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DALE BROWN Feuerflug Feuerflug_Titel.qxd 18.07.2007 7:24 Uhr Seite 2

Buch

Der vom Dienst suspendierte Luftwaffengeneral Patrick McLanahan hat sich mit seinen Night Stalkers auf geheime Einsätze verlegt. Bei seinem neuesten Auftrag soll er Raketen zerstören, die der libysche Präsident Zuwayy – ein muslimischer Fundamentalist, der Gaddafi beseitigt hat und die ägyptischen Ölfelder erobern will – in Stellung gebracht hat. Zuwayy lässt den ägyptischen Präsidenten ermorden; die Witwe des Präsidenten, die ehemalige US-Militär- pilotin Susan Bailey Salaam, kommt nur knapp mit dem Leben davon. Patricks Team greift in dem allgemeinen Chaos an und zerstört die Raketenstellungen, aber dabei geraten viele seiner Mitstreiter, auch Patricks Frau Wendy, in liby- sche Gefangenschaft. Susan, die in Ägypten sehr populär ist, entschließt sich, als Präsidentin zu kandidieren, und betrachtet die Night Stalker als ihre Ge- heimwaffe gegen Zuwayys Aggression. Patrick, der eine Operationsbasis braucht, von der aus er Wendy befreien kann, erklärt sich bereit, Susan tat- kräftig zu unterstützen: Da wird die Besatzung eines ägyptischen Militärstütz- punkts bei einem Angriff mit einer Neutronenbombe getötet, und die welt- politische Lage droht völlig außer Kontrolle zu geraten…

Autor

Dale Brown wurde 1956 in Buffalo, , geboren und nahm bereits Flugstunden, bevor er seinen Führerschein machte. Er studierte an der Penn State University und schlug dann eine Laufbahn in der US Air Force ein. Seit 1986 widmet er sich in erster Linie dem Schreiben und wurde seither zu einem der erfolgreichsten amerikanischen Autoren. Mit seinen Romanen gelangt er regelmäßig auf die vordersten Plätze der New-York-Times-Bestsellerliste. Dale Brown lebt in , wo er sich oft mit seiner eigenen Maschine in die Luft erhebt.

Von Dale Brown außerdem lieferbar:

Nachtflug zur Hölle. Roman (35293), Lautlose Jagd. Roman (35477), Stählerne Jäger. Roman (35493), Der Schattenpilot. Roman (35991), Phantomjäger. Roman (36061), Lautlose Jagd. Roman (36184), Mann gegen Mann. Roman (36276), Vergeltungsschlag. Roman (36387), Feuerstoß. Roman (36492) Feuerflug_Titel.qxd 18.07.2007 7:24 Uhr Seite 3

Dale Brown Feuerflug

Roman

Ins Deutsche übertragen von Wulf Bergner Feuerflug_Titel.qxd 18.07.2007 7:24 Uhr Seite 4

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel »Wings of Fire« bei G. P. Putnam’s Sons/Penguin Putnam Inc., New York.

Umwelthinweis: Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches sind chlorfrei und umweltschonend.

1. Auflage Taschenbuchausgabe März 2007 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München. Copyright © by Target Direct Productions, Inc. 2002 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: Corbis/Reuters Redaktion: Rainer Michael Rahn V.B. · Herstellung: HN Satz: Uhl+Massopust, Aalen Druck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany ISBN 978-3-442-36631-6

www.blanvalet-verlag.de Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 5

Den Opfern der Terrorangriffe vom 11. September 2001 gewidmet.

Und den Männern und Frauen, die im Krieg gegen den Terror dem Ruf zu den Waffen gefolgt sind. Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 6 Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 7

Vorbemerkung des Verfassers

Dieses Buch ist ein Roman. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Perso- nen, Orten, Ereignissen oder Organisationen wäre rein zufällig.

