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Aktiv ruck Anästhesiologie & Intensivmedizin

Offizielles Organ: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung e.V. (DAAF) Organ: Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI)

Hämostase im Schock Teil 1-5 Ein Beitrag der Sektion Schock der DIVI

Verlag & Druckerei Aktiv Druck & Verlag GmbH An der Lohwiese 36 97500 Ebelsbach Deutschland www.aktiv-druck.de

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Emergency Medicine Review Articles

Haemostasis in shock Hämostase im Schock Part 1: historical aspects Teil 1: H.J. Klippe · H.A. Adams · G. Baumann · I. Cascorbi · M. Emmel · D. Fischer · S. Flohé · D. Fries · A. Gänsslen · S. Geiger · A.R. Heller · F. Hildebrand · E. Klar · L. Lampl · Historische Aspekte H. Prange · U. Rolle · A. Sarrafzadeh · R.E. Scharf · T. Standl · W. Teske · G. Werner · R. Zander – Sektion Schock der DIVI

Ein Beitrag der Sektion Schock der DIVI*

Zusammenfassung expression. Doctors in antiquity already Der Ursprung des Wortes Schock liegt described clinical pictures, traumata, im Mittelalter. In der Bedeutung Schlag, and blood-losses inducing shock-like Stoß oder Aufprall fand der Schock über states. From about 1500 on, even die Anwendung als militärischer Begriff gunshot wounds were followed by such Eingang in die medizinische Terminolo- states. In 1737, H.F. Le Dran published gie. Schon in der Antike schilderten Ärzte his book on wounds by fire-arms. In its Krankheitsbilder, Traumen und Blutver- English translation of 1743, the term luste, die Schockzustände zur Folge hat- “shock” as a consequence of such trau- ten. Etwa ab dem Jahr 1500 zogen Ver- mata was used for the first time. Up to letzungen durch Feuerwaffen ebenfalls modern times, the importance of trau- solche Bilder nach sich. Im Jahr 1737 mata and blood-losses triggering shock veröffentlichte H.F. Le Dran sein Werk states was examinded in more detail. The über Schusswunden; in dessen eng­ effects of haemorrhages and haemostasis lischer Übersetzung wur­den Traumafol- were also noticed as early as in ancient gen erstmals mit dem Terminus „shock“ times. The practice of blood-letting and be­zeichnet. Bis in die Neuzeit hinein the inspection of this blood enabled the wurde die Bedeutung von Traumen und increasing understanding of normal and Blutverlus­ ­ten als Ursache von Schock- pathological haemostasis. In 1772, W. zuständen dann immer weiter erforscht. Hewson published his work on blood- Auch zu Blu­tung und Hämostase lagen loss and haemostasis. Owing to his pu- schon seit der Antike Erkenntnisse vor. blication in 1905, P. Morawitz became Die Praxis des Ader­lasses und die Ins- the founder of the “classical pektion des „gelassenen“ Blutes bot über theory”. It was only after the 1960s that das Mittelalter hinaus zuneh­mende Ein- the close and complex interactions of blicke in die normale und pathologische shock and haemostasis were examinded * Dieser Beitrag ist Herrn Prof. Dr. Hämostase. Im Jahr 1772 publizierte­ W. and more clearly understood. med. Detlef Kirsten, langjähriger Hewson sein Werk zu Blutverlust und Leitender Oberarzt der Pneumo­ Hämostase. Im Jahr 1905 stellt P. Mo- logie, Lungenklinik Großhans­ rawitz das heute „klassisch“ genannte Sprachwurzel und Bedeutungen dorf, zum 70. Geburtstag Gerinnungsschema vor. Die engen und des Terminus Schock gewidmet. komplexen Interaktionen von Schock und Hämostase fanden erst nach dem Die Sprachwurzel des Begriffs Schlüsselwörter Jahr 1960 Eingang in das heutige Wissen. „Schock“ geht auf das althochdeut- Schock – Hämostase – Koagu- sche „scoc“ (pl. „scoga“) in der Be- lation – Medizingeschichte Summary deutung von Stoß, Wurf, Erschütte- The term shock dates back to the Middle Keywords rung – aktiv wie passiv – zurück, im Ages. In its meaning of blow, punch or Shock – Haemostasis – Coagu- Friesischen ergänzt durch Unruhe, impact, the word found entry into medi- lation – Medical History Schreck und Furcht. cal terminology by its usage as a military

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„Schock“ ist darüber hinaus ein Zahlwort Abbildung 1 (ein Schock = 5 Dutzend = 60 Stück) und ein militärischer Begriff, der letztlich in die Medizin übertragen worden ist. • Im Mittelalter beschreibt der Begriff eine heftige Erschütterung beim Auf- prall Gewappneter zu Fuß oder zu Pferde. • Seit dem Dreißigjährigen Krieg bis ins 19. Jh. steht er für den geschlosse- nen Kavallerieangriff im „Choc“ oder „Schock“ zum Durchbrechen der gegnerischen Infanteriestellung.

Der medizinische Begriff „Shock“ taucht erstmals 1743 auf in der ano- nymen englischen Übersetzung (A Treatise or Reflections drawn from Practice on Gun-Shot wounds) des 1737 erschienenen Buches über die Chirurgie der Schusswunden (Traité ou reflexions tirées de la pratique sur les playes d‘armes à feu) des Chi- rurgen H.F. Le Dran (1685-1770) (Abb. 1).

Titelblatt der französischen Originalausgabe des Buches von H.F. Le Dran – das Werk ist von zentraler Bedeutung für die Geschichte des Schocks. Aspekte zum Schockgeschehen „Wenn der Kranke eine kalte Nase hat, wird er sterben“ lautet die Prognose ei- römische Gladiatorenarzt Galen (2. Jh. n. auch Aderlässen therapiert – und dem nes babylonischen Keilschrifttextes (um Chr.) stellte nach Gefäßläsionen fest: durch die Verwundung geschwächten 1500 v. Chr.) über die Vasokonstriktion „Das Blut gerinnt nicht nur außerhalb des Patienten so ein erhebliches Zusatz- beim Schwerkranken. Bei Verwundung, Körpers, sondern an jedem beliebigen trauma zugefügt. Der Chirurg A. Paré Blutverlust oder schwerer Krankheit Ort des Organismus“ und endet schließ- (1510-1590) führte eine schonende lo- kale Wundbehandlung ein. Er wies als entflieht das Leben mit dem Blut und lich in der Bildung eines „Thrombos“ Erster darauf hin, dass bei den Verletzten dem Atem – diese Erkenntnis formte die und dem Zustand einer „Thrombosis“. haematisch-pneuma­tische Empirie der der Blutverlust Ursache für Ohnmacht Zu seinen Therapiemaßnahmen gehörte griechischen Frühzeit. Die Beschreibun- („Sopor“) und Schock (Wundstupor, „Tor- jedoch auch bei Blutverlusten – in Un- gen von Schockzuständen in Homers por“) sei und dass diese Schusswunden kenntnis kardiovaskulärer Reaktionen „Ilias“ (7. Jh. v. Chr.) betreffen meist häufig zu Nachblu­tungen neigen, denen traumatisch-hämorrhagische Fälle. Das oder gewollt zur Ausschaltung uner- er mit Gefäßligaturen oder Umstechun- geronnene Blut auf den Körpern Gefal- träglicher Schmerzen bis zur Ohnmacht gen begegnete. („usque ad deliquium“) – der Aderlass. lener benannte Homer mit einer eigenen Erstaunlich lange Zeit wurde die Die Standardmenge betrug eine Kotyle Vokabel („brotos“), während das flüssige kausale Bedeutung von Blut- bzw. (ca. 250 ml), jedoch häufig ein Vielfaches Blut mit „haima“ bezeichnet wurde. Flüssigkeitsverlus­ten im Schock nicht davon. Die „Exhaemie“ des Hippokrates (4. Jh. erkannt. Ausgehend von den Proble- v. Chr.) – als möglicher Volumenman- Der seit der Mitte des 14. Jh. rasch zu- men um Nachblutungen und Throm­ gelschock – und die klassische Beschrei- nehmende Einsatz von Schießpulver bosen entwickelte der Chirurg J.L. Petit bung der „Facies hippocratica“ – als die und Feuer­waffen brachte eine neue Art um 1730 jedoch ein Gerät zur Arterien­ eines (möglicher­weise septischen) mori- von Verwundungen mit sich. Die als kompression und erforschte die Struk- bunden Patienten – weisen ebenso auf verbrannt oder ver­giftet angesehenen tur von Gerinnseln und das Wesen der die Beobachtung von Schockzuständen Schusswunden wurden mit rigorosen lo- Hämo­stase. Er prägte den Begriff „Orga- hin. Der mit schweren Traumen vertraute kalen Mitteln wie heißem Öl und häufig nisation des Gerinnsels“.

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• Um 1774 wies M. Rosa in Italien durch Messungen und befassten Das bereits erwähnte Buch von H.F. nach, dass Tiere im schweren Entblu­ sich mit der Azi­dose im Schock. Es Le Dran (1737) und dessen englische tungs­schock nicht durch die alleinige wurden Bluttransfusionen mit resus- Überset­zung (1743) sind von zentra- Gabe von Serum, sondern nur durch pendierten Erythrozy­tensedimenten ler Bedeutung für die Geschichte des Vollblut gerettet werden kön­nen, vorgenommen [5] und erste kolloi- Schocks. In der Übersetzung wurde wobei das intravasale Blutvolumen dale Volumenersatzlösungen („gum erstmals der Terminus „Shock“ für ohne Schaden beträchtlich gesteigert saline“ aus Akaziengummi [6] so- diverse französische Termini (saisis- werden kann. wie gelatinehaltige Lösungen [7]) sement, sécousse, commotion, coup) • Im Jahr 1818 transfundierte der Ge- infun­diert. verwendet – und zwar nicht nur für burtshelfer J. Blundell erstmals huma- • Im 2. Weltkrieg fand das von den den bereits von früheren Autoren nes Fremdblut bei vital bedrohlicher Pharmakologen G. Hecht und H. dargestellten Auslöser (Schuss, postpartaler uteriner Hämorrhagie Weese ent­wickelte Polyvinylpyrroli- Schlag, Stoß), sondern auch für die – wobei die Blutgruppen noch völlig don („Periston“) breite und hilfreiche aus den lokalen Effekten resultieren- unbekannt waren. Anwendung [8]. den generalisierten Folgen. • Th. Latta behandelte 1831 und 1832 – noch vor dem Zeitalter der Antisep- sis und der Erfindung der Hohlspritze Aspekte zur Hämostase Darin lag ein wesentlicher neuer Ansatz – die saliprive Exsikkose moribunder zum Verständnis des Phänomens Schock, Die Beobachtung, dass Blut bei penetrie- Cholera­patienten erfolgreich mittels das wie folgt skizziert wurde: renden Verletzungen – oder medizinisch intravenöser Infusion von bis zu 10 l • Lokales Trauma mit gravieren- gewollt beim Aderlass – den Körper in Kochsalzlö­sung [2]. Er war ein früher den Effekten auf „toute la machine flüssigem Zustand verlässt, um dann Pionier der Infusionstherapie, die da- animale“. nach nicht allzu langer Zeit zu gerinnen, nach jedoch für 50 Jahre weitgehend • Die kleinen Gefäße sind von wesent- gehört ebenfalls zur frühen medizini- in Vergessenheit geriet und erst von licher Bedeutung, sie sollen offen ge- schen Erfahrung. Die Ärzte der Antike A. Landerer [3] wie­der aufgegriffen bezogen diese Gerinnung des ausge- halten bzw. wieder eröffnet werden. und letzlich etabliert wurde. flossenen Blutes auf im strömenden­ Blut • Kapilläre Stase, Kreislaufzentralisa- • Im Jahr 1843 wies der Arzt und Che- vorhandene Fasern (gr. „ines“), die unter tion und deren circulus vitiosus – miker J.J. Scherer bei der Obduktion Kälteeinwirkung gerinnen. In der hip- jedoch ohne explizite Verwendung von zwei Patientinnen, die post par- pokratisch-knidischen Schrift „über das dieser Termini; der Begriff „Zent- tum im fulminanten septischen bzw. Fleisch“ (5./4. Jh. v. Chr.) heißt es: ralisation“ wurde erst 1944 von R. hämorrha­gischen Schock mit Stö- Duesberg und W. Schroeder in ihrer rungen der Hämostase verstorben „Wenn ein Opfertier geschlachtet ist, so klassischen Schrift „Pathophysiolo- waren, Milchsäure im Blut nach. Im bleibt sein Blut feucht (= flüssig), solange gie und Klinik der Kollapszustände“ Jahr 1858 konnte der Arzt und Che- es warm ist, nachdem es erkaltet ist, ist geprägt. miker C. Folwarczny die Milch­säure es geronnen. Wird es aber gepeitscht, so • Erkenntnisse zu Gerinnselbildung auch intravital im Blut von Patienten gerinnt es nicht, denn seine Fasern sind und Nachblutung, vor allem um Tag mit Leukämie, Septikämie und Puer­ kalt und klebrig“. 7 bis 8. peralfieber nachweisen. Diese Fasern haften dann als klebrig- Spätere Autoren (wie J. Latta sowie J. • Im Jahr 1871 wies der Chirurg E. von leimartiger Schleim (gr. „kollodees“) an Bell 1795; G.J. Guthrie 1815) verwen- Bergmann nach, dass dem traumati- dem zum Schlagen benutzten Holzstab. deten den Terminus ebenfalls für die schen Schock – im Gegensatz zu frü- Die Annahme von Fasern im strömen- charakteristischen Folgen eines solchen heren Annahmen – nicht der Verlust den Blut wurde erstmals von Aristoteles an roten Blutkörperchen, sondern ein Zustands. Der Begriff fand – in stark un- (3. Jh. v. Chr.) klar formuliert und blieb Mangel an strömendem Volumen zu- terschiedlicher Schreibweise – rasch Ein- bis ins 18. Jh. Grund­lage jeglicher Erör- grunde liegt. gang in das medizi­nische Schrifttum, wo- terung des Hämostaseproblems; die Be- • Um das Jahr 1875 bezeichnete der bei das Hauptaugenmerk stets auf dem griffe „Hypinosis“ und „Hyperinosis“ im Chirurg J.C. Bloodgood das venöse traumatisch-hämorrhagisc­ hen Schock [1] Sinne eines verringerten oder vermehrten Pooling im Splanchnikusbereich als lag. Seit dem Ende des 18. Jh. wurden die Faserstoffgehalts im Blut wurden noch „intravascular haemorrhage“. Termini „Schock“ und „Kollaps“ begriff- bis weit in das 19. Jh benutzt. • Im Jahr 1876 erwähnte der Chirurg lich nicht sauber getrennt und bis weit A. Blum in einem Beitrag über den Im 1. Jh. n. Chr. beschrieb A.C. Celsus ins 20. Jh. hinein synonym verwendet. „Shock traumatique“ auch die Ver- die „haemorrhois“ nach Schlangenbiss, Zum wachsenden Verständnis der zent- brennung als mögliche Ursache [4]. was von einigen Autoren als frühestes ralen Rolle von Blut- oder Volumenver- • Die Arbeiten des „Allied Shock-Com- Beispiel von Blutung bei Defibrinations- lusten im Schock sollen einige Beispiele mitee“ von 1917-1919 quantifizierten syndrom resp. DIC (disseminated intrava- genannt werden: den intravasalen Volumenmangel scular coagulation) gewertet wird.

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Da die komplexen Phänomene von Hä- Abbildung 2 mostase und Schock bis in die frühe Neu- zeit mangels Ursachenerkenntnis zwar beschrieben, aber nicht kausal erklärt werden konnten, blieb die seit der Antike dogmatisc­ h etablierte Säftelehre und die daraus entwickelte Humoralpathologie mit Blut, Schleim, gelber und schwarzer Galle (haima, phlegma, chole, melan- cholia) die Basis aller Deutungsversuche. Im Jahr 1666 untersuchte der Anatom M. Malpighi (1628-1694) erstmals mikrosko­ pisch ein intrakardiales Gerinnsel, einen sog. „Herzpolypen“. Nach dem Auswa- schen der „atomi rubrae“ erkannte er die „contextura fibrosa“ in Form der feinen farblosen und kohärenten Fasern. Um 1850 sprach ihm der Pathologe R. Vir- chow das Verdienst zu, die in neuerer Terminologie „“ statt „Faserstoff“ genannte Substanz als Erster gesehen und beschrieben zu haben. Den Namen „Fibrin“ hatte der Faserstoff bereits im Jahr 1801 von dem Arzt und Chemiker A.F. Fourcroy erhalten. Im Mittelalter wurde – v.a. durch die Schule von Salerno (ca. 1000-1250 n. Chr.) – der seit Hippokrates therapeu- tisch vielfach ausgeführte Aderlass mit diagnostischer und prognostischer Be- deutung als „inspectio sanguinis“ resp. „iudicium cruoris“ aufgewer­tet. Alle Sta- dien – das ausfließende Blut, der Eintritt der Gerinnung und das feste Gerinnsel mit seiner Schichtung – wurden in ko- Ärztliche Blutschau (Hämatoskopie) nach erfolgtem Aderlass. Buchminiatur, 15. Jh. difiziertem Vorgehen untersucht sowie (Aus: Jones PM: Medieval Medical Miniatures. London 1984). Fließverhalten, Farbfolge, Konsistenz und Schnittfläche des Gerinnsels genau inspi­ziert (Abb. 2). Die bei dieser „Blut- rischen“ Erklärungsansatz für die antike nisse dann in seinem Buch zum Umgang schau“ oder „Hämatoskopie“ festge- Viersäftelehre. mit Schusswunden und Nachblutungen stellten Phänomene der sehr schnellen, zitiert. verspäteten oder gar ausbleibenden Ge- Ausgehend von den Problemen um Nach- rinnung führten zu spezifischen prognos- blutungen und Thrombosen erforschte In seinem Werk „An Experimental In- tischen Aussagen bis hin zum nahenden der beretis erwähnte J.L. Petit um 1730 quiry into the Properties of the Blood“ – Tod. Als schlechtestes Zeichen galt der die Bildung und Struktur von arteriellen auf das sich Folgeautoren bis in die Mitte vollständige Zerfall des Blut­kuchens. Gerinnseln und das Wesen der Hämo­ des 19. Jh. bezogen – lieferte der Arzt Bei der „Nagelprobe“ wurde das Fließ- stase. Er differenzierte drei Bestandteile W. Hewson um 1770 weitere bedeu- bzw. ausbleibende Gerinnungsverhalten­ des Blutes: die „serosité“, die „partie glo- tende Beiträge zum Blut, zur Hämostase eines Blutstropfens auf dem Fingernagel buleuse“ und die „partie lymphatique“; und zum Organismus unter Entblutung kritisch gewertet (lat. „vix cohaeret“ oder allein die letztere sei gerinnungsfähig. (Abb. 3): „vix coagulatur“). In der modernen Be- Diesen Befund bestätigte der Arzt Th. • Gerinnung als Trennung von Blut in stätigung der Schichtung des Aderlass- Schwencke in der „Haemato­logia“, der „Blutwasser“ (Serum) und „Blutku- blutes sah der Arzt R. Fåhraeus, einer ersten, 1743 pub­lizierten Monographie chen“ (Cruor), letzterer aus Faserstoff der Väter der heutigen Hämorrheologie, zum Thema Blut. Der eingangs genannte („Gluten“) und roten Blutkörperchen im 20. Jh. einen gut fundierten, „empi- H.F. Le Dran hat die Petit‘schen Erkennt- bestehend.

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Nosokomiale Infektionen and Infectious Diseases (ESCMID), die d i f fi c i l e -assoziierten Diarrhö von beson- hinsichtlich der Behandlung von CDI aktu- derer Bedeutung, da die Diarrhö oft eine Behandlung von schwerkranken alisiert wurde [4]. Die ESCMID empfi ehlt Dosisreduktionen oder den Aufschub von CDI-Patienten darin die Gabe von Fidaxomicin bei der geplanten Chemotherapie-Zyklen erfor- Die Inzidenz nosokomialer Infektionen Therapie aller CDI-Erkrankten, die sich für derlich mache, so die Autoren der Sub- mit dem Darmkeim Clostridium diffi cile eine orale Antibiotikagabe eignen. Insbe- gruppenanalyse in ihrer Schlussfolgerung. steigt kontinuierlich an. Besonders pro- sondere bei Patienten mit Rezidivrisiko, Letztendlich könne eine wirksame CDI- blematisch sind die häufi gen Rezidive. erstem Rezidiv und bei Patienten mit mul- Therapie dazu beitragen, Verzögerungen Im Vergleich zur bisherigen Standard- tiplen CDI-Rückfällen gilt Fidaxomicin als in der Anti-Tumortherapie zu minimieren therapie mit Vancomycin hat sich ge- First-Line-Therapie. Außerdem empfi ehlt und das Outcome günstig zu beeinfl ussen. zeigt, dass Fidaxomicin (Difi clir™) für die ESCMID die Substanz für Patienten mit Aufgrund dieser Daten wurde in den ak- schwerkranke, multimorbide und ältere schwerer Grunderkrankung und leichter tualisierten Leitlinien der Arbeitsgemein- Patienten besonders geeignet ist, da es CDI. schaft Infektionen in der Hämatologie und die anhaltende Heilungsrate signifi kant Diese Empfehlungen spiegeln sich auch Onkologie (AGIHO), einer Fachgruppe erhöht, indem es Rezidive zuverlässiger im Nutzenbewertungsprozess nach AM- der Deutschen Gesellschaft für Hämato- verhindert. Neue Daten, die auf einem NOG wider, den Fidaxomicin als erstes logie und Medizinische Onkologie e. V. Lunchsymposium der Astellas Pharma Antibiotikum in Deutschland durchlaufen (DGHO), Fidaxomicin mit einer A-I-Emp- GmbH im Rahmen des 24. Symposium hat, und wonach der Gemeinsame Bun- fehlung zur Behandlung der nicht schwe- Intensivmedizin + Intensivpfl ege Bremen desausschuss (G-BA) kürzlich einen Beleg ren und der schweren CDI bei Patienten diskutiert wurden, zeigen zudem, dass für einen beträchtlichen Zusatznutzen von mit hämatoonkologischen Erkrankungen Fidaxomicin die Diarrhö bei hämatoonko- Fidaxomicin zur Behandlung von schwer- versehen [11]. logischen Patienten signifi kant um zwei kranken und rezidivierenden CDI-Patien- Bettina Baierl, Berlin Tage verkürzt. ten bestätigte [5]. Clostridium diffi cile-Infektionen (CDI) CDI bei Hochrisiko-Patienten Literatur 1. Behnke M, et al: Dtsch Ärztebl Int spielen unter den nosokomialen Infektio- PD Dr. Tobias Schürholz, Aachen, ging der nen eine zunehmende Rolle: Im Jahr 2012 2013;110(38):627-33; DOI: 10.3238/ Frage nach, welche Patienten ein beson- arztebl.2013.0627 wurde laut Bundesamt für Statistik 28.950 ders hohes Risiko für eine CDI aufweisen. Mal eine Enterokolitis Clostridium dif- 2. Crobach MJ, et al: Clin Microbiol Infect So zeigte eine Studie [6], dass besonders 2009;15:1053-66 fi c i l e diagnostiziert. Laut einer nationalen bei Stammzelltransplantationen (HSZT) 3. Geffers C, Gastmeier P: Dtsch Ärztebl Prävalenzstudie zu nosokomialen Infek- und Malignomen hohe CDI-Raten auf- 2011;26-28 tionen und der Antibiotikaanwendung in treten. Gleiches gilt bei fortgeschrittener 4. Debast SB, et al: Clin Microbiol Infect. Deutschland machen CDI – die bei einer Niereninsuffi zienz und dem Einsatz von doi: 10.1111/1469-0691.12418 Untersuchung 1994 kaum eine Rolle spiel- Nierenersatzverfahren [7]. Und schließlich 5. Gemeinsamer Bundesausschuss gemäß ten – aktuell 6,8% aller nosokomialen In- rät Schürholz zum sorgsamen Umgang mit § 91 SGB V, Anlage XII, 04. Juli 2013 fektionen aus [1]. In Europa und den USA Protonenpumpenhemmern (PPI) [8,9]. 6. Chopra T, et al: Clin Transplant treten sie inzwischen doppelt so häufi g auf 2011;25(1):E82-7 Eine Subgruppenanalyse der Arbeits- wie Infektionen mit methicillinresistenten 7. Keddis, et al: Mayo Clin Proc gruppe um Prof. Dr. Oliver A. Cornely bei Staphylococcus aureus (MRSA)-Stämmen 2012;87:1046-53 Patienten mit aktiver Tumorerkrankung [2,3]. Nach Ansicht von Prof. Dr. Reinier 8. Kwok, et al: Am J Gastroenterol belegt nun, dass diese besonders von Fi- 2012;107:1011-1019 Mutters, Marburg, werden insbesondere daxomicin profi tieren [10]. In der Analyse, 9. Freedberg, et al: Am J Gastroenterol hoch-resistente Erreger weiter zunehmen. die auf Basis der Zulassungsstudien erstellt 2013;108:1794-1801 Der Experte forderte in Bremen die konse- wurde, war die mediane Zeit bis zum 10. Cornely OA, et al: J Clin Oncol quente Umsetzung von Infektionsschutzge- Sistieren der Diarrhö im Vergleich zu Van- 2013;31: 2493-9 setz und Hygieneverordnungen/-gesetzen comycin signifi kant um zwei Tage verkürzt 11. Vehreschild MJGT, et al: Annals of wie Screening, besondere Maßnahmen Oncology 2013;24:1189-202. (74 vs. 123 Stunden; p = 0,045). Die Hei- (Beispiel Isolierung), Schulung, adäquate lungsrate unter Fidaxomicin war höher Personalschlüssel oder Bündelstrategien (85,5 vs. 74%; p = 0,067) und die Rezidiv- Quelle: Lunchsymposium der Astellas (Beispiel ZVK) ein. Außerdem erinnerte rate halbiert (13,5 vs. 29,6%; p = 0,021). Pharma GmbH „Wichtige Aspekte bei noso- Mutters daran, Antibiotika intelligent und komialen Infektionen“ im Rahmen des 24. Somit war auch die anhaltende Heilungs- auf der Basis guter Leitlinien einzusetzen. Symposiums Intensivmedizin + Intensivpfl ege rate unter dem Makrozyklin mit 73,6% Bremen, 19. Februar 2014. Empfehlung und Bewertung (vs. 52,1%; p = 0,003) signifi kant höher von Fidaxomicin als unter Vancomycin. Gerade bei Patien- Eine dieser Leitlinien stammt von der Eu- ten mit Tumorerkrankungen sei das rasche ropean Society of Clinical Microbiology und anhaltende Sistieren einer Clostridium

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Abbildung 3 • Die Beteiligung des Faserstoffes am Hämostasevorgang war klar, aber seine Herkunft war strittig, und die Koagelbildung wurde – unter dem Einfluss natur­philosophischen Deu- tens medizinischer Phänomene – als Teil der Formierung von Körperge- weben missdeutet. Der Physiologe J. Müller vollzog ab 1830 den Schritt zur naturwissenschaft- lichen Ana­lyse medizinischer Vorgänge. In schlüssigen Versuchen wies er nach, dass Fibrin im Blut in einer gelösten Vor- stufe vorliegt. Für diese gelöste Vorstufe wurde von dem Pathologen R. Virchow 1845 und dem Arzt P.S. Denis 1856 der Terminus „“ vorgeschlagen. Ab 1836 hat der Arzt A. Buchanan Ge- rinnungsversuche mit sog. „fibriniferous­ liquids“ (Pleuraerguss, Hydrozelenin- halt) unter Serumzusatz gemacht und bereits 1845 eine enzymatische Aktivi- tät in diesem Prozess diskutiert. Damit war das Konzept des „“ im Der Beitrag von W. Hewson in deutscher Übersetzung. Ansatz erfasst – die Befunde blieben je- doch zunächst unbeachtet. Im Jahr 1843 beobachtete der Hämatologe G. Andral • Kontakt mit intakter Gefäßintima hält entdeckt und als „sludge“-Bildung im – neben anderen hämatologischen Phä- nomenen – den Fibrinverlust bei „Pyre- auch stagnierendes Blut lange flüssig. Schock beschrieben wurde. xien“ mit Hämorrhagie und beschrieb • Geschlagenes Blut bleibt flüssig, Glu- Das – trotz aller Erkenntnisse – noch damit die Verbrauchskoagulopathie in ten haftet am Stab. weitgehend fehlende Verständnis der der Sepsis. • Diverse Neutralsalze verhindern die pathophy­siologischen Zusammenhänge Gerinnung (Na-Zitrat als Zusatz zur Bis zum Jahr 1905 fand die Entwicklung von Schock und Hämostase lässt sich an Blut­transfusion wurde erstmals 1914 mit dem klassischen Gerinnungsschema zwei Beispie­len zeigen: von dem Arzt A. Hustin verwendet). des Internisten P. Morawitz (Abb. 4) ei- • Pathophysiologische Erklärung der • Bis weit ins 19. Jh. wurde für Patien- nen vorläufigen Abschluss [9]. Wichtige Ohnmacht durch exzessiven Ader- ten im Schock weiterhin der Aderlass Beiträge und Befunde auf dem Weg zu l­ass. empfohlen. diesem Konzept sowie der weiteren, im- • Beschreibung der Form der roten Blutkörperchen. Abbildung 4 • Untersuchungen zu Inflammation und Thrombose sowie zur Rolle der Thrombokinase + Ca++ „coagulable­ lymph“. • Allein die „coagulable lymph“ (der „Faserstoff“) – nicht die roten Blut- körperchen – bewirkt die Gerinnung. Prothrombin • Im Entblutungsversuch verläuft die Gerinnung phasisch („the blood to issue first clots last“), das zuerst aus- strömende Blut gerinnt zuletzt. • Beschreibung der Geldrollenbildung von Erythrozyten („in rouleau for- Fibrinogen Fibrin mation like guineas“) – die 1945 von Klassisches Gerinnungsschema nach P. Morawitz [9]. dem Anatomen M.H. Kniseley erneut

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mer differenzierteren Entwicklung sind Tabelle 1 in Tabelle 1 (Frühe Beiträge und Befunde Frühe Beiträge und Befunde zur Gerinnung. zur Gerinnung), Tabelle 2 (Beiträge­ und Befunde zur Rolle der Thrombozyten), Jahr Autor Beitrag Tabelle 3 (Beiträge und Befunde zur 1832 J. Müller Faserstoff (Fibrin) hat eine gelöste Vorstufe Rolle der Gefäßwand), Tabelle 4 (Bei- 1845 R. Virchow Vorstufe des (Fibrinogen) postuliert träge und Befunde zur Fibrinolyse) und 1856 P.S. Denis Fibrinogène nachgewiesen Tabelle 5 (Neuere Beiträge und Befunde 1860 A. Schmidt 1. Gerinnungsschule: Blutgerinnung = Enzymprozess zur Hämostase)­ zusammenfassend dar- 1872 A. Schmidt „Fibrinferment“ identifiziert gestellt. 1892 A. Schmidt Fibrinferment = Thrombin 1891 M. Arthus, C. Pagès, Kalzium setzt Thrombin aus einer inaktiven Vorstufe frei Aspekte zur Interaktion von C.A. Pekelharing Schock und Hämostase 1891 C.A. Pekelharing Zitrat bindet Kalzium und wirkt als Antikoagulanz

++ Bei Auswertung der historischen Quellen 1903 L. Sabbatine Nur ionisiertes Ca ist wirksam zum Zusammenhang der beiden Phäno- 1904 P. Morawitz Klassisches Gerinnungsschema, Thrombokinase (später: tissue factor) mene „Schock“ und „Gerin­nung“ sind bis zum Jahr 1900 nur ganz vereinzelte, punktuelle Berührungen nachweis­bar. Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahr- Tabelle 2 hunderts wurde dies kaum anders. Beiträge und Befunde zur Rolle der Thrombozyten.

