sie haben sich nicht in ein paar Jahrzehnten Müßiggang geän- dert. Und bevor wir uns mit den gesundheitlichen Aspekten des Laufens be- schäftigen, unternehmen wir eine Zeitreise in die Vergangenheit und beschäf- tigen uns mit der Historie, Biologie und Evolution des Laufens. Es begann in Ostafrika.

Laufen in Urzeiten in der äthiopischen Region Afar mit den beim aufrechten Gang frei gewor- Der Urmensch war kein besonders denen »Vorderpfoten« schon simple schneller Läufer, sondern vielmehr ein Werkzeuge wie Stöcke oder Knochen ausdauernder Jäger und Sammler. Der gebrauchen. Sie grub damit vermut- Wir sind nicht die tägliche Aktionsradius zum Nahrungs- lich in der Savanne Wurzeln und Knol- einzigen Zweibeiner erwerb betrug viele Kilometer. Wis- len aus oder stocherte Termiten aus und schon gar nicht senschaftler haben errechnet, dass die ihrem Bau. Der sensationelle Beweis die schnellsten. Im Urmenschen dabei um die 40 Kilome- des aufrechten Gangs gelang Mary D. Tierreich finden ter pro Tag zurückgelegt haben sollen. Leakey bei Laetoli in Tansania. Ihre For- wir schnellere Der Marathonlauf lässt grüßen. schergruppe fand die ältesten, rund Sprinter als den dreieinhalb Millionen Jahre alten Fuß- Wunderläufer Usain Zuerst lief man in Afrika spuren der Menschheit: Mutmaßlich Bolt. Während der stapfte ein Erwachsener der Art »Aus- Sprintweltrekordler Auf die Frage, warum die Afrika- tralopithecus afarensis« mit einem Kind knapp 38 Kilometer ner heute im Laufen so dominieren, durch den Ascheregen eines nahe pro Stunde erreicht, könnte man spaßeshalber antwor- gelegenen Vulkans. rast der Vogel ten: Ganz einfach, sie sind uns Milli- »Homo erectus«, mit langen Gliedma- Strauß, ebenfalls ein onen von Jahren voraus. Vor einiger ßen ausgestattet und größer als wir Afrikaner, mit bis zu Zeit entdeckte man in Äthiopien ein heute, war bereits ein echter Läufer. 60 Kilometer pro 4,4 Millionen Jahre altes männliches Mit scharfen Faustkeilen und verbes- Stunde durch die Skelett, das bisher älteste Fossil eines serten Waffen jagte er möglicherweise Savanne. aufrecht gehenden menschlichen Urah- gemeinsam in der Horde Leoparden nen. Vor über drei Millionen Jahren die Beute ab. Er entdeckte vor einer konnte sein weibliches Pendant »Lucy« Million Jahren die Macht des Feuers.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 12 05/05/11 10:52 Freizeitlaufen

Freizeitlaufen Der deutsche Lauftreff

Der rasante technische Fortschritt der Die Laufbewegung wurde zu uns aber letzten 200 Jahre machte bei uns aus nicht aus Amerika importiert. Bereits körperlich stark geforderten Hirtenno- 1899 – mehr als zwei Generationen vor maden, Jägern, Bauern und Handwer- dem amerikanischen Joggingboom – In der ehemaligen kern wohlhabende, bequemliche und gab es allein in Hannover nicht weni- DDR entwickelte übergewichtige Couch-Potatoes. Der ger als zwölf Laufvereine. Die Wurzeln sich parallel die neuzeitliche Bewegungsmuffel sitzt der Lauftreffs in Deutschland gehen Kampagne »Eile mit rückengeschädigt den ganzen Tag bei auf die von Carl Diem 1907 in Berlin ins Meile«. Dort star- der Arbeit im Büro oder frisst hinter Leben gerufene »Laufgemeinschaft« tete 1967 schon die dem Lenkrad im Auto auf der Straße zurück, die bereits das Gedankengut »Lauf-dich-gesund- Kilometer. des heutigen Lauftreffs umfasste. Bewegung«. Seit 1947 propagierte der Laufpio- Joggingboom in Amerika nier Dr. Ernst van Aaken mit der von und Europa ihm begründeten »Waldnieler Dauer- laufmethode« kämpferisch den lang- Als Reaktion auf die Bewegungsarmut samen Dauerlauf als Alternativmedi- und die damit einhergehenden vielfäl- zin. Er setzte sich auch vehement für tigen Gesundheitsprobleme lösten in das Frauenlaufen ein. Inspiriert von den USA der seit 1968 millionenfach Schweizer Waffenläufen, veranstaltete verkaufte Bestseller »Aerobics« von Otto Hosse mit Freunden 1963 den Dr. Kenneth Cooper und der Mara- thonolympiasieg von Frank Shorter 1972 in München die Joggingwelle aus. Sie schwappte dann nach Europa über, verstärkte die hier bereits auf- keimende Laufbewegung. Der Boom der seit den 1980ern etablierten Citymarathons reicht inzwischen von Berlin bis Honolulu und mobilisiert die Massen mit bis zu 45.000 Teilnehmern beim Marathon, denen rund eine Million Zuschauer am Stra- ßenrand zujubeln. Freizeitsport, Trimm- Die ältesten Zeugnisse trab und Lauftreff sind gewissermaßen des aufrechten Gangs: eine Ersatzhandlung für frühere bewe- 3,5 Millionen Jahre gungsreichere Tage, eine Reminiszenz alte Fußspuren bei an unser biologisches Erbe. Laetoli in Tansania.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 13 05/05/11 10:52 STEP 1 Laufgeschichte

