Das ‚deutsche Problem‘ in der Rumänischen Kommunistischen Partei, 1944-1949

aus diskursanalytischer Perspektive

M a s t e r a r b e i t

zur Erlangung des akademischen Grades

eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Matthias DULLER

am Institut für Geschichte

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Harald Heppner

Graz, 2011 Inhaltsverzeichnis

Danksagung 3

1 Einleitung 4

2 Geschichtsschreibung und Ideologie 6 2.1 Deutschtum in Rumänien ...... 7 2.2 Die Historisierung des Kommunismus ...... 14

3 Methodologie und Begrifflichkeiten 17 3.1 Was ist ein Diskurs? ...... 18 3.2 Konsequenzen für die Studie ...... 22 3.3 Methode und Aufbau ...... 23

4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) 25 4.1 Einleitung ...... 25 4.2 Deutsche Gruppen in Rumänien ...... 26 4.2.1 Siebenbürger Sachsen ...... 27 4.2.2 Banater Schwaben ...... 28 4.2.3 Andere deutschsprachige Gruppen ...... 29 4.3 Deutschnationale Bewegung vor 1918 ...... 30 4.4 Die Deutschen in Groß-Rumänien, 1918-1944 ...... 32 4.4.1 Die Deutschen während der Zwischenkriegszeit, 1918- 1939 . . . . . 32 4.4.2 Gleichschaltung und Zweiter Weltkrieg, 1939-1944 ...... 36

5 Kommunistische Perspektiven 38 5.1 Nation in der kommunistischen Theorie ...... 40 5.2 Das Nationalitätenproblem in der Sowjetunion ...... 42 5.3 Die Rumänische Kommunistische Partei ...... 47 5.4 Die „rumänische Seele“ und der Kommunismus – zwei unversöhnliche Sphären 49

6 Kommunistische Revolution und Diktatur 56 6.1 Nationalitätengesetzgebung ...... 58

1 Inhaltsverzeichnis

6.2 Die Deutschen: Feinde oder Minderheit? ...... 60 6.2.1 Dimensionen der Inkompatibilität ...... 65 6.2.1.1 Geopolitische Dimension ...... 65 6.2.1.2 Sozialstrukturelle Dimension ...... 66 6.2.1.3 Kulturelle Dimension ...... 67 6.2.1.4 Kognitive Dimension ...... 68 6.2.2 Kommunistische Folgerungen und deutsche Verteidigungsstrategien . 69 6.3 Neuer Weg ...... 75 6.4 Emigration im Nationalstalinismus ...... 76

7 Schlussfolgerungen 79

Anhang 82

2 Danksagung

Die Umstände, unter denen die vorliegende Masterarbeit vorbereitet und erstellt wurde, ver- pflichten mich, einigen Personen meinen ernst gemeinten Dank auszusprechen. An erster Stelle gilt mein aufrichtiger Dank Ao.Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Harald Hep- pner, der mir nicht nur als Betreuer dieser Arbeit, sondern auch als Studienkoordinator, Uni- versitätslehrer und universelle Ansprech- und Auskunftsperson in allen Phasen meines Stu- diums eine unersetzbare Stütze war. Nicht zuletzt haben mir seine motivierenden Worte und seine Einsatzbereitschaft sehr geholfen, mein Arbeitstempo im Schlussabschnitt noch einmal erheblich zu steigern. Weiters danke ich dem Prorektor der Babe¸s-BolyaiUniversität in Cluj-Napoca, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Gräf, der mir als Studienkoordinator in Cluj-Napoca meinen Aufenthalt in Rumä- nien mit viel Verständnis und Hilfsbereitschaft sehr erleichtert und mir viele Einblicke in den rumänischen Universitätsbetrieb gewährt hat. Besonders liegt es mir am Herzen, mich bei Prof. Dr. Virgiliu ¸Târau˘ zu bedanken. Prof. ¸Târau˘ hat sich trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen bereit erklärt, mich bei der Planung und Durchführung meiner Recherchen zu betreuen und hat mich in zahlreichen Unterredun- gen äußerst nutzbringend beraten. Dafür und vor allem für seine herzliche Unterstützung bei meinen Archivstudien in Bukarest sei ihm hier noch einmal mein aufrichtiger Dank ausge- sprochen. Weiters danke ich Dr. Tamás Lönhárt, Prof. Ion Copoeru, Dr. Ottmar Tra¸sca˘ und Prof. George Cipaianu˘ für ihre hilfreichen Tipps und Anregungen. Schließlich möchte ich noch Mag. Rudolf Roth dankend erwähnen, der mir durch das von ihm gestiftete Stipendium meine Forschungsaufenthalte in Bukarest spürbar erleichtert hat.

3 1 Einleitung

Titel und Untertitel dieser Arbeit benennen den Gegenstand, den Hauptbetrachtungszeitraum und die methodologische Perspektive, aus der sich dem Thema genähert werden soll. Es wird die Frage behandelt, in welcher Weise das Problem, das sich um die Existenz der deutschen Minderheit in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben hatte, für die Rumänische Kommunistische Partei darstellte, während diese in einer ‚allmählichen Revolution‘ zwischen dem Sommer 1944 und dem Sommer 1948 ihre alleinige Herrschaft aufbauen und fortan konsolidieren konnte. Die deutsche Minderheit, die auf eine teilweise mehr als 800 Jahre zu- rückreichende Geschichte im Land zurückblicken konnte, war dabei in diesen Jahren schwe- ren kollektiven Repressionsmaßnahmen ausgesetzt, von denen sich die verschiedenen deut- schen Gemeinschaften nicht mehr erholen sollten. Von den vor dem Zweiten Weltkrieg an die 800.000 rumänischen Staatsbürgern, die sich der deutschen Minderheit zugehörig fühlten1, ist heute noch die bescheidene Zahl von etwa 50.000 Angehörigen der deutschen Minderheit verblieben.2 Trotz gelegentlicher Versuche, das Erbe der jahrhundertelangen Existenz dieser Kulturen am Leben zu halten, ist der Ort jener Kulturen heute meist die Erinnerung. Die Ursachen für den langsamen Exodus, den die deutschen Kulturen während und nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in Rumänien erlitten haben, sind einer historischen Aufarbeitung nicht ohne weiteres zugänglich. Mit Sicherheit ist ein hinreichendes Verständnis dieser Episode erst möglich, wenn die Geschehnisse in einen längeren Betrach- tungszeitraum eingereiht werden und die verschiedensten beteiligten historischen Akteure ei- ne hinreichende Berücksichtigung finden. Meist ist dies bisher aus einer einseitigen Perspek- tive geschehen, wobei es hauptsächlich darum ging, das von den Deutschen erlittene Leid und den Verlust ihrer Heimat hervorzuheben, wofür grosso modo den totalitären Herrschaften des 20. Jahrhunderts die Schuld gegeben wurde. Ohne die Legitimität dieser Sichtweise zu bestreiten, versucht die vorliegende Studie der Diskussion eine bisher unbeleuchtete Seite des Problems hinzuzufügen. Anhand von Quel- lenmaterial des Fonds des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei (RKP) wird im Folgenden versucht, die Weise nachzuvollziehen, in welcher die Führungsmitglieder der RKP das deutsche Problem verstanden und formuliert haben und welche Gründe sie ange- 1Wolf Oschlies (1982): Die Deutschen in Rumänien : Teil III : "Groß-Rumänien" und seine Deutschen (1918- 1944). Köln: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. S.3 2Richard Wagner (2000): Ethnic in . In: Stefan Wolff (Hg.): German Minorities in Europe : Ethnic Identity and Cultural Belonging. New York/Oxford: Berghahn. S.135-142:135

4 1 Einleitung trieben haben könnten, sich in der Form zu verhalten, wie sie es getan haben. Nicht nur nach heutigen Maßstäben gilt die Behandlung der deutschen Minderheit als unrecht. Die Wider- sprüchlichkeit, die sich zwischen der von der RKP propagierten Politik der ethnischen Ver- söhnung und den massiven Diskriminierungen der deutschen Minderheit ergaben, war dafür verantwortlich, dass sich die deutsche Frage selbst innerhalb der RKP als Problem darstellte. Der Konstituierung dieses Problems wird unter teilweiser Anwendung der historischen Dis- kursanalyse nachgegangen, woraus sich schließlich der Aufbau der Arbeit herleitet. Da sich hinter dem Label ‚Diskursanalyse‘ nicht nur ein methodisches Vorgehen, sondern auch ein epistemologisches Bekenntnis zum wissenschaftlichen Konstruktivismus verbirgt, wird der in diesem Zusammenhang immer wieder formulierten Forderung nach wissenschaftlicher Re- flexivität insofern begegnet, als an den Anfang Überlegungen zur aktuellen Bedeutung der berührten Themenfelder und einer diesbezüglichen Einordnung der bestehenden Forschungs- literatur gestellt wird, die gleichzeitig eine vertiefte Einführung ins Forschungsfeld bieten. Daran folgen kurze, aber notwendige Erörterungen zur Diskurstheorie und Angaben zur me- thodologischen Positionierung der Arbeit. Die Kapitel 4 und 5 geben jeweils einen Überblick über die wichtigsten historischen Vorbedingungen der deutschsprachigen Gruppen im heuti- gen Rumänien, sowie über die kommunistische Theorie und Bewegung in Europa und Ru- mänien im Speziellen, bevor im sechsten Kapitel die Ergebnisse der Dokumentstudien mit den vorherigen Darstellungen verknüpft werden, um unter Rückgriff auf die theoretischen und historischen Erörtetungen zu einer fundierten Interpretation der Ergebnisse zu gelangen. Am Ende folgen resümierende Anmerkungen, die die wichtigsten Ergebnisse der Studie noch einmal hervorheben und interpretieren.

5 2 Geschichtsschreibung und Ideologie

Der Hinweis, dass Geschichtsschreibung immer und zwangsläufig ein ideologisches Unterfan- gen ist, gehört zu den Gemeinplätzen des akademischen Diskurses. Wahl des Themas, Aus- wahl der Literatur, unausgesprochene Erwartungen und versteckte Tendenzen usw. – d.i. das Problem der Selektivität des Forschenden – verzerren stets den Anspruch auf wissenschaft- liche Objektivität. Ohne auf dieses hinreichend bekannte Problem und die verschiedenen An- sätze zu seiner (näherungsweisen) Lösung näher eingehen zu wollen, ergibt sich daraus die Notwendigkeit, gewisse Bezugspunkte der historischen Diskussion mit deren aktuellen politi- schen Bedeutungen in Erinnerung zu rufen. Dies scheint vor allem aus zwei Gründen sinnvoll: zum einen, da die dadurch zu Beginn erfolgte explizite Abgrenzung von bestimmten Grup- pen und politischen Haltungen die Tendenzen des Autors verringern soll, diese Abgrenzung implizit in den Text einzuflechten; zum anderen, da eine solche Perspektive die Möglichkeit bietet, allgemeine Tendenzen in der bestehenden Literatur zu beschreiben und einzuordnen. Im Zentrum der Betrachtungen steht die Behandlung der deutschen Minderheit durch die Kommunistische Partei Rumäniens in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit ist eine Vielzahl heute zentraler historisch-politischer Bezugspunkte der europäischen Gegen- wart berührt. Es geht um Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus, dessen Gründe und Fort- wirkungen. Es geht in weiterer Folge um die Frage des Nationalstaats und sein Verhältnis zu Minderheiten. Es geht um dessen große (vorerst gescheiterte) Alternative des Kommunismus, um die Ablösung des einen Totalitarismus durch den anderen bzw. die Frage ihrer Vergleich- barkeit. Es geht um das Problem kollektiver Verantwortlichkeit und den Wert des einzelnen Subjekts im Lichte historischer Bedingungen. Diese Auflistung bedeutungsschwerer Probleme und Begriffe soll nicht suggerieren, dass versucht würde, auf all diese Fragen Antworten zu finden. Aber sie soll als Hinweis dazu dienen, in welch unauflösbarer Weise jede Aussage in einen historischen Zusammenhang eingebettet ist in einen laufend neu verhandelten Diskurs und daher von Vorstellungen und Interessen abhängt, die man in einem naiven Wissenschaftsverständnis weit außerhalb des Bezugsrahmens der Arbeit wähnt.

6 2 Geschichtsschreibung und Ideologie 2.1 Deutschtum in Rumänien

Geht man vom Ort der Erstellung der Arbeit, wie auch der Sozialisation des Verfassers aus, ist der vordringlichste Bezugspunkt des Themas die Frage des Deutschtums. Was auf ganz Europa insgesamt zutrifft, hat in Österreich eine besondere Dimension, nämlich dass die Ab- grenzung vom deutschen Nationalsozialismus (hier als explizite Betonung des Nicht-Deutsch- Seins) das sinnstiftende Element der Nachkriegsordnung darstellt. Damit einher geht die weit- reichend konsensuale Herstellung einer Schuldzuweisung an Deutschland für die Gräuel des Zweiten Weltkriegs, die, und das ist das Entscheidende, auch von den Deutschen selbst in Form eines Schuldeingeständnisses in breiter Zustimmung anerkannt wird.1 Die öffentlichen und intellektuellen Debatten der Nachkriegszeit förderten dabei das Pro- blem zutage, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht als Einzelereignis, sondern auch – zumindest teilweise – als ein Produkt der deutschen Kulturgeschichte verstanden wur- den, und auf diese Weise eine mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen Deutschtum mit seinem Anspruch auf Herrenmenschentum und massenhaftem Völkermord hergestellt wurde. Sobald man sich seither affirmativ zum Deutschtum äußert, ist eine explizite oder implizite Distanzierung von seiner nationalsozialistischen Pervertierung notwendig.2 In diesem Zusammenhang stellen die von Vertreibung, Deportation und systematischer Dis- kriminierung betroffenen deutschen Minderheiten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa einen Gegenstand dar, der die diskursive Begriffspaarung ‚Deutschtum‘ und ‚Schuld‘ unterläuft, indem hier Deutsche als Opfer auftauchen. Zwar wurde und wird auch ihr Anteil an den nationalsozialistischen Verbrechen kontrovers diskutiert, doch haben es die vielfältigen kollektiven Vergeltungsmaßnahmen der Nachkriegs- herrschaften ermöglicht, Deutschtum nicht nur mit Täterschaft, sondern mit Opferschaft in Beziehung zu setzen. Die Schuldhaftigkeit, die jeder affirmativen Bezeugung von Deutsch- tum ansonsten mehr oder weniger explizit anhängt, fällt in diesem speziellen Zusammenhang dadurch weg, dass das revanchistische Unrecht, das den Deutschen hier zugefügt wurde, diese gleichsam aufhebt. Diese vorderhand sehr oberflächlichen Betrachtungen spiegeln sich durchaus auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema wider. Da der allergrößte Anteil der 1In Österreich ist die Frage des Schuldeingeständnisses bekanntermaßen weniger eindeutig. Hier hat über lange Zeit die auf internationalem Terrain ausverhandelte These vom ersten Opfer des Nationalsozialismus ein Schuldeingeständnis behindert und stattdessen eine Haltung gefördert, die eigene Beteiligung ignorierte oder herunterspielte. 2Besonders einflussreich in der Debatte um die deutsche Kollektivschuld war und ist das 1946 erschienene Werk von Karl Jaspers Die Schuldfrage, worin Jaspers vier Typen der Schuld - die kriminelle, die politische, die moralische und die metaphysische - einführt und mit diesen Begriffen nachhaltig zwischen der Position, die alle Deutschen kollektiv für die Verbrechen der Nationalsozialisten schuldig spricht und jener, nach welcher das deutsche Volk als Opfer einer brutalen Diktatur anzusehen wäre und daher keine Verantwortung dafür zu übernehmen hätte, vermittelt. In aktueller Ausgabe siehe Karl Jaspers (1999): Die Schuldfrage : Von der politischen Haftung Deutschlands. München: Piper.

7 2 Geschichtsschreibung und Ideologie wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema aus Deutschland oder Österreich stammt, läuft die Kontextualisierung der behandelten Fragen fast immer darauf hinaus, die deutschen Min- derheiten eher als Sonderfall der deutschen, denn als Sonderfall der jeweiligen osteuropäi- schen Geschichte zu verstehen. Der Hinweis, dass die Produktionsstätten vieler dieser Werke stark von Personen dominiert werden, die oft sehr unmittelbare persönliche oder familiäre Beziehungen zum historischen Gegenstand aufweisen, soll hier nicht verächtlich als ein ge- neralisierter Vorwurf der Parteilichkeit ins Spiel gebracht werden, muss aber dennoch als ein bedeutender Faktor für die allgemeine Struktur der Arbeiten verstanden werden. Außerdem erhält diese Bedeutungskonnotation dadurch Relevanz, dass es immer wieder zu gegenseitigen Anschuldigungen kommt, die auf die (kultur-)politischen Ziele von einzel- nen Forschern oder Forschungseinrichtungen abzielen, worunter in der Regel der Vorwurf geschichtsrevisionistischer Intentionen gemeint ist.3 Es liegt nahe, die historischen Werke, die zum erweiterten Themenkreis vorliegen, nach ihrem betrachteten Zeithorizont sowie nach den behandelten Gruppen, auf die sie sich be- ziehen, einzuordnen, wobei ab nun allein schon aus Gründen der Übersichtlichkeit nur auf die Arbeiten zu den Deutschen in Rumänien eingegangen werden kann, deren Situation sich von jener anderer deutschen Gruppen in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa mitunter deutlich unterscheidet. Wenn hier von deutschsprachigen Gruppen in Rumänien die Rede ist, und nicht etwa von Rumäniendeutschen – ein gebräuchlicherer und viel handlicherer Begriff –, dann ist damit auf den Umstand hingewiesen, dass von einem gemeinsamen nationalen Verständnis dieser Grup- pen als Deutsche über die längste Zeit ihrer Geschichte keinesfalls die Rede sein kann. Die Entstehung dieser Gruppen ist auf verschiedene Migrationsbewegungen zurückzuführen, die Menschen aus sehr unterschiedlichen Regionen Europas mit völlig unterschiedlichen sozio- ökonomischen Hintergründen zusammenfassen, deren Ansiedlung hunderte Jahre auseinander liegt. Der Begriff ‚Rumäniendeutsche‘ bleibt dabei bis in die heutige Zeit problematisch, da die nationale Integration der verschiedenen deutschsprachigen Gruppen nie vollkommen ab- geschlossen wurde. Der Begriff hat innerhalb Rumäniens stets eher als Fremdbezeichnung, denn als Selbstbezeichnung eine Rolle gespielt, bzw. erhielt er im Zusammenhang der im 20. Jahrhundert aus Rumänien nach Deutschland oder Österreich ausgewanderten Angehörigen deutscher Gruppen dort in der öffentlichen Wahrnehmung eine Bedeutung, da deren gemein- same Migrationserfahrung Homogenität unterstellte. Häufig beschränken sich die historischen Darstellungen daher auf eine bestimmte Gruppe, oder stellen die Beziehungen dieser oft als Stämme bezeichneten Gruppen zueinander und zu ihrem ethnisch und national unterschiedli- 3So bezeichnet etwa Klaus Popa den Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde als pseudowissenschaft- liche Einrichtung, die eine geschichtsrevisionistische „Kulturpolitik von Verdrängung und Beschweigen der rumäniendeutschen Nazizeit“ betreibe. Siehe die Einleitung von Klaus Popa (Hg., 2003): Die Rumänien- deutschen zwischen Demokratie und Diktatur : Der politische Nachlass von Hans Otto Roth 1919-1951. Frankfurt am Main: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften. S.8

8 2 Geschichtsschreibung und Ideologie chen Umfeld dar. Den größten Fundus an historischen Werken findet man über die Siebenbürger Sachsen. Sie sind die älteste Gruppe deutscher Siedler auf dem Gebiet Rumäniens und weisen eine lange und sehr gut dokumentierte Kulturgeschichte auf, die auch heute noch über ein reichhalti- ges und fürsorglich gepflegtes materielles und geistiges Erbe in Rumänien von wahrnehm- barer Präsenz verfügt. Ganz überwiegend von Seiten deutscher und österreichischer Histori- ker – berücksichtigt man auch ältere Werke, sind auch bedeutende Werke der Siebenbürger Sachsen selbst zu ihrer Geschichte anzuführen – liegen zu allen historischen Epochen vom Zeitpunkt der Ansiedlung im Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zahlreiche Detailstudien und Überblickswerke vor. Das erklärte Ziel so gut wie all dieser Arbeiten ist es, den insgesamt als herausragend eingeschätzten Beitrag der siebenbürgisch-sächsischen Kultur zur allgemeinen Landesentwicklung Siebenbürgens in wirtschaftlicher, politischer und ganz besonders kultu- reller Hinsicht herauszustreichen. Ein Topos, der dabei in kaum einem Werk fehlt – und der im Übrigen von rumänischen Historikern auch in neuester Zeit gerne übernommen wird4 – ist das Bild einer im besten Einvernehmen mit den sie umgebenden nichtdeutschen Landsleu- ten gediehenen harmonischen multikulturellen Gesellschaft, als Teil derer die Siebenbürger Sachsen in privilegierter Position und mit elitärem Stolz tatkräftig mitgewirkt hätten. Dies und der Hinweis auf die jahrhundertelang im Land verwurzelten Traditionen erhält seine spe- zifische Bedeutung freilich in einer Erzählstruktur, die sich am Ende mit den Schrecken von Faschismus und Nationalsozialismus und dem darauf folgenden schrittweisen Exodus unter kommunistischer Diktatur zu einer Tragödie5 zuspitzt, nach deren letzem Akt Wehmut und Nostalgie zurückbleiben.6 Als für geschichtswissenschaftliche Belange besonders hervorzuhebende Forschungsein- richtung ist der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. in Heidelberg zu nennen, dem seit seiner Gründung als Verein 1840 in Siebenbürgen eine Vielzahl an herausgegebenen Schriften und ausführliches Quellenmaterial zur Geschichte, Kulturgeschichte und Volkskun- de Siebenbürgens zu verdanken ist. Nachdem der Verein 1947 in Rumänien aufgelöst wurde, fand die Tätigkeit in Deutschland Fortsetzung und mündete 1962 in die Neugründung als Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg.7 In etwas anderer Grundhaltung sind die meisten Arbeiten zu den Banater Schwaben ver- fasst. Bei den Banater Schwaben handelt es sich nicht um die Bezeichnung einer geschlos- 4Zum Beispiel Sorina Paula Bolovan/Ioan Bolovan (2002): Die Deutschen in Rumänien. Cluj-Napoca: Centrul de Studii Transilvane 5Zur Einordnung historischer Werke nach den literarischen Grundtypen ihrer narrativen Modellierung: Roman- ze, Tragödie, Komödie und Satire, siehe Hayden White (1991): Metahistory : Die historische Einbildungs- kraft im 19. Jahrhundert in Europa. Frankfurt/Main: Fischer. 6Als Beispiel dient der in seinem dokumentarischen Gehalt noch immer wichtige Band: Das Schicksal der Deutschen in Rumänien : Eine Dokumentation. Band IV der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-. Herausgegeben vom ehemaligen Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1994, zuerst 1957). Augsburg: Weltbild Verlag. 7Siehe die offizielle Homepage: http://www.siebenbuergen-institut.de/ (25.5.2011)

9 2 Geschichtsschreibung und Ideologie senen ethnischen Gruppe, sondern um einen synthetischen Begriff, der deutsch- und anders- sprachige Leute umfasst, die kaum jemals eine politische, geschweige denn eine kulturel- le Einheit dargestellt hätten. Dementsprechend scheinen Hinweise auf Besonderheiten des Deutschtums im in verschiedenen Kontexten auf, vor allem in solchen, die sich mit der deutschen Minderheit in Ungarn im Allgemeinen, oder mit der Situation der so genannten ‚Donauschwaben‘8 beschäftigen, oder, dies gilt vor allem für spätere Zeitpunkte, indem sie als Teil der Deutschen in Rumänien mit der Geschichte der Siebenbürger Sachsen in Verbindung gebracht werden. Entsprechend ihrer im Vergleich zu den Siebenbürger Sachsen wesentlich kürzeren Sied- lungsgeschichte im Banat und ihrer wesentlich geringeren ethnischen Verdichtung, fehlt die für die Sachsen charakteristische Einheit aus Volkstum und Kultur. Dennoch scheinen auch hier die Motive einer überlegenen – zumindest relativ zu Rumänen, Serben und anderen Eth- nien höherentwickelten – Kultur durch, als deren Beweis der relative Wohlstand sowohl der bäuerlichen als auch der städtebürgerlichen schwäbischen Bevölkerung angeführt wird. Da es sich im Fall der Banater Gesellschaftsstruktur aber um eine modernere, stärker stratifizierte Gesellschaft gehandelt hatte als im ständisch geprägten Siebenbürgen, überwiegen auch und vor allem im Hinblick auf die Banater Schwaben sozial- und wirtschaftshistorische Ansätze über die für Siebenbürgen dominanten kulturhistorischen. Alle anderen deutschen Gruppen, die sich im Lauf der Historie zeitweise auf rumänischem Staatsgebiet wieder fanden9, finden in der Literatur nur sehr wenig Beachtung. Die Tatsache, dass die meisten von ihnen am Beginn des Zweiten Weltkriegs ins Deutsche Reich umgesie- delt wurden und es in ihrem Fall (daher?) kaum Erinnerungsarbeit durch einschlägige Vereine oder andere Einrichtungen gibt, dürfte diesen Unterschied wohl hinlänglich erklären. Explizite Erwähnung finden alle deutschen Gruppen insbesondere in Werken, die sich schwer- punktmäßig den Rumäniendeutschen in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkriegs widmen. In diesem Zusammenhang ist es erstmals sinnvoll möglich, nach einer gemeinsamen deutschen Identität der historisch so stark fragmentierten deutschsprachigen Gruppen zu fragen. Da eine solche allerdings kaum außerhalb des nationalsozialistischen Kontexts nachweisbar ist, finden sich auch hier wieder auffällige Schwerpunktsetzungen auf die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben, während die restlichen Gruppen in der Regel nur in Nebenbemerkungen erwähnt werden.10 8ebenfalls ein synthetischer Begriff, der 1922 von den Geographen Robert Sieger und Hermann Rüdiger einge- führt wurde „für das bis 1918 im Königreich Ungarn beheimatete, nach der Auflösung der Habsburgermonar- chie auf die drei Staaten Ungarn, Jugoslawien und Rumänien verteilte Deutschtum im pannonischen Raum.“ Gerhard Seewann (2004a): Donauschwaben. In: Edgar Hösch/Karl Nehring/Holm Sundhaussen (Hg.): Lexi- kon zur Geschichte Südosteuropas. Wien/Köln/Weimar: Böhlau. S.201-205:201 9Zu nennen wären die Bukowinadeutschen, die Bessarabiendeutschen und die Dobrudschadeutschen 10Eine Ausnahme, die die Gesamtsituation der verschiedenen deutschen Gruppen im Rumänien der Zwischen- kriegszeit aus einer schwerpunktmäßigen Betrachtung der Deutschen in der Bukowina betreibt, stellt das in diesem Bereich als Standardwerk zu bezeichnende Werk von Mariana Hausleitner dar: Mariana Hausleitner (2001): Die Rumänisierung der Bukowina : Die Durchsetzung des nationalstaatlichen Anspruchs Großrumä-

10 2 Geschichtsschreibung und Ideologie

Die stets bestimmende Frage liegt in diesem Betrachtungszeitraum immer darin, unter wel- chen Umständen der Nationalsozialismus zu seiner breiten – oft als begeistert bezeichneten – Aufnahme unter den deutschen Gruppen Rumäniens kam. Dabei muss erklärt werden, wie ein gemeinsames Phänomen – der Erfolg des Nationalsozialismus – innerhalb sehr unterschied- licher Gruppen zustande gekommen ist, ohne bestimmte Erklärungszusammenhänge einfach von einer Gruppe auf alle anderen zu generalisieren. Die andere Herausforderung besteht darin, das Verhalten der deutschen Gruppen in den lokalen Zusammenhang der rumänischen Entwicklungen zu stellen und vor allem einen Vergleich mit den anderen im Land lebenden Minderheiten herzustellen. Sowohl die inneren Verhältnisse im nach dem Ersten Weltkrieg dramatisch vergrößerten Großrumänien, wie auch die spezifischen äußeren Einflüsse auf die deutschen Gruppen in Rumänien, sind für eine Erklärung dieser Phase heranzuziehen. Entscheidend für die inne- ren Verhältnisse sind zuallererst die nationalstaatlichen Maßnahmen zur ‚Rumänisierung‘ der vormals von nichtrumänischen Eliten beherrschten neu erworbenen Landesteile11, in denen neben den deutschen Gruppen auch so gut wie alle anderen Teile der nationalen und ethni- schen Minderheiten lebten. Diskriminierungen in kulturellen Belangen sowie wirtschaftlich vor allem durch eine die Minderheiten benachteiligende Arbeitsmarktpolitik führten zu ei- nem schrittweisen Abstieg der deutschen Gruppen. Wichtig ist hier vor allem die Relationa- lität der ethnischen Beziehungen, d.h. das hierarchisch geordnete Verhältnis des Stellenwerts der jeweiligen ethnischen oder nationalen Gruppen zueinander und nicht so sehr der absolut messbare Wohlstand einer Gruppe. Der Abstieg der deutschen Gruppen – oder wie es Cor- nelius R. Zach beschrieben hat, der Zivilisationsverlust –, als welcher die Eingliederung in den rumänischen Staat von den Deutschen empfunden wurde12, bedeutet in selbem Maße die Empörung darüber, dass man selbst objektiv – wirtschaftlich wie kulturell – an Kapital13 ein- büßen musste, wie auch darüber, dass eine andere Gruppe – nämlich die vormals an selbigem Kapital am wenigsten beteiligten Rumänen – das frei gewordene Kapital erworben hatte, also aus deren Sicht einen emanzipatorischen Akt vollzogen hatte. In diesem Sinn argumentieren auch neuere Studien, die sich der postkolonialen Perspektive bedienen, wie etwa die von Valentina Glajar (2004). Sie attestiert anhand von Literaturstudien beispielsweise den Banater Schwaben ein tief verankertes Verständnis von der deutschen Kul- niens 1918-1944. München: Oldenbourg 11Siebenbürgen mit dem Kreischgebiet, der Maramuresch und dem Banat, Nordbukowina, Bessarabien und die Süddobrudscha 12Cornelius R. Zach (2005): Zwischen Ideologie und Pragmatismus : Die Migration der Deutschen aus Rumä- nien im 20. Jahrhundert. In: Krista Zach in Verbindung mit Flavius Solomon und Cornelius R. Zach (Hg.): Migration im südöstlichen Europa : Auswanderung, Flucht, Deportation, Exil im 20. Jahrhundert. München: IKGS Verlag. S.155-167:158 13In Anlehnung an den von Pierre Bourdieu erweiterten Kapitalbegriff, der zwischen ökonomischem, kulturel- lem, sozialem und symbolischem Kapital unterscheidet. In kompakter Darstellung siehe: Pierre Bourdieu (hg. von Margareta Steinrücke, 1997): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur, Band 1. Hamburg: VSA

11 2 Geschichtsschreibung und Ideologie tur als einer den barbarischen Völkern des Ostens überlegene Zivilisation. Dies ist vor allem auf die habsburgischen Privilegien zurückzuführen, die von der Vorstellung geprägt waren, dass die Deutschen als eine Art Vorposten der mitteleuropäischen Kultur auf einer mission civilatrice im barbarischen Osten wären.14 Während der Verlust an Wohlstand und Prestige also das kollektive Bewusstsein der deut- schen Gruppen in eine Art ödipalen Komplex versetzte15 – was im Übrigen so weit in sehr ähnlicher Weise auf die Ungarn in Siebenbürgen und im Banat zutrifft –, war die Art, wie man innerhalb der deutschen Gemeinschaften auf die Verlustängste reagierte, in starkem Maße von äußeren Einflüssen bestimmt. Je weniger es realistisch schien, dass man jene schmerzhafte Pe- riode des relativen Abstiegs aus sich selbst heraus wieder umzukehren in der Lage war, desto mehr tönte aus dem zeitgleich erstarkenden Deutschland – wie auch in geringerem Maße aus dem während der Monarchiezeit in diesen Belangen sehr wichtigen Österreich – ein Ruf zum entscheidenden Gegenschlag gegen die Niederlagen, die die Deutschen in Europa im und nach dem Ersten Weltkrieg hinnehmen mussten. Stärker als jemals zuvor war der deutsche Nationalismus von seiner Vorstellung geprägt, die Deutschen seien eine Art Avantgarde der menschlichen Rasse. Dass sich diese Selbsterhöhung aber gerade nicht auf Erfolge stützte, sondern auf eine Reihe demütigender Niederlagen, macht einen großen Teil des Verhängnis- ses aus. Das Herrenmenschentum der Nationalsozialisten war ein „Herrenmenschentum der Knechte“, wie der deutsche Historiker Jörg Friedrich es bezeichnet hat.16 Die enge Bindung an Deutschland, die sich vor allem in den 1920er und 1930er Jahren in- nerhalb der deutschen Gruppen in Rumänien auf beiderseitiges Bestreben hin entwickelt hatte sowie die Fähigkeit der nationalsozialistischen Ideologie, auf die speziellen Probleme der be- schnittenen deutschen Kultur in Rumänien eine schlagkräftige Antwort zu geben, wird also dafür verantwortlich gemacht, dass die Deutschen Rumäniens – zu denen sie in der Form wur- den, wie sie die nationalsozialistische Idee von der organischen Einheit des großen deutschen Volkes übernahmen – scharenweise den Erneuerern – so der bedeutungsvolle Name der natio- nalsozialistischen Bewegung in Rumänien – zuliefen und dem rumänischen Staat wie ihrem nichtdeutschen Umfeld die Treue brachen. Dass diese Tendenzen von Seiten des rumänischen Staates nicht unterbunden werden konnten, liegt wiederum daran, dass sich letzterer selbst zusehends in ein faschistisches Regime verwandelte, das sich je nach Betrachtungsweise in einem partnerschaftlichen Verhältnis mit dem bzw. in enger Abhängigkeit vom Deutschen Reich befand. 14Valentina Glajar (2004): The German Legacy in East Central Europe : as Recorded in Recent German- Language Literature. Rochester: Camden House. S.5; ebenfalls in Anlehnung an eine Literaturstudie ar- gumentiert in diese Richtung auch Klaus Popa (1999): Wo saß der Feind eigentlich? Gedanken über das siebenbürgische Gegeneinander der ersten Jahrhunderthälfte. In: Halbjahresschrift für südosteuropäische Ge- schichte, Literatur und Politik, 11. Jg., Heft Nr.1, Mai 1999, S.72-79. 15insofern die Möglichkeit ihrer symbolischen Kastration geschaffen wurde 16Jörg Friedrich in der ZDF-Fernsehsendung „Das philosophische Quartett: Adolf Hitler - eine Medienkarriere“ ausgestrahlt erstmals am 19.9.2004 im ZDF

