Aufsatz Vertreter, So Dass Eine Zustimmung Des Landtags Nach Art
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AUFSÄTZE | Ley, Regierungswechsel in Rheinland-Pfalz während der Wahlperiode 4/2013 LKRZ 7. Jahrgang, Seiten 133-176 Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen | Rheinland-Pfalz | Saarland Herausgeber: Claus Böhmer, Präsident des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes | Dr. Lars Brocker, Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz | Prof. Dr. Christoph Gröpl, Universität des Saarlandes | Prof. Dr. Herbert Günther, Ministerialdirigent a.D., Staatskanzlei des Landes Hessen | Klaus-Ludwig Haus, Direktor des Landesverwaltungsamtes des Saarlandes a.D. | Prof. Dr. Reinhard Hendler, Universität Trier | Prof. Dr. Georg Hermes, JohannWolfgang Goethe-Universität Frankfurt amMain | Prof. Dr. Hans-Detlef Horn, Philipps-Universität Marbug, Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof a.D. | Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz | Dr. Curt M. Jeromin, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Andernach | Prof. Dr. Siegfried Jutzi, Ministerialdirigent, Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz, Vertreter des öffentlichen Interesses des Landes Rheinland-Pfalz, Honorarprofessor der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz | Prof. Dr. Holger Kröninger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Saarbrücken | Prof. Dr. Klaus Lange, Justus-Liebig-Universität Gießen, Präsident a.D. und Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen | Dr. Karl-Hans Rothaug, Präsident des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs | Prof. Dr. Gunnar Schwarting, Geschäftsführer des Städtetages Rheinland-Pfalz | Jürgen Wohlfarth, Verwaltungsdezernent der Landeshauptstadt Saarbrücken, Dozent an der Fachhochschule für Verwaltung | Prof. Dr. Jan Ziekow, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer Hauptschriftleitung: Prof. Dr. Siegfried Jutzi, Ministerialdirigent | Schriftleiter Hessen: Rainer Lambeck, Richter am Verwaltungsgericht | Schriftleiter Rheinland-Pfalz: Manfred Stamm, Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht | Schriftleiter Saarland: Joachim Schwarz, Richter am Verwal- tungsgericht AUFSÄTZE Regierungswechsel in Rheinland-Pfalz während der Wahlperiode Dr. iur. Richard Ley, Koblenz* Die Ankündigung von Ministerpräsident Kurt Beck am einer Koalitionsregierung nicht gelungen sei und er deshalb mit 28.09.2012, dass er nach 18 Jahren die Regierungsgeschäfte drei der bisherigen geschäftsführenden Ministern,3 Dr. Adolf Anfang 2013 abgeben wird und sein mit den Spitzen der Sozial- Süsterhenn, Oskar Stübinger und Hans Junglas, ein Übergangs- demokraten in Partei und Fraktion abgestimmter Vorschlag, So- kabinett bilde. Diese erste demokratische Regierungsbildung zialministerin Malu Dreyer solle seine Nachfolgerin im Amt des verlief – im rechtlichen Sinne – fast chaotisch. Wohl wurde nach Ministerpräsidenten werden, führte in der Koblenzer Rhein-Zei- der Ernennung der drei Minister die Landesregierung nach Art. tung1 zur Schlagzeile „Beck übergibt das Land an Malu 98 Abs. 2 Satz 3 LV bestätigt, aber es wurden weder der Minis- Dreyer“. Nein – so einfach ist in Rheinland-Pfalz ein Regie- terpräsident noch die Minister auf die neue Verfassung vereidigt rungswechsel von einem amtierenden Ministerpräsidenten zu (Art. 100 LV), noch bestimmte der Ministerpräsident seinen Stell- einer neuen Ministerpräsidentin nun doch nicht. Dieser Aufsatz vertreter, so dass eine Zustimmung des Landtags nach Art. 105 will die notwendigen rechtlichen Schritte der Regierungsbil- Abs. 2 Satz 3 LV nicht erfolgen konnte. Die Hoffnung von Boden, dung in der besonderen Fallkonstellation, dass der Regierungs- eine Koalitionsregierung auf breiterer Basis zu bilden, erfüllte sich chef während der Wahlperiode wechselt, darstellen und dabei nicht.4 Die Nachfolge trat der Fraktionsvorsitzende Peter Altmei- die Staatspraxis dieser Fälle beleuchten. er (CDU) an, der im Landtag bereits ein Toleranzprogramm mit allen Parteien ausgehandelt hatte und versprach „alle politischen Kräfte zur Behebung der großen Not zusammenzuführen“.5 Er I. Hintergründe der untersuchten Fälle wurde am 09.07.1947 ohne Gegenstimmen gewählt.6 In den über 65 Jahren seit Inkrafttreten der Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV) gab es sechs Regierungswechsel während der Wahlperiode. * Der Verfasser ist stellvertretendes nicht berufsrichterliches Mitglied des VerfGH Rheinland-Pfalz und war Dozent an der FHöV Rhein- land-Pfalz. 1. Dr. Wilhelm Boden / Peter Altmeier 1 Vom 29.09.2012 2 Vgl. PlPr.-Drucks. Abt. I Nr. 4, S. 24 f. Am 13.06.1947 wählte der erste Landtag in dritter Sitzung in 3 Vgl. Art. 144 Abs. 2 LV-1947. 