1913-2013 Vom Schularztamt zum Gesundheitsdienst

Festschrift

anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

Impressum

Herausgeberin:

Gesundheitsdienst der Stadt Monbijoustrasse 11, Postfach 6262 3001 Bern

Verfasst durch:

Dr. med. Annemarie Tschumper, Co-Leiterin Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Mitverfasser/-innen:

Dr. med. Ursula Ackermann, Leiterin Gesundheitsdienst, 1996-2010 Dr. med. Jean-Claude Vuille, Leiter Gesundheitsdienst, 1980-1996 Dr. med. Michaela von Albertini, Schulärztin

Bezugsadresse:

Gesundheitsdienst der Stadt Bern Monbijoustrasse 11, Postfach 6262 3001 Bern [email protected]

Ausgabe:

Oktober 2013

Titelbild:

Staatsarchiv des Kantons Bern, Fotonachlass Tschirren

Preis:

Fr. 20.-

Link: www.bern.ch/gesundheitsdienst

Vorwort

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

1913 beschloss der Stadtrat, die schulärztliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen in der Stadt Bern einem hauptamtlichen Schularzt zu übertragen. Aus dem Schularztamt von damals ist heute ein moderner, interdisziplinärer Gesundheitsdienst gewor- den, der nun sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Aus diesem An- lass hat der Gesundheitsdienst die eigene Geschichte näher er- forscht. Dabei hat er viel Interessantes und manchmal Amüsantes entdeckt und in der vorliegenden Festschrift zusammengetragen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte schärft immer auch den Blick auf die besonderen Stärken und Möglichkeiten für die künftige Arbeit. Für die Zukunft der Stadt Bern möchte ich hier ei- nige Aspekte hervorheben, die mir besonders wichtig erscheinen:

 Das zentrale Ziel des Gesundheitsdienstes muss auch in Zu- kunft die gute Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen in der Stadt Bern sein. Die gesundheitlichen Voraussetzungen sind entscheidend für den Bildungserfolg, und eine gute Bil- dung beeinflusst die Gesundheit positiv. Mit seiner Arbeit un- terstützt der Gesundheitsdienst die Schulen in ihrem Bildungs- auftrag und leistet so einen wesentlichen Beitrag zur Chan- cengleichheit in der Bildung: Der Gesundheitsdienst kann Be- einträchtigungen der Lernfähigkeit frühzeitig erkennen und be- handeln, er kann Kindern, Eltern und Vertreterinnen und Ver- tretern der Schule ihre Stärken bewusst machen, und er kann mithelfen, die sozialen Voraussetzungen in Schulen und Fami- lien so auszugestalten, dass Bildungserfolge für alle möglich sind.

 Der Gesundheitsdienst hat weiter die Aufgabe, die gesundheit- liche Situation bei den Kindern und Jugendlichen in der Stadt Bern zu beobachten, darüber zu berichten und allenfalls not- wendige Massnahmen vorzuschlagen. Mit seiner kontinuierli- chen Informations- und Überzeugungsarbeit im Bereich der Kochsalz-Jodierung konnte der Gesundheitsdienst beispiels- weise 1936 einen Beitrag zu einem gesundheitlichen Fort- schritt leisten. Seit 2007 engagiert sich der Gesundheitsdienst intensiv im Bereich der Frühförderung, um ein aktuelles Bei- spiel zu erwähnen. Die Stadt Bern hat hier mit dem Projekt primano Pionierarbeit geleistet, dieses wurde 2013 auf das ganze Stadtgebiet ausgedehnt. Ich freue mich, wenn der Ge- sundheitsdienst auch in Zukunft seine Daten für Taten nutzt.

 Mit dem Gesundheitsdienst verfügt die Stadt Bern über eine langfristig gewachsene, gut verankerte Struktur für die Ge- sundheitsversorgung und die Gesundheitsförderung. Der Ge- sundheitsdienst ist in der Bevölkerung bekannt und wird von Eltern, Schulen und Verwaltungsstellen geschätzt. Dank seiner Stabilität konnte der Gesundheitsdienst sein Angebot auch immer an neuste Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwick- lungen anpassen und erweitern. „Bestand hat nur der Wandel“ - das gilt auch für den Gesundheitsdienst. Tradition und Stabi- lität müssen auch in Zukunft als Basis für mutige Innovationen eingesetzt werden.

Eine gute Gesundheit ist ein sehr wichtiges Gut, tragen wir daher alle Sorge dazu. Ich wünsche dem Gesundheitsdienst viel Erfolg, damit unsere Kinder und Jugendlichen auch in Zukunft ihre Ge- sundheit als wichtiges Gut nutzen und schätzen können.

Franziska Teuscher Direktorin für Bildung, Soziales und Sport

Zu dieser Festschrift

Die vorliegende Festschrift gibt einen Überblick über die 100-jährige Geschichte des Schul- arztamts und späteren Gesundheitsdienstes von 1913 bis 2013. Auf die Vorgeschichte der Entstehung der schulärztlichen Dienste und ihre Bedeutung für die Entwicklung des öffentli- chen Gesundheitswesens und der zugehörigen Fachgesellschaften (heute unter dem Dach von Public Health Schweiz) wird nicht näher eingegangen. Diese Aspekte sind in den Schrif- ten von M. Hofmann (2008) und P. Zweifel (2011) ausführlich dargelegt.

In einem ersten Teil wird die Entwicklung von Schularztamt und Gesundheitsdienst in Bezie- hung zu wichtigen globalen und stadtbernischen historischen Ereignissen gesetzt. Die wich- tigsten schulärztlichen Themen werden in einem zweiten Teil aufgegriffen und im Wandel der Zeit beleuchtet. Als Quellen dienten in erster Linie Publikationen der ehemaligen Leitungen des Schularztamtes respektive des Gesundheitsdienstes, Verwaltungsberichte sowie ab 1998 Jahresberichte der Stadt Bern.

Durch diesen Überblick über die 100 jährige schulärztliche Tätigkeit in der Stadt Bern wird die geleistete Arbeit zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit bezüglich Bildung und Gesund- heit bei Kindern und Jugendlichen gewürdigt. Dies geschieht im Bewusstsein, dass diese Ar- beit nur auf der Grundlage einer engen und guten Kooperation zwischen Schularztamt / Ge- sundheitsdienst und den Schulen sowie der Unterstützung und Zusammenarbeit mit vielen Partnerinstitutionen geleistet werden konnte.

Dank

Folgende Personen haben mit ihrem Fachwissen, ihren Ideen, fachlichen Inputs oder Materia- lien wesentliche Impulse zu dieser Broschüre gegeben: Frau Michèle Hofmann, Bildungshisto- rikerin, Prof. Dr.med. Hubert Steinke, Direktor des Medizinhistorischen Instituts der Universi- tät Bern, Frau Vreni Zeender, ehemalige Schularztassistentin, Herr Emil Erne, Historiker und ehemaliger Stadtarchivar, Frau Yvonne Pfäffli, Stadtarchiv Bern und Dr.med. Markus Leder- gerber, Leiter der Gesundheitsdienste Basel, Herr Richard Jakob, Co-Leiter des Gesund- heitsdienstes, Frau Irma Hofer, Stabsmitarbeitende Gesundheitsdienst. Ihnen allen sei für ihre wertvollen Beiträge zu dieser Broschüre herzlich gedankt.

Inhaltsverzeichnis

I Einleitung ...... 8

Schon 100-jährig?...... 8 Blick zurück zum Start: Schulärztliche Sprechstunde vor 100 Jahren ...... 9 Reglement für den schulärztlichen Dienst vor 100 Jahren ...... 9

II Historischer Überblick ...... 10

III Schulärztliche Themen im Wandel der Zeit ...... 13

1. Medizinische Vorsorge für erfolgreiches Lernen ...... 13 2. Vom gesunden Schulhaus zum gesunden Schulklima ...... 15 3. Bekämpfung von Infektionskrankheiten ...... 17 4. Schulärztliche Datenauswertungen und Forschungsarbeiten ...... 20 5. Eltern, Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf ...... 23 6. Schulärztinnen und -ärzte erhalten Verstärkung: Vom Schulsozialdienst zur Schulsozialarbeit ...... 26 7. Berufliche Integration und das Thema der Gleichstellung ...... 28 8. Von der Bewegungsförderung zur Gesundheitsförderung ...... 30 9. Institutionelle Herausforderungen der 90er Jahre ...... 32 10. 100 Jahre Einsatz für mehr Chancengerechtigkeit ...... 34

IV Literaturverzeichnis ...... 37

8 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

I Einleitung

Schon 100-jährig?

Kaum zu glauben! Denn der heutige Gesundheitsdienst mit seinem interdisziplinären Angebot ist modern. Und das hat einen Grund: In kaum einer Einrichtung des öffentlichen Gesund- heitswesens gibt es so viele Kontakte mit den verschiedensten Menschen und deren Lebens- welten. Täglich gehen Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern zu Untersuchungen oder Beratungen ein und aus. Die Mitarbeitenden arbeiten mit Schulklassen, Eltern oder Lehrper- sonen in den Schulen, sind an Standaktionen auf der Strasse oder gehen in der Frühförde- rung und im Gesundheitsinspektorat auf Hausbesuch. Damit ist der Gesundheitsdienst am Puls der Bevölkerung, und die laufende Anpassung des Angebots an aktuelle, drängende Probleme wird zur Selbstverständlichkeit. Seit der Schaffung des Schularztamts 1913 hat sich vieles verändert: Aus dem Schularztamt ist ein interdisziplinärer Gesundheitsdienst geworden. Er übernimmt als zuständige Stelle für Fragen der öffentlichen Gesundheit seit 1989 auch stadtärztliche Aufgaben (z.B. das Ge- sundheitsinspektorat, die Mitarbeit in Krisenstäben oder die Gesundheitsberichterstattung). Gewisse gesundheitliche Störungen (Tuberkulose, Kropf, Rachitis, Diphterie), die in der An- fangszeit im Vordergrund standen, sind selten geworden. Dagegen hat die Prävention chroni- scher Krankheiten angesichts der hohen Lebenserwartung an Bedeutung gewonnen und der Bildungserfolg ist in unserer Informations- und Wissensgesellschaft noch wichtiger geworden. Manches ist auch gleich geblieben, und das hat mit der Entwicklung der Kinder zu tun, die heute grundsätzlich sehr ähnliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben wie früher. Das hat aber auch mit den besonderen Stärken von Schulgesundheitsdiensten generell zu tun:

- Ihr Angebot richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule der Stadt Bern. Zur Untersuchung oder Beratung zum Schularztamt/Gesundheitsdienst zu gehen stigmatisiert nicht. Das ist wichtig, damit auch die am stärksten benachteiligten Kinder mit dem höchsten Unterstützungsbedarf erreicht werden können. - Schulgesundheitsdienste pflegen immer individuelle und kollektive Ansätze. Kinder, Eltern und Lehrpersonen werden individuell gesehen und unterstützt. Gleichzeitig wird stets auch ein Blick auf das gesamte betreute Kollektiv (Klassen, Schulen, Stadt) ge- worfen. So können kollektive Probleme mit ganzen betroffenen Gruppen angegangen werden (z.B. Eltern einer Klasse), was dank sozialem Lernen und gegenseitiger Un- terstützung innerhalb der Gruppe oft besonders wirksam ist. - Schulgesundheitsdienste haben eine besondere Nähe zur Schule und ihrem Umfeld (Fachstellen, Quartier, Politik). Damit sind sie stark beeinflusst von politischen Strö- mungen und von Entwicklungen der Schule. Sie können hier aber auch einen gewis- sen Einfluss nehmen, indem sie auf Probleme hinweisen, sie mit Daten belegen und das Gespräch mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern suchen. - Der Fokus auf die Betreuung benachteiligter Kinder, seien es armutsbetroffene oder schulschwache, zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze schulärztliche Ge- schichte. Immer wieder standen die Schulgesundheitsdienste für bedarfsgerechte un- terstützende Massnahmen im schulischen und familiären Umfeld und deren Umset- zung ein. Oft waren ihre Forderungen und Vorschläge zukunftsweisend. - Auch die Bekämpfung der Infektionskrankheiten ist bis in die neuste Zeit wichtig geblieben, sei es im Impfwesen oder wenn eine rasche Reaktion auf eine Epidemie gefragt ist (z.B. Meningokokken-Meningitis, Grippe-Pandemie, HIV). - Es war und ist immer wieder lohnend, die Zusammenarbeit mit der praktizierenden Ärzteschaft für eine optimale ganzheitliche Versorgung der Kinder gut zu pflegen.