Ihre Anmerkungen sind willkommen! Bitte besuchen Sie meine Webseite http://www.megafortress.com, um Ihre Kommentare zu hinterlassen und Informationen über zukünftige Arbeiten, Pro- jekte, Auftritte oder Ereignisse zu erhalten. Ich lese jeden Kom- mentar. Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 8 Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 9

Tatsächlich veröffentlichte Meldungen

Warten auf Kairo 13. Oktober 2000, STRATFOR Intelligence Update, www.stratfor.com

Innerhalb der arabischen Welt nehmen die Ägypter eine einzigar- tige Stellung ein, der sie es verdanken, in den Mittelpunkt der Er- eignisse gerückt zu sein. Obwohl Ägypten mit die größten arabi- schen Streitkräfte besitzt, ist es auch der größte arabische Staat, der weiter diplomatische Beziehungen zu Israel unterhält; selbst Marokko hat seinen diplomatischen Vertreter zur Berichterstat- tung abberufen… Arabische Staaten – selbst jene, die Friedensabkommen mit Is- rael unterzeichnet haben – stehen unter starkem Druck, sich zu- sammenzuschließen und gemeinsam gegen Israel vorzugehen…

US-Auslandshilfe fördert den Aufbau des modernen Ägyp- tens 26. Dezember 2000, The Washington Post

Ägypten, im vergangenen Vierteljahrhundert ein bevorzugter Partner der US-Außenpolitik, war in diesem Zeitraum der zweit- größte Empfänger amerikanischer Auslandshilfe. Mit bisher 52 Milliarden Dollar sind bei einem jährlichen Aufwand von zwei Milliarden Dollar Moscheen renoviert, neue Schulen gebaut, Fa- milienplanung gefördert und Hightechwaffen wie Jagdflugzeuge F-16 und Panzer M1-A1 geliefert worden…

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Konsequenzen einer neuen US-Verteidigungsstrategie 1. März 2001, STRATFOR Global Intelligence Update, www.stratfor.com

In Washington dürfte eine vom Pentagon intern vorgenommene Bestandsaufnahme der amerikanischen Verteidigungspolitik eine dramatische Verringerung der in Übersee stationierten US-Trup- pen empfehlen… Diese historische Umorientierung würde die Verwundbarkeit der US-Streitkräfte vermindern und den Ein- druck einer scheinbar imperialen militärischen Präsenz abmil- dern. Auf die Dauer dürfte diese Strategie Verbündete wie Gegner jedoch dazu zwingen, neue Regionalallianzen zu schmieden oder unabhängige, antagonistische Verteidigungsstrategien zu entwi- ckeln…

Libyen: Wachsender Einfluss in Zentralafrika 5. Juni 2001, STRATFOR

Nach einer Meldung der BBC sollen der Tschad und Libyen am 30. Mai in der zentralafrikanischen Republik mehrere hundert Solda- ten, Kampfhubschrauber und weiteres Militärgerät eingesetzt haben. …Der erfolglose Aufstand hat es dem libyschen Staatschef Mu- ammar Gaddhafi ermöglicht, libysche Truppen nach Zentralafrika und in die Nähe der südlichen Ölfelder des Tschad zu entsenden…

USAF verwandelt 747 in Plattform für riesigen Laser 22. Juli 2001, The Washington Post

Die US-Luftwaffe beabsichtigt, innerhalb von zwei Jahren einen riesigen Laser an Bord einer umgebauten 747 zu installieren, mit dem eine Rakete vom Scud-Typ abgeschossen werden kann. Die- ser Test soll beweisen, dass es möglich ist, eine feindliche Lenk- waffe in der »Antriebsphase« kurz nach dem Start zu zerstören.

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Drei Studien konzentrieren sich auf Verringerung von Aus- landseinsätzen 25. Juli 2001, The Washington Times

Verteidigungsminister Rumsfeld hat das Pentagon mit drei Unter- suchungen über Auslandseinsätze von US-Truppen beauftragt,die aufzeigen sollen, wie Auslandseinsätze, die in der Ära Clinton stark zugenommen haben, sich am besten reduzieren lassen. Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 12 Feuerflug_TB.qxd 18.07.2007 7:25 Uhr Seite 13