12 2 Geschichtsschreibung und Ideologie

Was die Lage der deutschen Gruppen in der nach dem Zweiten Weltkrieg relativ rasch errichteten kommunistischen Diktatur in Rumänien angeht, beschränkt sich die bestehende wissenschaftliche Literatur vorerst auf einzelne Beiträge aus Deutschland, die über eine all- gemeine Beschreibung der politischen und rechtlichen Stellung, bzw. über relativ subjektive Befindlichkeiten einzelner Betroffener kaum hinausreicht. Der Grund für das Fehlen einer tiefer gehenden Erarbeitung in der Literatur liegt zuerst natürlich darin, dass während der mehr als vier Jahrzehnte dauernden kommunistischen Diktatur in Rumänien durch den ein- geschränkten Zugang zu verlässlicher Information kaum Möglichkeiten für tiefer gehende wissenschaftliche Studien bestanden haben und eine öffentliche Behandlung politisch rele- vanter Themen in Rumänien selbst völlig ausgeschlossen war. In der Tat ist der Zugang zu Archivmaterial über den kommunistischen Staats- und Verwaltungsapparat erst in jüngster Zeit effektiv ermöglicht worden und weist in sensiblen Bereichen – vor allem was das Archiv der berüchtigten Geheimpolizei anbelangt – noch immer erhebliche Behinderungen auf. Dennoch hat allen voran das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS)17 in München in letzter Zeit begonnen, die Situation der deutschen Minderheit wäh- rend der stalinistischen Phase in Rumänien zu erforschen und hier auch erste richtungswei- sende Publikationen vorgelegt.18 Gesondert hervorzuheben ist der Umstand, dass das Thema der Deutschen in der kommu- nistischen Diktatur von Seiten rumänischer Historiker bis in die jüngste Zeit so gut wie über- haupt kein Interesse auf sich ziehen konnte, sieht man hier von wenigen aktuellen Ausnah- men ab. Die Gründe hierfür festzustellen, wäre insofern interessant, als Minderheitenfragen im Allgemeinen ein äußerst häufig diskutiertes Thema darstellen, nicht zuletzt, weil die natio- nale Frage den rumänischen Kommunismus wie kaum ein anderes Land im kommunistischen Osteuropa bestimmt hatte, zumal in den 1960er Jahren noch unter Generalsekretär Gheorghe Gheorghiu-Dej der spezifische rumänische Nationalstalinismus entwickelt wurde, der bis zum Niedergang der Ceau¸sescu-Diktaturim Dezember 1989 das zentrale Charakteristikum dieser Herrschaft bleiben sollte. Ein Grund für die geringe Aufmerksamkeit für die deutsche Minder- heit liegt sicherlich im Fehlen einer heute noch vitalen deutschen Gemeinschaft in Rumänien, wodurch gleichsam auch der natürliche Akteur solcher Forschungen fehlt.19 17Siehe http://www.ikgs.de/ (26.5.2011) 18Siehe insbesondere Mariana Hausleitner (Hg., 2009): Vom Faschismus zum Stalinismus : Deutsche und andere Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1941-1953. München: IKGS-Verlag 19Ganz im Unterschied zur Erforschung der Lage der ungarischen Minderheit, die überwiegend – aber keines- wegs nur – von ungarischen Historikern und anderen Wissenschaftern mit großen Engagement betrieben wird.

13 2 Geschichtsschreibung und Ideologie 2.2 Die Historisierung des Kommunismus

Der zweite große Themenkomplex, den die Arbeit berührt, betrifft die Historisierung des Kommunismus in Rumänien. Die in Mittel- und Westeuropa heute mechanische Assoziation mit dem Schreckensregime eines größenwahnsinnigen Diktators namens Nicolae Ceau¸sescu – versinnbildlicht in seinem zerstörerischen und gigantomanischen ‚Palast des Volkes‘ in Bu- karest – ist ein Bild, das sich erst während der 1980er Jahre und nach seiner Hinrichtung am 25. Dezember 1989 in dieser Form verdichtet hat. Vergessen wird dabei oft, dass Ceau¸sescu im Westen aufgrund seiner offenen Opposition gegen den Moskauer Hegemon – berühmt ge- worden durch seine Weigerung, sich an der Invasion in der Tschechoslowakei im Jahr 1968 zu beteiligen – lange Zeit als Lichtgestalt und großer Hoffnungsträger des europäischen Kom- munismus gegolten hatte.20 Heute besteht in der internationalen wie in der rumänischen öffentlichen Diskussion aber kaum Zweifel mehr darüber, dass das kommunistische Experiment von Anfang an ein ver- brecherisches und unmenschliches Unterfangen darstellte.21 Gerade nach der aus Sicht der breiten Bevölkerung als misslungen zu bezeichnenden rumänischen Revolution von 1989/90, die lediglich die alten Kadereliten des Regimes in neuem ideologischen Gewand hervorbrach- te, war die nun bürgerlich-nationalistische Geschichtsschreibung bemüht, die Existenz der neuen Ordnung durch eine möglichst umfassende Dämonisierung der alten Herrschaft zu le- gitimieren, was durch die allgemein in der euroatlantischen Welt aufkommende Euphorie vom historischen Sieg des demokratischen Liberalismus breite Unterstützung erfuhr. Dieser Kon- sens besteht grundsätzlich noch bis heute, wiewohl sich in der Bevölkerung mehr als 20 Jahre nach der Wende, nach dem erfolgtem EU-Beitritt Rumäniens und einer sich für viele noch immer nicht eingestellten Verbesserung der Lebensbedingungen, zusehends auch Unmut breit macht, der sich manchmal auch rückwirkend in einer etwas positiveren Beurteilung des alten Regimes ausdrückt. Die vielfach traumatischen Erfahrungen, die im europäischen Kommunismus vielleicht nur durch Enver Hoxhas Regime in Albanien übertroffen wurden, sowie die offensichtliche perso- nelle Kontinuität der Eliten erzeugten in Rumänien einen erheblichen öffentlichen Druck, der zu einer Vielzahl an Forschungs- und Erinnerungsinitiativen führte, die bis heute einen wich- 20Vgl. Tony Judt (2008): Reappraisals : Reflections on the Forgotten Twentieth Century. New York: The Penguin Press, S.259 21Eine Gesamtschau der von der kommunistischen Diktatur begangenen Verbrechen und Repressio- nen bietet der Endbericht der vom rumänisch-amerikanischen Politikwissenschaftler Vladimir Tis- maneanu geleiteten und von Staatspräsident Traian Basescu˘ einberufenen präsidialen Kommission zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien (Comisia preziden¸tial˘a pentru analiza dic- taturii comuniste din România) an, der 2006 veröffentlicht wurde. Im Internet verfügbar unter www.presidency.ro/static/.../RAPORT_FINAL_CPADCR.pdf (25.5.2011) (auf rumänisch). Siehe auch die anlässlich der Veröffentlichung dieses Berichts gehaltenen Rede von Präsident B˘asescuim rumänischen Parlament am 18. Dezember 2006, verfügbar unter http://cpcadcr.presidency.ro/ (25.5.2011) (auf rumänisch und englisch)

14 2 Geschichtsschreibung und Ideologie tigen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung und daher auch zum Aufbau einer kritischen Zivilgesellschaft leisten.22 Eine echte kritisch-engagierte Aufarbeitung wurde von Seiten der Regierung aber dennoch insofern beschränkt, als die Schaffung von Forschungseinrichtungen wie des 1993 gegründeten Nationalen Instituts für das Studium des Totalitarismus eher eine Strategie der regierenden Eliten darstellte, die Deutung der kommunistischen Vergangenheit zu kontrollieren, als einen offenen Prozess der Konfrontation mit dem Regime zu ermögli- chen.23 Ein solcher hätte freilich auch die politische Integrität der nachrevolutionären Eliten bedroht, die in der Regel bereits während der Ceau¸sescu-Diktatur wichtige Ämter bekleideten. Im Großen und Ganzen ist aber eine – wenn auch nicht vollständig befriedigende – politi- sche Konsolidierung zu konstatieren, die es heute erlaubt, die These von der demokratischen Revolution als eine Lüge der regierenden Eliten zu entlarven und stattdessen die Überwin- dung der diktatorischen Vergangenheit als einen langwierigen und schmerzhaften Prozess zu begreifen, der noch lange nicht überstanden ist und dessen Ende auch keinesfalls vorgezeich- net ist. Sichtbar sind diese Entwicklungen in der wissenschaftlichen Behandlung des Kommunis- mus vor allem auf zwei Ebenen. Die erste Ebene betrifft die praktischen Möglichkeiten, in welcher Weise das Regime erforscht werden kann, worunter vor allem der Zugang zu klassifi- ziertem Archivmaterial fällt. Die zweite Ebene betrifft die aktuelle diskursive Bedeutung der kommunistischen Vergangenheit im Kontext des Europäisierungsprozesses. Am deutlichsten tritt die Abhängigkeit der wissenschaftlichen von den politischen Dis- kursen zutage, wenn man die politische Auseinandersetzung um den Zugang zu staatlichem Archivmaterial nachvollzieht, wie sie sich vor allem in Bezug auf die enormen Aktenbestände der Securitate zugetragen hat. Im Dezember 1999 wurde von Staatspräsident Emil Constanti- nescu der Nationale Rat für das Studium der Archive der Securitate (CNSAS) gegründet, der sich – entsprechend etwa der Gauck-Behörde in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – darum zu kümmern hat, eine etwaige Beteiligung aller Personen des öffentlichen Lebens an den Verfolgungen durch die berüchtigte rumänische Geheimpolizei während der kommunistischen Diktatur zu überprüfen und über eine allfällige Straffähigkeit dieser Perso- nen zu entscheiden.24 Der starke politische Widerstand gegen diese Maßnahmen erklärt sich 22Zu den verschiedenen Forschungseinrichtungen, die sich seit der Wende in Rumänien gebildet haben siehe: Ulf Brunnbauer (2007): Ein neuer weißer Fleck? Der Realsozialismus in der aktuellen Geschichtsschreibung in Südosteuropa. In: Ulf Brunnbauer/Stefan Troebst (Hg., 2007): Zwischen Amnesie und Nostalgie : Die Erinnerung an den Kommunismus in Südosteuropa. Köln Weimar Wien: Böhlau. S.87-111 23Brunnbauer (2007), S.95 unter Rückgriff auf Mariana Hausleitner (2007): Die verzögerte Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen in Rumänien nach 1990. In: Ulf Brunnbauer/Andreas Helmedach/Stefan Tro- ebst (Hg.): Schnittstellen : Gesellschaft, Nation, Konflikt und Erinnerung in Südosteuropa : Festschrift für Holm Sundhaussen zum 65. Geburtstag. München: Oldenbourg. S.507-520. 24Die anfangs äußerst weitreichenden rechtlichen Kompetenzen des Rats, die faktisch bis zur Urteilssprechung über die untersuchten Personen reichte, wurde durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 31. Jän- ner 2008 aufgehoben. Der Fischer Weltalmanach 2009 (2008): Zahlen, Daten, Fakten. Frankfurt am Main: Fischer. S.391; In den westlichen Medien wurde dies teilweise als Rückschlag gegen die Verfolgung von ehemaligen Securitate-Mitarbeitern gewertet, zumal den Angehörigen des Verfassungsgerichtshofs selbst an

15 2 Geschichtsschreibung und Ideologie relativ einfach aus der Tatsache, dass es, wie bereits angedeutet, in Rumänien zu keiner ef- fektiven Entwirrung der alten von den neuen Eliten gekommen ist, und daher eine Vielzahl der politischen Kräfte im Land ein persönliches Interesse daran hat, eine genaue Aufarbeitung und Veröffentlichung ihrer politischen Vergangenheit zu verhindern. In dem Maße wie in den letzten Jahren umfängliche Aktenbestände zugänglich gemacht wurden, ist auch die Produktion vielfältiger wissenschaftlicher Studien eindrucksvoll gewach- sen, was insbesondere weit reichend deklassifizierte Dokumente der Frühphase des rumäni- schen Kommunismus anbelangt, die von der dreißigjährigen Archivsperre25 nicht mehr be- troffen sind. Daher ist es in der Literatur zu einem Übergewicht an Darstellungen gekommen, die sich mit der Herstellung der kommunistischen Macht beschäftigen – ein Merkmal, das laut Ulf Brunnbauer insgesamt auf die südosteuropäische Historiographie zutrifft.26 In diesem Zusammenhang sind auch die deutschen Gruppen in Rumänien ins Blickfeld historischer Forschungen geraten, wie etwa ein relativ groß angelegtes Oral History-Projekt über die Zwangsdeportationen in die Bar˘ agan-Steppe˘ in den 1950er Jahren beweist, von denen u.a. eine große Zahl Banater Schwaben betroffen war.27

einer Einschränkung der Rechte des Rats gelegen haben könnte. 25Brunnbauer (2007), S.95 26Brunnbauer (2007), S.97; eine systematisierende Zusammenschau über Interpretationen der kommunistischen Machterlangung bietet Armin Heinen in seinem Aufsatz: Armin Heinen (2009): Überwältigung - Verstri- ckung - Sprachlosigkeit : Die Stalinisierung Rumäniens, die Geschichte der nationalen Minderheiten 1944- 1947 und die Logik der Argumente. In: Hausleitner (Hg.), S.77-90 27Siehe etwa Smaranda Vultur (Hg., 2000): Germanii din Banat prin povestirile lor. Bukarest: Paideia

16 3 Methodologie und Begrifflichkeiten

Wie aus den Darstellungen zum Forschungsstand hervorgegangen ist, weisen die Arbeiten, die für das gewählte Thema relevant sind, im Gesamten Einseitigkeiten auf, die in erster Linie auf die ideologische Durchwirkung des Forschungsfeldes zurückzuführen sind. Darunter werden nicht nur mehr oder weniger unverdeckte Absichten verschiedener am Forschungs- und Pu- blikationsprozess beteiliger Akteure verstanden, sondern eher eine kaum überwindbare Deter- mination der jeweiligen Herangehensweisen an das Feld, die von den aktuell vorherrschenden kulturell-geistigen Dispositionen in Europa geleitet sind. Besonders hervorzuheben ist hier die Bewertung des kommunistischen Regimes in Ru- mänien, die sich im geschilderten Kontext der liberal-demokratischen Europäisierung der rumänischen Öffentlichkeit nachvollziehbarer Weise auf die Verbrechen und die Repressio- nen der staatlichen Gewaltapparate konzentriert und diese zur Essenz der kommunistischen Herrschaft stilisiert. Der fortwährende Ausbau des innerstaatlichen Terrors und der geheim- polizeilichen Überwachung, die biopolitischen Umtriebe des Ceau¸sescu-Regimes, die völlig unverhältnismäßig rücksichtslose Siedlungspolitik und die katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung in den 1980er Jahren, um nur einige Aspekte zu nennen, sind Grund genug, die kommunistische Herrschaft in Rumänien umstandslos zu verurteilen. Wo immer die Situationen nationaler oder ethnischer Minderheiten die Fragestellung leiten, fällt das Urteil ähnlich aus, da sie nicht nur unter den ohnehin traumatischen Erfahrungen der Diktatur zu leiden hatten, sondern ab den 1960er Jahren unter dem Zeichen des Nationalsta- linismus auch noch ihre kulturelle Identität massiv bedroht sahen, was zum fast vollständigen Verschwinden einiger Gemeinde wie etwa der jüdischen und anderer kleinerer Minderheiten aus der Öffentlichkeit geführt hat.1 Unzweifelbar trifft das auch auf die deutsche Minderheit zu, deren Exodus in den ersten Jahren der Herstellung der kommunistischen Herrschaft besie- gelt wurde. Eine Konsequenz dieser vollständigen Verurteilung ist aber das offensichtliche Scheitern, die Intentionen der kommunistischen Parteispitze hinlänglich zu hinterfragen, d.h. die par- 1zur Situation der jüdischen Minderheit in Rumänien siehe: Mariana Hausleitner (1995): Antisemitismus in Rumänien und seine Leugnung in der rumänischen Öffentlichkeit. In: Mariana Hausleitner/Monika Katz (Hg.): Juden und Antisemitismus im östlichen Europa. : Harrassowitz. S.59-72; sowie für die frühe kommunistische Phase: Hildrun Glass (2009): Die Juden im rumänischen Banat 1944. In: Hausleitner (Hg.), S.181-190; Lucian Nastasa˘ (2003): Between Tolerance and Intolerance : The Jews in Communist Romania (1945-1955). In: Csaba Lévai/Vasile Vese (Hg.): Tolerance and Intolerance in Historical Perspective. Pisa: Edizioni Plus - Università di Pisa. S.71-89

17 3 Methodologie und Begrifflichkeiten teiinternen bzw. staatlichen Entscheidungen und Beschlüsse aus der kommunistischen Logik heraus zu rekonstruieren. Meist wird hier den kommunistischen Akteuren einfach ein blinder zerstörerischer Affekt unterstellt, der gleichsam seiner selbst willen die Bevölkerung unter- worfen hat, die dem wiederum als passive Masse nichts entgegenzusetzen hatte. Diese triviale Identifizierung mit dem Bösen greift aber offenbar zu kurz, negiert sie doch völlig das ideolo- gisch hoch befrachtete utopische Gesellschaftsprojekt, das dem kommunistischen Experiment zugrunde lag und ohne welches auch die machtpolitischen Aspirationen der Partei letztlich unverstanden bleiben. Die Formen der Unterdrückung und deren Folgen für die betroffenen Subjekte sind selbstverständlich auch weiterhin zu untersuchen und zu dokumentieren, doch kann sich die historische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nicht in einer simplen Verurteilung seiner repressiven Praxis erschöpfen. In diesem Sinn stellt sich diese Studie der Frage, wie das deutsche Problem nach dem En- de des Zweiten Weltkriegs innerhalb der führenden Kreise der RKP verstanden wurde und welche Bedeutung es während der Herstellung der kommunistischen Herrschaft für die Par- teispitze hatte. Methodologisch bedient sie sich dabei der Historischen Diskursanalyse, de- ren epistemologische Annahmen und forschungspraktische Konsequenzen hier kurz erläutert werden müssen.

3.1 Was ist ein Diskurs?

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht leicht, ist aber unerlässlich, wenn man darauf seine methodologische Ausrichtung begründet, zumal sich hinter diesem Begriff eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Bedeutungen verbirgt und daher seine Verwendung oft mit Missverständ- nissen einher geht, die bei entsprechender Vorsorge vermeidbar scheinen. Was sich hinter dem Diskurs und seiner programmatischen Ausarbeitung zur Diskursana- lyse verbirgt, ist vorerst weniger als eine spezielle geschichtswissenschaftliche Methode zu verstehen, als dass er eine ganz bestimmte Auffassung des Verhältnisses von Sprache, Gesell- schaft und Realität bezeichnet. Wiewohl viele Theorien der Geschichte auf die enge Verflech- tung von sprachlichen Ausdrucksweisen und der Wahrnehmung und Herstellung von Wirk- lichkeit verwiesen haben – für die Entwicklung der Diskurstheorie besonders einflussreich waren die Vertreter der französischen Annales-Schule, die von Reinhart Koselleck gepräg- te Begriffsgeschichte, die Intellectual History der Cambridge School, sowie die Theorien des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Hayden White – gehen all diese Konzepte noch von einer hierarchischen Ordnung von Sprache und Wirklichkeit aus bzw. fassen Sprache als einen Teilbereich der sozialen Wirklichkeit auf.2 Was in weiten Kreisen als linguistic turn in den Geistes- und Kulturwissenschaften bezeich- 2Achim Landwehr (2009): Historische Diskursanalyse. Frankfurt am Main/New York: Campus. S.27-59

18 3 Methodologie und Begrifflichkeiten net wird, verweist wiederum auf die sich wesentlichen Impulsen aus der Linguistik verdan- kenden Einsicht, dass der Dualismus von Sprache und Wirklichkeit selbst unsinnig ist, da eine sprach- und zeichenverschiedene Wirklichkeit schlicht nicht existiert.3 Dies mündet keines- wegs in die absurde Behauptung, dass jegliche sprachlich äußerbare Wirklichkeit auch tat- sächlich hergestellt werden könnte, sondern bedeutet lediglich, dass Wirklichkeit nur als sol- che erkannt werden kann, insofern sie sprachlich vermittelt ist und dass die Herstellung von Wissen und Wirklichkeit selbst dabei immer einen gesellschaftlichen Konstruktionsprozess darstellt, der die Bedingungen seiner eigenen Realität ständig reproduziert. Es ist besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um bloße sprachliche Repräsentationen von Wirklichkeit handelt, sondern dass jene sprachlich verfasste und in einem gesellschaftli- chen Kontext hervorgebrachte Konstruktion bereits der einzige Ort der Wirklichkeit ist. Der Diskurs verweist auf keine Eigentlichkeit hinter dem Diskurs. Was in erfahrungswissenschaftlichen Kontexten radikal klingen mag, scheint in den Ge- schichtswissenschaften doch einigermaßen evident, dass nämlich gerade die historische Wirk- lichkeit nur über mediale Vermittlung zugänglich ist, welche selbst wiederum auch im Fal- le nichtschriftlicher Quellen immer auf eine sprachliche Deutung angewiesen ist, damit sie Bedeutung erlangt. Die Regeln, nach denen die sprachliche Deutung und Herstellung von Wirklichkeit bestimmt werden, werden hier als ‚Diskurs‘ benannt.4 In diesem Sinn existieren Diskurse nicht als Dinge, sie bezeichnen „kein innerweltliches ontologisches Objekt, sondern einen zu Forschungszwecken hypothetisch unterstellten Strukturierungszusammenhang, der verstreuten Aussageereignissen zugrunde liegt.“5 Die Bedeutung des Diskurses ergibt sich aus der Differenz zwischen dem, was grammatika- lisch gesagt werden kann, und dem, was tatsächlich gesagt wird. Das bedeutet, dass Diskurse die Möglichkeiten der sprachlichen Äußerung begrenzen und auf diese Weise die Herstellung einer in einer Gesellschaft gemeinhin geteilten Auffassung von Wirklichkeit begünstigen, was für deren Angehörige Kommunikation, Orientierung und Stabilität gleichermaßen erst ermög- licht. Wie Michel Foucault, der für die Diskurstheorie mit Sicherheit einflussreichste Autor, im- mer wieder betont hat, handelt es sich hier keinesfalls bloß um das Bewusstsein der Akteure. Eine Hermeneutik, die die eigentlichen Absichten, das hinter dem Gesagten Gemeinte hervor- kehren will, lehnt er ab. Worum es Foucault geht, ist die Positivität des Diskurses zu betonen, d.h., sich daran zu orientieren, was tatsächlich gesagt wurde.6 Besonders einflussreich war ab den 1970er Jahren die Verknüpfung seines Diskurskonzepts 3Landwehr (2009), S.27 4Andere prominente Theorien, die sich mit dem Etikett des Diskurses auszeichnen, wie etwa die von Jürgen Habermas entworfene Diskursethik, werden hier nicht berücksichtigt. 5Reiner Keller (2006): Wissen oder Sprache? Für eine wissensanalytische Profilierung der Diskursforschung. In Franz X. Eder (Hg.): Historische Diskursanalysen : Genealogie, Theorie, Anwendungen. Wiesbaden: VS Verlag. S.51-69. Zitiert nach Landwehr (2009), S.21. Hervorhebung im Original 6Landwehr (2009), S.70

19 3 Methodologie und Begrifflichkeiten mit Fragen der Macht, denn offensichtlich setzt die Möglichkeit, auf den Diskurs Einfluss auszuüben, Macht voraus, und erzeugt wiederum ihrerseits Macht. Die Frage, was in einer Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt als wirklich oder als wahr anerkannt ist, ist also auf engste verknüpft mit der Frage nach der Macht der Definition. So sehr Diskurse also durch ihre Verbote und Schranken die Gefahr der Unordnung zu kontrollieren in der Lage sind, las- sen sie durch das Fehlen einer zentralen Leitstelle immer auch Freiräume für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und ein eingreifendes Handeln der beteiligten Akteure offen.7 Im Verlauf seiner ständig in Bewegung befindlichen Theoriebildung, in der er selten ir- gendwelche verbindlich-programmatischen Definitionen vorgenommen hatte, widmete sich Foucault auch der zentralen Frage, wie sich die Elemente des Diskurses zu nicht-diskursiven Elementen verhalten. Da sich dieses Verhältnis immer als problematisch erweist, in dem Ma- ße, wie die Trennung diskursiver von nicht-diskursiven Praktiken nicht ohne weiteres recht- fertigbar ist, hat Foucault in den späten 1970er Jahren das Konzept des Dispositivs entwickelt, worunter er sämtliche Elemente, die an der Herstellung von Macht-Wissen-Formen beteiligt sind, zusammenfasst. Dazu Foucault:

„Was ich unter diesem Titel festzumachen versuche, ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissen- schaftliche Aussagen, philosophische, moralische und philanthropische Lehrsät- ze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann.“8

Wie Achim Landwehr aber betont, beinhaltet der ursprüngliche Anspruch des Diskurskon- zeptes bereits eine Ausweitung auf nichtsprachliche Elemente, wenn der Diskurs „tatsächlich eine Kategorie sein soll, die die Hervorbringung soziokultureller Wirklichkeit und die Aufla- dung dieser Wirklichkeit mit Bedeutungsformen bezeichnet, [. . . ] . In diesem Sinne gibt es in der Tat kein Außerhalb des Diskurses, denn entweder ist uns die Wirklichkeit in vielfältigen Formen diskursiv vermittelt, oder sie ist gar nicht.“9 Einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion haben in den letzten Jahren die Philosophen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe geleistet, von denen hier nur ein Konzept vorgestellt werden soll, auf welches später noch rekurriert werden wird: das ist das Konzept des leeren Signifikanten. Im Anschluss an Foucaults Dispositiv fassen auch Laclau und Mouffe den Dis- kurs als eine strukturierte Totalität10 auf, die auf keinen hinter dem Diskurs liegenden Kern 7Landwehr (2009), S.73-76 8Michel Foucault (2003): Schriften in vier Bänden : Dits et Ecrits, Bd. 2: 1970-1975. herausgegeben von Daniel Defert/François Ewald. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.392f. Zitiert nach Landwehr (2009), S.77 9Landwehr (2009), S.78 10Landwehr (2009), S.87

20 3 Methodologie und Begrifflichkeiten einer Gesellschaft mehr verweist. Damit streichen sie den materiellen Charakter jeder diskur- siven Struktur hervor, da Gegenstände genauso wie geistige Phänomene erst durch ihre sozi- al verhandelten Bedeutungen als solche konstituiert werden. Das Erbauen eines Hauses, das Händeschütteln bei einer Begrüßung, selbst das Ereignis von Naturschauspielen – man könnte hinzufügen: die Deportation von ethnischen Kollektiven – erhält seinen Sinn erst, wenn es in einer diskursiven Struktur eingebettet ist, die diesen Ereignissen eine Bedeutung zuspricht.11 Wenn es aber kein Außerhalb des Diskurses mehr gibt, drängt sich das Problem auf, dass die jeweiligen diskursiven Formationen nicht mehr benennbar sind, weil für eine Bestimmung eines Diskurses seine eigenen Grenzen – das heißt sein Außen – bekannt sein müssten. In An- lehnung an die strukturalistische Auffassung, dass jedes Zeichen seine Bedeutung aus der Differenz zwischen dem Signifikanten (Bezeichnendem) und dem Signifikaten (Bezeichne- tem) erhält, hat Laclau den Begriff des leeren Signifikanten entworfen. Die besondere Struk- tur dieser Formation besteht darin, dass dem Signifikanten der Signifikat abhanden gekommen ist. Auf diese Weise übernehmen leere Signifikanten die Funktion, annäherungsweise auf die Identität des Diskurses zu verweisen, ohne diese – da dies nicht möglich ist – aber tatsäch- lich zu benennen. Begriffe, die diesem idealtypisch gefassten Konzept am nächsten kommen, sind oft fundamentale Grundbegriffe einer gesellschaftlichen Ordnung, die, indem sie sehr viele sich mitunter widersprechende Bedeutungen in sich tragen, gleichzeitig dramatisch an Bedeutung einbüßen, und in paradoxe Argumentationen führen können. Als Beispiele werden etwa ‚Ordnung‘, ‚Freiheit‘, oder ‚Demokratie‘ genannt. Indem sie die Identität eines Diskur- ses andeuten, verweisen sie auch auf dessen Grenzen.12 Am Beispiel rechtsradikaler Parteien wird die paradoxe Rolle des Demokratie-Begriffs ver- deutlicht, da diese Parteien die Institutionen der Demokratie vor die Entscheidung stellen, entweder unter Wahrung demokratischer Verfahrensweisen Gruppen zu legitimieren, die of- fen die Prinzipien dieser Demokratie bekämpfen und abschaffen wollen, oder eine Wahrung der Demokratie selbst nur durch die Aussetzung ihrer eigenen Prinzipien zu gewährleisten.13 Das entstehende Paradox ist hier also dem Umstand geschuldet, dass die Begriffe tatsächlich nicht außerhalb des Diskurses stehen und daher stets den Diskurs als Ganzes benennen, wie sie selbst aber unweigerlich Teil des beschriebenen Diskurses sind. Der staatliche Einfluss auf die Schaffung und den Erhalt von Diskursen wird nachdrücklich in den Arbeiten des französischen Soziologen Pierre Bourdieu herausgestrichen, der allge- mein auf den weitreichenden Zusammenhang von Erkenntnis und Politik hinweist. „Denn Er- kenntnis von sozialer Welt, und, genauer, die sie ermöglichenden Kategorien: darum geht es letztlich im politischen Kampf, einem untrennbar theoretisch und praktisch geführten Kampf um die Macht zum Erhalt oder zur Veränderung der herrschenden sozialen Welt durch Er- 11Landwehr (2009). S.87f. 12Landwehr (2009), S.89f. 13Landwehr (2009), S.89f.