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Blick zurück zum Start: Schulärztliche Sprechstunde vor 100 Jahren

«Da wurden Klagen vorgebracht, weil Kinder nicht gehorchten, es ging zu Hause nicht, Kinder waren undiszipliniert, logen, stahlen, schwanzten herum, schwänzten die Schule, kamen nicht aus mit den Geschwistern, waren jähzornig, zu aufgeregt oder zu schlapp, seien faul, …oder nur zu losen Streichen aufgelegt. Da waren alle diejenigen, die Schwierigkeiten boten mit dem Essen, die einen, die kein Gemüse, die anderen, die keine Früchte essen oder keine Milch trinken möchten. Da waren die Klagen über Kinder, die nicht einschlafen konnten oder, die nachts unruhig waren und im Schlaf schrien. Dann kam das ganze Kontingent der Kinder mit abnormen Gewohnheiten: Bettnässer, Nagelbeisser, Grimassenschneider und andere triebartige Erscheinungen. Zu diesen abnormen Gewohnheiten musste man auch die sexuel- len Manipulationen zählen, die ja oft schon beim Kleinkind aufzutreten pflegen. Endlich ka- men hinzu die vielen Klagen über Schule, Lehrer und Schulschwierigkeiten. Es ging in der Schule schlecht mit dem Kind, die Lehrerschaft sei ungerecht, ihr Kind würde nie gefragt, ...es werde von den anderen Schülern geplagt. Auf dem Schulweg sei es am schlimmsten. Man beanstandete das schlechte Zeugnis, will wissen, warum das Kind das Examen nicht bestan- den habe. Kurz, alles, was schief ging in der Schule kam schliesslich vor unsere Ohren».

Paul Lauener, Schularzt und Leiter des Schularztamts 1918-1952 in seinem Rückblick, 1957

Reglement für den schulärztlichen Dienst vor 100 Jahren

Das erste städtische Reglement von 1911 wurde nach der Einsetzung eines hauptamtlichen Schularztes 1913 revidiert. Aus dem Reglement für den schulärztlichen Dienst an den Primar- schulen der Stadt Bern vom 30. Juni 1915 werden hier die Artikel 4 und 5 zitiert.

Art. 4

Die Aufgaben des Schularztes sind: a) Er hat die hygienischen Einrichtungen der Schulen zu überwachen und namentlich sein Augenmerk zu richten auf Beleuchtung , Ventilation, Heizung, Reinigung, Baderäume, Aborte, Turnhallen usw. Er er- stattet der Schuldirektion Bericht über die von ihm beobachteten Missstände und stellt Anträge zu de- ren Bekämpfung. Bei Neu- oder Umbauten ist er als Berater beizuziehen. b) Er überwacht den Gesundheitszustand der Schüler während der ganzen Schulzeit. Vorhandene Anoma- lien und Erkrankungen hat er bei Eltern und Lehrern zur Anzeige zu bringen und erstere aufzufordern, ihr Kind ärztlich behandeln zu lassen. c) Er ist befugt, für kranke, trotz Mahnung nicht ärztlich behandelte Kinder, deren Anwesenheit in der Schule eine Gefahr für die Mitschüler bringt, die Dispensation vom Schulbesuche bis nach erfolgter Heilung zu veranlassen. Für Reinigung der Kinder von Ungeziefer wird eine Frist bis zu einer Woche eingeräumt. d) Er trifft, in Verbindung mit der Schulkommission und der Lehrerschaft, die Auswahl der Kinder für die Spezialklassen und -Anstalten, Ferienheime, Ferienkolonien. e) Er bespricht mit der Lehrerschaft die schulhygienischen Fragen und Massnahmen. f) Er führt die Aufträge aus, welche ihm innerhalb dem Rahmen seiner Funktionen von der Schuldirektion speziell übertragen werden.

Art. 5

Mit der schulärztlichen Untersuchung darf eine Behandlung nicht verbunden sein.

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II Historischer Überblick

Als öffentliche Einrichtung wurden Schularztamt und Gesundheitsdienst in ihrer Entwicklung stets stark von geschichtlichen Ereignissen und der herrschenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Situation geprägt. In einem Überblick ist die Entwicklung des Schul- arztamts/Gesundheitsdienstes wichtigen geschichtlichen Ereignissen gegenübergestellt.

Globale und lokale Ereignisse Schularztamt und Gesundheitsdienst

(Quelle: Bähler et al., 2003) (Quelle: Verwaltungsberichte Stadt Bern)

1913-1922

1914-18 Erster Weltkrieg. 1913 Amtsantritte: erster hauptamtlicher Schularzt Hans Ziegler, erste nebenamtliche 1918 Grippe-Epidemie und Generalstreik. Schulärztin Ida Hoff. 1919 Eingemeindung von Bümpliz. 1918 Amtsantritt von Paul Lauener als Leiter 1920-1922 Wirtschafts- und Finanzkrise des Schularztamts. Soziale Bewegungen, Marktdemonstrationen. 1920 Zusammenarbeit mit dem Erziehungs- Starkes Bevölkerungswachstum, Wohnungs- berater Hans Hegg (ab 1923 auch formell). not, viele feuchte und enge Wohnungen.

1923-1932

1923-1929 Frauenbewegung im Aufschwung: Kropfbekämpfung und Einsatz für die Koch- Frauengewerbeausstellung, Schweiz. Aus- salzjodierung. stellung für Frauenarbeit (SAFFA) in Bern, Engagement für gesundheitsförderliche erste nationale Petition für das Frauenstimm- Schulhausbauten und Freiluftbewegung u.a. recht. im Kampf gegen Tuberkulose und Rachitis. 1929 Börsencrash, anschliessend Wirt- 1931 Ernst Wyss wird zweiter hauptamtlicher schaftskrise mit grosser Arbeitslosigkeit. Schularzt. 1929 Bundesgesetz zur Bekämpfung der Präventive Untersuchungen auf Tuberkulose Tuberkulose. werden intensiviert (Tuberkulin-Hauttests). 1926-32 Sanierung der Häuser an der Bad- 1931 Mitarbeit der Schulärzte an der Hygiene gasse im Berner Mattequartier; Verbesse- und Sportausstellung (HYSPA) in Bern. rung der hygienisch prekären Wohnungen.

1933-1942

Andauernde Weltwirtschaftskrise und hohe 1936 Einführung der Kochsalzjodierung zur Arbeitslosigkeit. Kropfprophylaxe in der Stadt Bern. Untersuchung von Erwerbslosen für Arbeits- einsätze durch Schulärzte. 1933 Machtergreifung der Nationalsozialisten Aktivdienst der Schulärzte; gute Zusammen- in Deutschland. arbeit mit dem Nervenarzt Dr. Jung zur Si- cherstellung der schulärztlichen Versorgung. 1939 Ausbruch des 2. Weltkriegs. Medizinische Betreuung der vom Roten Kriegsbedingt arbeiten zusätzlich 5000 Mit- Kreuz in die Schweiz geholten kriegsversehr- arbeitende in der Bundesverwaltung. ten Kinder durch den schulärztlichen Dienst.

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1943-1952

1945 Ende des 2. Weltkriegs. Die Stadt Überwachung der Gesundheit der Kinder un- übersteht den Krieg dank der funktionieren- ter Kriegsbedingungen, Abgabe von Vitami- den Kriegswirtschaft unbeschadet. nen und zusätzlicher Lebensmittel-Rationen. 1948 Die Erziehungsberatung arbeitet neu für Lehrpersonen aus dem ganzen Kanton. Starkes Bevölkerungswachstum und rege 1950 Eröffnung der schulärztlichen Filiale Wohnbautätigkeit (Siedlungen Wylergut, Nord an der Viktoriastrasse 60. Bethlehemacker und Melchenbühl). 1952 Rücktritt von Paul Lauener. Wilhelm Vogt wird sein Nachfolger.

1953-1962

Wirtschaftswachstum und kalter Krieg prägen Ausbau des Sprachheilunterrichts. Westeuropa. 1956/57 Erste Polioimpfkampagne. 1958-1965 Überbauung Tscharnergut. 1957 Eröffnung der schulärztlichen Filiale West an der Frankenstrasse 1 (seit 1.1.2013 Die Bevölkerung der Stadt Bern erreicht 1962 Familienhaus). mit 166‘000 Einwohner den Höhepunkt. 1958 Eröffnung Heilpädagogisches Tages- heim (vorerst dem Schularztamt unterstellt) . 1962 Eröffnung der Schwerhörigenklasse. Das Schularztamt ist mit den rasch wach- senden Schülerzahlen stark gefordert. 1961 Erziehungsberatung und Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst werden ein eigenes städtisches Amt.

1963-1972

1968 Studenten- und Jugendbewegung; Ein- 1965 Kurt Kipfer wird Nachfolger von Wilhelm marsch der UdSSR in der Tschechoslowakei. Vogt. Wirtschaftliche Hochkonjunktur und starke 1968 Erste Einführungsklasse eröffnet (spä- Arbeitsmigration. Erste Anpassungsklasse für ter KKD, heute Einschulungsklasse). eingewanderte Kinder. 1969 Bezug des zentralen Standorts des 1965-1975 Bau mehrerer Hochhaussiedlun- Gesundheitsdienstes, Monbijoustrasse 11 gen in Bern West (Gäbelbach, Schwabgut, (frühere Standorte waren Bogenschüt- Bethlehemacker, Fellergut). zenstrasse, Bundesgasse und Marktgasse). 1971 Einführung des Frauenstimmrechts und 1970 Kurt Kipfer übernimmt arbeitsmedizini- Wahl der ersten Berner Gemeinderätin, Ruth sche Aufgaben für die Stadt. Im Obersteg Geiser. 1971 Christine Herter wird erste Sozialarbei- terin am Schularztamt. Sie übernimmt gleich- zeitig das Patronat für Hilfsschülerinnen.

1973-1982

1974 Öl und Weltwirtschaftskrise. Rückwan- 1975 Kipfer initiiert als Bernischer Grossrat derung vieler Gastarbeiter, Lehrstellenman- die Schaffung des Werkjahres. gel und Jugendarbeitslosigkeit, erschwerte 1977 Zweite Sozialarbeiterstelle bewilligt. Integration schulschwacher Jugendlicher in 1979 Wahl von Kurt Kipfer in den Gemeinde- die Arbeitswelt (Lehrstellenabbau). rat. Er wird Schuldirektor. Gesellschaftliche Veränderungen, u.a. starke 1980 Jean-Claude Vuille wird Nachfolger. Zunahme des Anteils alleinerziehender Müt- 1980 Fragezeichensprechstunde an Berufs- ter unter den Familien. (Bundesamt für Sta- schulen, Auskunftsstelle für Lehrmeister und tistik, 2013. Berufsschul-Lehrpersonen.

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1983-1992

Erneuter Wirtschaftsboom 1983 Erste Psychomotorik-Stelle der Stadt Bern. Waldsterben und Reaktorkatastrophe von Tschernobyl setzen den Umweltschutz auf 1988 75 Jahre Schularztamt; Start der Ge- die politische Agenda. sundheitsförderung im Langschuljahr mit dem Projekt „gsund – zwäg- zfride“. Ab 1985 offene Drogenszene in Bern. 1989 Die Verwaltungsreorganisation OPTA führt zur Fusion von Schularzt- und Stadt- arztamt zum Gesundheitsdienst. 1986 Ottawa Charta der Weltgesundheitsor- ganisation öffnet das Spektrum weg von der 1990 Neuregelung stadtärztlicher Aufgaben; risikobezogenen Prävention zur ressourcen- aus dem Stadtarztamt stossen Gesundheits- orientierten Gesundheitsförderung. inspektorat und Ernährungsberatung zum Gesundheitsdienst. 1987 Räumung des Hüttendorfs Zaffaraya. 1991 vorübergehende Integration des Amts 1991/92 Eskalation der offenen Drogenszene für Arbeitsmedizin aus der Finanzdirektion. im Kocherpark. 1992-95 Pilotprogramm Drogenprävention und Start der Gesundheitsteams an Schulen.