PROLOG

Über der Libyschen Wüste

»Das muss die verrückteste Idee in der Geschichte der Luftfahrt sein«, murmelte John »Bud« Franken, ein pensionierter Fregat- tenkapitän der U.S. Navy. »Also los, bringen wir die Sache hinter uns.« Patrick McLanahan, pensionierter Brigadegeneral der U.S. Air Force, grinste und ließ seine Sauerstoffmaske in die Helmhalte- rung einrasten. »Das ist die richtige Einstellung, AC«, sagte er. »Das Ganze wirkt nur verrückt, weil es noch niemand ausprobiert hat.« »Yeah, natürlich. Also halt dich dort drüben ran, damit wir heimfliegen können.« »Gleich geht’s los«, sagte Patrick. Er drückte auf einen kleinen Stift an seinem Computer-Trackball und befahl: »ECM-Gerät aus- bringen.« Der Computer bestätigte diesen Befehl, und der Angriff begann. Weit hinter ihnen, in einem Gehäuse zwischen dem V-Leitwerk ihres Flugzeugs, löste sich ein kleiner länglicher Zylinder aus seiner Halterung und flog dann, von einem dünnen, mit Kohlefa- sern verstärkten Glasfaserkabel gezogen, hinter der AL-52 her. Dieses winzige Objekt war ein ECM-Gerät des Typs ALE-50. Mit nur neunzig Zentimetern Länge und fünfzehn Zentimetern Durch- messer war es für die libyschen Radarstellungen, die im Augen- blick unter ihnen lagen, nicht zu orten. Das Flugzeug war ein modifizierter Bomber B-52 Stratofor- tress – keine Maschine der U.S. Air Force, sondern ein Versuchs- flugzeug, das Patricks Firma, Sky Masters Inc., umgebaut und

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AL-52 Dragon genannt hatte. Das Kampfflugzeug, in dem er saß, war seiner Zeit so weit voraus, dass es selbst Patrick, der seit Jah- ren innerhalb und außerhalb der Air Force an seiner Entwicklung beteiligt gewesen war,noch immer verblüffte.Worin er tatsächlich saß, stellte er mit fast ehrfürchtiger Freude fest, war… die Zu- kunft. »Star Wars« war kein Wunschtraum aus der Ära Reagan oder der Name einer immens erfolgreichen Sciencefiction-Film- reihe mehr – er war Wirklichkeit geworden. In der AL-52 Dragon vereinigten sich modernste Lasertechnik, Hochleistungscomputer, Miniaturisierung, Stealth-Technologie und Systemintegration zum ersten wirklichen Waffensystem des 21. Jahrhunderts, das Technologien nutzte, die bisher noch nie in Flugzeugen eingesetzt worden waren. Das Flugzeug selbst basierte auf der EB-52 Megafortress, einem Umbau der B-52H Stratofortress mit einer Rumpfbeplankung aus Faserstahl, die ihm Stealth-Eigenschaften verlieh, vier leistungs- fähigen Strahltriebwerken als Ersatz für die ursprünglich acht Triebwerke, einem V-Leitwerk an Stelle des herkömmlichen Leit- werks und modernsten Selbstschutzmitteln, zu denen Radar- und Infrarot-Störsender, nachgeschleppte ECM-Geräte, Köder und Luftminen des Typs Stinger gehörten. Die ursprünglich sechsköp- fige Besatzung war durch so viele Hochleistungscomputer und KI- Systeme ersetzt worden, dass jetzt nur zwei Personen, ein Aircraft Commander (AC) und ein Mission Commander (MC), an Bord zu sein brauchten – und im äußersten Notfall konnte jeder von ihnen die Maschine allein nach Hause bringen. Die Megafortress war als fliegendes Schlachtschiff mit Stealth- Eigenschaften ausgelegt, das zu massiv verteidigten Zielen tief im feindlichen Hinterland vorstoßen und sämtliche Flugzeugwaffen im amerikanischen Arsenal – dazu einige, die speziell für sie ent- wickelt worden waren – mit größter Präzision einsetzen konnte. Die Dragon-Variante hatte die konventionelle Kampfkraft der Megafortress beibehalten; sie konnte an Aufhängepunkten unter den Tragflächen bis zu fünfeinhalb Tonnen Waffen tragen, da- runter Marschflugkörper, Jagdraketen und sogar Lenkwaffen zur Bekämpfung von Raketen und Satelliten. Patrick kannte die ge-

