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Herbert Steffny Das große Laufbuch Alles, was man übers Laufen wissen muss 001_051_Laufbuch.qxd 18-09-2007 15:04 Pagina 2

Inhalt

Vorwort 6

STEP1 Laufgeschichte 8

Laufen in Urzeiten 10 Freizeitlaufen 11 Das afrikanische Laufwunder 13 Essay Zu den Wurzeln des kenianischen Laufwunders 14

STEP2 Motivation 18

Etwas für Fitness und Gesundheit tun 20 Gesundheitssport ist Ausdauersport 21 Laufen – für Laufen für Körper, Geist und Seele 23 körperliche Fitness und seelisches Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 27 Wohlbefinden. Test Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 28 So wirkt moderates Laufen auf den Körper 29 Für Laufen ist man nie zu alt 30 Vor dem Loslaufen zum Gesundheitscheck 30 Interview – dem Herzinfarkt davongelaufen 32

STEP3 Die Ausrüstung 36

Die Laufschuhe 38

Ambitionierte Funktionelle Laufbekleidung 43 Läufer kennen die Weitere Accessoires 47 physiologischen Grundlagen des Lauftagebuch – so führen Sie Bilanz 50 Trainings.

STEP4 Biologie des Laufens 52

Anpassungen von Blutkreislauf, Lunge, Herz 54 Anpassungen der Muskulatur 56 Die Energiebereitstellung 58 Mehrgleisige Energiegewinnung 62 Grundlagen der Anpassung 64 Biologie der Regeneration 66 Ableitungen für das Training 69

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Inhalt

Trainingssteuerung 72 STEP5 Training als Maßnahmenbündel 74 Trainieren der körperlichen Fähigkeiten 74 Trainieren mit System 78 Trainingssteuerung nach Körpergefühl 82 Trainingssteuerung über die Herzfrequenz 84 Trainingssteuerung über Leistungsdiagnostik 89 Die Formen des Lauftrainings 92 Normieren von Laufstrecken und Tempo 97 Trainingsfehler-Checkliste 99 Wettkampfläufer verfolgen ihre Leistungsentwick- Jogging 100 STEP6 lung genau. Der Weg ist das Ziel 102 Laufen lernen mit dem richtigen Einstieg 103 Jogging und Walking, kein Gegensatz 105 So läuft’s richtig beim Einstieg 107 Der 30-Minuten-Test für Einsteiger 108 Test Trainingspläne für Laufeinsteiger 110 Vom Jogger zum Fitnessläufer 113 Der Coopertest – Fitness-Test für Freizeitsportler 117 Test Auch auf dem Weg Trainingspläne Jogging 118 Trainingspläne zur Spitzenleistung sind Trainingspläne das A und O. Running 124 STEP7 Wettkampf ist das Ziel 126 Die optimale Leistung 127 Vom Fitness- zum Volksläufer 132 Trainingsplan für den ersten Volkslauf 133 Trainingspläne Der Zehn-Kilometer-Wettkampf 136 Trainingspläne 10-Kilometer-Wettkampf 140 Trainingspläne Halbmarathon 148 Trainingspläne für Halbmarathon 151 Trainingspläne

Marathon 158 STEP8 Mythos 160 Der Marathonboom 160 Marathontraining im Jahreslauf 163

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Inhalt

Wintertraining für Marathonläufer 164 Vorbereitung auf den Herbstmarathon 168 Countdown auf den Marathon 169 Der große Lauf 174 Mentale Power für Marathon 176 Mit Trainingsplänen zum Erfolg 181 Der richtige Plan 182 Die Elemente der Trainingspläne 185 Erläuterungen zu den Trainingsplänen 187 Gleichmäßiges Tempo ist Trumpf 193 Zielführend: Im Tumult des Trainingspläne Trainingspläne für Marathon 194 Marathonrennens Essay Ruhe bewahren. Mit Geduld zum Profi 218

STEP9 Cross-, Berg- und Ultralauf 220 Crosslauf – Kampf mit den Elementen 222 Berglauf – Gipfel rufen 223 Höhentraining – Top oder Flop 225 Ultralauf – jenseits des 229 Trainingspläne Trainingsplan für 100-Kilometer-Lauf 234

STEP10 Kinder-, Frauen- und Seniorenlaufen 236 Kinder- und Jugendlaufen 238 Dehnen nach dem Training Test Coopertest für Kinder und Jugendliche 242 pflegt Muskeln Frauenlaufen 243 und Sehnen. Seniorenlaufen 250 Interview Senioren-Weltmeister Walter Koch im Gespräch 258

STEP11 Gymnastik und Laufstil 260 Dysbalancen vermeiden 262 Dehnen, Kräftigen, Lockern 264 Dehnungsprogramm 266 Kräftigungsprogramm 270 Das Gymnastikprogramm erweitern 274 Test Kraft- und Beweglichkeitstest 274 Den Laufstil optimieren 280 Laufschule und Koordination 290

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Inhalt

Den Laufspaß behalten 294 STEP12 Crosstraining 296 Laufbandtraining – die Alternative im Winter 300 So kommen Sie gut über den Winter 303 Laufen im Sommer 305 Zum Nachahmen wirklich zu heiß! 308 Essay Laufen und Hunde 310 Regenerieren und entspannen 311 Verletzungen vermeiden 314 Moderne Sport- ernährung – viel- Läufertypische Verletzungen 317 fältig, nährstoff- Läufertypische Beschwerden 321 reich und sehr genussvoll.

Ernährung für Läufer 324 STEP13 Mangel im Überfluss 326 Essen für die Fitness 327 Kohlenhydrate – für Muskeln und Nerven 327 Fette – mehr als nur Energie 329 Eiweiße – Bausteine unseres Körpers 330 Vitamine – kleine Menge, große Wirkung 332 Mineralstoffe und Spurenelemente 333 Ganzheitliche Aspekte der Nahrung 334 Getränke – so stimmt die Wasserbilanz 335 Sekundäre Pflanzenstoffe – Naturmedizin 336 Powerfood für Läufer 336

Wettkampfernährung 340 STEP14 Die Ernährung vor dem Wettkampf 342 Nüchternläufe – nur mit Vorsicht durchzuführen 344 Essay Essen und Trinken während des Laufs 348 Getränke und Essen nach dem Lauf 349 Nahrungsergänzungsmittel 349

Auslaufen 356 STEP15 Porträt Herbert Steffny 358 Herbert Steffnys Laufseminare 359 Weiterführende Literatur 360 Register 361 Impressum 368

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Vorwort

Gestern Marotte, heute fast ein Muss Laufen boomt bei uns seit Mitte der 80er Jahre, und das Laufvirus ist für Sportmuffel gefährlich ansteckend: Läufer sind heute fast so etwas wie das herumlaufende schlechte Gewissen der »Noch-nicht-Läufer«.