So findet sich im historischen Teil des Jahr Autor Beitrag 1940 erschienenen Standardwerks von 1842 A. Donné, G. Gulliver, Entdeckung der Blutplättchen (Thrombozyten) J. Scudder „Shock-Blood Studies as a W. Addison Guide to Therapy“ lediglich der Hinweis, 1869 P. Mantegazza Blutplättchen sind an der Hämostase beteiligt dass J. Hunter 1776 über Schock und „incoagulability of blood in such condi- 1872 F.W. Zahn „Weißer Abscheidungsthrombus“ tions“ berichtet habe. Im selben Werk von 1882 G. Bizzozero Untersuchungen zu Thrombozyten und Thrombose J. Scudder wird zur Fibrinogen-Konzent- 1886 J. Eberth, „Visköse Metamorphose“ ration im Schock je ein erniedrigter Wert C. Schimmelbusch für den Insulin- und Metrazol-Schock 1886 M.C. Dekhuyzen Terminus „Thrombozyt“ angegeben, während ein entsprechender Hinweis für den „traumatic shock“ fehlt. Weiter prägte R.A. Peters 1945 den Be- Tabelle 3 griff der „biochemischen Läsion“ beim Beiträge und Befunde zur Rolle der Gefäßwand. Verbrennungstrauma „coincident with shock“ [11]. Jahr Autor Beitrag Letztlich wird in keinem Beitrag zum 1738 G.M. Lancisi Untersuchungen an Arterienstenosen: Wandbeschaffenheit, Adhäsion des Cruors und „ein Fehler der Blutflüssigkeit“ Thema Schock vor dem Jahr 1960 die führen zu Stagnation und Gerinnung Blutgerinnung­ als wesentlicher As- 1805 A.F.D. Jones Blutstillung = Gerinnselbildung + mechanischer Effekt pekt dargestellt oder auch nur erwähnt. (Arterienkontraktion und Wandabdichtung durch inflammato- Dieses Bild sollte sich im deutschen rische Gewebereaktion) und internationalen Schrifttum erst in 1856 R. Virchow Pathologischer Ansatz mit Trias der Thrombosebildung: den folgenden Jahren ändern. Im Jahr Störungen der Gefäßwand, der Blutströmung und der 1978 stellte H.G. Lasch das wachsende Blutzusammensetzung Verständnis der Interaktionen von 1857 E. Brücke Physiologischer Ansatz: Intakte Gefäßwand erhält Fluidität Schock und Hämostase dann wie folgt des Blutes dar [12]: „Das Substrat der vasculären Umstellung im Schock wird nun auch lichtmikrosko- Substrat und spricht von ‚disseminated den dynamischen Umsatz der Hämo­ pisch für den Morphologen fassbar. Wir intravascular coagulation‘­ (DIC) [1], stase in der Blutbahn, der alle physiolo- wissen heute, dass das plasmatische und Hans Selye beschreibt das Nebenein- gischen Kontrollmechanismen wie An- zelluläre System der Hämostase [dabei] ander von Gerinnseln und Blutung­ und tithrombine, RES, Clearance überspielt eine ausschlaggebende Rolle spielt. Do- bezeichnet es als ‚thrombo-hämorrha- oder durchbricht und reden von ‚Ver- nald McKay sieht das morphologische gisches Syndrom‘ [2] und wir [3] sehen brauchskoagulopathie‘.“

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Tabelle 4 Benison S, Barger AC, Wolfe EL: Walter B. Cannon and the Mystery of Shock: A Study Beiträge und Befunde zur Fibrinolyse. of Anglo-American Co-operation in World Jahr Autor Beitrag War I. Medical History 1991;35:216-249 1769 G.B. Morgagni Blut ist bei plötzlichem Tod oft ungerinnbar Brown A: Shock – An Historical Review. St. 1794 J. Hunter Bartholomews Hosp J 1972;76:297-303 1876 H. Vaquez „coagulations sanguines intravasculaires“ Duesberg R, Schroeder W: Pathophysiologie und Klinik der Kollapszustände. Leipzig: 1893 A. Dastré Spontanlyse von Gerinnseln nach hämorrhagischem Schock; Terminus „Fibrinolyse“ S. Hirzel; 1944 Greco E: La Shock, Evoluzione delle 1906 P. Morawitz Fibrinolytisch aktiviertem Blut fehlt Fibrinogen und es kann Fibrinogen und Fibrin aus Normalblut zerstören Conoszenze. In: Ars Medica per Saecula, Tom II. Bologna: Cappelli Edit; 1962 1905-1953 P. Nolf Fibrinbildung und Fibrinolyse sind simultan vorhanden Gersmeyer EF, Yasargil EC: Einleitung – Kurze 1916-1921 G. Sanarelli Beschreibung thrombo-hämorrhagischer Phänomene Geschichte des Schock. In: Gersmeyer EF, G. Shwartzman Sanarelli-Shwartzman-Reaktion Yasargil EC: Schock und hypotone 1936 S.S. Yudine Leichenbluttransfusionen Kreislaufstörungen. Stuttgart: Thieme; 1978 Häufige Ungerinnbarkeit nach Unfalltod Heinemann K: Historisches zur Begriffs­- 1936 W.J. Dieckmann Fibrinolyse bei peripartalen Hämorrhagien be­stim­mung von Schock und Kollaps. 1945 L.R. Christensen, Terminus „“, Münch Med Wschr 1938;34:1319-1322 C.M. MacLeod Plasminogen--Antiplasmin-System Klippe HJ: Historische Aspekte zu Klinik und Therapie des Schocks. In: 3. Lübecker Notfall-Symposium 1985. München: Tabelle 5 W. Zuckschwerdt; 1987:2-12 Neuere Beiträge und Befunde zur Hämostase. Klippe HJ, Albrecht C: Woher kommt der Begriff Schock? Anästhesiol Intensivmed Jahr Autor Beitrag Notfallmed Schmerzther 2001;36(Suppl 2): 1953 R. Marx Terminus „Haemostaseologie“ S79-S82 1954 H.G. Lasch „Latente Gerinnung“ Scudder J: Historical Developments in the „Latente Fibrinolyse“ Conception and Treatment of Shock, Sect XIV. In: Scudder J: Shock – Blood Studies as 1964 R.G. Macfarlane „Kaskadentheorie“ der Gerinnung O. Ratnoff, „Wasserfalltheorie“ der Gerinnung; später „intrinsischer Weg“ a Guide to Therapy. Philadelphia: Lippincott; E.W. Davie 1940:198-214 1959 H.G. Lasch „Verbrauchskoagulopathie“ Súteú I: General Introduction – History. In: Súteú I, Bandila T, Cafrita A, Bacur A, Candea 1959 R.M. Hardaway Disseminated Intravascular Coagulation: A Cause of Shock [10] V (Eds): Shock – Pathology, Metabolism, D.G. McKay Shock Cell, Treatment. Tunbridge Wells (GB): Abacus Press; 1977:1-50 Blut und Hämostase Hierzu die von H.G. Lasch Gerabek WE, Haage BD, Keil G, Wegner W Bauer A, Mall K: Hämostase, Thrombose und Embolie – Historische Konzepte zur Physio­ zitierte Literatur: (Hrsg): Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin: de Gruyter; 2005 logie und Pathologie der Blutgerinnung. 1. D.G. McKay: Disseminated intravascular Hämostaseologie 1995;15:92-99 coagulation. New York: Harper & Row; Laser S: Medizin und Körperpflege. 1965 In: Archaeologia Homerica, Kap S. Beck EA: Die klassische Blutgerinnungs­ Göttingen: Vandenhoek und Rupprecht; theorie. Inaugural-Dissertation, Medizinische 2. H. Selye: Thrombohemorrhagic pheno- 1983:S51-S188 Fakultät der Universität Zürich. Winterthur: mena. Springfield: C.C. Thomas; 1966 Keller; 1965 3. H.G. Lasch, H.J. Kreke, F. Rodriguez- Lenhardt F: Blutschau – Untersuchungen zur Entwicklung der Hämatoskopie. In: Beck EA: Historical Development of the Pro­ Erdmann, H.H. Sessner, G. Schütterle: thrombin Concept. In: Hemker HC, Veltkamp Verbrauchs­koagulopathien: Pathogenese Keil G (Hrsg): Würzburger Medizinhistorische Forschungen, Bd. 22. JJ (Eds): Prothrombin and Related Coagu­ und Therapie. Folia Haematologica; lation Factors. Leiden: Brill; 1975:15-24 Neue Folge, Bd 6 Okt 1961:325-331. Pattensen/Hannover; 1986 Buess H: Zur Entwicklung der Thrombose­ Leven KH: Antike Medizin – Ein Lexikon. lehre im 18. Jahrhundert. Schweiz Med Hinweise zu weiterführender München: CH Beck; 2005 Wschr 1954;29:776-781 historischer Literatur Schock Gulliver G: The works of William Hewson. Antike und Mittelalter Adams HA, Baumann G, Zander R: Die Introduction. History of research on the Diepgen P: Geschichte der Medizin in Definitionen der Schockformen – mehr als Clotting of Blood 1846. In: Seegers WH: 3 Bänden. Bd I, Berlin: de Gruyter; eine Fleiß­arbeit? Intensivmed Notfallmed Prothrombin (Reprint). Cambridge: Harvard 1949-1955 2001;38:539-540 Univ Press; 1962:615-632

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61. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin

Freitag, 9. Mai 2014, 12.00 - 14.00 Uhr Congress Center Leipzig, Saal Leipzig 3 (DAC)

Symposium von GE Healthcare Investition in Innovation Vorsitz: P rof. Dr. med. Weigand, Direktor Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Gießen Prof. Dr. Dr. med. Bauer, Stellv. Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Göttingen

Der Gesundheitsmarkt im Wandel Prof. Dr. med. Schmidt, Ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender, Universitätsklinikum Rostock Die richtige Wahl des Narkosegerätes: Teuer, billig oder kostengünstig? Prof. Dr. med. Hinz, Geschäftsfeldleiter Anästhesie, Universitätsklinikum Göttingen Automatisierte Narkosegasapplikation – eine effektive Unterstützung des Anästhesisten? Prof. Dr. Dr. med. Bauer, Stellv. Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Göttingen Messung der Narkosetiefe als Parameter der Patientensicherheit PD Dr. med. Grünewald, Oberarzt Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel (UKSH)

Monroe DM, Hoffman M, Roberts HR: biologischen Chemie und experimentel- Fathers of modern coagulation. Thromb Literatur len Pharmakologie 1905;4:307-422 Haemost 2007;98:3-5 1. Adams HA, Baumann G, Gänsslen A, 10. Hardaway RM, McKay DG: Disseminat­ Müller-Berghaus G: Das Konzept „Hämo­ Janssens U, Knoefel W, Koch T et al und ed intravascular coagulation; a cause of staseologie“ – Geschichte und Entwicklung. die IAG Schock: Die Definitionen der shock. Ann Surg 1959;149:462-470 In: Pötzsch B, Madlener K (Hrsg): Hämo­ Schockformen. Intensivmed Notfallmed 11. Peters RA: The biochemical lesion in staseologie. Berlin: Springer; 2010 2001;38:541-553 thermal burns. Brit Med Bull 1945;3: Owen CA Jr.: A History of Blood Coagula­ 2. Latta T: Letter from Dr. Latta, of Leith, 81-88 tion. Rochester: Mayo Foundation; 2001 dealing with Three Cases, of which one 12. Lasch HG: Klinik und Pathophysiologie Ratnoff OD: The Evolution of Knowledge was successful. Lancet 1832;18:370-373 des Schocks In: Schock und Intensiv­ about Hemostasis. In: Ratnoff OD, Forbes CH (Issue 460, 23 June 1832) medizin. Verhandlungen (1978) der (Eds): Disorders of Hemostasis. Philadelphia: 3. Landerer A: Ueber Transufion und Deutschen Gesellschaft für Pathologie. Saunders; 1996:1-22 Infusion. Virchows Archiv 1886;105: 62. Tagung in Wien. Stuttgart: G. Fischer; Roberts HR: Historical Review – Oscar 351-372 1979. Ratnoff: His Contributions to the Golden Age 4. Blum A: Du shock traumatique. Archives of Coagulation Research. Brit J Haematol générales de médicine 1876;XXVII:5-26 2003;122:180-192 5. Robertson OH: Transfusion with Korrespondenz- Rothschuh KE: Zur Geschichte der Physio­ preserved red blood cells. Br Med J adresse logie des Blutes in der ersten Hälfte des 19. 1918;1:691-695 Jahrhunderts. Klin Wschr 1941;20:621-624 6. Kestner O: Isovisköse physiologische Dr. med. Schröer H: Die Entwicklung der Hämostase­ Kochsalzlösung. Münch Med Wschr Heinz-Jürgen Klippe ologie.­ In: Dt. Ges. für Hämatologie, 1919;38:1086-1087 Boroviczeny KGv., Schipperges H, Seidler E 7. Hogan JJ: The intravenous use of (Hrsg): Einführung in die Geschichte der Hinter den Höfen 7 Hämatologie. Stuttgart: Thieme; 1974:80-98 colloidal (gelatin) solutions in shock. JAMA 1915;64:721-726 22885 Stellau Wöhlisch E: Die Blutgerinnung: Forscher und Faktoren. Schweiz Med Wschr 8. Hecht G, Weese H: Periston, ein neuer Tel.: 040 6778107 1954;29:774-776. Blutflüssigkeitsersatz. Münch Med Wschr Fax: 040 66853878 1943;90:11-15 c/o E-Mail: 9. Morawitz P: Die Chemie der Blutgerin­ [email protected] nung. Ergebnisse der Physiologie,

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Hämostase im Schock* Haemostasis in shock Part 2: physiology of haemostasis Teil 2: R.E. Scharf · H.A. Adams · G. Baumann · I. Cascorbi · M. Emmel · D. Fischer · aßgeschneidert Physiologie der Hämostase S. Flohé · D. Fries · A. Gänsslen · S. Geiger · A.R. Heller · F. Hildebrand · E. Klar · H.J. Klippe · L. Lampl · H. Prange · U. Rolle · A. Sarrafzadeh · T. Standl · M W. Teske · G. Werner · R. Zander – Sektion Schock der DIVI paßt

Ein Beitrag der Sektion Schock der DIVI einfach besser! Erleben Sie den Unterschied Zusammenfassung haemostatic mechanisms are maintained * Hämostase im Schock in a well-balanced equilibrium. Platelets Teil 1: Historische Aspekte Neu! unter Die Blutstillung wird durch ein koordi­ Anästh Intensivmed 2014;55:181-189 niertes Zusammenspiel zellulärer und induce initial sealing of the vascular www.rescuepro.de plasmatischer Komponenten gewährlei­ lesion by forming a haemostatic plug, stet. Unter physiologischen Bedingun­ mediate subsequent plasmic haemosta­ gen stehen hämostasefördernde und sis and contribute to wound healing. The Die einzigartige Abrechnungssoftware - maßgeschneidert hämostasehemmende Vorgänge in einer distinction of primary and secondary feinen Balance. Die Thrombozyten füh­ haemostasis follows the physiological für Anästhesist/Innen von Anästhesist/Innen. ren durch Bildung eines hämostatischen sequence of haemostatic events. Primary Pfropfs eine initiale Gefäßwandabdich­ haemostasis is controlled by platelet Gebührenfreie Hotline: 0800 – 112 1 112. Jetzt wechseln! tung herbei, vermitteln die nachfolgende functions (activation, adhesion and plasmatische Hämostase und tragen aggregation), succeded by activation of zur Wundheilung bei. Die Einteilung in the coagulation system with generation primäre und sekundäre Hämostase folgt of thrombin and subsequent conversion dem physiologischen Ablauf der Blutstil­ of fibrinogen into fibrin. A network of lung. Während die primäre Hämostase insoluble fibrin stabilizes the haemo­ von thrombozytären Funktionen (Ad­ static plug and prevents its detachment häsion, Aktivierung und Aggregation) by the flowing blood. In analogy to bestimmt wird, tritt nachfolgend eine coagulation,­ initiation of is Aktivierung des Gerinnungssystems mit triggered by specific activators and pro­ Thrombinbildung und Umwandlung von teases. Direct interactions of platelets, Fibrinogen in Fibrin ein. Unlösliches coagulation and fibrinolysis warrant a Fibrin umspannt den hämostatischen phase-oriented regulation of haemosta­ Propf wie ein Maschenwerk, stabilisiert sis kinetics. ihn und verhindert sein Abreißen durch den Blutstrom. Ebenso wie die Gerin­ Physiologie der Hämostase nung wird auch die Fibrinolyse über spezifische Aktivatoren und Proteasen Grundlagen ausgelöst. Direkte Wechselwirkungen zwischen den Thrombozyten sowie dem Nomenklatur Gerinnungs- und Fibrinolysesystem ge­‑ Schlüsselwörter währleisten eine phasengerechte Regu­ Nachfolgend werden die Termini Hämostase – Thrombozyten – lation der Hämostasekinetik. „Hämostase“ bzw. „Hämostasestö­ Thrombin – Fibrinogen – Fibrin – rung“ verwendet, wenn der gesamte Fibrinolyse Summary Blutstillungsapparat mit seiner zellu- Keywords Haemostasis is achieved by coordinated lären und plasmatischen Kompo­ Haemostasis – Platelets – interactions of cellular and plasmic nente gemeint ist. Die Begriffe „Ge­ Thrombin – Fibrinogen – Fibrin – components. Under physiological rinnung“ bzw. „Gerinnungsstörung“ Fibrinolysis contitions, pro-haemostatic and anti- werden dieser Komplexität nicht ge­

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recht, da sie sich nur auf die plasma­ einen komplexen Apparat entwickelt. Hierzu zählen: tischen Komponenten beziehen, die Seine Funktionen gewährleisten, dass • die Gefäßwand – mit Endothel, Sub­ lediglich einen Teil des Gesamtsys­ nicht schon banale Schnittverletzungen endothel, Vasomotoren und Media; tems darstellen. zum Verbluten führen. Dies setzt voraus, • das Megakaryozyten-Thrombozyten dass der Blutstillungsmechanismus bei (Blutplättchen)-System; Bedarf aktiviert und danach wieder Diese Differenzierung hat diagnosti­- • das Gerinnungssystem – mit Gerin­ inaktiviert wird. Hierzu bedarf es ge‑­ sche und therapeutische Implikationen. nungsfaktoren und -inhibitoren (wie nau gesteuerter Regelkreise, die hämo­‑ Mit routinemäßig durchgeführten Ge­ , , Protein S); stasefördernde und gegenläufige hä­ rinnungs­suchtests wie aPTT (aktivierte • das Fibrinolysesystem – mit Fibrino­ mostasehemmende Prozesse in ei­nem partielle Thromboplastinzeit), Prothrom- lysekomponenten und -inhibitoren fein austarierten Gleichgewicht, der binzeit (nach Quick) bzw. INR (Inter­ (wie Antiplasmin). hämostatischen Balance, halten. national Normalized Ratio), und TZ Zum Hämostaseapparat gehört physio­ Wie andere biologische Systeme hat (Thrombinzeit) sowie der Fibrinogen- logisch wie pathophysiologisch auch auch die Hämostase ihre Kehrseite: Wird Konzentration werden lediglich plas­ das Monozyten-Makrophagen- bzw. die Blutstillung zur falschen Zeit am matische, aber nicht thrombozytäre retikuloendotheliale System (RES). Im falschen Ort in Gang gesetzt, kann eine Hämostasestörungen erfasst. Isolierte RES werden gealterte oder (bei Immun­ plas­matische Hämostasestörungen (= Thrombose und – bei Verschleppung thrombotischen Materials in andere Ge­ thrombozytopenien) antikörperbeladene Ge­rinnungsstörungen) sind entgegen weit Thrombozyten, aktivierte Gerinnungs­ verbreiteter Auffassung selten und fäßabschnitte – eine Embolie resultieren. faktoren mit ihren Gegenspielern (z.B. machen bei präoperativen unselektio­ Thrombin-Antithrombin-Komplexe) sowie­ nierten Patienten weniger als 1% aus [1]. Die Blutstillung wird durch ein koor­ diniertes, empfindlich geregeltes Zu­ Fibrinolysekomponenten und deren De­‑ Komponenten und hämostatisches sammenspiel zellulärer und plasma­ gradationsprodukte aus dem Kreislauf Gleichgewicht tischer Komponenten gewährleistet. eliminiert. Eine herabgesetzte Clearance­ Mit dem Hämostasesystem hat die Natur funktion des RES verstärkt komplexe

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Abbildung 1 Unter physiologischen Bedingungen stehen hämostasefördernde und hä­ mostasehemmende Vorgänge in ei­ ner fein austarierten Balance.

Primäre Hämostase Sekundäre Hämostase Vereinfacht dargestellt fördern Thrombo­ Plättchenadhäsion Gerinnungsaktivierung zytenadhäsion, Thrombozytenaggrega­ Plättchenaktivierung Thrombingenerierung tion und Fibrinbildung die Hämostase, Plättchenaggregation Fibrinbildung während antiaggregatorische Mechanis­ „Hemostatic plug“ Plättchen-Fibrin-Thrombus men, Inhibition der Fibrinbildung und Fibrinolyse die Hämostase hemmen (Abb. 2). Defizite, Defekte und genetisch determi­ nierte Varianten plasmatischer oder zel­ lulärer Hämostasekomponenten können zur Dysbalance führen und Blutungen Ablauf der Hämostase. oder Thrombosen hervorrufen. Dies lässt sich pathophysiologisch am Beispiel der Thrombophilie veranschaulichen: An­‑ Hämostasestörungen, wie sie bei akuten Die Einteilung in primäre und sekundäre geborene oder erworbene Mangelzu­ oder chronischen Lebererkrankungen Hämostase folgt dem physiologischen stände an Antithrombin, Protein C oder (fulminante Hepatitis, Leberzirrhose) mit Ablauf der Blutstillung (Abb. 1). Wäh­ Protein S führen – ebenso wie bestimmte hepatozellulären Synthesedefekten und rend die erste Phase von thrombozytären Autoantikörper beim Antiphospholipid- eingeschränkter Bildung nahezu aller Funktionen (Adhäsion, Aktivierung und Syndrom („Lupusantikoagulans“) – zu Gerinnungs- und Fibrinolysekomponen­ Aggregation) bestimmt wird und zur Bil­ einer prothrombotischen Verlagerung des ten vorliegen [2,3]. dung eines hämostatischen Pfropfs („hae­ hämostatischen Gleichgewichts. Auch Die Blutstillung wird auch durch die Hä­ mostatic plug“) führt, tritt nachfolgend genetische Polymorphismen bestimmter morheologie beeinflusst. Bei normalem eine Aktivierung des Gerinnungssystems Gerinnungsfaktoren (F), z.B. Mutationen Hämatokrit werden Thrombozyten (und mit Thrombinbildung und Umwandlung von Prothrombin oder F V, können als Leukozyten) durch die Erythrozyten­ von Fibrinogen in Fibrin ein. Unlösliches (funktionsfördernde) „gain-of-function“- masse im Strömungsprofil des Blutes an Fibrin umspannt den hämostatischen Varianten ein prokoagulatorisches Über‑­ den Rand gedrängt. Diese Lateralisierung Propf wie ein Maschenwerk, stabilisiert gewicht bedingen und venöse Thrombo­ zirkulierender Thrombozyten begünstigt ihn und verhindert sein Abreißen durch embolien verursachen. Umgekehrt gibt ihren Kontakt zur Gefäßwand und damit den Blutstrom. es etliche genetische Defekte, die als die primäre Hämostase. Dazu liegen sowohl In-vitro- [4] als auch In-vivo- Abbildung 2 Befunde vor [5]. Klinisch wurde gezeigt, dass die bei renaler Anämie häufig bestehende hämorrhagische Diathese durch Anhebung des Hämatokrits und die dadurch geänderten Fließeigenschaf­ Plättchenadhäsion ten des Blutes gemildert wird [6]. Hämostasefördernd Plättchenaggregation Darüber hinaus trägt eine reaktive Vaso­ Fibrinbildung konstriktion zur Blutstillung bei. Fibrinolyse Hämostasehemmend Antiaggregatorische Mechanismen Eine effektive Blutstillung setzt das Inhibitoren der Fibrinbildung koordinierte Zusammenspiel von primärer (= zellulärer) und sekun­ därer (= plasmatischer) Hämostase voraus.

Hämostatisches Gleichgewicht und beteiligte Vorgänge.

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(funktionsmindernde) „loss-of-function“­ - Gefäßendothel – limitiert. Dagegen führt die als spezifische Bindungsregionen für Varianten die Balance in Richtung eine Endothelschädigung mit Freilegung die Interaktion mit F VIII, Kollagen, GP hämorrhagische Diathese verschieben. subendothelialer Matrixstrukturen sofort Ibα und GP IIb-IIIa dienen. Hochmole­ Beispiele sind die Hämophilie A oder zu einer Adhäsion von Thrombozyten kulare vWF-Multimere haben eine hohe B und das angeborene von-Willebrand- an die Gefäßwandläsion [7,8]. Dieser hämostatische Kapazität, da sie – ver­ Syndrom. Schritt ist für die Hämostase und die glichen mit niedermolekularen Formen Thrombogenese gleichermaßen kritisch, Angeborene Defekte der primären und – ein Vielfaches solcher Bindungsstellen da Thrombozytenreaktionen nicht zwi­ sekundären Hämostase besitzen. schen traumatischer, degenerativer und Angeborene Defekte können als Natur­ inflammatorischer Gefäßwandschädi­ Der vWF ist in Organellen von Endo­ modelle („humane knockout“-Modelle) gung unterscheiden [7]. Daher können thelzellen (Weibel-Palade-Bodies) dienen. Eine hämorrhagische Diathese Thrombozyten auch infolge degenera­ und Thrombozyten (α-Granula) ge­ kann sowohl durch hereditäre Störun­‑ tiver oder entzündlicher Gefäßprozesse speichert und wird aus diesen Orga­ gen der Thrombozytenfunktion (Throm­ (z.B. im Bereich arteriosklerotischer bozytopathien) mit defekter primärer Läsionen) okkludierende Thromben her­ nellen ins Plasma freigesetzt. Hämostase als auch durch angeborene­ vorrufen. Mangelzustände bestimmter Gerin­ Aktivierte Thrombozyten sezernieren nungsfaktoren – etwa des F VIII oder F IX von-Willebrand-Faktor vWF, wobei es sich hier um ein vor­ bei Hämophilie A oder B – mit defekter Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist rangig lokales Phänomen handelt. Die sekundärer Hämostase hervorgerufen ein außergewöhnliches multimeres physiologische Konzentration des vWF werden. Die jeweils andere Komponente Adhäsivprotein. Abhängig von der im Plasma beträgt um 10 μg/ml. Durch des Hämostaseapparats ist dabei intakt. Anzahl der Monomere erreicht der das Vasopressin-Analogon Desmopressin Hämorrhagische Phänotypen vWF die enorme Molekülgröße von kann die Freisetzung des vWF aus sei­‑ Der hämorrhagische Phänotyp kann bis zu 20.000 kD. Es ist der größte nem endothelialen Speicherkomparti­ wegweisend zur klinischen Einordnung lösliche Eiweißkörper des menschli­ ment pharmakologisch induziert werden. chen Organismus und kann einen der Hämostasestörung und gezielten Nach Sekretion des vWF in die Blut­ Thrombozyten in seiner Zirkumfe­ Labordiagnostik sein: bahn wird das hochmolekulare Protein • Petechien und mukokutane Blutungen renz umspannen. durch eine spezifische Metalloprotease mit unscharf begrenzten Häma­tomen (ADAMTS13) degradiert. Fehlt diese bei thrombozytären (oder seltenen Als multifunktionelles Protein spielt der Protease oder ist sie durch inaktivie­‑ vaskulären) Defekten, vWF eine zentrale Rolle im Hämostase­ rende Antikörper ausgeschaltet, resultie­ • scharf abgegrenzte Hämatome bei system: ren supranormale vWF-Multimere, die plasmatischen Hämostasestörungen, • Vermittlung der Thrombozytenad­ zu arteriellen Thrombosen in der Mi­ • Gelenk- und Weichteileinblutungen häsion an das Subendothel im Be‑­ krozirkulation führen können und z.B. bei Hämophilie. reich von Gefäßläsionen; hierbei bei thrombotisch-thrombozytopenischer kommt es nach Bindung des vWF an Primäre Hämostase Purpura auftreten [9]. Besteht hinge­‑ Kollagen zur spezifischen Interaktion gen bei abnormer Hämodynamik mit Thrombozyten mit Glykoprotein (GP) Ibα, einem Be­‑ pa­­tho­logisch erhöhten Scherkräften – standteil des thrombozytären GP typi­scherweise bei hochgradiger Aor­‑ Zur physiologischen Funktion der Ib-IX-V-Rezeptorkomplexes. ten­klappenstenose – eine gesteigerte Thrombozyten (Abb. 3) gehört, durch • Vermittlung der Thrombozytenag­ Emp­findlichkeit des vWF gegenüber Bildung eines hämostatischen Pfropfs gregation in Gefäßarealen mit hohen eine initiale Gefäßwandabdichtung Scherraten (Mikrozirkulation, Arte­ ADAMTS13, werden die hochmoleku­ herbeizuführen, die nachfolgende riolen, arterielle Stenosen); hierbei laren vWF-Multimere derart vermehrt plasmatische Hämostase zu vermit­ wird vWF im Plasma an den GP degradiert, dass eine Blutungsneigung teln und zur Wundheilung beizu­ IIb-IIIa-Rezeptor (Integrin αIIbβ3) der resultiert [10]. Dieses Beispiel illustriert, tragen. Thrombozyten gebunden. wie das hämostatische Gleichgewicht in • Trägerfunktion durch Bindung von beide Richtungen verschoben werden kann, hier über die Stellgröße vWF-Mul­ Thrombozyten sind kernlose, den Mega­ F VIII; hierdurch wird zirkulierender karyozyten des Knochenmarks entstam­ F VIII vor dem vorzeitigen Abbau timere infolge fehlender oder erhöhter mende Zellelemente. Nach Eintritt in (z.B. durch das Protein C-System) ADAMTS13-Aktivität. die Blutbahn bleibt ihre Interaktion mit geschützt. Ein von-Willebrand-Syndrom [11] kann der Gefäßwand unter physiologischen Die Monomere des vWF weisen ver­ durch quantitative oder qualitative Stö­ Bedingungen – das heißt bei intaktem schiedene funktionelle Domänen auf, rungen des vWF hervorgerufen werden.