1993-2003

1991 Wirtschaftskrise, diverse Betriebe stel- 1993 Abschluss der Fusion von Schularzt- len die Produktion in Bern ein. Verlust von und Stadtarztamt. 350 Lehrstellen. 1994 Die von einer Motion geforderte Ab- 1992-95 Krieg in Bosnien; 1999 Krieg in Ko- schaffung des Gesundheitsdienstes wird im sovo. Stadtrat abgelehnt. 1994 Umsetzung des Schulmodells 6/3 mit 1996 Rücktritt von Jean-Claude Vuille; Ursu- Aufhebung getrennter Real- und Sekundar- la Ackermann wird Nachfolgerin. schulen. 1996 Gesundheitsdienst wird Pilotbetrieb für 1994 Neue schulärztliche Verordnung und die Neue Stadtverwaltung Bern (NSB). Neues Krankenversicherungsgesetz (Impfun- 1996 Erster Gesundheitsbericht. gen sind nun Pflichtleistung nach KVG).

Starke Zuwanderung aus den Balkanstaaten, Sri Lanka, Südostasien und Afrika (Statistik- dienste der Stadt Bern).

2003-2013

Rasch fortschreitende Globalisierung und 2003 Konzept integrierte Schulsozialarbeit. wirtschaftliche Deregulierung. Nicht alle Be- 2004-2013 Auf- und Ausbau der Schulsozial- völkerungsgruppen können am Wohlstand arbeit. teilhaben. 2006 Frühförderungskonzept. Zunahme der Kinderarmut. Schulen sind mit sozialen Problemen immer 2007 Start der Frühförderung primano. stärker gefordert. 2010 Neues Zuweisungsverfahren Spezialun- Kriege in Afghanistan, Irak und Eritrea. terricht. 2010: Umsetzung des Integrationsartikels im 2011 Rücktritt von Ursula Ackermann; An- Volksschulgesetz. nemarie Tschumper und Richard Jakob übernehmen die Nachfolge als Co-Leitung. 2013 Revision des Volksschulgesetzes.

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III Schulärztliche Themen im Wandel der Zeit

1. Medizinische Vorsorge für erfolgreiches Lernen

Von Seh- und Hörstörungen betroffene Kinder «Wie manches Kind leidet moralisch darunter, dass es nicht das Gleiche leisten kann, was seine normalsichtigen Mitschüler (…). Es ist daher nicht bloss eine Forderung der Hygiene, sondern auch eine Forderung der Humanität, dass alle in die Schule eintretenden Kinder von Staates wegen auf den Grad ihrer Sehschärfe untersucht und ggf. versorgt werden».

(Prof. Dr. A. Siegrist, Direktor der Universitätsaugenklinik Bern, 1934)

Weil der Anteil der Kinder mit Kurzsichtigkeit mit steigendem Alter zunimmt, war man Ende des 19. Jahrhunderts überzeugt, dass die Anforderungen der Schule den Augen schadeten, und dass der Staat hier eine besondere Verantwortung habe. Später erkannte man, dass Sehfehler auf der genetisch angelegten biologischen Variabilität beruhen und sich unab- hängig von der Schule entwickeln. Sehfehler haben jedoch negative Auswirkungen sowohl auf die schulische Leistungsfähigkeit als auch auf die Gesundheit, z.B. durch die stärkere Ermüdung. Nebst der Früherkennung hat der schulärztliche Dienst stets auch dafür gesorgt, dass erforderliche Brillen tatsächlich angeschafft und finanziert werden konnten. Gleiches gilt für Hörstörungen: Können Kinder Gesprochenes aufgrund einer Hörstörung schlecht verstehen, schränkt dies ihre Lernfähigkeit ebenfalls stark ein.

Sehtest (undatiert, 30er Jahre)

Hörtest (2013)

Bild li: Staatsarchiv des Kantons Bern Fotonachlass Tschirren Bild re: Auftraggeber H. Bosshard

Schulärztliche Screening-Untersuchungen

Hör- und Sehtests sind bis heute wichtige schulärztliche Screening-Untersuchungen. Sie erkennen zuverlässig auch mittelschwere bis leichte, aber für die Schule relevante Störun- gen. So können Kinder versorgt oder behandelt werden, bevor sie bezüglich Lesefähigkeit oder Sprachentwicklung einen Entwicklungsrückstand erleiden. Viele Seh- und Hörstörun- gen werden auch heute noch erstmals im schulärztlichen Dienst erkannt. Denn Kinder be- merken Seh- und Hörstörungen oft nicht oder können ihr Problem nicht adäquat zum Aus- druck bringen. Für die Lernfähigkeit von zentraler Bedeutung sind zudem die motorische und sprachliche Entwicklung. Hier gilt es, medizinische Ursachen für Entwicklungsdefizite zu erkennen, allenfalls Eltern bezüglich Förderung zuhause zu beraten und dazu beizutra- gen, dass von Schwierigkeiten betroffene Kinder die nötige Unterstützung durch Spezialun- terricht oder eine Therapie erhalten.

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Durch Armut, Infektionskrankheiten und Krieg geschwächte Kinder

Mit schulärztlichen Statistiken zeigte man ab 1918 die Auswirkungen der Armut auf die Ge- sundheit der Kinder auf; z.B. blieben arme Kinder im Wachstum zurück (Lauener, 1931). In der Folge organisierte man Schülerspeisungen für armutsbetroffene Kinder. Um Mangeler- scheinungen unter der kriegswirtschaftlichen Lebensmittelrationierung vorzubeugen, über- wachte das Schularztamt die Entwicklung der Kinder (Lauener, 1944), verordnete bei Bedarf extra Lebensmittelrationen und gab den Schulkindern die Vitamine B+C oder D ab. Nur für Vitamin D konnte aufgezeigt werden, dass es sich leicht positiv auf die körperliche Konstituti- on auswirkt (Lauener, 1942). Ausserdem wies man körperlich schwache oder tuberkulosegefährdete Kinder in Ferienkolo- nien zur Erholung. Die Schulärztinnen und -ärzte verschrieben die Aufenthalte und überwach- ten die Erholung der Kinder. Einige Kinder litten allerdings unter so starkem Heimweh, dass es ihnen den Appetit verschlug. Das minderte die Erholungswirkung, was wiederum den Kur- aufenthalt verlängerte. Da war die Freiluftschule Elfenau eine willkommene Alternative.

«Später kam man dazu, gleichsam „Freiluftgehege“ für geschwächte, rekonvaleszente oder tuberkulosegefährdete Kinder einzurichten. ... Die Erfolge solcher Schulen wiesen sich auch bei uns als ausgezeichnet, nicht nur in gesundheitlicher sondern auch in seelischer Hinsicht.»

(Paul Lauener, 1957)

«.. Der Schulbetrieb wurde zum grossen Teil im Freien gehalten. Die Kinder machten in den ganztägigen Freiluftschulen auch ihre Liegekuren».

Freiluftschule Elfenau eröffnet 1923

Bild: Stadtarchiv Bern

Kinderlager ab 1981 – gleiche Zielgruppen andere Themen

Als die Ferienkolonien der Stadt Bern ab 1981 kein festes Personal mehr hatten, organisierte der Schulsozialdienst bis 2012 im Sommer und Herbst 2- bis 3-wöchige Ferienlager (Verwal- tungsbericht, 1981). Nun stand die soziale Erholung im Fokus, z.B. für Kinder aus sozial be- lasteten Familien oder mit Förderbedarf im Sozialverhalten. 2013 wurden die Ferienlager auf- grund des finanziellen Rückzugs des Kantons aufgegeben. Wobei heute eine Vielzahl anderer im „Fäger-Programm“ des Jugendamts bekannt gemachte Lager und Aktivitäten, die Fiesch- Lager des Sportamts oder die Ferieninseln des Schulamts zur Verfügung stehen.

Interdisziplinär betreute Ferienlager (Psychologie, Ernährung, Sportpädagogik) wurden vom Schularztamt ab 1983 ebenfalls für Kinder mit Übergewicht oder Adipositas angeboten (Vuille, Verwaltungsbericht, 1983). Auch dieses Problem betrifft sozio-ökonomisch benachteiligte Kinder besonders stark. 2006/07 wurden therapeutische Angebote für übergewichtige Kinder schliesslich zugunsten der schulischen Primärprävention des Übergewichts aufgegeben und an praktizierende Fachpersonen delegiert (NSB-Jahresbericht, 2007).

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2. Vom gesunden Schulhaus zum gesunden Schulklima

Licht, Luft, Sauberkeit, Zugang zum Aussenraum – moderner Schulhausbau

Das starke Bevölkerungswachstum ab Ende des 19. Jahrhunderts führte zu Wohnungsnot, schlechten Wohnverhältnissen und zu unhygienischen Situationen in den Schulhäusern. 1915/16 besuchten beispielsweise 1500 Kinder (heute 500 Kinder) das Brunnmattschulhaus (Verwaltungsbericht 1917). Es erstaunt nicht, dass im ersten Reglement für die Schulärzte der Stadt Bern bei den Aufgaben (Art. 4) die Überwachung der hygienischen Einrichtungen der Schule an erster Stelle stand. Als Schularzt befasste sich P. Lauener intensiv mit dem Schulhausbau. Er forderte Luft und Licht, Überschaubarkeit, Zugang zum Aussenraum und zweckmässige hygienische Einrichtungen (Lauener, 1932).

Schulhaus Stapfenacker

Erbaut 1930-1932 nach modernen Erkenntnissen der Schulhaushygiene

Bild: Buch Jugend Schule und Arzt Ausgabe 1933

«Dankbar sei anerkannt, dass bei neuen Schulhausbauten heute dem Prinzip von Licht und Luft in starkem Masse Rechnung getragen wird (…). Aber es fehlt oft am Öffnen der Fenster. Die schönen breiten Fensterfronten bleiben dann nur noch eine architektonische Staffage…»

(Paul Lauener, 1957)

Auch wenn Schulärztinnen und -ärzte heute keine formelle Mitsprache im Schulhausbau mehr haben, werden sie sich auch künftig mit baulichen Fragen beschäftigen müssen. Ein neueres Beispiel ist die Raumluftbelastung durch Naphthalin in einigen Schulbauten aus den 50er Jah- ren. Der Gesundheitsdienst hat hier eine Rolle als Anlauf- und Auskunftsstelle für Schule, Eltern und Behörden. Weiteres Beispiel sind die Erfahrungen in Deutschland mit der bereits weiter fortgeschrittenen Integration von behinderten Kindern (Inklusion) in Regelschulen. Sie zeigen, dass das Fachwissen der Schulärztinnen und -ärzte zu infrastrukturellen und bauli- chen Voraussetzungen hier sehr gefragt ist (Trost-Brinkhues, 2013).

16 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

An Unterrichtsform und Körpergrösse angepasstes Schulmobiliar

«Die Sitze sind frei vom Tisch. Jedes Kind hat einen eigenen Stuhl. Wie oft verkörpert die starre Schulbank auch ein starres Schulsystem. Vielleicht ist der freie Stuhl schon das Sym- bol eigener Persönlichkeit.»

(Paul Lauener, 1932)

Zwischen 1918 und 1945 veränderte sich die durchschnittliche Körpergrösse der Kinder und Jugendlichen rasch. Sie wurden grösser und hatten früher ihren pubertären Wachstumsschub. Hier konnten die starren Schulbänke nicht mithalten. P. Lauener setzte sich als Schularzt für höhenverstellbares Mobiliar ein, das schliesslich auch Einzug in die Schulzimmer hielt (Laue- ner, 1957). Damit waren aber nicht alle Probleme gelöst, denn höhenverstellbare Möbel hel- fen nur, wenn man sie auch an die Grösse der Kinder anpasst.

Li: Freistehende Schulbänke Re: Hier besteht Anpassungsbedarf

Bild li: Stadtarchiv Bern Bild re: U. Ackermann

Ein gutes Schulklima – das Kolumbus-Ei der Schulgesundheitsförderung?

Die grosse gesundheitliche Bedeutung eines guten Schulklimas wurde mit der wissenschaftli- chen Evaluation der Schulgesundheitsförderung in der Stadt Bern belegt (Vuille & Schenkel, 2001). Die Resultate fanden auch international viel Beachtung. In Schulen mit gutem Klima beklagten sich die befragten Jugendlichen seltener über gesund- heitliche Probleme und psychosomatische Beschwerden. Sie konsumierten weniger Tabak, Alkohol oder Drogen, hatten wesentlich häufiger eine positive Lebenseinstellung, nutzten ak- tive Bewältigungsstrategien in Problemlagen und verstiessen seltener gegen Regeln. Und ihre Schulleistungen waren durchschnittlich besser. Solche Verhaltensweisen zusammen mit einer guten Bildung werden ihre Gesundheitschancen weit ins Erwachsenenalter hinein verbessern.