Bis in die Achtziger Laufende Fitness- Die Liste der Promis, die sich mit Lau- war Laufen eher eine botschafter fen fit halten oder sich der »Herausfor- Lachnummer. Nur derung Marathon« erfolgreich gestellt vereinzelt trauten Krankenkassen fördern Walking- und haben, geht von Popstars wie Mick sich Pioniere, sich Laufprogramme. Journalisten über- Jagger und Nena bis zu den Mara- den alltäglichen Ver- bieten sich heute in ihrem Enthusias- thonläufern Joey Kelly, Schriftsteller unglimpfungen beim mus, über Laufen und Marathon so viel Günther Wallraff, Fußballer Olaf Thon Training auszuset- Positives zu berichten, dass man fast oder Politiker Joschka Fischer quer zen. In den Jahren schon wieder warnend eingreifen durch alle Gesellschaftskreise. des Wirtschaftswun- muss. Vom Spinner zum Gladiator! Ma- ders arbeitete man rathon, das Matterhorn des kleinen hart dafür, das Sta- Mannes, die Speerspitze der Laufbe- Das Lauftier in mir tussymbol Auto wegung! Zigtausende bevölkern heu- zu besitzen und te beim Marathon die Herzen der Lebenslauf. Ich bin immer gelaufen, in nicht mehr laufen Großstädte. Eine Abstimmung und den Wald zum Spielen, zu Freunden zu müssen. Fitnessdemonstration mit den Füßen. und sechs Kilometer beim Schulweg. Ohne Fernsehen und Computer be- wegten wir uns täglich auf der Straße Laufen gehört zum guten Ton und spielten Fangen, Fuß- und Völker- Laufen war jahrhundertelang ein Sport ball. Als jüngster Spross einer laufbe- der unteren Klasse. Heute laufen auch geisterten Familie brauchte ich nicht die Macher und Manager, Direktoren lange zu suchen, um mein Talent zu fin- und Politiker. Firmen wie beispiels- den. Wollte ich die Familienrekorde weise Prudential in den USA fanden brechen, musste ich die älteren Brüder bereits Anfang der 80er Jahre heraus, übertreffen. Das hieß im Klartext: dass jeder in die Fitness der Beleg- Weltklasseläufer werden! schaft investierte Dollar sich durch we- Die Trauben hingen ziemlich hoch, war niger Fehlzeiten und höhere Produkti- mein Bruder Horst immerhin West- vität doppelt bezahlt machte. deutscher Marathonmeister und der

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Laufen baut auf

älteste Bruder Manfred sogar zwei- Laufen baut auf facher Olympiateilnehmer in dieser Disziplin. Es war eine Last, aber auch Wer rastet, der rostet! Mutter Natur eine Herausforderung. Es reichte An- hat uns mit zwei Beinen zur Fortbe- fang der Siebziger zunächst für deut- wegung geschaffen – wir sollten sie sche Jugendspitzenklasse und einen eigentlich benutzen. Laufen ist kein deutschen Jugendrekord. Aber mit Allheilmittel, aber ein wichtiger Schritt 19 Jahren war ich in der Männerklas- in die richtige Richtung. Man begibt se dem gestiegenen Erwartungsdruck sich dabei auf eine ganzheitliche Reise nicht mehr gewachsen. Ich wurde zu sich selbst. Wer selbst im höheren Diplom-Biologe, aber faulenzte auf Alter mit dem Laufen beginnt, hat mit sportlicher Ebene. sich noch etwas Positives vor. Die Natur belohnt Läufer mit Glücks- hormonen wie Serotonin und Endor- Vom Gesundheits- zum phinen, eine uralte Anpassung für das Weltklasseläufer Durchhalten beim Jäger- und Samm- Abgelaufen, Verfallsdatum erreicht? lerdasein. Diese Hormonfreisetzung Trau keinem über 30! Das war damals macht wirklich positiv süchtig. Doch eine Parole der Endsechziger. Nun war auch hier macht die Dosis das Gift. Wir es bei mir bald so weit. War ich wirklich müssen daher lernen, mit dem Laufen, schon so alt geworden? Vom vielen diesem Naturheilmittel, dieser natür- Sitzen beim Studium hatte ich Rücken- lichsten aller Drogen, vernünftig um- beschwerden und Übergewicht be- zugehen, beim Erweitern der Grenzen Dieses Buch soll kommen. So konnte es nicht weiter- Verletzungen zu vermeiden und den dem Einsteiger vom gehen! Mit 28 Jahren begann ich aus Spaß zu behalten. richtigen Auftakt Fitnessgründen im Lauftreff erneut mit Auf diesem Weg soll Sie mein Buch auf über Jahre vielleicht dem Joggen und brachte bald im Stu- Ihrer privaten Lauf-Bahn begleiten. Es sogar bis zum dentenwohnheim 25-Jährigen bei, dass soll Sie aus der Sicht eines Naturwis- Marathon verhelfen, man langsam eine halbe Stunde am senschaftlers und Weltklasseläufers, den Fortgeschritte- Stück laufen kann. Was aus Gesund- aber auch aus meiner jahrzehntelan- nen zur Perfektion heitsgründen begann, endete in einer gen Erfahrung als Trainer für Laufein- und zu neuen Best- nicht mehr für möglich gehaltenen steiger und Profis motivieren, infor- zeiten leiten, den Karriere als Weltklasseläufer und vie- mieren und beraten. Mein größtes Ziel Gesundheits- len Deutschen Meistertiteln. Ich erfüll- aber ist, dass Sie dabei wieder ein gu- bewussten durch te mir sogar meinen Kindheitstraum, tes Gefühl für Ihren Körper entwickeln Bewegung und bei einer internationalen Meisterschaft und zum Läufer mit Spaß und Genuss gesunde Ernährung im eigenen Land ein vollbesetztes Sta- werden! zu Normalgewicht dion zum Jubeln zu bringen und eine und höherer Lebens- Medaille zu erringen. Herbert Steffny qualität führen.