ersten Volkslauf in Bobingen. Neu Die modernen Genussläufer dabei war, dass jedermann unabhän- gig von einer Vereinszugehörigkeit In den 1970ern galten Läufer eher teilnehmen durfte. noch als kuriose Außenseiter und Der Deutsche Sportbund startete waren sehr leistungsorientiert. Heute 1970 den TrimmTrab mit dem Slogan dagegen trainieren Millionen von »Lauf mal wieder«. Mitte der 1970er- Spaß- und Genussläufern in den Stadt- Jahre begann das vierjährige Modell wäldern, Parks und Sportanlagen. Die »Ein Schlauer trimmt die Ausdauer«, in Zahl der in Deutschland regelmäßig das später Krankenkassen und Sport- Laufenden dürfte um die fünf Millionen artikelfirmen einstiegen. Im März 1974 be tragen. Der Anteil der Frauen nimmt wurde in Dortmund der erste Lauftreff laufend zu. 2010 waren beim Deut- mit Leistungsgruppen vom Einsteiger schen Leichtathletik Verband 3.991 bis zum Wettkampfläufer eröffnet, und Walk- und Lauftreffs registriert. es erschien das erste deutsche Lauf- Die Laufbewegung hat aber nicht die magazin »Spiridon«. jungen Talente mobilisiert. Sie wird bei Beim TrimmTrab-Auftakt 1976 im hes- uns überwiegend von fröhlichen 30- sischen Bad Arolsen gab Olympia- bis 50-Jährigen geprägt. Sie laufen sieger und Lauflegende Emil Zatopek vorwiegend für Figur, Gesundheit, Ent- die denkwürdig einfachste und viel spannung und Lebensqualität. Nicht zitierte Begründung für Laufen: »Fisch wenige suchen dabei die im Berufsle- schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft!« ben fehlende Herausforderung.

Der Laufboom

Volkslaufteilnahmen und -veranstaltungen des Deutschen Leichtathletik Verbands

Vo lksl au fte ilna hmen Volkslaufveranstaltungen 2000000 4000

1750000 3500

1500000 3000

1250000 2500

1000000 2000

750000 1500

500000 1000

250000 500

0 0 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Quelle: DLV, 2010

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 14 05/05/11 10:52 Das afrikanische Laufwunder

Doch auch bei einem Marathon inter- Geschichten am Rande ... essiert den Breitensportler heute nicht mehr so sehr wie früher, ob man Best- zeit gelaufen ist oder wer der Sieger Durch Laufen zum Multimillionär war. Wichtig ist, dass man das Ziel gut 1992 gewann der Äthiopier Addis Abebe für die Unterbie- erreicht hat und das nächste Mal in tung der Zehn-Kilometer-Straßenlauf-Weltbestzeit in In- geselliger Runde beim Wein-Marathon donesien 500.000 Dollar. Eine prächtige Summe, die man im Medoc oder beim Honolulu-Mara- bei uns auch vom Tennis, Golf oder Fußball kennt. In Äthi- thon auf Hawaii starten möchte. opien bedeutete das aber damals eine Kaufkraft von etwa 23 Millionen Euro! Addis Abebe war auf einen Schlag einer der reichs ten Männer seines Landes und motivierte viele Ta- Das afrikanische lente, es ihm heute gleichzutun. Laufwunder

