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FUNDAMENTA HISTORICA 4 FUNDAMENTA HISTORICA Texte und Forschungen Herausgegeben von Georg G. Iggers (Buffalo, N.Y.) Peter Hanns Reill (Los Angeles) Jörn Rüsen (Bielefeld) Hans Schleier (Leipzig) Band 4 frommann-holzboog Martin Gierl Geschichte als präzisierte Wissenschaft Johann Christoph Gatterer und die Historiographie des 18. Jahrhunderts im ganzen Umfang Stuttgart-Bad Cannstatt 2012 Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-7728-2568-2 © frommann holzboog Verlag e.K. · Eckhart Holzboog Stuttgart-Bad Cannstatt 2012 Satz: Satzpunkt Ursula Ewert GmbH, Bayreuth Druck: Offizin Scheufele, Stuttgart Einband: Litges & Dopf, Heppenheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Inhaltsverzeichnis Vorwort . VII Einleitung: Johann Christoph Gatterer und die Historiographie des 18. Jahrhunderts im ganzen Umfang . 1 Teil I Historiographie als präzisierte Wissenschaft: Plan, Institut und Gatterer als solcher . 5 1. Sechs Gatterer und der heimliche siebte . 6 2. Gatterer, das Institut der historischen Wissenschaften, disziplinäre Grenzen und die Geschichtsschreibung als Naturwissenschaftskonkurrenz . 16 3. Plan und Evidenz: Geschichte als präzisierte Wissenschaft in der Theorie . 30 Teil II Präzisierung: Daten, Zeichen, Konstruktionen . 45 1. Die Präzisierung der Zeit: Die Chronologie . 45 2. Die Präzisierung des Raums: Mathematische und historische Geographie . 57 3. Die Präzisierung von Herrschaft: Heraldik, Genealogie, Numismatik, Diplomatik, Statistik . 82 – Heraldik . 86 – Genealogie . 101 – Numismatik . 113 – Diplomatik . 128 – Statistik . 160 Teil III Evidenz: Das Tableau der universalen Geschichte . 181 1. Das Alphabet der Natur und das Alphabet der Kultur: Carl von Linnés Botanik, Christian Wilhelm Büttners Ethno- Linguistik und der Linnaeismus graphicus Gatterers . 187 2. Die Evidenz der Zeit: Historische Tafeln und Chronometrie . 217 3. Die Evidenz des Raums: Geschichtskarten und die Visualisierung der Geschichte . 235 VI Inhalt 4. Die Evidenz der Natur: Gebirgsnetz, Flussgebiete, Klimatologie, Meteorologie . 249 Teil IV Universalgeschichte im ganzen Umfang . 279 1. Die Synopse der Geschichte: Länderkonfiguration, Völkerwanderung und die Gezeiten der Herrschaft . 283 2. Mittelalter: Die Konstruktion der mittleren Zeit . 314 3. Universalhistorische Kompendien im ganzen Umfang . 325 4. Universalgeschichte im Kontext . 348 – Gatterer, das Institut der historischen Wissenschaften und die zeitgenössische Universalgeschichte als kompilatorische Konstruktion . 349 – Die Göttinger Schule, Gatterer, Schlözer, Herder und das historische Institut . 365 Zusammenfassung . 387 Abbildungsverzeichnis . 405 Literaturverzeichnis . 409 – Abkürzungsverzeichnis . 409 – Quellenverzeichnis . 409 – Sekundärliteratur . 427 Personenregister . 453 Vorwort Das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin, der Münchner Sonderforschungsbereich 573 »Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit« und insbesondere die Gerda Henkel Stiftung, die auch den Druck beförderte, haben dieses Buch möglich gemacht. Es hat sich bei der Unterstüt- zung jeweils um mehr als nur Geld gehandelt. Gadi Algazi, William Clark, Lorraine Daston, Christophe Duhamelle, An- drea Griesebner, Wiard Hinrichs, Michaela Hohkamp, Clif Hubby, Manfred Jakubowski-Tiessen, Jeanne Peiffer, Peter Hanns Reill, Hans-Jörg Rheinber- ger, Thomas Robisheaux, Nicolaas Rupke, Anne Saada, Edith Saurer, David Sabean, Patrice Veit, Andre Wakefield, Françoise Waquet, Gerhard und Gudrun Wedel, Hermann Wellenreuther und nicht zuletzt den Mitarbeitern der SUB Göttingen seien für ihre Hilfe, Ideen und Kritik »im ganzen Umfan- ge« gedankt. Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern des frommann-holzboog Verlags, insbesondere Holger Epp und Margarete Trinks, dafür, dass sie geduldig und engagiert das Buch zu dem gemacht haben, was es geworden ist. Berlin 2010 Einleitung Johann Christoph Gatterer und die Historiographie des 18. Jahrhunderts im ganzen Umfang Johann Christoph Gatterer (1727–1799) hatte von 1759 bis zu seinem Tod die Professur für Geschichte in Göttingen inne. Nach heutigen Maßstäben war Gatterer amtstreu oder einfach verrückt. Er setzte alles daran, Geschichte »im ganzen Umfange« zu vertreten. Das hieß für ihn, die Traditionen der Historio- graphie seit Herodot weiterzuführen und dabei Geschichte zu einer Wissen- schaft zu machen, die mit der galoppierenden Naturerforschung wie mit den Kulturwissenschaften konkurrieren konnte, deren Slogans »Geschichte der Menschheit«, »Geschichte der Sprache«, »Geschichte der Völker« in aller Munde waren. Gatterer schrieb ein Fachkonzept zur