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STEP 1

Lauf- geschichte

Die ersten Läufer waren Afrikaner! Dieser Satz könnte die Schlagzeile am Tag nach dem Berlin Marathon sein, aber auch aus ei- nem Buch über die Evolution des Menschen. Wer über Laufen schreibt, kommt so oder so an Afrika nicht vorbei. 001_051_Laufbuch.qxd 18-09-2007 15:05 Pagina 10

STEP1 Laufgeschichte Die Evolution des Laufens Jahrmillionenlang war Fitness eine Notwendigkeit zum Überleben. Und heu- te? Unsere Gene sind eigentlich die eines auf Bewegung programmierten »Lauftiers«. Sie haben sich nicht in ein paar Jahrzehnten Müßiggang geän- dert. Und bevor wir uns mit den gesundheitlichen Aspekten des Laufens be- schäftigen, unternehmen wir eine Zeitreise in die Vergangenheit und be- schäftigen uns mit der Historie, Biologie und Evolution des Laufens. Es be- gann in Ostafrika.

Laufen in Urzeiten äthiopischen Region Afar mit den beim aufrechten Gang frei geworde- Der Urmensch war kein besonders nen »Vorderpfoten« schon simple schneller Läufer, sondern vielmehr ein Werkzeuge wie Stöcke oder Knochen ausdauernder Jäger und Sammler. Der gebrauchen. Sie grub damit vermut- tägliche Aktionsradius zum Nahrungs- lich in der Savanne Wurzeln und Knol- erwerb betrug viele Kilometer. Wis- len aus oder stocherte Termiten aus ih- Wir sind nicht die senschaftler haben errechnet, dass die rem Bau. Der sensationelle Beweis des einzigen Zweibeiner Urmenschen dabei um die 40 Kilome- aufrechten Ganges gelang Mary D. und schon gar nicht ter pro Tag zurückgelegt haben sollen. Leakey bei Laetoli in Tansania. Ihre die schnellsten. Im Der Marathonlauf lässt grüßen. Forschergruppe fand die ältesten, Tierreich finden wir rund dreieinhalb Millionen Jahre alten schnellere Sprinter Fußspuren der Menschheit: Mutmaß- Zuerst lief man in Afrika als Carl Lewis und lich stapfte ein Erwachsener der Art Maurice Greene. Auf die Frage, warum die Afrikaner »Australopithecus afarensis« mit einem Während unsere heute im Laufen so dominieren, könn- Kind durch den Ascheregen eines Sprintweltmeister te man spaßeshalber antworten: Ganz nahe gelegenen Vulkans. nur auf 37 Kilometer einfach, sie sind uns Millionen von Jah- »Homo erectus«, mit langen Gliedma- pro Stunde be- ren voraus. Vor einigen Jahren entdek- ßen ausgestattet und größer als wir schleunigen, rast der kte man in Äthiopien ein 4,4 Millionen heute, war bereits ein echter Läufer. Vogel Strauß, eben- Jahre altes männliches Skelett, das bis- Mit scharfen Faustkeilen und verbes- falls ein Afrikaner, her älteste Fossil eines aufrecht ge- serten Waffen jagte er möglicherweise mit bis zu 50 Kilome- henden menschlichen Urahnen. Vor gemeinsam in der Horde Leoparden ter pro Stunde durch über drei Millionen Jahren konnte sein die Beute ab. Er entdeckte vor einer die Savanne. weibliches Pendant »Lucy« in der Million Jahren die Macht des Feuers.

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Freizeitlaufen

Freizeitlaufen Der deutsche Lauftreff In der ehemaligen DDR entwickelte Der rasante technische Fortschritt der Die Laufbewegung wurde zu uns aber sich parallel die letzten 200 Jahre machte bei uns aus nicht aus Amerika importiert. Bereits Kampagne »Eile mit körperlich stark geforderten Hirtenno- 1899 – mehr als zwei Generationen vor Meile«. Dort startete maden, Jägern, Bauern und Handwer- dem amerikanischen Jogging-Boom – 1967 schon die kern wohlhabende, bequemliche und gab es alleine in Hannover nicht weni- »Lauf-dich-gesund- übergewichtige »couch potatoes«. ger als zwölf Laufvereine. Die Wurzeln Bewegung«. Der neuzeitliche Bewegungsmuffel der Lauftreffs in Deutschland gehen sitzt rückengeschädigt den ganzen auf die von Carl Diem 1907 in Berlin ins Tag bei der Arbeit im Büro oder frisst Leben gerufene »Laufgemeinschaft« hinter dem Lenkrad auf der Autobahn zurück, die bereits das Gedankengut Kilometer. des heutigen Lauftreffs umfasste. Seit 1947 propagierte der Laufpionier Dr. Ernst van Aaken mit der von ihm Jogging-Boom in Amerika begründeten »Waldnieler Dauerlauf- und Europa methode« kämpferisch den lang- Als Reaktion auf die Bewegungsarmut samen Dauerlauf als Alternativmedi- und die damit einhergehenden vielfäl- zin. Er setzte sich auch vehement für tigen Gesundheitsprobleme lösten in das Frauenlaufen ein. Inspiriert von den USA der seit 1968 millionenfach Schweizer Waffenläufen veranstaltete verkaufte Bestseller »Aerobics« von Dr. Kenneth Cooper und der Mara- thon-Olympiasieg von Frank Shorter 1972 in München die Joggingwelle aus. Sie schwappte dann nach Europa über, verstärkte die hier bereits auf- keimende Laufbewegung. Der Boom der seit den Achtzigern etablierten Citymarathons reicht inzwischen von Berlin bis Honolulu und mobilisiert die Massen mit bis zu 40.000 Teilnehmern beim 100. Jubiläumslauf in Boston 1996 und zwei Millionen Zuschauern in New York. Freizeitsport, Trimmtrab Die ältesten Zeugnisse und Lauftreff sind gewissermaßen des aufrechten Gangs: eine Ersatzhandlung für frühere bewe- 3,5 Millionen Jahre gungsreichere Tage, eine Reminiszenz alte Fußspuren bei an unser biologisches Erbe. Laetoli in Tansania.