4 Zu den Gründen vgl. Kißener, Kleine Geschichte des Landes RhPf., 2006, offener Abstimmung den bisherigen, von der französischen Beset- S. 84 f.; Morsey, in: Landeszentrale für politische Bildung Rhein- zungsmacht ernannten Ministerpräsidenten Dr. Wilhelm Boden land-Pfalz, Rheinland-Pfalz ist 60. Vorträge zu den Etappen rhein- land-pfälzischer Zeitgeschichte 1947-2007, 2011, S. 13. mit absoluter Mehrheit. In der Nachmittagssitzung des Landtags2 5 So Kißener (Fn. 4), S. 84. musste der Gewählte jedoch eingestehen, dass ihm die Bildung 6 Vgl. Ley, LKRZ 2007, 169 ff., 173. LKRZ 4/2013 | 133 AUFSÄTZE | Ley, Regierungswechsel in Rheinland-Pfalz während der Wahlperiode 2. Dr. h.c. Peter Altmeier / Dr. Helmut Kohl die Landesregierung bilden.11 Nach dem Rücktritt von Björn Engholm als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Mit fast 22 Jahren hat Peter Altmeier am längsten das Amt Bundesvorsitzender der SPD im Mai 1993 folgte Scharping als des Ministerpräsidenten innegehabt. Eine solch lange Regie- Bundesvorsitzender der SPD und als Kanzlerkandidat für die rungszeit führt ganz allgemein zu Abnutzungserscheinungen. Wahl 1994. Den Vorstellungen des Ministerpräsidenten ent- Hinzu kam, dass unter Helmut Kohl eine junge Gruppe schon sprechend wurde Beck im Oktober 1994 sein Nachfolger. ab Ende der 1950er Jahre an einem Generationswechsel arbei- tete.7 Der erste Schritt, der am Ende in der erzwungenen Ab- dankung von Altmeier führte, war die Wahl seines Nachfolgers 6. Kurt Beck / Malu Dreyer zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Oktober 1961 Die große Zustimmung im Volk, die sich der Ministerpräsident gegen den ausdrücklichen Wunsch des Ministerpräsidenten und als ein Mann „nah bei de Leut“ in den Jahren seit 1994 erwor- Landesvorsitzenden. Nach der Landtagswahl im Jahre 1963 ben hatte, änderte sich nach Ansicht vieler Beobachter wegen wurde Kohl Fraktionsvorsitzender und löste 1966 Altmeier als verschiedenster Affären12 und dem Verlust von fast 10% der CDU-Landesvorsitzenden ab. Bei der Regierungsbildung nach Stimmen bei der Wahl im März 2011. Hinzu kamen gesundheit- den Landtagswahlen im Jahr 1967 spielte der designierte Nach- liche Probleme, sodass er am 28.09.2012 seinen Rückzug als folger schon eine entscheidende Rolle8 und trat schließlich im Ministerpräsident und Landesvorsitzender der SPD ankündigte. Mai 1969 die Nachfolge an. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung schlug er die Sozialministe- rin Malu Dreyer als seine Nachfolgerin im Staatsamt vor.13 3. Dr. Helmut Kohl / Dr. Bernhard Vogel Nach der Wahl Helmut Kohls zum CDU-Bundesvorsitzenden II. Die Wahl des Ministerpräsidenten im Jahr 1973 und der für die CDU sehr erfolgreichen Land- Voraussetzung für eine Neuwahl in den hier untersuchten Fällen tagswahl in Rheinland-Pfalz 1975 verzichtete er mit der Auf- ist das Ende des Amtsverhältnisses des bisherigen Ministerprä- stellung als Kandidat der Christdemokraten für das Amt des sidenten.14 Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 RhPfMinG muss dies durch Bundeskanzlers auf das Amt des Ministerpräsidenten. In der in- schriftliche Erklärung gegenüber dem Landtagspräsidenten erfol- nerparteilichen Auseinandersetzung um seine Nachfolge konn- gen. Außer beim Regierungswechsel Boden/Altmeier hat deshalb ten sich nicht die Favoriten von Kohl – Sozialminister Heiner der Landtagspräsident in der Sitzung, in welcher der neue Minis- Geißler als Parteivorsitzender und Finanzminister Johann Wil- terpräsident gewählt wurde, das Rücktrittsschreiben verlesen.15 helm Gaddum als Ministerpräsident – sondern der bisherige Die Möglichkeit eines (freiwilligen) Rücktritts ist in der Kultusminister Dr. Bernhard Vogel durchsetzen.9 rheinland-pfälzischen Verfassung – im Gegensatz z.B. zu an- deren Verfassungen16 – in Art. 98 Abs.3 LV nur indirekt ge- 4. Dr. Bernhard Vogel / Dr. Carl Ludwig Wagner regelt.17 Der Rücktritt bedeutet aber noch nicht das Ende des Amtsverhältnisses, denn es besteht im deutschen Länderverfas- Ab der Mitte der 1980er Jahre machte sich in Kreisen der CDU sungsrecht die verfassungsrechtlich verankerte Pflicht, das Amt Unbehagen und Kritik an Bernhard Vogel breit, die vom Frak- weiterhin geschäftsführend wahrzunehmen.18 Dies bedeutet, tionsvorsitzenden Hans-Otto Wilhelm angeführt wurde.10 Die dass der Rücktritt wohl das Ende der Amtszeit ist, aber nicht Verluste bei den Bundestagswahlen im Januar 1987 und der des Amtsverhältnises, das erst mit der Wahl eines neuen Minis- Landtagswahl im Mai 1987 schwächten die Position des Minis- terpräsidenten endet.19 So waren die Ministerpräsidenten Alt- terpräsidenten. Die CDU musste erstmals wieder seit dem Er- meier einen Tag, Vogel sechs Tage und Scharping noch elf Tage reichen der absoluten Mehrheit durch Kohl im Jahre 1971 die Macht mit den Liberalen teilen. Der Führer der innerparteilichen Opposition forderte deshalb u.a. die Trennung von Parteivorsitz 7 Vgl. Kißener (Fn. 4), S. 109 ff. und Schwan/Steiniger, Helmut Kohl. Virtuose der Macht, Mannheim