Helge Meyer Schmerz als Bild Für Dieter Warzecha (1934-2005) Ohne ihn wäre diese Arbeit nie entstanden

Helge Meyer (Dr. phil.) ist Lehrbeauftragter im Institut Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim, Kunst- lehrer am Gymnasium und arbeitet international als Performance- künstler. Zuletzt veröffentlichte der Autor einen Essay zur Perfor- merin Monika Günther in »Performance Saga, Interview«, hrsg. von Andreas Saemann und Katrin Grögel, edition fink, Zürich 2007. Helge Meyer Schmerz als Bild. Leiden und Selbstverletzung in der Performance Art

Als Dissertation angenommen im Januar 2007 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart im Fachbereich Kunstwissenschaft. Erstgutachter war Prof. Dr. Hans Dieter Huber, Zweitgutachter war Prof. Dr. Hubert Locher.

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Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Boris Nieslony, »MA-Version IV«, Moltkerei Werkstatt Köln 1993, Foto: Peter Farkas Lektorat: Helge Meyer Satz: tapporaso, Agentur für Kommunikation Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-868-1

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung 10

Teil A: Die kunsthistorische Einordnung der Performance

1. Performance Art und ihre kunsthistorischen Ursprünge 14 1.1 Der Begriff Performance 14 1.2 Performative Handlungen im Futurismus 16 1.3 Dada und seine Folgen 18 1.4 Vom Bild zur Handlung 19 1.5 Gutai – Performative Aktionen 22 1.6 und Fluxus 26

Teil B:Fragen zum Bildbegriff und zum Forschungsstand der Bildwissenschaft

2. Grundfragen zum Bildbegriff und zum Forschungsstand der Bildwissenschaft 32

3. Der Bildbegriff in der Performance Art 48

Teil C:Begrifflichkeiten und Definitionen

4.Zeitlichkeitund Wahrnehmung62 4.1 Zeitlichkeit und Dauer 62 4.2 Wahrnehmung 70

5.Erinnerungsräume und Körperlichkeit79 5.1 Was ist Erinnerung? 79 5.2 Körper und Präsenz 85 5.3 Schwellenerfahrung und Katharsis 92

6. Performative Ästhetik, Performanz und das Ritual 97 6.1 Performative Ästhetik und Performanz 97 6.2 Aspekte des Rituellen in der performativen Ästhetik 104 6.3 Performative Ästhetik in Performance Art, im Theater und im Sport 111 Dissertation_klein_1.qxp 02.12.2007 12:27 Uhr Seite 6

Teil D: Der Schmerz als Phänomen

7. Schmerz – Ein menschliches Phänomen 124 7.1 Der Schmerz aus medizinischer und neurologischer Sicht 124 7.2 Schmerzentstehung im Körper 125 7.3 Schmerz als philosophisches Phänomen 127

8. Die Universalität des Schmerzes – Geschichte und Kultur des Leidens 145 8.1 Die Geschichte des Schmerzes 151 8.2 Heilige und Märtyrer – Der Heilige Sebastian und 157 8.3 Der Schmerz der Anderen – Wege der Kommunikation 161

Teil E: Schmerzhafte Bilder in der Performance Art

9. Wichtige Positionen in der Schmerzperformance 176 9.1 Stellvertretend leiden – 179 9.2 Der Körper als Repräsentation von Geschlechterproblematik – 185 9.3 Körperwissen und Grenzgänge – 189 9.4 Cleaning the house – Marina Abramovic und 192 9.5 Leugnung der biologischen Endlichkeit – 198

10. Selbstverletzung und Markierung 206 10.1 Selbstverletzung als Ventil – Üdi Da 207 10.2 Das innere und äußere Selbst – Cuttings von Kira O´Reilly 215 10.3 Der Körper als Leinwand – Blutperformances von 227 10.4 Blut als Repräsentation des Selbst/Bluten als Opfer – Giovanna Maria Cassetta und Billy Curmano 232 10.5 Kunst des Fleisches – Die chirurgischen Operationen Orlans 237 Dissertation_klein_1.qxp 02.12.2007 12:27 Uhr Seite 7