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Ablauf der primären Hämostase Komplex mit einer essenziellen Bin­ adhäsive Plasmaproteine (in Abbildung dungsstelle für vWF (gebunden an Kolla­ ­‑ 3 am Beispiel von vWF und Fg veran­ Als Antwort auf eine Gefäßwandver­ gen), GP VI und GP Ia-IIa (Integrin schaulicht). α2β1), die beide direkt mit Kollagen letzung werden zirkulierende Throm­ 6. In vivo wird die Thrombozytenakti­ interagieren, sowie GP IIb-IIIa (Integrin bozyten im Bereich der Läsion sofort vierung bei einer Gefäßwandverletzung αIIbβ3), das in seiner Ruheform lokal rekrutiert und aktiviert. durch die Adhäsion direkt ausgelöst. Sie adsorbiertes Fibrinogen und Fibrin er­ wird durch Freisetzung von Agonisten kennt [12]. wie Adenosindiphosphat (ADP), Seroto­ Die initiale Thrombozyten-Gefäßwand- 3. Infolge zahlreicher Rezeptor-Ligand- nin und Thromboxan A2 (TXA2) aus sti­ Interaktion und Thrombinbildung weist Interaktionen heften sich Thrombozyten mulierten Thrombozyten beschleunigt. eine typische Sequenz von Interaktions- an und werden durch ein von außen Außerdem kommt es bei der Aktivierung und Aktivierungsschritten auf (siehe nach innen (in den Thrombozyten) und Sekretion zur Expression von Neo- Nummerierung in Abbildung 3): gerichtetes Signal aktiviert („outside-in Epitopen auf der Thrombozytenober­ 1. Bei einer Endothelverletzung tritt in-­­ signaling“). fläche (in Abbildung 3 am Beispiel von nerhalb von Millisekunden eine Adhä­‑ 4. Während nichtaktiviertes GP IIb-IIIa p-Selektin illustriert). sion zirkulierender (ruhender) Thrombo­ lösliche Plasmaproteine kaum zu binden zyten an das freigelegte Subendothel vermag, werden jetzt aktivierte Rezep­ 7. Nach ihrer Aktivierung bilden die auf. Die extrazelluläre Matrix des Sub­ tormoleküle auf der zum Gefäßlumen Thrombozyten eine katalytische Mem­ endothels enthält verschiedene Kompo­ hin gerichteten Thrombozytenoberfläche branoberfläche zur Aktivierung von F X nenten, an die Proteine aus dem Plasma exprimiert, die hochaffine Bindungsstel­ (durch den „Tenase“-Komplex; „Ten“ – wie vWF und Fibrinogen (Fg) – binden. len für Fg, vWF, Thrombospondin (TSP), steht für F X) und F II (durch den Dabei erfahren vWF und Fg spezifische Vitronektin (Vn) und Fibronektin (Fn) im Prothrombinase-Komplex). Die Gerin­‑ Konformationsänderungen, die ihrerseits Plasma darstellen [7,12]. nungsaktivierung führt zur lokal begrenz­ Interaktionen mit korrespondierenden 5. Nachdem sich eine erste Schicht ten Bildung von Thrombin. Die initial Rezeptoren auf der Thrombozytenober­ adhärierender und sodann aktivierter geringen Konzentrationen von Throm­ fläche auslösen [7]. Thrombozyten auf der thrombogenen bin beschleunigen die Rekrutierung, Aktivierung und Einbeziehung weiterer 2. Korrespondierende Thrombozyten­re­‑ Oberfläche gebildet hat, binden akti­ Thrombozyten in das Thrombozyten­ zeptoren sind GP Ibα im GP Ib-IX-V- vierte GP IIb-IIIa-Rezeptoren in der Folge aggregat und induzieren die Bildung von Fibrin (siehe Abschnitt „Sekundäre Abbildung 3 Hämostase“), das den hämostatischen Thrombozytenpfropf stabilisiert. Die Ver‑­ Thrombin ADP, Serotonin 7 festigung („clot retraction“) des Throm­ Abfolge der Ereignisse bozyten-Fibrin-Thrombus erschwert des­ TXA2 (von unten nach oben) Aktiviertes sen partielle oder komplette Ablösung p­Selectin 6 7. Prokoagulat. Aktivität Plättchen von der Gefäßwand durch den Blutstrom 6. Sekretion (‚release‘) [7,12,13]. 5. Plättchen­Aggregation GPIIb­IIIa aktiviert 4. Plättchen­Aktivierung 3. Signal­Transduktion Plasma Fg 5 Sekundäre Hämostase 2. Plättchen­Adhäsion 1. Vaskuläre Läsion GPIIb­IIIa aktiviert 4 Das bereits im Jahr 1964 formulierte Ruhendes Kaskadensystem der Blutgerinnung Plättchen Outside-in signal 3 [15,16] hat in seinen Grundzügen GPIb­IX­V GPVI GPIa­IIa GPIIb­IIIa ruhend noch heute Bestand (Abb. 4). Ebenso 2 immobilisiertes Fg wie die Gerinnung läuft auch die Ak­ vWF EC EC 1 tivierung der Fibrinolyse über Pro­ Kollagen teasen ab. Direkte Querbeziehungen Subendothel zwischen Gerinnungs- und Fibrinoly­ sesystem gewährleisten unter phy­ Rekrutierung und Aktivierung zirkulierender Thrombozyten (Plättchen) nach Gefäßwandläsion. siologischen Bedingungen eine Sequenz initialer Plättchenreaktionen und Mechanismen der primären (1-6) und sekundären Hämo­ phasen­gerechte Regulation der Hä­ stase (7) bis zur Bildung eines Plättchen-Fibrin-Thrombus, der die effektive Blutstillung gewährleistet (aus [14]). mostasekinetik [17]. Hierbei nimmt EC = endothelial cell, Endothelzelle. Weitere Erläuterungen siehe Text. Thrombin eine zentrale Rolle ein.

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Abbildung 4 Oberfläche beschleunigt die kata­ lytischen Prozesse extrem und stei­ FVII FVII Tissue factor (TF) gert die Thrombinbildung mehr als 300.000fach. XIIa • Voraussetzung für die Ca++- abhän­ gige spezifische Bindung von Ge­rin­ XIa TF / FVIIa nungsfaktoren an negativ geladene PL auf Zelloberflächen sind kalzium­ FIX FIXa FVIIIa FVIII / vWF bindende Domänen der Gerinnungs­ faktoren. Dies setzt negativ geladene FVa FV FX FXa FXIII Gruppen voraus, die für die Vitamin- K-abhängigen Faktoren (F II, F VII, Prothrombin (FII) Thrombin (FIIa) F IX, F X) sowie die Gerinnungsinhi­ FXIIIa bitoren (Protein C, Protein S) durch γ-Carboxylierung (Einführung einer Fibrinogen Fibrin COO--Gruppe) endständiger Gluta­ minsäurereste, für andere Gerin­ nungsfaktoren durch posttranslatio­ nale Modifikationen erreicht werden. Unterbleibt die γ-Carboxylierung bei Auslösung, Verstärkung und Ausbreitung (Initiierung, Amplifikation und Propagierung) der Gerin­ Vitamin-K-Mangel, werden funktio­ nungskaskade. Entscheidend für die Initiierung ist die extrinsische Aktivierung von F VII durch Bin­ dung an Tissue Factor, der den Rezeptor für F VII und F VIIa darstellt. Für die Amplifikation und nell defekte F II, F VII, F IX und F X Propagierung sind intrinsische (F XIIa, F XIa, F IXa) und weitere Verstärkermechanismen (F VIIIa, synthetisiert (sog. PIVKA; proteins F Va) essentiell. Erst sie gewährleisten eine explosionsartige Beschleunigung („burst“) der in­duced by vitamin K absence), Thrombinkata­lyse mit resultierender Gerinnselbildung nach Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin. F = Gerinnungsfaktor und die Gerinnungsaktivierung ist gehemmt. Hierauf basiert die phar­ Inset: Konfokale Darstellung des Fibrinnetzwerks nach Inkubation fluoreszenzmarkierten Fibrino­ gens mit Thrombin in vitro. Die Aufnahme wurde dankenswerterweise von Dr. M. Hermann, Klinik makologische Hemmung der plas­ für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, Universität Innsbruck, zur Verfügung gestellt. matischen Hämostase durch orale Vitamin-K-Antagonisten. Die Halbwertszeiten (HWZ) Vitamin-K- Bleibt die Gefäßläsion nicht auf einen nungskaskade (F IX  F IXa) tritt dann abhängiger Gerinnungsfaktoren (F VII Endotheldefekt beschränkt (Abb. 3), eine explosionsartige Beschleunigung der 2-5 h, F IX 20-24 h, F X 32-48 h, F II sondern erreicht auch tiefere Schichten Thrombinbildung („thrombin burst“) 48-120 h) im Vergleich zu nicht Vitamin­ - (glatte Gefäßmuskelzellen, Fibroblasten), ein [18]. K-abhängigen Faktoren (F V 15-36 h, F VIII 9-18 h, F XI 40-80 h, Fibrinogen wird Tissue Factor (TF; früher Gewebs­ Die Prozesse der Gerinnungsaktivierung [F I] 72-96 h und F XIII 12 Tage) sind thromboplastin) vermehrt freigesetzt. (Initiierung, Amplifikation und Propa­ klinisch relevant [19]. Änderungen der TF stellt den hochaffinen Rezeptor für gierung = Auslösung, Verstärkung und F VII-Aktivität zeigen demnach am emp­ F VII und seine aktivierte Form (F VIIa) Ausbreitung) laufen nicht frei im Plasma, findlichsten einen Vitamin-K-Effekt bzw. dar. F X als Substrat wird durch diesen sondern auf der Oberfläche aktivierter Antagonismus (bei oraler Antikoagula­ Enzymkomplex (extrinsische Tenase) zu Thrombozyten ab. Die Thrombozyten­ tion mit Vitamin-K-Antagonisten) an. Für F Xa aktiviert. In der Folge bindet F Xa membran erfährt bei Stimulation eine Protein C (PC) beträgt die HWZ 10 h, an seinen membranassoziierten Partner Umverteilung, bei der bestimmte Phos­ für aktiviertes PC (APC) <25 min. F Va, der auch von Thrombozyten und pholipide (PL) enzymvermittelt („Flop- Endothelzellen bereitgestellt wird. Nur pase“) von innen nach außen wechseln Da die Gerinnungsfaktoren und ihre in dieser Konstellation wird Prothrom­ („flip-flop“) und nun eine katalytische Inhibitoren (ebenso wie die Fibrinolyse­ bin (F II) durch den Prothrombinase- Oberfläche („platelet procoagulant komponenten und ihre Gegenspieler) Komplex zu Thrombin (F IIa) aktiviert acti­vity“) für Gerinnungsfaktoren bilden in der Leber synthetisiert werden, ist (Abb. 4). Hierbei entstehen zunächst nur (siehe Nr. 7 in Abbildung 3). die Bestimmung der Prothrombinzeit minimale Konzentrationen an Thrombin. • Die Bildung des Tenase- (F IXa-VIIIa- (nach Quick) ein sensitiver Indikator Über positive thrombininduzierte Rück­‑ Ca++- PL) und Prothrombinase-Kom- der hepatozellulären Synthesekapazität kopplungsschleifen (F V  F Va; F VIII plexes (F Xa-Va-Ca++- PL) und die – vorausgesetzt, dass kein Vitamin-K-  F VIIIa) und Verstärkermechanismen sterisch optimale Anlagerung der Mangel vorliegt und keine Therapie über den intrinsischen Teil der Gerin­ Reaktionspartner auf der gleichen mit Vitamin-K-Antagonisten erfolgt.

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spezifisch, sondern postoperativ und Zur Dif­ferenzialdiagnose Synthese­ Fibrinolyse bei einer Vielzahl klinischer Zustände defekt vs. Vitamin-K-Mangel eignet und Erkrankungen (Blutung, Trauma, sich die Ak­tivitätsbestimmung nicht Parallel zur Bildung eines Fibringe­ Tumorkrankheit, Entzündung, Schwan­ Vitamin-K-abhängiger Komponenten rinnsels bzw. Fibrinnetzwerks, das wie F V oder Antithrombin. ein Thrombozytenaggregat gegen­ gerschaft) erhöht. über der Blutströmung stabilisiert, wird zeitversetzt der Abbau des ent­ Neuere Modelluntersuchungen zeigen, standenen Fibrins initiiert. Die Bestimmung der D-Dimere eignet dass eine Initiierung der Gerinnung sich weniger für den Nachweis als über den extrinsischen Weg auch ohne vielmehr für den Ausschluss venöser Entscheidend für die Kinetik der physio­ Endothelschädigung erfolgen kann. Thromboembolien; das sensitive Ver­ logischen Fibrinolyse ist ihr verzögerter Zu dieser Aktivierung tragen sowohl fahren hat einen hohen negativen Beginn [17]. Der durch verschiedene Tissue Factor (TF) aus aktivierten Mono­ prädiktiven Wert [24]. Agonisten – u.a. Thrombin – aus Endo­‑ zyten als auch thrombozytäre und mono­‑ thelzellen freigesetzte tissue-type-Plas­‑ zytäre Mikropartikel (Abschnürungen minogen-Aktivator (t-PA) bindet gemein­ Plasmininduzierte Fibrinfragmente be­ von Zellmembranen; Größe dieser Mem­ sam mit Plasminogen an das entstandene sitzen C-terminale Lysinreste, die über branfragmente <1 µm) bei [20]. Dies Fibrin, wodurch eine fibrinabhängige erklärt u.a. die Aktivierung des plas­ Wechselwirkungen der Lysinbindungs­ Proteolyse erreicht wird. In der Folge matischen Hämostasesystems bei Bak­‑ stellen von Plasminogen und t-PA die katalysiert dieser lokal geformte Multi­ teriämien und Sepsis. Diagnostisch lässt Interaktion des Multienzymkomplexes komponenten-Enzymkomplex aus t-PA sich mittels Durchflusszytometrie ein mit dem Gerinnsel verstärken und so (Enzym), Plasminogen (Substrat) und erhöhter Gehalt an Thrombozyten-Leu­ zur Amplifikation und Propagierung der Fibrin (Kofaktor) die Bildung von Plasmin, kozyten (Monozyten)-Konjugaten im Blut Fibrinolyse führen [17]. Unter physio­ dem Schlüsselenzym der Fibrinolyse. nachweisen. logischen Bedingungen bleibt die Plas­ Plasmin spaltet Fibrin an definierten minbildung aber lokal begrenzt, da eine Molekülabschnitten; es entstehen Fi­ Der Faktor XII spielt für die Blutstil­ effektive Plasminogenaktivierung durch brin­fragmente bzw. Fibrinspaltprodukte lung keine Rolle. t-PA nur nach Bindung an Fibrin erreicht (FSP), die ihrerseits profibrinolytisch wird. Eine systemische Plasminämie wirken und die Polymerisation von Fibrin wird außerdem durch weitere regulato­ Ein F XII-Mangel verlängert zwar deut­ durch F XIII hemmen. Typische plasmin­ lich die aPTT, führt aber nicht zu Blu­‑ induzierte Degradationsprodukte sind rische Mechanismen und Gegenspieler tungen. Im Knockout-Modell der Maus die D-Dimere (Abb. 5), mit weiterer verhindert. Hierzu zählen TAFI (Throm­ (F XII-/-) konnte jedoch ein schwerer Gerinnselauflösung auch quervernetzte bin-aktivierbarer Fibrinolyse-Inhibitor), Defekt der arteriellen Thrombusbildung D-Dimere. Sie dienen diagnostisch als PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor) gezeigt werden, so dass eine F XII- empfindlicher Indikator einer Throm­ und α2-Antiplasmin mit Bildung von vermittelte Fibrinbildung essenziell für busbildung, sind aber nicht thrombose­ Plasmin-Antiplasmin (PAP)-Komplexen. die Thrombusstabilisierung sein dürfte [21]. Damit wäre F XII eine ideale pharmakologische Zielstruktur, um die Abbildung 5 arterielle Thrombogenese selektiv – ohne Beeinträchtigung der physiologischen Blutstillung – zu blockieren. Bei allen Aktivierung der Aktivierung der Gerinnung Fibrinolyse bislang verfügbaren Antithrombotika, ob mit antikoagulatorischer oder antithrom­ bozytärer Wirkung, wird die antithrom­ botische Potenz um den Preis erhöhter Blutungsraten und komplikationen er­‑ Thrombin Plasmin kauft [22]. Dieses Dilemma wäre über eine selektive F XII-Blockade zu lösen [23]. Ob F XII-Mangel beim Menschen D­Dimere vor arteriellen Thromboembolien tat­säch­- Fibrinogen Fibrin lich schützt, wird gegenwärtig unter­ sucht. Aktivierung der Fibrinolyse und Bildung plasmininduzierter Fibrinspaltprodukte.

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Tabelle 1 • Stimulator der genannten Amplifi­ka- Stadien und Befundkonstellationen bei disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC). Diese Phasen ­tionsmechanismen, können mit unterschiedlicher Dynamik ablaufen. • einziger Gerinnungsfaktor, der Throm­‑ bozyten aktiviert und Stufe Laborbefunde • Induktor der Fibrinolyse. Stadium I Abfall der Thrombozyten, Verkürzung von aPTT und TZ Hyperkoagulabilität Der Organismus verfügt über mehrere Stadium II Weiterer Abfall der Thrombozyten, aPTT und TZ normal bis verlängert, Mechanismen, um die Thrombinbildung Phase der DIC Abfall von Quick-Wert und Einzelfaktoren, FSP nachweisbar zu steuern, lokal zu limitieren und den Stadium III aPTT und TZ deutlich verlängert, weiterer Abfall von Quick-Wert und Thrombin-„Burst“ einzudämmen. Ge­ Plasminämie Einzelfaktoren (insbesondere von Fibrinogen), FSP deutlich erhöht genspieler von Thrombin ist zunächst Stadium IV Massive Thrombozytopenie, Hypofibrinogenämie, Quick-Wert und Antithrombin (AT; früher AT III). Durch Dekompensation Einzelfaktoren drastisch vermindert, aPTT und TZ nicht messbar Bildung von Thrombin-Antithrombin

aPTT = aktivierte partielle Thromboplastinzeit; FSP = Fibrin- und Fibrinogen-Spaltprodukte; (TAT)-Komplexen wird lösliches, gerin­ TZ = Thrombinzeit. nungsaktives Thrombin inhibiert. Die AT-vermittelte Hemmung reicht aber nicht aus. Um Thrombin zu eliminieren, seine prokoagulatorischen Effekte „abzu­ Pathologisch gesteigerte Fibrinolysen Kontrolle von Hämostase und schalten“ und nach erfolgter Blutstillung führen zur Degradation von Fibri­ Fibrinolyse das hämostatische Gleichgewicht wie­ nogen mit ausgeprägter Hypofibri­ derherzustellen, hat die Natur mit dem nogenämie und deutlichem Anstieg Hämostase und Fibrinolyse werden Thrombomodulin- und Protein C-System plasmininduzierter Fibrinogen-Spalt- durch negative Feedback-Mechanis­ wirksame Mechanismen entwickelt. Sie produkte. men reguliert. bedingen eine Produkthemmung der Thrombinbildung und initiieren eine • Primäre Hyperfibrinolysen – infolge intrinsische Antikoagulation. massiver Freisetzung von Plasmino­ Thrombin nimmt im Hämostasesystem • Thrombomodulin (TM) ist ein en­ gen -Aktivatoren ohne vorausgehende eine zentrale Rolle ein als dothelialer Rezeptor, der mit hoher Hämostaseaktivierung und Throm­ • Schlüsselenzym der Gerinnselbildung Affinität freies gerinnungsaktives benbildung – sind selten und treten (Umwandlung löslichen Thrombin bindet, womit Thrombin vorwiegend als postpartale oder pe­‑ in unlösliches Fibrin), seine prokoagulatorische Wirkung rioperative Komplikationen auf. Bei‑­ spiele sind die atonische Nachblu­ tung und das Prostatakarzinom mit Abbildung 6 Freisetzung von Plasminogen-Akti­ vatoren vom Urokinasetyp (u-PA), aber auch eine Paraneoplasie bei Promyelozytenleukämie. • Sekundäre Hyperfibrinolysen wer­‑ Aktivierung der Koagulation den in etlichen klinischen Situationen Fibrinolyse re ­aktiv – bei initial überschießender PC Aktiviertes Protein C oder persistierender Aktivierung der Protein C Hämostase (Polytrauma, Sepsis usw.) TM­Thrombin – ausgelöst, z.B. die reaktive Hyper­- fibrinolyse in der Phase der Plas­ Thrombin APC minämie beim Syndrom der disse­ Antikoagulation Thrombin Inaktivierung von minierten intravasalen Gerinnung Thrombomodulin FVa und FVIIIa Antikoagulation („dis­seminated intravascular coagu­ lation“; DIC; siehe Tabelle 1). • Mangelzustände an Plasminogen oder t-PA und genetische Varianten dieser Komponenten – z.B. in ihren Lysin­ Thrombomodulin (TM)- und Protein C (PC)-System. Der TM-Rezeptor wirkt wie ein Schalter, der bei bindungsstellen – können zur Hypo­ Bindung von Thrombin dessen Substratspezifität ändert: das Prokoagulans induziert über Aktivie­ rung von PC einen intrinsischen Antikoagulationsmechanismus. TM fungiert wie eine Drehtür für fibrinolyse führen und dadurch eine Thrombin (Inset). APC = aktiviertes Protein C; F = Faktor. Thromboseneigung begünstigen.

© Anästh Intensivmed 2014;55:272-281 Aktiv Druck & Verlag GmbH Einzigartig. Bei akut dekompensierter Herzinsuffizienz. 3 in 1 kardioprotektiv1 positiv inotrop 2 ohne signifikante Erhöhung des 2O -Verbrauchs vasodilatierend3

1 Maytin M et al., Am J Cardiol. 2005; 96: 26-31 2 Haikala H et al., J Mol Cell Cardiol. 1995; 27: 1859-1866 3 Yokoshiki H et al., Eur J Pharmacol. 1997; 333: 249-259 Louhelainen M et al., Br J Pharmacol. 2007; 150: 851-861 Haikala H et al., J Cardiovasc Pharmacol. 1995; 26(Suppl1): S10-S19 Pataricza J et al., J Pharm Pharmacol. 2001; 52: 213-7 Pollesello P et al., J Cardiovasc Pharmacol. 2007; 50: 257-263 Pollesello P et al., J Biol Chem. 1994; 269: 28584-28590 Kaheinen P et al., J Cardiovasc Pharmacol. 2001; 37: 367-374 du Toit EF et al., Br J Pharmacol. 2008; 154: 41-50 Sorsa T et al., Mol Cell Biochem. 2004; 266: 87-107 Erdei N et al., Br J Pharmacol. 2006; 148: 696-702 Kersten JR et al., Anesth Analg. 2000; 90: 5-11 Follath F et al., Lancet. 2002; 360: 196-202 Follath F et al., Lancet. 2002; 360: 196-202 Parissis JT et al., Am J Kardiol. 2004; 93: 1309-1312 Lilleberg L et al., Eur Heart J. 1998; 19: 660-668 Mebazaa A et al., JAMA. 2007; 297: 1883-1891 Ukkonen H et al., Clin Pharmacol Ther. 2000; 68: 522-531

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verliert. Zugleich katalysiert der ent­‑ 6. Boccardo P, Remuzzi G, Galbusera M: coagulation within the blood vessel. standene Thrombin-Thrombomodu­ Platelet dysfunction in renal failure. Thromb Haemost 2003;89:3-8 lin-Komplex die Umwandlung von Semin Thromb Hemost 2004;30:578-589 21. Müller F, Renné T: Novel roles for factor zirkulierendem (inaktiven) Protein C 7. Ruggeri ZM, Mendolicchio GL: XII-driven plasma contact activation Adhesion mechanisms in platelet function. system. Curr Opin Hematol 2008;15: in aktiviertes Protein C (APC). Durch Circ Res 2007;100:1673-1685 516-521 Bindung an TM erlangt Thrombin 8. Scharf RE: Erworbene Plättchenfunktions­ 22. Scharf RE: Management of bleeding in damit eine neue Substratspezifität störungen. Pathogenese, Klassifikation, patients using agents. bzw. Wirkungsqualität, indem über Häufigkeit, Diagnostik und Behandlung. Prediction, prevention, protection, APC ein gegenläufiger, nun gerin­ Hämostaseologie 2008;28:299-311 and problem-oriented intervention. nungshemmender Mechanismus in 9. Furlan M, Robles R, Galbusera M, Hämostaseologie 2009;29:388-398 Gang gesetzt wird (Abb. 6). Remuzzi G, Kyrle PA, Brenner B, et al: 23. Gailani D, Renné T: The intrinsic • Das Protein C-System basiert auf der Von Willebrand factor-cleaving protease pathway of coagulation: a target for treating thromboembolic disease? regulierten Aktivierung von Serin­‑ in thrombotic thrombocytopenic purpura and the hemolytic-uremic syndrome. J Thromb Haemost 2007;5:1106-1112 proteasen. Nach Umwandlung von N Engl J Med 1998;339:1578-1584 24. Stein PD, Hull RD, Patel KC, Olson RE, Protein C in APC hemmt APC in 10. Vincentelli A, Susen S, Le Tourneau T, Ghali WA, Brant R, Biel RK, Bharadia V, Gegenwart seines Kofaktors Protein Six I, Fabre O, Juthier F, et al: Acquired Kalra NK: D-dimer for the exclusion of S die aktivierten Gerinnungsfakto­‑ von Willebrand syndrome in aortic acute venous thrombosis and pulmonary ren V (F Va) und VIII (F VIIIa), womit stenosis. N Engl J Med 2003;349:343-349 embolism. Ann Intern Med 2004;140: APC wie ein intrinsisches Antiko­ 11. Schneppenheim R, Budde U: 489-602. agulans wirkt. Hierbei werden die Angebo­renes und erworbenes von- F Va und F VIIIa durch spezifische Willebrand-Syndrom. Hämostaseologie 2008;28: 312-319 Proteolyse inaktiviert. F Va wird u.a. Korrespondenz- durch Spaltung an Arg506 und Arg 12. Ruggeri ZM: Platelet interactions with vessel wall components during thrombo­ adresse 306 degradiert. Punktmutationen an genesis. Blood Cell Mol Dis 2006; diesen Positionen verzögern den 47:1903-1910 Prof. Dr. med. Abbau von F Va und damit seine 13. Scharf RE, Zotz RB: Blood platelets Rüdiger E. Scharf, Inaktivierung, was einen prothrom­ and myocardial infarction: do hyper­ F.A.H.A. botischen Zustand induziert. active platelets really exist? Transf Med Hemother 2006;33:189-199 Institut für Hämostaseologie, Hämo­ 14. Scharf RE: Acquired platelet function therapie und Transfusionsmedizin Literatur defects: an underestimated but frequent Universitätsklinikum Düsseldorf cause of bleeding complications in 1. Koscielny J, Ziemer S, Radtke H, Moorenstraße 5 clinical practice. In: Scharf RE (ed) Schmutzler M, Pruss A, Sinha P, et al: 40225 Düsseldorf, Deutschland Progress and Challenges in Transfusion A practical concept for preoperative Medicine, Hemostasis, and Hemo­ Tel.: 0211 811-7344 identification of patients with impaired primary hemostasis. Clin Appl Thromb therapy. Basel: Karger;2008:296-316 E-Mail: Hemost 2004;10:195-204 15. Macfarlane RG: An cascade [email protected] 2. Scharf RE: Thrombozyten und Mikro­ in the blood clotting mechanism, and zirkulationsstörungen. Klinische und its function as a biochemical amplifier. experimentelle Untersuchungen zum Nature 1964;202:498-499 Sekretionsverhalten und Arachidon­ 16. Davie EW, Ratnoff OD: Waterfall säurestoffwechsel der Blutplättchen. sequence for intrinsic blood clotting. Stuttgart: Schattauer;1986:133-145 Science 1964;145:1310-1312 und 192-212 17. Preissner KT: Physiologie der 3. Riess H: Erworbene Koagulopathien. Blutgerinnung und Fibrinolyse: Hämostaseologie 2008;28:348-357 Hämostaseologie 2008;28:259-371 4. Aarts PA, van den Broek SA, Prins GW, 18. Mann KG: Biochemistry and physiology Kuiken GD, Sixma JJ, Heethaar RM: of blood coagulation. Thromb Haemost Blood platelets are concentrated near the 1999;82:164-174 wall and red blood cells, in the center 19. Edmunds LH, Salzman EW: Hemostatic in flowing blood. Arteriosclerosis 1988; problems, transfusion therapy, and 8:819-824 cardiopulmonary bypass in patients. 5. Valeri CR, Cassidy G, Pivacek LE, In: Colman RW et al (eds). Hemostasis Ragno G, Lieberthal W, Crowley JP, & Thrombosis. Philadelphia: Lippincott; Khuri SF, Loscalzo J: Anemia-induced 1994:956-968 increase in the bleeding time: Impli­- 20. Engelmann R, Luther T, Müller I: cations for treatment of nonsurgical Intravascular tissue factor pathway: blood loss. Transfusion 2001;41:977-983 A model for rapid initiation of

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Hämostase im Schock* Haemostasis in shock Part 3: General pathophysiology Teil 3: R.E. Scharf · H.A. Adams · G. Baumann · I. Cascorbi · M. Emmel · D. Fischer · Allgemeine Pathophysio­­ S. Flohé · D. Fries · A. Gänsslen · S. Geiger · A.R. Heller · F. Hildebrand · logie der Hämostase E. Klar · H.J. Klippe · L. Lampl · H. Prange · U. Rolle · A. Sarrafzadeh · T. Standl · W. Teske · G. Werner · R. Zander – Sektion Schock der DIVI