Investitionen ins Schulklima und eine gute Unterstützung der Schulen bei der Umsetzung ent- sprechender Massnahmen bleiben in Zukunft wichtig. Es gilt negativen gesundheitlichen Aus- wirkungen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenzuwirken und die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu bremsen. Auch wenn die Förderung eines gu- ten Schulklimas allein nicht das Kolumbus-Ei, sondern nur ein besonders wirksamer Ansatz ist (Vuille, 2002).

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 17

3. Bekämpfung von Infektionskrankheiten

«Der Kampf gegen die ansteckenden Krankheiten hat im Lauf der letzten 30 Jahre zu bedeu- tenden Erfolgen geführt. Noch aber stehen mächtige Bollwerke, die genommen werden müs- sen. In diesem Kampf kommt der Schule und den Schulärzten eine besondere und wichtige Aufgabe zu.»

(Paul Lauener, 1933)

1917 starben in der Schweiz ca. 12‘000 Menschen an einer Infektionskrankheit. Im Jahr 1930 waren es noch 7000, davon 5050 an Tuberkulose (Lauener, 1933). Bessere soziale Verhält- nisse, die Abnahme von Geburtenziffer und Rachitis aber auch die schulärztliche Präventi- onsarbeit trugen dazu bei: Bessere Schulhygiene, Interventionen bei Krankheitsausbrüchen, Ferienversorgung, Schülerspeisung und Freiluftbewegung. Dies war umso wichtiger, als man therapeutisch noch keine Mittel hatte (Lauener, 1925).

Tuberkulose (Tbc) – Herausforderung und Chance für das Schularztwesen

1929 verpflichtete der Bund mit dem Gesetz betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose die Gemeinden, einen Schularzt anzustellen und gab damit erstmals dem Schularztwesen eine gesetzliche Grundlage auf nationaler Ebene (Lauener, 1934). Damit wurde ab 1930 in der Stadt Bern die Tuberkulosebekämpfung mit einem erweiterten schulärztlichen Untersu- chungsplan umgesetzt: Tuberkulin-Proben aller 1.-, 5.- und 9.-Klässler und Abklärung der positiven Kinder im Zieglerspital. Ab 1944 folgte die Durchleuchtung aller 1.-, 5.- und 9.- Klässler im Schularztamt (Verwaltungsberichte, 1930 & 1944). Später bot die Bernische Liga gegen Tuberkulose die jährliche freiwillige Schirmbilduntersuchung für alle Schulkinder und Lehrlinge an. 1947 beteiligten sich 13‘990 Kinder und Jugendliche (Verwaltungsbericht, 1947). In den 50er Jahren verlor die Tbc mit Antibiotika-Therapie und Impfung an Schrecken. Das Interesse an den Schirmbilduntersuchungen liess vorübergehend nach. 1969 gab es im- mer noch 11'724 Aufnahmen mit 92 abklärungsbedürftigen Befunden, was als Beleg der Nütz- lichkeit dieser Aufnahmen gewertet wurde (Kipfer, Verwaltungsbericht 1969). Erst in den 90er Jahren stellte man die Screening-Untersuchungen vollständig ein.

Schulärztliche Untersuchung (30er Jahre)

Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern Fotonachlass Tschirren

18 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

Würmer beeinträchtigen Schulleistungen und den Ernährungszustand

Ein Wurmbefall führt zu Ernährungs- und Stoffwechselstörungen, Bauchschmerzen, Blutar- mut, Müdigkeit und Apathie. Die Schulleistungen leiden darunter. 1926 stellte das Schularzt- amt bei 50% der Kinder aus städtischen und 90% der Kinder aus ländlichen Bezirken der Stadt Bern einen Wurmbefall fest (Lauener, 1926). Die Hygiene-Erziehung der Mädchen und die Warnung vor dem Düngen der Gärten mit menschlichen Fäkalien wurden intensiviert. Im Kontext der Ernährung der Bevölkerung im Krieg wurde 1941 mit dem eidgenössischen Ge- sundheitsamt die Wurm-Untersuchung wiederholt. Der Anteil befallener Kinder hatte sich er- freulicherweise um die Hälfte reduziert (Verwaltungsbericht 1941).

Eiserne Lunge zur Beatmung von Patienten mit Kinderlähmung

Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern StAB Insel II 3103

Kinderlähmung (Poliomyelitis/Polio) – erste grosse Impfkampagne

In den 1950er Jahren gab es grössere Polioepidemien. Mit der Eisernen Lunge hatte man erstmals die Möglichkeit, Erkrankte mit Atemlähmung zu behandeln und sie vor dem Tod zu retten. Viele blieben jedoch zeitlebens behindert oder von einer Beatmungsmaschine abhän- gig. Gross war daher die Erleichterung, als erstmals ein Impfstoff gegen Poliomyelitis zur Ver- fügung stand. Die Impfkampagnen gegen Poliomyelitis wurden ab 1956/57 vom Schularztamt organisiert. Das Impfen selbst besorgten die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte. Ausnahme waren die bedürftigen Kinder, die im Schularztamt geimpft wurden. Allerdings erreichte man so nur eine ungenügende Durchimpfung. Dem Schularztamt wurde daher ab 1971 erlaubt, alle Kinder zu impfen. In der Folge gelang es, mit jährlich 2000-4500 Polioimpfungen im Schularz- tamt die Durchimpfung der Schulkinder von 69% auf 94% zu erhöhen. (Verwaltungsberichte, 1968 & 1975).

Zu den Impfungen gehört stets auch die Impfkritik. So befürchtete Lauener (1957), dass Impfkritiker „der Kinderlähmung den Boden zu weitgehendster Verbreitung freigeben würden“; dies, obschon die Gefahren der Polio noch sehr präsent waren. Heute sind die Gefahren von Infektionskrankheiten wie Masern und Starrkrampf durch Impfung der meisten Kinder glückli- cherweise fast in Vergessenheit geraten. Entsprechend braucht es mehr Informationsarbeit, um die Bevölkerung zur Aufrechterhaltung eines genügenden Impfschutzes zu motivieren.

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 19

Vorerst erfolgreicher Kampf gegen die Läuse…

Die Bekämpfung der Läuse erforderte immer wieder grosse Anstrengungen: 1933 brachte die jährlich mehrmalige Untersuchung aller Kinder, die ständige Kontrolle in Schulklassen mit mehreren verlausten Kindern sowie die Aufklärung der Eltern aller Erstklässler mittels Merk- blatt den erhofften Erfolg: «Dank der Aufklärung und der ständigen Kontrolle ist heute die Verlausung in den Schulen ausserordentlich stark zurückgegangen. Neue Fälle kommen fast ausschliesslich von auswärts. » (Verwaltungsbericht 1933). 1948 wurde gar gemeldet, dass die Läuse aus den Berner Schulen verschwunden seien (Verwaltungsbericht, 1948).

Läusekontrolle Elterninstruktion

Bilder: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

... bis sie leider wieder auftauchen

1982 wird von einer Verlausung in einem kaum je beobachteten Ausmass berichtet. «Wenn die bisherigen Massnahmen nicht greifen (Klassen-Untersuchung nach Meldung sowie Infor- mation der Eltern über die nötige Behandlung), müssen radikalere Massnahmen zumindest diskutiert werden» (Verwaltungsbericht, 1982).

In den letzten 10-15 Jahren erforderte das ausufernde Läuseproblem immer neue Massnah- men: Einsatz externer Läusefachfrauen, Elterninformationsabende, präventive Untersuchun- gen in Zusammenarbeit mit Eltern u.a.m. Im neuen Läusekonzept 2012 wurde die Aufgaben- teilung zwischen Eltern, Schule und Gesundheitsdienst bei der Läusebekämpfung wieder kla- rer definiert und den neuesten Erkenntnissen zur Therapie angepasst, was 2012/13 zu einer Beruhigung der Lage geführt hat.

Bekämpfung von Infektionskrankheiten – ein wichtiges Feld auch in der Zukunft

Die Infektionskrankheiten haben heute dank der Impfung und Antibiotika-Therapie viel von ihrem Schrecken verloren. Dennoch bleibt ihre Bekämpfung eine wichtige Aufgabe der schul- ärztlichen Dienste. So tauchten in den letzten 30 Jahren immer wieder neue Viruserkrankun- gen auf, die für den Menschen gefährlich sind (SARS, Corona-Virus, HIV), und die sich dank der hohen Mobilität der Menschen rasch verbreiteten. Im Falle schwerer Epidemien können schulärztliche Dienste sehr rasch die vom Kantonsarztamt angeordneten Massnahmen in den Schulen umsetzen helfen (z.B. prophylaktische Medikamentenabgabe, Impfkampagnen). Sie sind für die Schulen eine vertraute Anlauf- und Auskunftsstelle (z.B. Grippe-Pandemie 2009/10) und können Aufklärungsarbeit über Präventionsmassnahmen leisten (z.B. HIV).

Dank Impfbuch-Kontrollen und Impfangebot schaffen schulärztliche Dienste zudem unkompli- ziert Zugang zu Impfungen und leisten damit auch heute einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Impfschutz der Bevölkerung (Lang, 2012).

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4. Schulärztliche Datenauswertungen und Forschungsarbeiten

Verwaltungsberichte – eine unterschätzte epidemiologische Datenquelle

Die Ergebnisse der schulärztlichen Untersuchungen geben einen wertvollen Überblick über die Gesundheit der Schulkinder. Sie wurden über 100 Jahre immer wieder im den Verwal- tungsberichten veröffentlicht und dazu genutzt, auf Probleme und bestehenden Handlungsbe- darf hinzuweisen: Beispiele sind die Auswirkungen von Jodmangel, Armut oder Luftver- schmutzung auf die Gesundheit der Kinder. Besonders ausführlich sind die Berichte von 1947 bis 1949, welche die Entwicklung der Kinder über die Kriegsjahre darstellen.

Erfolgreiche Kropfbekämpfung – und von „Jod-Kritikern“ verursachte Rückschläge

«Seit der intensiven Bekämpfung des Kropfs, sind Taubstummheit und Schwerhörigkeit auf ein normales Mass zurückgegangen. In der Stadt Bern wurde die Klasse für Schwerhörige in eine solche für Sprachgestörte umgewandelt, weil ganz einfach die schwerhörigen Kinder fehlten.»

(Paul Lauener, 1957)

Das Mittelland war durch Jod-Mangelerkrankungen stark betroffen (Kropf, Kretinismus, Taub- heit, Schwerhörigkeit und Herzstörungen). Die Schulärzte führten nach dem Vorbild anderer Städte die präventive Abgabe von Jodmalz-Tabletten an Schulkinder ein. Nach 15 Jahren sank so der Anteil 1.-Klässler mit Kropf in der Stadt Bern von 35% auf 16%, bei den Schul- abgängern von 79% auf 10%. Lauener setzte sich stark für die Kochsalz-Jodierung ein (Laue- ner, 1926, 1936). Sie wurde 1936 in der Stadt Bern endlich eingeführt und die Abgabe von Jod-Tabletten an Schulkinder gestoppt. Bis 1939 nahm die Kropf-Häufigkeit in der 9. Klasse jedoch wieder auf 33% zu. Das Lebensmittelamt kontrollierte darauf und stellte fest, dass erst ein Drittel des konsumierten Kochsalzes jodiert war. Viele Salzauswäger hatten noch gar kein jodiertes Salz angeschafft. « (…) Nach 3 Jahren! Nous sommes de Berne! » kommentierte das Amt. Jod-kritische Äusserungen einer Krankenschwester in der Presse hatten Salzver- käufer, Konsumentinnen und Konsumenten stark verunsichert (Lauener, 1939).

Oberstufen-Schülerin mit Kropf

Bild: Buch Jugend Schule und Arzt Ausgabe 1933

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 21

„Wer unserer Jugend den Schlaf raubt, begeht Diebstahl an der Kraft des Volkes“

Aus einer Befragung von Lehrpersonen zur Ermüdung der Schulkinder und Faktoren, die sie beeinflussen (Tages- oder Jahreszeit, Wetterlage, Entwicklungsphase etc.) leitete Lauener (1934) folgende Forderungen ab: (1) Mindestens 6 Wochen Sommer- und 3 Wochen Früh- jahrsferien, weil da die Ermüdung am höchsten sei, allenfalls Reduktion der Herbstferien auf 2 Wochen und (2) kein Schulbeginn vor 8:00 Uhr! Während 35 Jahren kämpfte Lauener, und kämpften seine Nachfolgerinnen und Nachfolger leider erfolglos für einen späteren morgend- lichen Schulbeginn, der den Schlafbedürfnissen der Kinder und vor allem der Jugendlichen besser gerecht würde (Lauener, 1934, Lauener 1957). Die Forderung bleibt 2013 aufgrund neuer Forschungsergebnisse hoch aktuell (z.B. Owens et al. 2010).