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waltige Kampfkraft der EB-52 Megafortress sehr genau, denn er hatte über fünfzehn Jahre an ihrer Entwicklung mitgearbeitet. Sky Masters Inc. betrieb weiter mehrere Versionen der EB-52 für Er- probungs- und Forschungszwecke, weil die Firma noch immer hoffte, die Air Force werde eines Tages ihre rund hundert flugfä- hig eingemotteten Bomber B-52H Stratofortress reaktivieren und bei ihr zu EB-52 Megafortress oder AL-52 Dragon umbauen las- sen. »Jetzt geht’s los, Bud«, sagte Patrick. Dem Computer befahl er: »ECM-Gerät aktivieren.« Das nachgeschleppte Gerät, das norma- lerweise im Radar unsichtbar war, wuchs augenblicklich zum elektromagnetischen Äquivalent einer Boeing 747 an. Diese Maßnahme hatte den gewünschten und erwarteten Er- folg: Alle libyschen Luftverteidigungsradare, die noch vor Sekun- den lediglich den Himmel abgesucht hatten, erfassten sofort den nachgeschleppten Köder. Statt friedlicher Such- und Flugver- kehrsradare hatte Patrick auf seinem Radarwarner plötzlich Dut- zende von Zielsuchradaren: Fla-Lenkwaffenstellungen, Fla-Batte- rien und Abfangjäger. »Warnung, SA-10 im Erfassungsmodus, zehn Uhr, zwanzig Meilen«, meldete der Computer. »Warnung, SA-9 im Erfassungsmodus, zwo Uhr, zehn Meilen…« Die War- nungen gingen weiter, bis es dann plötzlich hieß: »Warnung, Lenkwaffenstart, SA-10, zehn Uhr, neunzehn Meilen… War- nung, Lenkwaffenstart, SA-10, zehn Uhr, neunzehn Meilen…« Die SA-10 wurden immer paarweise gestartet. »Abwehrmaßnah- men nicht aktiviert.« »Dragon einsetzen«, befahl Patrick. Er musste Stimme und At- mung bewusst unter Kontrolle halten. Nach all den Luftangriffen, die er in seinem Leben geflogen hatte, war dies das erste Mal, dass er gegen eine auftauchende Gefahr nichts unternahm. Klappte nicht alles wie geplant, waren sie in fünfzehn Sekunden tot. »Vorsicht, aktiviere Dragon… Vorsicht, Dragon wird einge- setzt«, antwortete der Computer. Patrick verfolgte fasziniert, wie das modernste und leistungsfähigste Computersystem, das jemals an Bord eines Flugzeugs installiert worden war, automatisch den Angriff verfolgte und die Flugzeugbewaffnung aktivierte.

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Das Laserradar (LADAR) der AL-52 Dragon, das dreißigmal pro Sekunde nach allen Richtungen hunderttausende von Kubikkilo- metern elektronisch absuchte, verfolgte die Fla-Lenkwaffe SA-10 aus russischer Produktion mit millimetergenauer Präzision. Zu- gleich stellte das LADAR augenblicklich die Abmessungen der Lenkwaffe fest und bestimmte, wo ihr Triebwerk saß. Dann be- gannen Zielsuchcomputer, Geschwindigkeit, Höhe und Kurs der Lenkwaffe zu errechnen; sie konnten sogar ihren voraussicht- lichen Einschlagpunkt voraussagen und diese Daten an eigene Flugzeuge in Reichweite übermitteln. Im selben Augenblick erwachte der feuerspeiende Drache selbst zum Leben. Turbopumpen im Rumpf der AL-52 Dragon begannen,Wasser- stoffperoxid und Kaliumhydroxid in eine Reaktionskammer zu pressen. Dann wurden Chlorgas und Helium aus Lagertanks im Frachtraum des modifizierten Bombers B-52 unter Druck in die Kammer gesprüht und bildeten eine als Singlet-Delta-Sauerstoff bezeichnete energiereiche Substanz. In einer weiteren Reaktions- kammer wurden Jod und Helium in diese Substanz eingebracht, was die hoch energiereichen Protonen aus dem Gas freisetzte und Laserlicht erzeugte. Gleichzeitig erfasste das Laserradar der AL-52 die durch die Atmosphäre aufsteigende Rakete und begann sofort, Angaben über Geschwindigkeit, Höhe, Richtung, Beschleunigung und Flug- weg des Objekts an die Zielcomputer zu liefern. Die Computer lei- teten die Daten an den kardanisch aufgehängten Geschützturm im Bug der AL-52 weiter, der jetzt aus dem Bug ausgefahren wurde und automatisch schwenkte, bis das Teleskop und der Spiegel des Lasers auf die Rakete zielten. Die Piloten spürten ein leichtes Rumpeln unter ihren Füßen, als der fast fünf Meter hohe Turm auf das Ziel ausgerichtet wurde, aber ansonsten wurden die Flug- eigenschaften des schweren Bombers nicht beeinträchtigt. Nachdem alle diese Informationen empfangen, verarbeitet, analysiert und weitergeleitet waren – acht Sekunden nach der Er- fassung des Ziels –, meldete die Computerstimme in Patricks Kopfhörer: »LASER BEREIT.«