Ein Beitrag der Sektion Schock der DIVI

Zusammenfassung tein C oder Protein S bedingen ein hohes * Hämostase im Schock Teil 1: Historische Aspekte Störungen im Hämostasesystem können Thromboserisiko, sind aber selten (< 1%). Thrombotische Gefäßverschlüsse im ar­- (Anästh Intensivmed 2014;55:181-189) zu Blutungen oder Thrombosen führen. Teil 2: Physiologie der Hämostase Häufigste Ursache einer hämorrha-­ teriellen System sind thrombozytär be- (Anästh Intensivmed 2014;55:272-281) gisc­hen Diathese sind erworbene dingt und können Herzinfarkt, Schlagan- Thrombozytenfunktionsdefekte, die in fall oder periphere Ischämien auslösen. > 80% durch Medikamente hervorge-­ Neuerdings werden genetisch bedingte rufen werden. Neben antithrombozytä­ Thrombozyten-Rezeptorvarianten als ren Substanzen können nicht-steroidale Ursache einer gesteigerten Thrombo­ Antirheumatika und Serotonin-Wieder­ genität bei atherosklerotischen Läsionen aufnahmehemmer usw. die Thrombozy­ in Betracht gezogen. tenfunktion beeinträchtigen und eine Blutungsneigung auslösen oder verstär- Summary ken. Etwa 40% aller Patienten auf der Haemostatic disorders can lead to Intensivstation haben eine Thrombozy- bleeds or thrombosis. Acquired platelet topenie, die bei Werten < 100.000/μl dysfunction is the most common cause für die Hälfte aller manifesten Blutungen of haemorrhagic diathesis and is induced verantwortlich ist. Koagulopathien sind by pharmacological agents in > 80%. weitaus seltener. Eine Rarität stellen Apart from antiplatelet drugs, non­ kongenitale Thrombozytopathien und steroidal anti-inflammatory agents and hereditäre Mangelzustände plasma­ serotonin reuptake inhibitors etc. can tischer Hämostasekomponenten dar, also impair platelet function and cause abgesehen vom von-Willebrand-Syndrom, or aggravate haemorrhages. About 40% das angeboren, aber auch erworben of intensive care unit patients suffer sein kann. Die Entstehung venöser from thrombocytopenia which, at plate­ Schlüsselwörter Thromboembolien wird heute multikau- let counts < 100.000/μl, is responsible Hämostasestörungen – sal und multifaktoriell gesehen. Nach for manifest bleeding. Coagulation Thrombozytenfunktionsdefekte wie vor ist die Virchowsche Trias mit disorders are significantly less frequent. – Thrombozytopenie – von- Veränderungen von Blutfluss (Stase), Congenital platelet disorders and heredi- Willebrand-Syndrom – Hyper- Venenwandung (Entzündung) und Blut­ tary deficiencies of haemostatic plasma koagulabilität – Throm­bophilie zusammensetzung (mit gesteigerter Ge- components are extremely rare, except – Venöse und Arterielle rinnungsneigung) als pathogenetisches for von Willebrand disease, representing Thrombosen Konzept aktuell. Eine Hyperkoagula- a congenital or acquired disorder. Ve­ Keywords bilitat kann aus erworbenen und / oder nous thromboembolism is considered a Haemostatic Disorders – kongenitalen Risiken, insbesondere ge- multicausal and multifactorial disease. Platelet Dysfunction – Throm- netischen Kombinationsdefekten, resul- Virchow’s triad, including alterations in bocytopenia – von Willebrand tieren. Beispiele sind spezifische „gain- blood flow (stasis), vessel wall (trauma, Disease – Hypercoagulability of-function“-Mutationen in den Genen inflammation) and blood composition – Thrombophilia – Venous and (with subsequent hypercoagulability), von Faktor II und Faktor V. Hereditäre Arterial Thrombosis Mangelzustände an Antithrombin, Pro- is still an up-to-date concept of patho-

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genesis. Hypercoagulability can result Der klinische Phänotyp entspricht jedoch Multimeranalyse) erforderlich. from acquired and / or congenital risks, einer Thrombozytenfunktionsstörung mit Prophylaxe und Akutbehandlung [23,31] specifically when genetic thrombophilic Schleimhautblutungen, Petechien und erfolgen bei defects are present in combination. Neigung zu Hämatomen. Zur Klassifika- • vWS-Typ 1 mit Desmopressin For example, distinct gain-of-function tion werden quantitative Störungen (DDAVP, Minirin®), mutations have been identified in the • vWS-Typ 1, vWF vermindert, • vWS-Typ 2 und vWS-Typ 3 mit genes of coagulation factors II and V. • vWS-Typ 3, vWF nahezu fehlend; vWF-haltigen Plasmakonzentraten Hereditary deficiencies of antithrombin, und qualitative Defekte, (z.B. Haemate P®). protein C, or protein S are associated • vWS-Typ 2 Als flankierende Maßnahme kann with a high risk of venous thromboem- (mit zahlreichen Varianten), das Antifibrinolytikum Tranexamsäure bolism (VTE), but are infrequent (< 1%). unterschieden [31]. (Cyklokapron®) eingesetzt werden. Arterial thrombotic occlusion is mediated Als kritisch ist gerade ein mildes vWS- by platelets and can cause myocardial Typ 1 anzusehen, das unter Alltagsbe- Defekte der primären Hämostase – infarction, , or peripheral ischae­ dingungen symptomarm verläuft, aber Thrombozytäre Störungen mia. Recently, genetically determined bereits bei einer Zahnextraktion zu einer platelet receptor variants are thought Thrombozytenfunktionsstörungen erheblichen Blutung führen kann. to cause increased thrombogenicity in Diagnostisch ergibt sich zudem das response to atherosclerotic lesions. In der klinischen Praxis stellen er­ Problem, dass ein vWS mit üblichen worbene Thrombozytenfunktions­ Suchtests nicht ausreichend erfasst wird, störungen [22] – neben dem vWS – Hämorrhagische Diathesen denn eine normale aktivierte partielle die Hauptursache unerwarteter Thromboplastinzeit (aPTT) oder eine Blutungskomplikationen dar. Sie Grundlagen normale Aktivität von F VIII schließen sind am häufigsten medikamentös Angeborene Thrombozytopathien und ein vWS nicht aus. Erforderlich ist ein bedingt [14,23,25]. hereditäre Mangelzustände plasma­ti­ Hämostaseprofil mit Bestimmung der scher Hämostasekomponenten (Gerin­- In-vivo- oder In-vitro-Blutungszeiten nungsfaktoren, Inhibitoren, Adhäsiv- sowie der Aktivität und Konzentration Der pharmakologische Wirkmechanis- proteine) sind Raritäten und spielen im des vWF. Für eine exakte Klassifikation mus der wichtigsten antithrombozytären klinischen Alltag – außerhalb speziali- sind weitere Untersuchungen (z.B. vWF- Substanzen ist in Abb. 1 dargestellt. sierter Zentren – nur eine untergeord- nete Rolle. Anders verhält es sich mit Abbildung 1 dem von-Willebrand-Syndrom (vWS), der mit einer Prävalenz von 0,8 - 1,3% [31] häufigsten kongenitalen Hämosta- Agonisten-induzierte Kollagen, Thrombin, Scher - stress, ADP, TXA , Serotonin sestörung. Neben hereditären Formen Plättchenaktivierung 2 werden zunehmend auch Patienten mit erworbenem vWS diagnostiziert, z.B. Acetylsalicyl - bei Aortenklappenstenose, Mitralklap- säure (ASS) penvitien und kardialen Unterstützungs- R P2Y systemen (wie „left ventricular assist 12 ADP Arachidon- TXA2 TXA devices“). ADP säure (AS) 2

P2Y Granula von -Willebrand-Syndrom 1 TXR P2Y12 Aktivierung Inside-out Das vWS wird durch quantitative Signal und / oder qualitative Veränderungen GPIIb-IIIa des von-Willebrand-Faktors (vWF) hervorgerufen. Je nach Art und Aktive Eptifi batid Metaboliten Schweregrad können ein Mangel Tirofi ban oder Defekt des vWF eine Vermin­ derung der F VIII-Aktivität und Stö­ rungen der Thrombozyten­adhäsion Aggregation und -aggregation bedingen (siehe Teil 2: Physiologie der Hämostase [26]). Thrombozytenfunktionshemmende Substanzen und ihre Wirkmechanismen (aus [25]). GP IIb-IIIa (αIIbβ3) = Integrinrezeptor, der die vWF- und Fibrinogen-vermittelte Thrombozyten­aggregation

steuert; ADP = Adenosindiphosphat; P2Y1, P2Y12 = Purinerge, G-Protein-gekoppelte Oberflächenre- Definitionsgemäß handelt es sich um zeptoren; TXA = Thromboxan A ; TXR = Thromboxan-A -Rezeptor. einen plasmatischen Hämostasedefekt. 2 2 2

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Neben „Klassikern“ wie Acetylsalicyl- untersuchten über 5.600 konsekutive Thrombozytopenien resultieren aus: säure (ASS), nicht-steroidalen Antirheu- unselektionierte Patienten im Alter von • Verlust (Trauma, kardiopulmonaler matika, Thienopyridinen (Clopidogrel, 17 - 87 Jahren vor elektiven Eingriffen Bypass, Hämodialyse usw.) und / oder Prasugrel, Ticagrelor) und GPIIb-IIIa- mittels Fragebogen zur Blutungsanam­ • Verdünnung (Infusionsbehandlung, Rezeptorantagonisten (Abciximab, Tiro­ nese und einem standardisierten Volumenersatz, Hämotherapie mit fiban, Eptifibatid) hemmen zahlreiche Hämostase-Screening (einschließlich Erythrozytenkonzentraten und / oder andere Pharmaka – wie selektive Sero- Bestimmung der In-vitro-Blutungszeit): gerinnungsaktiven Frischplasmen); tinin-Wiederaufnahmehemmer – die • Eine negative Blutungsanamnese • Bildungsstörungen (Knochenmark­ Thrombozytenfunktion. Dies gilt insbe- hatten 89% der Patienten. insuffizienz, Toxine, Infekte, Fol­- sondere bei kritisch Kranken mit latenten • In der Gruppe mit Blutungsanamnese säure-Mangel); Hämostasestörungen, die kompensiert war bei 256 von 628 Patienten (41%) • Umsatzstörungen (verkürzte Thrombo­ -­ bleiben, solange die Thrombozytenfunk- das eingesetzte Labor-Screening auf zyten-Halbwertszeit in der Zirkula­- tion nicht medikamentös gehemmt wird einen Hämostasedefekt positiv. tion); [22,23]. • Die detaillierte Untersuchung die- • Verteilungsstörungen (Hypersple­ ser 256 Patienten ergab bei 73% nismus) oder Auch bestimmte Erkrankungen und Thera-­ Thrombozytenfunktionsdefekte, bei • kombinierter Bildungs-, Umsatz- piemaßnahmen gehen häufig mit Hä- 0,8% plasmatische Defekte (Ko­ und Verteilungsstörung (z.B. bei mostasestörungen einher und können agulopathien) und bei 26,2% kom- Leberzirrhose). zu manifesten Blutungen führen. Hierzu binierte Hämostasestörungen (mit zählen: Für die korrekte Differenzialtherapie ist einem hohen Anteil an Patienten mit • Urämie, bei der toxische Stoffwech- es relevant, den führenden Pathome- vWS). selprodukte mit thrombozytenhem- chanismus möglichst zu identifizieren. • Bei den 187 Patienten mit Throm- mender Wirkung zirkulieren, die Hierzu kann im Einzelfall eine Knochen- bozytendefekten lag in 87% eine aber dialysierbar sind [22]; markpunktion unentbehrlich sein um medikamenteninduzierte Thrombo- • Leberzirrhose, bei der schwere zu klären, ob Megakaryozyten fehlen zytenfunktionsstörung vor. Blutungen auftreten, wenn eine ver- (Bildungsstörung) oder reichlich vorhan- minderte Synthese von Gerinnungs- Diese Ergebnisse erlauben folgende den sind (Umsatz- oder Verteilungsstö- faktoren und ihren Inhibitoren, Dys- Schlussfolgerungen: rung). fibrinogenämie, Thrombozytopenie • Erworbene Thrombozytenfunktions­ Thrombozyten-Bildungsstörungen treten und Thrombozytenfunktionsdefekte defekte sind weitaus häufiger als auf bei angenommen; dabei dominieren zusammentreffen und durch eine • Verdrängung der Hämatopoese medikamentös induzierte Throm­- gestörte Klärfunktion des retikuloen- (akute Leukämien und Lymphome, bozytenfunktionsstörungen. dothelialen Systems noch aggraviert Knochenmark-Metastasierung soli- • Echte Gerinnungsstörungen (plasma­ werden können [17,21]; der Tumoren); tische Hämostasestörungen = Koagu- • akute Leukämien, myeloproliferative • Myelodysplasien; lopathien) sind wesentlich seltener und myelodysplastische Syndrome • Medikamenten (z.B. Zytostatika) oder als gemeinhin eingeschätzt. mit dysfunktionellen Thrombozyten- anderen Noxen (z. B. Bestrahlung); • Thrombozytenzählung, aPTT und populationen infolge klonaler Proli- • chronischem Alkoholabusus mit Prothrombinzeit (nach Quick bzw. feration abnormer Megakaryozyten Folsäuremangel; International Normalized Ratio; [22]; • Sepsis (bakterielle Toxine); INR) sind nicht zur Detektion von • monoklonale Gammopathien und • Thrombopoetinmangel. Defekten der primären Hämostase antithrombozytäre Autoantikörper geeignet. Thrombozytenfunktions­ Bei Thrombozyten-Umsatzstörungen [22]; störungen und vWS können nur sind abzugrenzen [11]: • kardiopulmonaler Bypass und Hä- durch adäquate Labortests erfasst • Immunvermittelte Mechanismen modialyse usw., bei denen Throm­ werden. (antithrombozytäre Antikörper bei bozyten nach Kontakt mit künstli- Auto-Immunthrombozytopenien chen Oberflächen aktiviert werden Thrombozytopenien [ITP] und medikamenteninduzierter und anschließend als degranulierte, ITP, Immunkomplexe bei HIV- und funktionsdefekte Thrombozyten Etwa 40% aller Intensivpatienten HCV-Infektionen); (exhausted platelets) zirkulieren weisen erniedrigte Thrombozyten­ • nichtimmunologisch bedingte Ursa- [21,22]. zahlen (< 150.000/μl) auf. Bei der chen (bakterielle Infektionen, Sepsis, Hälfte aller kritisch Kranken ist eine Zur Häufigkeit primärer Hämosta- disseminierte intravasale Gerinnung, Thrombozytopenie (< 100.000/μl) extrakorporale Systeme). sedefekte sind die Ergebnisse einer für manifeste Blutungen verantwort­ prospektiven Studie von Koscielny et al. lich [10]. Den immunologisch und nichtimmuno- aufschlussreich [14]. Die Autoren logisch verursachten Umsatzstörungen

© Anästh Intensivmed 2016;57:14-23 Aktiv Druck & Verlag GmbH wir Darreichungen: 5 Ampullen zu je 1 ml PZN: 1894117, ® forschen 2x5 Ampullen zu je 1 ml PZN: 0015616 ROBINUL Robinul® zur Injektion Wirkstoff: Glycopyrroniumbromid, Zusammensetzung: 1 ml Injektionslösung enthält 0,2 mg Glycopyrroniumbromid. Sonstige Bestandteile: Natriumchlo- rid, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Anticholinergikum zur Parasympatholytikum / Anticholinergikum Anwendung in der Anästhesiologie: - Vor Operationen zur Herabsetzung des Speichelflusses, der Sekretion im Pharynx, in der Trachea und im Bronchial- system, Reduzierung der Magensaftmenge und der freien Säure. Blockade des Verzögerungsreflexes des Vagus auf das Herz während der Narkoseeinleitung und der Intubation. - Zum Schutz vor Nebenwirkungen der Cholinergika, die zur Aufhebung der neuromuskulären Blockade nicht depolarisierender Mus- kelrelaxantien gegeben werden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Glaukom, mechanische Verengungen der Harnwege, mechanische Verengungen im Bereich des Ma- gen-Darm-Traktes, wie Achalasie und andere; bei einer Form des Darmver- schlusses (paralytischem Ileus), bei starker Verminderung der Darmbewegung bei älteren oder geschwächten Patienten (Darmatonie), kardiovaskuläre Labili- Gerne können Sie kostenlos tät bei akuten Blutungen, bei schwerer Dickdarmentzündung mit Geschwürbil- dung (ulzerierender Colitis), ein toxisches Megakolon, wenn es eine ulzerieren- für sich oder Ihre Patienten de Colitis verkompliziert, Myasthenia gravis (Muskelschwäche). Warnhinweise: Enthält Natriumchlorid. Nebenwirkungen: Bei schweren Überempfindlichkeits- Informationsmaterial anfordern: reaktionen und/oder einem anaphylaktischen Schock ist die Behandlung mit [email protected] Robinul sofort abzubrechen und die üblichen entsprechenden Notfallmaßnah- men müssen sofort durch einen Arzt eingeleitet werden. Sehr häufig (mehr als (Stichwort: Anästhesiologie) 1 von 10 Behandelten): Mundtrockenheit; vermindertes Schwitzen; unterdrückte Milchsekretion. Häufig (1 bis 10 Behandelte von 100): Bei höherer Dosierung und gemeinsamer Gabe mit indirekten Parasympathomimetika Herzrhyth- musstörungen wie Knotenrhythmus, Vorhof- und Kammerextrasystolen und su- praventrikuläre Tachykardie. Nicht bekannt: Erkrankungen des Immunsystems: • langandauernde, effektive Wirkung Schwere allergische Reaktionen oder Idiosynkrasie mit Anaphylaxie, Nessel- sucht und andere Hauterscheinungen. Psychiatrische Erkrankungen: Nervosi- tät, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit und/oder Erregtheit, insbesondere bei älteren Patienten. Erkrankungen des Nervensystems: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, • sehr gute Verträglichkeit Mattigkeit, Schwindel. Augenerkrankungen: Akkomodationsstörungen infolge von Pupillenerweiterung, Akkomodationslähmung, erhöhter Augeninnendruck. Herzerkrankungen: Beschleunigter Herzschlag, Herzrasen. Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes: Geschmacksverlust, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Völlegefühl. Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes: bei hoher Vertrieb Pharmazeutischer Unternehmer Außentemperatur infolge eingeschränkter Schweißentwicklung Hitzestauungen. Erkrankungen der Nieren und Harnwege: Verzögertes Wasserlassen und Harn- biosyn Arzneimittel GmbH RIEMSER Pharma GmbH, verhalten. Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse: Impotenz. Schorndorfer Straße 32, 70734 Fellbach An der Wiek 7, 17493 Greifswald – Insel Riems Verschreibungspflichtig. Stand der Information: November 2013. Pharma- zeutischer Unternehmer: RIEMSER Pharma GmbH, An der Wiek 7, 17493 Tel.: +49 / 711 57532-00 Tel. +49 (0)38351-76-0 Greifswald - Insel Riems. Mitvertreiber: biosyn Arzneimittel GmbH, Schorndor- www.biosyn.de, [email protected] www.riemser.com, [email protected] fer Straße 32, 70734 Fellbach

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ist gemeinsam, dass die Thrombozyten- ziale und Einflussgrößen die Blutstillung Systeme wie dem „Multiple Organ Halbwertszeit von (normal) 5 Tagen kompromittieren. Hierzu zählen – ne­ Dysfunction Score”, „Simplified Acute auf Werte < 12 - 24 h herabgesetzt sein ben invasiven Eingriffen – insbesondere Physiology Score“ und „Acute Physio- kann. In beiden Fällen löst der periphere Infekte, Leberinsuffizienz (mit herab­- logy and Chronic Health Evaluation Thrombozytenverbrauch (im Kreislauf) gesetzter Synthese von Gerinnungs- (APACHE) Score“ – belegt, ist der Befund eine maximale Stimulation der Mega­ faktoren und deren Inhibitoren) sowie „Thrombozytopenie“ bei kritisch Kran- karyo- und Thrombozytopoese (im Vitamin-K-Mangel, vor allem aber ken ein verlässlicher Vorhersagewert für Knochenmark) aus. Das Knochenmark zusätzliche Hämostasestörungen wie einen ungünstigen Gesamtverlauf und ist dann übersät mit Megakaryoblasten, Thrombozytenfunktionsdefekte, Hyper- Ausgang. Übereinstimmend besteht in Promegakaryozyten und Megakaryo­ fibrinolyse und disseminierte intravasale den Studien eine inverse Korrelation zyten, die ihrerseits Zeichen der über­ Gerinnung (disseminated intravascular zwischen Thrombozytenkonzentration stürzten oder fehlenden Ausreifung coagulation; DIC) in den Stadien II - IV und Mortalität. Die Mortalitätsraten (siehe Teil 2: Physiologie der Hämostase aufweisen. betragen 31 - 46% bei thrombozytope­ [26]). nischen und 16 - 20% bei nicht-throm- Das Blutungsrisiko thrombozytopeni- bozytopenischen Intensivpatienten [10]. Ein erhöhtes Blutungsrisiko throm­ scher Patienten nimmt außerdem bei bozytopenischer Patienten auf Inten­ Anämie mit resultierendem Abfall des sivstation ist keineswegs auf Throm­ Thrombophile Diathesen Hämatokrits zu [10]. Eine Anhebung bozytenzahlen von 30.000 - 50 .000/μl des Hämatokrits auf > 30 - 35% durch Leitsatz beschränkt, sondern besteht auch Transfusion von Erythrozytenkonzen- bei kritisch Kranken mit Thrombo­ Es sind zwei Arten von Thrombosen mit traten trägt dazu bei, die Blutstillung zwei verschiedenen Pathomechanismen zytopenien zwischen 50.000 und zu fördern [26] und die Gefahr hämo- zu unterscheiden. Morphologisches 100.000/μl [10,35]. rrhagischer Komplikationen zu senken Substrat der arteriellen Thrombose ist [2,10,34]. ein Plättchen-Fibrin-Thrombus (weißer Diese Beobachtung lässt darauf schlie­ Wie in zahlreichen Untersuchungen – Thrombus), das der Venenthrombose ßen, dass zusätzliche Gefahrenpoten­ unter Anwendung verschiedener Score- ein erythrozytenreiches Fibringerinnsel

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(roter Thrombus). Die verschiedene Zu- Tabelle 1 sammensetzung der Thromben spiegelt Risikokonstellationen und -determinanten bei venöser Thrombogenese. Zumeist wird eine venöse unterschiedliche Entstehungsmechanis- Thrombose erst durch Zusammentreffen expositioneller und dispositioneller Risiken ausgelöst men wider. (aus [24,27]). Fg-γ = Fibrinogen-Gamma-Kette, MTHFR = Methylentetrahydrofolat-Reduktase, PAI-1 = Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1. Venöse Thrombogenese Erworben (expositionell) Hereditär (dispositionell) Erworben oder hereditär Alter (> 60 Jahre) G1691A-Variante im F V-Gen Hyperhomocysteinämie Eine Thrombenbildung in der venö­ (Faktor V Leiden) sen Strombahn – vornehmlich in den Immobilisation G20210A-Variante im F II- tiefen Bein- oder Beckenvenen – Gen (Prothrombin-Variante) resultiert aus der abnormen Aktivie­ Operationen 4G/5G Variante im PAI-1-Gen Erhöhte Aktivitäten oder rung von Gerinnungsfaktoren oder (4G/5G-Deletion/Insertion) Konzentrationen von: einer Dysbalance plasmatischer Hä­ Ovulationshemmer oder C677T-Variante im MTHFR- Faktor I (Fibrinogen) Hormonersatz Gen mostasekomponenten (Übergewicht Schwangerschaft und C10034T-Variante im Fg-γ-Gen Faktor II von Prokoagulatoren gegenüber Wochenbett Inhibitoren wie Antithrombin, Pro­ Thrombosen in der Vorge- Antithrombin-Mangel Faktor VII tein C oder Protein S). schichte Tumorkrankheit Protein C-Mangel Faktor VIII Antiphospholipid-Syndrom Protein S-Mangel Faktor IX Auslösende Ursachen können sein: Myeloproliferative Syndrome Dysfibrinogenämie Faktor XI • Veränderungen des Blutflusses Rauchen, Adipositas, von-Willebrand-Faktor (Stase); Bewegungsmangel • Veränderungen der Venenwandung (Trauma, Entzündungsprozesse); • Veränderungen der Blutzusammen- setzung mit gesteigerter Gerinnungs- subendothelialer Strukturen – oder in ken [27]. Verschiedene Krankheitsbilder neigung (Hyperkoagulabilität). fortgeschrittenen Stadien – Plaquerup- sind häufig mit einer VTE assoziiert. Diese Virchowsche Trias ist unvermin- turen, die den Startermechanismus zur Hierzu zählen: dert aktuell und hat durch Aufklärung Bildung von Plättchen-Fibrin-Thromben • Antiphospholipid-Syndrom; molekularer Mechanismen, die eine darstellen. Hierbei spielen sich kom- • solide Tumore, insbesondere von Hirn, Hyperkoagulabilität hervorrufen, Be­ plexe Wechselwirkungen zwischen Verdauungstrakt und Bronchialsystem; stätigung gefunden. Als funktionelles zirkulierenden Thrombozyten und • hämatologische Malignome, insbe- und strukturelles Bindeglied zwischen hochthrombogenen Matrixproteinen der sondere myeloproliferative Syndrome. Entzündungsprozessen und Aktivierung Gefäßwand ab (siehe Teil 2: Physiologie Auch Schwangerschaft und Wochen­ des Hämostasesystems wurden unlängst der Hämostase [26]). Die Bildung arte- bettphase sind mit erhöhter Thrombo- neutrophile Granulozyten identifiziert. rieller Thromben ist demnach zumeist segefährdung verbunden [27]. Weitere Bei Aktivierung setzen sie aus ihrem eine Komplikation arteriosklerotischer Zellkern DNA und Histone frei, die ein Gefäßwandveränderungen. Konstellationen können sowohl erwor- fibrilläres Netzwerk (neutrophil extra- ben als auch hereditär sein. Dazu zählen Konzepte zur Pathogenese cellular traps; NET) im Plasma bilden, erhöhte Aktivitäten oder Konzentratio­ das ein Gerüst für die Gerinnselbildung venöser Thromboembolien – VTE nen bestimmter Gerinnungsfaktoren und bietet und das Thrombuswachstum des von-Willebrand-Faktors sowie die fördert [8]. Die venöse Thrombogenese wird Hyperhomocysteinämie (Tab. 1). heute multikausal und multifaktoriell Arterielle Thrombogenese gesehen [18]. Thrombophilie Im Vergleich mit den venösen Throm­ Bei der Entstehung von VTE (Tab. 1) Allgemeines bosen ist die Entstehung arterieller können unspezifische Gefährdungs- Thromben ungleich komplexer und potentiale (Alter [18], Rauchen [6,32], wird vom thrombozytären System Der heute international übliche Übergewicht [13], Bewegungsmangel), dominiert. Begriff Thrombophilie als überge­ erworbene (expositionelle) Risikokon­ ordnete Bezeichnung einer Throm­ stellationen (Immobilisation, Opera-­ boseneigung wurde 1952 von Rudolf Überwiegend sind es arteriosklerotische tionen, orale Kontrazeption, Hormoner­ Marx – in Analogie zur Hämophilie Gefäßwandläsionen wie Endothelzell- satztherapie) und hereditäre (disposi­ – eingeführt. defekte mit konsekutiver Freilegung tionelle) Risikofaktoren zusammenwir-

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Dieser primär klinisch geprägte Termi­- Abbildung 2 nus ist inzwischen durch laboranaly- tische Korrelate – vor allem durch die

Identifikation genetisch determinierter NH2- A1 A2 B A3 C1 C2 -COOH Varianten plasmatischer und thrombo­ zytärer Hämostasekomponenten – be- legt und erlaubt die Definition eines Arg Gln individuellen Risikoprofils. Mutierter Faktor V (F V Leiden). Primärstruktur des F V-Moleküls mit Substitution von Arginin (Arg) Venöse Thrombosen durch Glutamin (Gln) an Position 506 infolge der G1691A-Variante des F V kodierenden Gens (aus [24]). Grundlagen

Angeborene Mangelzustände an An­ Abbildung 3 tithrombin (AT), Protein C (PC) oder Protein S (PS) sind Ursache einer familiären Thrombophilie [5,12]. B A1 A2 A3 C1 C2 F V Die Prävalenz dieser hereditären Defek-­ te ist in der Normalbevölkerung gering Thrombin und beträgt für AT-Mangel < 1%, für PC- Mangel 0,3% und für PS-Mangel < 1%

[15]. Es werden Typ I-Mangelzustände Ca2+ (Aktivität und Konzentration vermindert) F Va und Typ II-Mangelzustände (Aktivität bei normaler Konzentration reduziert) APC unterschieden. Bei diesen Defekten kann sich eine VTE bereits vor dem 20. 306 506 679 Lebensjahr manifestieren. Bei 1 - 2% F Vi aller Patienten mit VTE ist ein hereditä­- Ca2+ rer AT-Mangel die Ursache [15,19]. Resistenz gegenüber aktivierten Protein C (APC-Resistenz) – Primärstruktur des Faktors V (F V), thrombininduzierte Aktivierung (F Va) und APC-vermittelte Inak- tivierung (F Vi). Bei seiner Inaktivierung durch APC wird das F V-Molekül an spezifischen Positionen Faktor V Leiden-Mutation degradiert. Eine der Spaltstellen ist die Position 506. Mutierter F Va (F V Leiden) wird 10 fach lang- APC ist eine Protease; sie spaltet die samer inaktiviert als nichtmutierter F Va (aus [24]). APC = aktiviertes Protein C. aktivierten Gerinnungsfaktoren (F) V und VIII (F Va und F VIIIa) und wirkt so als „endogenes Antikoagulans“. Adenin (G1691A) – bedingt im F V-Mole­ haben ein 5 fach, homozygote Individuen Dies lässt sich in vitro simulieren: Der kül einen Austausch von Arginin gegen ein 50 fach erhöhtes Thromboserisiko. Zusatz steigender APC-Konzentration Glutamin an Position 506 (Abb. 2). zu einer Plasmaprobe führt zur linea-­ Faktor II (Prothrombin) G20210A- Daraus resultiert ein funktionell abnor- ren Verlängerung der aPTT. Dahlbäck Variante mer F V, der im Vergleich zu nichtmu- et al. [4] identifizierten 1993 einen tiertem (Wildtyp) F Va 10 fach langsamer Ein Basenaustausch (Guanin → Adenin) Patienten,­ dessen Plasma nicht mit adä­- durch APC inaktiviert wird (Abb. 3) und an Position 20210 in der nichttransla­- quater Verlängerung der Gerinnungszeit damit das Gleichgewicht im Hämostase­ tierten 3’-UT-Region des Prothrombin- auf APC-Zugabe reagierte, und bezeich- system in prothrombotischer Richtung Gens führt zu erhöhten F II-Plasma- neten das Phänomen als „Resistenz verlagert. Die Prävalenz dieser „gain- spiegeln [16]. Diese „gain-of-function“- gegenüber APC“. Ursache ist eine of-function“-Mutation beträgt in der Mutation ist mit einer Prävalenz von Punktmutation im F V-Gen, die nach westeuropäischen Bevölkerung 5 - 8% 2 - 3% in der westeuropäischen Bevöl- dem Ort der Erstbeschreibung (Leiden, [19]. Bei unselektionierten Patienten mit kerung ebenfalls häufig. Merkmalsträger Niederlande) F V Leiden-Mutation ge- VTE lässt sich in 20 - 25%, bei Patienten haben ein etwa 3 fach erhöhtes venöses nannt wird [1]. mit familiärer Thrombophilie in ca. 50% Thromboserisiko; ca. 6% aller Patienten Die Variante im F V kodierenden Gen – eine F V Leiden-Mutation nachweisen mit VTE sind Träger dieser Variante mit Substitution von Guanin durch [15,19]. Heterozygote Merkmalsträger [15,19].