21 3 Methodologie und Begrifflichkeiten halt oder Veränderung der herrschenden Kategorien zur Wahrnehmung dieser Welt.“14 Die staatlichen Institutionen sind an der Herstellung verbindlicher Kategorien am meisten betei- ligt, insofern ihnen nicht nur das Monopol auf physische Gewalt zufällt, sondern auch ein erheblicher Anteil der symbolischen Gewalt, worunter die Fähigkeit verstanden wird, menta- le Strukturen zu prägen. Die Möglichkeiten der Subversion durch gesellschaftliche Akteure hängen daher davon ab, inwieweit die bestehenden symbolischen Ordnungen anerkannt oder bezweifelt werden.15 „Ein unerkanntes Gesetz ist wie Natur, ist Schicksal [. . . ]; ein erkanntes Gesetz erscheint als Möglichkeit von Freiheit.“16

3.2 Konsequenzen für die Studie

Das Studium des Kommunismus aus diskursanalytischer Sicht zu betreiben, birgt aus heu- tiger Sicht den Vorteil, dass durch die explizite Vergegenwärtigung der Veränderbarkeit von Bedeutungen in einem raum-zeitlichen Kontinuum die Gefahr etwas minimiert werden kann, aktuelle Maßstäbe an eine radikal unterschiedliche Wirklichkeit anzuwenden, die zudem noch vielfach aus den gleichen Begriffen zusammengesetzt ist, wie unsere vertraute, bloß dass diese Begriffe oft sehr unterschiedliche Bedeutungen tragen.17 Ein zweiter vielleicht noch wichtigerer Grund ist die Tatsache, dass der Kommunismus als Idee wie als Praxis ganz stark von der Vorstellung abhängig ist, dass Gesellschaft durch menschliches Einwirken formbar ist, wodurch bei näherer Betrachtung die Diskursivität der menschlichen Wahrnehmungswelt bereits theoretisch angenommen ist und in der Politik der kommunistischen Parteien ihre praktische Anwendung findet. Boris Groys bezeichnet die Ver- sprachlichung der Gesellschaft als das zentrale Merkmal des Kommunismus, der sich dadurch, dass er sich ganz auf das Operationsmedium Sprache eingelassen habe, vom Kapitalismus unterscheidet, welcher ausschließlich im Operationsmedium Geld funktioniere. „Die kommu- nistische Revolution“, spitzt Groys zu, „ist die Überschreibung der Gesellschaft vom Medium Geld auf das Medium Sprache. Sie ist ein linguistic turn auf der Ebene der gesellschaftlichen Praxis.“18 Deutlich tritt dies zutage, wenn man an die enorme Bedeutung denkt, die die kommunis- tischen Regime öffentlichen Inszenierungen, Ritualen, politischer Symbolik, Feiertagen und der genauen Überwachung und Normierung sprachlicher Äußerungen auch und vor allem 14Pierre Bourdieu (1995): Sozialer Raum und Klassen : Leçon sur la leçon : Zwei Vorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.18f. Zitiert nach Landwehr (2009), S.81 15Landwehr (2009), S.82-84 16Pierre Bourdieu (1993): Soziologische Fragen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.44. Zitiert nach Landwehr (2009) S.84 17In diesem Sinn ist Diskursanalyse als eine fortgeschrittene Form der Quellenkritik aufzufassen. Vgl. Willibald Steinmetz (2002): Diskurs. In: Stefan Jordan (Hg.): Lexikon Geschichtswissenschaft : Hundert Grundbegrif- fe. Stuttgart: Reclam. S.56-60:60 18Boris Groys (2006): Das kommunistische Postskriptum. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.7

22 3 Methodologie und Begrifflichkeiten innerhalb der Partei beimaßen. Was sich bei der Transition von der faschistischen Militärdiktatur zum kommunistischen Regime nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen hat, ist also am besten als eine radikale Um- bewertung der gesellschaftlichen Kategorien und der Bedeutung, die diese Kategorien in der täglichen Praxis trugen, zu verstehen. Die Radikalität der kommunistischen Diktatur – d.i. das Gewaltsame ihrer Herrschaft – liegt in der ungeheuerlichen Forcierung dieses Wandels, die die Fähigkeit der Gesellschaft, die neuen symbolischen Ordnungen zu internalisieren bei wei- tem überschritten hatte und die gleichwohl auch innerhalb der Partei zu denselben mentalen Anpassungsschwierigkeiten geführt haben mag, wofür die ständigen ideologischen Selbstsäu- berungswellen eine klare Sprache sprechen. Es ist daher nach diesen Ausführungen verständlich, dass die Bedeutung, die die deutschen Gruppen für die Herstellung der neuen symbolischen Ordnung für die Rumänische Kom- munistische Partei hatten, eine völlig andere Frage ist als jene nach ihrem Schicksal in der kommunistischen Diktatur, auf die eine konventionelle ereignisorientierte Geschichtsschrei- bung zwangsläufig hinauslaufen würde. In diesem Sinne hoffe ich, dass die hier vorgetragenen Überlegungen, zu einer Erweiterung des Blicks auf das behandelte Problem beitragen wird können.

3.3 Methode und Aufbau

Den Kern des analysierten Materials bilden Dokumente aus dem Fond des Zentralkomitees (ZK) der Rumänischen Kommunistischen Partei (RKP) im Rumänischen Nationalarchiv in Bukarest, die die deutschen Gruppen im Land oder Minderheitenfragen im Allgemeinen zwi- schen 1945 und 1949 betreffen. Die große Zahl an Akten, die sich in den Jahren 1945 bis 1949 zu den deutschen Gruppen in Rumänien findet, widerspiegelt die historische Bedeutung des ‚deutschen Problems‘ in diesen Jahren. Der Hauptbetrachtungszeitraum endet im Jahr 1949, als die offizielle und institutionelle Eingliederung der Deutschen in die rumänische sozialisti- sche Gesellschaft erfolgte, sie als nationale Minderheit anerkannt wurde und fortan die selben Rechte wie die anderen anerkannten Minderheit unter dem Status einer ‚mitwohnenden Na- tionalität‘ erhielten. Wiewohl sich die Lebenssituation der Deutschen und deren Bedingungen der kulturellen Existenz als nationale Gruppe dadurch zwar verbessert hatte – ohne jedoch langfristig garantiert zu werden – hörte zu diesem Zeitpunkt das deutsche Problem auf, ein Problem zu sein. Die Beschreibung dessen, was es als Problem in diskursanalytischem Sinn konstituierte, ist die nähere Absicht dieser Studie. Eine regelrechte Diskursgeschichte, die sich umfassend der Bedeutung der Deutschen im kommunistischen Rumänien widmet, kann hier freilich aus Gründen der beschränkten Mög- lichkeiten im Rahmen einer Masterarbeit nicht geleistet werden. Die Auswahl des hierzu viel

23 3 Methodologie und Begrifflichkeiten zu kleinen Textkorpus erfolgte aber dennoch nicht zufällig, sondern kann insofern einen er- hellenden Einblick in die allgemeine Diskussionen innerhalb der RKP geben, als es sich um Sitzungen und Dossiers handelt, an denen die höchsten Kreise der Parteiführung beteiligt wa- ren, und in denen richtungsweisende Beschlüsse und Meinungen formuliert wurden. In dem Maße, wie die Dokumente teilweise äußerst spezifische Inhalte behandeln, ist eine umfas- sende Berücksichtigung der bestehenden Forschungsliteratur notwendig, aus welcher sich die Ergebnisse der Textstudien über die Vermittlung des diskursanalytischen methodologischen Brennglases in eine Einbettung der größeren Zusammenhänge überführen lassen. Um diese Interpretationen sinnvoll einordnen zu können, ist ein vormaliges Vortragen der allgemeinen historischen Bedingungen der deutschen Gruppen einerseits, sowie der kommu- nistischen Bewegung in Rumänien andererseits notwendig, wobei im Rahmen dieser Darstel- lungen gewisse Schwerpunktsetzungen zu erfolgen haben, die auf eine Erhellung der anschlie- ßenden Diskussionen abheben.

24 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944)

4.1 Einleitung

Im Verlauf der Historie hat eine Vielzahl an deutschsprachigen Gruppen in den verschiedens- ten Winkeln Osteuropas existiert, von der heute noch so manche Spuren zeugen.1 So verschie- denartig die Gruppen gewesen sind, so zahlreich sind ihre Geschichten. Geographisch um- spannt das Gebiet, in dem Deutsche lebten, die heutigen östlichen Anrainerstaaten Deutsch- lands und Österreichs, die nördlicheren Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens, weite Teile vor allem des westlichen Rumäniens, in östlicher Richtung das Baltikum, Weißrussland, die Ukraine, sowie Russland, zeitweise sogar Sibirien und das heutige Kasachstan. Die Gründe ihrer Existenz liegen dabei so weit auseinander, wie die Zeitpunkte ihrer Ansiedlung. Sie rei- chen von religiöser Verfolgung, ökonomischen Zwängen, dem Wunsch nach einer besseren Zukunft bis hin zu Zwangsdeportation und Verschleppung.2 Eine gemeinsame Geschichte der Deutschen in Osteuropa zu erzählen, ist schon daher unmöglich, weil der Vielfalt der Verhält- nisse kaum gerecht zu werden wäre. Dennoch gibt es eine Reihe gemeinsamer Erfahrungen, die zur Entstehung einer deutschen ethnischen Identität in Osteuropa beigetragen haben. Diese umfassen in erster Linie die Aus- wirkungen staatlicher Nationalitätenpolitik in den ethnisch heterogenen Staatsgebilden Osteu- ropas und betreffen überwiegend das 20. Jahrhundert. Dementsprechend verweisen die heute vielfach verwendeten Begriffe etwa der Sowjetdeutschen, der Russlanddeutschen oder der Ru- mäniendeutschen auf diesen staatlichen Zusammenhang.3 Die damit suggerierte ethnische In- tegration der verschiedenen deutschsprachigen Gruppen beschränkt sich allerdings meist auf die gemeinsam erfahrene obrigkeitliche Kategorisierung als ethnische oder nationale Grup- pe. Das bedeutet, dass eine überregionale deutsche ethnische Identität in Ostmittel-, Ost- und 1Einen lebhaften Einblick in die aktuelle Situation einiger Gemeinden deutscher Siedler in Osteuropa bietet Karl-Markus Gauß (2008): Die versprengten Deutschen : Unterwegs in Litauen, durch die Zips und am Schwarzen Meer. München: dtv 2Irina Mukhina (2007): The Germans of the . New York: Routledge. S.1 3Irina Mukhina verweist etwa auf die zentrale Rolle, die die stalinistischen Deportationen aus den westlichen Teilen der Sowjetunion und die Internierung in speziellen Siedlungen bis 1956 für die Herausbildung einer ethnischen Identität der Sowjetdeutschen gespielt hat. siehe Mukhina (2007), S.2f.

25 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944)

Südosteuropa wesentlich als Produkt nationalstaatlicher Bevölkerungspolitik zu verstehen ist, deren einschneidenste Etappen erst wenige Jahrzehnte zurückliegen. Dieser Umstand erklärt, warum in einer historischen Betrachtung die kleinräumigeren regionalen Identitäten wesent- lich bedeutsamer sind und diese bis heute in vielen Fällen dem nationalen Verständnis als Deutsche vorgelagert sind. Die radikalen Veränderungen, denen diese Gruppen dabei inner- halb sehr kurzer Zeit ausgesetzt waren, und die massiven ideologischen Anstrengungen, dar- auf Einfluss zu nehmen, erschweren eine historische Handhabe dieser Begriffe enorm, nicht zuletzt, da deren Bedeutung nach wie vor durch aktuelle politische und gesellschaftliche Dis- kurse verändert wird. Ziel dieses Abschnitts ist es, den Wandel des Selbstverständnisses deutscher Gruppen in Rumänien von privilegierten Ständen in eine nationale Minderheit nachzuzeichnen. Dies soll einerseits im Verhältnis zu den sie umgebenden ethnisch-nationalen Gruppen der Rumänen und Magyaren4 erläutert werden, und andererseits im Kontext der staatlichen Strukturen, in denen dies geschah. Die Darstellungen beschränken sich weitgehend auf die Siebenbürger Sachsen und die Ba- nater Schwaben, deren Bedeutung die der anderen Gruppen – v.a. Bukowinadeutsche, Bessa- rabiendeutsche und Dobrudschadeutsche – deutlich übersteigt. Letztgenannte werden vor al- lem deshalb nur am Rande erwähnt, da sie bei der Aktion ‚‘ Ende 1940 fast vollständig aus Rumänien ausgesiedelt wurden und daher für den Hauptbetrachtungszeitraum dieser Studie keinerlei Bedeutung mehr besitzen. Für die Darstellungen über die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben leitet die Fra- ge nach einer gemeinsamen politischen und kulturellen, also einer rumäniendeutschen na- tionalen Identität, die Überlegungen, da diese Frage von entscheidender Bedeutung für die ‚schicksalhaften‘ Jahre des Zweiten Weltkriegs und während der Entstehung der kommunis- tischen Diktatur war.

4.2 Deutsche Gruppen in Rumänien

Die Entstehung deutscher Minderheiten in Ostmittel-, Ost-, und Südosteuropa geht auf eine Vielzahl verschiedener Migrationsbewegungen zurück, die seit dem Mittelalter erfolgt sind. Allein auf jenem Gebiet, das zu unterschiedlichen Zeiten zum rumänischen Staat gehört hat, können nicht weniger als zwölf unterschiedliche Zuwanderergesellschaften bezeichnet wer- den. Aus Gründen der Übersichtlichkeit begnügen wir uns hier mit der üblicheren groben Einteilung in „Siebenbürger Sachsen“ und „Banater Schwaben.“ Nicht unter diesen Gruppen erfasste Gemeinschaften werden aufgrund fehlender Relevanz für den Zusammenhang der Studie ignoriert. 4Auf andere ethnischen Minderheiten, wie etwa die Roma kann hier aus Platzgründen nicht eingegangen wer- den, wiewohl deren Bedeutung dadurch nicht negiert werden soll.

26 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) 4.2.1 Siebenbürger Sachsen

Die Siebenbürger Sachsen stellen die älteste der deutschen Volksgruppen im heutigen Ru- mänien dar. Ihre Ansiedlung erfolgte zwischen der Mitte des 12. Jahrhunderts und dem frü- heren 14. Jahrhundert und war Teil einer allgemeineren west-östlichen Migrationsbewegung im Mittelalter.5 und geht auf Initiative des ungarischen Königs Géza II. zurück. Sie verfolgte einerseits das Ziel, das dünn besiedelte Gebiet durch bäuerliche Kultivierung sowie durch das Vorantreiben des Bergbaus wirtschaftlich besser zu erschließen und diente andererseits vor allem ab dem 13. Jahrhundert der Landesverteidigung.6 Unter den ursprünglich verschiede- nen Ethnonymen für die überwiegend aber nicht nur aus Deutschland stammenden Kolonisten setzte sich der Name Saxones ab Mitte des 14. Jahrhunderts auch als Selbstbezeichnung durch, wenngleich die tatsächlich aus Sachsen stammenden Siedler in der Minderheit waren.7 Die Kolonisten bekamen zahlreiche Sonderrechte zuerkannt und trugen über den Import technologischer wie juristischer Innovationen, die schnell auch von der ansässigen Bevölke- rung übernommen wurden, viel zum Landesausbau in dieser Region bei.8 Besonders bedeut- sam für die gesamten späteren Entwicklungen war das politische System Siebenbürgens, das auf dem Unio Trium Nationum bezeichneten Bündnis aus dem Jahre 1437 aufbaute. Danach wurde die politische Macht im Land durch die drei konstitutiven als Nationes bezeichneten Stände der Ungarn, der Székler und der Sachsen gebildet.9 Während der osmanischen Herrschaft über Ungarn wurde Siebenbürgen zu einem eigen- ständigen Fürstentum unter osmanischer Suzeränität (1529-1688/1691). In dieser Phase konn- te sich infolge des Fehlens habsburgischen Einflusses die Reformation unter allen Ständen ausbreiten, wodurch konfessionelle Zugehörigkeiten zu einem ethnischen Unterscheidungs- merkmal wurden.10 So war die Mehrheit der Sachsen ab Mitte des 16. Jahrhunderts Luthera- ner, die Ungarn meist Calviner, während die katholische Kirche nur noch unter den Széklern breitere Anhängerschaft behielt. Zusätzlich wurde die unitarische Kirche als vierte Konfessi- on verfassungsmäßig anerkannt. Die griechisch-orthodoxen Rumänen blieben ohne ständische Vertretung und konfessionell bloß toleriert, weiterhin rechtlos.11 Auch wenn das geopolitisch in gefährdeter Lage befindliche Siebenbürgen im Laufe der Geschichte mehrmals seine Herrschaftszugehörigkeit ändern musste, gelang es den Ständen dennoch, ihre politische Verfassung weitestgehend zu bewahren. Für die Siebenbürger Sach- sen bedeutete dies, dass sie in mehr als 500 Jahren als privilegierte Nation entscheidend zur 5Gerhard Seewann (2004b): Deutsche (Mittelalter u. Frühe Neuzeit). In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.184-187:184 6Seewann (2004b), S.185 7Bolovan/Bolovan (2002), S.16f. 8Seewann (2004b), S.186 9Bolovan/Bolovan (2002), S.23 10Angelika Schaser (2004a): Siebenbürgen. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.617-620:618 11Schaser (2004a), S.618

27 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944)

Entwicklung des Landes beigetragen haben und ihren Status institutionell fest in den poli- tischen, religiösen und kulturellen Strukturen des Landes verankern konnten. Zentrales Or- gan der sächsischen Selbstverwaltung war die Nationsuniversität, eine universelle politisch- administrative Institution, die für alle internen und externen Belange zuständig war. Die Autonomie Siebenbürgens und damit die ständische Verfassung und die sächsische Selbstverwaltung wurden erst durch die so genannte Union mit Ungarn 1866/67 (die formale Eingliederung Siebenbürgens in die ungarische Verwaltungsstruktur) beendet, wodurch die Transformation der Sachsen zu einer konfessionellen und kulturellen Minderheit vollzogen wurde.12 Die offizielle politische Vertretung wurde ab nun durch die Sächsische Volkspartei übernommen, die die auf den Sachsentagen getroffenen Beschlüsse gegenüber dem ungari- schen Staat umzusetzen versuchte. Auf kultureller Ebene wurde die evangelisch-lutherische Landeskirche A.B. nun zur maßgeblichen sächsischen repräsentativen Institution, deren wich- tigste Aufgabe bis zu ihrer Verstaatlichung im Jahr 1948 der Erhalt der deutschsprachigen Konfessionsschulen war.

4.2.2 Banater Schwaben

Von der Geschichte der Siebenbürger Sachsen äußerst unterschiedlich stellt sich die Situation der Banater Schwaben dar. Ihre Ansiedlung erfolgte rund 500 Jahre später, d.h. im Verlauf des 18. Jahrhunderts, nachdem Österreich durch den Frieden von Passarowitz das Temescher Banat sowie weitere Landesteile im heutigen Rumänien und Serbien erworben und danach intensiv kolonisiert hatte. Der Begriff leitet sich von der in Ungarn seit dem 16. Jahrhundert generell üblich gewordenen Bezeichnung „Schwabe“ - synonym für „Deutsche“ - her. Tat- sächlich schwäbischer Herkunft war jedoch auch in diesem Fall nur eine Minderheit. Der erst 1922 durch zwei Geographen eingeführte Begriff der „Donauschwaben“ stellt eine Sammel- bezeichnung für die verschiedenen deutschsprachigen Bevölkerungsteile dar, die sich nach 1700 im pannonischen Raum niedergelassen haben.13 Während die Kolonisation im Königreich Ungarn bereits während der osmanischen Herr- schaft einsetzte und sehr viele verschiedene Ethnien umfasste, ist die Ansiedlung deutscher Kolonisten im Banat vor allem auf eine durch die Wiener Zentralbehörden staatlich organisier- te Kolonisation zurückzuführen.14 Die neu erworbenen Gebiete waren schwer von den Krie- gen der habsburgischen und der osmanischen Armeen gezeichnet, wodurch die Zahl der ein- heimischen Bewohner stark zurück gegangen war,15 wenngleich ein oft behaupteter Zustand der Wüstung und Menschenleere von der neueren Forschung dementiert wird.16 Die Ansied- 12Angelika Schaser (2004b): Siebenbürger Sachsen. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.621-623:622 13Gerhard Seewann (2004a): Donauschwaben. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.201-205:201 14Gerhard Seewann (2004c): Kolonisation. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.362-366:362f. 15Bolovan/Bolovan (2002), S.42 16vgl. Seewann (2004a, 2004c)

28 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) lung von ausländischen Kolonisten galt neben der Mehrung der Bevölkerungszahl (Popula- tionistik) vor allem dem Zurückdrängen der durch die Südslawen und Rumänen betriebenen traditionellen Weidewirtschaft zugunsten der effizienteren intensiven Ackerbauwirtschaft17 sowie der Absicherung der habsburgischen Macht an strategisch wichtiger Position. Abgese- hen von den bäuerlichen Kolonisten kamen unmittelbar nach der Eingliederung des in die Habsburgermonarchie auch Bergarbeiter aus Tirol, der Zips und anderen Regionen ins Banater Bergland, um die dort wirtschaftlich sehr bedeutenden Erz- und Eisenvorkommen nutzbar zu machen.18 Weiters kam eine beträchtliche Anzahl an Beamten und Militärs ins Banat, die in der neu errichteten habsburgischen Verwaltung eine Anstellung fanden. Diese Schichten, sowie eine relativ erfolgreiche Industrialisierung trugen im Verlauf der Zeit zur Herausbildung eines gut entwickelten Städtebürgertums und zur Entstehung einer deutsch- sprachigen Intelligenz bei.19

4.2.3 Andere deutschsprachige Gruppen

Bereits im Zuge der mittelalterlichen Ansiedlung deutschsprachiger Siedler in Siebenbürgen bildeten sich deutsche Gemeinschaften auch östlich der Karpaten, in der Gegend der späteren Bukowina sowie südlich der Karpaten20, die für die Darstellungen aber keine größere Rolle spielen. Wesentlich wichtiger war die im 18. Jahrhundert durch die Habsburger angeregte Kolonisa- tion Galiziens und der Bukowina durch deutsche Kolonisten, sowie die etwas später erfolgte deutsche Kolonisation im Russischen Reich, die zur Entstehung der Bessarabiendeutschen und der Dobrudschadeutschen führte. In der Bukowina, die 1775 durch die Habsburgermonarchie annektiert und nach dem Ers- ten Weltkrieg Teil des Großrumänischen Staats wurde, sprachen 1910 20 Prozent der etwa 800.000 Einwohner deutsch, von denen der Anteil an Juden etwa 60 Prozent betrug.21 Gleich nach der Annexion zogen deutsche Bauern und Handwerker aufgrund wirtschaftlicher Anrei- ze aus Deutschland, aber auch aus deutschen Siedlungsgebieten in Ungarn und Galizien zu. Während des 19. Jahrhunderts bildete sich in den Städten ein deutschsprachiges Bürgertum, das eine zentrale Rolle im kulturellen und geistigen Leben einnahm. Unter anderen Bedingungen ging die Ansiedlung der Bessarabien-Deutschen sowie der Dobrudscha-Deutschen vonstatten, die sich ebenfalls nach dem Ersten Weltkrieg im drastisch 17Seewann (2004c), S.364 18Georg Hromadka (1993): Kleine Chronik des Banater Berglands. München: Verlag Südostdeutsches Kultur- werk. S.25 19Friedrich Gottas (1980): Die Deutschen in Ungarn. In: Adam Wandruszka/Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habs- burgermonarchie 1848-1918 : Die Völker des Reiches (Band III/1). Wien: Verlag der Österreichischen Aka- demie der Wissenschaften. S.340-410:364 20Bolovan/Bolovan (2002), S.18 21Mariana Hausleitner (2004a): Bukowina. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.137-139:138

29 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) vergrößerten rumänischen Staat wieder fanden. Nachdem Bessarabien 1812 vom Russischen Reich in Besitz genommen worden war, betrieben auch die Zaren eine Aufwertung des Lan- des zwischen Pruth und Dnjestr durch die gezielte Ansiedlung russischer, ukrainischer und deutsche Bauern.22 Die Dobrudscha-Deutschen wiederum, die ab der Zuerkennung dieses Landstreifens zwischen Donau und Schwarzem Meer an Rumänien (1878) ebenfalls dem ru- mänischen Staat unterstanden, sind gänzlich auf Tochtersiedlungen aus Bessarabien und der Ukraine zurückzuführen.23

4.3 Deutschnationale Bewegung vor 1918

Eingeleitet durch die Angriffe Kaiser Josephs II. auf die siebenbürgische Ständeverfassung und verschiedene Maßnahmen, die zur Stärkung des rumänischen Nationalbewusstseins in Siebenbürgen beigetragen hatten, gewannen nationale Gegensätze in Siebenbürgen bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert an Bedeutung, die die Beziehungen der Stände zueinander zusehends verschlechterte. Während den ungarisch sprechenden Széklern im Geiste des auf- kommenden modernen Nationalismus ihre identitäre Eigenständigkeit strittig gemacht wurde, wandelten sich die ständischen Konflikte zwischen Magyaren und Sachsen zu nationalen Ge- gensätzen. Die Sachsen, die vor allem den ungarischen, aber auch den aufkommenden rumänischen Nationalismus als Bedrohung ihrer ständischen Autonomie auffassten, stellten sich daher bei der ungarischen Revolution von 1848 auf Seiten der kaiserlichen Truppen, durch die sie ihre Interessen weit besser geschützt sahen, als dies durch die ungarischen Nationalisten zu erwar- ten war. Zwar konnte die Revolution mit Hilfe russischer Truppen 1849 gerade noch niedergeschla- gen werden24, doch war der Aufstieg Ungarns zum eigenständigen Nationalstaat auf Dauer nicht mehr aufzuhalten. Infolge des österreichisch-ungarischen Ausgleichs 1867 kam es auch zur Union Siebenbürgens mit Ungarn und damit zur Aufhebung der sächsischen Autonomie und der Auflösung der Nationsuniversität. Unter den Sachsen bildeten sich fortan zwei gegen- sätzliche politische Lager, die sich beide dem Erhalt des sächsischen Deutschtums verschrie- ben hatten, sich aber darüber uneins waren, wie man das am besten erreichen konnte. Die offizielle politische Vertretung war in der „Sächsischen Volkspartei“ unter Dr. Karl Wolff organisiert, die in der etatistischen Tradition der Siebenbürger Sachsen für eine Politik der Verhandlung und des Ausgleichs mit den ungarischen Zentralbehörden eintraten und die sich dabei auf ihre altgedienten Abgeordneten sowie auf das vermögende Bürgertum stützen 22Mariana Hausleitner (2004b): Bessarabien. In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.111-112:111 23Seewann (2004a), S.201 24Adam Wandruszka (1989): Die Habsburgermonarchie 1848-1918 : Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen (Band VI/1). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. S.214

30 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) konnten.25 Auf identitär-kultureller Ebene propagierten ‚die Schwarzen‘ eine strikte Abgren- zung nach innen, um eine ‚Verunreinigung‘ des sächsischen Volkstums durch andere deut- schen Gruppen zu verhindern. Diese Haltung entspricht vollends dem fundamentalistischen Verständnis völkischer Exklusivität26 sowie dem Vertrauen darauf, dass die Budapester Be- hörden einer exklusiven, aber überschaubaren sächsischen Volksgruppe wohlwollender be- gegnen würden als einer deutschen Volksgruppe, die jederzeit das Potential besäße, sich mit den anderen deutschen Gruppen zu einer deutschnationalen Bewegung zusammenzuschlie- ßen. Im Gegensatz dazu formiert sich unter der Führung von Rudolf Brandsch (1880-1953) die so genannte ‚grüne‘ Bewegung, eine vorwiegend aus der jungen sächsischen Intelligenz zu- sammengesetzte Gruppe mit ihrem Zentrum in Kronstadt, die besonders ab 1893 eine Koope- ration mit den Magyaren infolge der häufigen Übergriffe auf die deutsche Sprache und die sächsische Kultur für erfolglos erachtete.27 Diese aus den unteren Schichten des Bürgertums hervorgegangene Bewegung stand bereits stark unter dem Einfluss der deutschnationalen Be- wegung Cisleithaniens und aus dem Großdeutschen Reich und bemühte sich, die sächsischen und schwäbischen Interessen gemeinsam als deutsche nationale Interessen vorzutragen und deren Durchsetzung in Budapest politisch zu erzwingen. Starkes Gehör fanden diese Töne vor allem unter den Schwaben im Banat und anderen Teilen Südungarns, deren Bestehen als kulturelle Minderheit wesentlich verwundbarer eingeschätzt wurde als das der institutionell immer noch fest verankerten Siebenbürger Sachsen.28 Die deutschnationale Politisierung der Schwaben in Südungarn erfolgte vor allem von au- ßen. Neben den genannten Impulsen aus Siebenbürgen war vor allem der ungarndeutsche Nationalitätenpolitiker Edmund Steinacker (1839-1929) von herausragender Bedeutung, auf dessen Initiativen zahlreiche Vereine aus Österreich und dem Deutschen Reich für das unga- rische Schwabentum aktiv wurden und die Aufmerksamkeit großer Kreise der deutschnatio- nalen, großdeutschen und alldeutschen Öffentlichkeit auf sich ziehen konnte.29 Zwischen 1900 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erfuhr die deutschnationale Bewe- gung einen verstärkten Aufschwung, der vor allem auf die sich weiter verschärfende Magya- risierungspolitik Budapests zurückzuführen ist. Die zahlreichen Vereins-, Zeitungs-, und Par- teigründungen in dieser Periode wurden wesentlich von Volkstumsvereinen aus Berlin und Wien finanziert, wodurch auch deren ideologische Positionen immer weitere Verbreitung un- ter den Deutschen in Südungarn fand. Es nimmt daher nicht wunder, dass es dadurch zu ei- 25Gottas (1980), S.390 26Zum Begriff des Fundamentalismus bei den Siebenbürger Sachsen siehe: Stefan Sienerth (1998): Fundamenta- listische Muster in der siebenbürgisch-deutschen Literatur. In: Krista Zach (Hg.): Rumänien im Brennpunkt : Sprache und Politik, Identität und Ideologie im Wandel. München: Verlag Südostdeutsches Kulturwerk. S.211-246 27Gottas (1980), S.388ff. 28Gottas (1980), S.390 29Gottas (1980), S.393f.

31 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) ner Vermischung partikularer Interessen der deutschen Minderheit in Ungarn mit jenen der deutschnationalen Kreise in Deutschland und Österreich kam. Besonders über den ‚Alldeut- schen Verband‘ (ADV) wurde ab 1908 nicht mehr nur der Schutz der deutschen Minderhei- ten, sondern bereits erstmals alldeutsche nationalistische Politik im Sinne betrieben30 – eine Tendenz, die sich in den 1930er Jahren in wesentlich drastischerer Form wiederholen sollte. Träger der deutschnationalen Bewegung im Banat war allen voran die städtische Mittel- schicht, die aufgrund gewisser struktureller Vorteile gegenüber vielen anderen ungarischen Landesteilen31 den allgemeinen Niedergang des traditionellen Bürgertums im späten 19. Jahr- hundert weitgehend abfedern konnte. Während die Politisierung der breiten bäuerlichen Schich- ten ohnehin noch sehr oberflächlich war, kam es unter dem deutschen Großbürgertum zu einer massiven Assimilierung zugunsten der magyarischen Führungsschichten.32

4.4 Die Deutschen in Groß-Rumänien, 1918-1944

4.4.1 Die Deutschen während der Zwischenkriegszeit, 1918- 1939

Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie wurden Siebenbürgen und das Banat neben anderen ehemals ungarischen und russischen Ländern Teil des neu ent- standenen Groß-Rumäniens. Nachdem die Siebenbürger Sachsen bereits Jahrzehnte zuvor den für sie sehr schmerzhaften Abstieg von einer privilegierten Nation zur Minderheit hinnehmen mussten, traf dieses Schicksal nun die Magyaren mit noch weit größerer Wucht. Die Einglie- derung Siebenbürgens in den rumänischen Nationalstaat stellte aus Sicht der interethnischen Beziehungen eine Revolution dar, in der die machtgewöhnten Magyaren plötzlich zu einer Minderheit wurden, die sich im Staate jener befanden, die sie über Jahrhunderte von sämt- lichen politischen Rechten ausgeschlossen hatten. Nirgends wog (und wiegt) das ungarische Trauma von Trianon33 schwerer als in Siebenbürgen, das gerade aufgrund seiner belasteten in- terethnischen Beziehungen von der magyarischen wie der rumänischen politischen Mytholo- 30Gottas (1980), S. 404 31Zu wirtschaftsentwicklungsgeschichtlichen Aspekten der verschiedenen deutschen Gruppen im südöstlichen Teil der Habsburgermonarchie und zu den strukturellen Vorteilen Südungarns siehe: Harald Heppner (1995): Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Siedlungsgebiete in Südosteuropa für das Habsburgerreich 1720-1918. In: Gerhard Grimm/Krista Zach (Hg.): Die Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa : Ge- schichte, Wirtschaft, Recht, Sprache. Bd.1. München: Verlag Südostdeutsches Kulturwerk. S.85-100 32vgl. Gottas (1980). S.400 33Im Vertrag von Trianon wurden am 4. Juni 1920 die massiven Gebietsverluste des damit aufgelösten König- reichs Ungarn beschlossen, denenzufolge 67% des Territoriums und 58% der Bevölkerung des Königreiches an die neu entstandenen Nachbarstaaten abgetreten werden musste. Dies betraf neben der Abtrennung Sie- benbürgens, fast das gesamten Banat und die Batschka sowie weitere Gebiete Südungarns, das Burgenland, Oberungarn (Slowakei) und die Karpato-Ukraine. Gerhard Seewann (2004d): Trianon, Friede von (4.6.1920). In: Hösch/Nehring/Sundhaussen (Hg.), S.690-692:690f.