Höhenflüge zur Therapie von Keuchhusten

Mitteilungen über günstige Ergebnisse der Keuchhustenbehandlung durch Höhenflüge aus Amerika und Deutschland wurden vom Schularztamt mit dem eidgenössischen Luftamt und der Alpar Bern AG wissenschaftlich überprüft. 250 Keuchhusten-Patienten flogen 1939 auf 3500-4000m. Bei 54.8% der Patienten kam es darauf innert 2-3 Tagen zur Heilung oder zur dramatischen Besserung. Bei 17.6% war der Erfolg befriedigend, bei 27.6% fehlte er. Zu den Wirkmechanismen gab es nur Vermutungen (Lauener, 1942). Auch 2013 werden noch „Vols coqueluche nach Dr. Matter“ auf dem Internet angeboten (z.B. www.aviation-languedoc.com).

Keuchhustenflüge: „Mama, ich habe meinen Keuchhusten nicht mehr“ „Und ich habe mein Mittagessen nicht mehr“....

Quelle: Wikipedia

Evaluation erweiterter Schuluntersuchungen

1983-1986 wurden am Schularztamt die schulärztlichen und kinderärztlichen Vorsorgeunter- suchungen in einer grossen wissenschaftlichen Studie überprüft. Fazit der Forschung war, dass schulärztliche Befunde für die Beurteilung relevanter Störungen zuverlässig sind und ein gutes Bild über die Gesundheit ganzer Schülerpopulationen geben. Diese fundierte Evaluation der schulärztlichen Arbeit bleibt bis heute interessant (Vuille et al. 1991).

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Schulärztliches Monitoring – das BMI-Monitoring von Basel, Bern und Zürich

2007 haben die schulärztlichen Dienste von Basel, Bern und Zürich im Auftrag von Gesund- heitsförderung Schweiz ein gemeinsames BMI-Monitoring aufgebaut, das auf anonymisierten Befunden der schulärztlichen Untersuchungen basiert. Die jährlichen Monitoring-Berichte (z.B. Stamm, 2013) liefern wertvolle Erkenntnisse und zeigen den Nutzen der schulärztlichen Daten für die Planung von Präventionsmassnahmen.

SCARPOL

Im nationalen Forschungsprogramm NFP 26 „Mensch, Umwelt, Gesundheit“ beteiligte sich Bern mit anderen schulärztlichen Diensten der Schweiz 1992/93 und 1995/96 an der SCAR- POL Studie zu Zusammenhängen zwischen Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindern (Organisation der Befragungen von Eltern und Jugendlichen, Blut- entnahmen und Sicherstellung der Rückmeldungen der Laborresultate an die Probanden). Die Luftschadstoffe PM10 (Feinstaub), Stick- und Schwefeloxide sowie die Anzahl Nebeltage zeigten einen Zusammenhang zu unspezifischer Atemwegsreizung und zu Atemwegsinfekten, aber nicht zu Asthma. Die Resultate fanden Eingang in die politische Diskussion um die Grenzwerte der Luftschadstoffe (SCARPOL, 1997).

Die Arbeit auf wissenschaftliche Grundlagen abstützen und evaluieren

Die Beispiele zeigen, dass sich die evidenzbasierte Arbeitsweise wie ein roter Faden durch die 100-jährige Geschichte des schulärztlichen Dienstes und Gesundheitsdienstes zieht. Alle Angebote des Gesundheitsdienstes sind wissenschaftlich evaluiert und werden laufend auf die Wirksamkeit hin überprüft.

Die Forschung und Evaluation weist dabei nicht nur auf wichtige Aufgabenfelder hin. Sie stellt auch einen effektiven Einsatz der Ressourcen sicher.

Bild: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 23

5. Eltern, Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf

Überblick, Hilfestellung und Sicherheit sind gefragt

«.. Alles, was schief ging in der Schule kam vor unsere Ohren. Die ärztlichen Sprechstunden schienen den Eltern ein angenehmer und erreichbarer Ablagerungsplatz für alle ihre Sorgen um die Kinder zu sein. »

(Paul Lauener, 1957).

Das Schularztamt war rasch Anlaufstelle für Schwierigkeiten in der Schule, zuhause oder in der Berufsbildung. Wie eine Lawine seien die Fragen über die ersten Schulärzte gestürzt. Schulärztinnen, Schulärzte und Schulsozialarbeitende waren und sind bis heute vertraute, niederschwellige erste Anlaufstellen. Die Ratsuchenden erwarten von ihnen direkte Hilfe, Er- mutigung, einen grösseren Schritt zur Problemlösung zu tun (z.B. Aufsuchen einer Fachstelle) oder die Versicherung, einen guten Lösungsweg eingeschlagen zu haben. Heute verunsichern vor allem die sich rasch wandelnde Konsum- und Multioptionsgesellschaft sowie verschiedene sozio-ökonomische Benachteiligungen viele Eltern (Ackermann, 2011). Elternarbeit ist stark gefragt, und in den letzten Jahren wurden Angebote entwickelt wie „El- ternSorgen“ (thematische Elternanlässe für Elternräte) und „Starke Eltern stärken Kinder“ (Elternkurse von Gesundheitsdienst und Berner Gesundheit), um die Diskussion von Proble- men in Elterngruppen anzuregen. Der Einbezug der Eltern war und ist auch künftig eine Schlüsselaufgabe des Gesundheitsdienstes.

Eltern- und Eltern-Kind-Anlässe primano Bilder: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Erziehungsberatung und schulpsychiatrischer Dienst im Schularztamt

1920 begann die vorerst informelle Zusammenarbeit von Schularzt Lauener mit dem Psycho- logen Hans Hegg, aus der 1923 die Erziehungsberatungsstelle des Schularztamts entstand (Hofmann, 2008). Für psychiatrische Fragen zog man den Psychiater Jung (Cousin des be- rühmten C.G.Jung) als Konsiliarius bei. Später wurde die vollamtliche Stelle eines Schulpsy- chiaters geschaffen, der jeweils gleichzeitig Leiter der kantonalen kinderpsychiatrischen Be- obachtungsstation war. Die Erziehungsberatungsstelle führte Sprechstunden für Eltern, Be- rufsberatungen, Intelligenzabklärungen und Verwahrlosungsbegutachtungen durch und bot gemeinsam mit dem Schularzt Elternabende und Schulreifeabklärungen an. 1948 wurde die Erziehungsberatung ausgebaut und stand ab da Lehrpersonen im ganzen Kanton zur Verfü- gung (Lauener, 1957). 1961 wurden Erziehungsberatung und Kinder- und Jugendpsychiatrie als eigenes Amt direkt der Schuldirektion unterstellt. Die Kantonalisierung erfolgte 1972 (Stadtarchiv, 2011).

24 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

Wichtige Weichen werden früh gestellt

«Immer deutlicher zeigt sich die Notwendigkeit bei noch jüngeren Kindern gezielt und aktiv nach Fehlentwicklungen und anderen Mängeln zu suchen, um die Chancengleichheit von der körperlich und sozialen Seite her nicht zu gefährden. Dieses Postulat verdient im Rahmen kommender Vorschulerziehung die gebührende Beachtung aller verantwortlichen Instanzen. »

(Kipfer, Verwaltungsbericht 1972)

Wagte Kipfer bereits 1972 einen Blick in die Frühförderung des 21. Jahrhunderts? Vorerst ging es darum, Kinder mit fraglicher Schulbereitschaft zu erfassen, abzuklären und ihnen ei- nen optimalen Schulstart zu ermöglichen. Der von der Erziehungsberatung entwickelte Kin- dergartenfragebogen brachte ab 1964 wertvolle Informationen. 1983 wurde die 1.Klass- Untersuchung erweitert mit dem Ziel, die Elternberatung und die Betreuung der Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu verbessern (Verwaltungsbericht, 1983). Und schliesslich wurde 1992 die Früherfassung mit der Vorverlegung der ersten Untersuchung von der 1.Klasse in den Kindergarten weiter optimiert.

Der richtige Einschulungstermin – auch eine Frage des Zeitgeistes

1914 beklagte Schularzt H. Ziegler, dass zu viele Eltern ihre Kinder zu früh einschulen woll- ten, mit entsprechenden Problemen. Er äusserte sich befriedigt darüber, dass die unterste Grenze für die Körperlänge (für die Einschulung) von 106 auf 108 cm erhöht worden sei (Ver- waltungsbericht, 1914). Ab 1949 wurde dagegen wiederholt vermerkt, dass zu viele Kinder (16-18%) vom Schulbesuch zurückgestellt würden (Verwaltungsberichte 1949, 1957 und 1964). Als Grund wurde die Angst der Eltern vermutet, ihr Kind möchte der Schule und vor allem dem Übertritt in die Sekundarschule nicht gewachsen sein (Lauener, 1957). Kindergärt- nerinnen- und Lehrerinnenverein, Schularztamt und Erziehungsberatung gingen die unbefrie- digende Situation gemeinsam an und realisierten 1968 die Eröffnung einer Einführungsklas- se (spätere Kleinklasse D/Einschulungsklasse) für schulpflichtige aber nur teilweise schulbe- reite Kinder. Erziehungsberatung und Schularztamt beurteilten diese Förderung als optimal (Schuldirektion, 1984). Mit der Revision des Volksschulgesetzes 2012 wird aktuell das Ein- schulungsalter um drei Monate herabgesetzt und eine grundsätzliche Flexibilisierung der Durchlaufzeit vom 1. Kindergarten- bis zum 2. Schuljahr angestrebt (u.a. mit Basisstufen).

Einschulungsklasse

Bild: U. Ackermann

Kinder mit besonderen Bedürfnissen: Zwischen Spezialklassen und Integration

Die Bildung von Spezialschulklassen wurde 1886 in Bern noch abgelehnt, weil schwache Kin- der integriert in Regelklassen besser zu fördern seien. Hoch modern plädierte auch Lauener für die Gesamtschule, wo jedes Kind gemäss seinen spezifischen Fähigkeiten pro Fach unter- schiedliche Niveaus besuchen könnte. Er forderte, dass der Unterricht der kindlichen Entwick- lung angepasst werden müsse, nicht umgekehrt. (Lauener 1932, 1957). Vorerst wurden je- doch Spezialklassen (resp. die „Hilfsschule“) aufgebaut (Verwaltungsbericht, 1920).

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 25

Lauener und Hegg forderten 1938 in einer Expertise zur Selektion für die Hilfsschule jährliche Schulbesuche des Erziehungsberaters, schulärztliche Untersuchungen aller Repetierenden und eine Beobachtungsklasse (Hegg & Lauener, 1938), die 1941 tatsächlich eröffnet wurde. Schularzt Vogt wurden von seinem Nachfolger Kipfer besondere Verdienste in der Verbesse- rung der Behindertenfürsorge attestiert (Verwaltungsbericht, 1965). Wie weit Vogt an der Er- öffnung des zuerst dem Schularztamt unterstellten heilpädagogischen Tagesheimes (1958) und der Schwerhörigenklasse (1962) beteiligt war, ist nicht bekannt.

Für die Sprachheilschule ist der schulärztliche Dienst bis heute Abklärungsstelle. Dabei war der Mangel an Sprachheilkindergarten-Plätzen bei steigendem Bedarf stets eine grosse Her- ausforderung. U. Ackermann initiierte daher in den 90er Jahren die Eröffnung eines Sprach- heilambulatoriums für die Frühtherapie 2-4-Jähriger und 2002 die Koordinationsgruppe der Sprachheilschulen im Kanton Bern. Die Gruppe bewirkte, dass im ganzen Kanton neue und grössere Kindergärten oder Basisstufen für die frühe Sprachtherapie bewilligt wurden, mit dem Ziel der später erleichterten Integration.