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Weitere genetisch determinierte Exemplarisch für diesen Synergismus ist Zugleich stützen die Resultate das Risikofaktoren die Interaktion zwischen genetischen Konzept der multikausalen Genese • Der Deletions-/Insertions-Polymor- Risikofaktoren und Schwangerschaft. schwangerschaftsassoziierter Thrombo- phismus (4G/5G) im Plasminogen- Bei Patientinnen mit VTE während vor- sen infolge einer Interaktion kombinier- Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1)-Gen be- ausgegangener Schwangerschaft wurden ter Defekte bzw. des Zusammentreffens einflusst die Synthese: 4G/4G- und folgende Prävalenzen genetischer Risi- expositioneller und dispositioneller 4G/5G-Genotypen sind mit erhöh- kofaktoren ermittelt [9]: Risiken (Tab. 1). Angesichts der hohen • Eine F V Leiden-Mutation bestand ten PAI-1-Spiegeln assoziiert [20]. Prävalenz kombinierter Defekte von bei 43,7% der VTE-Patientinnen ge- Allerdings ist die Datenlage zu dem ca. 1 : 1.000 hat dieses Ergebnis hohe genüber 7,7% bei gesunden Frauen damit verbundenen Thromboserisiko Relevanz. (relatives Risiko 9,3); keineswegs eindeutig [7]. • eine Prothrombin-Variante bestand • Der homozygote 677TT-Genotyp bei 17% der VTE-Patientinnen ge- Arterielle Thrombosen der Methylentetrahydrofolat-Reduk- genüber 1,3% bei gesunden Frauen Thrombozytäre Rezeptor-Poly­- tase kann zu einer Hyperhomocy- (relatives Risiko 15,2); mor­phismen steinämie führen und mit erhöhten • die Kombination beider Defekte Thromboseraten verbunden sein [27, Die zentrale Rolle der Blutplättchen bei wurde bei 9,3% der Patientinnen, 33]. Die Prävalenz dieser thermolabi­ der arteriellen Thrombogenese hat dazu hingegen bei keiner Frau ohne VTE geführt, klinisch die Existenz „hyper- len Enzymvariante liegt bei 10% [19]. gefunden (geschätz­tes relatives Ri- aktiver“ Thrombozyten zu postulieren. • Träger einer Variante der Fibrinogen- siko 107). γ-Kette (C10034T-Variante) haben ein Allerdings blieb die molekulare Natur Diese Daten erlauben eine statistisch 2 fach erhöhtes Thromboserisiko [19]. einer intrinsischen Plättchenfunktions- gestützte Abschätzung der individuellen • Auch funktionell abnorme Fibrino- steigerung unbekannt. Eine mögliche Thrombosegefährdung während Schwan- gene (Dysfibrinogenämien) können Erklärung wird in genetisch determinier- gerschaft und Postpartalphase [9]. Ursache einer VTE sein (Tab. 1). ten thrombozytären Rezeptorvarianten gesehen, die eine erhöhte Thromboge- Genetische Kombinationsdefekte Bei heterozygotem F V Leiden-Mu­ta­ nität hervorrufen und akute okklusive Im Vergleich zu angeborenen Mangel- tion oder heterozygoter Prothrom­ ­bin- Komplikationen arterieller Gefäßerkran- zuständen an Inhibitoren (AT, PC, PS) Variante ist das absolute Throm­ kungen auslösen können [30,38]. ist die Thrombosegefährdung bei der boserisiko von Schwangeren niedrig F V Leiden-Mutation oder G20210A- (Tab. 2). Hingegen steigt bei kom­ Varianten in den Genen thrombozytärer Prothrombin-Variante moderat, wie biniertem Vorliegen beider throm­ Membranrezeptoren können die Anti- epidemiologische Studien belegen [19, bophiler Defekte in hetero­zygoter genität (HPA) der Rezeptoren ändern, 24,27]. Dies gilt aber nur, solange Konstellation die Thrombosegefahr die ihre Expression auf der Thrombo­- keine genetischen Kombinationsdefekte überproportional auf ein thrombo­ zytenoberfläche variieren und funktio- vorliegen und keine expositionellen embolisches Ereignis bei jeder 20. nelle Eigenschaften wie Aktivierbarkeit, Risikokonstellationen hinzutreten. We­- Schwangerschaft an (Tab. 2). Die Ligandenbindung und Adhäsionsakti­ gen der hohen Prävalenz der F V Leiden- Interaktion mehrerer Risikofaktoren vität modulieren [3]. Von klinischem wirkt sich also nicht additiv, sondern Mutation und Prothrombin-Variante in Interesse sind der multiplikativ auf das Thrombose­ der Bevölkerung können beide Defekte • T1565C-Polymorphismus im β3-Gen risiko aus. auch kombiniert auftreten. Heterozygote des Integrins αIIbβ3 (GPIIb-IIIa) mit Merkmalsträger beider Defekte haben ein 20 fach gesteigertes Thromboserisiko gegenüber Individuen ohne F V Leiden- Tabelle 2 Mutation oder Prothrombin-Variante [19]. Statistisch gesicherte Abschätzung des Thromboserisikos in Schwangerschaft und Postpartalphase Gewichtung genetischer Risikofaktoren bei genetisch determinierten Einzel- oder Kombinationsdefekten. Die Interaktion thrombophiler Varianten wirkt sich nicht additiv, sondern multiplikativ auf das Thromboserisiko aus (Daten aus [9]).

Basierend auf der Virchowschen Konstellation Thromboserisiko Trias beruht die Ätiologie venöser relativ absolut Thromboembolien nach aktuellem Kein genetischer Risikofaktor 0,07 % 1 : 1.500 Verständnis auf dem multifaktoriel­ Faktor V Leiden-Mutation (heterozygot) 0,25 % 1 : 400 len und multikausalen Zusammen- wirken erworbener und genetischer Prothrombin G20210A-Variante (heterozygot) 0,33 % 1 : 300 Risikofaktoren und daraus resultie­ Faktor V Leiden- und Prothrombin G20210A-Variante 5,00 % 1 : 20 (jeweils heterozygot) in Kombination render Gefährdungspotentiale.

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26. Symposium Intensivmedizin und Intensivpflege 24. - 26. Februar 2016

Donnerstag, 25. Februar 2016, 14.30 - 16.00 Uhr, Gruppenraum 4, Messe und Congress Centrum Bremen

Workshop der Gambro Hospal GmbH „Warum geht der Filter zu? Praktische Tipps für die Hämofiltrationstherapie auf der Intensivstation“ Im gemeinsamen Dialog geben wir im Rahmen dieses Workshops Antworten auf folgende häufig gestellte Fragen bei der CRRT: Wie können Filterstandzeiten optimiert und erhöhte Kosten vermieden werden?

Austausch von Leucin (HPA-1a) ten keine Risikofaktoren der Athero- toren an vorhandene arteriosklerotische gegen Prolin (HPA-1b) an Position 33 genese [38,40]. Gefäßwandläsionen gekoppelt [37]. des Rezeptors; Die hieraus abgeleitete Hypothese, dass Liegen keine degenerativen Gefäßwand- • 2 807TT-Genotyp des Integrins α1β2, KHK-Patienten, die zugleich Träger kri­ veränderungen vor, bleiben die pro- einer Variante des Kollagenrezeptors, tischer thrombozytärer Rezeptorvarian- thrombotischen Rezeptorformen ohne die mit erhöhter Expressionsdichte ten sind, ihren Myokardinfarkt frühzei- Effekt. Diese Erkenntnis unterstreicht, auf der Thrombozytenoberfläche tiger erleiden sollten als KHK-Patienten dass zwischen atherogenen und throm­ assoziiert ist; mit unkritischen Rezeptorformen, hat bogenen Risikofaktoren unterschieden • GPIb-IX-V-Rezeptorkomplex, dessen sich bestätigt gefunden: werden sollte, um die komplexe Patho- GPIbα-Komponente – infolge re- • Patienten mit Pro33-Variante (αIIbβ3) genese arteriosklerotischer Prozesse und petitiver DNA-Elemente im GPIbα bzw. α2 807TT (α2β1) sind bei In- ihrer thrombotischen Komplikationen kodierenden Gen – einen Längenpo- farktmanifestation 5,2 bzw. 6,3 Jahre zu verstehen, Stratifikationen nach lymorphismus mit „variable number jünger als Patienten mit Leu33 bzw. definierten Risikogruppen vornehmen of tandem repeats“ (VNTR) aufweist. α2 807CC [40]; zu können und auf dieser Grundlage Myokardinfarkt und thrombozytäre • bei Patienten mit VNTR-non-D-Alle­len Maßnahmen zur gezielten Prävention Rezeptor-Polymorphismen des GPIb-IX-V-Rezeptors tritt der Myo- und Therapie weiterzuentwickeln. Unter der Frage, ob diese Rezeptorva- kardinfarkt 5,9 Jahre früher auf [39]; • nach aortokoronaren Bypass-Ope­ rianten tatsächlich Risikodeterminanten Perspektiven rationen ist die Pro33-Variante ein bei koronarer Herzkrankheit (KHK) sind, Risikofaktor für Bypassverschluss, wurden molekular-epidemiologische In Anbetracht der demographischen Ent- Myokardinfarkt und postoperative Studien an > 4.000 Patienten durch- wicklung dürften beide Facetten eines Frühmortalität [36]. geführt. Übergeordnetes Ergebnis der gestörten Hämostasesystems – Throm- retrospektiven und prospektiven Unter­ Die phänotypische Charakterisierung in bosen und Blutungen – ein klinisch rele-­ suchungen ist, dass bestimmte Vari- vitro bestätigt an Thrombosemodellen, vantes Problem bleiben. Dies betrifft die anten thrombozytärer Rezeptoren die dass die Integrinvarianten von αIIbβ3 mit zunehmendem Alter steigende Inzi- Entwicklung akuter Koronarthrombosen und α2β1 prothrombotische Eigenschaf- denz venöser und arterieller Thrombosen begünstigen [27,30,38]: ten besitzen [28 - 30,33]. Merkmale ebenso wie die Blutungskomplikationen • So besteht bei KHK eine signifikante ihres Phänotyps unter flussdynamischen unter intensivierter antithrombotischer Assoziation zwischen der Pro33- Bedingungen sind erhöhte Adhäsion, Behandlung oder Sekundärprophylaxe. Variante von αIIbβ3 bzw. dem α2 erhöhte Signalbildung sowie erhöhte Strategien, die ausschließlich antithrom- 807TT-Genotyp von α1β2 („high Thrombusbildung und -stabilität. botisch, nicht aber antihämostatisch density“-Variante des Kollagenrezep­ In vivo sind die Auswirkungen der kri­ wirken, sind entworfen, entsprechende tors) und akutem Myokardinfarkt [40]; tischen thrombozytären Rezeptorvari­ Pharmaka aber bislang noch nicht für • hingegen sind beide Rezeptorvarian- anten als prothrombotische Risikofak- die Behandlung verfügbar.

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13. Hansson PO, Eriksson H, Welin L, Hämostase im Schock, Teil 2: Physiologie Literatur Svärdsudd K, Wilhelmsen L: Smoking der Hämostase. Anästh Intensivmed 1. Bertina RM, Koeleman BP, Koster T, and abdominal obesity: Risk factors 2014;55:272-281 Rosendaal FR, Dirven RJ, van der for venous thromboembolism among 27. Scharf RE, Gerhardt A, Stoldt V, Zotz RB: Velden PA et al: Mutation in blood middle-aged men: „The study of Klinische und experimentelle Throm­- coagulation factor V associated with men born in 1913“. Arch Intern Med boseforschung: Genetische Determinan­ resistance to activated protein C. Nature 1999;159:1886-1890 ten, molekulare Mechanismen und 1994;369:64-67 14. Koscielny J, Ziemer S, Radtke H, therapeutische Strategien bei thrombo- 2. Boccardo P, Remuzzi G, Galbusera M: Schmutzler M, Pruss A, Sinha P et al: tischen Komplikationen. Jahrbuch der Platelet dysfunction in renal failure. 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Haemostasis in Critical Care – Gerinnung in der perioperativen Phase Interdisziplinärer hämostaseologischer Intensivworkshop für OP und Intensivstation

4. + 5. März 2016 Wissenschaftliche Leitung: Charité-Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Christian von Heymann | Dr. med. Lutz Kaufner | Dr. med. Robert Klamroth Campus Virchow Klinikum (CVK), Auskunft und Anmeldung: MCI Deutschland GmbH | MCI-Berlin Office | Markgrafenstraße 56 | Lehrgebäude, Forum 3 10117 Berlin | Tel.: +49 (0)30 204590 | Fax: +49 (0)30 2045950 | E-Mail: [email protected] Augustenburger Platz 1 Teilnehmergebühren: Mitglieder GTH 150,- | Nichtmitglieder 190,- 13353 Berlin, Deutschland € € Die Zertifizierung bei der Ärztekammer Berlin ist beantragt.

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Hämostase im Schock* Haemostasis in shock Part 4: Special pathophysiological aspects Teil 4: A. Gänsslen · H.A. Adams · G. Baumann · I. Cascorbi · M. Emmel · D. Fischer · aßgeschneidert Spezielle pathophysio­ S. Flohé · D. Fries · S. Geiger · A.R. Heller · F. Hildebrand · E. Klar · H.J. Klippe · logische Aspekte L. Lampl · H. Prange · U. Rolle · A. Sarrafzadeh · R.E. Scharf · T. Standl · W. Teske · M G. Werner · R. Zander – Sektion Schock der DIVI paßt einfach besser! Erleben Sie den Unterschied Zusammenfassung static effects of HES have lost relevance, * Hämostase im Schock as becomes obvious when HES 130/0.4 Teil 1: Historische Aspekte Neu! unter Azidose, Hypothermie, Hypokalziämie (Anästh Intensivmed 2014;55:181-189) is compared with older preparations. und Hämodilution können die Hämo- Teil 2: Physiologie der Hämostase www.rescuepro.de stase klinisch relevant beeinträchtigen, (Anästh Intensivmed 2014;55:272-281) Teil 3: Allgemeine Pathophy­sio­logie während Gifte kaum eine Rolle spielen. Klinisch führende Einfluss- der Hämostase Darüber hinaus kann jede Infusionsthe- faktoren (Anästh Intensivmed 2016;57:14-23) Die einzigartige Abrechnungssoftware - maßgeschneidert rapie zum Flüssigkeits- oder Volumen- für Anästhesist/Innen von Anästhesist/Innen. ersatz die Hämostase stören. Während Grundlagen die Auswirkungen von Kristalloiden Zu einer Hämostasestörung tragen – mit Gebührenfreie Hotline: 0800 – 112 1 112. Jetzt wechseln! (wie 0,9% NaCl und plasmaadaptierten absteigender Intensität – insbesondere Lösungen) sowie von Humanalbumin folgende klinisch relevante Einflussfak- weitgehend auf den Dilutionseffekt toren bei (Abb. 1): begrenzt bleiben, kommen im Fall der • Azidose, künstlichen Kolloide darüber hinaus • Hypothermie, gehende spezifische Effekte hinzu. Hier • Hypokalziämie und hat Dextran die stärksten und Gelatine • Hämodilution die geringsten negativen Effekte. Die (erniedrigter Hämatokrit). negativen Hämostaseeffekte von Hydro- Die Literatur zu diesen Einflussfaktoren, xyethylstärke haben bei 6% HES 130/0,4 die für sich allein oder in Kombination gegenüber älteren Präparationen deut- zu einer Hämostasestörung beitragen, lich an Relevanz verloren. ist kaum überschaubar und in ihren Abstract Aussagen teilweise widersprüchlich, so Clinically relevant influential factors on dass hier nur eine zusammenfassende haemostasis are acidosis, hypothermia, Darstellung erfolgt. hypocalcaemia and haemodilution, Azidose whereas the relevance of poisons is very limited. Each infusion therapy for fluid Die Azidose hat negative Effekte so­ Schlüsselwörter or volume replacement has potentially wohl auf die Thrombozyten als auch Hämostase – Azidose – negative effects on haemostasis. While auf die plasmatische Hämostase. Hypothermie – Hypokalziämie the effects of crystalloids (such as phy- – Hämodilution – Kristalloide siological saline and plasma-adapted – Kolloide solutions) or human albumin are mainly Eine Azidose geht mit einer Abnahme Keywords restricted to the dilutional effect, artifi­- der zirkulierenden Thrombozyten und Haemostasis – Acidosis – cial colloids elicit additional specific damit der Thrombozytenzahl einher Hypothermia – Hypocalcaemia effects. Here, dextran produces the [1,2] und hemmt die Thrombozyten­ – Haemodilution – Cristalloids strongest, gelatine the least negative aggregation [3,4,5]. Neben strukturellen – Colloids effects on haemostasis. Negative haemo- Veränderungen der Thrombozyten

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fanden sich auch Hinweise auf eine hinreichend belegt [2,6,7]; zusätzlich Weiter sind folgende Einzelbefunde zu verstärkte Inflammation [5]. wird eine Gerinnungsinhibition durch erwähnen: Die verminderte Aktivität der Ge­ azidosebedingte Protein-C-Aktivierung • Eine starke Azidose verlängert die rinnungsfaktoren bei Azidose ist diskutiert [8,9]. aPTT (aktivierte partielle Throm- boplastinzeit) und vermindert den Quick-Wert [10]. Abbildung 1 • In der Analyse mittels TEG (Throm- belastographie) oder ROTEM (Ro­- Azidose Hypothermie Hypokalziämie tationsthrombelastometrie) hatte eine Azidose negative Effekte auf verschiedene Parameter der Gerinn- selbildung und Gerinnselfestigkeit [10,11,12]. Einige Parameter wie die Hämostasestörung CT (Clotting Time) und die MCF (Maximum Clot Firmness) wurden jedoch erst bei sehr niedrigen pH- Werten [2,10,11,13] – teils bis pH 6,8 [12] – oder begleitender Hypother- Hämodilution mie [13] relevant beeinflusst. • Da Erythrozytenkonzentrate mit zunehmender Lagerungsdauer einen ↑ Mortalität ↑ BE (base excess, Basendefizit) bis -50

Wesentliche klinische Einflussfaktoren auf die Hämostase. mmol/l aufweisen, kann deren Trans- fusion eine Azidose verstärken [14].

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stimmte TEG-Parameter nur dann, steigendem Partialdruck in der Probe – Es gibt Hinweise, dass die negativen wenn die Analysen nicht bei 37 °C eine respiratorische Azidose erzeugt, Effekte der Azidose auf die Hämos­ erfolgten, sondern das Messgerät was als azidosebedingte Hämostasestö- tase nicht oder nur unvollständig auf die verminderte KKT eingestellt rung fehlinterpretiert werden kann [34]. r­eversibel sind. wurde. • Klinische Untersuchungen mittels Zusammenfassend ist festzuhalten, In vitro war die Azidose-Wirkung auf TEG oder ROTEM [10,13,17,21,27] dass eine Hypothermie ab einer KKT diverse Parameter der Hämostase re- zeigten eine verzögerte Gerinnsel- < 34 °C eine kombinierte Störung versibel [11,15]. In vivo war der Effekt bildung, aber nicht zwingend eine der thrombozytären und plasmati­ einer metabolischen Azidose nach HCl- Verminderung der MCF. schen Hämostase induziert. Infusion beim Schwein mit nachfolgen- • Bei unterschiedlichen Graden der der Pufferung dagegen nicht vollständig Hypothermie wurden u. a. eine reversibel [1,2] – so verblieben die herabgesetzte Interaktion des von- Kombinierte Effekte von Azidose Fibrinogen-Konzentration bei etwa 70% Willebrand-Faktors (vWF) mit dem und Temperatur und die Thrombozytenzahl bei etwa Glykoprotein (GP)-Ib-IX-V-Komplex 50% des Ausgangswertes [1]. [28] und eine verminderte Aktivität Die negativen Hämostaseeffekte der verschiedener Gerinnungsfaktoren Hypothermie Azidose werden durch eine Hypo­ [6,17] beschrieben. thermie verstärkt. Hypothermie ist in der Traumatolo­ Der Einfluss der Hypothermie auf das fibrinolytische System ist weitgehend gie als Körperkerntemperatur (KKT) Dazu tragen verschiedene Einflussgrö- unklar. Es wurden sowohl eine Hyper­ < 35 ºC definiert [16]; sie hat nega­ ßen bzw. deren Kombination bei [13,35]. fibrinolyse [20] als auch fehlende Effekte tive Effekte auf Thrombozyten und Weiter ist sowohl bei Hypothermie als auf die Fibrinolyse [13] beschrieben. plasmatische Hämostase sowie die auch bei Azidose die Verfügbarkeit von Morbidität und Mortalität bestimm­ Fibrinogen vermindert [36]. Die Kom- ter Patientengruppen. Die Effekte der Hypothermie auf die bination von Azidose und Hypothermie Hämostase sind generell reversibel tritt vor allem bei Traumapatienten auf [4,13,29]. Dies ist sowohl für die Die differenzierten Effekte der Hypo- und kann deren Prognose relevant be- akzidentelle Hypothermie als auch thermie auf die Thrombozyten und die einträchtigen [37,38,39]. für die therapeutische Hypothermie plasmatische Hämostase treten ab einer relevant. KKT < 34 °C [6,10,17,18] deutlicher auf – Kalzium während eine Verminderung der KKT auf 35 °C keinen relevanten Einfluss hat [19]. Der klinische Einfluss der akzidentel- Die normale Kalzium-Konzentration des Plasmas beträgt etwa 2,5 mmol/l, Eine Hypothermie geht mit einer Ab­- len Hypothermie zeigt sich v. a. bei wovon knapp die Hälfte an Protein nahme der Thrombozytenzahl [20, Traumapatienten – sie wurde in diesem (vornehmlich Albumin) gebunden 21,22] sowie einer Störung der Throm­ Kollektiv als unabhängiger Faktor der ist. Für die Hämostase ist die Kon­ bozytenadhäsion und -aggregation Letalität identifiziert [30,31,32]. Auch bei chirurgischen Patienten außerhalb zentration des ionisierten (freien) einher [17]. 2+ der Akuttraumatologie führt bereits Ca entscheidend; hier beträgt der Bezüglich der plasmatischen Hämos­ eine milde Hypothermie von 34 - 36 °C Normalbereich 1,1 - 1,3 mmol/l. tase müsste schon aus theoretischen zu einem Anstieg des intraoperativen Überlegungen jede Temperaturabnah­- Blutverlustes und erhöht den Transfu­ me um 1 °C eine Minderung der Akti- Bei etwa 10% der Traumapatienten liegt sionsbedarf [33]. 2+ vität der beteiligten Enzyme um 4 - 10% eine schwere Hypokalziämie (Ca < 0,9 bedingen [23]. In der klinischen Routinediagnostik mmol/l) vor, wobei die Ursache offen ist • Verschiedene Autoren haben hypo­- werden temperaturbedingte Einflüsse [40]. Wegen der pH-Abhängigkeit der thermiebedingte Effekte auf Labor­ auf die Hämostase oft nicht erfasst, da Proteinbindung nimmt die Ca2+-Konzen- werte wie aPTT und Quick unter- die Messungen meist bei einer auf 37 °C tration bei Azidose zwar geringfügig zu; sucht. Die Ergebnisse sind nicht eingestellten Probentemperatur erfolgen dieser günstige Effekt kann die negati­- einheitlich. In mehreren Studien und hypothermiebedingte Effekte dann ven Effekte der Azidose auf die Hämos­ [24,25,26] wurde eine Verlängerung nicht zur Geltung kommen können. tase jedoch vermutlich nicht kompen­ der aPTT und ein Abfall des Quick- Umgekehrt gilt, dass bei hypothermen sieren. In Bezug auf die Verminderung Werts gezeigt – während sich diese Patienten die Erhöhung der Probentem- des freien Kalziums wird eine Ca2+- Werte in einer weiteren Studie [21] peratur auf 37 °C – wegen der konseku- Bindung durch Laktat (Chelatbildung)

nicht relevant änderten oder be- tiv verminderten Löslichkeit von CO2 mit und auch durch Kolloide diskutiert:

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• Bezüglich Laktat [41] kann eine < 18 oder einen Hämoglobin (Hb)-Wert F V aktivieren. Vipern und Gruben- lineare Abnahme der Ca2+-Konzen- < 6,0 g/dl entspricht bereits rechnerisch ottern bilden F X-Aktivatoren, von tration um etwa 0,05 mmol/l pro einer verbleibenden plasmatischen denen die Metalloproteinase RVV-X 1 mmol/l Laktat-Anstieg angenom- Faktorenkonzentration < 30% – damit der Kettenviper Vipera russelli als der men werden [42], was bei einer nimmt der Quick-Wert entsprechend stärkste F X-Aktivator gilt. Laktat-Konzentration von 10 mmol/l ab und die aPPT wird verlängert. In • Weiter sind in vielen Schlangengif­ eine Reduktion des ionisierten der ROTEM- bzw. TEG-Analyse [48,49] ten Prothrombin-Aktivatoren ent­- Kalziums von 1,20 auf eine therapie- resultierten eine signifikante Abnahme halten. So wirkt das Gift der in bedürftige Konzentration von 0,70 der MCF, eine signifikante Abnahme Australien vorkommenden Östlichen mmol/l bedeutet – wobei hier auch des α-Winkels als Hinweis auf eine Braunschlange Pseudonaja textilis, das in Erythrozytenkonzentraten mit verlangsamte Gerinnselbildung sowie das einen Komplex von F X und F V der Lagerungsdauer zunehmend vor- eine verlängerte CFT (Clot Formation enthält, als Prothrombin-Protease und handene Laktat zu beachten ist [14]. Time, Gerinnselbildung) als Hinweis auf kann Prothrombin in Thrombin über- • Von den künstlichen Kolloiden kann eine eingeschränkte Thrombozyten- führen [56]. Neben Prothrombin- nur die negativ geladene Gelatine Fibrinogen-Interaktion, was mit einer Aktivatoren gibt es auch Thrombin- Kalzium binden [40], was aber verminderten Fibrinogen-Konzentration artige Proteasen wie Venombin A, B wegen der relativ geringen Bindungs- und Thrombozytenzahl einherging. Wei- und A/B, die z. B. im Gift der süd- kapazität und der eingesetzten In­- tere Dilutionsansätze mit verschiedenen amerikanischen Lanzenotter B o ­- fusionsvolumina klinisch nicht rele- Infusionslösungen haben vorwiegend throps jararaca enthalten sind. vant erscheint. eine Hypokoagulabilität [50,51] belegt. • In vielen Schlangengiften wurden Die in einigen Studien im Rahmen der Auch Blutprodukte können eine Hypo­- C-Typ-Lectine gefunden, die mit Hämodiluton beobachtete Hyperko- kalziämie begünstigen. Gefrierplasma Oberflächenrezeptoren von Throm­- agulabilität [52,53] dürfte methodisch und Thrombozytenkonzentrate (we- bozyten wie GP Ib oder den Kolla- bedingt sein [54,55]. ­niger Erythrozytenkonzentrate) enthal­ genrezeptoren α2β1 und GP VI in- ten kalziumbindendes Zitrat zur Ge­ teragieren und so die Thrombozyten rinnungshemmung. Zitrat wird rasch Zusammenfassend ist davon auszu­ aktivieren. Im Gegensatz zu multi- hepatisch metabolisiert und das ge­ gehen, dass eine akute Hämodilu­ meren C-Typ-Lectinen (wie Aggretin bundene Kalzium wieder freigesetzt; tion auf einen Hämatokrit < 18 bzw. und Bilinexin) hemmen heterodi- eine Hb-Konzentration < 6 g/dl dieser Metabolismus kann bei Patienten mere C-Typ-Lectine (wie Echicetin) sowohl die primäre Hämostase als mit hepatischer Insuffizienz – z. B. im die Thrombozytenaggregation [57]. auch die plasmatische Hämostase Schock – jedoch deutlich eingeschränkt beeinträchtigt. sein [43]. Hämostasefördernde Schlangengifte können die plasmatische Hämostase Hämodilution bis hin zur Verbrauchskoagulopathie Gifte aktivieren. Der gemeinsame Effekt Es gibt Hinweise, dass die Throm­ der Prothrombin-Aktivatoren und bozyten bei einem normalen Häma­ Schlangengifte der Thrombin-artigen Proteasen der tokrit durch die Masse der Erythro­ Schlangengifte besteht in der Über­ zyten im Strömungsprofil des Blutes führung von Fibrinogen in Fibrin, In Schlangengiften enthaltene Prote­ an den Rand gedrängt werden und was letztlich Thrombosen und Embo­ ine können die Hämostase massiv diese Lateralisierung zirkulierender lien mit tödlichem Verlauf aus­lösen aktivieren oder auch hemmen. Meist Thrombozyten den Kontakt zur Ge­ handelt es sich bei den Schlangengif­ kann. fäßwand und damit die primäre Hä­ ten um Gemische verschiedener mostase begünstigt [44,45,46]. Wirkstoffe. Hämostasehemmende Schlangengifte wirken vor allem auf F IX und F X sowie In diesem Zusammenhang wurde bei Hämostaseaktivierende Schlangengifte auf Prothrombin. anämischen bzw. polyzythämischen können bestimmte Gerinnungsfaktoren Bothrojaracin aus der bereits erwähnten Patienten gezeigt, dass sich die Blutungs- direkt aktivieren, diesen Faktoren Lanzenotter Bothrops jararaca hemmt zeit verlängerte bzw. verkürzte [47]. ähnlich sein oder mit Thrombozyten die Thrombin-vermittelte Thrombozyten- Darüber hinaus wird auch die plasma­ interagieren. aktivierung und die Bindung von Throm- tische Hämostase – schon durch den • Das Gift von Lanzenottern sowie bin an Fibrinogen und Thrombomodulin. Verdünnungseffekt – beeinträchtigt. Eine bestimmter Vipern- und Kobra-Arten Die Protein-C-Aktivierung wird dagegen Hämodilution auf einen Hämatokrit enthält Proteasen, die spezifisch den vermindert.

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• Gifte von Grubenottern, Vipern und Effekte von Kristalloiden lekulargewicht (mMG) und dosisabhän- Giftnattern enthalten Metallopro- gig zu [66]. Die Substanz beeinträchtigt teinasen und Serin-Proteasen mit und Kolloiden die Adhäsion der Thrombozyten durch fibrin(ogen)olytischer Aktivität. Umhüllung (coating) und reduziert • Weiterhin wurden in den Giften Jede Infusionstherapie zum Flüssig­ darüber hinaus die Aktivität der F II, V vieler Schlangenarten Phospholipase keits- oder Volumenersatz [61,62] und VIII [67,68].