Die Wunderläufer aus Kenia und Äthio- kümmert sich um Formalitäten. Der pien, die die Weltbestenlisten auf den umstrittene Lauf stall um Dr. Gabriele Mittel- und Langstrecken dominieren, Rosa produziert Marathonsieger wie sind meist einfache Bauernkinder, die Paul Tergat, der in Berlin 2003 in der seit frühester Kindheit mit der Vieh- damaligen Weltrekordzeit von 2:04:55 herde unterwegs waren oder lange Stunden siegte, schon fast am Fließ- Schulwege zurücklegen mussten. Für band. Er veranstaltet Sichtungsrennen sie ist Fitness eine Notwendigkeit. In bei Eldoret, um die größten Talente Ostafrika wird man als Läufer geboren, heraus zufiltern. Das Management Das spielerische ob man will oder nicht, und bleibt es Global Sports um den früheren Stun- Training in der Kind- zeitlebens. Die Talentiertesten kom- denlauf-Weltmeister Jos Hermens aus heit, die einfache men bei unseren Citymarathons oder Holland hat seine Zelte in Kenia bei Talentfindung und in den Stadien bei internationalen Kaptagat in 2.400 Metern Höhe auf- die Aussicht auf Sportfesten in Zürich oder Berlin zu geschlagen. einen ungeheuren materiellem Ruhm und Ehren. Auch deutsche Spitzenläufer wie Olym- sozialen Aufstieg Auch weiße Manager, Trainer und piasieger Dieter Baumann, Europa- sind Hauptursachen Sportfirmen wollen ein Stück vom meister Jan Fitschen oder das Schwei- für die Dominanz Kuchen abbekommen. Sie fördern zer Marathonass Viktor Röthlin ließen der Afrikaner im die schwarzen Talente in Kenia oder sich von Höhentrainingsaufenthalten Laufsport. in Trainingszentren in Europa. Ohne bei den afrikanischen Wun derläufern diese Verbindungen kämen viele Bau- inspirieren. Sie kehrten als »weiße ernkinder nie an Preisgelder und Ver- Kenianer« zurück. Über meine eige- träge. Ein Agent kassiert einen Teil nen Erfahrungen in den Nandi Hills im der Prämien. Er hält dem Athleten Westen Kenias lesen Sie auf den fol- aber den Rücken zum Training frei und genden Seiten.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 15 05/05/11 10:52 STEP 1 Laufgeschichte

Essay Zu den Wurzeln des kenianischen Laufwunders

Mike Boit, Bronzemedail- »Ich werde rennen wie ein haus der Missionsschule lengewinner im 800-Me- leben zu können, denn ter-Lauf in München im Schwarzer, um so zu leben in der Umgebung müs- Jahr 1972, einer der ers- wie ein Weißer!« sen die Menschen immer ten kenianischen »Wunder- noch in Lehmhütten mit (Samuel Eto´o, Profifußballer, Kamerun) läufer«, hatte mich in das Strohdach leben. So gab 2.350 Meter hoch gelegene Iten zum Stamm der es wenigstens eine Wasserversorgung aus der Kalenjin im Westen Kenias gefahren. Hier mitten Regenrinne – aber nur wenn es regnete, und es im Busch weit abseits vom Touristenstrom steht war gerade Trockenzeit. die Missionsschule St. Patrick´s High School, eine Und hier sollte ich also bleiben? Der verwöhn- von irischen Lehrern geleitete Kaderschmiede, te mitteleuropäische Hightech-Runner bei den aus der die meisten Wunderläufer Kenias kom- Juniorenweltmeistern aus der Lehmhütte? Wo ist men. Mike Boit lernte und lief hier. Ich wollte zur der Swimmingpool, der Sportarzt, der Masseur, Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1988 ein Restaurant, die Kunststoffbahn, die Sauna, ein Höhentraining hier, an den Wurzeln des ke- kurz, alles, was man als Spitzensportler zu brau- nianischen Laufwunders, durchführen. Es reizte chen glaubt? mich ungemein. Gab es im ostafrikanischen Stattdessen gab es in 2.350 Metern Höhe dünne, Hochland Geheimnisse? Es sollte dort viele Stre- aber saubere Luft, starken Wind, nichts als ber- cken geben, die man gut laufen kann, aber alles giges Gelände, Hitze und kaum Verkehr auf un- bergig, und es sollte sogar ein Stadion existieren. geteerten Staubstraßen. Auch hatte ich ein Dach über dem Kopf, einen Herd sowie eine Schaum- gummimatratze mit einer Decke als Schlafstätte. Willkommen in Afrika