Spezialunterricht Logopädie

Bild: Buch Jugend Schule und Arzt Ausgabe 1933

Kleinklassen, Logopädie und Psychomotorik

Kinder in Spezialklassen sind besonders häufig auch von gesundheitlichen Problemen betrof- fen (Kipfer, Verwaltungsbericht 1969). Sie bedürfen einer engen schulärztlichen Begleitung. Weiterhin notwendig bleibt auch der schulärztliche Fokus auf integriert geschulte Kinder mit besonderen Bedürfnissen, damit deren Integration auch dauerhaft gelingt.

Störungen der Bewegungs- oder Sprachentwicklung haben oft einen medizinischen Hinter- grund. Beim Aufbau von Logopädie und Psychomotorik hatten Schulärztinnen und -ärzte da- her eine wichtige Rolle. Sie zeigten die Verbreitung der Probleme und forderten den bedarfs- gerechten Auf- und Ausbau von Therapieangeboten, z.B. die Sprachtherapie im Kindergarten (Lauener, Verwaltungsbericht 1948) oder den Ausbau der Logopädie (Vogt, Verwaltungsbe- richt 1957). Ab 1968 wurde der Ausbau der Logopädie durch die schulärztliche IV-Anmeldung von Kindern mit schwerer Sprachstörung unterstützt (Kipfer, Verwaltungsbericht 1968).

Zur Einrichtung einer Psychomotorik-Therapiestelle wurden Schularztamt und Erziehungsbe- ratung gemeinsam aktiv. Eine städtische Stelle wurde von der kantonalen Erziehungsdirektion 1981 bewilligt, konnte jedoch erst 1983 mit einem Therapeuten besetzt werden. Bis heute arbeiten Schulärztinnen/-ärzte und Speziallehrkräfte eng zusammen und sind die Schulärztinnen/-ärzte ins Zuweisungsverfahren zu Logopädie und Psychomotorik involviert, auch wenn sie nicht mehr direkt Antrag stellen.

26 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

6. Schulärztinnen und -ärzte erhalten Verstärkung: Vom Schulsozialdienst zur Schulsozialarbeit

Dringende Fürsorgemassnahmen und Einsatz der Schulschwester – die frühen Jahre

Nach dem 1.Weltkrieg hatte es in Bern noch sehr viele arme Familien, die in schlechten Wohnverhältnissen lebten. P. Lauener sandte in den 20-er Jahren jeweils eine Schulschwes- ter in die Familien erkrankter Kinder, um Nachschau über die Pflegeverhältnisse zu halten und die Eltern zu beraten. Dies war eine Frühform der aufsuchenden Sozialarbeit, stellte den Kontakt zwischen Eltern und Schularztamt her und erfasste Familien, die nicht zur Sprech- stunde kamen oder den Ratschlägen des Schularztes nicht Folge leisteten. Damals schrieb Lauener: «Der Fürsorgedienst für die Schüler ist notwendig, solange nicht jede Familie in der Lage ist, selbst prophylaktische Massnahmen zur Kräftigung der Kinder durchzuführen. » (Verwaltungsbericht, 1920). Zu den gesundheitlichen Fürsorgemassnahmen zählten auch Erholungsaufenthalte, Freiluftschulen, Schülerspeisung, Schülerkleidung, Abgabe von Gratis- brillen, unentgeltliche Schulzahnpflege usw. (Lauener, 1957).

Schulsozialarbeiterin auf dem Pausenplatz

Bild: Schulamt Infoheft Nr. 4 - 2004

Die erste Sozialarbeiterin im Schularztamt nimmt die Arbeit auf

«Mit der neuen Mitarbeiterin wird es möglich sein, den Wirkungsgrad schulärztlicher Arbeit zu verbessern und die fürsorgerischen Probleme, die sich im Kontakt der Jugendlichen mit El- tern, Schule und beruflicher Ausbildung immer dringlicher stellen, zu bearbeiten. »

(Kipfer, Verwaltungsbericht 1972)

1966 (Verwaltungsbericht) hielt K. Kipfer erstmals fest, dass das Fehlen einer Fürsorgerin auf dem Schularztamt immer deutlicher als Mangel empfunden werde. Er wünschte sich eine Fürsorgerin für die nachgehende Fürsorge, Betreuung und Beratung von Kindern und Eltern. 1971 nahm Christine Herter als erste Sozialarbeiterin die Arbeit im Schularztamt auf, je zur Hälfte im beruflichen Beratungsdienst (Patronat) für schulentlassene Hilfsschülerinnen und in der Sozialarbeit im schulärztlichen Auftrag. Drei Jahre später war sie bereits so ausgelastet, dass dringend eine zweite Stelle gefordert wurde. Es fehlte auch ein Patronat für die Jugend- lichen der IV-Sonderschulen, und die wirtschaftliche Rezession hatte folgenschwere Auswir- kungen auf die berufliche Eingliederung der Absolventinnen der Kleinklassen (Verwaltungsbe- richt 1975). Dank Finanzierungszusage der IV und Lastenausgleichsberechtigung sowie dank intensiver Überzeugungsarbeit bei den politischen Behörden konnte K. Kipfer 1978 die zweite Sozialarbeiterin anstellen (Briefwechsel Schularztamtsleiter, Schuldirektion, Kommission für rationelle Verwaltung, BSV, Pro Infirmis 1974-1978).

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 27

Aufbau wichtiger schulsozialer Angebote

Ab 1978 wurden Gruppenarbeiten mit Hörbehinderten und Kleinkassenjugendlichen ausge- baut und immer mehr auch schwächere Primarschülerinnen und -schüler betreut. Die 1980 an den Berufsschulen eingerichtete Fragezeichensprechstunde wurde von Jugendlichen eher wenig genutzt, entwickelte sich jedoch rasch zu einer Auskunftsstelle für Lehrpersonen, Lehrmeisterinnen und -meister. Nach einer weiteren Stellenaufstockung hatten 1984 alle schulärztlichen Filialen eine Ansprechperson der Sozialarbeit. Ärztinnen/Ärzte und Sozialar- beitende boten abwechselnd Sprechstunden in den Schulhäusern für Kinder mit persönli- chen Sorgen an. Mit der Reorganisation des Gesundheitsdienstes 1993 wurde die den schul- ärztlichen Bereichen zugeteilte Sozialarbeit in den Schulen vom zentralen beruflichen Bera- tungsdienst getrennt. Sie hatte als Aufgaben die Organisation von pädagogisch- therapeutischen Beschäftigungen für Kinder mit Schulproblemen, die Hilfe bei Schwierigkeiten in Lehre und Berufsschule, die Beratung von Eltern bei familiären, finanziellen und erzieheri- schen Problemen, die Vermittlung von Tages- und Ferienbetreuungsangeboten und die Bera- tung von Lehrkräften in sozialen Fragen (Verwaltungsbericht, 1996).

Schulsozialarbeit: im Schulhaus einfach erreichbar

Bild: Kanton Bern

Integrierte Schulsozialarbeit – niederschwellige Unterstützung und Früherfassung

Ab den 90er Jahren nahmen Entwicklungsstörungen und psychosoziale Probleme bei Kindern und Jugendlichen zu. Die Schulen forderten mehr Unterstützung bei der Bewältigung sozialer Problematiken. In der Fachwelt tauchte das Konzept der integrierten Schulsozialarbeit auf, d.h. Sozialarbeit, die vor Ort und in Kenntnis der Gegebenheiten der Schule arbeitet und für Kinder, Jugendliche sowie Lehrpersonen während der Schulzeit ansprechbar ist. 2002 wurde in einem Pilotprojekt, ähnlich wie in anderen Städten, der erste integrierte Schulsozialarbeiter im Schulhaus Brunnmatt angestellt. Die politische Akzeptanz war von Anfang an gross. Die Stadt konnte mit dem Aufbau einer bedarfsgerechten Schulsozialarbeit beginnen. 2003 wurde das Konzept Schulsozialarbeit von Gesundheitsdienst und Schulamt gemeinsam erstellt und vom Gemeinderat genehmigt (Jahresbericht, 2003). Die Schule sollte zugunsten ihrer Kern- aufgabe entlastet und die Früherfassung sozialer Gefährdungen verbessert werden. Die kan- tonale Erziehungsdirektion übernahm Teile des Konzepts für ihre Empfehlungen an die Ge- meinden, was den raschen Ausbau der stadtbernischen Schulsozialarbeit unterstützte. Die Unterstellung blieb beim Gesundheitsdienst, um die fachliche Unabhängigkeit der Schulsozi- alarbeit und die enge schulärztlich-schulsoziale Zusammenarbeit – eine Spezialität der Stadt Bern - zu gewährleisten. Mit dem vorläufig letzten Ausbau vom Herbst 2013 und dem überar- beiteten Konzept ist die Schulsozialarbeit nun gerüstet, um das Erreichte zu konsolidieren und fachlich weiter zu entwickeln.

28 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

7. Berufliche Integration und das Thema der Gleichstellung

Berufswahl und berufliche Integration - auch eine schulärztliche Aufgabe

Ab 1915 wurde bewusst, dass nicht nur die eben verfügbare Lehrstelle über die Berufswahl entscheiden sollte, sondern auch die vorherige Abklärung der entsprechenden Eignung der Jugendlichen für einen Beruf. Der Verein für Berufsberatung und Lehrlingsfürsorge richtete 1920 in Bern die erste Zentralstelle für Berufsberatung ein (Stadtarchiv, 2011). Schon ab 1917 gab es im Schularztamt eine Beratungssprechstunde über Berufsfragen (Verwaltungsbe- richt, 1917). Ab 1923 wurde die Berufsberatung vom Erziehungsberater betreut (Verwaltungs- bericht, 1923). Die Schulärzte schalteten sich aufgrund der Untersuchungsbefunde in die Be- rufswahl ein und beurteilten die Berufsfähigkeit (Lauener, 1934 & 1957). Mit Patronat und Berufsberatung (s. unten), Initiierung des Werkjahres gegen die Jugendarbeitslosigkeit von Schularztamtsleiter K. Kipfer im Grossen Rat, präventiven Hauttests im Hinblick auf Berufe mit hoher Allergiegefährdung (Vuille, Verwaltungsbericht 1984), schulärztlicher und schulso- zialer Betreuung der Berufsschülerinnen und -schüler sowie mit den 8. Klass-Untersuchungen unterstützte der Gesundheitsdienst die Jugendlichen stets im Übergang in die Berufsbildung.

Berufsbildung Steinhölzli: Die Bewirtung der Mitarbeitenden des Gesundheitsdienstes anlässlich der internen Fortbildung wird vorbereitet

Bild: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Begleitung schulschwacher Jugendlicher in die Berufswelt

1938 forderten P. Lauener und H. Hegg in einem Gutachten die Unterstützung der Hilfsschü- lerinnen/-schüler beim Übertritt ins Erwerbsleben. Die Stadt eröffnete noch in den 30er Jahren (Verwaltungsbericht, 1977) eine entsprechende Stelle (Patronat). Die Tätigkeitsberichte der 1952-1964 verantwortlichen Fürsorgerin an den Schularzt (Grunau, 1952-64) schildern deren Arbeit: „Den geistig Minderbegabten fehlt etwas, das ihnen weder durch Erziehung, Schulung oder auf sonst voll ersetzt werden kann. Deshalb bedürfen sie einer verlängerten Führung und Stützung.“.. „Wie standen M. und L. im letzten Schuljahr ungeschützt, labil und gefährdet da und boten wenig Aussicht auf Erreichung des 20. Altersjahrs ohne illg. Kind, unglückliche Mussheirat oder anderen Fehlschlag. Doch lernten sie, sich in einer zuerst mühsam, dann immer williger durchgehaltenen Schonzeit zu festigen und sich unter weiterer Stützung freudig zu bewähren..“ 1971 übernahm die Sozialarbeit des Schularztamts das Patronat für Hilfs- und später KKA(Kleinklasse A)-Schülerinnen, 1987 auch das für KKA-Schüler (Verwaltungs- bericht, 1987). 1993 wurde die Berufsberatung vom Schulsozialdienst getrennt und 2000 ins Berufliche Informationszentrum der Kantonalen Berufsberatung integriert. Wirtschaftliche Kri- senjahre, steigende schulische Anforderungen und kulturelle Barrieren gegenüber der Berufs- bildung waren grosse Herausforderungen. „..beispielsweise die Gymnasiastin aus der Türkei, die ihre Ausbildungswünsche vom Medizinstudium auf eine Coiffeurlehre zurück geschraubt hat und trotz ausgezeichneten Referenzen keine Lehrstelle findet. Hier bleibt oft nur Resigna- tion oder die leise Hoffnung auf erfolgreiches Intervenieren des beruflichen Beratungsdiens- tes“ (Ackermann, Verwaltungsbericht 1997).