A2-Inhibitoren gefunden, die eben- hat potenziell negative Effekte auf Die über den Dilutionseffekt hinaus- falls die Hämostase hemmen. die Hämostase. Während die Aus­ gehenden Effekte von Gelatine auf die Die starke fibrinolytische Wirkung von wirkungen von plasmaadaptierten Hämostase gelten im Vergleich zu HES Schlangengiften ist für die Entwicklung Kristalloiden sowie von Humanalbu­ als insgesamt gering und klinisch kaum von Arzneistoffen zur Behandlung von min weitgehend auf den Dilutions­ relevant, so dass für Gelatinelösungen Thrombosen interessant [58]. Alfime­ effekt begrenzt bleiben, kommen im keine hämostaseologisch empfohlene prase, eine rekombinante, genetisch mo- Fall der künstlichen Kolloide spezifi­ Maximaldosis (HEMD) angegeben wird difizierte Variante der Metalloproteinase sche Effekte hinzu. [69,70]. Neuere Untersuchungen mittels Fibrolase aus dem Nordamerikanischen TEG/TEM haben dieses Bild, hier ins- Kupferkopf (Agkistrodon contortrix Die Effekte verschiedener Kristalloide besondere im Vergleich mit HES, weiter contortrix), wurde klinisch erprobt, die auf die Hämostase wurden von Orbe- differenziert. Entwicklung aber nicht weiter verfolgt. gozo Cortés et al. mittels einer struktu- HES vermindert die Aktivität des vWF aus dem Gift der Malaien-Mo- rierten Literaturanalyse [63] ausgewertet. und von F VIII [71,72] und beeinträchtigt kassinotter (Calloselasma rhodostoma) Für plasmaadaptierte Lösungen, Ringer- die Thrombozytenfunktion, Fibrin-Po­ befindet sich in klinischer Prüfung. Laktat und 0,9% NaCl konnten bei lymerisation und Thrombusstabilität Bestimmte C-Typ-Lectine (siehe oben) größeren Eingriffen bezüglich Blutverlust durch Blockade von GP IIb/IIIa- und eine Vielzahl von Disintegrinen und Transfusionsbedarf keine relevanten Rezeptoren [73]. Die Effekte sind bei hemmen speziell die Thrombozytenag­ Unterschiede gezeigt werden. Allenfalls Patienten mit der Blutgruppe 0 beson­- gregation. Die Substanzen sind effektive bei Hochrisikopatienten fanden sich ders ausgeprägt [74,75] – zur Erklärung Hemmstoffe der GP IIb/IIIa-Rezeptoren, leichte Nachteile für 0,9% NaCl [63] – kann dienen, dass diese Menschen dispositionell erniedrigte vWF-Plasma- des Vitronectin-Rezeptors αvβ3 und des wobei im Fall von 0,9% NaCl nicht nur die Dilution der Gerinnungsfaktoren, spiegel mit konsekutiver Herabsetzung Fibronectin-Rezeptors α5β1 [59]. sondern bei Infusion größerer Mengen der F VIII-Aktivität aufweisen. Da die Pflanzliche Gifte zusätzlich die durch fehlende Bikarbo- F VIII-Aktivität durch Infusion von 0,3 Die in Sauerampfer enthaltene Oxal- natbildner entstehende metabolische µg/kg KG Desmopressin (DDAVP) säure kann bei zu hoher Aufnahme Hä- Dilutionsazidose [61] sowie die durch erhöht werden kann, besteht damit eine mostasestörungen auslösen. Oxalsäure die unphysiologisch hohe Cl-Konzen- gewisse Therapieoption für eine HES- induzierte Hämostasestörung [76]. wirkt als Chelatbildner von Ca2+-Ionen tration bedingte hyperchlorämische und hemmt – neben weiteren Effekten – Azidose [64] zum Tragen kommen. Die Frage, welche speziellen Eigenschaf- damit die Aktivierung der F II, VII, IX Über die Effekte der künstlichen ten des HES-Moleküls – mMG, Substitu- und X [60]. Waldmeister enthält ca. 1% Kolloide Gelatine, Dextran und Hydro­ tionsgrad oder Substitutionsmuster – für Cumarin und kann daher ebenfalls die xyethylstärke (HES) sowie des natürli- die negativen Hämostaseeffekte verant- Hämostase hemmen. chen Kolloids Humanalbumin (HA) auf wortlich sind, ist derzeit nicht eindeutig die Hämostase liegen zahlreiche, teils zu beantworten. Insgesamt scheinen Antikoagulanzien als Rattengift widersprüchliche Befunde vor. Dies die negativen Hämostaseeffekte mit Bei den in Deutschland verwendeten liegt vor allem an den unterschiedlichen dem Substitutionsgrad [77] und dem Rattengiften handelt es sich meist um Untersuchungsansätzen und methoden, mMG [78] zuzunehmen, während der die Vitamin-K-Antagonisten unter denen die (Rotations-)Thromb- Effekt des Substitutionsmusters (C2 : C6- oder Dicumarol. Warfarin findet in der elastographie (TEG) bzw. Thrombelasto- Verhältnis) kein eigenständiger Faktor zu Humanmedizin breite Anwendung und metrie (TEM) in den letzten Jahren domi- sein scheint [77]. ist in zugelassenen Arzneimitteln ent- nieren, während die Gerinnungstests in Nachdem die älteren HES-Präparationen halten. Die Cumarin-Derivate inhibieren den Hintergrund getreten sind. Hier soll klinisch obsolet geworden sind, sind den Vitamin-K-Zyklus und verhindern nur eine zusammenfassende Bewertung derzeit nur die hämostaseologischen hierdurch die Glutamylcarboxilierung erfolgen. Effekte von HES 130 – dies vor allem im der F II, VII, IX und X. Durch Zusatz zu Unter den künstlichen Kolloiden hat das Vergleich mit Kristalloiden, Gelatine- Getreideködern nehmen Ratten eine klinisch obsolet gewordene Dextran die Präparaten und HA – relevant. Erste hohe Dosis auf und verbluten an den stärksten hämostasehemmenden Effekte vergleichende In-vitro-Untersuchungen Folgen der massiven Gerinnungsstörung. [65]; sie nehmen mit dem mittleren Mo­ nach Hämodilution mit 6% HES 200/0,5

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und 6% HES 130/0,4 zeigten zunächst Effects of desmopressin on platelet 15. Engstrom M, Schott U, Nordstrom CH, keine Unterschiede in der TEG [79] und function under conditions of hypo- Romner B, Reinstrup P: Increased lactate bei orthopädischen Patienten [80] keine thermia and acidosis: An in vitro study levels impair the coagulation system – using multiple electrode aggregometry. A potential contributing factor to pro­- klinisch relevanten Unterschiede in den Anaesthesia 2010;65:688-691 gressive hemorrhage after traumatic untersuchten Hämostaseparametern. 5. Etulain J, Negrotto S, Carestia A, brain injury. J Neurosurg Anesthesiol In einer weiteren TEG-Studie wurde Pozner RG, Romaniuk MA, D‘Atri LP, 2006;18:200-204 von Fries et al. [81] gezeigt, dass nach et al: Acidosis downregulates platelet 16. ATLS: Advanced Trauma Life Support einer In-vitro-Hämodilution von 20%, haemostatic functions and promotes for Doctors – Student Course Manual. 40% und 60% mit Ringer-Laktat, 4% neutrophil proinflammatory responses American College of Surgeons 2012 succinylierter Gelatine (SC-GEL) 30, 6% mediated by platelets. Thromb Haemost 17. Douning L, Ramsay M, Swygert T, Hicks K, HES 130/0,4 sowie 6% HES 200/0,5 2012;107:99-110 Hein H, Gunning T, et al: Temperature die negativen Effekte auf verschiedene 6. Meng Z, Wolberg A, Monroe DI, corrected thrombelastography in Hoffman M: The effect of temperature hypothermic patients. Parameter der TEG in der Reihenfolge and pH on the activity of factor VIIa: Anesth Analg 1995;81:608-611 Ringer-Laktat, SC-GEL, HES 130 und Implications for the efficacy of high-dose 18. Wolberg A, Meng Z, Monroe DM 3rd, HES 200 zunahmen. Dies war auch bei factor VIIa in hypothermic and acidotic Hoffman M: A systematic evaluation of einer Verdünnung der Kolloidproben mit patients. J Trauma 2003;55:886-891 the effect of temperature on coagulation Ringer-Laktat im Verhältnis 1 : 1 der Fall, 7. Martini WZ, Pusateri A, Uscilowicz J, enzyme activity and platelet function. was durchaus der klinischen Praxis ent- Delgado A, Holcomb J: Independent J Trauma 2004;56:1221-1228 spricht. Van der Linden et al. [82] fanden contributions of hypothermia and 19. Polderman KH: Hypothermia and dann beim Einsatz von 6% HES 130/0,4 acidosis to coagulopathy in swine. coagulation. Crit Care 2012; J Trauma 2005;58:1002-1009 6(Suppl 2):28-30 und 4% SC-GEL 30 bei kardiochirurgi- 8. Brohi K, Cohen M, Ganter M, Matthay M, 20. Yoshihara H, Yamamoto T, Mihara H: schen Patienten vergleichbare Werte Mackersie R, Pittet J: Acute traumatic Changes in coagulation and fibrinolysis für Quick, aPTT, Thrombozytenzahl, coagulo-pathy: Initiated by hypoperfu- occurring in dogs during hypothermia. Blutverlust und Fremdblutbedarf. sion: Modulated through the protein C Thromb Res 1985;37:503-512 pathway? Ann Surg 2007;245:812-818 21. Kettner S, Sitzwohl C, Zimpfer M, Kozek S, Von den künstlichen Kolloiden hat 9. Cohen M, Call M, Nelson M, Calfee C, Holzer A, Spiss C, et al: The effect of Dextran die stärksten und Gelatine Esmon C, Brohi K, et al: Critical role of graded hypothermia (36 degrees C - 32 activated protein C in early coagulopathy degrees C) on hemostasis in anesthetized die geringsten negativen Effekte auf and later organ failure, infection and patients without surgical trauma. die Hämostase. Die negativen Hämo­ death in trauma patients. Anesth Analg 2003;96:1772-1776 staseeffekte von 6% HES 130/0,4 Ann Surg2012;255:379-385 22. Martini WZ, Cortez D, Dubick M, Park M, haben mit einer HEMD von 3 g/kg 10. Ramaker A, Meyer P, van der Meer J, Holcomb J: Thrombelastography is better Körpergewicht und Tag gegenüber Struys M, Lisman T, van Oeveren W, et al: than PT, aPTT, and activated clotting älteren HES-Präparationen deutlich Effects of acidosis, alkalosis, hyperther- time in detecting clinically relevant an klinischer Relevanz verloren. mia and hypothermia on haemostasis: clotting abnormalities after hypothermia, Results of point-of-care testing with the hemorrhagic shock and resuscitation in thromboelastography analyser. Blood pigs. J Trauma 2008;65:535-543 Coagul Fibrinolysis 2009;20:436-439 23. Lier H, Kampe S, Schröder S: Literatur 11. Engström M, Schött U, Romner B, Rahmenbedingungen für eine intakte Reinstrup P: Acidosis impairs the Hämostase. Was muss am Unfallort, im 1. Martini WZ, Dubick M, Pusateri A, coagulation: A thromboelastographic Schockraum und intraoperativ beachtet Park M, Ryan K, Holcomb J: Does bicar­- study. J Trauma 2006;61:624-628 werden? Anästhesist 2007;56:239-251 bonate correct coagulation function 12. Viuff D, Lauritzen B, Pusateri A, 24. Ferrara A, MacArthur J, Wright H, impaired by acidosis in swine? Andersen S, Rojkjaer R, Johansson P: Modlin I, McMillen M: Hypothermia J Trauma 2006;61:99-106 Effect of haemodilution, acidosis, and acidosis worsen coagulopathy in the 2. Martini WZ, Dubick M, Wade C, and hypothermia on the activity of patient requiring massive transfusion. Holcomb J: Evaluation of tris-hydro- recombinant factor VIIa (NovoSeven). Am J Surg 1990;160:515-518 xymethylaminomethane on reversing Br J Anaesth 2008;101:324-331 25. Rohrer M, Natale A: Effect of hypother- coagulation abnormalities caused 13. Dirkmann D, Hanke A, Gorlinger K, mia on the coagulation cascade. by acidosis in pigs. Crit Care Med Peters J: Hypothermia and acidosis Crit Care Med 1992;20:1402-1405 2007;35:1568-1574 synergistically impair coagulation in 26. Darlington D, Kremenevskiy I, Pusateri AE, 3. Marumo M, Suehiro A, Kakishita E, human whole blood. Scherer MR, Fedyk CG, Kheirabaldi BS, Groschner K, Wakabayash I: Extracellular Anesth Analg 2008;106:1627-1631 et al: Effects of in vitro hemodilution, pH affects platelet aggregation associated 14. Zander R, Sümpelmann R: Säure-Basen- hypothermia and rFVIIa addition on with modulation of store-operated Ca++ Status gelagerter und gewaschener coagulation in human blood. entry. Thromb Res 2001;104:353-360 Erythrozyten. Anästhesiol Intensivmed Int J Burn Trauma 2012;2:42-50 4. Hanke A, Dellweg C, Kienbaum P, Notfallmed Schmerzther 27. Rundgren M, Engstrom M: A thrombo- Weber C, Görlinger K, Rahe-Meyer N: 2001;36(Suppl 1):25-30 elastometric evaluation of the effects of

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Neue S3­Leitlinie und PAD­Guidelines so Tonner, Bremen, weiter. Damit gehen Fortbildungsinitiative im Praxischeck die deutschen Leitlinien in Teilen noch „Wie die Leitlinie ans Bett kommt“ Pharmakologisch sei der neu defi nierte Management von Schmerzen, über die amerikanischen PAD-Guideli- nes von 2013 [2] hinaus: Im Fokus steht Standard für alle Patienten auf der In- Angst, Stress, Agitation und Delir ein frühzeitiges, erfolgreiches Manage- tensivstation (RASS von 0 bis -1) mit Ein zentrales Thema auf dem 15. Kon- ment der zentralen Herausforderungen Dexmedetomidin deutlich besser zu gress der Deutschen Interdisziplinären Schmerz, Agitation, Delir sowie Stress, erreichen und anzusteuern als mit an- Vereinigung für Intensiv- und Notfallme- Angst und Schlaf. deren Sedativa wie z.B. Propofol oder dizin (DIVI) 2015 waren die Neuerun- Midazolam [4,5]. Auch hinsichtlich der Therapieprinzipen und Stellenwert gen der aktuell publizierten deutschen Kommunikation und der Kooperation des Monitorings DAS-Leitlinie [1]. Wichtigstes Thera- der Patienten kann eine Überlegenheit Um das zu erreichen, wird ein 4-stufi - pieziel ist der wache und kooperative von Dexmedetomidin belegt werden ges Grundprinzip, das den Vorgaben der Pati ent. Um diese höchste Prämisse der [6], erläuterte Dr. Rebecca von Haken, „Early Goal Directed Therapy“ (EGDT) S3-Leitlinie umzusetzen, braucht es ein Heidelberg. Sie ist Mitglied der Fortbil- mit frühen, evidenzbasierten Zielvor- strukturiertes und interdisziplinäres Be- dungsinitiative „Wie die Leitlinie ans gaben, dem Monitoring von klinischen handlungskonzept. Experten gingen auf Bett kommt“ und überzeugt, dass die einem Symposium der ORION Pharma Parametern und einer zielgesteuerten erfolgreiche Implementierung der Leitli- nie in die Praxis ein langfristiger Prozess der Frage nach, wie ein erfolgreiches pharmakologischen Therapie entspricht, ist, den man strukturiert als Team in der PAD-Management („Pain, Agitation, De- empfohlen [1]. Flankiert wird die EGDT, Klinik angehen sollte. Hierzu gehören lir“) aussehen kann und welche Rolle wie auch in den US-PAD-Guidelines er- Schulungen, Trainings, aber auch ein Dexmedetomidin (dexdor®) bei der wähnt, von einem nicht pharmakologi- verändertes Prozessmanagement. praktischen Umsetzung auf der Intensiv- schen Präventions- und Therapieansatz, 2014 hat ORION gemeinsam mit einer station zukommt. insbesondere getragen von Frühmobili- sation, Reorientierung und Kommunika- Steuerungsgruppe aus ärztlichen und Mit den aktuell publizierten DAS-Leit- tion [1]. pfl egerischen Experten diese Initiative linien, dem Update der S3-Leitlinie für ins Leben gerufen, die sich im Rahmen Das Monitoring von Schmerz, Delir und Analgesie, Sedierung und Delirmanage- eines Fortbildungskonzeptes dieser Auf- Agitation bzw. Sedierung, wie es nach ment in der Intensivmedizin, vollzieht gabe stellen will. Drei Ärzte und drei wie vor in der S3-Leitlinie heißt, nimmt sich in Deutschland ein entscheidender Pfl egekräfte renommierter Kliniken so- einen herausragenden Stellenwert so- Wandel in der Intensivmedizin. Die wie eine Prozessmanagerin leiten die wohl in der DAS-Leitlinie als auch in wichtigste Zielsetzung wird in der Prä- zweitägigen Workshops und geben den ambel hervorgehoben [1]. Das drückt den amerikanischen PAD-Guidelines Teilnehmern das Rüstzeug an die Hand, sich auch in der Neubewertung der ein. Insbesondere da Schmerz, Agitation um die Leitlinien-Empfehlungen später RASS-Stufen („Richmond Agitation Se- und Delir die wesentlichen sich gegen- erfolgreich in der eigenen Klinik zu im- dation Scale“) aus: Sedierung wird zur seitig bedingenden Herausforderungen plementieren. Ausnahme, d.h. ein RASS tiefer als -1 des intensivmedizinischen Alltags mit Bettina Baierl, Berlin benötigt eine klare, defi nierte Indikati- grundlegendem Einfl uss auf das Pati- onsstellung. Der neue Standard ist ein enten-Outcome sind [3], erläuterte Dr. Ziel-RASS von 0 bis -1 und somit ein wa- Thomas Böker-Blum, Mitinitiator des Literatur cher bis schläfriger Intensivpatient, so- PAD-Managements Ost-Schweiz. Dazu 1. S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und fern keine Kontraindikationen vorliegen, bedürfe es der fl ächendeckenden Im- Delirmanagement in der Intensivmedizin plementierung von validierten Scoring- der DGAI und DIVI 2015, online unter erklärte Prof. Dr. Peter Tonner, Mandats- http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ träger für die DGAI bei der DAS-Leitlinie instrumenten. Als Goldstandard gilt für ll/001-012.html. 2015. Dafür wird ein zurückhaltender die Analgesie die Selbsteinschätzung, 2. Barr J, et al: Crit Care Med und umsichtiger Umgang mit Sedativa für die Sedierung die RASS und für das 2013;41:263-306 3. Reade MC: NEJM 2014;370:1567 und Analgetika unter der höchsten Prä- Delir CAM-ICU oder ICDSC. Insbeson- 4. Jakob SM, et al: JAMA 2012;307:1151-60 misse des wachen und kooperativen dere die geforderte Kommunikations- 5. Shehabi Y, et al: Crit Care Med 2013;41(8): Patienten empfohlen [1]. Ebenfalls neu: und Kooperationsfähigkeit des Patienten, 1983-1991 Die DAS-Leitlinie betont zudem auch die ein wesentlicher Grundstein für ein 6. Jakob SM, et al: Jama 2012;307:1151-60. die Bedeutung von Schlaf, Stress und erfolgreiches Management der sich be- Angst [1]. Denn eine Kontrolle oder dingenden Kardinalsymptome Schmerz, Quelle: Symposium der ORION Pharma „Management von Schmerzen, Angst, Stress, Prävention dieser Parameter begünstige Agitation und Delir sind, hängen maß- Agitation und Delir: Neue S3-Leitlinie und den Heilungsverlauf und das Langzeit- geblich von der Sedierungstiefe, aber PAD-Guidelines im Praxischeck“, 03.12. 2015 ergebnis von Intensivpatienten deutlich, auch von der Wahl des Sedativums ab. im Rahmen des DIVI-Kongresses in Leipzig.

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et al: In vitro evaluation of the effect of profound haemodilution with hydroxyethyl starch 6%, modified fluid gelatin 4% and Im ersten Berufsleben alles erreicht? dextran 40 10% on coagulation profile measured by thrombelasto- graphy. Anaesthesia 1997;52:1061-1064 Zu jung fürs alte Eisen? 66. Köhler H, Zschiedrich H, Clasen R, Linfante A, Gamm H: Blutvolumen, kolloidosmotischer Druck und Nierenfunktion Lust auf Neues? von Probanden nach Infusion mittelmolekularer 10% Hydroxyäthylstärke 200/0,5 und 10% Dextran 40. Anaesthesist 1982;31:61-67 Dreimal ja? 67. Harke H, Thoenies R, Margraf I, Momsen W: Der Einfluß verschiedener Plasmaersatzmittel auf Gerinnungssystem und Thrombocytenfunktion während und nach operativen Eingriffen. Einfach. Anaesthesist 1976;25:366-373 68. Harke H, Pieper C, Meredig J, Rahmann S, Rüssler P: Rheologische Zu uns kommen! und gerinnungsphysiologische Untersuchungen nach Infusion von HÄS 200/0,5 und Dextran 40. Anaesthesist 1980;29:71-77 69. Adams HA: Volumen- und Flüssigkeits­ersatz – Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und klinischer Einsatz. Teil I. Anästh Intensivmed 2007;48:448-460 70. Adams HA: Volumen- und Flüssigkeits­ersatz – Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie und klinischer Einsatz. Teil II. Anästh Intensivmed 2007;48:518-540 71. Stump DC, Strauss RG, Henriksen RA, Petersen RE, Saunders R: www.anaesthesieagentur.de Effects of hydroxyethyl starch on blood coagula­tion, particularly factor VIII. Transfusion 1985;25:349-354 ana @ hireadoctor.de 72. Treib J, Haass A, Pindur G, Grauer MT, Wenzel E, Schimrigk K: All medium starches are not the same: Influence of the degree of hydroxyethyl substitution of hydroxyethyl starch on plasma volume, hemorrheologic conditions, and coagulation. Transfusion Anzeige 1996;36:450-455

73. Chen G, Yan M, Lu QH, Gong M: Effects of two different A&I 101x136 mm sw.indd 1 18.01.16 09:17 hydroxyethyl starch solutions (HES 200/0.5 vs. HES 130/0.4) on the expression of platelet membrane glycoprotein. Acta Anaesth 81. Fries D, Innerhofer P, Klingler A, Berresheim U, Mittermayr M, Scand 2006;50:1089-1094 Calatzis A, et al: The effect of the combined administration of 74. Huraux C, Ankri A, Eyraud D, Sevin O, Ménégaux F, Coriat P, et al: colloids and lactated Ringer’s solution on the coagulation system: Hemostatic changes in patients receiving hydroxyethyl starch: An in vitro study using Thrombelastograph® coagulation analysis The influence of AB0 blood group. Anesth Analg 2001;92: (ROTEG®). Anesth Analg 2002;94:1280-1287 1396-1401 82. Van der Linden PJ, De Hert SG, Deraedt D, Cromheecke S, 75. Kang JG, Ahn HJ, Kim GS, Hahm TS, Lee JJ, Gwak MS, et al: The De Decker K, De Paep R, et al: Hydroxyethyl starch 130/0.4 versus hemostatic profiles of patients with type 0 and non-0 blood after modified fluid gelatin for volume expansion in cardiac surgery acute normovolemic hemodilution with 6% hydroxyethyl starch patients: The effects on perioperative bleeding and transfusion (130/0.4). Anesth Analg 2006;103:1543-1548 needs. Anesth Analg 2005;101:629-634. 76. Conroy JM, Fishman RL, Reeves ST, Pinosky ML, Lazarchick J: The effects of desmopressin and 6% hydroxyethyl starch on factor VIII:C. Anesth Analg 1996;83:804-807 77. von Roten I, Madjdpour C, Frascarolo P, Burmeister M-A, Fisch Korrespondenz- A, Schramm S, et al: Molar substitution and C2/C6 ratio of adresse hydroxyethyl starch: Influence on blood coagulation. Br J Anaest 2006;96:455-463 78. Thyses C, Madjdpour C, Frascarolo P, Buclin T, Bürki M, Fisch A, Dr. med. et al: Effect of high- and low-molecular-weight low-substituted Axel Gänsslen hydroxyethyl starch on blood coagulation during acute normovo- lemic hemodilution in pigs. Anesthesiology 2006;105:1228-1237 Klinik für Unfallchirurgie, 79. Jamnicki M, Zollinger A, Seifert B, Popovic D, Pasch T, Spahn DR: Orthopädie und Handchirurgie Compromised blood coagulation: An in vitro comparison of Klinikum der Stadt Wolfsburg hydroxyethyl starch 130/0,4 and hydroxyethyl starch 200/0,5 using Sauerbruchstraße 7 thrombelastography. Anesth Analg 1998;87:989-993 38440 Wolfsburg, Deutschland 80. Langeron O, Doelberg M, Ang ET, Bonnet F, Capdevila X, Coriat P: Tel.: 05361 80-1241 Voluven®, a lower substituted novel hydroxyethyl starch (HES 130/0.4), causes fewer effects on coagulation in major orthopedic E-Mail: [email protected] surgery than HES 200/0.5. Anesth Analg 2001;92:855-862

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Hämostase im Schock* Haemostasis in shock Part 5: Haemostatically active drugs Teil 5: I. Cascorbi · L. Lampl · H.A. Adams · G. Baumann · M. Emmel · D. Fischer · S. Flohé · Hämostasewirksame D. Fries · A. Gänsslen · S. Geiger · A.R. Heller · F. Hildebrand · E. Klar · H.J. Klippe · Medikamente H. Prange · U. Rolle · A. Sarrafzadeh · R.E. Scharf · T. Standl · W. Teske · G. Werner – Sektion Schock der DIVI

Zusammenfassung Summary * Hämostase im Schock Teil 1: Historische Aspekte Zur pharmakologischen Beeinflussung For prevention and treatment of throm- (Anästh Intensivmed 2014;55:181-189) der Hämostase sind mit unterschiedlich boembolic events, a number of different Teil 2: Physiologie der Hämostase (Anästh Intensivmed 2014;55:272-281) potenten Thrombozytenfunktionshem­ potent antiplatelet agents and anticoagu- Teil 3: Allgemeine Pathophy­sio­logie mern und Gerinnungshemmern vielfäl­ lants are avaible for a pharmacological der Hämostase tige Optionen zur Prophylaxe und intervention of haemostasis. Despite (Anästh Intensivmed 2016;57:14-23) Therapie thromboembolischer Ereignisse the proven benefit, the risk of bleeding Teil 4: Spezielle pathophysio­logische is one major adverse effect. Therefore, Aspekte vorhanden. Dem nachgewiesenen Nut­ (Anästh Intensivmed 2016;57:58-67) zen steht als unerwünschte Wirkung the parallel use of antiplatelet agents such as acetyl salicylic acid, NSAID or vor allem das Risiko von Blutungsereig- ADP receptor antagonists such as clo- nissen gegenüber. Daher ist beim Einsatz pidogrel may cause pharmacodynamic von Thrombozytenfunktionshemmern interactions. Special caution is neces- wie ASS, nichtsteroidalen Antiphlogis- sary when further drugs that cause an tika oder ADP-Rezeptor-Antagonisten additional inhibition of platelet function wie Clopidogrel besonders auf deren are prescribed, e.g. selective serotonin pharmakodynamische Interaktionen reuptake inhibitors. After the develop- und Wechselwirkungen mit anderen ment of low-molecular-weight , Medikamenten zu achten, die ggf. zu­- which are associated with a lower risk sätzlich die Thrombozytenfunktion hem- of thrombocytopenia, the introduction of men – hierzu zählen z.B. selektive direct oral (DOAC) pro­- Sero­tonin-Wiederaufnahmehemmstoffe. vided further options in the prophylaxis Nach der Entwicklung niedermoleku­ of thromoboembolic events. Some larer Heparine mit vermindertem Throm-­ DOACs have already gained priority bozytopenie-Risiko stehen mit der Ein­- over vitamin K antagonists in cardiology führung direkter oraler Antikoagulanzien guidelines. However, these drugs also Schlüsselwörter (DOAC) zusätzliche Optionen zur bear/harbour the risk of drug-drug inter- Thrombozytenfunktionshemmer Pro­phylaxe thromoboembolischer Ereig­- actions and, to some extent, require a – Gerinnungshemmer – nisse zur Verfügung. Diese haben in close monitoring of renal function. First – – DOAC – kardiologischen Leitlinien teilweise antidots have already been approved or are awaiting approval. Fibrinolytika – Antifibrinolytika bereits Priorität gegenüber Vitamin-K- – Hämostyptika Antagonisten gewonnen. Jedoch weisen auch diese Medikamente Arzneimittel- Thrombozytenfunktionshemmer Keywords Platelet Inhibitors – Interaktionen auf und bedürfen teilweise Anticoagulants – Heparin einer engmaschigen Kontrolle der Nie- Grundlagen – Phenprocoumon – DOAC – renfunktion. Erste Antidote sind bereits Die Hemmung der primären Hämostase­ Fibrinolytics – Antifibrinolytics zugelassen oder stehen kurz vor der (Abb. 1) mit Hilfe von Thrombozyten- – Haemostyptics Markteinführung. funktionshemmern – auch Thrombo­

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Abbildung 1

inaktives GPIIb/IIIa Adrenalin

Serotonin

Dipyridamol cAMP TX-A2 ASS

ADP Clopidogrel AC

Thrombin

Kollagen

Ca2+ PAF

Adhäsion GPIIb/IIIa Abciximab Aggregation Verformung Fibrin © Modifi ziert nach DAZ/Gesine Oberst

Typische Wirkorte von Thrombozytenfunktionshemmern.

