Visionäre Bewegen Die Welt
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Visionäre bewegen die Welt VISIONÄRE BEWEGEN DIE WELT ein lesebuch durch das salzkammergut im Auftrag des Netzwerk Salzkammergut herausgegeben von Thomas Hellmuth Ewald Hiebl Günther Marchner Martin Scheutz VERLAG ANTON PUSTET Raiffeisenbank Steirisches Salzkammergut Bad Mitterndorf • Bad Aussee • Pichl/Kainisch • Tauplitz Raiffeisenbank Inneres Salzkammergut Bad Ischl • St. Wolfgang • Pfandl • Gosau • Bad Goisern Ferner danken wir für die freundliche Unterstützung: Herrn Univ.-Prof. Dr. Alexander von Gabain und dem Campus Vienna Biocenter, Herrn Dr. Peter Mitterbauer und Herrn Dr. Herbert Kohlmaier Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2005 Verlag Anton Pustet Salzburg – München A-5020 Salzburg, Bergstraße 12 Sämtliche Rechte vorbehalten. Gedruckt in Österreich. Satz: Sieglinde Leibetseder Druck: Salzburger Druckerei ISBN 3-7025-0502-4 inhalt Plädoyer für ein Paradies ………………………………………………… 8 Lutz Maurer Himmel und Hölle………………………………………………………… 12 Thomas Hellmuth, Ewald Hiebl, Günther Marchner und Martin Scheutz künstler und lebenskünstler Der Glanz der Provinz …………………………………………………… 16 Visionen von einer heilen Welt Thomas Hellmuth „We drove on to Alt-Aussee“……………………………………………… 26 Das legendäre „Hotel am See“ Andrea Penz Brochs Spuren im Ausseerland ………………………………………… 37 Barbara Frischmuth Ein Adabei der guten Taten ……………………………………………… 48 Eugenie Schwarzwald und ihre Loge am Grundlsee Robert Streibel „Der Platz wäre eines Wagners, Beethovens würdig“…………………… 57 Komponisten im Ausseerland Franz-Josef Neumayr Ein Disneyland für Pensionisten ………………………………………… 62 Interkulturelle Eindrücke eines Sommerfrischlers Alexander von Gabain jasager und neinsager Zwischen Brandhof und Paulskirche …………………………………… 70 Die politischen Visionen von Erzherzog Johann Elke Hammer-Luza Eine Dachkammer für den Kaiser ……………………………………… 82 Die Freiherren Johann und Leopold von Chlumeck´y Martin Pollner Die Tradition der Revolution …………………………………………… 93 Der Bauer Franz Muß und der Widerstand im Salzkammergut Michael Kurz Für die Republik Ausseerland …………………………………………… 105 Die NS-Widerstandskämpfer im Salzkammergut Susanne Rolinek Mythos Toplitzsee ………………………………………………………… 113 Auf der Suche nach dem verborgenen Schatz Markus Köberl Semper Fröhlich, nunquam traurig! …………………………………… 119 Der Ausseer Taschenspieler Joseph Fröhlich am Dresdner Hof Martin Scheutz gipfelstürmer und naturtalente Am Dach der Salzkammergut-Welt ……………………………………… 128 Die alpinen, wissenschaftlichen und künstlerischen Unternehmungen des Friedrich Simony Robert Reiter Wen die Götter lieben …………………………………………………… 136 Der Alpinist Paul Preuß Lutz Maurer Landwirtschaft aus dem Lehrbuch ……………………………………… 143 Paul Adler und sein Leben für den bäuerlichen Fortschritt Gerhard Longin Ohne Holz kein Salz ……………………………………………………… 150 Maximilian Edler von Wunderbaldinger, Wegbereiter der neuzeitlichen Forsteinrichtung Siegfried Ellmauer tüftler und schrittmacher Visionäre der Machbarkeit ……………………………………………… 162 Das Salzkammergut im Zeitalter von Fortschritt und Modernisierung Christian Dirninger „Ihr bewegt falsch …“ …………………………………………………… 172 Viktor Schauberger und die Entdeckung der Implosion Robert Reiter „Alles Aussee“ …………………………………………………………… 180 Lösungsideen für den Salztransport Gerhard A. Stadler Von Attnang-Puchheim bis Stainach-Irdning…………………………… 187 Josef Stern und die Elektrifizierung der Salzkammergutbahn Friedrich Idam Von der Unruh getrieben………………………………………………… 194 Der Uhrmacher Josef Haim Alfred Komarek ausblicke in der region und in die zukunft Denkhütten ……………………………………………………………… 200 Orte der Inspiration im Ausseerland Caroline Rodlauer „Ernste Menschen haben selten Ideen“ ………………………………… 208 Die etwas andere Vision einer regionalen Kulturinitiative Caroline Rodlauer und Markus Plasencia Zahlen-Visionen…………………………………………………………… 213 Demografische Entwicklung und Modernisierung des Salzkammergutes 1800–2100 Ewald Hiebl und Norbert Ortmayr Gemeinsam abheben……………………………………………………… 220 Die Macht von Visionen in beliebten und anderen Gegenden Günther Marchner „Also ich werd euch sagen: die Luft von Buenos Aires …“ …………… 229 Julian Schutting Die Autoren …………………………………………………………… 230 Bildnachweis ……………………………………………………………… 233 plädoyer für ein paradies „Man weiß, was ich unter einer schönen Gegend verstehe: Gießbäche, Felsen, Tannen, dunkle Wälder, Berg, auf und ab führende Pfade und Abgründe neben mir.