32 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) gie zum emotionalen Kern der jeweiligen nationalen Identität stilisiert wurde.34 Für Rumänien symbolisiert der Aufstieg der rumänischen Bevölkerung von einer Jahrhunderte lang diskrimi- nierten Gruppe zur staatstragenden Nation das Erringen eines historischen Rechts und somit die Essenz des Kampfes für die nationale Einheit aller Rumänen. Die Magyaren wiederum betrachteten Siebenbürgen als eine Art Urheimat und meldeten ebenso ein historisches Recht auf das Land an, indem sie die Existenz der rumänischen Bevölkerung auf siebenbürgischem Territorium bis in die jüngere Vergangenheit bestritten und somit die spätere demographische Mehrheit der Rumänen als Verdrängung der Magyaren aus ihrem ursprünglichem Siedlungs- gebiet interpretiert werden konnte.35 Die Sachsen ebenso wie die Schwaben hatten in dieser Streitsituation eine relativ günsti- ge Mittelposition, die ihre politischen Führer auch gut zu nutzen wussten. Schon seit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich hatten die Sachsen in Siebenbürgen ihre alten Sonder- rechte verloren, und der großmagyarische Chauvinismus des frühen 20. Jahrhundert tat das Seine, um die sächsisch-ungarischen Loyalitäten nachhaltig zu schwächen. Als die ungarische Herrschaft in Siebenbürgen zu zerfallen drohte, konnte ein Festhalten an der alten Ordnung für die Deutschen kein Anliegen mehr sein. Dementsprechend sprach sich die sächsische Füh- rung im Dezember 1918 für die Eingliederung Siebenbürgens in den rumänischen Staat unter Wahrung weitreichender Minderheitenrechte aus36 und bemühte sich um gute Beziehungen zur neuen Obrigkeit. Aus rumänischer Sicht wiederum stellten die Sachsen und Schwaben kei- ne Gefahr für ihr Nationalisierungsprogramm dar, da von ihnen in Ermangelung einer angren- zenden Mutternation keine irredentistischen Tendenzen zu erwarten waren. Außerdem stellten die Deutschen eine wirtschaftlich und kulturell einflussreiche Gruppe dar, deren Loyalität in dieser schwierigen Transformationsphase von großem Interesse für die rumänische Führung war. Das Resultat dieser relativ günstigen politischen Konstellation waren umfangreiche Zu- geständnisse an ihre politischen Führer. Vor allem sächsische Politiker konnten sich in den ersten Jahren des großrumänischen Staates erfolgreich als Minderheitenpolitiker etablieren und sicherten sich über verschiedene Wahlbündnisse der „Deutschen Partei“ mit den etablier- ten rumänischen Parteien eine dauerhafte Vertretung im Bukarester Parlament. Dies war ganz im Sinne ihrer aus der Zeit der Monarchie stammenden Tradition, sich auf Seiten der herr- schenden Regierungen zu stellen und dadurch im Tausch ein gewisses Entgegenkommen für 34George Schöpflin (1988): : Hungarians under Romanian Rule. In: Stephen Borsody (Hg.): The Hungarians : A Divided Nation. New Haven: Yale Center for International and Area Studies. S.119-158:123 35Letztere wird in der Literatur als Migrationsthese bezeichnet, der die rumänische Geschichtsschreibung die Kontinuitätsthese entgegenhält, wonach eine Bevölkerungskontinuität von den romanisierten Dakern bis zu den heutigen Rumänen auch in Siebenbürgen bestehe. Die Bedeutung dieses Streits besteht ausschließlich in der Legitimation ethnonationaler Herrschaftsansprüche, die der Logik folgen, wer zuerst da war, hat das sagen. Der wissenschaftliche Wert dieser Debatte kann als vernachlässigbar eingeschätzt werden. Zur Bedeu- tung historischer Legitimationen für politische Diskurse siehe: Lucian Boia (2003): Geschichte und Mythos : über die Gegenwart des Vergangenen in der rumänischen Gesellschaft. Wien/Köln/Weimar: Böhlau. 36Vgl. Ekkehard Völkl (1995): Rumänien : vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Regensburg: Pustet. S.88

33 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) ihre Anliegen erwarten zu dürfen.37 Eine nationale Bewegung im Sinne eines gemeinsamen Vorgehens aller Deutschen in Rumänien lehnten die alten Führer der Siebenbürger Sachsen jedoch wiederholt und entschieden ab. Jene national gesinnten Kreise um Rudolf Brandsch standen für eine kämpferische Politik, die sich gemeinsam mit anderen Minderheiten gegen die Rumänisierungspolitik Bukarests auflehnte, und somit das mühsam erworbene Vertrauen der Regierung auf Spiel gesetzt hätte. Diese Position geriet ihrerseits schon bald unter zu- nehmenden Druck, als den vielen Versprechungen der rumänischen Regierung wenig Taten folgten, und sich die Situation der deutschen Minderheit genau so die wie der anderen Min- derheiten im Land kontinuierlich verschlechterte. Die Nationalisierung der neu erworbenen Landesteile hatte Priorität für den drastisch erweiterten rumänischen Nationalstaat, was im politischen und kulturellen Leben der Minderheiten nun deutlich zu spüren war. In der Folge formierten sich gegen die weiterhin aufrechte Verhandlungspolitik der „Deut- schen Partei“ bereits in den 1920er Jahren radikale Gegenströmungen. Besonders der so ge- nannten „Selbsthilfe“ unter der Führung von Fritz Fabritius gelang es in den darauf folgenden Jahren mit einem betont völkischen Programm, viele junge Deutsche anzusprechen, die sich für die revolutionäre Rhetorik der Bewegung begeistern konnten. Viele seiner jüngeren An- hänger, wie etwa Alfred Bonfert oder Waldemar Gust, hatten in Deutschland studiert und wurden dort mit nationalsozialistischen Ideen vertraut, die nun in der Selbsthilfebewegung verstärkt Gehör fanden.38 Dass die deutsche Parlamentsgruppe zwar weitere Zugeständnisse etwa durch die Nationale Bauernpartei und durch den König aushandeln konnte, und später Rudolf Brandsch als Unter- staatssekretär für Minderheiten sogar ein einflussreiches Amt in der rumänischen Regierung bekleiden konnte, änderte dennoch nichts am wirtschaftlichen und kulturellen Abstieg der deutschen Gemeinden in Rumänien. Dieses Scheitern bot den radikalen Protestbewegungen weiteren Auftrieb.39 Die seit 1932 vorübergehend in „Nationalsozialistische Selbsthilfebe- wegung der Deutschen in Rumänien“ umbenannte Organisation von Fabritius erhielt stetig wachsenden Zuspruch und konnte nach der mit Begeisterung wahrgenommenen Machtergrei- fung Adolf Hitlers in Deutschland ihr „Volksprogramm“ am 1. Oktober 1933 am Sachsentag durchsetzen, das die Zugehörigkeit der Siebenbürger Sachsen zum deutschen Volk heraus- strich, dem gegenüber fortan „Volksdisziplin“ zu wahren sei.40 Die deutschen Gruppen in Rumänien sahen im Aufstieg Hitler-Deutschlands zu einer Weltmacht einen Motor, um ih- re eigenen Interessen als bedrohte Minderheit durchzusetzen. Besonders die Rede von der Überlegenheit des deutschen Volkes und der deutschen Herrenrasse fiel bei jenen auf frucht- baren Boden, die den rapiden Abstieg der Deutschen von einer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Elite zu einer unter Demütigungen leidenden Minderheit nicht hinnehmen 37Hausleitner (2001), S.277 38Hausleitner (2001), S. 278 39Hausleitner (2001), S. 280 40Hausleitner (2001), S. 280

34 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) wollten. Dem zivilisatorischen Abstieg, der sich in den letzten 60 Jahren in den Augen der Deutschen vollzog, stand nun die Stunde neuer, bisher unübertroffener Größe entgegen. Während der Einfluss aus dem Deutschen Reich beständig zunahm, blieben die deutschen Gruppen innerhalb Rumäniens untereinander zerstritten. Versuche, über die Gründung des „Verbands der Deutschen in Rumänien“ eine vereinheitlichende politische Dachorganisati- on und damit ein Gegengewicht zu den erstarkenden Nationalsozialisten zu etablieren, blie- ben aufgrund der andauernden inneren Zersplitterung der verschiedenen politischen Gruppen und Strömungen weitgehend wirkungslos. Nach wie vor waren die Landesgruppen regional orientiert und die Unterschiede der Stämme in Sozialstruktur, Konfession, Traditionen und Kultur überlagerten das Bewusstsein einer gemeinsamen Interessenlage. Doch auch innerhalb der Nationalsozialisten in Rumänien bestand keinerlei Einigkeit. Trotz der Entfernung des Attributs ‚nationalsozialistisch‘ aus dem Namen wurde die nun als ‚Nationale Erneuerungs- bewegung der Deutschen in Rumänien‘ (NEDR) bezeichnete Bewegung im Juli 1934 von der rumänischen Regierung verboten.41 Nichtsdestotrotz gelang es Fabritius, weiter in den etablierten Bahnen der deutschen politischen Organisationen Fuß zu fassen und die Unter- stützung Berlins für sich zu gewinnen. Im Oktober wurde er zum Vorsitzenden des Verbands gewählt, wogegen sich wiederum ein radikalerer Flügel der Nationalsozialisten im Jahre 1935 zur ‚Deutschen Volkspartei Rumäniens‘ (DVR) zusammenschloss, die unter der Führung von Alfred Bonfert allerdings bis 1938 durch Fabritius und die anderen politischen Kräfte margi- nalisiert werden konnte. Auch Berlin gab einer Vereinheitlichung der zerstrittenen deutschen Gruppen den klaren Vorrang vor einer vorschnellen und unkontrollierbaren Radikalisierung, wie es die DVR ein- gefordert hatte.42 Ab 1935 verschlechterte sich jedoch die politische und wirtschaftliche Lage der Minderheiten in Rumänien drastisch, als die Regierung immer unverhohlener ihre Rumä- nisierungspolitik vorantrieb. Die Umschuldungsmaßnahmen der rumänischen Regierung be- nachteiligten deutsche Geldinstitute stark, Subventionen für die evangelisch-lutherische Kir- che wurden massiv gekürzt und über das ‚Gesetz zum Schutz der nationalen Arbeit‘ hatten die Angehörigen der Minderheiten unter weiteren schweren wirtschaftlichen Benachteiligungen zu leiden.43 Aus diesem Verarmungsprozess ist sowohl die Radikalisierung großer Teile der deutschen Bevölkerung als auch die zunehmende Hinwendung zur deutschen Mutternation zu erklären. Das Überleben der deutschen kulturellen, sozialen, religiösen und politischen Institutionen war daher ab den 1930er Jahren massiv von der finanziellen Unterstützung aus dem Deutschen Reich abhängig. Gleichzeitig hatten die traditionellen politischen Führer durch ihre erfolglo- se Verhandlungspolitik das Vertrauen breiter Bevölkerungsteile verloren, was entscheidend 41Hausleitner (2001), S. 281 42Hausleitner (2001), S. 284ff. 43Hausleitner (2001), S. 288

35 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) dazu beigetragen hat, dass die DVR ihren Einfluss trotz zögernder Unterstützung seitens der Berliner Behörden stetig ausbauen konnte. Diese Situation belastete auch die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Rumänien und dem Deutschen Reich ab 1937 erheblich. Für die rumänischen Behörden stellte die sich rasch radikalisierende junge Nazi-Szene ein ernstzunehmendes inneres Sicherheitsrisiko dar, und man reagierte etwa in der Bukowina mit Beschränkungen der Reisefreiheit nach Deutsch- land, um einer weiteren Beschleunigung der Ausbreitung nationalsozialistischer Ideen entge- genzuwirken. Gleichzeitig zeigte man sich diplomatisch versöhnlich, da man sich in beider- seitig bedeutsamen Wirtschaftsbeziehungen befand.44 Aufgrund dieser wirtschaftlichen, aber auch aufgrund politischer Gründe war man auch in Berlin darauf bedacht, die rumänischen Behörden nicht durch eine zu aggressive Volkstumspolitik vor den Kopf zu stoßen. Sämtliche finanziellen Zuwendungen, die aus Berlin an die deutschen Organisationen flossen, wurden offiziell ausschließlich an kulturelle Einrichtungen, niemals an politische überwiesen. Die kaum zu kontrollierenden Verteilungskämpfe um diese Gelder wiederum kamen der ange- strebten Vereinheitlichung der zersplitterten Gruppen nicht entgegen.45

4.4.2 Gleichschaltung und Zweiter Weltkrieg, 1939-1944

Im Dezember 1937 gelangte in Rumänien eine neue Regierung unter Ministerpräsident Oc- tavian Goga an die Macht. Diese vom König gestützte Minderheitsregierung der National- Christlichen Partei unter der Führung des Bukarester Universitätsprofessor Alexandru C. Cuza war in ihrem faschistischen Programm und radikalen Antisemitismus der nationalsozialisti- schen Ideologie im Geiste sehr nahe und wurde durch das Berliner Auswärtige Amt unter- stützt. Wohl hauptsächlich aufgrund dieses außenpolitischen Drucks, aber auch aufgrund der Waffenbrüderschaft gegen den jüdischen Anteil in Wirtschaft und Politik in Rumänien ge- währte man den Deutschen anfangs ein gewisses Entgegenkommen, bis allerdings durch die Errichtung der Königsdiktatur am 1. April 1938 alle Parteien und damit auch die DVR verbo- ten wurden und die systematische Benachteiligung aller Minderheiten nun auch die deutsche traf.46 Unterdessen unternahm das Deutsche Reich wiederholte Versuche, die Streitigkeiten in- nerhalb der konkurrierenden Gruppierungen deutscher Politiker in Rumänien beizulegen und entsendete namhafte Funktionäre, wie etwa den Leiter des „Bunds Deutscher Osten“, SS- Standartenführer Hermann Behrends, nach Rumänien. Als die rumänische Regierung die durch ihre Unberechenbarkeit zunehmend als Gefahr wahrgenommene, als kultureller Verein jedoch offiziell noch geduldete deutsche „Volksgemeinschaft“ zu verbieten drohte, reagierte der Leiter der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi) Werner Lorenz, indem er die Hauptkon- 44Hausleitner (2001), S. 290 45Hausleitner (2001), S. 287 46Hausleitner (2001), S. 319f.

36 4 Deutschsprachige Gruppen in Rumänien (von den Anfängen bis 1944) trahenten Fabritius und Bonfert nach Berlin beorderte und nicht mehr ausreisen ließ.47 Unter den besorgten, aber machtlosen Blicken der rumänischen Regierung verstärkte Berlin seinen Einfluss stetig und machte ab 1939 kein Hehl mehr aus seinem unmittelbaren Vertretungs- anspruch auf die deutsche Bevölkerung in Rumänien. Im November 1940 erhielten die Deut- schen in Rumänien eine Rechtsposition, wie sie keiner anderen Minderheit im Land zugestan- den wurde48, und auch die innere Organisation wurde nun direkt von Berlin übernommen. Am 9. November 1940 wurde die „NSdAP der deutschen Volksgruppe in Rumänien“ unter ihrem erst 28-jährigen Volksgruppenführer Andreas Schmidt als einzige verbliebene politische Or- ganisation der Deutschen in Rumänien etabliert. Die „Volksgruppe“, wie sie allgemein kurz genannt wurde, hatte nicht mehr die Vertretung der deutschen Minderheit in Rumänien im Auge, sondern vertrat ausschließlich deutsche Reichsinteressen.49 Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, an dem Rumänien als Alliierter des Dritten Reiches teil- nahm, vollzog sich nun ganz nach dem Muster der nationalsozialistischen völkischen Ideolo- gie endgültig die identitäre Verwandlung der deutschen Gruppen in Rumänien in einen organi- schen Teil der großdeutschen Nation. Eine Vielzahl deutscher Männer trat in reichsdeutschen Einheiten in den Krieg ein, während die Propagandaaktionen der „Volksgruppe“ unterdessen für den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung sorgten. Die seit September 1940 bestehende Militärdiktatur unter hatte diesem mas- siven Einfluss des Dritten Reichs auf die Sachsen und Schwaben nichts entgegenzusetzen und musste im April 1943 auch vertraglich der Rekrutierung der Rumäniendeutschen durch die und die Waffen-SS zustimmen. Bis Kriegsende dienten rund 60.000 Rumänien- deutsche in reichsdeutschen Verbänden, wodurch die nationalsozialistischen Ideologie weit verbreitet und das Gefühl, Teil des großen deutschen Volkes zu sein, sich tief in den Köpfen auch der Daheimgebliebenen festsetzen konnte. Während der Kriegsjahre, die für die Deut- schen in Rumänien eine Zeit der wirtschaftlichen Blüte und des Wohlstands darstellten50, lösten sich die Deutschen von ihrem Umfeld organisatorisch und geistig völlig ab. Sie bil- deten einen „Staat im Staate“, deren Angehörige sich zuerst als Deutsche und nur auf einer zweiten nachgeordneten Ebene als Angehörige des rumänischen Staats verstanden.51

47Hausleitner (2001), S. 323 48Hausleitner (2001), S. 318 49Hausleitner (2001), S. 325 50Oschlies (1982), S.72 51vgl. Oschlies (1982), S.79

37 5 Kommunistische Perspektiven

Zum Verständnis der Nachkriegssituation in Rumänien, im Speziellen des Verhältnisses von nationaler Mehrheit zu den Minderheiten, ist es von großer Wichtigkeit, die Geschichte der Kommunistischen Partei Rumäniens von ihrer Gründung im Jahr 1921 bis zu ihrer allmähli- chen Machterlangung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nachzuvollziehen. Charakteristisch für die extreme Außenseiterposition der RKP ist ihre spezifische Zerris- senheit zwischen zwei vollkommen unvereinbaren politischen Sphären, in denen sie agierte: das ist einerseits die von Moskau dominierte Dritte „Kommunistische“ Internationale (Komin- tern), als deren Sektion sich die Partei 1921 gegründet hatte; und andererseits die allgemeine politische Kultur im Zwischenkriegs-Rumänien, die stark von nationalistischen Tönen ge- kennzeichnet war und so gut wie keine strukturellen Voraussetzungen für eine Akzeptanz kommunistischer Politikziele vorzuweisen hatte. Am schwerwiegendsten in diesem Zusam- menhang war dabei wiederum die nationale Frage – ein Thema, das Rumänien auch noch während seiner kommunistischen Herrschaft wie kaum ein anderes Land des ehemaligen Ost- blocks bestimmen sollte. Die enorme Gebietserweiterung des rumänischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg bedeu- tete, dass auf einen Schlag der Anteil an ethnisch nicht-rumänischen Staatsbürgern auf fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung angewachsen war.1 Abgesehen davon, dass dies die auf natio- nale Einigkeit ausgerichtete politische Kultur des vormals ethnisch weitgehend homogenen rumänischen Altreichs vor große Anpassungsschwierigkeiten stellte, waren die sozialstruktu- rellen Auswirkungen der Gebietsgewinne von mindestens ebenso großem Ausmaß. Die ehemals dem Habsburgerreich angehörigen Landesteile Siebenbürgen, Banat und die Bukowina konnten entgegen dem noch fast vollständig agrarischen Altreich, bereits eine re- lativ große Zahl an urbanen Zentren vorweisen, in denen sich ein Städtebürgertum, sowie auch Ansätze einer modernen industriellen Arbeiterschaft herausgebildet hatten. Gemäß den politischen Verhältnissen unter österreichischer bzw. ungarischer Herrschaft waren gerade in den Städten die Anteile der Minderheiten unverhältnismäßig groß, sodass sich soziale und 1Von den 18,057.028 Einwohnern Rumäniens waren laut der Volkszählung von 1930 71,9% Rumänen, 7,9% Ungarn, 4,4% Deutsche, 4% Juden, 3,2% Ruthenen und Ukrainer, 2,3% Russen, 2% Bulgaren, 1,5% Zigeu- ner, 0,8% Gagausen, 0,35% Tschechen und Slowaken, 0,3% Polen, 0,15 Türken und Tataren, 0,1 Griechen sowie weniger als 0,1% Albaner, Armenier, usw. siehe: Marcela Sal˘ agean˘ (2006): Romania between 1919 and 1947. In: Susana Andea/Ioan Bolovan/Ionu¸tCostea (Hg.): : Compendium. Cluj- Napoca: Institutul Cultural Român. Centrul de Studii Transilvane. S.583-615:583

38 5 Kommunistische Perspektiven ethnische Segregation in vielen Fällen überlagerten und die Behandlung des einen Problems zwangsläufig auch das andere miteinschloss. Die rumänischen Regierungen der Zwischenkriegszeit begegneten diesem Umstand durch breit angelegte ‚Rumänisierungs‘-Kampagnen, was bedeutete, dass der Anteil der traditionell marginalisierten ethnischen Rumänen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens systema- tisch gesteigert werden sollte. Für die Minderheiten bedeutete dies wiederum, dass sie sich von einem sozioökonomischen Abstieg bedroht sahen, was Tendenzen zu einem die alten Privilegien verteidigenden Nationalismus anfachte, oder – in weit kleinerem Ausmaß – ei- ne alternative politische Sichtweise förderte, in der ihr Status als nationale Minderheit keine Grundlage systematischer Diskriminierung zu sein brauchte. Diese Alternative versuchten die Kommunisten anzubieten. Die kommunistische Ideologie verstand sich als großer Gegenentwurf zum bürgerlich-nationalstaatlichen Gesellschaftsent- wurf und gab Antwort auf jene spezifischen Probleme, die in industrialisierten Gesellschaften besonders die Lohnabhängigen betrafen. Ihr Aufruf zur Solidarität innerhalb von sozioöko- nomischen Klassengrenzen war ursprünglich fest verbunden mit einer betont internationalisti- schen Grundausrichtung, die nationale Gegensätze nur als Hindernis für die Vereinheitlichung der Arbeiterschaft sah und daher bedingungslos bekämpfte. Die Charakterisierung dieser beiden grundlegenden Elemente der kommunistischen Bewe- gung – ihre klassenspezifische Ausrichtung auf eine moderne Arbeiterschaft und ihr Interna- tionalismus – waren hauptverantwortlich dafür, dass die kommunistische Bewegung gerade unter den städtischen Angehörigen der Minderheiten in den neu erworbenen Landesteilen den größten Zuspruch fand. Der zweite zentrale Aspekt für die Lage der RKP war ihre starke Abhängigkeit von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Moskau hatte mit der Dritten Internatio- nalen (Komintern) eine kommunistische Weltorganisation geschaffen, die den Erfolg der glo- balen kommunistischen Revolution zuerst einmal dadurch gewährleistet sah, dass die Erfolge des Sozialismus in der Sowjetunion abgesichert und ausgebaut wurden. Die Stärke der inter- nationalen kommunistischen Bewegung hing also zuerst von der Stärke der Sowjetunion ab. In diesem hegemonialen Verhältnis hatten alle Kommunistischen Parteien, die in der Komin- tern organisiert waren, ihre Interessen jenen der KPdSU unterzuordnen. Jede nationalstaatlich orientierte Politik wurde als partikularistischer Alleingang und damit als Abweichung vom revolutionären Weg zum Kommunismus verurteilt und strikt unterbunden. Durch diese Abhängigkeit tritt zum bereits massiven inneren Legitimitätsdefizit der RKP eine außen- bzw. geopolitische Komponente hinzu, die im traditionell russophoben Rumänien eine erhebliche zusätzliche politische Hypothek für die RKP darstellte. Ziel dieses Abschnitts ist es, die politische Geschichte der RKP vor allem im Hinblick auf das Nationalitätenproblem zu erörtern, das vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich

39 5 Kommunistische Perspektiven zur Marginalisierung der Partei beigetragen hat und selbst danach zu einem bestimmenden Merkmal der kommunistischen Herrschaft in Rumänien wurde. Hierfür ist es unerlässlich, einige Angaben zum nationalen Problem in der marxistischen und kommunistischen Theorie, sowie den historischen Wandel von Bedeutung und Behandlung der Nationalitätenfrage in der Sowjetunion voranzustellen, bevor auf die spezielle Situation in Rumänien eingegangen wird.

5.1 Nation in der kommunistischen Theorie

Die marxistische Theorie stellt kein geschlossenes kodifiziertes Theoriesystem dar, sondern umspannt Ansätze, die sich in wesentlichen Punkten mitunter diametral voneinander unter- scheiden. Was jede als marxistisch gekennzeichnete Theorie jedoch zumindest erfüllen muss, ist eine entsprechende Anknüpfung an zentrale Postulate der ‚Klassiker‘ Karl Marx (1818- 1883) und Friedrich Engels (1820-1895), worunter zuallererst die materialistische Geschichts- auffassung zu nennen wäre, d.h. das soziologische Paradigma, wonach sämtliche gesellschaft- liche Formationen in letzter Instanz auf die materiellen Lebensbedingungen zurückzuführen sind und nicht etwa auf irgendwelche vor-sozialen „natürlichen“ Charakteristika von Rassen, Völkern, Ethnien, Nationen oder anders definierten Kollektiven. Für die Frage, was unter einer Nation zu verstehen ist, und welche Rolle ihr im gesellschaft- lichen und historischen Prozess zukommt, bedeutet dies, dass jede essentialistische2 Theorie von einer natürlichen Einheit der Nation abgelehnt werden muss und stattdessen Nation als eine kulturelle Konstruktion verstanden wird, deren Existenz formbar ist bis hin zur Möglich- keit der Schaffung und Auflösung von Nationen.3 Den Motor aller historischen Entwicklung stellen laut Karl Marx die gesellschaftlich un- terschiedlich verteilten Anteile am Produktionsprozess und die dadurch entstehenden konkur- rierenden Klasseninteressen dar. Das Stadium der modernen kapitalistischen Gesellschafts- ordnung würde durch die sich massiv verschärfende Auseinandersetzungen zwischen Kapita- leignern und den Lohnabhängigen in immer tiefere Krisen geraten und schließlich vom Sta- dium des Sozialismus abgelöst, welches schließlich in das letzte Stadium der Geschichte, den Kommunismus, führt, wo alle Klassengegensätze aufgehoben sind und dadurch das Ende der historischen Entwicklung erreicht ist. Nation ist in diesem Prozess lediglich eine vorübergehende ideelle Erscheinung der kapi- talistischen Ära, die im Zuge der fortschreitenden Entwicklung gemeinsam mit dem abster- 2Essentialismus bezeichnet die Auffassung, (nationale oder andere) Kollektive würden durch ihre Zugehörig- keit zum Kollektiv ein spezifisches Wesen (Essenz) in sich tragen, wodurch bestimmte Haltungen, Einstel- lungen usw. dadurch vorbestimmt seien. 3Tatsächlich haben sich unter kommunistischer Herrschaft eine Vielzahl an ethnonationalen Konstruktions- prozessen zugetragen. Ein anschauliches Beispiel ist die gelungene Nationswerdung der Mazedonier im kommunistischen/sozialistischen Jugoslawien nach 1945.

40 5 Kommunistische Perspektiven benden Staat verschwindet.4 Solidaritäten, wie sie sich charakteristisch innerhalb sozioöko- nomischer Klassen bilden, können auf der Ebene von Nationen nicht dauerhaft bestehen, da letztere heterogene Einheiten darstellen, die wiederum in sich durch Klassengegensätze ge- kennzeichnet sind. Für die Schriften von Marx und Engels gilt also, dass dem Phänomen der Nation und des Nationalismus, dessen Aufstieg zu einer massenwirksamen kulturellen Formation sie als Zeit- genossen bezeugen konnten, aber deren Folgenschwere sie eventuell unterschätzten, keine systematische Theoretisierung zuteil wurde. Ihre verstreuten Anmerkungen geben vielmehr die zur ihrer Zeit gängigen Vorstellungen wieder und zeugen nicht gerade von großer Refle- xivität. Unter späteren marxistischen Theoretikern wurde dem Problem aber größere Aufmerksam- keit zuteil, was sich wohl dem Umstand verdankt, dass die These, Nationalität könne keine Solidaritäten erzeugen spätestens im Verlauf des Ersten Weltkriegs erheblichen Schaden neh- men musste. Die Debatten, die sich um das Thema entfalteten, zeichnen sich jedoch nicht dadurch aus, dass die konzeptuelle Erfassung von Nation als Konstruktion der bürgerlichen Ideologie in Zweifel gezogen wurde, sondern betraf infolge des sich gewaltsam aufzwängen- den Befundes von der massenhaften Verbreitung nationalistischer Ideologien den Umgang, den die marxistisch fundierte sozialistische und kommunistische Politik mit diesem Phäno- men zu wählen hatte. Als Beispiel für einen radikalen Internationalismus kann die polnisch-deutsche Theore- tikerin Rosa Luxemburg (1871-1919) genannt werden, die jegliche Unterstützung für eine nationale Bewegung als reaktionär zurückwies. Als die polnischen Kommunisten nach der Dreiteilung Polens durch Russland, Preußen und die Habsburgermonarchie für die nationa- le Unabhängigkeit Polens eintraten, kritisierte Luxemburg ihre polnischen Genossen dafür scharf und mahnte, dass das Eintreten für eine nationale Bewegung immer ausschließlich den bürgerlichen Klasseninteressen entsprochen habe und den Klassenkampf der internationalen Arbeiterschaft lediglich behindern könnte. Niemals könnten Nationen ein revolutionäres Po- tential entwickeln, dies sei ausschließlich der Arbeiterklasse vorbehalten.5 Mit dieser Position stand Luxemburg in scharfem Gegensatz zu den Ansichten Wladimir Iljitsch Uljanows (Lenin) (1870-1924), der nationale Bewegungen als revolutionäre Bewe- gungen gegen äußere Unterdrücker entschieden befürwortete und sich deutlich für das Selbst- bestimmungsrecht der Völker aussprach. Diese Haltung, so hat Lenin mehrmals betont, ist nicht als eine ideologische Anerkennung der Nation als politische Einheit zu verstehen, son- dern stützt sich lediglich auf die taktische Überlegung, dass die Dynamik der nationalistischen Mobilisierung der Massen in ein induktives Moment umgelenkt werden könnte, das zum Aus- 4Leszek Kołakowski (2008): Main Currents of : The Founders, The Golden Age, The Breakdown. New York/London: W.W.Norton & Company. S.342 5Kołakowski (2008), S.427

41 5 Kommunistische Perspektiven bruch der kommunistischen Revolution führen könnte.6 Weder für Lenin, noch für Luxemburg hatte Nation irgendeinen intrinsischen Wert, anders als in den Schriften anderer Sozialisten, wie des Polen Stanisław Brzozowski 7 oder in den Schriften der Austro-Marxisten. Unter letzteren ist besonders Otto Bauer (1881-1938) hervorzuheben, der mit seinem Werk Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie (1907) einen herausragenden Beitrag zu diesem Problem geleistet hat. Leszek Kołakowski bezeichnete dieses Werk „als die beste Ab- handlung über das Nationalitätenproblem, das in der marxistischen Literatur zu finden ist“ und als „eines der bedeutsamsten Werke der marxistischen Theorie überhaupt.“8 Seine besondere Theorie der Nation weicht auffällig sowohl vom orthodoxen Marxismus, wie auch vom Leninismus ab, indem sie jeder Nation einen spezifischen nationalen Cha- rakter zugesteht, den sie in ihrem historischen Entstehungsprozess erworben habe. Das Ziel der sozialistischen Bewegungen müsse darin bestehen, die von der nationalen Kultur ausge- schlossenen Bauernschaft und die Arbeiterklasse zu befähigen, sich diese nationale Kultur anzueignen, die bisher ausschließlich durch und für die herrschenden Klasse bestimmt war.9 Im Zusammenhang des multiethnischen Habsburgerreichs, in dem zu Beginn des 20. Jahrhun- derts die vielfältigsten nationalen Unabhängigkeitsbewegungen das Reich bereits zu zersetzen begonnen haben, sprach sich Bauer aufgrund dieser distinkten Theorie für das Recht auf kultu- relle Autonomie jeder im Reich lebenden Nation aus, ohne jedoch dessen staatliche Integrität aufgeben zu wollen. Staatliche Unabhängigkeit nach dem nationalen Prinzip würde – darin stimmt Bauer mit Luxemburg überein – den gemeinsamen Kampf der geeinten Arbeiterklas- se unnötig behindern.10 Die Bedeutung der nationalen Kulturen aber deswegen gänzlich zu ignorieren, würde bedeuten, die emanzipatorischen Bedürfnisse der Massen einseitig zu be- vormunden. Die Bedeutung von Bauers Theorie der Nation liegt in seiner Einsicht, dass der Sozialismus nicht nur nationale Unterschiede nicht einebnet, sondern im Gegenteil sie sogar noch bestärkt und fortentwickelt, indem er die Kultur für die Massen zugänglich macht und dadurch die nationale Idee zum öffentlichen Eigentum macht.11

5.2 Das Nationalitätenproblem in der Sowjetunion

Nachdem die Oktoberrevolution 1917 in Russland die Entstehung des ersten sich auf die mar- xistische Lehre stützenden Staates einleitete, und dies noch dazu im Erbe des riesigen russi- 6Kołakowski (2008), S.430, 675 7Kołakowski (2008), S.542ff. 8Kołakowski (2008), S.561 Originalzitat: „His first and also his most important theoretical work, Die Nationa- litätenfrage und die Sozialdemokratie (1907), is the the best treatise on the nationality problems to be found in Marxist literature and one of the most significant products of Marxits theory in general.“ 9Kołakowski (2008), S.587 10Kołakowski (2008), S.587 11Kołakowski (2008), S.586