zytenaggregationshemmer genannt – • Die antiphlogistische und analge- Acetylsalicylsäure umfasst ein breites Indikationsgebiet. tische Wirkung der NSAID beruht überwiegend auf der Hemmung der Die Mehrzahl der Medikamente wirkt Acetylsalicylsäure (ASS) führt durch direkt oder indirekt auf Oberflächen- induzierbaren COX-2, die in entzün- Acetylierung vor allem zu einer irre- rezeptoren und darüber­ hinaus auf die detem Gewebe exprimiert wird. versiblen Hemmung der COX-1 und intrazelluläre Kalzium-Homöostase der • Die Nebenwirkungen lassen sich teil- weniger der COX-2. Thrombozyten ein. Die Folge ist eine weise aus der Hemmung der COX-1 Hemmung der Adhäsion, Aggregation ableiten, die im Magen, der Niere sowie GP IIb/IIIa-vermittelten Fibrin- und in Thrombozyten konstitutiv In der Nähe des katalytischen Zentrums Bindung. (permanent) exprimiert wird. Fol- der COX-1 wird ein Serin-Rest in Position gen einer langfristigen Behandlung 529 acetyliert und damit die Aktivität Traditionelle NSAID (Non-Stero­ mit NSAID sind daher vor allem der COX-1 für die gesamte Lebensdauer idal Anti-Inflammatory Drugs) gastrointestinale COX-1-vermittelte des Thrombozyten inhibiert, da die kern- Erosionen und Ulzerationen sowie – Grundlagen losen Thrombozyten die COX-1 nicht substanz- und dosisabhängig und neu synthetisieren können. weniger häufig – Nierenschäden. Traditionelle nicht-steroidale Anti- Dieser Effekt tritt für Thrombozyten • In jüngerer Zeit wurde die Aufmerk- phlogistika bzw. Antirheumatika (non- schon nach Dosen von 50-70 mg ein; samkeit auf kardiovaskuläre und ze- steroidal antiinflammatory drugs; Präparate zur Thrombozytenaggrega­ rebrovaskuläre Risiken nach langfris- NSAID) sind die am häufigsten ein- tionshemmung enthalten daher regelhaft tiger Einnahme von NSAID gelenkt. gesetzten analgetisch-antiphlogisti- 100 mg ASS. Die analgetische Wirkung Dies gilt nicht nur für Coxibe (siehe setzt erst ab 500 mg ein, bei Tagesdosen schen Medikamente überhaupt [1]. unten), sondern auch für traditionelle von 2 g kommt eine COX-2 vermittelte Ihr wesentliches Wirkprinzip ist die NSAID [2]. Als Mechanismus wird antiphlogistische Wirkung hinzu. Hemmung der Cycloxygenasen eine durch COX-2-Hemmung ver- (COX) 1 und 2 und damit die für die mittelte Dysbalance zwischen den Wesentliche Indikationen für 1x100 mg Analgesie wesentliche Inhibierung vermindert synthetisierten Endoper- ASS pro Tag sind die koronare Herz- der Prostaglandin-Synthese. krankheit (KHK) in ihren verschiedenen oxiden Prostacyclin PGI2 und Pros-

taglandin E2 sowie dem gleichzeitig Ausprägungen und die Schlaganfallprä­ • Die Hemmung der COX-1 inhibiert vermehrt exprimierten Thromboxan vention. Zu den unerwünschten Wir­-

auch die Synthese von Thromboxan A2 mit potentieller Stimulation der kungen (auch schon bei niedrigen A2, das zur Thrombozytenaggrega- Thrombozytenaggregation vermutet Dosen) zählen okkulte gastrointestinale tion beiträgt. [3]. Blutungen mit Eisenmangelanämie so­-

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wie gastrointestinale Ulzera. Häufig soll ein Abstand von ca. 2 h eingehalten tor. Es ist für ein breites Spektrum der treten Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen, werden). Ähnliche Interaktionen wie mit Prävention atherothrombotischer Er­ Bauchschmerzen und Diarrhöen auf; ASS wurden auch mit Naproxen, Cele- eignisse zugelassen – dazu zählen der weiter werden kutane Überempfindlich- coxib und Metamizol beobachtet [6]. stattgehabte Myokardinfarkt (weniger keitsreaktionen beobachtet. Bei Diclofenac und Paracetamol tritt als 35 Tage zurückliegend), der ischä­ Die Fortführung oder Beendigung einer diese Interaktion wegen der chemisch mische Schlaganfall (7 Tage bis weniger Thrombozytenaggregationshemmung mit anderen Struktur dieser Substanzen nicht als 6 Monate zurückliegend) und die ASS muss individuell – unter Berücksich- auf. periphere arterielle Verschlusskrankheit. tigung des Blutungs- und des kardialen Weiterhin ist Clopidogrel beim akuten Risikos – indiziert werden [4]. Zur Neu- Die dauerhafte gleichzeitige Medi­ Koronarsyndrom (ACS) und nach PCI bildung einer ausreichenden Zahl von kation mit ASS und Ibuprofen hat ei- (percutaneous coronary intervention; funktionsfähigen Thrombozyten sind – nen negativen Effekt auf die Überle- perkutane Koronarintervention) indi- unter Beachtung der Ausgangskonzen­ bensrate von Patienten mit KHK [7]. ziert. tration – zwei bis drei Tage erforderlich; Clopidogrel ist ein Prodrug, das in der häufig wird auch eine Woche zugrunde Leber durch Cytochrom-P450-Enzyme gelegt. COX-2-Hemmer – Coxibe in zwei Schritten zu seinem aktiven Weitere NSAID Metaboliten umgesetzt wird. Die Wir- Coxibe weisen eine besonders hohe kung ist nach maximal 6 h voll ausge- Alle weiteren NSAID wie Ibuprofen, Selektivität zur COX-2 auf. Diclofenac oder Naproxen hemmen prägt. Die Plasma-HWZ beträgt 8 h, die ebenfalls die COX-1 und COX-2 – der Wirkdauer jedoch einige Tage. Zu den Effekt auf die COX-1 ist jedoch konzen- Die Entwicklung von COX-2-Hemmern wichtigsten unerwünschten Wirkungen trationsabhängig und reversibel, weil zielte daher insbesondere auf die Ver­ zählen Blutungen. keine Acetylierung, sondern eine steri- minderung der für die COX-1-Hemmer Bezüglich von Interaktionen ist zu be­- sche Hemmung des Enzyms erfolgt. Die typischen gastrointestinalen Nebenwir- achten, dass Clopidogrel u.a. durch Präparate sind daher nicht zur prophy- kungen. Bei längerfristiger Einnahme von CYP2C19 in seine aktive Form metabo-­ laktischen Thrombozytenaggregations­- Rofecoxib wurde jedoch eine erhöhte lisiert wird. Insbesondere der Protonen­ hemmung geeignet. Sie können jedoch – Rate an kardiovaskulären Erkrankungen pumpenhemmer Omeprazol ist ein In­- ebenso wie ASS – zu Blutungskompli­- (wie Myokardinfarkten) beobachtet [8], hibitor von CYP2C19 und kann so die kationen führen, weshalb sie bei blu­­ so dass diese Substanzen derzeit in Aktivierung von Clopidogrel behindern tungsgefährdeten Eingriffen entsprechend der antiphlogistischen Behandlung nur und das Risiko eines ACS möglicherwei-­ der Halbwertszeit (HWZ) abgesetzt geringe Bedeutung haben. Zugelassen se erhöhen [9]. Auch wenn die Stu- werden [5]. sind gegenwärtig Celecoxib, Etoricoxib dienergebnisse hierzu nicht konsistent und Parecoxib. Interaktionen sind, empfiehlt die Food and Drug Ad- minstration (FDA) der USA, bei Patienten Die gleichzeitige Einnahme von NSAID ADP-Rezeptor-Antagonisten mit Clopidogrel-Therapie als Protonen­ und Glukokortikoiden erhöht das Risiko Grundlagen pumpenhemmer Pantoprazol einzu- gastrointestinaler Blutungen, während Thrombozyten tragen an der Oberfläche setzen, das CYP2C19 kaum hemmt. die gleichzeitige Einnahme von Anti­- Purin-Rezeptoren (P2Y und P2Y ), die Darüber hinaus gibt es – genetisch koagulanzien die allgemeine Blutungs- 1 12 durch Bindung von Adenosindiphosphat bedingt – inaktive CYP2C19-Varianten neigung verstärkt. Zusätzlich können (ADP) die Aggregation stimulieren. mit einem möglicherweise erhöhten NSAID die diuretische und blutdruck- Risiko für eine Stent-Thrombose [10,11]. senkende Wirkung von Diuretika so-­ Während die FDA bei Vorliegen einer wie die antihypertensive Wirkung von Die spezifische ADP-vermittelte Ak- solchen Variante dezidiert den alterna- ACE-Hemmern (Angiotensin Converting tivierung der Thrombozyten über P2Y wird von den ADP-Rezeptor- tiven Einsatz von Prasugrel empfiehlt, Enzyme) und Betablockern vermindern. 1 Antagonisten nicht verhindert. Ihr weist die European Medicines Agency Eine weniger bekannte Interaktion ei­ Wirkprinzip ist vielmehr die Hem- (EMA) lediglich auf diesen Zusammen- niger NSAID mit ASS ist die sterische mung der P2Y12-vermittelten Stabili- hang hin. Inhibition der ASS-vermittelten Acety- sierung von Thromben, womit sie lierung des Serin-Rests im katalytischen der Thrombosierung insgesamt ent- Prasugrel Zentrum der COX-1. Insbesondere Ibu­- gegenwirken. Auch Prasugrel ist ein Thienopyridin-

profen soll nicht gleichzeitig mit ASS Derivat und irreversibler P2Y12-Anta­ appliziert werden, weil die Thrombo- gonist. Die Substanz hat gegenüber zytenaggregationshemmung dann nicht Clopidogrel Clopidogrel den Vorteil, dass die Akti­- mehr gewährleistet ist (zwischen der Das Thienopyridin-Derivat Clopidogrel vierung des Prodrug zum aktiven Thio-

Gabe von ASS und der von Ibuprofen bindet irreversibel an den P2Y12-Rezep­ lacton CYP2C19-unabhängig erfolgt –

© Anästh Intensivmed 2016;57:120-132 Aktiv Druck & Verlag GmbH Einzigartig bei akut dekompensierter Herzinsuffi zienz

Herkömmliche Inotropika. Modernes Inotropikum: SIMDAX. Erhöhen die Kontraktilität, Erhöht die Kontraktilität.

aber auch den O2-Verbrauch. Nicht den O2-Verbrauch.

Herkömmliche Inotropika wie Katecholamine oder Als modernes Inotropikum erhöht der Calcium-Sensitizer PDE-III-Hemmer führen über eine Erhöhung des Calcium- SIMDAX die Empfi ndlichkeit der kontraktilen Elemente Einstroms während der Systole zwar zu einer verstärkten für Calcium. Bei gleichbleibendem Calcium-Einstrom in der Kontraktionskraft des Myokards, dies jedoch um den Systole wird die Kontraktionskraft des Herzens verstärkt 1,2 3 Preis einer gleichzeitigen Erhöhung des O2-Verbrauchs. OHNE den O2-Verbrauch zu erhöhen.

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1 Pathak A et al. Review Article. J Clin Pharm Ther. 2013; 38: 341-349, 2 Pollesello P et al. Review Article. Int J Cardiol. 2016; 203: 543-548, 3 Fachinformation Simdax 2,5 mg/ml, Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Stand: November 2013 SIMDAX 2,5 mg/ml, Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Wirkstoff: Levosimendan. Zusammensetzung: Jeder ml des Konzentrats enthält 2,5 mg Levosimendan. Sonstige Bestandteile: Povidon K12 pyrogenfrei, Citronensäure, Ethanol. Anwendungsgebiet: Kurzzeit-Behandlung bei akut dekompensierter schwerer chronischer Herzinsuffi zienz (ADHF), wenn eine konventionelle Therapie nicht ausreichend ist und in Fällen, wo die Verabreichung von Inotropika als geeignet betrachtet wird. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwere Hypotonie und Tachykardie. Signifi kante mechanische Behinderungen, die die ventrikuläre Füllung, den ventrikulären Ausstrom oder beides beeinfl ussen. Schwer beeinträchtigte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance <30 ml/min). Schwer beeinträchtigte Leberfunktion. Torsades de Pointes in der Anamnese. Nebenwirkungen: Sehr häufi g: Kopfschmerzen, Hypotonie, ventrikuläre Tachykardie. Häufi g: Hypokalämie, Schlafl osigkeit, Schwindel, Vorhoffl immern, Tachykardie, ventrikuläre Extrasystolen, Herzversagen, Myokardischämie, Extrasystolen, Übelkeit, Verstopfung, Diarrhoe, Erbrechen, erniedrigte Hämoglobinwerte. Über das Auftreten von Kammerfl immern wurde berichtet. Warnhinweis: Enthält 98 Vol.-% Alkohol. Packungsbeilage beachten! Verschreibungspfl ichtig. Zulassungsinhaber: Orion Corporation, Orionintie 1, FI-02200 Espoo, Finnland. Stand der Information: November 2013

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für Anästhesiologie und Intensivtherapie mit Pflegesymposium und Rettungsdienstforum Der Hauptstadtkongress

HAI2016 15. bis 17. September 2016 Estrel Convention Center Berlin

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Unter den Schirmherrschaften von: APS, AWMF, BDA, DAAF, DBRD, DGEM, DGF, DGKM, DGSS, DIVI, DSG, EACTA, ESA und GRC

Information und Auskunft MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG • Neuwieder Str. 9 • 90411 Nürnberg Z 0911/39 316-40 oder 41 • hi 0911/39 316-66 E-Mail: [email protected] Homepage: www.HAI2016.de der DGAI Notfallmedizin Übersichten 123 Emergency Medicine Review Articles

Wechselwirkungen mit Protonenpum- verantwortlich. Der Komplex fun- Adenosin-Transporter-Hemmer penhemmern oder vom CYP2C19-Ge- giert als gemeinsame Endstrecke für Der einzige Vertreter dieser Klasse ist notyp abhängige Unterschiede der Akti- Aktivatoren wie Thromboxan A2, Dipyridamol, dessen Wirkmechanismus vierung sind daher vernachlässigbar. ADP, Thrombin oder Noradrenalin, nur teilweise geklärt ist. Vieles deutet Bei mehrtägiger Wirkdauer erfolgt die so dass dessen Blockade die Throm- darauf hin, dass die Wirkung haupt- Ausscheidung überwiegend renal mit bozytenaggregation unmöglich macht. sächlich über eine Hemmung des ABC- einer HWZ von 7 h. Wie bei Clopidogrel Effluxtransporters ABCC4 (MRP4) erfolgt zählen Blutungen zu den wichtigsten [13]. ABCC4 ist u.a. in den Granula unerwünschten Wirkungen. Die wichtigste unerwünschte Wirkung der Thrombozyten hoch exprimiert und ist die Blutung. Derzeit sind nur paren­ Ticagrelor trägt wesentlich zum Einwärtstransport für Anästhesiologie teral zu verabreichende Substanzen ver­- Ticagrelor ist der erste Vertreter der von Adenosin bei. Dipyridamol hemmt fügbar. die Aufnahme von Adenosin in Ery- Gruppe der Cyclopentyltriazolpyrimi- und Intensivtherapie throzyten, Thrombozyten und Endothel- dine; die Substanz hemmt den P2Y - Abciximab 12 zellen. Darüber hinaus tragen weitere mit Pflegesymposium Rezeptor spezifisch und reversibel. Tica-­ Abciximab ist ein Fab-Fragment des chi- Effekte wie die Anreicherung von cAMP grelor ist kein Prodrug, sondern wirkt mären monoklonalen Antikörpers C7E3 und Rettungsdienstforum (cyclisches Adenosinmonophosphat) in Der Hauptstadtkongress direkt. Die Zulassung umfasst die Prä- gegen GP IIb/IIIa; darüber hinaus bindet den Thrombozyten zur Hemmung der vention atherothrombotischer Ereignisse es an den thrombozytären Vitronectin- Thrombozytenaggregation bei. Weiter bei erwachsenen Patienten mit ACS Rezeptor. Es wird bei instabiler Angina wurde gezeigt, dass ASS über den Efflux- (zusammen mit ASS) sowie bei Patienten pectoris (AP) sowie bei PCI – zusätzlich transporter ABCC4 aus Thrombozyten nach PCI oder CABG (coronary artery zur Anwendung von Heparin und ASS – heraus transportiert wird, so dass dessen bypass grafting; Koronararterien-Bypass). eingesetzt. Im Anschluss an eine intra­ Hemmung durch Dipyridamol die ASS- Ticagrelor gilt – bei gleichem Blutungs­ venöse Bolusinjektion fällt die freie Plas- Wirkung verstärkt [14]. risiko – als potenter als Clopidogrel [12]. makonzentration mit einer HWZ von Bei mehrtätiger Wirkdauer beträgt die Retardiertes Dipyridamol (200 mg) ist 10-30 min ab. Die allgemeine Throm­ HWZ 7 h; ein aktiver Metabolit hat eine in fester Kombination mit 25 mg ASS bozytenfunktion normalisiert sich inner- HWZ von 8,5 h. verfügbar. Dipyridamol hat eine Plasma- HAI halb von 48 h. Häufige Nebenwirkun-­ HWZ von 40 min und wird in der Leber 2016 Cangrelor gen sind Blutungen, Thrombozytopenien glukuronidiert; die Metabolite werden Jüngster Vertreter der direkt wirksamen sowie anaphylaktoide Reaktionen. vorwiegend über die Fäces ausgeschie- reversiblen P2Y -Rezeptor-Hemmer ist den. Die mittlere Körperverweildauer 15. bis 17. September 2016 12 Eptifibatid Cangrelor, das nur als i.v.-Formulierung beträgt 11 h. Als unerwünschte Wir- Estrel Convention Center verfügbar ist. Es ist zusammen mit ASS Das synthetisch hergestellte Peptid Epti- kungen dominieren leichte bis schwere bei KHK-Patienten indiziert, die sich fibatid ist zur Prävention eines drohen- Blutungen, weiter treten sehr häufig Berlin einer PCI unterziehen, zuvor keine oralen den Myokardinfarkts bei Erwachsenen Kopf­schmerzen und Schwindel und mit instabiler AP oder Non-Q-wave- P2Y12-Hemmer erhielten und bei denen häufig Überempfindlichkeitsreaktionen Myokardinfarkt indiziert. Die Substanz eine orale Therapie mit P2Y12-Hemmern auf. Häufig kann auch eine Verschlech- nicht möglich oder wünschenswert ist. wird mit einer HWZ von 2,5 h und zu terung der KHK-Symptome eintreten; Die Wirkung erfolgt rasch; nach einer 50% unverändert renal eliminiert. Häu­- das Nutzen-Risiko-Verhältnis erscheint Unser Beitrag – Kompetenz Bolusinjektion mit nachfolgender In­ fige Nebenwirkungen sind Blutungen; im Vergleich zu anderen Thrombozy- fusion wird innerhalb von 2 min eine gelegentlich tritt eine Thrombozytopenie tenaggregationshemmern daher weniger Unser Auftrag – Patientensicherheit Thrombozytenhemmung erreicht. Die auf. vorteilhaft. HWZ von Cangrelor beträgt unabhän- gig von der Dosis nur 3-6 min; nach Vitamin-K-Antagonisten Beendigung der Infusion wird die Der nicht-peptidische reversible GP IIb/ IIIa-Antagonist Tirofiban wird bei Pa-­­ Thrombozytenfunktion innerhalb von 1 h Grundlagen wiederhergestellt. tienten mit instabiler AP und Myokard­ infarkt – während Koronarangiographie – GP IIb/IIIa-Rezeptoren-Blocker eingesetzt. Die Thrombozytenfunktion Die sekundäre Hämostase beruht wesentlich auf der Funktion der he- Grundlagen kehrt innerhalb von 8 h nach dem Ab­- patischen Gerinnungsfaktoren II, VII, Unter den Schirmherrschaften von: setzen zum Ausgangswert zurück. Tiro- IX und X. Diese Faktoren werden APS, AWMF, BDA, DAAF, DBRD, DGEM, DGF, DGKM, DGSS, DIVI, DSG, EACTA, ESA und GRC fiban wird weitgehend unverändert mit Der Glykoprotein (GP) IIb/IIIa-Kom- posttranslational γ-carboxyliert – einer HWZ von 2 h vorwiegend über die plex ist wesentlich für die durch ein Prozess, der von Vitamin K und Information und Auskunft Fibrin, von-Willebrand-Faktor und Nieren und teils via Galle über die Fäces der Aktivität der Vitamin-K-Oxido­ andere adhäsive Moleküle vermittelte ausgeschieden. Die häufigste Neben-­ reduktase abhängig ist. MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG • Neuwieder Str. 9 • 90411 Nürnberg Quervernetzung der Thrombozyten wirkung sind Blutungen. Z 0911/39 316-40 oder 41 • hi 0911/39 316-66 E-Mail: [email protected] Homepage: www.HAI2016.de © Anästh Intensivmed 2016;57:120-132 Aktiv Druck & Verlag GmbH 124 Übersichten Notfallmedizin

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Kumarinderivate wie Phenprocoumon, Zur raschen Einstellung auf eine Ziel-INR auf Interaktionen zu achten, die INR Warfarin und hemmen von 2-3 (je nach Indikation auch höher) engmaschig zu kontrollieren und die Vitamin-K-Oxidoreduktase, welche werden je nach Ausgangswert der INR die Dosis ggf. anzupassen. die Regeneration des inaktiven Vitamin- (oder des Quick-Werts) am 1. Tag 6-9 K-2,3-Epoxid zum nativen Vitamin-K mg Phenprocoumon und am 2. Tag In einer Studie [17] an mit Phenpro- katalysiert (Vitamin-K-Epoxid-Zyklus). 6 mg Phenprocoumon verabreicht. Ab coumon behandelten Patienten wurde Damit wird in der Leber die Carboxy- dem 3. Tag wird die INR bestimmt; so- untersucht, ob ein Zusammenhang zwi- lierung der genannten Gerinnungsfak- bald diese im angestrebten Bereich liegt, schen Medikamenteninteraktionen und toren (sowie der Gerinnungsinhibitoren werden täglich 3 mg Phenprocoumon schweren Blutungsereignissen besteht. Protein C und Protein S) verhindert. Die zugeführt. Die INR muss regelmäßig Es konnte zwar ein potenzielles Risko Wirkung erfolgt verzögert und korreliert kontrolliert werden. auf pharmakokinetischer Ebene gezeigt nur schlecht mit der Plasmakonzentra- werden, die pharmakodynamischen In­- tion der Vitamin-K-Antagonisten. Die Bei Patienten, die unter einer Anti- ter­aktionen erwiesen sich jedoch als Erhaltungsdosis orientiert sich daher koagulation mit Phenprocoumon gravierender. Ein höheres Blutungsrisiko an der therapeutisch anzustrebenden stehen und auf Heparin umgestellt bestand insbesondere bei Koapplikation Prothrombinzeit (nach Quick) bzw. der werden müssen, wird Phenprocou- von Clopidogrel oder NSAID, wobei INR (International Normalized Ratio). mon abgesetzt und mit der Gabe letztere vor allem die Inzidenz gastro­ Phenprocoumon von Heparin begonnen, sobald die intestinaler Blutungen erhöhte. Auch die INR auf 2 gefallen ist. Umgekehrt Komedikation von Antibiotika (z.B. Chi­- Das Kumarin-Derivat Phenprocoumon nolonen) steigerte das Blutungsrisiko; als ® wird bei Patienten, die von Heparin ist ursprünglich als Marcumar in den Gründe diskutierten die Autoren eine Handel gekommen. Obgleich Generika auf Phenprocoumon umgestellt wer- den sollen, die therapeutische Anti- Störung der Darmflora (mit Verarmung verfügbar sind, wird der Original- an Vitamin K) sowie Störungen der Handels­name oft als Synonym für das koagulation mit Heparin fortgesetzt, bis nach dem obenstehenden Sche- Blutgerinnung infolge der zugrunde lie- Präparat verwendet – so hat als Verb genden Infektion. „marcumarisieren“ anstelle von „antiko- ma eine INR von mindestens 2 agulieren“ Eingang in den medizinischen erreicht ist. Andere Vitamin-K-Antagonisten Sprachgebrauch erlangt. Phenprocoumon ist zur Behandlung Als Nebenwirkungen treten vor allem Warfarin und Acenocoumarol unter- und Prophylaxe von Thrombose und leichte bis lebensbedrohliche Blutungen scheiden sich von Phenprocoumon Embolie zugelassen, darüber hinaus zur auf; gelegentlich werden Überempfind- in erster Linie durch ihre kürzere Langzeitbehandlung nach Myokard- lichkeitsreaktionen der Haut sowie sehr HWZ. Warfarin wird vor allem in infarkt, wenn ein erhöhtes Risiko für selten Hautnekrosen und Leberversagen den USA, Großbritannien und Skan- thromboembolische Komplikationen ge­ beobachtet. dinavien verschrieben, Acenocou- geben ist. Phenprocoumon hat nur eine marol in Frankreich und der Schweiz. Phenprocoumon wird hauptsächlich geringe therapeutische Breite. Wegen Hinsichtlich Wirkung und Neben- durch die Cytochrom-P450-Enzyme der schwankenden Bioverfügbarkeit muss wirkungen sind diese Vi­ta­min-K- CYP3A4 und CYP2C9 der Leber hydro- die INR engmaschig überprüft werden, Antagonisten dem Phenprocou­mon xyliert. Neben der Hydroxylierung er­- um die häufigen und teils schweren ähnlich. folgen auch Konjugationsreaktionen, und Blutungserscheinungen auf der einen ein Teil der konjugierten Muttersubstanz und thrombembolische Ereignisse auf • Warfarin hat eine HWZ von 37-50 h. durchläuft einen enterohepatischen der anderen Seite zu vermeiden. Phen- Die Substanz wird jedoch stärker Kreislauf. Weniger als 15% der Arznei- procoumon ist mit einem erhöhten in-­ über CYP2C9 als über CYP3A4 mittelmenge wird unverändert im Urin trazerebralen Blutungsrisiko assoziiert, metabolisiert – da CYP2C9 genetisch ausgeschieden. Die Eliminations-HWZ das mit dem Alter steigt [15]. Daher ist polymorph ist, resultiert daraus eine beträgt ca. 6,5 Tage. der Nutzen einer Langzeitantikoagula- verminderte Abbaurate insbeson- tion sorgfältig gegen das Blutungsrisiko dere bei homozygoten Trägern der abzuwägen. Die Metabolisierung über CYP3A4 CYP2C9*3-Variante. Caraco et al. [18] impliziert ein hohes Risiko für phar- gehörten zu den ersten, die einen Die gerinnungshemmende Wirkung makokinetische Interaktionen. Einer-­ CYP2C9-basierten Algorithmus an- von Phenprocoumon setzt mit einer seits wird durch Hemmung von wendeten, um die Startdosierung von Latenz von 1,5-3 Tagen ein. Falls CYP3A4 das Blutungsrisiko erhöht, Warfarin zu adaptieren. Im Vergleich eine sofortige Antikoagulation erfor- während eine beschleunigte Meta- zu einer konventionell therapierten derlich ist, muss initial eine Therapie bolisierung durch Induktion von Gruppe erreichte die genotypbasiert- mit Heparinen er­folgen. CYP3A4 das Thrombo­serisiko stei- behandelte Kohorte signifikant schnel- gert [16]. Bei Komedikation ist daher ler die Ziel-INR. Diese und andere

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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin

Samstag, 16.04.2016, 11.00 - 13.00 Uhr, Saal 2 Congress Center Leipzig

Symposium Sintetica GmbH Vermeidung von Hypotension – Der Risikofaktor bei Allgemein- und Spinalanästhesie Vorsitzender: Prof. Dr. Dr. h.c. Hugo Van Aken, Münster

11.00 - 11.10 Begrüßung und Einführung zum Thema Prof. Dr. Dr. h.c. Hugo Van Aken, Münster 11.10 - 11.42 Risikopatienten und Therapieoptionen in der operativen Medizin Prof. Dr. Paul Kessler, Frankfurt 11.42 - 12.13 Hypotonie - Klinische Relevanz Prof. Dr. Hinnerk Wulf, Marburg 12.13 - 12.45 Vermeidung der Hypotension in der Geburtshilfe Prof. Dr. Dorothee Bremerich, Frankfurt 12.45 - 13.00 Zusammenfassung und Ausblick Prof. Dr. Dr. h.c. Hugo Van Aken, Münster

Studien veranlassten die FDA im weisen konnte, dass die Berücksichti- • Die gerinnungshemmende Wirkung Jahr 2007 zur Änderung der Fach­- gung pharmakogenetischer Merkmale beruht auf einer Bindung an den information. zu einem um 7% erhöhten Anteil von Protease-Inhibitor Antithrombin (AT, • Neben dieser – die Pharmakoki- Patienten in der Ziel-INR führte, verlief früher Antithrombin III). Dieser He- netik betreffenden – genetischen eine Nordamerikanische Studie [22] parin-Antithrombin-Komplex bindet Besonderheit wird auch die Phar- negativ. Für Phenoprocoumon konnte etwa 700-mal stärker an Thrombin als makodynamik durch Varianten im dagegen klar gezeigt weden, dass die Antithrombin allein. Zusätzlich wer- Vitamin-K-Oxidoreduktase-Komplex Berücksichtigung pharmakogenetischer den insbesondere die Gerinnungs- 1 (VKORC1)-Gen moduliert. Dies Merkmale den Erfolg und das Risiko der faktoren Xa und IXa sowie weitere wurde erstmals durch Rost et al. Therapie nicht beeinflusst [23]. Serinproteasen inaktiviert. Die ge- [19] als „Warfarin-Resistenz“ be- rinnungshemmende Wirkung hängt schrieben. Die VKORC1-Varianten damit vor allem von der verfügbaren modulieren die Expression des für Heparine und Heparin- den Vitamin-K-Redox-Zyklus zentral Abkömmlinge Menge von AT und der Fibrinogen- wichtigen Enzyms. Konzentration ab. In hohen Konzen­ trationen behindert Heparin auch die Beide Gene (CYP2C9 und VKORC1) Grundlagen Thrombozytenfunktion. tragen zu etwa 50% zur Variabilität der • Für die Bindung an Thrombin ist erforderlichen Warfarin-Dosis bei. Ei- Heparin ist ein körpereigenes Anti- eine Kettenlänge von mindesten 18 nem vom „International Warfarin Phar- koagulanz, das aus polyanionischen macogenetics Consortium“ errechneten Polysacchariden (Glycosaminglyka- Monomeren erforderlich, während Algorithmus [20] folgend empfahl die nen) besteht. Es kommt in Mastzel- zur Inaktivierung der Gerinnungsfak- FDA im Jahr 2010 eine genotypbasierte len und basophilen Granulozyten toren Xa und IXa auch kürzerkettige Einstellung der Therapie mit Warfarin. vor allem in Leber, Dünndarm und (fraktionierte) Heparine ausreichen. Prospektive Studien zum Nutzen ent- Lunge vor und wird in den Mastzel- Diese unterschiedlichen Bindungs- sprechender Algorithmen erbrachten len in Granula zusammen mit Hista- eigenschaften von unfraktionierten jedoch uneinheitliche Ergebnisse. Wäh­- min gespeichert. Heparinen (UFH) und fraktionierten rend eine Europäische Studie [21] nach- oder niedermolekularen Heparinen