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STEP1 Laufgeschichte

Otto Hosse mit Freunden 1963 den die denkwürdig einfachste und viel zi- ersten Volkslauf in Bobingen. Neu da- tierte Begründung für Laufen: »Fisch bei war, dass jedermann unabhängig schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft!« von einer Vereinszugehörigkeit teil- nehmen durfte. Die modernen Genussläufer Der Deutsche Sportbund startete 1970 den TrimmTrab mit dem Slogan In den Siebzigern galten Läufer eher »Lauf mal wieder«. Mitte der Siebziger noch als kuriose Außenseiter und begann das vierjährige Modell »Ein waren sehr leistungsorientiert. Heute Laufen ist ein tief in Schlauer trimmt die Ausdauer«, in das dagegen trainieren Millionen von der griechischen später Krankenkassen und Sportarti- Spaß- und Genussläufern in den Stadt- Mythologie veran- kelfirmen einstiegen. Im März 1974 wäldern, Parks und Sportanlagen von kertes Motiv: Die wurde in Dortmund der erste Lauftreff Flensburg bis Basel. Die Zahl der in Hand der Jägerin mit Leistungsgruppen vom Einsteiger Deutschland regelmäßig Laufenden Atalanta konnte nur bis zum Wettkampfläufer eröffnet, und dürfte realistisch um die fünf Millionen gewinnen, wer sie im es erschien das erste deutsche Lauf- betragen. Der Anteil der Frauen Wettlauf besiegte; magazin »Spiridon«. nimmt laufend zu. 2004 waren beim Achilles hatte den Beim TrimmTrab-Auftakt 1976 im hes- Deutschen Leichtathletikverband rund Beinamen »der sischen Bad Arolsen gab Olympia- 3.000 Lauftreffs registriert. Schnellfüßige«. sieger und Lauflegende Emil Zatopek Die Laufbewegung hat aber nicht die jungen Talente mobilisiert. Sie wird bei uns überwiegend von fröhlichen 30- bis 50-jährigen Gesundheitssportlern und Volksläufern geprägt. Sie laufen vorwiegend für ihre Figur, Gesundheit, für Entspannung und Lebensqualität. Nicht wenige suchen dabei in der Frei- zeit die im Berufsleben fehlende Her- ausforderung. Doch auch bei einem Marathon inter- essiert den Breitensportler heute nicht mehr so sehr wie früher, ob man Best- zeit gelaufen ist oder wer der Sieger war. Wichtig ist, dass man selbst mit seinen Freunden das Ziel gut erreicht hat und das nächste Mal in geselliger Runde beim Wein-Marathon im Me- doc oder beim Honolulu-Marathon auf Hawaii starten möchte.

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Das afrikanische Laufwunder

Das afrikanische Geschichten am Rande ... Laufwunder Durch Laufen zum Multimillionär In der Dritten Welt ist körperliche Ar- beit noch an der Tagesordnung. Dicke 1992 gewann der Äthiopier Addis Abebe für die Unterbie- Menschen sieht man selten, vielleicht tung der 10-Kilometer-Straßenlauf-Weltbestzeit in Indone- als Häuptling, Funktionär oder Politi- sien 500.000 Dollar. Eine prächtige Summe, die man bei ker. Die Wunderläufer aus Kenia und uns auch vom Tennis, Golf oder Fußball kennt. In Äthiopien Äthiopien, die die Weltbestenlisten bedeutete das aber damals eine Kaufkraft von 45 Millionen auf den Mittel- und Langstrecken an- Mark! Addis Abebe war auf einen Schlag einer der reichs- führen, sind meist einfache Bauernkin- ten Männer seines Landes und motivierte viele Talente, es der, die in frühester Kindheit bereits ihm heute gleichzutun. mit der Viehherde unterwegs waren oder kilometerlange Schulwege zurük- klegen mussten. Dort, wo sie herkom- aber den Rücken zum Training frei und men, ist Fitness noch eine Notwendig- kümmert sich um alle Formalitäten. keit. In Ostafrika wird man als Läufer Der umstrittene, von einer Sportar- geboren, ob man will oder nicht, und tikelfirma gesponserte Laufstall um Dr. bleibt es zeitlebens. Die Talentierte- Gabriele Rosa produziert Marathon- sten unter ihnen kommen bei unseren sieger wie Paul Tergat, der in Berlin Citymarathons oder in den Stadien bei 2003 mit Weltrekord in 2:04:55 siegte, internationalen Sportfesten in Zürich schon fast am Fließband. Er veranstal- oder Berlin zu materiellem Ruhm und tet eigens Sichtungsrennen bei Eldo- Ehren. ret, um die größten Talente heraus- zufiltern. Das Management Global Sports um den früheren Stundenlauf- Manager und Moneten Weltmeister Jos Hermens aus Holland Natürlich wollen auch weiße Manager, hat seine Zelte in Kenia bei Kaptagat in Das spielerische Trainer und Sportfirmen ein Stück vom 2.400 Meter Höhe aufgeschlagen. Training in der Kind- Kuchen abbekommen. Sie fördern Auch europäische Spitzenläufer wie heit und die Aussicht mittlerweile die schwarzen Talente in Dieter Baumann oder die Schweizer auf einen ungeheu- Kenia und auch in Trainingszentren in Laufasse Viktor Röthlin und Christian ren sozialen Aufstieg Europa. Der Deutsche Volker Wagner Belz möchten sich bei Höhentrainings- sind Hauptursachen betreut und vermittelt in Detmold eine aufenthalten bei den afrikanischen für die Dominanz Gruppe von Kenianern. Ohne diese Wunderläufern inspirieren lassen. Sie der Afrikaner im Verbindungen kämen viele einfache kehren als »weiße Kenianer« zurück. Laufsport. Bauernkinder nie an die Preisgelder Über meine eigenen Erfahrungen in und Verträge. Ein Agent kassiert einen den Nandi Hills im Westen Kenias le- Teil der Prämien. Er hält dem Athleten sen Sie auf den folgenden Seiten.