Und nun stand ich hier im Busch mit zwei Sport- Abgehängt von Barfußläufern taschen. Ich hatte meine Zweifel, und die wurden durch einige Umstände nicht gerade gemildert. Beim ersten mittäglichen Erkundungslauf hatte Ich hatte immerhin den Vorzug, in einem Stein- ich zur Kontrolle einen Pulsmesser umgeschnallt,

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 16 12/05/11 16:06 Die Wunderläufer Kenias

denn bei dünner Höhenluft, unter äquatori- bar. Danach geht’s ins Bett. Wer Alkohol trinkt, aler Hitze und Sonnenstrahlung überzieht man fliegt von der Schule. Rauchen ist verboten. Zer- schnell. Mein Pulsmessgerät schlug bald Alarm, streuung und Ablenkung gibt es nicht viel. Kei- ich war auf 180! Es war klar: Ich musste mor- nen Computer, keinen Fernseher, keine Spielo- gens früher raus zum Laufen und abends vor der thek, keine Diskothek, kein Kino. Der Schulleiter Dämmerung zum zweiten Mal trainieren, wenn Brother Colm O‘Connel sagte uns einmal, dass es ich nicht so fertig wie ein Hähnchen vom Grill für seine Zöglinge zwei Möglichkeiten gäbe, raus zurück kommen wollte wie an jenem ersten Tag. aus dem Dreck zu kommen: »Entweder die haben Ansons ten half nur viel trinken, langsamer lau- was im Hirn, oder sie haben es in den Beinen.« Er fen und Sonnencreme Lichtschutzfaktor 20. Das liebt seine Schüler und fördert beide Wege. Als hügelige Trainingsgelände war fantastisch, der guter Läufer bekommt man entweder ein Stipen- Boden war fest, aber federnd. Ich bekam zu Be- dium in Amerika oder eine Stelle bei der Armee, ginn einen anständigen Muskelkater. »Das gibt Polizei oder Post. Power!«, sagte ich mir. Der Sauerstoffanteil der Luft ist dort oben um 25 Prozent niedriger als zu Hause, und ich japste im sicheren Gefühl, fleißig rote Blutkörperchen zu produzieren. Die Bahn im selbst gebauten Stadion war eine Buckelpiste mit Grasstoppeln, die man bei uns wegen Verletzungsgefahr schließen würde. Hier hängte mich manch einheimischer Läufer hoff- nungslos ab. Wenn die alle rauskämen! Die Bur- schen zogen hier harte Programme durch, barfuß, mit Schuhen oder in Badesandalen. Ich sah nach dem Training manchmal blutige Füße. Einige der Barfußläufer haben sogar ein Paar Schuhe, aber die schonen sie für die Wettkämpfe. So einfach leben also Weltklasseathleten.

Fast nur Pauken und Sport

Zum Erfolg gehört Disziplin. Die Jungs waren sehr fleißig, nicht nur im Training, sondern auch in der Schule. Sie büffelten bis 23 Uhr nachts hinter Kenianische Nachwuchsläufer der St. Patrick´s ihren Büchern im Klassenraum. Bei uns unvorstell- High School in Iten beim Training.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 17 05/05/11 10:52 STEP 1 Laufgeschichte