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(NMH) erklären, das UFH Thrombin • Mit 3% seltener, aber klinisch wesent- dialyse. In Deutschland sind mehrere und Faktor Xa, NMH dagegen vor lich relevanter ist die IgG-vermittelte Produkte mit etwas unterschiedlichem allem Faktor Xa hemmen. HIT Typ II, die als Thrombozytopenie Indikationsspektrum verfügbar: Certo­ Heparine werden vornehmlich aus der <100.000/µl oder Abfall um mehr als parin, Dalteparin, Enoxaparin, Nadro­ Dünndarmmukosa des Schweines ge­ 50% definiert ist und mit arteriellen parin, Reviparin und Tinzaparin. wonnen; NMH sind Produkte weiterer und venösen Thrombosen oder Nach subkutaner Gabe wird eine ma- chemischer oder enzymatischer Spaltung Embolien sowie mit Blutungen ein- ximale Faktor-Xa-Hemmung nach 3-5 h und Fraktionierung. Heparine werden hergehen kann. Als Ursache gilt ein erreicht, darüber hinaus ist eine geringe grundsätzlich parenteral verabreicht. immunologisches Geschehen unter Anti-IIa-Wirkung vorhanden. Steady- Einbeziehung des Plättchenfaktors state-Plasmakonzentrationen treten bei Unfraktioniertes Heparin – UFH PF4 [24]. zweimaliger Gabe nach 4-5 Tagen ein. Die Eliminations-HWZ beträgt nach Unfraktionierte Heparine (UFH) ha- Wegen der Latenz der Antikörper- einmaliger subkutaner Verabreichung 4 h ben heterogene Kettenlängen mit produktion tritt der Thrombozyten- und nach wiederholter Verabreichung einem Molekulargewicht von 6-30 abfall meist verzögert 6-14 Tage etwa 7 h. Bei stark eingeschränkter Nie- kD (Kilo-Dalton). nach Behandlungsbeginn auf. Bei renfunktion (Kreatinin-Clearance <30 Sensibilisierten mit vorhergegange- ml/min) muss die Dosis um ca. 50% UFH sind zur Thromboembolieprophy- nem Heparin-Kontakt kann eine HIT vermindert werden, um eine Kumula- laxe, Therapie venöser und arterieller Typ II aber auch bereits nach weni- tion zu vermeiden. Die Kontrolle der thromboembolischer Erkrankungen (ein­- gen Stunden einsetzen. Antikoagulation mit NMH erfolgt durch schließlich der Frühbehandlung des Messung der Anti-Faktor Xa-Aktivität; Myokardinfarkts) sowie zur Antikoagu- die aPTT wird nicht oder nur wenig Weitere Nebenwirkungen umfassen lation bei Behandlungen oder Opera- beeinflusst. tionen mit extrakorporalem Kreislauf allergische Reaktionen wie Urtikaria und Unerwünschte Wirkungen sind vor (Herz-Lungen-Maschine, Hämodialyse) Rhinitis, Hautnekrosen an der Einstich- allem Blutungen, die durch die antiko- zugelassen. stelle, reversible Haarausfälle sowie bei Langzeitanwendung eine Osteoporose. agulatorische Wirkung des NMH per se Die Wirkung setzt nach i.v.-Gabe sofort, oder auch durch eine HIT bedingt sein nach subkutaner Gabe nach 20-30 min können. Das Risiko einer HIT Typ II Durch i.v.-Gabe von Protaminhy­ ein. Da nur ca. ein Drittel des UFH ist gegenüber UFH mit <0,1% jedoch drochlorid, das mit Heparin einen die zur Bindung an AT erforderliche deutlich vermindert. Im Rahmen einer Komplex bildet, kann die Anti-IIa- Pentasacc­ harid-Struktur aufweist, ist HIT können aber auch thromboemboli- Wirkung (und damit die Hauptwir- die gerinnungshemmende Wirkung schen Ereignisse, insbesondere venöse kung) von UFH rasch und komplett nur schwer abzuschätzen und erfordert Verschlüsse der unteren Extremität, antagonisiert werden. eine genaue Überwachung durch Be- auftreten [25]. stimmung der aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit). Die Elimination Fraktionierte (niedermolekulare) Die Wirkung von NMH kann durch erfolgt durch Hydrolyse und renale Aus-­ Heparine – NMH Protaminhydrochlorid nicht voll- scheidung; die HWZ ist variabel und ständig antagonisiert werden, da der beträgt 90-120 min. Die Dosierung Anti-Xa-Effekt (im Gegensatz zum Niedermolekulare Heparine (NMH) erfolgt nach Internationalen Einheiten Anti-IIa-Effekt) nur teilweise erfasst weisen Kettenlängen unter 18 Mono­ (I.E.): 1 mg Standard-Heparin entspricht wird. ca. 170 I.E. meren auf und haben neben ihrem spezifischeren Bindungsverhalten An unerwünschten Wirkungen stehen am Gerinnungsfaktor Xa eine ver- dosisabhängige Blutungen im Vorder- änderte Pharmakokinetik. grund. Sehr häufig sind Blutungen im Der spezifische Faktor Xa-Inhibitor Bereich der Haut, Schleimhäute und Danaparoid besteht aus einem Gemisch Wunden sowie aus dem Gastrointesti- NMH sind für ein breites Indikations- niedermolekularer Glykosaminglykane nal- und Urogenitaltrakt. gebiet zugelassen; dazu zählen die und wird aus Schweinedarmmukosa • UFH führen darüber hinaus häufig zu Primärprophylaxe und Therapie venöser gewonnen. Die Ausscheidung erfolgt einer reversiblen Heparin-induzier- thromboembolischer Ereignisse (VTE), mit einer HWZ von 24 h und zu 40- ten Thrombozytopenie (HIT) Typ I die Therapie kardialer Ereignisse sowie 50% renal. Patienten mit HIT Typ II mit Thrombozytenkonzentrationen die Gerinnungshemmung bei extrakor- wurden in der Vergangenheit häufig von 100.000-150.000/µl. poralem Kreislauf während der Hämo- mit Danaparoid antikoaguliert. Da bei

© Anästh Intensivmed 2016;57:120-132 Aktiv Druck & Verlag GmbH Robinul® zur Injektion Wirkstoff: Glycopyrroniumbromid, Zusammensetzung: 1 ml Injekti- onslösung enthält 0,2 mg Glycopyrroniumbromid. Sonstige Bestand- wir teile: Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsge- ® biete: Anticholinergikum zur Anwendung in der Anästhesiologie: - Vor forschen Operationen zur Herabsetzung des Speichelflusses, der Sekretion im ROBINUL Pharynx, in der Trachea und im Bronchialsystem, Reduzierung der Ma- gensaftmenge und der freien Säure. Blockade des Verzögerungsrefle- Parasympatholytikum / Anticholinergikum xes des Vagus auf das Herz während der Narkoseeinleitung und der Intubation. - Zum Schutz vor Nebenwirkungen der Cholinergika, die zur Aufhebung der neuromuskulären Blockade nicht depolarisierender Muskelrelaxantien gegeben werden. Gegenanzeigen: Überempfind- lichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Glaukom, mechanische Verengungen der Harnwege, mechanische Verengungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, wie Achalasie und andere; bei einer Form des Darmverschlusses (paralytischem Ileus), bei starker Verminderung der Darmbewegung bei älteren oder geschwächten Patienten (Darmatonie), kardiovaskuläre Labilität bei akuten Blutungen, bei schwerer Dickdarmentzündung mit Geschwür- bildung (ulzerierender Colitis), ein toxisches Megakolon, wenn es eine ulzerierende Colitis verkompliziert, Myasthenia gravis (Muskelschwä- che). Warnhinweise: Enthält Natriumchlorid. Nebenwirkungen: Bei schweren Überempfindlichkeitsreaktionen und/oder einem anaphylak- tischen Schock ist die Behandlung mit Robinul sofort abzubrechen und die üblichen entsprechenden Notfallmaßnahmen müssen sofort durch einen Arzt eingeleitet werden. Sehr häufig (mehr als 1 von -10 Be handelten): Mundtrockenheit; vermindertes Schwitzen; unterdrückte Lang andauernde, effektive Wirkung Milchsekretion. Häufig (1 bis 10 Behandelte von 100): Bei höherer Do- sierung und gemeinsamer Gabe mit indirekten Parasympathomimetika Herzrhythmusstörungen wie Knotenrhythmus, Vorhof- und Kammerex- Sehr gute Verträglichkeit trasystolen und supraventrikuläre Tachykardie. Nicht bekannt: Erkran- kungen des Immunsystems: Schwere allergische Reaktionen oder Idiosynkrasie mit Anaphylaxie, Nesselsucht und andere Hauterschei- nungen. Psychiatrische Erkrankungen: Nervosität, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit und/oder Erregtheit, insbesondere bei älteren Patienten. Erkrankungen des Nervensystems: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Mattigkeit, Schwindel. Augenerkrankungen: Akkomodationsstörungen infolge von Pupillenerweiterung, Akkomodationslähmung, erhöhter Au- Gerne können Sie kostenlos Vertrieb: geninnendruck. Herzerkrankungen: Beschleunigter Herzschlag, Herz- rasen. Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes: Geschmacksverlust, Informationsmaterial anfordern: biosyn Arzneimittel GmbH Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Völlegefühl. Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes: bei hoher Außentemperatur infolge [email protected] Schorndorfer Str. 32, 70734 Fellbach eingeschränkter Schweißentwicklung Hitzestauungen. Erkrankungen der Nieren und Harnwege: Verzögertes Wasserlassen und Harnver- (Stichwort: Anästhesiologie) Tel.: +49 / 711 57532-00 halten. Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse: www.biosyn.de Impotenz. Darreichungen: 5 Ampullen zu je 1 ml PZN: 1894117, 2x5 Ampullen zu je 1 ml PZN: 0015616. Verschreibungspflichtig. Stand der Information: November 2013 Pharmazeutischer Unternehmer: RIEMSER Pharma GmbH, An der Wiek 7, D-17493 Greifswald · www.riemser.com

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sensibilisierten Patienten aber ebenfalls • Desirudin unterscheidet sich von Direkte Thrombin-Inhibitoren – Thrombozytopenien auftreten [26], ist um zwei Aminosäuren und diese Indikation kritisch zu bewerten, ist zur Prophylaxe von tiefen Ven- DTI zumal mit eine Alternative enthrombosen (TVT) bei Hüft- und Argatroban verfügbar ist. Weitere unerwünschte Kniegelenksersatz zugelassen. Die Wirkungen sind Blutungen und Häma­- Substanz wird mit einer HWZ von tome nach Eingriffen sowie gelegent-­ 2-3 h zu 40-50% renal eliminiert. Das im Jahr 2005 zugelassene Argat- liche Überempfindlichkeitsreaktionen. Unerwünschte Wirkungen sind Blu- roban ist ein niedermolekularer mo- Die antagonistische Wirkung von Prota- tungen, Lebertoxizität und Übelkeit novalenter direkter Thrombin-Inhi- bitor (DTI). minhydrochlorid ist unsicher. sowie Überempfindlichkeitsreaktio- nen mit Hautausschlag und Urtikaria. Hirudine Ein Antidot ist nicht verfügbar. Die Substanz ist zur Fortführung der • ist ein Peptid, dessen Antikoagulation bei Erwachsenen mit erste vier Aminosäurereste an das HIT Typ II etabliert. Argatroban ist nur Analog den gerinnungshemmenden katalytische Zentrum von Thrombin parenteral bioverfügbar, wird in der Polysacchariden der Säugetiere ent- binden. Bivalirudin wird überwie- Leber über Cytochrom P450-Enzyme hält das Drüsensekret von Blutegeln gend renal mit einer HWZ von 25 metabolisiert und mit einer HWZ von (Hirudo medicinalis) das gerinnungs­ min ausgeschieden; die proteolyti- ca. 50 min biliär ausgeschieden. Die hemmende Polypeptid Hirudin. Hi- sche Aktivität von Thrombin trägt i.v.-Therapie wird über die aPTT kontrol- rudin ist ein direkter Thrombinhem- darüber hinaus zum Abbau von Bi- liert; ein unter der Therapie verminderter mer, der im Gegensatz zu Heparin valirudin bei. Das Präparat ist für die Quick-Wert oder eine verkürzte Throm- keine Bindung an AT benötigt. Antikoagulation bei PCI zugelassen. binzeit (TZ) sind grundsätzlich nicht Als unerwünschte Wirkungen treten therapiebedürftig und können nicht zur In Deutschland sind die gentechnolo- wiederum Blutungen auf. Ein Antidot Steuerung der Therapie dienen. Häufig gisch hergestellten Hirudin-Analoga ist nicht verfügbar; Bivalirudin ist treten schwere Blutungen auf (5,5%), Desirudin und Bivalirudin im Handel. aber dialysierbar. leichtere Blutungen sehr häufig (39%);

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das weitere, gelegentlich auftretende Ne- 70% beobachtet. Die gleichzeitige Gabe nazol führt zu einem 2,6-fachen Anstieg benwirkungsspektrum ist umfangreich. starker P-gp-Inhibitoren wie Cyclospo- der AUC (area under the curve; Fläche Ein spezifischer Antagonist ist nicht rin, Tacrolimus oder Itraconazol und unter der Konzentrations-Zeit-Kurve), so verfügbar. Ketoconazol ist daher kontraindiziert. dass vermehrte Blutungen drohen. Da- wird mit einer HWZ von her wird die Anwendung von Rivaroxa- Dabigatran 14-18 h renal elimiert; eine einge- ban bei Patienten, die gleichzeitig eine schränkte Nierenfunktion stellt daher systemi-sche Behandlung mit Azol-Anti- Als erster oraler DTI oder direktes einen Risikofaktor für Blutungen dar mykotika wie Ketoconazol, Itraconazol, orales Antikoagulanz (DOAC) kam (eine Kreatinin-Clearance <30 ml/min ist Posaconazol oder Voriconazol sowie mit im Jahr 2008 Dabigatranetexilat eine Kontraindikation). HIV-Proteaseinhibitoren erhalten, nicht (Dabigatran) in den Handel. Wie bei anderen Antikoagulanzien kann empfohlen. Interaktionen mit moderaten die gleichzeitige Gabe von Thrombozy- Inhibitoren wie Erythromycin wird da­- Der Inhibitor interagiert reversibel so­- tenfunktionshemmern oder Serotonin- gegen keine klinische Relevanz beige- wohl mit freiem als auch mit fibringe- Wiederaufnahmehemmern (etwa bei messen. Bei einer Kreatinin-Clearance bundenem Thrombin und hemmt so die Schlaganfallpatienten) das Blutungsri- unter 50 ml/min wird eine Dosisre- Thrombin-induzierte Thrombozytenag- siko erhöhen. Das Dabigatran-Antidot duktion empfohlen, unter 15 ml/min soll gregation. Die antikoagulatorische Wir­- Idarucizumab wurde aktuell von EMA nicht verabreicht werden. kung korreliert mit der Plasmakonzen- und FDA positiv bewertet. Somit ist bei Interaktionen auch mit mo- tration; die Überwachung der Medi­- deraten Inhibitoren in besonderem Maß auf die Nierenfunktion zu achten, da kamentenwirkung gilt derzeit als ent- Faktor-Xa-Inhibitoren behrlich. die Rivaroxaban-Exposition zusätzlich erhöht sein könnte [31]. Die gleichzei- Das Indikationsspektrum von Dabiga- Allgemeines tige Gabe von Rifampicin führt dagegen tran erstreckt sich dosisabhängig auf die Mit Rivaroxaban, und Edo- zu einer 50%igen Abnahme der mittleren Prävention venöser Thrombosen nach xaban existieren weitere DOAC, die AUC und damit zu einer verminderten elektivem Hüft- und Kniegelenksersatz jedoch spezifisch den Faktor Xa und pharmakodynamischen Wirkung. und die Primär- und Sekundärprävention damit die Aktivierung von Prothrombin von Schlaganfall und systemischer Em- zu Thrombin hemmen und so in ihrer Als Nebenwirkungen treten Blutungen bolie bei Erwachsenen mit nicht-valvu- Pharmakodynamik eher einem NMH auf. Bei Verdacht auf inadäquate Dosie- lärem Vorhofflimmern und bestimmten gleichen. rung oder Intoxikation kann mit einem Risikofaktoren. Im Vergleich zu Warfarin kalibrierten quantitativen Anti-Faktor ist das Schlaganfallrisiko bei Gabe von Rivaroxaban Xa-Test die antikoagulatorische Wirkung täglich 2 x 150 mg Dabigatran geringer, Die Wirkung des Oxazolidinons Riva­- bestimmt werden. Wenn eine Blutung während das Blutungsrisiko ähnlich ist. roxaban korreliert mit der Plasmakon- nicht beherrscht werden kann, soll laut Umgekehrt ist bei täglich 2 x 110 mg das zentration; auch hier gilt eine Überwa- Fachinformation die Gabe eines spezifi- Schlaganfallrisiko vergleichbar mit dem chung der Therapie derzeit als entbehr- schen Prokoagulans – wie Prothrombin- von Warfarin, das Blutungsrisiko aber lich. Das Indikationsgebiet umfasst die Komplex-Konzentrat (PPSB), aktiviertes vermindert [27,28]. Studien zum Einsatz Prophylaxe von Schlaganfällen und sys- Prothrombin-Komplex-Konzentrat (aPCC) bei ACS mussten wegen ungünstiger temischen Embolien bei Erwachsenen oder rekombinanter Faktor VIIa (rF VIIa) – Ergebnisse vorzeitig beendet werden mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern erwogen werden. Ein spezifisches Anti- [29]. und bestimmten Risikofaktoren sowie dot gegen Rivaroxaban existiert derzeit Dabigatran wird als Prodrug (Dabiga­ die Prophylaxe und Therapie von TVT nicht. und Lungenembolien bei Erwachsenen. tranetexilat) oral verabreicht und durch Apixaban hepatische und plasmatische Esterasen Eine Phase-II-Studie zum Nutzen bei rasch aktiviert. Das aktive Produkt Dabi- ACS zeigte eine verminderte Mortalität Apixaban ist im Jahr 2011 zugelassen gatran hat eine geringe Bioverfügbarkeit im Vergleich zu Placebo [30]. worden und hat ein dem Dabigatran von 6-7 %; dies ist teilweise durch den Die Bioverfügbarkeit von Rivaroxaban vergleichbares Indikationsspektrum. Stu­- aktiven Export von Dabigatranetexilat liegt über 80%. Rivaroxaban wird mit dien zum Einsatz bei ACS verliefen nicht in das Darmlumen bedingt, der durch einer HWZ von 5-11 h vornehmlich he- erfolgreich [32]. Die Bioverfügbarkeit in der Darmmukosa exprimiertes P- patisch über CYP3A4-metabolisiert; zu- beträgt 50%. Der Arzneistoff wird über- Glykoprotein­ (P-gp) vermittelt wird. P-gp- sätzlich ist die Substanz ein Substrat für wiegend hepatisch über CYP3A4 meta- Inhibitoren können daher die Bioverfüg- P-gp, so dass Interaktionen auf der Ebene bolisiert und mit einer HWZ von etwa barkeit steigern, was das Blutungsrisiko des Metabolismus und Transports mög- 12 h eliminiert; etwa ein Drittel wird erhöht – so wurde unter Verapamil eine lich sind. Die gleichzeitige Gabe eines unverändert über die Nieren ausgeschie- Erhöhung der Plasmakonzentration um starken CYP3A4-Inhibitors wie Ketoko- den. Zusätzlich ist Apixaban ein Substrat

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von P-gp und BCRP (breast cancer related Antagonisten der Hämostase- gen. Eine fibrinolytische Therapie protein; ein wichtiger Arzneimitteltrans- mit Plasminogen-Aktivatoren ist vor hemmer porter). Die gleichzeitige Gabe starker allem bei fulminanter Lungenarte- CYP3A4 oder P-gp-Inhibitoren (siehe rienembolie indiziert. Der Einsatz Protaminhydrochlorid oben) ist kontrainidiziert, bei moderaten geht mit einem hohen Blutungsrisiko Inhibitoren ist keine Dosisanpassung einher. Protaminhydrochlorid (Protamin) erforderlich. Dagegen soll wegen der wird zur Antagonisierung der Wir- deutlich verminderten Bioverfügbarkeit kung von UFH und eingeschränkt Der von Endothelzellen physiologisch die gleichzeitige Anwendung mit P-gp- von NMH eingesetzt. synthetisierte Plasminogen-Aktivator Induktoren vermieden werden. (tissuetype plasminogen activator, t-PA) Als Nebenwirkungen von Apixaban sind ist eine Serinprotease, die bei Bindung Es handelt sich um ein hoch alkalisches wiederum Blutungen zu nennen. Im an das im Rahmen von Gerinnungsvor- Polypeptid, das zu zwei Dritteln aus der gängen gebildete Fibrin Plasminogen Vergleich von Dabigatran, Rivaroxaban Aminosäure Arginin besteht und das aktiviert, das wiederum über die Bildung und Apixaban bezüglich des Blutungs­ stark negativ geladene Heparin durch von Plasmin die Fibrinolyse in Gang risikos bei eingeschränkter Nierenfunk- Komplexbildung neutralisiert. In Abwe- setzt. Gentechnologisch hergestellter, tion kamen die Autoren einer Metaana- senheit von Heparin wirkt Protamin – rekombinanter rt-PA wird u. a. als Alte-­ lyse zu dem Schluss, dass Apixaban ein insbesondere in höherer Dosierung – plase vertrieben. Das Protein hat eine geringeres Risiko aufweist [33]. dagegen antikoagulatorisch. Nach i.v.- HWZ von 5-10 min, wozu eine Endo-­ Gabe tritt die Wirkung innerhalb von zytose in Makrophagen sowie die In­- wenigen Minuten ein. aktivierung durch PAI-1 (Plasminogen- Edoxaban ist im Jahr 2015 zur Vorbeu­- Aktivator-Inhibitor 1) beitragen. Weitere gung von Schlaganfällen und syste­ Die Wirkung von NMH kann durch Präparate sind , das mit 15 min mischer Embolie bei Patienten mit Protamin nicht vollständig antagoni- eine etwas längere HWZ aufweist, sowie nicht-valvulärem Vorhofflimmern zuge­ siert werden, da der Anti-Xa-Effekt , das wegen geringerer lassen worden, die älter als 75 Jahre (im Gegensatz zum Anti-IIa-Effekt) Affinität zu PAI-1 eine HWZ von 24 min sind oder einen oder mehrere Risiko- nur teilweise erfasst wird. aufweist. faktoren (Schlaganfall, Bluthochdruck, Diabetes mellitus usw.) aufweisen. Die kurze HWZ der Fibrinolytika Darüber hinaus ist es zur Behandlung Desmopressin und Analoga darf nicht darüber hinwegtäuschen, von TVT, Lungenembolie sowie zur Desmopressin ist ein Analogon des dass wegen der von diesen Substan- Vorbeugung des Wiederauftretens von endogenen Oligopeptids Vasopressin. zen induzierten systemischen Plas- TVT und Lungenembolie indiziert. Als Es wird in erster Linie nasal zur Be­ minämie über Stunden eine schwere Nebenwirkungen treten Blutungen auf. handlung des Diabetes insipidus ein­ Störung der Hämostase mit Ver- Die Bioverfügbarkeit beträgt 62%. Nach gesetzt. Systemisch verabreicht dient brauch von Faktoren – insbesondere oraler Gabe werden nach 1-2 h maxi- Desmopressin als Antihämorrhagikum von Fibrinogen – vorliegt. male Plasmakonzentrationen erreicht. zur Steigerung der Faktor VIII-Aktivität – Die Eliminations-HWZ beträgt 10-14 h, etwa bei leichter bis mittelschwerer Antifibrinolytika wobei die Elimination zu 35% renal und Hämophilie A und von-Willebrand-Syn- Bei verschiedenen Schockformen kommt zu 65% metabolisch/biliär erfolgt. drom. Der Effekt ist interindividuell sehr es zu einer gesteigerten fibrinolytischen unterschiedlich; darüber hinaus muss Edoxaban ist ein Substrat von P-gp. Aktivität. Als Antagonist der Fibrinolyse wegen der antidiuretischen Wirkung Die gleichzeitige Anwendung von Edo­- wird hier vor allem Tranexamsäure ein­- eine Überinfusion vermieden werden. xaban und starken P-gp-Inhibitoren gesetzt. Tranexamsäure hemmt die fibri­ Desmopressin wird mit einer HWZ von wie Cyclosporin, Dronedaron, Erythro- nolytische Eigenschaften von Plasmin 3-4 h renal ausgeschieden. mycin oder Ketoconazol erfordert eine durch Bildung eines Komplexes aus Dosisreduktion auf täglich einmal 30 mg. Tranexamsäure und Plasminogen. In- Die gleichzeitige Anwendung von Fibrinolytika und Antifibri- vitro-Studien weisen darauf hin, dass Edoxaban und Chinidin, Verapamil oder nolytika hohe Dosen von Tranexamsäure darüber Amiodaron erfordert nach derzeitigen hinaus die Aktivität von Komplement klinischen Daten dagegen keine Do- Fibrinolytika vermindern. Tranexamsäure wird mit sisreduktion. Bei gleichzeitiger Zufuhr einer HWZ von 3 h überwiegend renal von P-gp-Induktoren wie Rifampicin Fibrinolytika dienen der Auflösung ausgeschieden. soll Edoxaban mit Vorsicht angewandt von Thromben und wirken regelmä- Daneben ist auch das synthetische Ly- werden. ßig durch Aktivierung von Plasmino- sin-Derivat­ p-Aminomethylbenzoesäure

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verfügbar, das spezifisch die Bindungs- angewandte hämostyptische Präparate Hämostyptika werden insbesondere stelle von Plasminogen (oder Plasmin) werden nicht erörtert. bei anderweitig nicht kontrollierba- an Fibrin und Fibrinogen hemmt. Es Die derzeit verfügbaren Präparate kön- kann nur oral appliziert werden, erreicht ren Blutverlusten aus Extremitäten- nen in zwei Gruppen unterteilt werden nach 2-3 h die maximale Plasmakonzen- verletzungen, hier vor allem bei [34,35]: tration und wird mit einer HWZ von 1 h stammnaher Blutungsquelle, einge- • hämostyptische Wirkstoffe, teilweise renal eliminiert. setzt. Dies gilt zumal unter er- schwerten Umfeldbedingungen und • stark resorbierende Verbandstoffe. im Besonderen – aber nicht nur – im Hämostyptische Wirkstoffe Lokale Hämostyptika militärischen Einsatz oder für Spezial­ Zu den in verschiedenen Wundauflagen kräfte der Polizei. Grundlagen und Verbandstoffen enthaltenen oder Die unter diesem Begriff zusammen- direkt in die Wunde einzubringenden gefassten Substanzen oder Hilfsmittel Hier wird nur ein Überblick zum gegen- hämostyptischen Wirkstoffen zählen: entfalten ihre blutungsstillende Wirkung wärtigen Stand der präklinisch und im • Zeolithe (QuickClot®) ist ein in die nach direkter Einbringung an der eigent- Schockraum verwendbaren lokalen Hä- Wunde einzubringendes Granulat aus lichen Blutungsquelle (gr. styptikos = mostyptika gegeben, deren Entwicklung Aluminium-Silikat mit hoher wasser­- verstopfend, verdickend). stark im Fluss ist. Im operativen Bereich resorbierender Wirkung. Die mit der

Abbildung 2

Arbeitsanweisung Blutstillung – externe Blutung

Kontinuierliche Evaluation ABDCE

Extremitätenblutung Stammnahe Blutungen, einem Tourniquet zugängliche Blutung nicht dem Tourniquet zugängliche Blutungen

→ DMS kontrollieren

Fraktur ? Nein Ja Komprimierbar Nicht-komprimierbar

- Achsengerechte Lagerung - Immobilisation m. Vakuumschiene

„Packing“ (z.B. Kerlix) Hämostyptikum (z.B. CeloxGauze) Text Abbildung „Packing“ (z.B. Kerlix) + elastische Binde + elastische Binde + „Packing“ + – + – (z.B. Kerlix o. Bauchtücher)

Hämostyptikum (z.B. CeloxGauze) + „Packing“ + elastische Binde Neuanlage des Verbandes mit Hämostyptikum (z.B. CeloxGauze) + – + „Packing“ + elastische Binde

Anlage eines Tourniquet Erläuterungen: proximal der Blutung oder mittels ABCDE – Versorgungsalgorithmus gemäß PHTLS/ATLS Blutdruckmessmanschette – Druck

Arbeitsanweisung Blutstillung – externe Blutung, nach [35].

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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin

Freitag, 15.04.2016, 12.00 - 14.00 Uhr, Raum: Magdeburg 2 Congress Center Leipzig

Symposium der CSL Behring GmbH Therapie von Blutungen – aktuelle Leitlinien und Empfehlungen Vorsitz: Prof. Dr. Dr. Kai Zacharowski, Frankfurt Prof. Dr. Thomas Volk, Homburg

Programm Europäische Trauma Guidelines – Update 2016 Prof. Dr. Rolf Rossaint, Aachen ESA-Leitlinien zur Therapie der schweren perioperativen Blutung Prof. Dr. Dietmar Fries, Innsbruck Peripartale Blutungen Prof. Dr. Stefan Hofer, Heidelberg NOAK-assoziierte Blutungen Prof. Dr. Donat Spahn, Zürich

Wasserbindung verbundene Kon- was zur Gerinnselbildung führt; des Stark resorbierende Verbandstoffe zentration der korpuskulären Blutbe- Weiteren erfolgt eine lokale Vaso- Die Einarbeitung und derzeitige Ver- standteile und Gerinnungsfaktoren konstriktion durch Auswaschen von wendung von Kaolin in Verbandmull fördert die Thrombusformation am Stickstoffmonoxid (NO). Es wurden leitet über zu den stark resorbierenden Ort der Läsion. Wesentlicher Nach- geringe inflammatorische Endothel- Verbandstoffen. Dazu zählt die nicht- teil ist eine starke exotherme Reak- veränderungen ohne Einschränkung elastische Baumwollgaze KerlixTM; die tion mit evtl. Gewebeschädigung. der Reperfusion, aber keine throm­ durch ihre hohe und schnelle Resorp- • Smektit (WoundStatTM) ist ein nicht- boembolischen Nebenwirkungen be­- tionskapazität die Blutgerinnung im metallisches Tonmineral-Granulat auf schrieben. Die Wirkung erfolgt un­- Verbandgeflecht fördert. Damit ist ein Basis von Aluminium-Magnesium- abhängig von der Konzentration „packing“ tiefer perforierender Ver- Silikat. Die Wasserabsorption und an Gerinnungsfaktoren sowie von letzungen oder großer Wundbereiche Förderung der Thrombusbildung ver­- Antikoagulanzien und Hypothermie. möglich. läuft – allerdings ohne exotherme Chitosan ist als Granulat und als Reaktion – ähnlich der von Zeoli- Grundsätzlich vermögen lokale Hämo­ beschichtete Gaze erhältlich und er­- the; zusätzlich wird die intrinsische styptika und die genannten Verbandstoffe möglicht so einen vielseitigen Einsatz. Gerinnungskaskade direkt aktiviert. ihre blutstillende Wirkung nur bei kor- • Kaolin (in Combat GauzeTM, einer Gewichtige Nebenwirkungen sind rekter Anwendung zu entfalten – diese eine direkte Gefäßwandschädigung mullbindenartigen Gaze enthalten) Maßnahmen sind daher schulungs- und und die Verschleppung thromboem- ist ein Aluminium-Silikat mit direkt- trainingsintensiv. bolischen Materials. aktivierender Wirkung auf die intrin- TM TM sische Gerinnungskaskade, die zur • Chitosan (Celox , HemCon ) ist Nach derzeitigem Stand empfiehlt effektiven Blutstillung allerdings ent- ein aus Chitin gewonnenes Poly­ sich im gegebenen Fall (Abb. 2) die aminosaccharid. Die Substanz fördert sprechend intakt sein muss. Außer kombinierte Anwendung von Chito- durch ihre positive Ladung die Ad- einer diskreten Endothelschwellung san mit einem stark resorbierenden, häsion der Thrombozyten und Ery­ wurden bislang keine wesentlichen saugfähigen Verbandstoff. throzyten an den Chitosan-Molekülen, Nebenwirkungen beobachtet.

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