11. Schmerz als Mittel für politische oder soziale Stellungnahmen 244 11.1 Kannibalismus und Auflehnung gegen die Moral – Zhu Yu 245 11.2 Humanismus als Grenzüberschreitung – Yang Zhichao 255 11.3 Poesie und Ekel – 262 11.4 Leiden als Krisenlösung – Yoyo Yogasmana 268 11.5 Der Eiserne Vorhang – Performance in Osteuropa 273

12. Schmerz als Todesmetapher und Dauerperformances 281 12.1 Tod,Vergänglichkeit und Dauer – Alastair MacLennan und Dan McKereghan 281 12.2 Verwahrlosung und Demut – Annährung an den Begriff „tot“/ Boris Nieslony 292 12.3 Massenmörder und die Sprache der Wunde – Danny Devos aka DDV 299 12.4 Tod als Auslöser von Kultur? – Anja Ibsch 302 12.5 Das Publikum und die Gefährdung des Künstlers – Yann Marussich und Jochen Gerz 309 12.6 Nähe und Distanz – Grenzgänge von Nezaket Ekici 314

13. Identität, Autobiographie und Scheitern – Jüngere Positionen in der Performance Art 324 13.1 Autobiographie als Antrieb – Jamie McMurry 324 13.2 Identität, Politik und Grenzüberschreitung – Julie Andrée T. 329 13.3 „Schmerz schreit nach Heilung“ – BBB Johannes Deimling 333

Resumee 345 Literaturverzeichnis 360 Abbildungsverzeichnis 366 Dissertation_klein_1.qxp 10.12.2007 20:19 Uhr Seite 8

Danksagung

Zuerst möchte ich mich für die fachliche Betreuung bei Hans Dieter Huber bedanken. Diese Arbeit wurde nur dank seines Interesses an diesem ungewöhnlichen Thema möglich. Hubert Locher möchte ich ebenfalls herzlich für die Betreuung meiner Disser- tation danken. Ich danke ganz herzlich allen Künstlern und Wissenschaftlern, die mir für diese Arbeit bereitwillig Zeit und Material zur Verfügung gestellt haben. Ganz besonders Boris Nieslony, an den ich mich immer wieder mit wichtigen Fragen wenden konnte. Außerdem Anja Ibsch, BBB Johannes Deimling, Alastair MacLennan, Jamie McMurry, Julie Andrée T., Zhu Yu, Zhang Zhichao, Zhang Huan, DDV (aka Danny Devos), Billy Curmano, Marina Abramovic, Dan McKereghan, Nezaket Ekici, Franko B, Kira O´Reilly, Giovanna Maria Cassetta, Yann Marussich, Yoyo Yogasmana, Andre Stitt, Christian Messier, Eric Letourneau und Udi Da. Unterstützung und fachliche Hilfe gaben mir zudem Hartmut Volkmann, Rachel Zerihan, Richard Chapman,Wolfgang Larbig und Thomas Metzinger. Ein besonderer Dank geht an meine Frau Stefanie Pape, die nicht nur viel Geduld mit mir hatte, sondern auch einen Großteil der Korrekturen an der vorliegenden Arbeit vorgenommen hat. Auch meiner Tochter Marie danke ich für das Verständnis, das ihr Vater zu manchen Zeiten nicht ansprechbar war. Meiner Familie (Marion, Rudi, Inge und Karl) möchte ich für die Unterstützung danken, die sie finanziell und in der Betreuung unserer Tochter geleistet hat. Ohne diese Hilfe wäre das Vorhaben mit Sicherheit gescheitert. Meinem Bruder Tim Meyer danke ich für die Gestaltung und Wartung meiner Home- page, die für viele Kontakte meine erste Visitenkarte darstellt. Mathias Begalke danke ich für seinen uneingeschränkten Einsatz beim Lektorat und seine moralische Unterstützung. Der Deutsche Akademische Austausch Dienst ermöglichte mir ein wichtiges Forschungsstipendium, mit dem ich in vier Archiven in Kanada, der Schweiz, in London