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»Verstanden. COIL im Angriffsmodus… jetzt.« Der Angriff lief vollautomatisch ab – nirgends im Cockpit gab es einen großen roten Feuerknopf. Das LADAR-System ermittelte augenblicklich die exakte Länge der Fla-Lenkwaffe SA-10 und richtete den Laser auf den Triebwerksbereich, wo die höchsten Drücke auftraten. Das Laserradar lieferte dem verformbaren Spie- gel des Laserteleskops auch einen atmosphärischen Korrekturfak- tor, der den Temperaturgradienten zwischen der Dragon und dem Ziel ausglich. Dann trat der riesige große COIL (Chlor-Oxygen- Iod-Laser) in Aktion. Aus dem Bug der AL-52 schoss ein hoch- energetischer Laserstrahl mit eineinviertel Meter Durchmesser und wurde von dem verformbaren Spiegel auf einen kreisrunden Fleck mit dreißig Zentimeter Durchmesser am Triebswerksbereich der anfliegenden SA-10 konzentriert. Für die Cockpitbesatzung war dieser Strahl völlig unsichtbar; sie sah, dass der Spiegelturm sich etwas bewegte, um dem Ziel zu folgen, aber das war bereits alles. Patrick holte sich das Teleskopbild auf das große Supercockpit- Farbdisplay vor dem rechten Sitz. Nun schaute er praktisch am La- serstrahl entlang und bekam eine optische Darstellung dessen, was der COIL-Angriffscomputer sah. Die Lenkwaffe SA-10 war deut- lich sichtbar; sie wurde von dem Laserradar verfolgt und beleuch- tet, und der verformbare Spiegel fokussierte sie messerscharf. Das Fadenkreuz auf dem Monitor lag genau über dem hinteren Drit- tel der Lenkwaffe – in der Mitte ihres Raketentriebwerks. Als Patrick die Zoomfunktion betätigte, konnte er sogar Markierun- gen an der Flanke der SA-10 erkennen. Als die Lenkwaffe höher und höher stieg, nahmen auch die thermodynamischen Drücke zu, denen sie ausgesetzt war: Druck als Ergebnis der Triebwerksleistung, Druck durch Luftwiderstand, Druck durch Schwerkraft, Druck durch Beschleunigung und Druck aufgrund der Betätigung von Rudern und Kreiseln durch das Flug- führungssystem. Schließlich brannte die Hitze des Laserstrahls sich so weit durch die Beplankung des Triebwerks, dass sie den ge- waltigen Innen- und Außendrücken nicht länger gewachsen war. Die SA-10 platzte wie eine verfaulte Banane auf und explodierte.