42 5 Kommunistische Perspektiven schen Vielvölkerreiches stand, gewann die Auseinandersetzung mit dem nationalen Problem an enormer Wichtigkeit, da es die bolschewistischen Führer der KPdSU zwang, eindeutig Stellung zu beziehen und eine Politik anzubieten, die sich mit dem theoretisch-ideologischen Fundament ihrer Herrschaft vereinbaren ließ. Während des mehrjährigen Bürgerkrieges (1917/18-1920) gab es vor allem in den nicht- russischen Randgebieten des ehemaligen Zarenreiches Osteuropas, am Kaukasus und in den asiatischen Provinzen schwere Legitimitätskrisen, weil sich nationale Identifikationen gegen- über der vorerst in erster Linie aus russischen und jüdischen Funktionären bestehenden Partei als äußerst loyalitätshemmend erwiesen.12 Lenin setzte aufgrund der Anforderungen, die die ethnisch, sprachlich und konfessionell so heterogene Bevölkerung des entstehenden Sowjetimperiums an die Parteiführung stellte, seine Politik der Anerkennung aller im Reich lebenden Völker gegen die Vorbehalte der ra- dikalen Internationalisten in der Partei durch und initiierte dadurch auch die ethnische Um- strukturierung der Partei von einer russisch und jüdisch dominierten in eine multiethnische Organisation, die ihrem Vertretungsanspruch aller Völker dadurch Rechnung zu tragen ver- suchte.13 Ganz in der Logik der ethnischen Diversifizierung der inneren Parteistrukturen machte Le- nin schließlich einen Georgier zum Volkskommissar14 für Nationalitätenfragen, nämlich Ios- sif Wissarionowitsch Dschugaschwili, gennant Stalin. Was heute gemeinhin als stalinistische Nationalitätenpolitik bezeichnet wird, wurde bereits auf dem XII. Parteitag der KPdSU im Frühjahr 1923 beschlossen und beschreibt eine auf Ethnizität und Nation aufbauende Verwaltungsstruktur, die das gesamte Staatsgebiet der So- wjetunion nach einem ethnisch-föderalistischen Prinzip in autonome Republiken, autonome Gebiete und autonome Kreise inklusive Kulturautonomie und Minderheitenrechte einteilte. Dieses Konzept der „Indigenisierung und Nationalisierung der Herrschaft“ nannten die Bol- schewiken „Einwurzelung“ (korenizacija).15 Auf theoretischer wie auf praktischer Ebene bedeutete dies eine nachhaltige Weichenstel- lung, die einer Anerkennung der Bauerschen These gleichkommt, dass der Sozialismus un- weigerlich zu einer Nationalisierung der Massen beiträgt. In diesem Sinn formulierte Stalin bereits 1921, die Entwicklung der Nationalkulturen sei „eine Verpflichtung für die Kommu- nisten.“16 Die Anerkennung der Nationen als Einheiten der politischen Organisation und daher auch als strukturierende Dimension des Bewusstseins hatte einerseits zur Folge, dass sich viele nationale oder ethnische Identitäten in der Sowjetunion genau dadurch verfestigten oder über- 12Jörg Baberowski (2008): Der rote Terror : die Geschichte des Stalinismus. Frankfurt am Main: Fischer. S.74 13Baberowski (2008), S.74f. 14entspricht einem Minister 15Baberowksi (2008), S.75 16Baberowski (2008), S.76

43 5 Kommunistische Perspektiven haupt erst begründeten. Andererseits stellt sie erneut die Frage, welchen theoretischen Nati- onsbegriff diese Politik zur Grundlage hat, und wie sich dieses Konzept mit der marxistischen Klassentheorie vereinbaren lässt. Wenn Nationen und Ethnien als Kategorisierungsmerkmale der sowjetischen Politik heran- gezogen wurden, ist damit immer die Gefahr verbunden, dass sich hier unbemerkt ein essentia- listischer Nationsbegriff einschleicht, der unvereinbar mit dem marxistischen soziologischen Paradigma ist, und der daher auch die ideologisch so bedeutsame Abgrenzung gegenüber den biologistischen Ideologien der Faschisten und Nationalsozialisten in Frage stellt. Dieser Frage nach Nature and Nurture – die Frage nach erworbenen oder natürlich gegebenen Eigen- schaften von Individuen und Kollektiven – geht Armin Weiner (2003) in seiner Untersuchung Nature and Nurture in a Socialist Utopia : Delineating the Soviet Socio-Ethnic Body in the Age of Socialism nach und zeigt, dass trotz einer vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg deut- lichen Ethnifizierung der stalinistischen Feindeslogik, der Vorrang des soziologischen nurture (Aneignung) vor dem biologischen nature in der ethnischen und nationalen Konzeption der Kommunisten immer bewahrt wurde.17 Dennoch geschieht an dem Punkt der administrativen Ethnifizierung und Nationalisierung eine entscheidende Einschränkung dieser These, vor allem dann, wenn nationale und ethni- sche Kollektive ohne Rücksicht auf weitere soziale Unterscheidungen deportiert und exeku- tiert wurden, wie dies in großem Ausmaß während und nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. Polen, Ukrainern, Deutschen und Juden widerfahren ist. Weiner diskutiert die Bedeutung der Nationalitätenfrage in der stalinistischen Sowjetu- nion, indem er sie in den Zusammenhang mit dem kommunistischen Gesamtunternehmen zur Herstellung eines die Klassengegensätze überwundenen konfliktfreien und harmonischen Volkskörpers stellt. In dieser utopischen Ausrichtung liegt der unbarmherzige Vereinheitli- chungstrieb der kommunistischen Regime begründet, der wesentlich deren totalitären und ge- waltsamen Charakter erklärt. Die Bestimmung der inneren Feinde, sowie Möglichkeiten und Formen des Umgangs mit ihnen – mithin die Möglichkeit ihrer Umerziehung oder deren Aus- löschung – ist daher eine ideologische und praktisch-politische Frage ersten Ranges. Von der erfolgreichen Erlangung der staatlichen Macht durch die Kommunisten, über den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft bis hin zu ihrer Konsolidierung und ihrem imperialen Ausgreifen nach Europa und Asien nach dem Zweiten Weltkrieg, unterlag die bolschewistische Fein- deslogik einem Wandel, der nationale Gruppen immer stärker ins Blickfeld rückte und im Zuge dessen die Unterscheidung zwischen soziologischer und biologischer Stigmatisierung oft verschwamm. Die besondere Berücksichtigung der nationalen Gruppen in der Sowjetuni- on wurde von Stalin 1934 pointiert ausgerufen, als er verkündete, dass nach der Vernichtung der Klassenfeinde das Nationalitätenproblem die eindeutigste und gegenwärtigste Gefahr für 17Armin Weiner (2003): Nature and Nurture in a Socialist Utopia : Delineating the Soviet Socio-Ethnic Body in the Age of Socialism. In: David L. Hoffmann (Hg.): Stalinism : the Essential Readings. Blackwell. S.239-274

44 5 Kommunistische Perspektiven die moralische und die politische Einheit des gesamten Volkes darstelle.18 Der Zweite Weltkrieg selbst hat darin als Ereignis einen außerordentlichen Einfluss auf diesen Prozess gehabt, da es hier aus Sicht der Kommunisten zu einem Aufeinanderprallen der fortschrittlichen Menschheit mit dem in den Nationalsozialisten inkarnierten Bösen ge- kommen war. Es stand nichts weniger als die endgültige Erlösung der Menschheit durch die Erreichung der kommunistischen Utopie auf dem Spiel, die im Krieg mit dem diabolischen Nationalsozialismus zu einem biblischen Kampf zwischen Gut und Böse stilisiert wurde, der ein für allemal zutage förderte, wer auf welcher Seite stand. In dieser geschichtslogischen Stilisierung zum apokalyptischen Endkampf waren Kollaborateure nicht mehr bloße Neben- erscheinungen von Krieg und Belagerung, sondern ihr Verrat enttarnte sie als ewige Feinde des Kommunismus und daher der gesamtem Menschheit, die unter diesen besonderen Um- ständen endlich ihr wahres Gesicht zeigten.19 Am Beginn des kommunistischen Unternehmens, als sich die Bolschewiken in einem of- fenen Krieg mit ihren politischen Gegnern befunden hatten, war die Bestimmung der Feinde relativ klar, da es sich häufig um deklarierte Feinde handelte, die in politischer Opposition oft aufgrund persönlicher (Klassen-)Interessen gegen die bolschewistische Machterlangung opponierten. Auch wo, wie besonders in den europäischen Randgebieten des Reiches, dieser Widerstand durchaus eine nationale Komponente besaß, und die bolschewistischen Zwangs- maßnahmen wie Enteignung, Deportation, Verhaftung und Exekution viele Angehörige der polnischen, deutschen und jüdischen Gemeinschaften ohne Rücksicht auf ihre soziale Po- sition, geschweige denn individuell nachgewiesene Schuld, traf, waren sie dennoch auf die Unschädlichmachung definierter Gruppen in definierten Territorien ausgerichtet, und nicht auf die Auslöschung ganzer Völker. Dafür sprechen die Tatsachen, dass auch nach den mas- siven Säuberungswellen weiterhin zehntausende Angehörige der betreffenden Ethnien in den gesäuberten Gebieten lebten, und dass die Strafmaßnahmen grundsätzlich durchaus in erzie- herischer Absicht, also mit der Aussicht auf Läuterung und Reintegration in die Gesellschaft, angelegt waren.20 Auch die 15.000 Deutschen, die im Frühling 1936 deportiert wurden, wurden anhand der Wahrscheinlichkeit, mit der sie sich wieder in die Gesellschaft integrieren ließen, in drei Klas- sen eingeteilt. Die erste Gruppe bestand vornehmlich aus ehemaligen Angehörigen der Roten Armee, die der Umsiedlung optimistisch gegenüber standen. Die zweite Gruppe waren jene, die mit ausreichender propagandistischer Bearbeitung nach Ansicht der Behörden durchaus noch versöhnt werden könnten. Die dritte Gruppe schließlich bestand aus solchen, die bereits die Invasion der deutschen Wehrmacht erwarteten, um sich mit ihren Rasseverwandten zu vereinen, und galten demzufolge als hoffnungslos.21 18Weiner (2003), S.248 19Weiner (2003), S.252 20Weiner (2003), S.255ff. 21Weiner (2003), S.257

45 5 Kommunistische Perspektiven

Dass sich mit dem nahenden Krieg, sowie während des Kriegs und ganz besonders nach dem Zweiten Weltkrieg die Dynamik der stalinistischen Feindeslogik zunehmend zugunsten einer sich verschärfenden Ethnisierung und Nationalisierung und daher Essentialisierung eth- nischer und nationaler Gruppen beschleunigte, statt im Zuge der nachlassenden Gefährdung wieder schrittweise revidiert zu werden, hat nach Weiner ganz zentral mit dem Fortschreiten der sozialistischen Gesellschaft auf dem revolutionären Zeitstrahl in Richtung der Verwirk- lichung der kommunistischen Utopie, genauer: mit dem Zeitplan der Partei für diesen Fort- schritt zu tun. Die Verfestigung der sowjetischen Macht und besonders die offizielle Erklä- rung, dass die Stufe des Sozialismus in der Sowjetunion erreicht sei, bewirkte ein Schwinden des Vertrauens in die Lernfähigkeit jener Elemente der Gesellschaft, die in den Augen der Parteiführer noch immer kein adäquates sozialistisches Bewusstsein ausgebildet hatten. Die ehemals relativ eindeutig bestimmbaren Feinde transformierten sich im Zeitalter des Sozialis- mus zu einem heimlichen, trügerischen Feind, der sich wie ein Krebsgeschwür unbemerkt im Volkskörper ausbreitete. Im Sinne dieser biologisch-hygienischen Rhetorik musste der Feind wie Unkraut behandelt werden, das man am besten mitsamt der Wurzel aus der Erde zu ent- fernen und zu vernichten hatte.22 Eine Reintegration dieser Elemente schien immer weniger möglich und erstrebenswert. Der Große Vaterländische Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in der sowjetischen Terminolo- gie genannt wurde, hat also zum einen zur Ethnisierung des inneren Feindes dadurch beigetra- gen, dass Angehörige der nicht-russischen Nationalität insgesamt häufiger mit den Besatzern kollaborierten und sich weit weniger in der Partisanenbewegung engagierten und daher als hauptverantwortlich für die insgesamt attestierte Passivität der Bevölkerung während der Be- satzungszeit galten.23 Zum anderen drängte die ultimative Bedrohung durch den Nationalso- zialismus die Führer der Sowjetunion zur Erstellung eines vollständigen und schnellstmöglich umzusetzenden Plans zur Erreichung der kommunistischen Utopie, in dessen Angesicht die unzuverlässigen Elemente umso dringlicher entfernt werden mussten, sollte das Projekt Er- folg haben wollen. Der Umgang mit den Deutschen in der Sowjetunion – deren grundsätzliche Gefährdung, sich vom nationalsozialistischen Virus infizieren zu lassen, sich am offensichtlichsten auf- drängte – diente dabei als Modell, nach dem auch die anderen Nationalitäten behandelt wur- den, nämlich der Übergang vom Säubern bestimmter Gebiete von verdächtigen Elementen zur Säuberung von Völkern als ganzes.24 Das Dekret zur Umsiedelung der Wolga-Deutschen vor der Ankunft der deutschen Wehrmachtssoldaten wurde schließlich auf alle in der Sowjetunion 22Zur Bedeutung der hygienisch-biologischen Rhetorik in der sowjetischen Propaganda siehe: Daniel Weiss (2005): Ungeziefer, Aas und Müll : Feindbilder in der Sowjetpropaganda. In: Philipp Sarasin (Hg.): Fremdkörper. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 16.Jh., Heft 3, 2005. Inns- bruck/Wien/Bozen: Studienverlag. S.109-122 23Weiner (2003), S.259 24Weiner (2003), S.258

46 5 Kommunistische Perspektiven lebenden Deutschen ausgeweitet und beinhaltete auch das Entfernen aller Deutschen aus den höheren Rängen der Roten Armee. Diese Maßnahmen waren dezidiert als prophylaktische Maßnahmen ausgegeben worden, weil Deutschen die grundsätzliche Neigung zu diversionis- tischen und feindlichen Einstellungen gegenüber der sowjetischen Macht unterstellt wurde und nicht etwa konkrete anti-sowjetische Sabotage.25 Dass mit dem militärischen Sieg der Sowjetunion sich die Tendenz zur Ethnisierung der inneren Verfolgung weiter verschärfte, statt sich zu entspannen, verweist noch einmal deut- lich auf die stets progressive Ausrichtung des sowjetischen Unternehmens im Hinblick auf die kommende Erlösung. In dieser eschatologischen Weltsicht war die Kontrolle der Erin- nerungen an den Krieg mit dem Erzfeind mindestens genauso wichtig, wie die Verfolgung der tatsächlichen Kollaborateure. Auch in diesem Zusammenhang ist der Vereinheitlichungs- drang, nämlich die Vernichtung von mit der kommunistischen Harmonie inkompatiblen Er- innerungen an den Krieg, als das leitende Handlungsprinzip anzusehen, das zu den massiven ethnischen und nationalen Verfolgungen nach dem Krieg geführt hat. Die Restrukturierung der Gesellschaften wurde vor allem im östlichen Europa eng an eth- nisch und national möglichst homogene Verhältnisse gebunden, da gerade an den ethnischen Trennlinien während der autoritären Regime der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Welt- kriegs die gesellschaftlichen Bruchlinien verlaufen waren. Grauzonen der Erinnerung, wie sie heterogene Gesellschaften zwangsläufig aufgrund ihrer unterschiedlicher Erfahrungen hervor- gebracht hätten, wurden unter diesen Umständen als schädlich für den erwünschten Neuan- fang betrachtet. Der Bedarf nach klaren Linien zwischen Freund und Feind verlangte eine geeinte Vorstellung davon, wer in diesem Krieg Opfer und Täter war. Die massenhaften Ver- treibungen der deutschen Minderheiten aus den meisten mittel- und osteuropäischen Staaten war eine Folge dieser Vergangenheitspolitik. Das Verbot einer tatsächlichen inneren Aufar- beitung durch die Zivilgesellschaft eine andere.

„A dignified future required a heroic past. And if the past was to be a guide for the future, it had to be painted in crisp colors. No shades of gray would interfere with the heroic tale of the struggle between good and evil.“26

5.3 Die Rumänische Kommunistische Partei

Die Gründung der Rumänischen Kommunistischen Partei fand unter äußerst ungünstigen Um- ständen statt. Sie gründete sich als Sektion der Dritten Internationalen (Komintern), der kom- munistischen Weltorganisation unter der strikten Führung der KPdSU, deren erklärtes Ziel es war, die sozialistische Revolution auf die ganze Erde, oder zumindest einmal auf Europa 25Weiner (2003), S.258 26Weiner (2003), S.251

47 5 Kommunistische Perspektiven auszuweiten.27 Dabei wurden die kommunistischen Parteien in Europa angehalten, sämtliche nationalistischen Neigungen in ihren Ländern und vor allem in ihren eigenen Reihen unnach- giebig zu bekämpfen. Dass sich diese Weisung auffällig von der in der Sowjetunion zu dieser Zeit zutragenden Neubewertung der nationalen Frage weg vom radikalen Internationalismus hin zu einer affirmativen Aufwertung der verschiedenen nationalen Kulturen unterscheidet, liegt entscheidend an der geopolitischen Situation, in der sich die Sowjetunion nach der euro- päischen Neuordnung befand. Die sowjetische Parteiführung betrachtete – abgesehen von der nur viereinhalb Monate be- stehenden kommunistischen Räterepublik in Ungarn unter der Führung von Béla Kun – die Entstehung aller mittel- und osteuropäischer Nationalstaaten nach dem Ende des Ersten Welt- kriegs als eine Strategie der bürgerlichen Großmächte, einen cordon sanitaire zu errichten, der die Ausbreitung der bolschewistischen Herrschaft auf Europa verhindern sollte. Die na- tionalistischen Regierungen stellten in dieser Sichtweise ein Ausgreifen der imperialistischen Kräfte dar und waren vor allem deshalb zu bekämpfen, weil sie ihre oft zahlreichen nationa- len und ethnischen Minderheiten systematisch unterdrückten oder zu assimilieren versuchten. Aus diesem Grund sei eine Schwächung des inneren Zusammenhalts dieser Staaten anzustre- ben, was man dadurch zu erreichen trachtete, indem die Minderheiten zu irredentistischen Bewegungen aufgerufen wurden, die die staatliche Integrität der oft ohnehin durch antagonis- tische ethnische Beziehungen fragilen Gemeinschaften zerstören sollten.28 Ganz im Sinne Lenins verfolgte Moskau also die Taktik, bestehende nationale und ethni- sche Differenzen nicht einfach zu negieren, sondern deren Sprengkraft für die sozialistische Revolution nutzbar zu machen. Auf politischer Ebene ist die internationalistische Ausrich- tung der Kommunistischen Parteien also insofern einer Einschränkung unterlegen, als die Le- gitimität der Nationalstaaten durchaus unter Duldung nationaler Befreiungsbewegungen der Minderheiten bekämpft werden sollte. Innerhalb der kommunistischen Parteikader war der Ausdruck einer nationalen Zugehörigkeit jedoch strengstens tabuisiert.29 Im Kontext des rumänischen Staats trat die RKP aufgrund dieser strategischen Überlegun- gen offen für die Abspaltung Siebenbürgens ein und forderte darüber hinaus, dass Bessarabien der Sowjetunion angegliedert werden solle. Beide Regionen waren eben erst durch die Schaf- fung des großrumänischen Staates in das Staatsgebiet integriert worden und waren durch die 27Kołakowski (2008), S.872 28Mit dem Aufstieg Hitlers änderte sich die Haltung der Sowjets in dieser Frage grundlegend, da ein Zerfall der Tschechoslowakei oder Jugoslawiens eher Deutschland in die Hände gespielt hätte, als der Sowjetunion. Ab 1935 wurden die kommunistischen Parteien der Tschechoslowakei, Jugoslawiens, wie auch Rumäniens daher ermahnt, die nationale Unabhängigkeit in ihren jeweiligen Staaten zu unterstützen, weshalb eine Zusammen- arbeit mit den bürgerlich-nationalistischen Parteien durch die Bildung von so genannten „Volksfronten“ von da an ausdrücklich erwünscht war. François Fejto˝ (1988): The Soviet Union and the Hungarian Question. In: Borsody (Hg.), S.89-100:90f. 29Tismaneanu spricht von der „Doktrin des nationalen Nihilismus“. Vgl. Vladimir Tismaneanu (2003): Stali- nism for all Seasons : a Political History of Romanian Communism. Berkeley/Los Angeles/London: Univer- sity of California Press. S.69

48 5 Kommunistische Perspektiven nationalistische Mythologie in höchstem Maß mit Bedeutung aufgeladen. Ihre Einverleibung in den rumänischen Staat stellte für eine große Mehrheit der rumänischen Bevölkerung die Erringung eines historischen Sieges im Kampf für die nationale Einheit der Rumänen dar, der nach Jahrhunderten der Fremdherrschaften unter den drei großen europäischen Reichen der Osmanen, der Russen und der Habsburger endlich errungen werden konnte. Insbesondere das Verhältnis zu Russland war in der rumänischen Öffentlichkeit aufgrund der historisch schwierigen Beziehungen zu dem mächtigen Nachbarn als äußerst feindselig empfunden worden - ein Konflikt, der sich gerade an der Auseinandersetzung um Bessarabien am deutlichsten manifestierte. Dabei machte es für die Bevölkerung keinen Unterschied, ob die russischen Gebietsansprüche nun von einem sozialistischen oder irgend einem anderen russischen Regime gestellt wurden. Eine Unterstützung der sowjetischen Aspirationen auf Bessarabien wurde in so einem Zusammenhang als der ultimative Verrat an der rumänischen Nation verstanden. Insgesamt noch schwerer wog die Forderung, Siebenbürgen vom rumänischen Staat zu lö- sen. Das Gebiet westlich und nördlich der Karpaten war für die rumänische Nation von noch wesentlich höherer symbolischer Bedeutung als Bessarabien. Hier war im 18. Jahrhundert un- ter habsburgischer Herrschaft durch rumänische Geistliche der so genannte „siebenbürgische Latinismus“ ersonnen worden, der als erste rumänische Nationalbewegung gelten kann und in der die bis heute so zentrale Vorstellung der Rumänen als ein direkt aus der antiken römi- schen Herrschaft hervorgegangenes rein lateinisches Volk herrührt.30 Die gesamte rumänische Nationswerdung war seither immer von dem dialogischen Verhältnis zwischen Rumänen im Altreich und jenen in Siebenbürgen gekennzeichnet, deren Vereinigung trotz mancher Kon- flikte, die zwischen ihnen auch zu Zeiten bestanden haben mögen, in essentieller Weise die nationale Emanzipation versinnbildlicht. Die staatsterritorialen Standpunkte der RKP hätten allein schon jede Chance auf eine brei- tere Unterstützung der Kommunisten zunichte gemacht. Noch deutlicher tritt die extreme Au- ßenseiterposition der RKP jedoch zutage, wenn man das soziopolitische Milieu, aus dem die kommunistische Bewegung sich nährte, der allgemeinen politischen Kultur in Rumänien ge- genüberstellt.

5.4 Die „rumänische Seele“ und der Kommunismus – zwei unversöhnliche Sphären

Die rumänische Gesellschaft war auch noch nach dem Ersten Weltkrieg sehr stark von einer ländlichen Kultur geprägt.31 Dies trifft im Ganzen auf die Gebiete des so genannten Altreichs 30Ekkehard Völkl (1995), S.22 31„Noch in der Zwischenkriegszeit bildeten die Bauern über 70 Prozent der Einwohner Rumäniens.“ Cornelius R. Zach (2003): Das geistige Leben im Rumänien der Zwischenkriegszeit – politische Doktrinen und litera-

49 5 Kommunistische Perspektiven zu, aber auch in den neu erworbenen Landesteilen lebte gerade die rumänischsprachige Mehr- heitsbevölkerung zu einem überwiegenden Teil von der Landwirtschaft. Selbst in den durch starken Zuzug schnell wachsenden städtischen Zentren, in denen auch zaghafte Ansätze einer industriellen Modernisierung in Gang gesetzt wurden, kam es vorerst weniger zu einer Urbanisierung der Zuzügler, denn zu einer Ruralisierung der städtischen Mentalitätsstrukturen. Das bedeutet, dass auch die politische Öffentlichkeit massiv von Vor- stellungen getragen war, die aus einer ländlichen, bäuerlichen Lebenswelt stammten, die vor allem durch patriarchalische und traditionalistische Grundhaltungen gekennzeichnet war. Für den im Ganzen patriarchalisch-kommunitären Charakter der rumänischen Gesellschaft macht der namhafte Analytiker der rumänischen Seele, Michael Shafir, außerdem noch Desiderata einer orientalischen und von der christlich-orthodoxen Kirche geprägten Mentalität verant- wortlich.32 Nachdem das Land unter osmanischer Vorherrschaft über Jahrhunderte hinweg den Macht- habern in erster Linie als Quelle der persönlichen Bereicherung gedient hat - wie das etwa an der so genannten Fanariotenherrschaft33 beispielhaft ablesbar ist - hat sich ein traditionelles Verhältnis der Beherrschten zu ihren Herrschern entfaltet, das von tiefem Misstrauen und dem Gefühl der ständigen Ausbeutung durch eine parasitäre und chronisch illegitime Elite gekenn- zeichnet war - eine Vorstellung, die sich bis in die kommunistische Periode und wohl darüber hinaus als beständig erwiesen hat.34 Die Entwicklung der rumänischen Intelligenz, wie sie sich besonders im 19. Jahrhundert nach der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit (1859) und der Erlangung der staatlichen Souveränität (1877/78) zugetragen hatte, war von Anfang an trotz der erheblichen Einflüsse, die das politische Denken vor allem aus Frankreich – später auch zunehmend aus Deutsch- land35 – auf sie ausübte, von einer tiefen Skepsis gegenüber der Moderne geprägt, und wies zu einem großen Teil den westlichen Parlamentarismus, wie die liberalen Vorstellungen einer pluralistischen Gesellschaft entschieden zurück.36 Stattdessen herrschte eine politische Kultur vor, die sich über eine Vielzahl an Mythen, rische Strömungen. In: Peter Markel/Peter Motzan (Hg.): Deutsche Literatur in Rumänien und das „Dritte Reich“ : Vereinnahmung – Verstrickung – Ausgrenzung. München: IKGS Verlag. S.55-70:58 32Michael Shafir (1985): Romania, Politics, Economics and Society : Political Stagnation and Simulated Change. Boulder: Lynne Riener. S.6 33Die Fanariotenherrschaft bezeichnet eine von 1711/15-1821 andauernde Phase, in der der osmanische Sul- tanshof die Regentensitze der Moldau und der Walachei mit aus dem Istanbuler Stadtteil Fanar stammenden Griechen besetzte, die dafür wiederum sehr hohe Geldleistungen zu zahlen hatten und meist nur für kurze Zeit blieben. Um die hohen Finanzaufwendungen zu kompensieren, tendierten die Fanarioten daher dazu, ih- re Regierungszeit zu ihrer persönlichen finanziellen Bereicherung zu verwenden. Abgesehen davon sind aber in dieser Phase entscheidende strukturelle Weichenstellungen erfolgt, die für die weitere Landesentwicklung von großer Bedeutung waren. vgl. Völkl (1995), S.17-20 34Vgl. Schöpflin (1988), S.122 35Vgl. zur Perzeption deutscher Kultur und Persönlichkeiten innerhalb der rumänischen Eliten zur Zeit des Ersten Weltkriegs siehe: Lucian Boia (2009): Germanofilii : Elita intelectuala˘ româneasca˘ în anii Primului Razboi˘ Mondial. Bukarest: Humanitas 36Schöpflin (1988), S.125f.

50 5 Kommunistische Perspektiven

Symbolen und Abstraktionen in der Konstruktion einer rumänischen Seele und der Spezifität des rumänischen Volkes erging. Viele der traditionalistischen Denker, wie George Schöpflin beschreibt, „leugneten überhaupt die Möglichkeit, rationale Kriterien anzuwenden, um po- litische, ökonomische und soziale Phänomene zu entschlüsseln, sondern meinten, dass die Verherrlichung der Nation, Mystizismus und Kontemplation die Möglichkeiten der Vernunft übersteigen würden.“37 Die Einführung politischer Institutionen nach westlichem Vorbild, wäre nach Ansicht dieser Denker der Existenz des rumänischen Volkes völlig widerläufig, da es sich dabei um das Aufpfropfen fremdartiger Formen handelte, die dem Inhalt der rumäni- schen Seele nicht gerecht würden.38 Im allgemeinen politischen und intellektuellen Klima Rumäniens in der Zwischenkriegs- zeit gesellten sich zum Anti-Modernismus und Anti-Parlamentarismus, auch ein fundamen- taler Anti-Rationalismus, sowie starke xenophobe Ressentiments, die sich am deutlichsten in Antisemitismus und Anti-Magyarismus äußerten. Das Milieu, aus dem die kommunistische Bewegung stammte, könnte dieser Charakterisie- rung kaum gegensätzlicher sein. Der Sozialismus hat sich spätestens seit Karl Marx ganz zen- tral den spezifischen Problemen der Arbeiterschaft gewidmet, wie sie infolge der Industriellen Revolution entstanden waren. Die marxistische Philosophie trat zwar mit dem Anspruch an, ein universelles Modell zur Erklärung und Vorhersage des historischen Prozesses anzubieten, doch war sie – in Anlehnung an die grundsätzliche marxistische Einsicht von der Seinsgebun- denheit allen Denkens – aus spezifischen historischen und gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgegangen, was viel zu ihrer Verbreitung und ihrer Entwicklung zu einem politischen Programm beigetragen hat. Vielleicht das wichtigste Merkmal dieses Milieus ist sein städtisch-intellektueller Charak- ter. Alle zentralen Grundbegriffe des Marxismus nähren sich aus den enormen sozialen Um- wälzungen und Konflikten, die die Industrielle Revolution in den Industriezentren Mittel- und Westeuropas hervorgerufen haben. Ausbeutung und Abhängigkeit der beherrschten Klassen und Stände haben ohne Zweifel schon weit früher existiert, doch schuf erst die industrielle Arbeit jene spezifisch moderne Arbeiterklasse, die ohne jegliche gesellschaftliche Schutzein- richtungen in eine menschheitsgeschichtlich bis dahin vielleicht unerreichte Unterwerfung unter die Kapitaleigentümer gefallen war und die sich infolge von den Grundlagen ihrer eige- nen Existenz in fundamentalem Sinn entfremdet fühlte. Die Idee der Entfremdung verweist auf den Verlust der Unmittelbarkeit, der in der urbanen Lebenswelt statt findet, und wo daher die vormals als natürlich empfundenen Urzusammen- hänge der irdischen Existenz einer abstrakten Vermittlung bedürfen. Der Grad der Entfrem- dung wird auf diese Weise zu einem zentralen Charakteristikum des modernen Bewusstseins 37„Traditionalism denied the possibility of applying rational criteria to the decoding of political, economic, and social phenomena, but argued that the glorification of nationhood, mysticism and contemplation transcended reason.“ Schöpflin (1988), S.124f. unter Bezugnahme auf Michael Shafir 38Schöpflin (1988), S.125

51 5 Kommunistische Perspektiven und schafft jene intellektuelle Distanz zur natürlichen Welt, in der die menschliche Kontingenz und Vorstellungen der Veränderbarkeit der Verhältnisse täglich internalisiert werden können. Es liegt daher auf der Hand, dass die Dispositionen zu einer emanzipatorischen Grundhaltung ungleich zwischen ländlichem und städtischem Milieu verteilt sind. Existenz und Entwicklungsgrad (teilweise) industrialisierter Städte waren in den ehemals habsburgischen Landesteilen wesentlich weiter vorangeschritten, als im traditionalistischen Altreich. Die insgesamt als statisch zu bezeichnende politisch-kulturelle Grundhaltung der osmanischen Herrschaft hatte erst relativ spät und mit vergleichsweise schwächeren Auswir- kungen gerade in den Peripherien seines Reiches einen Modernisierungsprozess nach westli- chen Vorstellungen in Gang gesetzt. Aus diesen Gründen fehlte dem Sozialismus in Rumänien die gesellschaftliche Grundlage. Das beherrschende Thema in der intellektuellen Auseinan- dersetzung war bis tief ins 20. Jahrhundert hinein die nationale Emanzipation, die auch nach der staatlichen Unabhängigkeit und selbst nach dem Erreichen der territorialen Maximalziele nach dem Ersten Weltkrieg insofern dominant blieb, als die engen außenpolitischen Abhän- gigkeiten niemals wirklich überwunden werden konnten. Auf der oft manisch betriebenen Suche nach Identität griff man daher gerne auf mystische Untiefen der bäuerlichen Volks- kultur zurück, die die rumänische Bauernschaft ähnlich verklärte, wie die kommunistische Propaganda dies später mit der Arbeiterklasse machen sollte. Dass es in der RKP eine überproportional starke jüdische Präsenz gegeben hat, ist wohl als Teil eines überregionalen Phänomens zu verstehen. Trotz der deutlichen Dominanz durch die Minderheiten ist, wie Vladimir Tismaneanu entschieden betont, die RKP keinesfalls als eine ethnische Partei zu verstehen, die sich vorderhand den Anliegen der verschiedenen nationalen oder ethnischen Gruppen im Land verpflichtet fühlte. Vielmehr hatten die Kommunisten jeg- lichen Ausdruck nationaler Zugehörigkeit so weit wie möglich zu unterbinden versucht und stattdessen eine supranationale Identität angeboten, die Mitgliedschaft in der „universellen Armee der Befreier der Menschheit“ versprach.39 Dieses Angebot der ersatzlosen Transzen- dierung der nationalen Gegensätze zugunsten eines harmonischen Gesellschaftsentwurfs, in dem nationale oder ethnische Zugehörigkeit keine Rolle spielen, erschien für viele Juden im Lichte des zu dieser Zeit in Europa massiv um sich greifenden Antisemitismus wohl die letz- te Chance, dem drohenden Untergang zu widerstehen. Wie Isaac Deutscher in seinem Essay The Russian Revolution and the Jewish Problem für die osteuropäischen Juden darlegt, waren diese im frühen 20. Jahrhundert mehr oder weniger vor die Entscheidung gestellt, zwischen Zionismus und Sozialismus zu wählen. Sich der zionistische Sache anzunehmen, hätte nach Deutscher bedeutet, sich dem Triumph des Antisemitismus zu beugen und versprach dar- über hinaus keinerlei Sicherheit oder Angebot einer friedlichen Koexistenz in ihrer jeweiligen Heimat.40 Wie in vielen anderen Ländern Europas und der Welt trug die relative Dominanz 39Tismaneanu (2003), S.51 40Isaac Deutscher (1981): The Russian Revolution and the Jewish Problem. In: Isaac Deutscher: The non-Jewish