“ Eine Hymne auf das Salzkammergut? Keineswegs. Der Schriftsteller, Aufklärer und Philosoph Jean-Jacques Rousseau pries 1761 in einem Roman, der ein neues Zeitalter der Empfindung, der Gefühle und damit auch des Verhältnisses zur Natur einleitete, mit diesen Worten seine Schweizer Heimat. Weni- ge Jahrzehnte später widersprach ihm ein Weitgereister: „Ich geste- he, dass ich in der Schweiz keine solchen Naturszenen kenne als diese hier. Sie sollten einmal eine Exkursion dorthin machen. Ich werde zu Fuß nach Ischl, Hallstatt und wenn die Witterung sich hält, bis Aussee in Steiermark gehen“, schrieb Alexander von Hum- boldt an Josef von Schot, den Leiter des botanischen Gartens der Universität Wien. Ob Schot Humboldts Aufforderung nachkam, ist nicht bekannt. Weitum bekannt wurden hingegen die Exkursionen eines anderen Wieners, Naturwissenschaftler wie Humboldt und auch gleichen Alters. Sechs Sommer lang bereiste und beschrieb Joseph August Schultes das Salzkammergut, jene paradiesische Landschaft, die sich heute über drei Bundesländer erstreckt. Als zehntes österreichisches Bundesland geistert es auch in den Köpfen mancher. Ein Land trotzig unzugänglicher, in ihren Träumen versponnener Menschen war das Salzkammergut schon immer gewesen. Zudem traditionelles sommerliches Refugium unzähliger Städter – Künstler und Schriftsteller vor allem –, die in der Abgeschiedenheit des Landes Kräfte sammelten, ihren Träu- men von einer besseren Welt nachhingen oder ihre Visionen von neuen Welten, wie etwa der eines Staates der Juden vorantrieben. 8 Verlorenes Paradies auch für viele, die sich in der Fremde nach der Heimat sehnten. Das Salzkammergut ist aber auch ein Land perfekt ver- markteter Träume und Illusionen und somit eine Operettenland- schaft. Im „Weißen Rössl“ am Wolfgangsee oder in Bad Ischl, dem inoffiziellen Museum des 19. Jahrhunderts, wurden schon lange vor Hollywood weltumspannende Träume fabriziert, konnte man zu- mindest bis 1938 – wenn nicht sogar länger – zusehen, „wie eine längst verschollene Welt sich selbst überlebte“. Hans Weigel schrieb dies, ein glühender Liebhaber dieses gottgesegneten Landstriches und somit ein später Nachfahre von Schultes. „Sie sind Erinnerun- gen an die glücklichsten Stunden meines Lebens“, hatte dieser vor 200 Jahren seine Salzkammergut-Reiseberichte genannt. Schultes’ zweibändiges Werk Reisen durch Oberösterreich in den Jahren 1794, 1795, 1802, 1803, 1804 und 1808 sollte für viele Jahre der Maßstab für alle späteren Reiseführer durch das Salzkam- mergut bleiben. Nicht zu Unrecht. Der Autor sammelte nicht nur zahllose botanische, geologische und meteorologische Daten, er beschrieb die Landschaft auch in ihrer Gesamtheit und prägte für sie die Bezeichnung „österreichische Schweiz“. „Wenn irgendein Ländchen in Deutschland nur den hundertsten Theil der hohen Schönheiten aufzuweisen hätte, mit welcher die Natur hier einen kleinen Winkel Landes von kaum 12 Quadratmeilen schmückte, es würde längst ebenso gepriesen seyn, als das Salzkammergut unbe- kannt ist“, begann sein Bericht. Vom Ausseerland folgte er dem Lauf der Traun über Hallstatt, Goisern und Lauffen bis Ischl, um dort zu Wolfgang-, Mond-, und Attersee abzuzweigen. Über das Mitterweißenbachtal führte der Weg zurück zur Traun, um mit einer Fahrt über den Traunfall unterhalb von Gmunden zu enden. Schultes’ Empfeh- lungen, wie etwa zu Fuß von Aussee nach Hallstatt zu wandern, oder den Traunsee, den schon die Römer „lacus felix“ (glücklichen See) genannt hatten, in einer Vollmondnacht vom Boot aus zu genießen – kein Tourismusexperte unserer Tage könnte sie besser schreiben. 9 Aber dem gelehrten Mann und Menschenfreund genügte es nicht, nur von der Landschaft zu schwärmen. Er untersuchte und analysierte die katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse jener Jahre, studierte mit den Augen des Mediziners Militärerhebungs- bögen und Totenbücher, suchte Kontakt zur Bevölkerung; nicht nur zu Beamten und geistlichen Herren, sondern vor allem zum einfa- chen Volk: zu Bergknappen und Salzarbeitern, Holzknechten und Sennerinnen, Schiffsleuten, Handwerkern und Keuschlern. Schultes beschrieb die Menschen besorgt – aus dem Blickwinkel des Arztes eben –, die sozialen und wirtschaftlichen Zustände kritisch. Dies miss- fiel der hohen Obrigkeit. Die Schriften des „Nestbeschmutzers“ durf- ten hierzulande nicht gedruckt werden. Erst in Tübingen fand sich ein Verleger. „Man würde meine Schriften als einen Hochverrath an den weisen Einsichten des Salzoberamtes bezeichnen, und dieses würde sie wohl gar als Staatsverrath erklärt haben“, klagte Schultes. Auch Jahrzehnte später war das Salzkammergut noch immer kein Hort der Aufklärung. Lag dies an der geografischen Beengtheit? An den politischen Zuständen? Fast ein Jahrtausend herrschten vier absolute Mächte mit in Seide gehüllter eiserner Faust über das Paradies: Kaiserhaus und Kirche, Forst und jene Institution, die nach dem Gold schürfte, das dem Kammergut den Namen gab: Salz. Aus einem Reisebericht 1829: „Der Wunsch der genügsamen