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und in Nottingham recherchieren konnte. Besonderer Dank geht hier an Frau Pfaffen- hausen. Vor Ort betreuten mich auf sehr sehr großzügige Weise Richard Martel und Nathalie Perrault (Le Lieu in Quebec City, Kanada), Pius Freiberghaus (von Perforum in Pfäffikon, Schweiz), Daniel Brine und Lois Keidan (Live Art Development Agency in London, England) und Stuart Simpson, Josie Akers und Barry Smith (Live Art Archive in Nottingham, England). Das dieses Stipendium zustande kam, verdanke ich mit Sicher- heit auch den Gutachten von Hans Dieter Huber, Andreas Hoppe und Gisela Gührs. Ohne Torsten Daniel und Dörte Hinrichs wäre es mir unmöglich gewesen, diese Arbeit zu setzen, zu formatieren und in eine Form zu bringen. Sie haben die gesamte grafische Gestaltung in ihrer Freizeit erledigt und damit sehr viel Zeit und Nerven geopfert. Herzlichen Dank in besonderem Maße!!!! Wenn Monika Lüder nicht vor vielen Jahren eine Entscheidung getroffen hätte, die meinen weiteren Lebensweg beeinflusst hat, wäre mir die Möglichkeit zur Promotion nicht gegeben gewesen. Ich danke ihr hier noch einmal ganz besonders für ihr Vertrauen! Allen Künstlern, mit denen ich in den letzten Jahren Gespräche über diese Untersu- chung geführt habe und die mir neue Wege und Inhalte aufgezeigt haben, möchte ich ebenfalls meinen herzlichsten Dank aussprechen.

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Einleitung

Bei meiner langjährigen Beschäftigung mit Performance Art in Theorie und Praxis bin ich immer wieder auf ein Phänomen gestoßen, welches mich nachhaltig beeindruckt hat. Das schmerzvolle Handeln, welches von einigen Künstlern auf sich genommen wird, um ein Bild zu erzeugen oder vielmehr selbst Bild zu werden, übt eine unge- wöhnlich starke Faszination auf die Betrachter (und so auch auf mich selbst) aus. Schmerzvolles Handeln meint hier auf der einen Seite tatsächliche Selbstverletzung, die von den Künstlern meistens live (und in wenigen Fällen auch nur für die Kamera oder den Fotoapparat) vor Publikum gezeigt wird. Auf der anderen Seite sind aber auch Performances gemeint, die durch extreme Gefährdung oder lange Dauer Assoziatio- nen von Leiden hervorrufen oder verbildlichen.

Die performativen Bilder, die hier entstehen, entziehen sich aufgrund ihres Auffüh- rungscharakters einer angemessenen Speicherung auf medialen Trägern und sind somit nur ephemer zu rezipieren. Doch gerade durch das gemeinsame Erleben des Moments der Gefahr oder des Schmerzes durch den Performer und das Publikum ent- steht eine komplexe Beziehung zwischen Künstler und Betrachter. Diese Beziehung, die hier im Prozess des Entstehens von Bildern hergestellt wird, ist nach meiner Auffas- sung einzigartig. Zwar gibt es Berührungspunkte mit theatralen Bild- und Auffüh- rungsformen oder mit Elementen des Sports, doch die Konsequenz der tatsächlichen Zufügung von Schmerz unter der Prämisse der Bildproduktion entfällt in den genann- ten Disziplinen zum größten Teil. Deutlicher hingegen lassen sich gewisse rituelle Bezüge in den Schmerzperformances erkennen, die deshalb in dem vorliegenden Text eine Rolle für das Verständnis einiger Arbeiten gespielt haben. Nach meiner Überzeu- gung kann die Performance Art als Übersetzungskunst unterschiedlichster Disziplinen angesehen werden, die sie in einer Art Ballung zu anschaubaren kulturellen Phänome- nen in Bewegungsbildern zu verdichten imstande ist, die einer technologischen Ver- mittlung erst einmal zuwiderlaufen. Das Werkzeug, mit dem die Performance Art diese Übersetzung vornimmt, ist der Körper des Performers im Zusammenspiel mit den Komponenten Zeit und Raum. Der Körper dient dem Performer hier als Element,