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 29

Schule und Beruf für Mädchen – von konservativ bis emanzipiert

Die traditionellen Rollenbilder („Küche, Kinder, Kirche“) prägten lange die Vorstellungen zum Bildungsbedarf der Mädchen auch im Schularztamt. P. Lauener erlebte “ die Mittelschulfrage immer bei den Knaben brennender als bei den Mädchen“. Er gab zu bedenken, dass eine Verschiebung des Übertritts in die Mittelschule auf die 7. Klasse die Knaben benachteiligen könnte (Lauener, 1957). Und es erstaunte ihn nicht, dass bei der schulärztlichen Beurteilung der Berufsreife 1934 doppelt so viele Mädchen wie Knaben noch keinen Berufswunsch äus- serten. Bei den Knaben sei der „Kampf ums Dasein“ naturhaft stärker verankert (Lauener, 1934). Die Gleichstellung von Mädchen und Frauen wurde in den 90er Jahren auch zum Ge- sundheitsthema. Der Gesundheitsdienst arbeitete in der Fachgruppe Gleichstellung der Schuldirektion mit und beteiligte sich 1991 am Frauenstreik. Heute sorgt man sich dagegen wieder mehr um die schulische Benachteiligung der Jungen (z.B. Bauer & Heid, 2009).

Ida Hoff beim Untersuchen

Ida Hoff als Schulärztin: Fries von Hannah Egger im «Schularztzimmer» der Saffa (Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit) 1928

Bild: Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 03/2002

Ohne Frauen kein schulärztlicher Dienst

Selbstverständlich ist der schulärztliche Dienst ohne Schulschwestern und Schularztassisten- tinnen undenkbar. Seit Beginn haben sie einen Teil der Untersuchungen durchgeführt, tau- sende Rachenabstriche (Scharlach, Diphterie), Moro-, Pirquet oder Mantoux-Tests vorge- nommen, Köpfe auf Läuse kontrolliert, Unterricht erteilt und in Ausnahmesituationen bei Hausbesuchen Eltern bei der Umsetzung der Pflege ihrer Kinder angeleitet. Bezüglich Mitwirkung von Ärztinnen im Schulgesundheitsdienst fürchteten 1908 die meist männlichen Schulärzte in der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheitspflege noch die Konkurrenz (Hofmann, 2008). Dennoch wurde in Bern 1913 Ida Hoff die erste nebenamt- liche Schulärztin und betreute bis 1945 die Mädchensekundarschule. In St. Petersburg gebo- ren, nutzte sie, wie viele Russinnen damals, die hiesigen Ausbildungsmöglichkeiten für Frau- en. 1906 schloss sie das Medizinstudium ab, bildete sich bei Prof. Sahli weiter und eröffnete 1911 ihre Praxis für Innere Medizin. Sie brachte die Kropfprophylaxe voran und klärte jedes Jahr die Eltern über die körperliche Entwicklung ihrer Töchter mit einem Lichtbildvortrag auf. Sie engagierte sich in der Frauenstimmrechtsbewegung, bei der „Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit“ (SAFFA) 1928 und war eine der ersten Autofahrerinnen der Stadt. Hoff war eng mit der Philosophin und ersten Professorin Berns, befreundet (Rogger, 2002).

1952 zog eine Kinderärztin ihre Bewerbung als Schularztamtsleiterin noch zurück, weil „..sie nach einer Unterredung die Überzeugung erhielt, dass eine Frau im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Frage kommen könne“. In den folgenden Jahren war man aber froh um alle Frauen, die als Schulärztinnen mitarbeiteten (Verwaltungsberichte 1952-65). 1997 wurde Ursula Ackermann erste Leiterin des Gesundheitsdienstes und 1997-2007 war der schulärztliche Dienst gar ganz in Frauenhand.

30 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

8. Von der Bewegungsförderung zur Gesundheitsförderung

Schulärztliche Rolle zwischen Sonderturnen und schulischer Bewegungsförderung

«Kinder sind in ihrem biologischen Bedürfnis in hohem Masse auf Bewegung eingestellt. Durch die Schule erhält dieser physiologisch notwendige Bewegungsdrang eine allzu frühzei- tige Beschränkung»

(Paul Lauener, 1957).

Lauener publizierte viel zu sportmedizinischen Fragen, z.B. zum Turnen für Mädchen, wo er ein fortschrittliches Rollenverständnis zeigte (1932, 1940, 1943), oder zu den Gefahren von Leistungssport und Doping (1942), und zur Bedeutung von Freiluftbewegung und Sport. In ärztlich-therapeutischer Logik führte er das Haltungsturnen ein und baute es bis 1952 auf 22 Klassen aus (Verwaltungsbericht, 1952). Das Sonderturnen hatte lange Bestand, auch wenn es als System der „negativen Auslese“ immer unbefriedigender schien. So forderte K. Kipfer den Ausbau des Turnunterrichts «...in Richtung auf eine umfassende, allen Schülern zukom- mende prophylaktische oder therapeutische Haltungskorrektur und die Realisierung der tägli- chen Bewegungslektion. » Er wünschte von den Schulen «...Ideen und Initiativen, um den zumindest mitverursachten Stillsitzschaden zu kompensieren» (Verwaltungsbericht, 1966).

«Ein gutes Beispiel sind die von Lehrer H.U. Beer entwickelten stündlichen Gymnastikpausen, denen man vermehrte Verbreitung wünscht. » (Kipfer, 1968)

Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern Fotonachlass Tschirren

J.C. Vuille und R. Zahnd setzten sich in den 80er Jahren im Schularztamt ebenfalls für die Förderung von Sport und Bewegung ein, beispielsweise mit dem Eintreten für die tägliche Bewegungslektion und der Ermunterung initiativer Lehrpersonen, mit der Bekämpfung schäd- licher Erscheinungen ( ..in erster Linie der Turnnote), mit sportmedizinischer Begleitung von schulischen Wettkämpfen oder mit dem Angebot von Leistungsdiagnostik mit computerge- steuerter Trainingsempfehlung (Verwaltungsbericht 1982).

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 31

Suchtprävention und schulische Gesundheitsförderung werden ausgebaut

Das Langschuljahr 1988 und der Ruf nach mehr Suchtprävention ermöglichten die Weiterent- wicklung des schulärztlichen Dienstes. Als Projekt „gsund, zwäg, zfride“ im Langschuljahr 1988 wurden Suchtprävention und Gesundheitsförderung erstmals ganzheitlich und in Zu- sammenarbeit mit anderen Fachstellen angegangen. Es entstanden die Programme „Du seisch wo düre“ zur Stärkung der Selbstwirksamkeit von Jugendlichen und der suchtpräventi- ve Schülermultiplikatorenkurs „Zwöi vo üs“ (Verwaltungsbericht, 1988); letzterer wurde später als SMAT, SMID, Däts it und jetzt Fluchtpunkt.Sucht weiterentwickelt.

1992 startete das Projekt Gesundheitsteams an Schulen im Rahmen des Pilotprogramms Drogenprävention 1992-95. Ziel ist die gesundheitsförderliche Ausgestaltung der Schule. Speziell weitergebildete, eine Wochenlektion vom Unterricht entlastete Lehrpersonen analy- sieren mit den Schulleitungen den Handlungsbedarf an ihrer Schule und setzen Massnahmen mit ihrem Gesundheitsteam um. Das Projekt wurde 1996 zum Programm (Gemeinderat, 1996). Seit 2001 bilden die beteiligten Schulen mit Vertretungen des Bildungsbereichs (Schulamt, Schulleitungen, Schulkommissionen, Schulinspektorat) ein vom Gesundheitsdienst geleitetes städtisches Netzwerk. Gesundheitsförderung ist 2010-2013 städtischer Schwer- punkt der schulischen Qualitätssicherung und damit vorbildlich ins Bildungssystem verankert. In den letzten 20 Jahren sind von den Gesundheitsteams zahlreiche gesundheitsförderliche Projekte umgesetzt worden. Mit Pausenplatzgestaltungen, Ludotheken, bewegtem Unterricht, und diversen Projekten zum gesunden Znüni (Znüni-Box, Witti-Znüni, Pausenkiosk etc.) hatte die Förderung von körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung immer einen hohen Stellen- wert. Aber auch Massnahmen zur Förderung der Sozialkompetenz, des positiven Schulklimas oder der Gesundheit von Lehrpersonen kamen nicht zu kurz.

Bild: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Gesundheitsförderung wirkt – auch in der Zukunft

Die wissenschaftliche Evaluation aller Gesundheitsförderungsangebote belegt vielfältige posi- tiven Auswirkungen der schulischen Gesundheitsförderung. Sie betreffen nicht nur die aktuel- le Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, sondern Aspekte, die für ihre künftige Gesund- heit entscheidend sein werden, wie Problemlöseverhalten, positive Lebenseinstellung etc. (Vuille et al. 2001). Weil die Schulen immer wieder vor neuen gesellschaftlichen Herausforde- rungen mit potentiell negativen Auswirkungen auf Bildungserfolg und Gesundheit der Kinder stehen (bspw. Zunahme armutsbetroffener Kinder) gilt es, sie auch in Zukunft bei der Bewäl- tigung dieser Herausforderungen und der Stärkung ihrer gesundheitlichen Ressourcen zu unterstützen. Die Stadt Bern darf stolz sein auf ihre erfolgreiche Gesundheitsförderung.

32 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

9. Institutionelle Herausforderungen der 90er Jahre

Umsetzung der Fusion von Stadt- und Schularztamt und beinahe Abschaffung

1922 wurde in der Polizei- und Sanitätsdirektion das Stadtarztamt geschaffen. Seine Aufgabe war die Koordination der öffentlichen Gesundheitspflege. 1989 beschloss man im Rahmen der Verwaltungsreform OPTA Stadt- und Schularztamt zu fusionieren. Nach der Fusion mussten die stadtärztlichen Aufgaben neu geregelt und stärker auf sozial- und präventivmedizinische Aufgaben ausgerichtet werden. Es galt mit dem Medizinischen Bezirksverein zu verhandeln (Abtretung individualmedizinischer Aufgaben) und die Zuständigkeiten im Altersbereich (Hei- me und Spitex) zu regeln. Schul- und Stadtarztamt mussten zu einer Einheit finden, was man mit der vorübergehenden Einrichtung einer schulärztlichen Filiale im ehemaligen Stadtarztamt an der Postgasse unterstützte. Aufgrund eines Stadtratsbeschlusses wurde 1991 entgegen den Empfehlungen der OPTA-Projektleitung auch noch der Arbeitsmedizinische Dienst im Gesundheitsdienst integriert. Er ging 1993 zurück ins Personalamt. Mit einer Organisations- entwicklung kam die sehr bewegte Fusionsphase im Gesundheitsdienst 1993 zum Abschluss. Ruhe kehrte jedoch nicht ein: Ein Vorstoss im Stadtrat verlangte aus Spargründen die schritt- weise Abschaffung des Gesundheitsdienstes (keine Wiederbesetzungen mehr von Stellen bei Abgängen). Er wurde 1994 klar abgelehnt.

Wohnungungsinspektionen 1930 … … und heute

Bild: Stadtarchiv Bern Bild: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Vom stadtärztlichen Wohnungsinspektorat zum Gesundheitsinspektorat

Eine im Auftrag des Regierungsstatthalters 1992 ausgeführte Inspektion städtischer Liegen- schaften an der Brunngasse zeigte katastrophale Zustände und den dringenden Bedarf für den Weiterbestand des ehemals stadtärztlichen Wohnungsinspektorats. Der Gemeinderat beauftragte 1994 den Gesundheitsdienst, Verwaltungsstellen und Private in Bezug auf das Vorgehen bei Wohninkompetenz zu beraten und Wohnungsinspektionen durchzuführen, wo eine telefonische Beratung nicht genügte. Er nahm Kenntnis von einem Katalog von Mini- malanforderungen sowohl an menschliche Behausungen als auch an Mieterinnen und Mieter. Damit überführte er die frühere rein amtliche Kontrolltätigkeit in eine soziale Arbeit, wo die Befähigung der Betroffenen zum weiteren eigenständigen Wohnen im Zentrum steht. Heute betreut das Gesundheitsinspektorat jährlich rund 100 Klientinnen und Klienten, die in eine Wohnverwahrlosung geraten sind. Die Wege in die Wohnverwahrlosung sind meist komplex und immer wieder eindrücklich (Bernhard und Heiniger, 2013). Die Verbesserung der Wohn- kompetenz und Wohnsituation erfordert die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Fachstel- len und ab und zu auch ungewöhnliche Lösungsansätze.