Essay

Barfuß zum Doppelweltmeister die Husseins etwa elfmal so viel Land und dazu Die irischen Brüder, die sich um die 15- bis 19-Jäh- ein schönes Steinhaus. Damals beschloss Stanley rigen verdient machen, sind mächtig stolz auf wie alle anderen Kinder, Läufer zu werden. Was deren Erfolge. Gerne zeigen sie Videobänder, wo kann aus dem siebten Kind eines Bauern hier ihre Schüler der Weltklasse das Fürchten lehrten, schon werden? Der Acker ist nicht mehr teilbar, oder geben Anekdoten von ihren Jungs zum Bes- es gibt nichts zu erben, man wird keine reiche ten. Nehmen wir Peter Chumba: Als er 1986 bei Frau heiraten, es gibt keine soziale Hängematte. der Juniorenweltmeisterschaft vor dem Start das Da greift man nach dem Strohhalm, der vielleicht lästige Kontrollprozedere mit der Überprüfung einzigen Chance im Leben, aus dem Busch he- der Trikotwerbung und den Schuhfirmen als Neu- rauszukommen, Karriere zu machen: Laufen. ling mitmachte, trug er in dem Fragebogen naiv unter Schuhmarke einfach »barefoot« ein. Wäh- Die Wurzeln des Erfolgs rend die Funktionäre rätselten, was für eine neue Schuhfirma das vielleicht sei, gewann Peter bar- Eines Abends kam Brother Colm O‘Connel, der fuß in Athen die 5.000 und 10.000 Meter vor der übrigens 2010 auch den 800-Meter-Weltrekord- besohlten weißen Konkurrenz. ler David Rudisha rausgebracht hat, vorbei. Wir unterhielten uns über die Gründe, war um die Schüler hier so erfolgreiche Läufer werden, und Die Träume der Läufer in Kenia wir kamen auf Folgendes: Ich fragte die Jungs nach ihrer Motivation. Fast Körperliche Anforderungen (z. B. Schulwege), alle sagten, dass sie berühmt werden, aber im die die Schüler bereits im Kindesalter trainieren selben Atemzug auch, dass sie für die Fami- Einfache, gesunde, vollwertige Bauernkost lie Geld verdienen wollten. Matthew, ei ner der Von Natur aus schlanker Körperbau Schnellsten, träumte von den großen Erfolgen Kaum vorhandene Möglichkeiten für andere seines Vorbilds Kipchoge Keino. Der berühmte Freizeitgestaltung bzw. Ablenkung Vor läufer Kenias war 1968 1.500-Meter-Olympia- Wenige Alternativen, außerhalb des Sports Kar- sieger sowie 1972 über 3.000 Meter Hindernis und riere zu machen brachte es zu Ansehen und Reichtum. Er hat ne- Aussicht auf einen großen sozialen Aufstieg ben Teefarmen z. B. einen Sportladen in Eldoret. Soziale Verpflichtung gegenüber der Familie Der 17-jährige Stanley Bor kann von seinem Inspiration durch erfolgreiche Vorbilder, die Nachbarn Ibrahim Hussein berichten. Nach des- zum »Nachmachen« animieren sen Sieg beim New York Marathon kehrte dort Training in der Gruppe statt Einzelkämpfertum der Reichtum ein. Hussein fuhr mit dem zusätzlich Unterstützung durch die Schulleitung gewonnenen Nobelauto in den Busch. Das war Abhärtung durch die Höhenlage und das an- vielleicht ein Aufstand! Anschließend besaßen strengende Trainingsgelände

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 18 05/05/11 10:52 Die Wunderläufer Kenias