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das über seine bloße Erscheinungsform hinausweist, symbolische Funktionen ein- nimmt und gleichzeitig als Material objekthaft behandelt und hinterfragt wird. Durch den Einsatz dieses Werkzeugkomplexes finden die Performer Eingang in die Empfin- dung des Betrachters und sind in der Lage, kulturell wirksam zu handeln.

Die Grundthese der vorliegenden Arbeit lautet deshalb: Schmerz kann in einem kom- plexen Prozess innerhalb der Performance Art verbildlicht werden und somit als Kom- munikationsgegenstand genutzt werden. Dem eigentlich sprachlosen Schmerz, dessen Vorhandensein beim Leidenden von einem Gegenüber nur geglaubt, jedoch nicht bewiesen werden kann, lässt sich im Livebild der Performance ein Bild zuordnen, wel- ches vom Betrachter nachempfunden werden kann. In der folgenden Untersuchung werde ich deshalb Fragestellungen dreier komplexer Themenfelder miteinander verknüpfen. Zum einen sind es kunstgeschichtliche Grund- fragen, die die Kunstform des Performativen, in Folge Performance Art oder Performan- ce genannt, und ihre besonderen Merkmale betreffen. Wie entstand die Disziplin? Was sind ihre phänomenologischen Besonderheiten? Wie ist das Verhältnis zwischen Künst- ler und Publikum in dieser besonderen Form der Bildproduktion? Das zweite Feld deckt folgerichtig Fragen nach dem Bild ab. Hierbei liegt das Augen- merk zum einen auf der Geschichte des Bildbegriffs.Was ist ein Bild? Woher stammt die komplexe Beziehung zwischen Bild und Betrachter? Wie wirken Bilder? Zum anderen wird der besondere Bildbegriff in der Disziplin der Performance Art untersucht. Grund- fragen hierbei sind: Was ist die Besonderheit eines Live-Bildes, dessen Produzent (das schaffende Subjekt) gleichzeitig auch der Bildgegenstand (das dargestellte oder sich darstellende Objekt) ist? Wie beeinflusst der ephemere Charakter des performativen Bildes seine Rezeption? Der dritte Hauptkomplex beschäftigt sich mit dem Phänomen Schmerz. Hier ist auf der einen Seite die größte Entfernung zu kunstgeschichtlichen oder kunstwissenschaft- lichen Phänomenen zu verdeutlichen, da Schmerz insbesondere in medizinischen oder neurologischen Wissenschaftsbereichen untersucht wird. Auf der anderen Seite spielt jedoch gerade das Leiden oder der Schmerz eine große Rolle innerhalb nahezu aller Dis- ziplinen menschlicher Kultur. Deshalb habe ich den unterschiedlichsten Sichten auf den

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Schmerz auch besonders viel Raum in dieser Arbeit zugestanden. Es beschäftigen mich hier Fragen wie:Wie wirkt der Schmerz neurologisch? Wie lässt sich Schmerz mitteilen? Welche Rolle spielt Schmerz in existenzialistischen und philosophischen Theorien?