52 5 Kommunistische Perspektiven der Juden in der kommunistischen Bewegung auch in Rumänien zum verbreiteten Bild des ‚Judeo-Bolschewismus‘ bei, der in der kommunistischen Bewegung einen Agenten der jüdi- schen Weltverschwörung sah, wodurch das antisemitische und das antikommunistische Feind- bild in der Öffentlichkeit amalgamieren konnte. Warum sich kaum Angehörige der deutschen Minderheit innerhalb der RKP wieder fan- den, ist wiederum differenzierter zu betrachten. Was die Siebenbürger Sachsen anbelangt, so wurde bereits auf gewisse Charakteristika hingewiesen, die nahe legen, warum hier wenig Sympathien für die kommunistischen Bewegung bestanden haben mögen. Um es noch einmal zuzuspitzen, handelte es sich um eine überwiegend bäuerliche Kultur, die in relativ abgegrenz- ter Lebensweise einem isolationistischen und rückwärtsgewandten und Kulturipsismus frönte, der mit dem radikal zukunftsorientierten utopischen Kommunismus schwer vereinbar war. Im Banat wiederum, wo es durchaus bedeutende proletarische Massen der deutschen Min- derheit gegeben hatte, kam es zu häufigen Kontakten und Kooperationen der Arbeiterbewe- gung mit Mitgliedern und Sympathisanten der Kommunistischen Partei. Georg Hromadka hat über diese Episode der deutschen Arbeiterbewegung im Banater Bergland ein eindrucksvol- les Zeitdokument hinterlassen, das über die Beziehung der Kommunisten zu den deutschen Arbeitern Aufschluss gibt.41 Hier scheint sich ein Konflikt innerhalb der europäischen und in- ternationalen sozialistischen Bewegung widerzuspiegeln, der sich zwischen einer vor allem in West- und Mitteleuropa (zumal Deutschland) erfolgreichen sozialdemokratischen Strömung einerseits und der infolge der Oktoberrevolution in Russland sich durchsetzenden bolsche- wistischen Bewegung andererseits auf theoretischem, ideologischen und politischen Terrain abgespielt hatte. Trotz der gelegentlichen Aktionseinheit der sozialdemokratisch dominierten deutschen Arbeiterbewegung im Banater Bergland mit den Kommunisten blieb diese Diffe- renz letztlich unüberbrückbar, da gerade die von Moskau dirigierten Kommunisten während der 1920er und der ersten Hälfte der 1930er Jahre einen strengen Kurs der ideologischen Rein- heit deutlich vor eine Ausweitung des politischen Radius durch eventuelle Kompromisse mit politisch verwandten aber nicht identischen Strömungen stellten. Weiters ist hier aber auch von emotional begründeten Antipathien zwischen der deutschen Arbeiterschaft und großen Teilen der kommunistischen Bewegung auszugehen, deren Vorurteile und Vorbehalte einer engeren Zusammenarbeit offenbar nachhaltig im Weg standen. Die seit ihrer Gründung vertretene Haltung der RKP in der nationalen Frage, die vor allem auf das Recht der Selbstbestimmung der Völker bis zur Abtrennung gewisser Provinzen vom rumänischen Staat insistierte, war nicht nur eine bei der breiten Bevölkerung enorm unpo- puläre Haltung, sondern zog nahe liegender Weise auch den Zorn der Bukarester Regierung auf sich. Nur drei Jahre nachdem die Partei gegründet wurde, wurde sie von der rumänischen Regierung im Jahr 1924 verboten. Von Anfang an gelang es der Regierung, die RKP durch Jew and other Essays. London: Oxford University Press. S.60-83 41Hromadka (1993)

53 5 Kommunistische Perspektiven verschiedene Diskriminierungsmaßnahmen von einer weiter reichenden Teilnahme am politi- schen Prozess in Rumänien abzuhalten. Mit dem Verbot wurde diese Tendenz jedoch extrem verschärft, sodass die Existenz der Partei fortan ständig stark bedroht war. Es kam zu Mas- senverhaftungen von Parteimitgliedern und strikter Verfolgung. Die ohnehin sehr niedrigen Mitgliederzahl sank von etwa 2.000 bis 2.500 vor dem Verbot auf 1.200 im Jahr 1931 ab42, und blieb während der folgenden Jahre auf konstant niedrigem Niveau. Im August 1944, als der Zweite Weltkrieg in Rumänien endete, hatte die RKP nicht mehr als 1.000 Mitglieder und stellte damit die proportional zur Einwohnerzahl kleinste aller in Osteuropa vertretenen Kommunistischen Parteien dar.43 Für die wenigen kommunistischen Aktivisten im Lande war das Gefängnis daher eine häu- fige gemeinsame Erfahrung. Eine große Zahl der Parteifunktionäre hatte mitunter langjäh- rige Haftstrafen in Gefängnisanlagen wie Doftana, Mislea, Dumbraveni,˘ Bra¸sov oder Jila- va verbüßt oder musste ihre Zeit im zumeist sowjetischen Exil verbringen. Ungeachtet der Diskriminierung und Verfolgungen konnten die Kommunisten selbst hinter den Gefängnis- mauern ein funktionierende und authentische politische Aktivität aufrecht erhalten. Für die spätere Entwicklung der Partei von großer Bedeutung war die sich unter diesen Umständen ausdifferenzierende Teilung der Partei in drei Gruppen: zum Ersten war das die so genannte „Gefängnisgruppe“, innerhalb derer sich der rumänische Arbeiter Gheorghe Gheorghiu-Dej als Anführer herausgestellt hatte; zum Zweiten die „Moskauer Gruppe“ – eine Gruppe aus im sowjetischen Exil agierenden Kommunisten, die dort meist einer exzessiven ideologischen Schulung durch die Moskauer Kaderschmieden ausgesetzt waren und als deren wichtigste An- führerin sich Ana Pauker durchsetzen sollte; und schließlich zum Dritten eine kleinere Gruppe um den zeitweiligen Parteiführer ¸Stefan Fori¸sund Remus Koffler, die in Rumänien in Freiheit die laufenden Geschäfte der Partei abwickelten, wenig später nach dem Ende der Illegalität aber ersetzt und danach liquidiert wurden.44 Der Aufstieg Hitlers in den 1930er Jahren und das Anwachsen der faschistischen Bewe- gungen in ganz Europa hatte nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Europa und darüber hinaus drastische Konsequenzen auch innerhalb der kommunistischen Bewegung. Neben der bereits erwähnten Änderung der taktischen Paktfähigkeit der Kommunistischen Parteien in Osteuropa, die ab 1935 angehalten wurden, Allianzen mit den bürgerlichen Parteien zuguns- ten einer Zurückdrängung der faschistischen und nationalsozialistischen Gefahr einzugehen, waren die Auswirkungen dieses Aufstiegs vor allem auf die innere Struktur der KPdSU und die gesamte kommunistische Weltbewegung folgenschwer. Je mehr sich die Zeichen mehrten, dass es zu einem kriegerischen Zusammentreffen der beiden antagonistischen Systeme des Fa- schismus mit dem Kommunismus kommen würde, desto stärker radikalisierte sich sowohl die 42Tismaneanu (2003). S.57f. 43Tismaneanu (2003), S.59 44Tismaneanu (2003), S.83; eine genauere Beschreibung der „drei Zentren“ der Partei ebenda, S.97-104

54 5 Kommunistische Perspektiven

Rechte als auch die Linke. Im Angesicht dieser biblischen Bedrohung der ‚fortschrittlichen Menschheit‘ gelang es Stalin und seiner Führungsriege, sämtliche oppositionellen Stimmen zum Schweigen zu bringen, indem jeder noch so zaghafte Aufruf zu Moderatheit nur als ver- steckte Agentenschaft für den Faschismus ausgelegt wurde.45 Auf diese Weise konnte die heute für den Stalinismus als charakteristisch geltende Atmosphäre des totalen Gehorsams kreiert werden, in der jeder Befehl aus dem Moskauer Machtzentrum mit völliger Selbst- aufopferung ausgeführt werden musste und innerparteiliche Kritik oft mit dem Tod bestraft wurde.46

45auch in Westeuropa war es der Aufstieg des Nationalsozialismus, der innerhalb der Linken eine tendenziell kritiklose Zustimmung zum Kommunismus stalinistischer Prägung hervorrief. „Das Bestreben, angesichts des Faschismus um jeden Preis aus dem engen Käfig Europa auszubrechen, war zu jener Zeit so groß, dass die kommunistische Exotik, wie suspekt sie sich aufmerksameren und nüchternen Betrachtern auch darstell- te, von vornherein emphatisch begrüßt wurde. Gerade dank dieses quasi-religiösen Subtextes leuchteten die Kremlsterne der gesamten Menschheit so lange, und post factum ist es daher so schwer, die eigene grandio- se Verblendung einzugestehen.“ Michail Ryklin (2003): Räume des Jubels : Totalitarismus und Differenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.158 46Tismaneanu (2003), S.62, 73

55 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

Rumänien war im Jahr 1941 unter Führung von Ion Antonescu an der Seite Hitler-Deutschlands in den Krieg gegen die Sowjetunion eingetreten mit dem erklärten Ziel, die zuvor durch das ‚Wiener Diktat‘ verlorene Nordbukowina und vor allem Bessarabien, sowie Teile der Moldau zurückzugewinnen.1 Als nach der Kriegswende die sowjetischen Truppen unaufhaltsam Rich- tung Westen vordrangen, befand sich die Militärdiktatur Antonescus in einer aussichtslosen Situation. Der rumänische Seitenwechsel – d.i. die Verhaftung von Marschall Antonescu am 23. August 1944 durch König Mihai und die Installierung einer neuen Regierung bestehend aus einer Koalition der demokratischen Parteien und der darauf folgende Kriegseintritt Rumä- niens auf Seiten der alliierten Mächte – kann als eine Art letzter Versuch gewertet werden, das Schicksal des Landes in rumänischen Händen zu bewahren. Da dieser Frontwechsel jedoch ohne ein vorheriges Waffenstillstandsabkommen vollzogen wurde, betrachtete die Sowjetu- nion Rumänien vorerst weiterhin als Kriegsgegner und besetzte weite Teile des Territoriums militärisch.2Am 25. August 1944 erklärte die Regierung unter Ministerpräsident San˘ atescu˘ Deutschland den Krieg, wodurch sich auf rumänischen Staatsgebiet plötzlich bisherige Waf- fengefährten als Kriegsgegner gegenüberstanden. Am 7. September wurde schließlich Ungarn der Krieg erklärt, noch bevor der Waffenstillstand mit der Sowjetunion am 12. September in Moskau unterschrieben wurde.3 Aufgrund dieses militärischen Verlaufs hatte sich die Sowjetunion eine nachhaltige Präsenz in Rumänien verschafft, die für den Aufbau der kommunistischen Herrschaft von immenser Wichtigkeit war. Die territoriale Restituierung von Bessarabien, der Nordbukowina und der an die Sowjetunion abgetretenen Teile der Moldau war unter diesen Umständen eine unmögliche Forderung geworden. Umso wichtiger war jedoch der Wiedererhalt von Nordsiebenbürgen, das zuvor durch den Zweiten Wiener Schiedsspruch im Sommer 1940 an Ungarn gefallen war. Moskau hatte die Aspirationen Rumäniens auf Nordsiebenbürgen im Waffenstillstands- abkommen zuerst akzeptiert, doch zögerten sie eine endgültige Lösung über den Status Nord- 1Virgiliu ¸Târau˘ (1997): Problema na¸tionala˘ în politica Partidului Comunist Român în anii 1944-1946. Consi- dera¸tiipreliminare. In: Anuarul Institutului de Istorie Cluj-Napoca XXXVI 1997. Cluj-Napoca: Academia Româna,˘ Filiala Cluj-Napoca, Institutul de Istorie. S.223-241:223 2Völkl (1995), S.158 3Völkl (1995), S.159f.

56 6 Kommunistische Revolution und Diktatur siebenbürgens aus taktischen Gründen hinaus, zumal die geopolitische Situation in Südosteu- ropa zu diesem Zeitpunkt noch unklar war und man sich einen erweiterten Handlungs- und Manipulationsspielraum offen lassen wollte.4 Für die als „National-Demokratische Front“ (FND) agierende rumänische Regierung und ganz besonders für die innerhalb der Front immer einflussreicher werdenden Kommunisten, gestaltete sich die Siebenbürgenfrage zur politischen Priorität erster Wahl, stellte diese Frage von nun an das Herzstück der rumänischen politischen Agenda dar, von deren Erfolg die Legi- timität jeder Regierung abhing. Dementsprechend war es auch der sowjetischen Regierung ein zentrales Anliegen, die Situation in Nordsiebenbürgen zu kontrollieren, um auf diese Weise ihre eigenen Interessen in Rumänien zu gewährleisten. Unter dem Vorwand der Frontsiche- rung und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung installierte sie daher zusätzlich zu der vertraglich vereinbarten rumänischen Zivilverwaltung im September 1944 auch eine so- wjetische Militärverwaltung.5 Dadurch und durch den direkten Einfluss, den die KPdSU auf die rumänische Regierung vor allem durch die vollständige Abhängigkeit der RKP ausüben konnte, war die Sowjetunion der mit Abstand wichtigste Akteur in dieser Frage.6 Das vordringlichste Problem, das mit der Situation in Nordsiebenbürgen verknüpft war, wa- ren die durch die autoritären und diktatorischen Regime verursachten ethnischen Spannungen, die durch die konkurrierenden staatlichen Ansprüche Ungarns und Rumäniens auf das Gebiet noch zusätzlich belastet wurden. Als im März 1945 auf Druck des sowjetischen Gesandten Andrei Januarjewitsch Wyschinski eine neue kommunistisch dominierte Regierung unter Mi- nisterpräsident Dr. eingesetzt wurde, machte er deutlich, dass die Eingliederung Nordsiebenbürgens in den rumänischen Staat an die Bedingung geknüpft sei, die (kommu- nistischen) Prinzipien der Nationalitätenpolitik einzuführen.7 Damit befand sich die RKP vor der ungemein schwierigen Aufgabe, die (Re-)Integration Siebenbürgens in die nationalstaat- lichen Strukturen Rumäniens zu bewerkstelligen und dabei die emotional hoch aufgeladenen Beziehungen zwischen den verschiedenen Ethnien in Siebenbürgen zu entspannen, während sie gleichzeitig um die Sympathien der rumänischen Nation zu kämpfen hatte, bei der die Partei enorm unter dem Image litt, von (ethnisch) Fremden gelenkt zu werden, die noch da- zu versuchten, eine fremde (sowjetische) Ideologie zu importieren.8 Auf diese Weise wurde die Nationalitätenfrage in Siebenbürgen zum Kernproblem der kommunistischen Machterlan- gung und zum raison d’être der Kommunistischen Partei. „Wenn wir in der Nationalitätenfra- 4 ¸Târau˘ (1997), S.224 5 ¸Târau˘ (1997), S.226 6Die westlichen alliierten Mächte überließen den Sowjets in Osteuropa ziemlich freie Hand und meldeten wenig Gestaltungsanspruch an. Vgl. Mark Kramer (2009): Stalin, Soviet Policy, and the Consolidation of a Communist Bloc in , 1944-53. In: Vladimir Tismaneanu (Hg.): Stalinism Revisited : The Establishment of the Communist Regime in East-Central Europe. Budapest/New York: Central European University Press. S.51-101:63f. 7 ¸Târau˘ (1997), S.228 8 ¸Târau˘ (1997), S.228

57 6 Kommunistische Revolution und Diktatur ge Kompromisse machen, glaube ich nicht, dass wir noch einen Grund haben zu existieren,“ brachte es Petru Groza am 6. Juli 1945 in einer Sitzung der National-Demokratischen Front über die Siebenbürgenfrage auf den Punkt.9

6.1 Nationalitätengesetzgebung

Gemäß ihrem zentralen Anspruch auf eine versöhnliche Nationalitätenpolitik in Rumänien gestalteten die Kommunisten unter der Führerschaft der sowjetischen Genossen ihre grund- sätzliche politische Position, wie auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen von Beginn an betont tolerant und entgegenkommend. Virgiliu ¸Târau˘ fasst die Position der RKP, wie sie im September 1944 formuliert wurde folgendermaßen zusammen: „Völlige Gleichheit aller Bürger, ohne Unterschied von Nationalität, Religion oder Geschlecht; Herstellung einer Ord- nung der freundlichen Koexistenz der Nationalitäten; die Notwendigkeit der Attraktivität der National-Demokratischen Front bei den mitwohnenden Nationalitäten10; die Abschaffung der diskriminierenden Rechtslage und die Einführung des Gesetzes für nationale Minderheiten durch den revolutionären Druck von unten.“11 Neben der immensen inneren Bedeutung, die die Lösung der nationalen Frage gerade in Siebenbürgen hatte, stellte dieser Aspekt auch auf internationalem Terrain das wahrscheinlich wichtigste Legitimationsmoment der kommunis- tischen Bewegung überhaupt dar. Der Zweite Weltkrieg war bereits von vielen Zeitzeugen als das Ergebnis eines bis an sein Extrem getriebenes Prinzip der ethnischen und nationa- len Segregation verstanden worden, deren zerstörerische Konsequenzen gerade in den auto- ritären (proto-)faschistischen Regimes in Mittel- und Osteuropa sehr augenscheinlich zutage getreten war. In diesem Sinne konnte die RKP nach dem Krieg tatsächlich von ihrer ideolo- gischen Kompromisslosigkeit und ihrer politischen Marginalität vor und während des Kriegs profitieren, indem sie immer wieder darauf aufmerksam machte, dass sie die einzige politi- sche Kraft im Land sei, die sich während der Jahre der reaktionären Herrschaft niemals an der rassistischen Politik mitschuldig gemacht habe. Die Anschuldigung der Kooperation mit dem Faschismus wurde ganz besonders gegen die bei der Landbevölkerung relativ populäre Nationale Bauernpartei von Iuliu Maniu, aber auch gegenüber den Koalitionspartnern in der National-Demokratischen Front wiederholt vorgebracht. Vasile Luca, ein hochrangiger Funk- tionär und Politbüro-Mitglied der RKP, sowie Generalsekretär der National-Demokratischen Front, der in der Frage von Nordsiebenbürgen immer wieder federführend aufgetreten ist, beschwert sich etwa in einer Politbüro-Sitzung vom 4. Mai 1945 bei seinen Genossen, dass selbst die Sozialdemokratische Partei in Cluj noch immer in Linie mit den ungarischen Chau- 9Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 57/1945, S.12 10Offizieller Terminus der Kommunisten für nationale Minderheiten („na¸tionalita¸tiiconlocuitoare“)˘ 11 ¸Târau˘ (1997), S.228

58 6 Kommunistische Revolution und Diktatur vinisten gehe.12 Den Kampf gegen den Chauvinismus – insbesondere in Nordsiebenbürgen – bezeichnet er hingegen als die Grundlage seiner Arbeit und die seiner Partei.13 Die enorme Sensibilität, die die kommunistische Mission der Verbrüderung von ethnischen Ungarn und ethnischen Rumänen in Nordsiebenbürgen verlangt, spiegelt sich in den Reden der kommunistischen Parteimitglieder wider, auch und vor allem wenn es sich um interne Besprechungen handelt.14 Mit peinlich genauer Formulierung und fast gebetsmühlenartigen Wiederholungen achteten sämtliche Diskussionsteilnehmer des Zentralkomitees darauf, die Verantwortung der interethnischen Spannungen, die in den Nachkriegsjahren zu Zusammen- stößen mit etlichen Verletzten und sogar Toten geführt haben15, den rumänischen und und den ungarischen Chauvinisten zu gleichen Teilen zuzuschreiben.16 Schwierigkeiten bereiteten dabei oft die Funktionäre vor Ort, die in der Regel über keinerlei ideologische Schulung verfügten, um in heiklen Situationen richtig zu handeln. Als besonders problematisch wurde speziell in den Széklergebieten, wo die Anteile der nichtrumänischen Bevölkerung lokal oft über 90 Prozent lagen, aber auch in den vielen anderen gemischt- sprachigen Teilen Siebenbürgens, die nicht ausreichenden sprachlichen Voraussetzungen der Funktionäre empfunden. Ohne Überzeugungs- und Informationsarbeit in den Dörfern und Städten vor Ort in den jeweiligen Sprachen der Betroffenen vorzutragen, würden alle Bemü- hungen der kommunistischen Politik zwangsläufig scheitern. Aus diesen Gründen gab es sehr viele Beschwerden über lokale Parteimitglieder, die selbst dem Klima der chauvinistischen Animositäten erlagen und zu den Differenzen oft mehr beisteuerten als zu ihrer Überwin- dung. Dies stellte für die Führungsebene der RKP ein enormes Problem dar, deren politische Zukunft von ihrer völligen Zuverlässigkeit in dieser Frage abhing. In diesem Sinne scheiterte auch vorerst das für den Erfolg der Verbrüderungsmission so wichtige Gleichgewicht bei der Mobilisierung von Angehörigen der Minderheiten und ethnischen Rumänen. Wie Luca im Mai 1945 anmerkt, nährte die hohe Zahl an ethnischen Ungarn in der RKP weiterhin massiv das Misstrauen der Rumänen, und es mussten endlich Maßnahmen ergriffen werden, mittels 12Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945, S.10 13Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945, S.3 14Auffällig ist etwa die unterschiedliche Argumentationsstruktur in zwei nur zwei Monate auseinanderliegenden Reden von Vasile Luca über das nationale Problem in Nordsiebenbürgen: in einer internen Sitzung des Polit- büros der RKP am 4. Mai 1945 schildert er in erster Linie ein diskriminierendes Verhalten der ungarischen Bevölkerung gegenüber den Rumänen, die von den Ungarn mit verächtlicher Arroganz behandelt würden; zwei Monate später am 6. Juli legt er in einer Sitzung der National-Demokratischen Front gegenüber den Koalitionspartnern in wesentlich aufgeregterer Rhetorik ausführlich die systematischen Diskriminierungen der Székler dar. Vgl. Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945 sowie ebenda Dosar 57/1945 15Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945, S.4 16Die dem historischen Diskurs erwachsende Neigung der kommunistischen Sprecher, das Wort „Chauvinis- mus“ stärker mit dem ungarischen Nationalismus zu assoziieren, während „Faschismus“ öfter im Zusam- menhang mit dem rumänischen Nationalismus genannt wird, findet seinen Ausdruck in der umständlichen aber äußerst oft gebrauchten doppelten Terminologie „Chauvinismus-Faschismus“, was wiederum auf die genaueste Beachtung einer unparteilichen Rede in dieser Frage verweist. Vgl. Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945

59 6 Kommunistische Revolution und Diktatur einer „Psychologie der Massen“ ganz gezielt breite Schichten der rumänischen Bevölkerung sowie deren Intellektuelle anzusprechen.17 Die emotionale Erreichung des rumänischen Vol- kes sollte in erster Linie durch Einsetzen von rumänischen Lokalfunktionären bewirkt werden, wie aber auch dadurch, dass Luca bewusst die Verwendung von nationaler Symbolik in der Öffentlichkeit gefördert hat, nicht als Provokation, wie er nachdrücklich betonte, sondern als Anstoß der Verbrüderung. Hier wird deutlich, dass die internationalistische Versöhnungspo- litik der RKP in diesen Jahren auf eine betont proaktive Förderung der nationalen Identitä- ten und eine möglichst umfassende Bekanntmachung der kommunistischen Haltung in dieser Frage zielte, und keineswegs auf Unterdrückung der nationalen Zugehörigkeiten. Es ist wohl dem anhaltenden Misserfolg, mit dieser Strategie auch die Herzen der rumänischen Bevölke- rung zu gewinnen, zu verdanken, dass ab Mitte der 1950er Jahre hier ein radikal anderer Weg eingeschlagen wurde, der eine massive Zurückdrängung jeglicher nichtrumänischer nationa- ler Identitäten beinhaltete und im Nationalstalinismus Nicolae Ceau¸sescusseine Vollendung erfuhr.

6.2 Die Deutschen: Feinde oder Minderheit?

Was im Rumänien der Nachkriegszeit als Nationalitätenproblem behandelt wurde, betrifft al- so fast ausschließlich das Verhältnis der ethnischen Rumänen zu den ethnischen Ungarn und ist auch territorial im Grunde auf die besonders heikle Situation in Nordsiebenbürgen be- schränkt. Ein ebenso schwerwiegender, numerisch zwar kleinerer, aber für die kommunisti- sche Politik mit Sicherheit problematischerer Umstand, ist die Anwesenheit einer weiteren nationalen Minderheit, nämlich die der rumänischen Staatsbürger deutscher ethnischer Her- kunft. Dass diese Frage im Zuge der Diskussionen um die Nationalitätenfrage nicht vorkam, sondern in der Regel als ein gesonderter Punkt auf der Tagesordnung auftauchte, verweist be- reits auf das entscheidende Problem, dass die rumänischen Staatsbürger deutscher ethnischer Herkunft nicht als Minderheit, sondern als ehemalige Kollaborateure des deutschen national- sozialistischen Imperialismus und daher als Feinde der neuen Regierung und des rumänischen Volkes behandelt wurden. Die ontologische Ambivalenz, die sich im Hinblick auf den Status der Sachsen und Schwaben aus dieser Haltung ergibt – es ist argumentativ schließlich nicht leugbar, dass es sich bei diesen Deutschen sehr wohl um eine nationale Minderheit gehandelt hatte – stellt in den Jahren 1944/45 bis 1948, als schließlich die Integration der Deutschen in die sozialistische Gesellschaft initiiert wurde, das deutsche Problem für die Kommunistische Partei Rumäniens dar. Wie weiter oben ausführlicher dargelegt wurde, vollzog ein erheblicher Teil der deutsch- sprachigen Gruppen in Rumänien im Verlauf der 1930er Jahre und besonders während des 17Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945, S.4-5

60 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

Zweiten Weltkriegs eine kognitive Wende ihres identitären Selbstverständnisses von einer na- tionalen Minderheit im multiethnischen rumänischen Staat zu einem organischen Bestand- teil der deutschen Nation. Besonders die Kriegserfahrungen, die nicht nur in der Allianz der rumänischen Armee mit der deutschen Wehrmacht bestanden haben, sondern die etwa 10 Prozent der ethnisch deutschen Gesamtbevölkerung in Rumänien innerhalb der deutschen mi- litärischen Verbände – und hier vor allem in der SS – gemacht haben18, hatten eine enorme identitätsstiftende Funktion auch für die Daheimgebliebenen. Was während des gemeinsa- men deutsch-rumänischen Ostfeldzugs noch vereinbar schien, bedeutete nach dem Seiten- wechsel Rumäniens am 23. August 1944, dass diese Leute der rumänischen Armee plötzlich als Kriegsgegner gegenüberstanden. In der allgemeinen Irritation verließen große Teile der deutschsprachigen Gruppen vor der Ankunft der Roten Armee das Land. In Nordsiebenbür- gen hatte die Wehrmacht die deutschsprachigen Gruppen evakuiert, während in vielen größe- ren Gemeinden im Banat etliche die Flucht Richtung jugoslawischer und ungarischer Grenze ergriffen. Insgesamt hatten auf diese Weise etwa 100.000 ethnische Deutsche ihre Heimat verlassen, von denen jedoch viele später wieder zurückkehrten oder von der Roten Armee gefangen genommen und in Lagern in Rumänien interniert wurden.19 Tatsächlich wurden ab September 1944 aufgrund dieser Umstände gegen alle rumänischen Staatsbürger deutscher ethnischer Herkunft Repressionsmaßnahmen ergriffen, wovon nicht einmal deutsche Sozialdemokraten und Kommunisten, die während des Krieges gegen den Faschismus und Nationalsozialismus gekämpft hatten, ausgenommen wurden.20 Neben dem Entzug staatsbürgerlicher Grundrechte, wie des Wahlrechts und des Rechts auf Vereinsgrün- dung, bediente man sich hierbei vor allem zweier Mittel: der Deportation in Arbeitslager in der Sowjetunion zur teilweisen Wiedergutmachung der von den Deutschen im Zweiten Welt- krieg verursachten Schäden; und ihrer Enteignung, die über die Umsetzung der Agrarreform im Jahr 1945 größtenteils vollzogen wurde. Warum es nicht, wie in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei zu ihrer Vertreibung gekommen ist, ist von der Forschung bis zum heu- tigen Tag nicht hinreichend geklärt. Nachweisbar ist, dass es im Herbst 1944 eine deutsche Absichtserklärung zur vollständigen Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien gegeben hat, der auch die rumänische Regierung unter Ministerpräsident Constantin San˘ atescu˘ prinzipiell 18Der Endbericht der präsidialen Kommission zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien (fortan „Endbericht PKAKDR“) geht unter Berufung auf Zahlen des rumänischen Außenministeriums von etwa 50.000 rumänischen Staatsbürgern deutscher ethnischer Herkunft aus, die in den deutschen Militärverbänden gedient hätten (www.presidency.ro/static/.../RAPORT_FINAL_CPADCR.pdf, S.542)(25.5.2011); Hannelore Baier spricht von etwa 65.000. siehe: Hannelore Baier (2009): Die Deutschen in Rumänien in den Jahren 1945 bis 1948. In: Hausleitner (Hg.), S.173-180:174; Markus Wien wiederum nennt etwa 75.000: Markus Wien (2004): The Germans in Romania : the Ambiguous Fate of a Minority. In: Steffen Prauser/Arfon Rees (Hg.): The Expulsion of the ´German´ Communities from Eastern Europa at the End of the Second World War. EUI Working Paper HEC No. 2004/1. Florenz: European University Institute. Im Internet verfügbar unter: cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/2599/HEC04-01.pdf (9.6.2011) 19Endbericht PKAKDR, S.542 20Endbericht PKAKDR, S.542

61 6 Kommunistische Revolution und Diktatur zugestimmt hat.21 Die Deportation von ethnischen Deutschen in die sowjetischen Arbeitslager erfolgte auf- grund eines von Stalin unterzeichneten geheimen Befehls vom 16. Dezember 1944, demzu- folge alle arbeitsfähigen Deutschen - bei Männern von 17 bis 45, bei Frauen von 18 bis 30 Lebensjahren - in den von der Roten Armee befreiten Gebiete in Rumänien, Jugoslawien, Bul- garien, Ungarn und der Tschechoslowakei „mobilisiert“ werden müssten. Bei der im Jänner 1945 erfolgten Durchführung dieses Befehls haben die rumänische Regierung, sowie deren Behörden von Polizei und Gendarmerie tatkräftig mitgewirkt.22 Das zweite Mittel, das sich explizit gegen die deutschsprachige Bevölkerung in Rumänien richtete, war die Umsetzung der Agrarreform, die im gesamtpolitischen Zusammenhang als eine sofortige Maßnahme zur Aufwertung vor allem der rumänischen Bauern gedacht war und daher als wichtiger Bestandteil der kommunistischen Strategie zu verstehen ist, ihre Po- pularität bei der breiten Landbevölkerung zu steigern. Daneben sollte die Agrarreform die Bestrafung jener ermöglichen, die für Desaster des Landes verantwortlich gemacht wurden, worunter neben Kriegsverbrechern und Funktionären des faschistischen Regimes auch viel- fältig definierte Personenkreise gemeint waren, die sich in verschiedener Weise ideologisch auffällig verhalten hatten.23 In der Notverordnung Nr.178/1945 zur Umsetzung der Agrar- reform sah die kommunistisch dominierte Regierung die Konfiszierung von Eigentum jeder physischen oder juristischen Person vor, die mit Hitler-Deutschland kollaboriert hat. Da die Definition, wer in dieser Frage als Kollaborateur zu gelten hatte, auch einfache Mitglieder der 1940 durch die NSdAP gegründeten Deutschen Volksgruppe umfasst, und im Falle der in die SS eingetretenen sogar deren Vorfahren und Nachfahren mit einschließt24, betrafen die Ent- eignungen faktisch den gesamten sächsischen und schwäbischen Besitz im Land.25 Das Ge- setz zur Gründung der Deutschen Volksgruppe vom 20. November 1940 sah nämlich vor, dass alle rumänischen Staatsbürger, die sich zum deutschen Volk bekannten bzw. deren deutsche ethnische Herkunft anerkannt war, von der Führung der Deutschen Volksgruppe als solche registriert wurden.26 Weiters wurde später im Jahr 1945 (undatiert, sicher jedoch nach dem 6. 21Endbericht PKAKDR, S.542f. 22Endbericht PKAKDR, S.545. Die Befehle zur Mobilisierung der deutschen Bevölkerung an die lokalen Be- hörden finden sich in: Mihnea Berindei/Dorin Dobrincu/Armand Go¸su(Hg., 2009): Istoria Comunismului din România : documente : Perioada Gheorghe Gheorghiu-Dej (1945-1965). Comisia Preziden¸tiala˘ pentru Analiza Dictaturii Comuniste din România. Bukarest: Humanitas. 23Vgl. Baier (2009); Vom Notstandsgesetz vom 1. September 1945 für die Verfolgung und Sanktionierung der am Desaster des Landes Schuldigen und der Kriegsverbrecher sind unter anderem auch solche betroffen, die sich durch Schrift, Stimme oder in irgendeiner anderen Form in den Dienst des Faschismus oder Hitleris- mus gestellt hatten sowie solche, die mit der deutschen oder einer mit dieser verbündeten Armee das Land verlassen haben. Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 352/1945 24Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 373/1945, S.4 25Endbericht PKAKDR, S.546 26Vgl. die von den Vertretern der Sachsen und Schwaben an die ZK-Mitglieder Ana Pauker und Vasile Luca ge- richtete Denkschrift vom 31. Mai 1945. Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 373/1945, S.4