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»Lenkwaffe zerstört!«, rief Patrick. »Es klappt!« Der Angriffscomputer nahm sofort einen Zielwechsel auf die zweite Fla-Lenkwaffe vor, die nur wenige Sekunden nach der ers- ten gestartet war,und das Ergebnis war ebenso spektakulär.»Lenk- waffe zwo zerstört! Nachgeschleppter Köder im Stand-by-Be- trieb… Laser wieder einsatzbereit, keine weiteren Ziele vorhanden. Verdammt, das war eindrucksvoll!« Als Sky Masters Inc. einen realistischen Test für sein Lasersys- tem als Flugzeugbewaffnung gebraucht hatte, war Patrick McLa- nahan als Projektleiter auf die Idee gekommen, wie das System sich am einfachsten und schnellsten testen ließ – indem man einen Staat überflog, der gern ohne Warnung mit Fla-Lenkwaffen schoss, und es so im Einsatz erprobte. Libyen war der ideale Kandidat da- für. Libyen besaß die beste militärische Hardware, die man für Öl- gelder kaufen konnte, und war dafür berüchtigt, ohne Warnung auf Flugzeuge zu schießen, die versehentlich in den libyschen Luft- raum eindrangen. Außerdem bestand Libyen südlich von Tripolis hauptsächlich aus Wüste, sodass wenig Gefahr bestand, dass je- mand durch abstürzende Lenkwaffentrümmer zu Schaden kam – oder durch die Trümmer der AL-52 Dragon, falls die praktische Er- probung fehlschlug. »Genügt das, Boss?«, fragte Franken. »Mir reicht’s jedenfalls.« »Ich will hier nicht länger rumhängen als unbedingt notwen- dig, Bud«, sagte Patrick. »Aber ich möchte den Laser noch etwas eingehender erproben.« In diesem Augenblick erschien auf ihrem Radarwarner, einem der Multifunktionsbildschirme in der Mittel- konsole zwischen ihnen, eine neue Gefahrenwarnung. »Eben hat uns ein Jägerradar kurz erfaßt«, sagte Patrick. «Ich denke, es wird Zeit, wieder heimzufliegen.« »Einverstanden«, sagte Franken. Er leitete eine langsame weite Kurve nach Norden ein, wobei er berücksichtigte, dass sie noch den Köder hinter sich herschleppten; beim Einkurven konnte die Ma- schine sich in dem Kabel verheddern. »Sieh zu, dass du uns diese Kerle vom Hals hältst.« »Schalte LADAR ein«, sagte Patrick. Er aktivierte das Laserra- dar nur wenige Sekunden lang, aber mit seiner gewaltigen Leis-

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tung und hohen Auflösung zeichnete es ein erstaunlich detaillier- tes Bild aller Luftziele in hundert Meilen Umkreis. »Wir haben’s mit einer Rotte von zwei MiG-29 aus Tripolis zu tun«, sagte Patrick. »Beim Übergang in den Horizontalflug hast du sie bei halb zehn Uhr, einundsechzig Meilen, hoch. Mit Kurs null-eins-null hast du sie bei neun Uhr.« Das Impulsdopplerradar der MiG-29, ebenfalls aus russischer Produktion, konnte keine Ziele entdecken, deren Annäherungsgeschwindigkeit ungefähr der Eigenge- schwindigkeit des Jägers entsprach. Die Sache sah nicht gut aus, das merkte Patrick sofort. »War- nung«, sagte die Frauenstimme des Radarwarners, »MiG-29 bei neun Uhr, fünfzig Meilen, Flugfläche drei-drei-null, Erfassungs- modus. Warnung, Störsender in Stand-by-Betrieb.« »Dieser Kerl hat entweder verdammt Glück oder er ist sehr gut«, sagte Patrick. »Der Rottenführer kommt genau auf uns zu. Irgendwas stimmt hier nicht.« Er drückte auf den Stift für ge- sprochene Befehle: »Systemstatus.« »Alle überwachten Systeme funktionieren normal«, meldete der Computer nach kurzer Pause. Dann: »Warnung, MiG-29 bei neun Uhr, vierzig Meilen, Zielverfolgungsmodus.« »Scheiße«, murmelte Patrick. »Schalte Störsender ein.« Aber dann entdeckte er das Problem: »Das ECM-System hat sich nach einer Fehlermeldung völlig abgeschaltet.« Er fuhr es erneut hoch. »Warnung, nachgeschlepptes Gerät nicht in kontrollierter Fluglage«, meldete der Computer. »Jetzt weiß ich, was passiert ist«, sagte Patrick. »Als wir abge- dreht haben, muss der Köder in Schwingung geraten sein und das System stillgelegt haben. Er rotiert hinter uns wie ein riesiges Windrad. Ich werfe ihn lieber ab.« Aber das funktionierte nicht. »Das Kabel lässt sich nicht kappen. Das Gerät reagiert überhaupt nicht mehr.Ich muss einen Neustart des ECM-Systems versuchen. Schalte LADAR ein. Es ist vorläufig unser einziges Warnsystem.« »Warnung, MiG-29 bei sieben Uhr, dreißig Meilen…« Aber im nächsten Augenblick hörten sie: »Warnung, Lenkwaffenstart mit Radar entdeckt, neun Uhr, sechsundzwanzig Meilen. Flugzeit fünf- zig Sekunden.«