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STEP1 Laufgeschichte

Essay Zu den Wurzeln des kenianischen Laufwunders

Mike Boit, Bronzemedaillengewinner im 800-m- meist in Lehmhütten mit Strohdach. So gab es Lauf in München 1972, einer der ersten keniani- wenigstens eine Wasserversorgung aus der schen »Wunderläufer«, hatte mich in das 2.350 Regenrinne – aber nur wenn es regnete, und es Meter hoch gelegene Iten in den Nandi Hills im war gerade Trockenzeit. Westen Kenias gefahren. Hier mitten im Busch Und hier sollte ich also bleiben? Der verwöhn- weit abseits vom Touristenstrom steht die Mis- te mitteleuropäische Hightech-Runner Herbert sionsschule St. Patricks High School, eine von iri- Steffny bei den Juniorenweltmeistern aus der schen Lehrern geleitete Kaderschmiede, aus der Lehmhütte von nebenan? Hier Hochleistungs- die meisten Wunderläufer Kenias kommen. Mike training, Olympiavorbereitung? Wo ist der Swim- Boit lernte und lief hier. Ich wollte zur Vorberei- mingpool, der nächste Sportarzt, der Masseur, tung auf die Olympischen Spiele 1988 ein Höhen- das Kino, ein Restaurant, die Kunststoffbahn, die training hier, an den Wurzeln des kenianischen Sauna, kurz, alles, was man als Spitzensportler zu Laufwunders, durchführen. Es reizte mich unge- brauchen glaubt? mein. Gab es im ostafrikanischen Hochland Ge- Stattdessen gab es in 2.350 Meter Höhe dünne, heimnisse? Es sollte dort viele Wege geben, die aber saubere Luft, starken Wind, nichts als bergi- man gut laufen kann, aber alles bergig, und es ges Gelände, Hitze und kaum Verkehr auf unge- sollte sogar ein Stadion geben. teerten Staubstraßen. Weiterhin hatte ich ein Dach über dem Kopf, einen Herd, um zu kochen, sowie eine Schaumgummimatratze mit einer Willkommen in Afrika Decke als Schlafstätte. Und nun stand ich hier im Busch mit zwei Sport- taschen auf dem Gelände der St. Patricks High Abgehängt von Barfußläufern School in Iten. Ich hatte meine Zweifel, und die wurden durch einige Umstände nicht gerade ge- Beim ersten mittäglichen Erkundungslauf hatte mildert. Ich hatte immerhin den Vorzug, in einem ich zur Kontrolle einen Pulsmesser umgeschnallt, Steinhaus der Missionsschule leben zu können, denn bei dünner Höhenluft, unter äquatorialer denn in der Umgebung hausen die Menschen Hitze und Sonnenstrahlung überzieht man

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Die Wunderläufer Kenias

schnell. Mein Pulsmessgerät schlug bald Alarm, ten. Zerstreuung und Ablenkung gibt es nicht ich war auf 180! Es war klar: Ich musste morgens viel. Keinen Computer, keinen Fernseher, keine früher raus zum Laufen und abends vor der Däm- Spielothek, keine Diskothek, kein Kino. Der merung zum zweiten Mal trainieren, wenn ich Schulleiter Brother Colm O'Connel sagte uns ein- nicht so fertig wie ein Hähnchen vom Grill zurück- mal, dass es für seine Zöglinge zwei Möglichkei- kommen wollte wie an jenem ersten Tag. Ansons- ten gäbe, raus aus dem Dreck zu kommen: »Ent- ten half nur viel trinken, langsamer laufen und weder die haben was im Hirn, oder sie haben es Sonnencreme Lichtschutzfaktor 20. Das hügelige in den Beinen.« Er liebt seine Schüler und fördert Trainingsgelände war phantastisch, der Boden war beide Wege. Als guter Läufer bekommt man ent- fest, aber federnd. Ich bekam zu Beginn einen weder ein Stipendium in Amerika oder eine Stelle anständigen Muskelkater. »Das gibt Power!«, bei der Armee, Polizei oder Post. sagte ich mir. Der Sauerstoffanteil der Luft ist dort oben um 25 Prozent niedriger als zu Hause, und ich japste im sicheren Gefühl, fleißig rote Blutkörperchen zu produzieren. Die Bahn im selbst gebauten Stadion war eine Buckelpiste mit Grasstoppeln, die man bei uns wegen Verletzungsgefahr schließen würde. Hier hängte mich manch einheimischer Läufer hoff- nungslos ab. Wenn die alle rauskämen! Die Bur- schen zogen hier harte Programme durch, bar- fuß, mit Schuhen oder in Badesandalen. Ich sah nach dem Training manchmal blutige Füße. Eini- ge der Barfußläufer haben sogar ein Paar Schu- he, aber die schonen sie für die Wettkämpfe. So einfach leben also Weltklasseathleten.

Fast nur Pauken und Sport

Zum Erfolg gehört Disziplin. Die Jungs waren sehr fleißig, nicht nur im Training, sondern auch in der Schule. Sie büffelten bis 23 Uhr nachts hinter ihren Büchern im Klassenraum. Bei uns unvor- stellbar. Danach geht’s ins Bett. Wer Alkohol Kenianische Nachwuchsläufer der St. Patrick trinkt, fliegt von der Schule. Rauchen ist verbo- School in Iten beim Training.