Durch das Klima ermöglichtes ganzjähriges mich zum Grübeln. Ich habe eben das Glück ge- Training habt, in Deutschland geboren zu sein, und des- Weitergabe von Know-how durch ehemalige sen sollte man sich öfter bewusst sein. Sauberes Laufstars Trinkwasser ist wichtiger als Fernsehen. Wir le- Mut und Unbedarftheit im Rennen gegenüber ben wie die Maden im Speck, und die einfachen weißen »Weltstars« Kalenjin machen aus so wenig so viel. Simple Wege führen auch zum Erfolg, wenn der Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber: eiserne Wille da ist. Hightech-Training kann zur Schlechte Ausrüstung Verwirrung und zur Unselbstständigkeit des Ath- Gefahr von schweren Krankheiten wie Malaria, leten führen. Während ein deutscher Läufer sein Typhus, Hepatitis Training am Computer auswertet, ist ein Kenianer Weitgehend fehlende sportmedizinische Ver- schon wieder eine Runde gelaufen. Entrümpe- sorgung lung ist angesagt. Wer Besonderes erreichen will, Knallharte Selektion, bei der viele Talente auf muss von sich auch Besonderes fordern. Herbert, der Strecke bleiben du musst härter werden! Kämpfe mit ihren Waf- Geringe finanzielle Möglichkeiten, die z. B. ver- fen, trainiere fleißig! Einfach, aber wahr. Das war hindern, auf eigene Faust zu Wettkämpfen aus- mir eigentlich nicht neu, aber mein Keniaaufent- zureisen halt half mir wieder, das Wesentliche zu sehen. Frauen haben hier in den Nandi Hills genauso viel Talent, sie kommen nur kaum ins Ausland. Ihr Träume werden wahr Schicksal ist auch gleichzeitig ein gesellschaft- liches Problem, denn ihre eigentlichen Aufgabe Vier Wochen später qualifizierte ich mich beim sind Kindergebären und Familie. Die ersten in- London Marathon in 2:11:54 Stunden für die ternational erfolgreichen Kenianerinnen wie die Olympischen Spiele in Seoul. Immer wenn ich frühere Marathonweltrekordlerin Tegla Loroupe mich später motivieren musste, dachte ich an gelten als Vorbilder für ein Leben jenseits der tra- meine Kenianer zurück. Eine Weile hatte ich ditionellen weiblichen Rolle. noch Briefkontakt und schickte gebrauchte Laufschuhe nach Kenia. Einen traf ich Jahre spä- ter wieder: »Bist du es, Matthew? Matthew aus Aus wenig viel machen Iten?« Und er erkannte mich und lächelte: »Du Nach fünf Wochen Trainingslager und ungefähr bist doch der Muzungu, der damals mit uns trai- 1.000 Kilometern verteilte ich meine abgenutzten nierte?« Matthew Birir, der damals in Iten von Schuhe und Trainingskleidung unter den Jungs. Olympia träumte, wurde 1992 in Barcelona über Der Aufenthalt in Kenia war für mich eine Grenz- 3.000 Meter Hindernis Olympiasieger – wie sein wanderung, eine Herausforderung und brachte Vorbild Kip Keino …

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 19 05/05/11 10:52 Laufbuch 08642 - 001-408.indd 20 05/05/11 10:52 STEP 2

Motivation

Ihre Gesundheit können Sie nicht delegie- ren. Sie sind Ihr Chef! Wer außer Ihnen selbst sollte sich sonst darum kümmern? In die Krankenkasse einzuzahlen allein reicht nicht. »Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!« So brachte es schon der Philosoph Arthur Schopenhauer auf den Punkt.

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Warum Sie laufen sollten Viele beginnen mit dem Laufen erst, wenn sie die Endlichkeit ihrer Fitness erlebt haben: Herzrasen und Übergewicht gepaart mit Lebenskrisen und be- ruflicher Neuorientierung. Sollte das schon alles gewesen sein? Dabei waren wir doch früher so sportlich.

Etwas für Fitness und Zustand Ihres Herz-Kreislauf-Systems Gesundheit tun ab. Für die Gesundheit ist neben Kraft, Beweglichkeit und Koordination ins- Wer rastet, der Fitness – Gesundheit. Was bedeuten besondere die Ausdauerfitness aus- rostet! Biologische diese Begriffe eigentlich? sagekräftig. Fitnesstests würden ein Systeme erfordern Fitness kommt aus dem Englischen Defizit Ihrer körperlichen Verfassung im Gegensatz zu und bedeutet Tauglichkeit, Eig- schnell aufdecken. technischen zu ihrer nung, Fähigkeit. Es hat im allgemei- Gesundheit ist viel mehr als nur die Erhaltung oder nen Sprachgebrauch irgendwie mit Abwesenheit von Krankheit. »Anima Verbesserung einen Gesundheit und Lebensstil zu tun: mit sana in corpore sano«, »Ein gesun- entsprechenden guter Ernährung, körperlicher und der Geist ruht in einem gesunden Kör- Trainingsreiz. geistiger Mobilität, mit »in Form sein«, per«, diesen ganzheitlichen Ansatz Wohlbefinden, gutem Aussehen und verfolgte schon der römische Satiri- mit Schlankheit. Im engeren Sinne ker Juvenal vor fast 2.000 Jahren. Der hängt aber Ihre Fitness von Ihrer sport- Moral philosoph Jean-Jacques Rous- lichen Leistungsfähigkeit und dem seau formulierte es im 18. Jahrhundert ähnlich: »Vor allem wegen der Seele ist es notwendig, den Körper zu üben.« Info Und auch die World Health Organiza- Allgemein verbinden wir Fitness mit tion (WHO) benutzt heute eine umfas- Gesundheit »guter« Ernährung sende Definition: »Gesundheit ist der Wohlbefinden körperlicher Aktivität Zustand des vollkommenen körper- geistiger Mobilität gutem Aussehen, »Schlankheit« lichen, geistigen und sozialen Wohl- befindens.« Gesundheit sollte, neben Im engeren Sinne hat Fitness zu tun mit wahrer Liebe, Freundschaft, Freiheit sportlicher Leistungsfähigkeit und Sicherheit, in der persönlichen Pri- Herz-Kreislauf-Fitness oritätenskala eigentlich ganz oben ste- hen. Was tun wir dafür?