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»Links wegkurven!«, rief Patrick. Franken schob die Leistungs- hebel bis zum Anschlag nach vorn und drückte das Seitengriff- steuer voll nach links, sodass die AL-52 mit neunzig Grad Schräg- lage auf der Tragfläche stehend eine enge Linkskurve flog – sie mussten riskieren, in ihr eigenes Kabel zu geraten, um zu versu- chen, der anfliegenden radargesteuerten Jagdrakete auszuwei- chen. Bei voller Schräglage zog Franken den Steuergriff leicht zu- rück, damit die Kurve noch enger wurde und sie dem Radar der MiG-29 den kleinstmöglichen Radarquerschnitt zeigten. Er hörte zu ziehen auf, als der Computer eine Überziehwarnung aussprach, und drückte den kleinen Steuerknüppel wieder nach vorn. Unter- dessen betätigte Patrick in verzweifelter Hast sämtliche Schalter für Abwehrmittel. »Das ECM-System ist mausetot – Düppel, Leuchtkörper, Störsender, alles.« Ein Blick aus dem Seitenfenster des Cockpits zeigte ihnen ein Schreckensbild. Sie konnten deutlich eine Feuerspur sehen, die sich durch den Himmel zog – die mit Radar gesteuerte libysche Jagdrakete, die genau auf sie zuraste. Sie hatten keine Zeit mehr wegzukurven, keine Zeit mehr, etwas anderes zu versuchen, nicht mal mehr Zeit, etwas zu sagen… Die Lenkwaffe kam genau auf sie zu… und flog dann knapp hinter ihnen vorbei, traf den kreiselnden Köder und verfehlte die AL-52 um weniger als hundert Meter. Den beiden Männern im Cockpit war es vorgekommen, als ziele die Jagdrakete mitten auf ihre Stirn. »Verbindung… Verbindung zum Köder abgerissen«, sagte Patrick nach Atem ringend. Er hatte wirklich geglaubt, diesmal sei es aus mit ihm. »Die Rakete hat ihn voll getroffen.« »Auch eine Methode, um das verdammte Ding loszuwerden«, sagte Franken. Patrick stellte sein MFD auf die taktische Ansicht um. »Diese Kerle kriegen keine zweite Chance, uns abzuschießen«, sagte er. »Willst du versuchen, eine Lenkwaffe nach der anderen zu tref- fen?« »Ich lasse es gar nicht erst dazu kommen«, sagte Patrick. Dem Angriffscomputer befahl er: »Dragon einsetzen.«

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»Keine TBL-Ziele«, antwortete der Computer. Patrick berührte das MiG-29-Symbol auf dem Supercockpit- Display und sagte: »Ziel angreifen.« »Ziel außerhalb Reichweite von Stinger-Luftminen«, meldete der Computer. Die AL-52 verfügte über die eingebaute Abwehr- bewaffnung der EB-52 Megafortress, zu der Luftminen des Typs Stinger gehörten – aus dem Heck der Maschine abgeschossene kleine Lenkwaffen, die vor feindlichen Jägern, die den Bomber von hinten angriffen, Schrapnellwolken erzeugten. Aber die Luftmi- nen waren nur gegen Ziele im Umkreis von zwei Meilen hinter der AL-52 wirksam. »Flugziel als TBL-Ziel auffassen«, befahl Patrick. »Dragon ein- setzen.« »Bitte warten«, sagte der Computer.Dies war noch nie versucht worden: ein Flugzeug mit einem bordgestützten Laser abzuschie- ßen. Patrick wusste nicht einmal, ob der Angriffscomputer so pro- grammiert war, dass er ihren Laser gegen ein Ziel, das keine TBL (taktische ballistische Lenkwaffe) war, einsetzen konnte. Aber im nächsten Augenblick bekam er die Antwort. Auf dem Display er- schien plötzlich das Bild der südlichen MiG-29. Das Laserradar hatte das hintere Drittel des Flugzeugrumpfs erfasst, als sei die Maschine eine anfliegende Fla-Lenkwaffe. »Vorsicht, Eigenge- schwindigkeit des Ziels nicht im vorgegebenen Bereich.« Patrick erinnerte sich daran, dass der Laser-Angriffscomputer darauf programmiert war,nur Hochgeschwindigkeitsziele wie bal- listische Lenkwaffen zu erfassen – und diese MiG-29 flog viel langsamer als eine Rakete. »Geschwindigkeit ignorieren.« Nun folgte eine längere Pause, in der er nervös wartete, bis der Computer meldete: »Vorsicht, Geschwindigkeitsparameter außer Kraft gesetzt. Laser bereit.« Patrick betätigte die Zoomfunktion, bis er direkt ins Cockpit der libyschen MiG-29 sah; dann benützte er seinen Trackball, um das Fadenkreuz auf die linke Seite des Jägers zu verschieben. Er legte es über den Gefechtskopf der größten Jagdrakete, die er dort sah, weil er sich daran erinnerte, dass MiG-29-Piloten im Allgemeinen zuerst die Lenkwaffen unter der rechten Tragfläche einsetzten.Die