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STEP1 Laufgeschichte

Essay

Barfuß zum Doppelweltmeister Sieg beim New York Marathon kehrte dort der Die irischen Brüder, die sich um die 15- bis 19-Jäh- Reichtum ein. Hussein fuhr mit dem zusätzlich ge- rigen verdient machen, sind mächtig stolz auf wonnenen Nobelauto in den Busch. Das war viel- deren sportlichen Erfolge. Gerne zeigen sie Vi- leicht ein Aufstand! Anschließend besaßen die deobänder, wo ihre Schüler der Weltklasse das Husseins etwa elfmal so viel Land und dazu ein Fürchten lehrten, oder geben Anekdoten von ih- schönes Steinhaus. Damals beschloss Stanley wie ren Jungs zum Besten. Nehmen wir Peter Chum- alle anderen Kinder, Läufer zu werden. Was kann ba: Als er 1986 bei der Junioren-Weltmeister- aus dem siebten Kind eines Bauern hier schon schaft vor dem Start das lästige Kontrollproze- werden? Der Acker ist nicht mehr teilbar, es gibt dere mit der Überprüfung der Trikotwerbung nichts zu erben, man wird keine reiche Frau heira- und den Schuhfirmen als Neuling mitmachte, ten, und es gibt keine soziale Hängematte. Da trug er in dem Fragebogen naiv unter Schuhmar- greift man nach dem Strohhalm, der vielleicht ke einfach »barefoot« ein. Während die Funktio- einzigen Chance im Leben, aus dem Busch her- näre rätselten, was für eine neue Schuhfirma das auszukommen, Karriere zu machen: Laufen. vielleicht sei, gewann Peter barfuß in Athen die 5.000 und 10.000 Meter vor der besohlten wei- Die Wurzeln des Erfolgs ßen Konkurrenz. Eines Abends kam Brother Colm O'Connel vor- bei. Wir unterhielten uns über die Gründe, war- Die Träume der Läufer in Kenia um die Schüler hier so erfolgreiche Läufer wer- Ich fragte die Jungs nach ihrer Motivation. Fast den, und wir kamen auf Folgendes: alle sagten mir, dass sie berühmt werden wollten, Ī körperlichen Anforderungen (z. B. Schulwege), aber fast im selben Atemzug auch, dass sie für die die Schüler bereits im Kindesalter trainieren die Familie Geld verdienen wollten, Geld, um Ī einfache, gesunde, vollwertige Bauernkost Land oder Vieh kaufen zu können. Matthew, ei- Ī von Natur aus schlanker Körperbau ner der schnellsten Läufer, träumte von ganz Ī kaum vorhandenen Möglichkeiten für andere großen Erfolgen, dem Olympiasieg wie sein Vor- Freizeitgestaltung bzw. Ablenkung bild Kipchoge Keino. Dieser weltberühmte Ī wenigen Alternativen, außerhalb des Sports Vorläufer Kenias war 1968 Olympiasieger über Karriere zu machen 1.500 Meter sowie 1972 über 3.000 Meter Hin- Ī Aussicht auf einen großen sozialen Aufstieg dernis und brachte es zu Ansehen und Reichtum. Ī soziale Verpflichtung gegenüber der Familie Er hat neben Teefarmen z.B. einen Sportladen in Ī Inspiration durch erfolgreiche Vorbilder, die Eldoret. zum »Nachmachen« animieren Der 17-jährige Stanley Bor kann von seinem Nach- Ī Training in der Gruppe statt Einzelkämpfertum barn Ibrahim Hussein berichten. Nach dessen Ī Unterstützung durch die Schulleitung

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Die Wunderläufer Kenias

Ī die Abhärtung durch die Höhenlage und das Kenia war für mich eine Grenzwanderung, eine anstrengende Trainingsgelände Herausforderung und brachte mich zum Grü- Ī das durch das Klima ermöglichte ganzjährige beln. Ich habe eben das Glück gehabt, in Training Deutschland geboren zu sein, und dessen sollte Ī die Weitergabe von Know-how durch frühe man sich nur öfter bewusst sein. Sauberes Trink- Laufstars wasser ist wichtiger als Fernsehen. Wir leben wie Ī Mut und Unbedarftheit im Rennen gegenüber die Maden im Speck, und die einfachen Nandis weißen »Weltstars«. machen aus so wenig so viel. Ganz simple Wege führen auch zum Erfolg, wenn Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber: nur der eiserne Wille da ist. Hightechtraining Ī die schlechte Ausrüstung kann zur Verwirrung und zur Unselbstständigkeit Ī die Gefahr von schweren Krankheiten wie Ma- des Athleten führen. Entrümpelung ist angesagt. laria, Typhus, Hepatitis Wer Besonderes erreichen will, muss von sich Ī die weitgehend fehlende sportmedizinische auch Besonderes fordern. Herbert, du musst här- Versorgung ter werden! Kämpfe mit ihren Waffen, trainiere Ī die knallharte Selektion, bei der viele Talente fleißig! Einfach, aber wahr. Das war mir eigentlich auf der Strecke bleiben nicht neu, aber mein Keniaaufenthalt half mir Ī die geringen finanziellen Möglichkeiten, die wieder, das Wesentliche zu sehen. z.B. verhindern, auf eigene Faust zu Wettkämp- fen auszureisen. Träume werden wahr Frauen haben hier in den Nandi Hills genauso viel Talent, sie kommen nur kaum ins Ausland. Ihr Vier Wochen später qualifizierte ich mich beim Schicksal ist auch gleichzeitig ein gesellschaftli- London Marathon in 2:11:54 Stunden für die ches Problem, denn ihre eigentliche Aufgabe ist Olympischen Spiele in Seoul. Immer wenn ich Kindergebären und Familie. Die ersten interna- mich später motivieren musste, dachte ich an tional erfolgreichen Kenianerinnen gelten als meine Kenianer zurück. Eine Weile hatte ich noch Vorbilder für ein Leben jenseits der traditionellen Briefkontakt und schickte gebrauchte Laufschu- weiblichen Rolle. he in die Nandi Hills. Einen traf ich Jahre später wieder: »Bist Du es, Matthew? Der Matthew aus Iten?« Und er erkannte mich und lächelte: »Du Aus wenig viel machen bist doch der Muzungu, der damals mit uns trai- Nach fünf Wochen Trainingslager und unge- nierte?« Matthew Birir, der damals in Iten von fähr 1.000 Kilometern ließ ich meine abgenutz- Olympia träumte, wurde 1992 in Barcelona über ten Schuhe und Trainingskleidung zurück und 3.000 Meter Hindernis Olympiasieger – wie sein verteilte sie unter den Jungs. Der Aufenthalt in Vorbild Kip Keino …

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STEP 2

Motivation

Ihre Gesundheit können Sie nicht delegie- ren. Sie sind Ihr Chef! Wer außer Ihnen selbst soll sich sonst darum kümmern? In die Kran- kenkasse einzuzahlen alleine reicht nicht. »Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!« So brachte es der Philosoph Arthur Schopenhauer auf den Punkt. 001_051_Laufbuch.qxd 18-09-2007 15:05 Pagina 20

STEP2 Motivation Warum Sie laufen sollten Viele beginnen mit dem Laufen erst, wenn sie die Endlichkeit ihrer Fitness er- lebt haben: Herzrasen und Übergewicht gepaart mit Lebenskrisen und beruf- licher Neuorientierung. Sollte das schon alles gewesen sein? Dabei waren wir doch früher so sportlich.