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 22 05/05/11 10:52 Ausdauersport für die Gesundheit

Gesundheitssport ist Skilanglauf. Wenn Sie etwas für Ihre Beim Schnellkraft- Ausdauersport Gesundheit tun möchten, wählen Sie training stehen der eine Ausdauersportart. Muskelquerschnitt Sport und Sport ist nicht dasselbe. und eine saubere Bei Schnellkraftsportarten wie Sprint, Stärkt Herz und Lunge Technik im Vorder- Kugelstoßen, Gewichtheben oder grund. Die Fett- Hochsprung werden explosiv für einige Beim Ausdauersport müssen Sie Ihr verbrennung spielt Sekunden Kräfte freigesetzt. Diese Körpergewicht nicht maximal, son- für die Kraftent- Sportarten trainieren den Körper ganz dern in einer viel sanfteren Intensität, faltung keine Rolle. anders (siehe Randspalte) als Aus- aber dafür über einen längeren Zeit- Auch der Sauerstoff- dauersportarten wie Laufen, Walking, raum als bei Schnellkraftsportarten transport ist in der Radfahren, Rudern, Schwimmen oder bewegen. Ausdauertraining optimiert kurzen Zeit nicht wichtig: Ist das sauerstoffreiche Das Beispiel Joschka Fischer Blut während eines Sprints von der Joschka Fischer wurde durch seine Metamorphose vom fülligen Lebemann Lunge über das Herz zum Marathonfinisher zum Vor-Läufer der Nation. Mit 112 Kilo Leibesfülle und überhaupt bis in den Angst vor einem Herzinfarkt änderte er mit 48 Jahren sein Leben radikal. Der Fuß gekommen? damalige Fraktionssprecher der Grünen stellte im Herbst 1996 seine Ernäh- Wohl kaum. rung auf mediterran geprägte Vollwertkost um und begann zu joggen. Er hatte zunächst Vorbehalte gegenüber Laufen, das er für »sterbenslangweilig, nerv- tötend und ätzend« hielt. Er wusste aber, dass man pro Zeiteinheit mit Laufen Kalorien am schnellsten abbauen kann und dabei sein Herz stärkt. Er begann in Bonn mit einem 400-Meter-Lauf, nachts, im Dunklen, damit ihn keiner sah. Eine traumatische Premiere! Aber er hat weitergemacht! Als ich im Sommer 1997 sein Marathontraining übernahm, war er längst ein Lustläufer. Laufen war für ihn Stressbewältigung, Meditation und die »naturge- mäßeste Droge«. Mit 50 Jahren und nur noch 74 Kilo Gewicht beendete er 1998 den Hamburg Marathon in 3:41 Stunden. Das ist noch im ersten Drittel des Teil- nehmerfelds. Danach finishte er auch noch als Außenminister mit drei- bis fünf- mal Training pro Woche die Marathons in New York City und Berlin jeweils unter vier Stunden. Viele nahmen sich ihn als Vorbild. Die Terroranschläge von New York 2001 veränderten sein Leben drastisch und verhinderten die geplante Teil- nahme am Marathon. Als ununterbrochen reisender Außenminister musste er sein Laufpensum erheblich zurückschrauben und nahm entsprechend deutlich zu. Fischer verfiel wieder in sein altes Kompensationsverhalten. Den Weg zum einfachen Fitnesslaufen fand der Politiker später leider nicht mehr.

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Laufbuch 08642 - 001-408.indd 23 05/05/11 10:52 Herbert Steffny Das große Laufbuch: Vom richtigen Einstieg bis zum Marathon

408 Seiten, kart. erschienen 2015

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