62 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

August 1945) eine Notverordnung erlassen, die eine Definition der zu enteignenden Personen vorsieht, welche keinerlei Bezug mehr auf irgendwelche Anschuldigungen der Kollaboration beinhaltet und Vor- und Nachfahren aller der deutschen Minderheit zuzurechnenden Perso- nen mit einschließt. Allein die Ausstellung eines Zertifikats durch eine staatliche Behörde, das die nichtdeutsche ethnische Herkunft bestätigt, war hiernach ausreichend, der Enteignung zu entgehen.27 Die Bilanz, die Landwirtschaftsminister Traian Savulescu˘ am 10. Jänner 1947 gezogen hatte, lautete: „143.000 Familien und 95% des sächsischen und schwäbischen Land- besitzes - einschließlich der Häuser - enteignet [. . . ].“28 Das ungemein scharfe Vorgehen der kommunistischen Führung in der Frage der Deutschen macht gerade, wenn man die Sensibilität, mit der zur gleichen Zeit die rumänisch-ungarischen Beziehungen behandelt wurden, bedenkt, deutlich, dass der RKP an einem versöhnlichen Aus- kommen mit einer zukünftigen deutschen Minderheit in dieser Phase keinesfalls gelegen sein kann. Stattdessen deutet vieles darauf hin, dass man lange an die Möglichkeit ihrer Aussied- lung bzw. ihrer Vertreibung geglaubt hat, wenngleich diese Option bereits im Sommer 1945 erheblichen Widerstand innerhalb der rumänischen Regierung erfuhr - zu einem Zeitpunkt als in Ungarn und der Tschechoslowakei große Bevölkerungstransfers durchgeführt wurden, die eben auch die Vertreibung von Millionen von Deutschen beinhalteten. Ungeachtet der weitge- hend einhelligen Absicht innerhalb der National-Demokratischen Front (FND), die Deutschen auch aus Rumänien zu vertreiben, mahnte Ministerpräsident Groza in der Sitzung vom 6. Ju- li 1945, dass diese Option in der gegenwärtigen internationalen Lage nicht in Frage käme: „Rumänien hat eine politische Position erlangt in der öffentlichen Meinung der westlichen Demokratien, in England und Amerika. Wenn wir diese Position verlieren, geraten wir wie- der ins Chaos.“29 Bis weit ins Jahr 1946 scheint die kommunistische Politik gegenüber den Deutschen wei- terhin in diesem Dilemma steckenzubleiben. Die radikalen Diskriminierungsmaßnahmen der Deutschen führten zu starken sozialen Spannungen in Siebenbürgen und im Banat und im Lauf der Zeit auch immer öfter zu lokalen Zusammenstößen mit Rumänen, Ungarn und Ro- ma, die die Besitznachfolge in den enteigneten deutschen Häusern und Höfen antreten woll- ten.30 Daher waren die Repressionsmaßnahmen in den Augen Vasile Lucas, aber auch an- derer ZK-Mitglieder, im Grunde an deren anschließende Außer-Landes-Schaffung gebunden, da die enormen innere Unruhen, die die Maßnahmen auslösten, weder international noch im Hinblick auf die öffentliche Ordnung auf Dauer tragbar seien.31 Im April 1946 äußerte Ge- neralsekretär Gheorghiu-Dej in einer Diskussion gegenüber Stalin, dass sie in der Frage der 27Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 347/1945 28Baier (2009), S.177; vgl. Endbericht PKAKDR, S.547 29Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 57/1945, S.12-13 30Berichte darüber finden sich relativ häufig. Vgl. Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 57/1945, S.11; ebenda Dosar 74/1946, S.16; ebenda Dosar 44/1946, S.14-15 31Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 57/1945, S.11-16

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Deutschen deren Vertreibung anstrebten, was Stalin allerdings mit der Feststellung, dass der Krieg vorbei sei, zurückwies.32 In der Politbüro-Sitzung vom 9. August 1946 fasste Ion Gheorghe Maurer33 das Problem zusammen, wobei er besonders den bevorstehenden Abschluss der Friedensverhandlungen in Paris in Erinnerung rief, der hier ganz zentral zu berücksichtigen sei. Die Möglichkeit der Umsiedlung der ethnischen Deutschen aus Rumänien war unter den gegebenen interna- tionalen Umständen nur noch in ausdrücklicher Übereinkunft mit Deutschland denkbar, da eine gewaltsame Vertreibung von der internationalen Staatengemeinde niemals mehr akzep- tiert worden wäre. Sollte diese von allen Politbüro-Mitgliedern klar favorisierte Option schei- tern, geriete aber auch die interne Handhabe dieser Frage unter massiven öffentlichen Druck, da man den in Artikel 4 des Friedensvertragsentwurfs festgesetzten Grundsatz der völligen Rechtsgleichheit für alle rumänischen Staatsbürger mit dem Agrarreformgesetz klar verletze. Die bisherige Haltung, an der Vasile Luca auch in dieser Sitzung noch nachhaltig festhielt, nach der die Deutschen bei der Agrarreform nicht als Nationalität, sondern als Kollaborateure betrachtet würden34, würde laut Maurer früher oder später in Frage gestellt werden und als Diskriminierung „aufgrund ihrer rassischen Herkunft“ ausgelegt werden.35 Ohne einen verbindlichen Entschluss in dieser Sache zu fassen, resümierte Gheorghiu-Dej den Tagesordnungspunkt mit der Feststellung, dass die bisherige interne Handhabe vorerst beibehalten würde, nachdem eine vollständige Lösung dieses Problems während des Kriegs aufgrund der fehlenden Entschlossenheit der Partei verabsäumt worden sei.36 Mit dieser sich durchsetzenden Einsicht, dass die deutsche Frage ein internes Problem Rumäniens bleiben würde, ist hier jedoch die spätere Eingliederung der Deutschen in die sozialistische Gesell- schaft schon vorweg genommen. Die offensichtliche Unvereinbarkeit der Behandlung der deutschsprachigen Rumänen mit dem von den Kommunisten wie von der internationalen Staatengemeinde geteilten Grundsatz, der den Schutz von nationalen, ethnischen und religiösen Minderheiten zur obersten Priorität der europäischen Nachkriegsordnung erklärte, macht hinreichend deutlich, worin das Problem für die kommunistische Parteiführung bestanden hat, wie sie auch die Widerstände vonseiten der Deutschen nachdrücklich erklärt. 32Das Stenogramm dieser Diskussion, die am 2. und 3. April in Moskau statt fand, und an der neben Gheorghe Gheorghiu-Dej auch Teohari Georgescu für die RKP teilnahm, sowie für die KP (b) der UdSSR neben Stalin auch der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow und der spätere Vorsitzende des Ministerrates Georgi Maximilianowitsch Malenkow, findet sich in: Berindei/Dobrincu/Go¸su(Hg., 2009), S.47-59 33der im Übrigen selbst deutscher ethnischer Herkunft war – siehe: Georgeta Daniela Oancea (2005): My- then und Vergangenheit : Rumänien nach der Wende. Dissertation. Im Internet verfügbar unter: edoc.ub.uni- muenchen.de/4577/1/Oancea_Daniela.pdf (17.6.2011), S.34 (Anm. 70) 34Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 44/1946, S.16; vgl. Baier (2009), S.177 35Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 44/1946, S.15 36Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 44/1946, S.16

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Die Gründe für das Vorgehen der Kommunisten sind bisher jedoch kaum genauer beleuch- tet worden, was insofern ein besonderes Versäumnis darstellt, da selbige keineswegs auf der Hand liegen. Wenn, wie das exemplarisch im Werk von Vladimir Tismaneanu nachvollzieh- bar ist, das Verbrecherische Anfang und Ende des kommunistischen Regimes darstellt, und die gewaltsame Repression zur Essenz dieser Herrschaftsform erklärt wird, scheint sich ei- ne Analyse der inneren Motivationen hierfür zu erübrigen. Sowohl zeitgenössische Anklagen wie auch gegenwärtige Analysen unterstellen hier den Kommunisten meist ein weitgehend affektgesteuertes Verhalten, das sich in Rachsucht und Zerstörungswut auf die Deutschen ent- laden hätte. Es handle sich nach dieser Lesart letztlich bloß um einen speziellen Ausschnitt der Verbrechen, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen und im Namen des Stalinismus begangen wurden. In der Tat finden sich wenige rationalisierte Besprechungen über die grundlegenden Beweg- gründe für die anti-deutschen Repressionen, was der These eines vorrationalen Affekts zu- mindest teilweise Plausibilität verleiht. Dennoch sind aus einer nicht auf machtpolitische und disziplinierende Aspekte verengten Perspektive Unvereinbarkeitsdimensionen konstruierbar, die die Innensicht der RKP in Bezug auf dieses Problem erhellen können. Diese Dimensionen der Inkompatibilität sollen im Folgenden kurz skizziert werden.

6.2.1 Dimensionen der Inkompatibilität

6.2.1.1 Geopolitische Dimension

Das aufdringlichste und unmittelbarste Problem, das die Kommunisten mit der Anwesenheit der deutschen Minderheit in Rumänien verbanden, ist ihre so empfundene Funktion als „Vor- posten des deutschen Imperialismus.“ Die hier analysierten Dokumente aus dem ZK der RKP zeigen, dass es kaum Wortmeldungen zum deutschen Problem von Mitgliedern der RKP gibt, die nicht in expliziten Begriffspaarungen oder zumindest innerhalb des Diskussionszusam- menhangs auf diese Instrumentalisierung der deutschsprachigen Rumänen für die deutschen geopolitischen Bestrebungen in Mittel- und Osteuropa hinweisen. Wie Mark Kramer unter Bezugnahme auf neuerdings eingeschränkt zugängliche Akten aus Stalins persönlichem Ar- chiv betont, war die Entstehung des kommunistischen Blocks in Osteuropa zuerst auf die sowjetische Minimalforderung zurückgegangen, eine Art Schutzzone gegen weitere euro- päische Invasionen und insbesondere gegen die Gefahr eines wiedererstarkenden deutschen Militarismus zu errichten.37 Der politische Zusammenhalt des erst schrittweise entstehenden Blocks wurde entscheidend durch die einende Angst vor den Deutschen begünstigt.38 Stalin erachtete vor allem die fehlende Loyalität der nicht-russischen Nationalitäten als entschei- dende Schwächung des Widerstands gegen die nationalsozialistische Besatzung während des 37Kramer (2009), S.59 38Kramer (2009), S.101

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Zweiten Weltkriegs, wobei er gerade den deutschen Minderheiten eine besondere Funktion in dieser Frage zuschrieb. Die Vertreibung dieser Gruppen war also ganz wesentlich auf diesen Aspekt der zukünftigen Gefährdung der staatlichen Widerstandsfähigkeit gegen ein erneutes Ausgreifen des deutschen Imperialismus zurückzuführen. Der ehemalige sowjetische Spion und für den Aufbau der Geheimpolizei in Rumänien zuständige Emil Bodnara¸s,formulier-˘ te unter Berufung auf die Haltung von Petru Groza die Forderung nach der Vertreibung der Deutschen im August 1946 daher so: „Warum liquidieren wir nicht ein für alle mal diese Pi- laster mit ihrem Drang nach Osten (deutsch im Original, Anm. des Autors), die morgen oder übermorgen, angenommen Deutschland erholt sich wieder, die Träger der imperialistischen Expansion werden.“39

6.2.1.2 Sozialstrukturelle Dimension

Nicht nur in Rumänien, sondern in fast allen kommunistischen Staaten Europas und Asi- ens bestand das Kernstück der sozial-und wirtschaftspolitischen Anstrengungen während der Phase der stalinistischen Revolutionen viel weniger aus der Industrialisierung als aus der Kol- lektivierung der Landwirtschaft. Die sozialstrukturellen Voraussetzungen, die sich den kom- munistischen Parteien sowohl in Russland, als auch in fast allen europäischen Staaten, die nach 1945 kommunistisch wurden, darboten, waren mit Ausnahme der hochindustrialisierten Tschechoslowakei durchwegs landwirtschaftliche Volkswirtschaften, woran auch die Kom- munisten nur wenig ändern konnten. Die Revolutionen bestanden also nicht darin, dass die Bauern verschwunden wären, sondern dass die bäuerliche Gesellschaft verschwand.40 Die unmittelbar nach dem Kriegsende durchgeführte Agrarreform war für die RKP das zentrale politische Projekt, das nicht nur der Steigerung der eigenen Popularität diente, son- dern eine ungemein wichtige sozialpolitische Weichenstellung bedeutete, indem mittels der Reform sämtliche historische Verteilungszusammenhänge des landwirtschaftlichen Besitzes sowie der landwirtschaftlichen Produktion zerstört wurden, um darauf die neue revolutio- näre soziale Ordnung überhaupt erst begründen zu können. Der Hauptfeind dieser Reformen waren naturgemäß die in der sowjetischen Terminologie als Kulaken41 bezeichneten Groß- bauern, über deren Enteignung die umfassenden Umverteilungsaktionen an breite zuvor be- sitzlose Massen erst ermöglicht werden konnte. Die ländlichen Besitztümer der Sachsen und Schwaben waren hierfür von besonderem Interesse, da jene aufgrund der historischen Privi- 39Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 44/1946, S.14 40Ken Jowitt (2009): Stalinist Revolutionary Breakthroughs in Eastern Europe. In: Tismaneanu (Hg.), S.17- 23:20 41Entsprechend der stalinistischen Theorie über die „Diktatur des Proletariats“, die die Einheit der Arbeiterklas- se mit den armen Bauern anstrebte, wurden die Bauern in Rumänien je nach der Fläche ihres Landbesitzes in vier Kategorien eingeteilt: die proletarischen Bauern, die armen Bauern, die mittleren Bauern und die Ku- laken. Die ersten beiden Kategorien sollten sich demzufolge mit der dritten vereinigen und gemeinsam den Kampf gegen die Kulaken aufnehmen, die dadurch zum prinzipiellen Klassenfeind erklärt wurden. Tisma- neanu (2003), S.109

66 6 Kommunistische Revolution und Diktatur legien, die sie während der habsburgischen und ungarischen Herrschaft genossen hatten, über anteilsmäßig viel mehr landwirtschaftlichen Besitz verfügten, als etwa die sehr viel ärmeren Rumänen. Weiters sind hier noch die erheblichen Besitztümer, die sich in Siebenbürgen in den Händen der evangelischen Landeskirche und im Banat in denen der römisch-katholischen Kirchengemeinden befanden, anzuführen. Die äußerst konsequent betriebene Enteignung des deutschen Landbesitzes in den ersten Jahren der Agrarreform sind daher wohl in erster Linie auf die dadurch den Kommunisten erwachsenden Verteilungsspielräume erklärbar, von denen der Erfolg der Agrarreform letzt- lich entscheidend abhängig war. Wiewohl das Vorgehen gegen die Deutschen mit besonderem Nachdruck vorangetrieben wurde, ist hier daran zu erinnern, dass diese Maßnahmen auch die Angehörigen aller anderen Nationalitäten getroffen haben. Kulaken (rumänisch chiaburi), inklusive deren Familien, hatten unter weitreichenden Diskriminierungen zu leiden, die sich auch etwa auf den Zugang zu höherer Bildung auswirkten. Während der so genannten rumäni- schen Kulturrevolution wurden Kinder von Großbauern und andere Angehörige von Schich- ten mit „ungesundem“ sozialen Hintergrund von den Universitäten ausgeschlossen bzw. deren höchst mögliche schulische Abschlüsse limitiert.42

6.2.1.3 Kulturelle Dimension

Mehr als in allen anderen Bereichen war innerhalb der kommunistischen Kulturpolitik der An- spruch inhärent, vollkommene Einheitlichkeit in der Gesellschaft herzustellen. Dies bedeutete zum einen, dass es die Aufgabe der mit kulturpolitischen Agenden betrauten Parteisektionen43 war, mittels Zwangsmaßnahmen der politischen Zensur spontane Bewegungen in den intellek- tuellen Zirkeln Rumäniens zu verhindern, und zum anderen musste eine als Richtschnur fun- gierende Standardisierung kultureller Produktion erarbeitet werden, deren Ausformung sich freilich vom sowjetischen sozialistischen Realismus ableitete.44 Auch in diesem Zusammenhang ging von den deutschsprachigen Gruppen in Rumänien ein erhebliches Störpotential aus. Besonders deutlich wird dies bei den Siebenbürger Sach- sen, die in ihrer Jahrhunderte langen historischen Eigenständigkeit ein ausgeprägt idiosyn- kratisches Kulturleben hervorgebracht haben, das einmal abgesehen von seiner inhaltlichen Charakterisierung, vor allem dadurch problematisch erscheint, dass es sich von den Formen der kulturellen Produktion ihrer nicht-sächsischen Nachbarn so deutlich unterschied. Dies be- trifft neben den entwickelten literarischen Traditionen, den Wissenschaften und den Künsten 42Cristian Vasile (2009): Propaganda and Culture in Romania at the Beginning of the Communist Regime. In: Tismaneanu (Hg.), S.367-385:374 43Von 1945 bis 1948 waren die Agitprop-Aktivitäten innerhalb der zentralen Sektion für politische Erziehung (SCEP) organisiert, einer durch die nicht vorhandenen alleinigen Kontrolle der RKP im Ganzen inkohärente Organisation. 1948 wurde schließlich die Abteilung für Propaganda und Agitation als Sektion des ZK der RKP geschaffen, über die Kommunisten ihre Kulturpolitik wesentlich effizienter organisieren konnten. Vgl. Vasile (2009) 44Vgl. Vasile (2009)

67 6 Kommunistische Revolution und Diktatur auch und vor allem das allgemein volkstümliche Geistesleben, worin wiederum die Religion als herausragendes Element hervorsticht. Die antireligiösen Einstellungen der kommunisti- schen Herrschaften brauchen hier nicht im Detail erörtert zu werden. Im Fall des rumänischen Kommunismus ist aber die Tatsache hervorzuheben, dass einzig der rumänisch-orthodoxen Kirche ein nachhaltiges Bestehen gestattet wurde, während gegen alle anderen Religionsge- meinschaften mit äußerster Konsequenz vorgegangen wurde.45 Dies erklärt sich daher, dass die totalitären Ansprüche des kommunistischen Regimes keinerlei Loyalitäten außerhalb ihrer eigenen Herrschaftssphäre dulden konnten und daher vor allem die an Rom orientierten Ka- tholiken und Unitarier, aber auch die zahlreichen Protestanten für sie eine potentielle Quelle der Subversion darstellten.46 Allein die orthodoxe Kirche konnte sich aufgrund ihres nationa- len Charakters, sowie der Zugehörigkeit zum slawischen – und damit sowjetisch kontrollierten – Kulturkreis mit dem Regime arrangieren und dadurch ihre traditionellen Verbindungen zur Staatsmacht auch während des Kommunismus aufrecht erhalten. Spätestens mit der 1947 vom sowjetischen Chefideologen Ždanov in seiner berühmten Kominform-Rede verkündeten Zwei-Lager-Theorie war eine dezidierte Abwendungen von allen Ausdrücken einer „westlichen“ Kultur eine ideologische Notwendigkeit47, wodurch die traditionelle Orientierung der deutschsprachigen Rumänen an Mitteleuropa eine Form der staatlichen Subversion darstellte.

6.2.1.4 Kognitive Dimension

Aufgrund dieser sicher nicht nur in den Augen der Kommunisten schwer überbrückbaren Gegensätzlichkeiten, ist schließlich noch eine kognitive Dimension einzuführen, welche die fehlende Bereitschaft der Deutschen, die Legitimität ihrer Beherrschung durch die rumäni- schen Kommunisten, sowie die fehlende Integration der Deutschen in die multiethnischen Strukturen ihres Heimatlandes bezeichnet. Wie in den Darstellungen zu den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben mehrfach deutlich geworden ist, hat die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer massiven Desinte- gration der multikulturellen Gesellschaft in Rumänien geführt. Die Reaktion der Sachsen und Schwaben bestand in einer spezifisch das Deutsche hervorhebenden Selbstisolierung von den 45Zum (unvollständigen) Säkularisierungsprozess in Rumänien siehe: Bogdan Mo¸sneagu(2009): Die rumäni- sche orthodoxe Kirche und die Moderne : Aspekte eines Säkularisierungsprozesses im 19. Jahrhundert. In: Flavius Solomon/Krista Zach/Juliane Brandt (Hg.): Vorbild Europa und die Modernisierung in Mittel- und Südosteuropa. Berlin: LIT Verlag. S.105-122 46Die rücksichtslose Zerschlagung der unierten Kirche, die aufgrund ihrer ethnischen Struktur nicht weniger rumänisch war als die orthodoxe, verdeutlicht auch hier, dass ethnisch begründete Überlegungen für die Kommunisten in dieser Phase wohl tatsächlich nachgeordneter Natur waren. Vgl. Lucian Boia (2001): His- tory and Myth in Romanian Consciousness. Budapest: Central European University Press. S.72: „The Uniate church, which was no less Romanian than the Orthodox, was dissolved in 1948 and its bishops and priests imprisoned. Its relations with Rome, and so with the West, could not be tolerated.“ 47Vasile (2009), S.369f.

68 6 Kommunistische Revolution und Diktatur anderen Ethnien, was von den Deutschen selbst als eine Abhebung gegenüber den minder- wertigen östlichen Nationalitäten verstanden wurde. Im Besonderen betraf dies während des Zweiten Weltkriegs das Verhältnis zum rumänischen Staat, dem man nur noch eingeschränkt Loyalität entgegenbrachte. Der Gegensatz zwischen westlicher Zivilisation und östlicher Barbarei wurde aus Sicht der Sachsen und Schwaben in bisher unübertroffener Weise offenbar, als sich in ganz Rumänien, aber mit Sicherheit noch viel mehr unter dessen deutschsprachigen Gruppen, die als Inbegriff des östlichen Despotismus geltende kommunistische Ideologie auszubreiten begann. Während man also von einer besonderen Ablehnung des Kommunismus unter den deutschsprachigen Rumänen ausgehen muss, kann die auf Tradition und historische Errungenschaften bauende elitäre Haltung, die das deutsche Selbstverständnis weitgehend kennzeichnete, nur auf min- destens genauso große Antipathien seitens der Kommunisten gestoßen sein. Die geokognitive Ausrichtung der Deutschen hatte sich in den vorangegangenen Jahrzehnten in die genaue Ge- genrichtung von dem bewegt, was nach 1945 in Rumänien passiert ist.

6.2.2 Kommunistische Folgerungen und deutsche Verteidigungsstrategien

Es liegt auf der Hand, dass viele der hier vorgebrachten Argumente nicht nur auf die deutsch- sprachigen Gruppen in Rumänien zutreffen und mit Sicherheit nicht einmal dort uneinge- schränkte Gültigkeit besitzen. Die Legitimität der RKP war gerade auch unter den ethnischen Rumänen außerordentlich gering, bei denen der Faschismus im Übrigen genauso starken Zu- lauf erfahren hat, wie unter den Deutschen der Nationalsozialismus, wodurch die kulturelle wie kognitive Dimension der Inkompatibilität in etwas anderer Form durchaus auch auf die ethnischen Rumänen anwendbar wären. Doch würde man das Problem verfehlen, wenn man die Politik der RKP hier ausschließlich als Reaktion auf die historischen politischen und kul- turellen Entwicklungen betrachtet. Seine charakteristische Bedeutung erhalten all die Maß- nahmen erst, wenn man ihren gestalterischen Anspruch adäquat in Rechnung stellt. Die Grobschlächtigkeit der Darstellungen in Bezug auf identitäre und politisch-kulturelle Eigenschaften der verschiedenen politischen, ethnischen und nationalen Gruppen sind nicht nur ein analytisches Problem, sondern entsprechen eben tatsächlich auch dem politischen Pro- zess in der behandelten Periode. Der kommunistischen Parteiführung war dabei in jedem Au- genblick klar, dass ihre Maßnahmen nicht nur die tatsächlich Schuldigen trafen, sondern alle Angehörigen einer speziellen Gruppe ohne Unterschied ihrer individuellen Vergangenheit. Was in der kommunistischen Propaganda die ‚Wissenschaftlichkeit‘ ihrer Herrschaft genannt wurde, beinhaltet eine Vorgehensweise, die die subjektiven Meinungen einzelner Personen tendenziell ignorierte, und stattdessen ihre Politik auf den objektiven Kriterien der Zugehörig-

69 6 Kommunistische Revolution und Diktatur keit zu einer soziologisch oder ethnisch definierten Gruppe gründete.48 Zu den objektiven Kri- terien, die ganze Personenkreise zu potentiellen Feinden des Regimes machten, gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg im Besonderen Kriegserfahrungen wie die von Armeeangehörigen, die längere Zeit in deutscher Gefangenschaft oder Lagerhaft verbracht hatten oder überhaupt von solchen, die in intensiveren Kontakt mit dem mittel- und westeuropäischen Lebensstan- dard gekommen waren. Der Einfluss fremder Ideologien, der Kontakt mit der Bevölkerung in verschiedenen europäischen Ländern und besonders der dort offensichtlich herrschende größere Wohlstand, prägten in den Augen der stalinistischen Führung das Bild der ideolo- gischen ‚Kontaminierung‘, oder ‚Infizierung‘, die ein entscheidendes Motiv für die erneuten Terrorwellen in der Sowjetunion in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren darstellten.49 Demzufolge war auch die Rhetorik gegenüber den Deutschen in Rumänien vor allem nach dem Ende der offenen Repressionen stark von der Vorstellung geprägt, die ‚geistigen Vergif- tungen‘, die der Nationalsozialismus bei ihnen angerichtet hat, auszumerzen. In diesem Sinne ist hier die zentrale Forschungsfrage erneut zu stellen, nämlich: Welche Bedeutung hatten die anti-deutschen Repressionen für die Herstellung der kommunistischen Herrschaft bzw. für die Herstellung der sozialistischen Gesellschaft? Zur Beantwortung dieser Frage ist es nützlich, noch einmal die Dynamik der stalinisti- schen Feindeslogik und den zentralen Stellenwert des Terrors und der Säuberungen für das Funktionieren der stalinistischen Herrschaft in Erinnerung zur rufen. Die Bestimmung und Verfolgung der inneren Feinde war das wesentlichste Element zur Definition dessen, was die neue Ordnung auszumachen hatte, oder in den Worten Alain Badious: „Einen neuen Men- schen zu schaffen läuft immer darauf hinaus, dass man die Zerstörung des alten verlangt. Die gewaltsame, die unversöhnliche Diskussion bezieht sich darauf, was der alte Mensch ist.“50 Insofern die physische Vernichtung der Deutschen aus verschiedenen Gründen nicht durch- führbar war, zielten die Repressionen auf die möglichst vollständige Zerstörung der deutschen Kultur bzw. auf die Zerstörung der für diese Kultur ausschlaggebenden Geisteshaltung. In ma- terialistischer Grundauffassung bedeutete dies die Zerstörung der dörflichen Gemeinschaften, in denen diese Kultur ihren natürlichen Nährboden entwickelt hatte. Damit wollte man „die objektiven Bedingungen vernichten, die eine Wiedergeburt des Hitlerismus begünstigen wür- den.“51 In diesem Sinn ist der Verfolgung der Deutschen aus kommunistischer Perspektive auch eine sinnstiftende und für die deutsche wie für die nichtdeutsche Bevölkerung pädagogische Funktion zuzuschreiben. Vasile Luca hat daher auf seiner politischen Reise nach Nordsieben- bürgen im Frühjahr 1945 seinem Aufruf zur Verbrüderung der ethnischen Ungarn mit den 48Vgl. Vladimir Tismaneanu (2009): Diabolical Pedagogy and the (Il)logic of Stalinism in Eastern Europe. In: Tismaneanu (Hg.), S.25-49:39 49Vgl. Kramer (2009), S.72ff. 50Alain Badiou (2006): Das Jahrhundert. Zürich/Berlin: Diaphanes. S.17 51Petru Groza zitiert nach Baier (2009), S.178

70 6 Kommunistische Revolution und Diktatur ethnischen Rumänen dadurch Nachdruck verliehen, dass er an das gemeinsam erlittene Leid beider Völker und an den gemeinsam geführten Kampf gegen den deutschen Imperialismus erinnerte, was seinen Auskünften zufolge bei den Massen wie bei den Intellektuellen sehr gut angekommen sei.52 Die stets an der zukünftigen Utopie orientierte Politik der Kommunisten legte also Wert auf eine eindeutige Zuweisung in gut und böse – in schuldig und unschuldig –, und nicht auf eine sorgfältige Aufarbeitung der Geschichte, die sich der Frage der komplizierten Verteilung der Verantwortung an den Geschehnissen und Verbrechen während der vergangenen Jahrzehnte gewidmet hätte. Dass dabei enormes individuelles Unrecht geschehen ist, war weder unbe- kannt, noch wurden irgendwelche Versuche unternommen, dies zu verhindern. Wie Michail Ryklin treffend formulierte: „Der Bedarf an einem Opfer ist unausweichlich stärker als die Kriterien, nach denen jemand als Opfer ausgewählt wird.“53 Das einzige Kriterium, das für die Bestrafung der deutschsprachigen Gruppen in Rumänien herangezogen wurde, war deren ethnische Zugehörigkeit zum deutschen Volk. Es ist dabei bezeichnend für die stalinistische Nationalitätenpolitik, dass die Definition dessen, wer der deutschen ethnischen Gruppe ange- hört, direkt an die nationalsozialistische Definition anknüpfte, nach welcher die Register der „Deutschen Volksgruppe“ angelegt wurden. In diskursanalytischen Begriffen bedeutet das, dass sich die Transitionsphase vom Übergang der nationalistisch-bürgerlichen Gesellschaft zur sozialistischen Gesellschaft auch im gleichzeitigen Bestehen verschiedener konzeptionel- ler Auffassungen gesellschaftlicher Kategorisierungen manifestiert. Der Internationalismus, der gerade für die Frühphase des rumänischen Kommunismus den zentralen Funktionszusam- menhang beschreibt, erfährt hier vorerst nur eine teilweise Umsetzung. Wie in den theoreti- schen Ausführungen zu diesem Problem bereits dargelegt wurde, kann man die Ethnisierung der sowjetischen Bevölkerungspolitik, die nach 1945 auch in Rumänien zur Anwendung ge- kommen ist, als eine Strategie verstehen, bestehende diskursive Ordnungen der bürgerlichen Gesellschaft in einer Weise zu instrumentalisieren, dass damit letztlich die Auflösung genau dieser Ordnungen bewirkt werden kann. Die affirmative Anerkennung der nationalen Zugehö- rigkeiten zielte letztlich immer darauf ab, sie in weiterer Folge durch rein auf sozioökonomi- schen Grundlagen definierten Zugehörigkeiten zu ersetzen. Die Revolution, die als die schritt- weise Umschreibung der diskursiven Formationen beschrieben werden kann, macht sich hier also ihre eigene Unvollständigkeit insofern zunutze, als sie eben diese Umschreibung im Fall der Deutschen suspendiert oder hinauszögert. Die Begründung der anti-deutschen Repressio- nen sind auf die diskursiven Zusammenhänge jener Ordnung angewiesen, die die kommu- nistische Revolution eigentlich mit allen Mitteln bekämpft. Dieses Argument könnte auf die gesamte stalinistische Nationalitätenpolitik angewandt werden. Die Differenz zwischen der gesellschaftlichen Praxis und der utopischen Ordnung, auf die diese Praxis angeblich hinzielt, 52Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 36/1945, S.5-6 53Ryklin (2003), S.62