Etwas für Fitness und Zustand Ihres Herz-Kreislauf-Systems Gesundheit tun ab. Für die Gesundheit ist neben Kraft, Beweglichkeit und Koordination ins- Wer rastet, der Fitness – Gesundheit. Was bedeuten besondere die Ausdauerfitness aus- rostet! Biologische diese Begriffe eigentlich? sagekräftig. Fitnesstests würden ein Systeme erfordern Fitness kommt aus dem Englischen Defizit Ihrer körperlichen Verfassung im Gegensatz zu und bedeutet Tauglichkeit, Eignung, schnell aufdecken. technischen zu ihrer Fähigkeit. Es hat im allgemeinen Gesundheit ist viel mehr als nur die Erhaltung oder Sprachgebrauch irgendwie mit Ge- Abwesenheit von Krankheit. »Anima Verbesserung einen sundheit und Lebensstil zu tun: mit gu- sana in corpore sano«, »Ein gesunder entsprechenden ter Ernährung, körperlicher und geis- Geist ruht in einem gesunden Körper«, Trainingsreiz. tiger Mobilität, mit »in Form sein«, diesen ganzheitlichen Ansatz verfolg- Wohlbefinden, gutem Aussehen und te schon der römische Satiriker Juve- mit Schlankheit. Im engeren Sinne nal vor fast 2.000 Jahren. Der Moral- hängt aber Ihre Fitness von Ihrer sport- philosoph Jean-Jacques Rousseau for- lichen Leistungsfähigkeit und dem mulierte es im 18. Jahrhundert ähnlich: »Vor allem wegen der Seele ist es not- Info wendig, den Körper zu üben.« Und auch die World Health Organisation Allgemein verbinden wir Fitness mit (WHO) benutzt heute eine umfas- Ī Gesundheit Ī »guter« Ernährung sende Definition: »Gesundheit ist der Ī Wohlbefinden Ī körperlicher Aktivität Zustand des vollkommenen körper- Ī geistiger Mobilität Ī gutem Aussehen, »Schlankheit« lichen, geistigen und sozialen Wohl- befindens.« Gesundheit sollte, neben Im engeren Sinne hat Fitness zu tun mit wahrer Liebe, Freundschaft, Freiheit Ī sportlicher Leistungsfähigkeit und Sicherheit, in der persönlichen Ī Herz-Kreislauf-Fitness Prioritätenskala eigentlich ganz oben stehen. Was tun wir dafür?

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Ausdauersport für die Gesundheit

Gesundheitssport ist Skilanglauf. Wenn Sie etwas für Ihre Beim Schnellkraft- Gesundheit tun möchten, wählen Sie training stehen der Ausdauersport eine Ausdauersportart. Muskelquerschnitt Sport und Sport ist nicht dasselbe. Bei und eine saubere Schnellkraftsportarten wie Sprint, Ku- Technik im Vorder- Stärkt Herz und Lungen gelstoßen, Gewichtheben oder Hoch- grund. Die Fett- sprung werden explosiv für einige Beim Ausdauersport müssen Sie Ihr verbrennung spielt Sekunden Kräfte freigesetzt. Diese Körpergewicht nicht maximal, son- für die Kraftent- Sportarten trainieren den Körper ganz dern in einer viel sanfteren Intensität, faltung keine Rolle. anders (siehe Randspalte) als Aus- aber dafür über einen längeren Zeit- Auch der Sauerstoff- dauersportarten wie Laufen, Walking, raum als bei Schnellkraftsportarten transport ist in der Radfahren, Rudern, Schwimmen oder bewegen. Ausdauertraining optimiert kurzen Zeit nicht wichtig: Ist das sauerstoffreiche Das Beispiel Joschka Fischer Blut während eines Sprints von den Joschka Fischer wurde durch seine Metamorphose vom fülligen Lebemann Lungen über das zum Marathonfinisher zum Vor-Läufer der Nation. Mit 112 Kilogramm Leibes- Herz überhaupt bis fülle und Angst vor einem Herzinfarkt änderte er mit 48 Jahren sein Leben radi- in den Fuß gekom- kal. Der damalige Fraktionssprecher der Grünen stellte im Herbst 1996 seine men? Wohl kaum. Ernährung auf mediterran geprägte Vollwertkost um und begann zu joggen. Er hatte zunächst Vorbehalte gegenüber Laufen, das er für »sterbenslangweilig, nervtötend und ätzend« hielt. Er wusste aber, dass man pro Zeiteinheit mit Lau- fen Kalorien am schnellsten abbauen kann und dabei sein Herz stärkt. Er be- gann in Bonn mit einem 400-Meter-Lauf, nachts, im Dunklen, damit ihn keiner sah. Eine traumatische Premiere! Aber er hat weitergemacht! Als ich im Sommer 1997 sein Marathontraining übernahm, war er längst ein Lustläufer. Laufen bedeutete für ihn Stressbewältigung, Meditation und die »naturgemäßeste Droge«. Mit 50 Jahren und nur noch 74 Kilogramm Gewicht beendete er 1998 eineinhalb Jahre nach seinem Einstieg den Hamburg Mara- thon in 3:41 Stunden. Das ist noch im ersten Drittel des Teilnehmerfeldes. Da- nach finishte er auch noch als Außenminister mit drei- bis fünfmal Training in der Woche die Marathons in und Berlin jeweils unter vier Stunden. Viele nahmen sich ihn als Vorbild. Die Terroranschläge von New York 2001 ver- änderten sein Leben drastisch und verhinderten eine geplante Teilnahme am Marathon. Als ununterbrochen reisender Außenminister musste er sein Laufpensum erheblich zurückschrauben und nahm entsprechend deutlich zu. Fischer verfiel wieder in sein altes Kompensationsverhalten.