Statistik, Lehrbücher zur Chronologie, Numismatik, Heraldik, Genealogie, Diplomatik, Geographie und Universalge- schichte. Seine Handbücher der Heraldik, Genealogie, Geographie und Univer- salgeschichte waren Standardwerke und im Unterricht noch im 19. Jahr- hundert im Gebrauch. Man billigt Gatterer zu, die Verwissenschaftlichung der Hilfswissenschaften auf den Weg gebracht zu haben. Gatterer hat Geschichte vermessen. Er versuchte, die Entwicklung aller Schriften nach botanischer Methode zu systematisieren, und entwickelte dafür einen »Linnaeismus graphicus«. Mit seiner Hilfe wollte er das Alter von Ur- kunden bestimmen. Gatterer betrieb meteorologische Messungen in Göttingen auf neuestem wissenschaftlichen Stand und glaubte von sich, die Gesetze des Wetters gefunden zu haben. Er wollte den Einfluss des Klimas auf die Zivilisa- tion und die Geschichte empirisch erfassen, statt nur spekulativ zu konstatie- ren. Gatterer hat die Daten und Fakten der Geschichte und Naturgeschichte in Karten und Diagramme gebracht. Die Kartenfolgen, die dabei herausgekom- men sind, besitzen eine hohe innere Konsistenz. Man sprach Gatterer zu, der erste gewesen zu sein, der einen naturhistorischen Atlas produzierte, aber auch den ersten kohärenten Mittelalteratlas geschaffen zu haben. Gatterers großfor- matige Staatendiagramme bringen die Existenzdaten hunderter Völker und Reiche in ein universales Entwicklungssystem weltgeschichtlicher Herrschaft. Gatterer organisierte Geschichte. 1764 gründete er das Institut der histori- schen Wissenschaften, das als Hybrid einer Akademie und eines Universitätsin- stituts Geschichtsausbildung und Geschichtsforschung verband und so Vor- 2 Einleitung läufer der Forschungsseminare geworden ist. Zwei moderne Fachzeitschriften, die Allgemeine historische Bibliothek und das Historische Journal, gingen aus dem Institut hervor. Das Institut war das erste wissenschaftliche Forschungs- institut des Fachs überhaupt. Alldem zufolge war Gatterer unglaublich leistungsfähig, vielfältig oder ein- fach genial. Im Blick auf sein zeitgenössisches Agieren war Gatterer selbstver- ständlich alles andere als verrückt oder verschroben, aber auch nicht genial, zumindest wenn man damit die Fähigkeit meint, individuell Neues zu schaffen. Gatterers großes Unternehmen und seine Leistung war, die zeitgenössischen wissenschaftlichen Herausforderungen und Ergebnisse systematisch in die Historiographie zu integrieren. Ich habe versucht, Gatterer mit meinem Buch dabei über die Schulter zu schauen. Mein methodisches Konzept ist einfach. Ich will wissen, was ›Geschichte im gan- zen Umfang‹ für Gatterer war und wie er sie betrieben hat. Die Historiographie- geschichte des 18. Jahrhunderts, die so entsteht – denn tatsächlich ist Gatterers Fachauffassung allgemeiner Konsens gewesen –, ist keine Geschichte von Teilas- pekten. Sie verfolgt nicht im langen diachronen Gang die Entwicklung einer ein- zelnen Teildisziplin oder einzelner geschichtstheoretischer Grundfragen. Der Fokus des Buchs ist ausgesprochen zeitgenössisch. Es beschreibt Chronologie, Geographie, Numismatik, Heraldik, Genealogie, Diplomatik, Statistik und Uni- versalhistorie Gatterers, die Traditionen, auf denen sie beruhten, die Konzeptio- nen, die er ihnen gegeben hat, und den Zusammenhang, den er zwischen den Disziplinen und Instrumenten der Historiographie erzeugte. Wie ist Gatterers Geschichtsschreibung und was ist Historiographie im 18. Jahrhundert gewesen, sind also die beiden Fragen, denen dieses Buch nach- geht. Denn Gatterer war nicht nur einer der bedeutendsten Historiker im Al- ten Reich, sondern derjenige, wie die Forschung betont, der die Historiogra- phie der Aufklärungszeit paradigmatisch verkörperte. Blanke und Fleischer haben ihre umfassende Theorieedition deutscher Aufklärungshistoriker Gatte- rer gewidmet. Ich schließe mich ihnen mit meinem Praxisbericht zur Aufklä- rungshistorie an. Der erste, einführende Teil des Buches beschreibt die Rezeption Gatterers, sein Institut und seine Hoffnungen, Geschichte zu rekonstruieren und dabei ihren Zusammenhang und ihre »Triebfedern« deutlich werden zu lassen. Der zweite Teil dokumentiert Gatterers Bemühungen, Geschichte zu präzi- sieren. Er erörtert Chronologie, Geographie, Numismatik, Heraldik, Genealo- gie, Statistik und Diplomatik: die historischen Hilfswissenschaften, die für Gatterer Wissenschaften im eigentlichen Sinn waren. Der dritte Teil beschreibt Gatterers Versuche, aus präzisierten Fakten histo- rische Systeme zu machen und sie zur Evidenz zu bringen. Dieser Teil erörtert Einleitung 3 Gatterers historiographische Instrumente und wie sie zusammengearbeitet ha- ben. Er bearbeitet Gatterers Linnaeismus graphicus,