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riesige R-27 mit Radarsteuerung am dritten Aufhängepunkt war deutlich zu erkennen. »Ziel erfassen und mit Laser angreifen«, be- fahl er. »Warnung, Laserangriff«, sagte der Computer. Die Program- mierung der Megafortress zur Abwehr angreifender Jäger hatte die Programmierung der Dragon zur Abwehr anfliegender Lenk- waffen erfolgreich ersetzt und behandelte den COIL jetzt wie eine Abwurflenkwaffe. »Laser schießt.« Das Ergebnis war spektakulär. In weniger als drei Sekunden nach der letzten Ankündigung detonierte die R-27 unter der Trag- fläche des libyschen Jägers mit einem blendend hellen Lichtblitz. Dabei wurde die gesamte rechte Tragfläche der führenden MiG-29 abgerissen. Patrick vergrößerte die Darstellung auf seinem MFD gerade noch rechtzeitig, um beobachten zu können, wie der liby- sche Pilot mit dem Schleudersitz aus seiner brennenden Maschine ausstieg. Das Laserradar zeigte ihm, dass die zweite MiG-29 im selben Augenblick steil nach Norden wegkurvte. »Abschuss!«, krähte Patrick. Er beeilte sich, die zweite MiG-29 zu erfassen.Auf seinem Supercockpit-Display sah er das Zielkreuz etwas oberhalb der Rumpfmitte des zweiten Jägers liegen. »Ziel mit Laser angreifen«, befahl er. »Warnung, Laserangriff«, meldete der Computer. Der zweite Schuss dauerte einige Sekunden länger, aber Patrick konnte schon bald sehen, wie Rauch aus dem Rumpf der MiG-29 drang. Und dann schien die Maschine plötzlich von innen heraus in Flammen zu stehen, während lange Feuerzungen aus den Rumpftanks über dem ersten Triebwerk leckten. Die libysche MiG-29, deren linkes Triebwerk hell brannte, geriet ins Flachtrudeln, bevor ihr Pilot ausstieg. »Wow, das war echt cool!«, rief Franken aus. »Ein Laser, der ge- nug Leistung hat, um eine MiG-29 abzuschießen. Wirklich cool.« »Jetzt noch ein abschließender Test«, sagte Patrick. Er erteilte dem Angriffscomputer rasch weitere Befehle. Der Computer hatte die Koordinaten des Startorts der von ihnen abgeschossenen Fla- Lenkwaffe gespeichert, die er aus den Bahndaten der SA-10 er- rechnet hatte. Patrick richtete das Laserteleskop auf diesen Punkt

22 UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Dale Brown Feuerflug Roman

Taschenbuch, Broschur, 544 Seiten, 11,5 x 18,3 cm ISBN: 978-3-442-36631-6

Blanvalet

Erscheinungstermin: Februar 2007

Nach der Ermordung des ägyptischen Präsidenten im Auftrag des neuen libyschen Herrschers eskaliert die Situation im nördlichen Afrika. Auf Bitten der Witwe, der Ex-US-Militärpilotin Susan Bailey Salaam, greifen Luftwaffengeneral Patrick McLanahan und seine mit den neuesten High-Tech-Waffen ausgerüsteten Night Stalkers in das sich ausbreitende Chaos ein. Dabei geraten jedoch viele seiner Mitstreiter und seine Frau Wendy in libysche Gefangenschaft. Susan allerdings lässt sich nicht aufhalten. Sie plant einen riskanten Rachefeldzug …

Hochgradig glaubwürdig durch viele authentische Details!