71 6 Kommunistische Revolution und Diktatur war letztlich immer die fatale Legitimationsstrategie, mit der die stalinistischen Verbrechen begründet wurden. „Indem sich der Bolschewismus den äußeren Anschein des Kommunis- mus gab, verübte er Böses ausschließlich im Dienste eines höheren Guten und verkannte die von diesem Endziel unabhängige Eigenlogik des Bösen – eine typisch psychotische Auffas- sung.“54 Internationalismus als konzeptionelle Grundhaltung dieser Politik funktioniert hier unter Bezugnahme auf die Terminologie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe also als leerer Signifikant55, dessen paradoxer Status im Hinblick auf die deutsche Nationalität besonders auffällig zutage tritt. Analog zum Beispiel rechtsradikaler Parteien in der parlamentarischen Demokratie, eröffnet sich aus kommunistischer Perspektive hier das Dilemma, dass die Her- stellung der internationalistischen Ordnung nur möglich scheint, indem ihre eigenen Funkti- onsprinzipien – d.i. eine explizit ermutigende Zustimmung zum nationalen Selbstverständnis, eine Art „positive Diskriminierung“ – außer Kraft gesetzt werden, da die Deutschen, wenn man sie nicht ihrer faschistoiden Kultur beraubte, die Herstellung einer internationalistischen Ordnung gefährden würden. Die Verwundbarkeit des internationalistischen Diskurses war in dieser Phase in doppelter Hinsicht gegeben, da die Kommunisten einerseits in der Koaliti- onsregierung nicht über die monopolistische Definitionsmacht verfügten, um ihrer Sichtweise zu praktischer Relevanz zu verhelfen und weil andererseits – teilweise als Folge dessen –, ihre Fähigkeit, mentale Strukturen in breiteren Gesellschaftsschichten zu prägen56 insofern erheblichen Beschränkungen ausgesetzt war, als das nationale Paradigma in der Bevölkerung ungebrochen bestanden hatte. Gruppen, die der Durchsetzung der kommunistischen Sichtwei- se in dieser Frage im Weg standen – und als solche mussten die Deutschen den Führern der RKP durchaus erscheinen – stellten also eine entscheidende Gefahr für die kommunistische Revolution dar. Dass das Ende der offiziellen Diskriminierung der Deutschen und das Einge- ständnis, man habe den Fehler begangen, sie nicht nach ihrem Klassenhintergrund, sondern ausschließlich nach ihrem ethnischen Hintergrund zu behandeln, kurz nach der Herstellung der Volksrepublik und damit der kommunistischen Alleinherrschaft eingeleitet wurde, ver- deutlicht, dass die Kommunisten erst dann über ausreichend Macht verfügten, um die Prinzi- pien ihrer eigenen Herrschaft tatsächlich universell anzuwenden zu können. Dementsprechend finden sich in den Archiven des ZK der RKP Protestschriften von Ver- tretern der deutschsprachigen Gruppen in Rumänien, die sich auf diese diskursiven Inkon- sistenzen und nicht auf eine konfrontative Ablehnung des kommunistischen Diskurses rich- ten. Die formulierten Begründungen der Kommunisten für die Repressionen konnten freilich nicht auf der ethnische Zugehörigkeit gründen, sondern betonten stets, dass es sich um Sank- tionierungsmaßnahmen von Nazi-Kollaborateuren gehandelt hätte. Bereits ein Ansuchen des 54Ryklin (2003), S.12 55Zur Beschreibung dieses Konzepts: siehe in Kapitel 3 56Das ist was Pierre Bourdieu „symbolische Macht“ nennt, siehe dazu in Kapitel 3

72 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

Exekutivkomitees der Sozialdemokratischen Partei an Ana Pauker vom 27. Jänner 1945, das um Freilassung von sechs deutschsprachigen Genossen aus der Gefängnishaft bittet, bringt in dem äußerst knappen Schreiben als einziges Argument vor, dass es sich bei den Inhaftier- ten um „gute Kämpfer“ handle, um „Rumänen – nur mit deutscher Abstammung.“57 Diese vorderhand triviale Feststellung zeigt die grundsätzliche Widersprüchlichkeit der ethnisch be- gründeten Sanktionen gegen die deutschsprachigen Rumänen auf. Der Hinweis, es handle sich um „gute Kämpfer“ streicht die Objektivität des biographischen Hintergrunds heraus, die der materialistischen Theorie des Kommunismus zugrunde liegen müsste, während der zweite Teil des Zitats an den Unterschied zwischen staatsbürgerlicher und ethnischer Zugehörigkeit erinnert. Ausführlicher fiel die Protestnote gegen das Gesetz zur Umsetzung der Agrarreform vom 13. März 1945 aus, die Vertreter der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben an Ana Pauker und Vasile Luca richteten.58 Die prinzipielle Strategie dieser Denkschrift zielt dar- auf ab, die völlige Negierung rechtsstaatlicher Grundsätze und die juristischen Unstimmig- keiten, die sich dabei im Detail ergeben, hervorzuheben. Ausgehend von der hier gar nicht weiter bekämpften Absicht, die Nazi-Kollaborateure über deren Enteignung zu bestrafen, for- dern die Sachsen- und Schwabenvertreter eine tatsächliche Feststellung jener Personen, die überhaupt mit den Führern der NSdAP in Rumänien in Kontakt getreten waren, und daher qualifiziert wären, Nazi-Kollaborateure zu sein. Besonders scharf angegriffen wurde die „Sip- penhaftung“, die nicht nur in der internationalen Rechtsprechung „präzedenzlos“ gewesen sei, sondern auch innerhalb Rumäniens ausschließlich bei den Deutschen angewandt würde. Dar- über hinaus würden bei der Anwendung der ohnehin schon diskriminierenden Gesetze der Agrarreform, die Deutschen noch über die gesetzlichen Vorkehrungen hinaus benachteiligt, wodurch die Behörden gegen eben dieses Agrarreformgesetz verstießen. Güter und Besitzti- tel, die laut Gesetz von der Enteignung ausgenommen seien, würden im Fall der Sachsen und Schwaben dennoch enteignet, was oft sogar den privaten Wohnraum der ethnischen Deut- schen mit einschließt. Die Anordnungen für die besonders diskriminierenden Aspekte dieses Vorgehens fänden sich dabei meist nicht im eigentlichen Gesetzestext, sondern würden über explizierende Erörterungen in amtlichen Richtlinien ausgegeben. Die Forderung, die sich also aus diesen Darstellungen ableitet, ist es, die legitime Verfolgung der nationalsozialistischen Deutschen auf eine vernünftige rechtliche Grundlage zu stellen, die die Willkür der kollekti- ven Bestrafung eindämmt. Wesentlich weiter geht ein ebenfalls an Ana Pauker und Vasile Luca gerichteter Brief des ehemaligen Banater Gewerkschaftsführers59 und späteren Führers des Deutschen Antifaschis- tischen Komitees, Koloman Müller, vom 18. Juli 1945, in dem in sehr offensiver Weise sämt- 57Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 133/1945, S.2 58Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 373/1945 59Pavel Polian (2009): Arbeitseinsatz deutscher Zivilinternierter aus Ungarn und Rumänien in der UdSSR. In: Hausleitner (Hg.), S.91-106

73 6 Kommunistische Revolution und Diktatur liche Aspekte des Problems formuliert wurden.60 Müller wirft der kommunistischen Parteiführung vor, in der Frage der Deutschen aus- schließlich aus Rachsucht und Zerstörungswut zu handeln, was sich letztlich selbst aus kom- munistischer Sicht als kontraproduktiv erweise. Die Konsequenz dieser Maßnahmen wären nicht nur, dass gerade dadurch die „verkommenen Elemente“ unter den Deutschen wachgeru- fen würden, und sie sich daher politisch immer weiter von der kommunistischen Linie entfer- nen würden, sondern auch, dass dadurch erhebliche wirtschaftliche Nachteile entständen. Im Hinblick auf das wirtschaftlich so bedeutsame Banat würden durch die Nichtbearbeitung der Felder und die um sich greifende Demoralisierung große Schäden entstehen.61 Besonders nachdrücklich kritisiert er jedoch die Verfehlung der RKP, das Problem des „Hit- lerismus“ unter den deutschen Gruppen in Rumänien richtig zu verstehen und darauf zur rea- gieren. „Man muss entweder dumm sein, oder bürgerlich-konservativ eingestellt, um zu be- haupten, dass ein Volk für die Taten seiner Quäler verantwortlich sei.“62 Mit diesem Satz trifft Müller das oben beschriebene Problem im Kern, und er kommt daher zu folgender Forderung: „Ihr müsst endlich den moralischen Mut aufbringen und euch in der deutschen Frage unzweideutig äussern. Sind die Deutschen gleichberechtigte Staatsbürger oder nicht. Das heißt ihr müsst die juridische Frage klären. Und zwar in einer Weise die keinerlei Streit und Kombinationen zulässt. Eure Halbheit in dieser Frage ist direkt unerträglich, Und Halbheit ist immer die Ausserung einer Unsi- cherheit.“63 Legt die Tatsache, dass diese Dokumente im Bestand des ZK der RKP aufbewahrt wurde, bereits nahe, dass die Proteste nicht einer Bedeutung für die Parteiführung entbehrten, so wird in diesen Schriften tatsächlich das grundsätzliche Problem in der ganzen Frage auf den Punkt gebracht. Um die Gefährlichkeit dieser Argumente für die RKP zu verdeutlichen, sei noch ein Me- chanismus der Gruppenkohäsion eingeführt, auf den Slavoj Žižek in einem anderen Kontext hingewiesen hat. Žižek führt vor, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oft gerade dadurch angezeigt wird, indem in einer ganz spezifischen Form die konstitutiven Regeln, nach denen die Gruppe aufgebaut ist, übertreten werden. Die Form der Übertretung ist dabei streng vor- gegeben und dient, indem sie absolute Identifikation mit dem „Korpsgeist“ voraussetzt, einer besonderen Reaffirmation des Zusammenhalts. Um diese Funktion zu bewahren, ist es aber von vitaler Bedeutung, dass dieser Mechanismus stets unausgesprochen im nicht sichtbaren Untergrund bleibt, und nach außen hin geleugnet oder offen abgestritten wird.64 60Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 224/1945 61Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 224/1945, S.5 62Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 224/1945, S.4 63Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 224/1945, S.5 64Slavoj Žižek (2007): Why are Laibach and the Neue Slowenische Kunst not Fascists? In: Slavoj Žižek: The Universal Exception. New York: Continuum. S.63-66:63f.

74 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

Der offene Hinweis auf die diskursive Inkonsistenz gefährdet also den Zusammenhalt und dadurch Legitimität und Anziehungskraft der kommunistischen Partei. Diese Ambivalenz wurde demgemäß auch innerhalb der RKP immer wieder als Problem benannt, woraus sich der Ruf nach einer ‚sauberen‘ Lösung ableitete.

6.3 Neuer Weg

Am 13. Februar 1949 wurde gemäß der Resolution des Politbüros des ZK der Rumänischen Arbeiterpartei65 das Deutsche Antifaschistische Komitee in der Rumänischen Volksrepublik gegründet, wodurch die Deutschen in Rumänien nun offiziell als „mitwohnende Nationalität“ anerkannt wurden, die fortan dieselbe rechtliche und institutionelle Stellung wie die anderen nationalen Minderheiten im Land hatten. Dies bedeutete nicht, dass der Generalverdacht ge- genüber den ethnischen Deutschen aufgehoben worden war, allein die Taktik der RAP hat sich geändert, wie man diesem Problem gegenübertreten soll. Das Deutsche Antifaschistische Komitee war wie die anderen Minderheitenorganisationen eine von der Partei streng kontrol- lierte Organisation, die ausschließlich der besseren Überwachung und Beherrschung der deut- schen Minderheit diente und keinesfalls der Förderung tatsächlicher Kulturautonomie. Über die Strukturen des Deutschen Antifaschistischen Komitees, insbesondere über sein offiziel- les Propagandaorgan „Neuer Weg“, sollte die kommunistische Gleichschaltung in politischer und vor allem kultureller Hinsicht vorangetrieben werden. In der ersten Nummer des „Neuen Wegs“, der ab 13. März 1949 täglich in deutscher Sprache erschien66, wurde als wichtigste Aufgabe der Organisation „die völlige Ausmerzung des Einflusses, den der Hitlerismus in den Reihen der Deutschen in Rumänien gewonnen hat“, genannt.67 Die Schuld und der An- teil der Deutschen an den Gräuel der nationalsozialistischen Verbrechen wurden im Neuen Weg dezidiert anerkannt und ein „Weg der Wiedergutmachung“ angestrebt. Nachdem durch die Beseitigung der Jahrhunderte alten Privilegien bis zum Jahr 1949 endlich die vollstän- dige Gleichberechtigung der deutschen Nationalität erreicht werden konnte, müsste nun mit den Mitteln des Klassenkampfes weiter für die geistige Erneuerung der deutschen Gemein- schaften gekämpft werden. Oberstes Gebot sei es daher, die Pflicht zur „Entlarvung und Aus- schaltung der faschistischen Elemente“ wahrzunehmen und besonderes Augenmerk auf die Erziehung der Jugend zu legen, „auf welche die Faschisten unter dem Deckmantel verschie- dener Kirchenorganisationen auch heute noch ihren Einfluss geltend machen wollen.“68 Was 65Als solche konstituierte sich die RKP nachdem sie mit Teilen der Sozialdemokratischen Partei Rumäniens fusionierte am 6. Parteitag der RKP zwischen 21. und 23. Februar 1948, der damit zum ersten Parteitag der Rumänischen Arbeiterpartei wurde. Faktisch stellte diese Fusion die Auflösung des letzten politischen Gegengewichts zu den Kommunisten dar. Siehe: Tismaneanu (2003), S.93 66Endbericht PKAKDR, S.543f. 67Neuer Weg. Nr. 1949/1 68Neuer Weg, Nr. 1949/1

75 6 Kommunistische Revolution und Diktatur unter dieser auf Klassenkampf ausgerichteten Neuorientierung konkret gemeint war, wurde in den folgenden Ausgaben des Neuen Wegs und besonders in der vom 6. April 1949 offen- bar auf Weisung aus dem ZK der RAP noch einmal verdeutlicht. Jegliche Vorstellung einer Einheit der deutschen Minderheit, die manche in der Organisation des Deutschen Antifaschis- tischen Komitees eventuell gewährleistet sahen, wurden hier ein für allemal beseitigt. Nach ausführlichen Denunziationen von Mitgliedern der deutschen Gemeinschaften, die aufgrund ihres Vermögens und ihrer zweifelhaften Kriegsvergangenheit als Klassenfeinde ausgewiesen wurden, wurde die Vorstellung der „deutschen Einheit“ als Tarnung für faschistische Losun- gen und Aktivitäten scharf angegriffen. „Es gibt keine Einheit und Interessensgemeinschaft zwischen ehemaligen Ausbeutern und Ausgebeuteten.“ Und daher: „Schluss mit der deut- schen Einheit und genug von der Faselei über die Gleichheit aller armen Deutschen“69 Der Aufruf zur Vereinigung der deutschen arbeitenden Massen mit der proletarischen Klasse der Rumänischen Volksrepublik zeigte den künftigen Weg der deutschen Minderheit an.

6.4 Emigration im Nationalstalinismus

Bereits ab 1949, dem Jahr der verspäteten Gründung des Deutschen Antifaschistischen Ko- mitees, begann innerhalb der RAP die allmähliche Zersetzung aller antifaschistischen Ko- mitees der mitwohnenden Nationalitäten, bis sie schließlich 1953 sämtlich aufgelöst wurden und eine neue Marschroute in Richtung der kommunistischen Einheitsgesellschaft festgelegt wurde. Das Bestehen ethnisch definierter Massenorganisationen war nach Ansicht der kom- munistischen Parteiführung den gesellschaftlichen Verhältnissen in der Rumänischen Volks- republik der 1950er Jahre nicht mehr angemessen, da sie ein „Hindernis in der Erziehung der Massen im Geist des proletarischen Internationalismus und des Patriotismus“ darstell- ten.70 Bis zum Ende der 1950er Jahre wurde die ethnische Desintegration der nationalen Minderheiten unter der Parole des proletarischen Internationalismus weiter vorangetrieben, ohne dabei auf irgendwelchen anderen Legitimitäten als des des internationalistischen Klas- senkampfs zurückzugreifen. Dies änderte sich jedoch in den Jahren 1959 bis 1961, als eine entscheidende Wende der kommunistischen Herrschaft in Rumänien eingeleitet wurde, in- dem Elemente der rumänisch-nationalistischen Symbolik in die kommunistische Rhetorik in- tegriert wurden, die im Grunde alle Elemente des später unter Nicolae Ceau¸sescuzur Form vollendeten ‚Nationalstalinismus‘71 beinhaltete, wiewohl während der bis 1965 andauernden 69Neuer Weg, Nr. 1949/25 70Petre Borila˘ in der Politbüro-Sitzung vom 14. Jänner 1953. siehe: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 2/1953, S.20 71Vladimir Tismaneanu betont den grundsätzlichen Unterschied zwischen Nationalkommunismus und Natio- nalstalinismus. Ersterer bezeichnet eine ab den 1950er Jahren in fast allen kommunistischen Staaten Europas vollzogene emanzipatorische Bewegung innerhalb der Kommunistischen Parteien, die sich gegen den Hege- monialanspruch der Sowjetunion auflehnten und eigenständige – liberalere – Formen des Sozialismus entwi- ckeln wollten. Die missglückten Revolutionen in der DDR (1953), in Ungarn und Polen (1956) sowie in der

76 6 Kommunistische Revolution und Diktatur

Herrschaft von Gheorghiu-Dej ein gewisses Maß an Toleranz und Respekt für die nationalen Minderheiten bewahrt wurde.72 Die Wiederaufnahme nationalistischer Rhetorik unter kom- munistischer Herrschaft wird meist als ein Aufbrechen vorher nur gewaltsam unterdrückter Formationen des allgemeinen politischen Diskurses gewertet.73 Auf außenpolitischer Ebene war der nationale Kurs vorerst eine Reaktion auf die 1956 von Chruschtschow eingeleitete De-Stalinisierung in der Sowjetunion, die die bis dahin streng loyale stalinistische Partei- führung Rumäniens erstmals zu Opposition gegen den Moskauer Hegemon veranlasste. Die innenpolitische Rückkehr zum ethnonationalen Diskurs knüpfte in den folgenden Jahrzehnten aber immer deutlicher an die rumänische Vorkriegstradition an, die keinerlei Voraussetzungen für ein integratives Miteinander der verschiedenen ethnischen Gruppen mit sich brachte. Die internationalistische Phase in Rumänien erscheint in längerer Sicht also als ein sehr kurzlebi- ges und gescheitertes Projekt der frühen sowjetisch dominierten Kommunisten, das außerhalb der Minderheiten, die es gezielt bevorzugte, niemals eine Übereinstimmung mit der allge- meinen politischen Kultur Rumäniens erreichen konnte und daher selbst für kommunistische Herrschaft Rumäniens eine untypische Erscheinung darstellt. Gerade im Hinblick auf die Angehörigen der deutschen Minderheit im Land, wird daher offensichtlich, dass den halbherzigen Versuchen einer Reintegration in die rumänische Ge- sellschaft kein Erfolg beschieden sein konnte. Der Wunsch, in ihr deutsches ‚Mutterland‘74 auszuwandern, dürfte bei ihnen schon bald in sehr großer Zahl bestanden haben und die Em- pörung darüber auf Seiten der Kommunisten dürfte sich ihrerseits in Grenzen gehalten haben. Im Jahr 1976 antworteten 90% aller befragten Siebenbürger Sachsen auf die Frage, ob sie gerne auswandern würden, mit einem klaren „Ja“.75 Dementsprechend war die tatsächliche Zahl der deutschen Auswanderer vom politischen Willen der rumänischen Staatsführung ab- hängig, die mit der zunehmenden Betonung ihrer ethnisch-rumänischen Identität dies selbst immer mehr als erstrebenswert erachtete. Die jährliche Rate deutschsprachiger Emigranten in die Bundesrepublik Deutschland stieg von 345 Personen während der 1950er Jahre auf 1.629 Personen in den 1960er Jahren, weiter auf 7.141 in den 1970er Jahren und erreichte in den 1980er Jahren schließlich die Zahl von 15.116 Personen. Allein im Jahr 1990, dem Jahr nach Tschechoslowakei (1968) versinnbildlichen diese Strömung. Der Nationalstalinismus hingegen verkörpert die gegenläufige Tendenz, die in Europa vor allem von Rumänien und Albanien vollzogen wurde, näm- lich die radikale Opposition gegen diese emanzipatorischen Formen des Sozialismus unter demonstrativer Wahrung der stalinistischen Orthodoxie. Das nationale Element ist in diesem Zusammenhang eine Reaktion auf das von Nikita Chruschtschow 1956 ausgerufene ‚Tauwetter‘, die die autoritären Parteiführer der rumä- nischen und der albanischen Arbeiterparteien als eine mögliche Quelle der Subversion fürchteten und mit rauher Gewalt unterdrückten. Vgl. Tismaneanu (2003), S.32f. 72Trond Gilberg (1990): Nationalism and Communism in Romania : The Rise and Fall of Ceausescu’s Personal Dictatorship. Boulder/San Francisco/Oxford: Westview Press. S.170ff. 73vgl. Gilberg (1990), S.49; Tismaneanu (2003) 74Corneliu R. Zach verweist auf den „semantischen Ausdruck der Dichotomie zwischen der Heimat (Vaterland) und dem Land der Vorfahren (Mutterland) ...“ C. R. Zach (2005), S.158 75Rudolf Gräf/Mihai Grigora¸s(2003): The Emigration of the Ethnic Germans of Romania under Communist Rule. In: Lévai/Vese (Hg.), S.53-69:56

77 6 Kommunistische Revolution und Diktatur der rumänischen Revolution und dem Sturz des Diktatorenehepaars Ceau¸sescu,emigrierten 111.150 Angehörige der deutschen Gruppen nach Deutschland, denen innerhalb der Jahre 1991 bis 1996 weitere 71.553 Personen folgten.76 Diese massiven Emigrationsströme stellten dabei für die rumänische Volkswirtschaft eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar, deren Folgen der Ceau¸sescu-Clanaber als den politischen Zielen untergeordnet ansah.77 Um diese Ausfälle zu kompensieren, handelte man in Geheimverhandlungen eine ‚Ablöse‘ aus, die die deutsche Regierung der rumänischen für jeden Auswanderer zu überweisen hatte.78 Zusätz- lich wurden hohe Staatskredite der Bundesrepublik Deutschland an Rumänien vergeben.79

76Zahlen laut Gräf/Grigora¸s(2003), S.59 77Gilberg (1990), S.158 78Gräf/Grigora¸s(2003) sprechen von etwa 5.000 DM, die ab dem Jahr 1978 bezahlt wurden (S.59); Im Endbe- richt der PKAKDR ist unter Berufung auf verschiedene Angaben von Zahlungen zwischen 4.000 und 10.000 DM die Rede (lt. Dennis Deletant) bzw. von Einteilungen in Kategorien, die sich nach dem Bildungsstand und der Qualifikation des Auswanderers richtete: zwischen 1.800 für „normale Fälle“ bis zu 11.000 DM für Universitätsabsolventen; sowie einer zusätzlichen Bonuszahlung von einer Million DM für jeden 10.000. Auswanderer (lt. Erwin Wickert). siehe Endbericht PKAKDR, S.548 79Endbericht PKAKDR, S.548

78 7 Schlussfolgerungen

Nach den Darlegungen und Interpretationen des ‚deutschen Problems‘ im frühen Nachkriegs- rumänien bleibt die Frage offen, welche Schlussfolgerungen man aus diesen Schilderungen ziehen kann und wie sich das ‚deutsche Problem‘ in den gesamtrumänischen Zusammenhang einordnen lässt. Fokussiert man auf die antideutschen Diskriminierungsmaßnahmen, bleiben die ursprüng- lichen Begründungen für das Verhalten der Kommunistischen Partei weiter ungeklärt. Die Lage der RKP war zum Zeitpunkt des rumänischen Seitenwechsels im Sommer 1944 äußerst zerrüttet1 und obendrein von Moskau streng kontrolliert. Wichtige politische Entscheidungen wurden unter diesen Umständen sicher eher im sowjetischen als im rumänischen Parteiapparat getroffen. Hinzu kommt, dass die politische Lage in Rumänien insgesamt sehr unübersichtlich war, da eine Vielzahl an politischen Akteuren um Einfluss rang, wodurch die Kommunisten vorerst keinesfalls in der Lage waren, allzu weit reichende Programme ohne die Unterstützung der Koalitionspartner durchzusetzen. Es ist nicht davon auszugehen, dass innerhalb der tradi- tionellen politischen Kräfte2 einer später von den Kommunisten angestrebten Vertreibung der deutschen Gruppen aus Rumänien zugestimmt worden wäre. Man darf nicht vergessen, dass die politische Verantwortung für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs innerhalb Rumäni- ens kaum ausschließlich den Deutschen zugesprochen werden konnte. Sowohl war Rumänien auf internationaler Ebene eher ein Partner des nationalsozialistischen Deutschlands, als ein abhängiger Vasallenstaat, wie auch innerhalb des Landes der Faschismus unter den ethni- schen Rumänen ein zentrales Element der politischen Kultur darstellte. Klare gesellschaftli- che Bruchlinien zwischen den ethnischen Rumänen und den deutschen Gruppen in Rumänien sind im Zusammenhang mit der Einstellung zum Faschismus sicher nicht feststellbar gewe- sen.3Abgesehen davon muss bezweifelt werden, ob angesichts der verzögerten Reintegrati- on Nordsiebenbürgens in den rumänischen Staat überhaupt die Möglichkeit zu einer solchen Handlung bestanden hat. 1Die RKP verfügte im August 1944 über weniger als 1.000 Parteimitglieder, die sich in Rumänien aufhielten, inklusive der Mitglieder in Gefängnissen und Konzentrationslagern, und war damit die proportional kleinste Kommunistische Partei Osteuropas. In absoluten Zahlen hatt allein die KP Albaniens eine ähnlich kleine Mitgliederzahl. Tismaneanu (2003), S.279 (Anm.37) 2insbesondere der König und die ‚traditionellen Parteien‘ 3Mariana Hausleitner legt etwa am Beispiel des Antisemitismus in der Bukowina dar, wie die rumänischen Faschisten den deutschen Nationalsozialisten in manchen Belangen sogar ‚voraus‘ waren, was die Radikalität im Vorgehen gegen die Juden anbelangte. Vgl. Hausleitner (2001), S.282

79 7 Schlussfolgerungen

Umso mehr ist daher hervorzuheben, dass die weitere Desintegration der Deutschen, wie sie die RKP ab 1945 systematisch betrieben hat, als politischer Akt zu begreifen ist, der im- plizit der Absolution der rumänischen Gesellschaft von der Schuld am Faschismus diente. Im Lichte des schweren Legitimitätsdefizits, unter dem die Kommunisten bei der rumäni- schen Mehrheitsbevölkerung litten, hatte dieses Vorgehen also die Funktion, die Popularität der RKP zu steigern und stellte gleichzeitig ein Mittel zur Integration der Gesellschaft und zur Stärkung des Zusammenhalts dar. Durch die Herstellung einer eindeutig schuldbelade- nen Gruppe erfolgte die Aufwertung des dadurch erlösten Rests und gleichzeitig konnten die Bedingungen dieser Absolution verdeutlicht werden. Der Freispruch der Rumänen nichtdeut- scher ethnischer Herkunft war nämlich an die Herstellung neuer gesellschaftlicher Kriteri- en gebunden, die folglich innerhalb der rumänischen Gesellschaft einzuhalten waren. Indem sämtliche Schuld, die die gesamte rumänische Gesellschaft während der faschistischen Peri- ode auf sich geladen hatte, auf die Deutschen projiziert wurde, verpflichtete diese generali- sierte Anklage die Freigesprochenen, sich zukünftig von dieser Schuld reinzuhalten. Das Dilemma besteht in dieser Strategie immer dann, wenn der Sündenbock nicht in die Wüste verjagt werden kann, sondern weiterhin innerhalb der Gesellschaft verbleibt. Mehr- mals finden sich Anmerkungen von Mitgliedern des ZK der RKP, dass das Vorgehen gegen die deutschen Gruppen an deren anschließende Vertreibung oder Aussiedelung gebunden sei, da die Effekte der Diskriminierungen ansonsten zu unüberwindbaren Konflikten führen wür- den. Die sich relativ bald durchsetzende Einsicht, dass diese Option nicht durchführbar sein würde, führte schließlich mit einiger Verzögerung zu einer radikalen Änderung der kommu- nistischen Politik gegenüber den deutschen Gruppen. Etwa ein Jahr nach der Durchsetzung der kommunistischen Diktatur erfolgte der Wechsel zur aktiven Eingliederung der nun an- erkannten deutschen Minderheit in die sozialistische Gesellschaft. Die machtkonstituierende Funktion der antideutschen Maßnahmen war zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen. Auf diskursiver Ebene stellte die Unvereinbarkeit der antideutschen Maßnahmen mit dem internationalistischen Programm der RKP ein weiteres schwerwiegendes Problem dar. Da die Kriterien der Repressionen ausschließlich an die ethnische Zugehörigkeit gebunden waren, er- gab und ergibt sich die Frage, ob die kommunistische Politik ihren materialistischen Grundsät- zen Rechnung getragen hatte, oder ob sich hier nicht unbemerkt ein ethnischer Essentialismus eingeschlichen hatte, dessen ausdrückliche Zurückweisung das wichtigste Legitimitätsmerk- mal der RKP darstellte. Eine eindeutige Beantwortung dieser Frage ist nicht ohne weiteres möglich. Anhand der sowjetischen Nationalitätenpolitik wurde gezeigt, wie schmal der Grat zwischen dem soziologischen Paradigma des nurture und dem essentialistischen nature ist. In der rumänischen Diskussion um die deutschen Gruppen stellt sich dieses Problem sehr ähnlich. Entsprechend der theoretischen Positionierung, die sich während der stalinistischen Phase innerhalb der Kommunistischen Internationale durchgesetzt hat, wird der nationalen

80 7 Schlussfolgerungen

Zugehörigkeit im Sozialismus durchaus eine bewusstseinsstrukturierende Funktion zugeschrie- ben, wodurch in multiethnischen Kontexten nationale Kategorisierungen neben sozioökono- mischen eine politische Relevanz erhalten. Wiewohl die Vertreibung ganzer Völker in ihrer faktischen Konsequenz sich nicht von rassistisch motivierten Vertreibungen unterscheidet, kann deren Begründung dennoch dem soziologischen Paradigma folgen ohne sich in inne- re Widersprüche zu verstricken. Im Fall der Deportationen und Enteignungen der deutschen Gruppen in Rumänien, die die hauptsächlichen Instrumente der antideutschen Maßnahmen darstellten, ist jedenfalls klar er- sichtlich, dass es sich um Maßnahmen in erzieherischer Absicht gehandelt hat, auch wenn die Notwendigkeit zu dieser Erziehung keine andere als eine ethnische Grundlage hatte.4Auch zeigt sich bei den Enteignungen, dass der totale Ausschluss der Deutschen aus diesem Pro- zess, der einer essentialistischen Haltung entsprochen hätte, nicht umgesetzt wurde.5Doch wie immer auch die kommunistische Theorie sowjetischer Prägung in der Lage zu sein scheint, nationalistische Politik zu rechtfertigen, so offensichtlich bleibt der Widerspruch mit ihrem Anspruch auf Gerechtigkeit, der die Staatsbürger sozialistischer Staaten ohne Rücksicht auf deren ethnischen, kulturellen oder sprachlichen Hintergrund stets gleich zu behandeln vorgibt. Das oben nachgewiesene Bewusstsein dieses Widerspruchs innerhalb der RKP belegt zumin- dest für die Entstehungsphase der kommunistischen Herrschaft in Rumänien, dass dieser An- spruch sich selbst ernst nahm, wenn auch die erzielten Ergebnisse mit heutigen Maßstäben vollkommen unvereinbar sind.

4Die wissentliche Deportation sozialistischer und kommunistischer Widerständler wird immer wieder als das durchschlagenste Argument für einen ethnischen Essentialismus genannt. 5ein Bericht an das ZK der RKP aus dem März 1946 bemerkt z.B., dass in Arad die Komitees, die die Enteig- nungen durchführen sollten, mit Sachsen besetzt waren, wiewohl gerade die Sachsen Opfer dieser Enteig- nungen wären. siehe: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie, Dosar 74/1946, S.3

81 Anhang

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Fernsehquellen

„Das philosophische Quartett: Adolf Hitler - eine Medienkarriere“ ausgestrahlt erstmals am 19.9.2004 im ZDF

Archivquellen

Rumänisches Nationalarchiv Bukarest, Fond CC al PCR. Cancelarie

• Dosar 36/1945

• Dosar 57/1945

• Dosar 133/1945

• Dosar 224/1945

• Dosar 347/1945

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• Dosar 74/1946

• Dosar 2/1953

Archivierte Zeitungen

• Neuer Weg. Nr. 1949/1

• Neuer Weg. Nr. 1949/25

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