Der Anspruch des Textes ist somit eindeutig interdisziplinär und macht sich zur Aufga- be, das Phänomen des Schmerzes als Bild in der Performance Art so weit zu beleuchten, dass sich Ansätze ergeben, die Handlungen der Künstler zu verstehen und kulturell ein- ordnen zu können. Die Untersuchung erhebt dabei nicht den Anspruch auf eine voll- ständige kunstgeschichtliche Herleitung und Darstellung der Schmerzperformance. Vielmehr bitte ich den Leser in dem Text eine kulturwissenschaftliche Betrachtung des Phänomens zu sehen, bei welcher vom Autor subjektiv jene Aspekte hervorgehoben wurden, die seinem Argumentationsansatz folgen. Insbesondere habe ich deshalb jenen Künstlern viel Raum verschafft, die sich in ihrer aktuellen Arbeit mit dem Untersu- chungsgegenstand beschäftigen. Performer, die in der Vergangenheit die Schmerzper- formance auf besondere Weise geprägt haben, jedoch kunstgeschichtlich bereits viel- fach untersucht worden sind, wurden hingegen nur relativ knapp in die Überlegungen des Textes einbezogen, da ihr Werk interessierten Lesern bereits auf breiter Ebene in anderen Publikationen zugänglich ist. Demgegenüber habe ich Künstlern wie Zhu Yu aus oder Boris Nieslony aus Deutschland und anderen eine intensive Betrachtung ihrer Bildwelten eingeräumt, da ihre Arbeit als beispielhaft für den hier vorliegenden Untersuchungsschwerpunkt gelten kann und bisher wenig analysiert wurde. Ich habe hier glücklicherweise auf eine Vielzahl von Originalinterviews zurückgreifen können, die ich in den vergangenen Jahren mit ausgesuchten Künstlern führen konnte. Den Origi- nalaussagen der Performer wird deshalb in dieser Arbeit große Aufmerksamkeit gewid- met.

An dieser Stelle möchte ich zudem besonders auf die Schwierigkeit hinweisen, das Ereignis Performance in das Medium Fotografie zu übersetzen. Fotos können nie den Ereignischarakter einer Aktion widerspiegeln. Dennoch geben die hier verwandten Abbildungen einen Einblick in die Bildsprache und den Aufbau der behandelten Perfor- mances. Sie dürfen jedoch nicht als eigenständiges Kunstwerk verstanden werden.

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Kapitel 1: Performance Art und ihre kunsthistorischen Ursprünge

1.1. Der Begriff Performance

In der hier vorliegenden Arbeit untersuche ich die Möglichkeit der Verbildlichung von Schmerz und Leiden in der Performance. Der Bildbegriff steht wie kaum ein anderer Gegenstand im Brennpunkt eines interdis- ziplinär ausgerichteten kulturwissenschaftlichen Interesses. Bilder hat es in jeder historischen Phase der Zivilisation gegeben. Ihre Wirkung, Deutung und Betrachtung war und ist immer eng verbunden mit der Zeit. Kein Bild lässt sich unabhängig von seinem historischen und sozialen Umfeld betrachten oder gar bewerten. Es ist in der Ausrichtung dieser Arbeit unmöglich, den gesamten aktuellen Diskussion- stand der Bildtheorie zu berücksichtigen. Ich werde mich eng an die Fragestellung halten, die für die Lösung oder Klärung meines zentralen Problems relevant erscheint: Wie ist es in der Performance möglich, Schmerz und Leiden zu einem Bild werden zu lassen? In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, die Performance als kunst- historisches Phänomen kurz einzugrenzen. Der Begriff Performance unterliegt vielfältigen Bedeutungen. Im EDV-Bereich bezeich- net er die Leistungsstärke eines Rechners, im Bankwesen steht er für den prozentualen Wertzuwachs des Vermögens einer Investmentgesellschaft oder eines einzelnen Wert- papiers. Noch differenzierter ist der Begriff der Performanz zu betrachten: In der Sprech- akttheorie John L. Austins bezeichnet Performanz das ernsthafte Ausführen von Sprechakten. Performative Äußerungen sind hierbei keinen „logisch-semantischen Wahrheitsbedingungen“1 unterworfen, sondern erhalten ihre Bedeutung lediglich in Bezug auf ihre Gelingensbedingungen.

„Im Gegensatz zur „konstativen Beschreibung“ von Zuständen, die entweder wahr oder falsch ist, verändern „performative Äußerungen“ durch den Akt des Äußerns Zustände in der sozialen Welt, das heißt, sie beschreiben keine Tatsachen, sondern sie

1 Wirth, Uwe: Der Performanzbegriff im Spannungsfeld von Illokution, Iteration und Indexikalität, in:Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2002, S. 9

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