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 33

Gesunde Stadt Bern – eine zu kühne Idee für Bern?

1990 erklärte der Stadtpräsident den Beitritt Berns zur internationalen Bewegung „Gesunde Städte“ der WHO. Ziel der „Gesunden Städte“ war und ist es, zu einer gesundheitsförderli- chen Gesamtpolitik auf städtischer Ebene zu kommen. Mit 18 Persönlichkeiten wurde unter der Leitung des Gesundheitsdienstes das Programm „Berngesund? – Kerngesund!“ entwi- ckelt. 1991 wurde der Verein Gesunde Stadt Bern gegründet. Ein Komitee mit 25 Persönlich- keiten aus gesundheitsrelevanten Bereichen wie Kultur, Sport, Jugendarbeit, Bildung und Wissenschaft begleitete das Projekt. Die angespannte Finanzlage verhinderte schliesslich die formelle Anerkennung von Bern als WHO-Stadt und den Eintritt in ein internationales Netz- werk mit Städten wie Tokyo, Canberra, Wien oder München. Der Verein Gesunde Stadt Bern verwaltete erfolgreich die von externen Institutionen umgesetzten Projekte des Pilotpro- gramms Drogenprävention 1992-95. Nach der Ablösung von der Schuldirektion veranstaltete der Verein 1999 in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsdienst und dem Amt für Umwelt- schutz als letztes gemeinsames Projekt die Ausstellung „Lärm in der StadtLandschaft“ (Vuille, Verwaltungsbericht, 1991, Jahresbericht, 1999). Der Verein löste sich einige Jahre später auf.

Gesundheitstelefon und Gesundheitsberichterstattung

Als „Gesundheitsdienst“ wurde der Dienst rasch Anlaufstelle für alle möglichen gesundheits- bezogenen Fragen aus der Bevölkerung. In der Administration musste man ein Gesundheits- telefon einrichten und sich zu häufig gestellten Fragen dokumentieren. Der Aufgabe, die ge- sundheitlichen Verhältnisse der Stadtbevölkerung zu beschreiben und daraus politische Grundlagen zu erarbeiten kam man mit einem Gesundheitsbericht (Ackermann & Vuille, 1996) und Lebensqualitätsberichten (Ackermann & Jakob, 1999, 2003, 2007) nach. Daraus wurden Massnahmen abgeleitet wie z.B. der Aktionsfonds im Quartier, ein Projekt zum Schutz vor Passivrauch von Kindern sowie die Frühförderung.

„Gesundheitsdienst Studer, guten Tag. Ah, sie möchten, dass die heutige Jugend zur Grippeprävention wieder Taschentücher zum Schnäuzen nutzt? Wir schauen….“

Bild: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Anpassung an neue Rahmenbedingungen auch im schulärztlichen Dienst

Mit der kantonalen schulärztlichen Verordnung von 1994 wurde das schulärztliche Angebot dem heutigen Bedarf angepasst. In der kantonalen schulärztlichen Kommission konnte der Leiter Gesundheitsdienst hier eigene Erfahrungen und Forschungsergebnisse einbringen (Äschlimann & Slongo, 1974, Vuille 1990). Anstelle der allgemeinen körperlichen Untersu- chung legte man den Fokus auf schulrelevante Gesundheits- und Entwicklungsfragen und die Beratung von Kindern, Eltern, Jugendlichen und Lehrpersonen. Neu konnten Eltern die obliga- torische schulärztliche Untersuchung ihrer Kinder beim Kinderarzt oder der Hausärztin durch- führen lassen und Impfungen wurden nicht mehr vom Kanton, sondern von den Krankenversi- cherungen finanziert. Anlässlich der Einführung von New Public Management wurde 1998 mit der elektronischen Erfassung der schulärztlichen Befunde die Datenauswertung vereinfacht.

34 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

10. 100 Jahre Einsatz für mehr Chancengerechtigkeit

Schulärztliche Problemerfassung – die kollektive Perspektive

«In Anbetracht der Grössenordnung der Bedeutung sozialer Faktoren für die Gesundheit der Kinder und der Gefahr einer zunehmenden sozialen Kluft in allen westlichen Gesellschaften ist der Bedarf für eine systematische Überwachung augenfällig».

(Schaer & Vuille.1999).

Schon das erste Reglement (1913) definierte die Überwachung des Gesundheitszustands der Kinder als wichtige schulärztliche Aufgabe, was mit den Entscheid für das Modell des haupt- amtlichen Schularztes begründete. Immer wieder konnten schulärztliche Daten den Gesund- heitszustand der Schulkinder und den Einfluss sozio-ökonomischer Faktoren auf die Gesund- heit deutlich aufzeigen.

Sozio-ökonomische Benachteiligung früher ...

1918 waren die ärmsten Kinder in der 5. Klasse durchschnittlich 7 cm kleiner als die wohlha- bendsten (131 vs. 138 cm). 41% der Schuleintretenden aus armen Familien litten an Rachitis (Lauener, 1924). Tuberkulose war in den schlechten Wohnungen der unteren Altstadt beson- ders verbreitet. Die „Milieutherapie“ hatte aus Sicht des damaligen Schularztes das grösste Potential zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung; hier sah er mehr Potential als in der damals auch diskutierten Ausmerzung krankhafter Erbanlagen (Lauener, 1920).

Schülerspeisung in Köniz 1914 (li) Refektorium für die Schülerspeisung im 1913 erbauten Schulhauses Breitfeld (re)

Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern; StAB N Laedrach 51.3 Bild: Schularchiv Breitfeld/Wankdorf

.... und in neuerer Zeit

Auch in den 80er Jahren wurden bei den 1.Klass-Untersuchungen wesentliche gesundheitli- che Benachteiligungen der Unterschicht- gegenüber Oberschichtkindern festgestellt (Vuille et al. 1991). Mit der Wirtschaftskrise der 90er Jahre, der Globalisierung und Deregulierung (Stichwort „Working Poor“) sowie der Zuwanderung vieler Menschen, die in der Heimat kaum Zugang zu Bildung gehabt hatten, wurde Kinderarmut wieder vermehrt ein Problem. Heute sind in der Stadt Bern 12.4% der Kinder von 0-12 Jahren abhängig von Sozialhilfe, die Ten- denz ist steigend (Statistikdienste Stadt Bern, 2013). Viele Menschen können nicht teilhaben an wachsendem Wohlstand und geraten an den Rand der Gesellschaft. Die Schulen sind zunehmend mit psycho-sozialen Problemen und Förderdefiziten von Kindern konfrontiert. Die Stadt Bern hat mit dem Aufbau der Schulsozialarbeit und der Frühförderung reagiert.

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 35

Frühförderung primano - für gerechte Bildungschancen von Anfang an

«Kommunale Gesundheitsdienste sollten sich auch vermehrt darum bemühen, die Folgen sozialer Benachteiligungen auf der individuellen Ebene zu mildern.“

(U. Ackermann, 1998)

Verschiedene Analysen stellten wiederholt eine Versorgungslücke bei der Gesundheitsförde- rung im Vorschulalter fest (z.B. Ackermann, 2002). Und die schulärztlichen Daten zeigten deutlich, dass für viele Kinder die Bildungschancen bereits beim Start in den Kindergarten aufgrund der Auswirkungen ihrer sozio-ökonomischen Benachteiligung eingeschränkt waren. Ein im Auftrag des Gemeinderats erstelltes Frühförderungskonzept zur Verbesserung der Bildungschancen benachteiligter Kinder führte zur Umsetzung des Pilotprojekts primano 2007-2012 in vier Quartieren. Es umfasste drei Teilprojekte: (1) Vernetzung im Quartier zur Verbesserung des Zugangs zur Frühförderung für alle Kinder, (2) Hausbesuchsprogramm schritt:weise zur Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und zur Vermittlung entwick- lungsförderlicher Erfahrungen und (3) Fördermodule in Kita und Spielgruppen zur Stärkung der dortigen Förderarbeit.

Die wissenschaftliche Evaluation des Pilotprojekts zeigt: Frühförderung ist wirksam (Tschum- per et al., 2012). Die Kinder starten mit besseren Voraussetzungen in die Schule und können von Anfang an lernen. Das Pilotprojekt konnte 2013 in ein Regelangebot umgewandelt wer- den. Im Rahmen eines Folgeprojekts 2013-2016 werden die Ausweitung auf alle Stadtgebiete und die Weiterentwicklung einzelner Elemente umgesetzt.

primano Frühförderung

Bilder: Gesundheitsdienst der Stadt Bern

Einsatz für Chancengerechtigkeit – gemeinsam mit den Schulen

Das Gesicht der Armut hat sich seit 1913 gewandelt. Und doch gibt es Entwicklungen, die an die Anfangszeit des schulärztlichen Dienstes erinnern:

- Die Kinderarmut mit entsprechenden gesundheitlichen Problemen nimmt zu (Armuts- bericht, Kanton Bern). Die Schulen als wichtige Lebenswelt der Kinder bieten hier Möglichkeiten, diese Probleme zu mildern.

- In den letzten Jahren ist der schulärztliche Dienst wieder vermehrt gefordert, für Kin- der eine adäquate kinder- oder hausärztlichen Versorgung zu organisieren. Mühe, sich im Gesundheitssystem zu orientieren, die Überlastung und der Aufnahmestopp etlicher Kinder- und Hausärztinnen und -ärzte oder Hemmungen und Schamgefühle aufgrund offener Arzt- oder Krankenkassenrechnungen sind Gründe dafür. Das Obli- gatorium der schulärztlichen Untersuchung ermöglicht es, solche individuelle Unter- versorgungen zu erkennen und den Kindern wieder Zugang zu einer adäquaten haus- ärztlichen Versorgung zu verschaffen.

36 Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes

Auch die Bildungschancen von Kindern mit Lernstörungen, Behinderungen oder chronischen Krankheiten erfordern Aufmerksamkeit. Sie stehen in der Schule vor grossen Herausforde- rungen. Ihre vermehrte Integration gelingt nur, wenn ihre besonderen Bedürfnisse im Schulall- tag genügend berücksichtigt und mit den Bedürfnissen ihrer Klasse möglichst gut in Einklang gebracht werden können. Dies setzt gute Kenntnisse der gesundheitlichen Besonderheiten voraus, und hier können Schulärztinnen und -ärzte die Schulen unterstützen.

Den grössten Einsatz für mehr Chancengerechtigkeit bezüglich Bildung und Gesundheit leis- ten selbstverständlich die Schulen selbst. Sie haben hier auch Erfolge aufzuweisen. Sie ste- hen angesichts der grossen gesellschaftlichen Probleme und der vielen Belastungen, welche Kinder aus ihrem ausserschulischen Umfeld in die Schule mitbringen, vor grossen Herausfor- derungen. Es gilt, zu den erreichten Erfolgen Sorge zu tragen.

Einsatz für Chancengerechtigkeit – auch in Zukunft

Die Arbeit des Gesundheitsdienstes ist damit auch in Zukunft gefragt, um:

- den Zugang zur adäquaten Gesundheitsversorgung für alle Kinder sicher zu stellen - Familien zu unterstützen und zu verhindern, dass Kinder aufgrund sozio-ökonomischer Benachteiligungen zu Bildungsverlierern werden, - die Schulen in der Betreuung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen zu entlasten und zu unterstützen, - den Schulen für ihre Entwicklung zur gesunden und guten Schule die erforderlichen Ressourcen zu erschliessen - problematische Entwicklungen zu beobachten, Politik und Fachwelt darüber zu infor- mieren und sich für nötige Massnahmen einzusetzen Wenn Schularztamt und Gesundheitsdienst in den letzten 100 Jahren verschiedentlich zu gesundheitlichen Verbesserungen beitragen konnten, war dies immer nur dank der guten Zu- sammenarbeit mit den Schulen und dem grossen Engagement der Lehrpersonen möglich. Dafür sei den Schulen an dieser Stelle ein grosser Dank ausgesprochen!

Eröffnungsfeier Turnhalle Kirchenfeld 25.9.1926

Bild: Stadtarchiv Bern

Festschrift anlässlich des 100-Jahr Jubiläums des Gesundheitsdienstes 37

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