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STEP2 Motivation

Eine einfache, aber dabei viele verschiedene Systeme im Schont das Herz recht präzise Formel Körper, beispielsweise die Fettver- besagt, dass man brennung, das Atmungs- und das Sie wollen Ihr Herz schonen? Dann beim ruhigen Laufen Herz-Kreislauf-System zum Verteilen sollten Sie nicht ruhen, sondern laufen! oder flotten Walking der Nährstoffe und des Sauerstoffs Das Herz des Ausdauersportlers pro Kilometer unge- während des Sports. Und damit sind schlägt ökonomischer und vergrößert fähr so viele Kilo- wir mitten im Gesundheitstraining, sich durch natürliche Anpassung im kalorien verbrennt, denn nur durch Ausdauersportarten Training. Früher hatte man das fälsch- wie man in Kilo- optimieren sich Herz, Lunge, Gefäße lich mit einem krankhaft vergrößerten gramm schwer ist. und Blutwerte. Zum Muskel- und Kno- Herzen verglichen. Beim trainierten, chenaufbau ist Kraftsport dagegen leistungsfähigeren Herz sinkt der Ru- besser geeignet. Daher sollten Läufer hepuls ab, aber auch bei Alltagsver- neben Dehnungs- auch Kräftigungs- richtungen wie Sitzen, Stehen und Ge- übungen durchführen (siehe Step 11, hen ist der Puls deutlich niedriger. Das Seite 260ff.). Läuferherz schont sich eigentlich, es

Energieverbrauch bei Walking und Jogging im Vergleich

Näherungswerte in Kilokalorien pro Stunde in Abhängigkeit von Körpergewicht und Tempo (Zusammenstellung nach verschiedenen Autoren)

Tätigkeit Tempo (km/h) 50 kg 60 kg 70 kg 80 kg 90 kg 100 kg Liegen – 66 81 90 102 117 132 Sitzen – 84 102 120 132 150 168 Wandern mit Rucksack 5 300 360 420 474 540 600 Bergsteigen – 450 519 612 690 777 870 Gehen Spazierengehen 3 138 171 198 222 255 279 Walking 6 222 270 318 360 408 456 Nordic Walking* 6 350 425 501 565 641 716 Power Nordic Walking* 9 791 961 1.121 1.272 1.432 1.601 Powerwalking 9 504 612 714 810 912 1.020 Racewalking 12 770 880 990 1.100 1.210 1.320 Laufen Jogging 9 438 531 624 702 795 888 Dauerlauf 12 642 771 906 1.024 1.155 1.290 Tempodauerlauf 16 798 963 1.128 1.278 1.437 1.602 Wettkampftempo 20 960 1.158 1.356 1.536 1.731 1.932 * Bei kräftigem Einsatz der Arme

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Laufen für Körper, Geist, Seele

muss im Tagesverlauf trotz Lauftrai- Jogging ist bei Verschleiß und Be- nings weniger schlagen als das des schwerden am Bewegungsapparat in Normalbürgers. Machen wir ein realis- Absprache mit einem sporterfahrenen tisches Rechenbeispiel über einen Tag. Arzt besonders zu empfehlen. Und Bei einem Training von einer Stunde auch eine Knochenerweichung kann schlägt das Herz des Läufers vielleicht bereits im frühen Stadium aufgehalten Bei den beliebten 50 Schläge pro Minute höher als das werden. Sportarten Aerobic, des Untrainierten. Das sind 50 mal Squash, Tennis, Fuß- 60 Minuten, also 3.000 Schläge mehr. ball, Golf oder alpi- Aber in den restlichen 23 Stunden, so- Laufen für Körper, Geist nes Skifahren wer- wohl über Nacht als auch bei den an- und Seele den immer wieder deren normalen Tätigkeiten im Tages- auftretende Belas- verlauf, schlägt das Herz des Läufers Bestimmt hat Ihnen schon einmal tungsspitzen durch durchschnittlich 25 Schläge niedriger. irgendein Läufer erzählt, wie gut ihm Pausen unterbro- Das sind 25 mal 23 mal 60 Minuten, Laufen tut und was sich dadurch alles chen. Das kontinuier- also 34.500 Schläge weniger! In der in seinem Leben zum Positiven verän- liche Training auf Summe muss also das Herz des Nor- dert hätte. Für einen Nichtläufer zu- mittlerer Intensität malbürgers 31.500 Mal öfter am Tag nächst kaum zu glauben. Aber wenn fehlt dabei meist, schlagen und mehr Arbeit verrichten! Sie den richtigen Einstieg finden und der Gesundheits- kontinuierlich weiterlaufen, werden effekt und Kalorien- Sie bestimmt selbst bald zum Laufbot- verbrauch ist oft Bringt stabile Knochen schafter werden! erstaunlich gering. Durch Laufen formen Sie nicht nur Als Ausgleich zu den vielen in zentral- Für ein Training der schöne Beine, sondern aktivieren auch beheizten, vollklimatisierten Räumen Bewegungsgeschick- die Venenpumpe. Die arbeitenden verbrachten Stunden setzen Sie sich lichkeit und Koordi- Muskeln pumpen das venöse Blut wieder regelmäßig den Elementen nation hingegen sind aus den Beinen zum Herz zurück, was Wind, Regen, Schnee und Sonne aus. diese alternativen beim Rumsitzen sonst in den Beinen Sie kommen Ihrer eigenen Natur, dem Sportarten hervor- versacken würde. Mit Jogging beu- Urmenschen und dem Lauftier in Ihnen ragend geeignet gen Sie beispielsweise Thrombosen wieder näher. Sie haben Spaß beim und damit als Ergän- oder Besenreiser vor und mildern Be- Sport in der freien Natur, bringen Kör- zungstraining für schwerden bei Krampfadern. Ab dem per, Geist und Seele in die Balance. Ihr Läufer zu empfehlen. 35. Lebensjahr baut nicht nur die Mus- Körper wird Ihr Freund. Sie werden kulatur, sondern auch die Knochen ganzheitlich besser drauf sein, wieder unmerklich ab. Nichtstun fördert Osteo- in den Spiegel schauen können und porose und Arthrose. Frauen sind mit der Waage Frieden schließen. durch die nachlassende Hormonpro- Die im Folgenden (Seite 24/25) auf- duktion stärker gefährdet als Männer. gezählten positiven Auswirkungen des Moderate Bewegung wie Walking und Laufens beziehen sich weitgehendst

23 UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Herbert Steffny Das große Laufbuch Vom richtigen Einstieg bis zum Marathon

Paperback, Klappenbroschur, 368 Seiten, 17,2 x 23,5 cm ISBN: 978-3-517-06728-5

Südwest

Erscheinungstermin: Oktober 2004

In dem Buch fasst Herbert Steffny das ganze Wissen aus seiner langjährigen Wettkampf- und Trainingspraxis und Seminartätigkeit zusammen. Er informiert zur richtigen Laufausrüstung, zu allen Laufdisziplinen und zeigt Anfängern wie Könnern mit praxiserprobten Laufplänen, wie sie ihre Ziele Schritt für Schritt erreichen können. Natürlich gibt er auch Tipps zur richtigen Ernährung und die besten Adressen für Laufveranstaltungen.