Die Heimliche Medienrevolution – Wie Weblogs, Wikis Und Freie Software Die Welt Verändern Erik Möller Ist Diplom-Informatiker (FH) Und Freier Journalist
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Die heimliche Medienrevolution – Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern Erik Möller ist Diplom-Informatiker (FH) und freier Journalist. Er ist aktiver Mitar- beiter bei Wikipedia und einer der Entwickler der zugrunde liegenden Open-Source- Software. Seit Jahren betreibt Möller eigene Wikis, Weblogs und Mailing-Listen. Das Online-Magazin Telepolis wurde 1996 gegründet und begleitet seither die Entwicklung der Netzkultur in allen Facetten: Politik und Gesetzgebung, Zensur und Informationsfreiheit, Schutz der Privatsphäre, ➜ www.telepolis.de wissenschaftliche Innovationen, Entwicklungen digi- taler Kultur in Musik, Film, bildender Kunst und Literatur sind die Kernthemen des Online-Magazins, welche ihm eine treue Leserschaft verschafft haben. Doch Telepolis hat auch immer schon über den Rand des Bildschirms hinausgesehen: Die Kreuzungs- punkte zwischen realer und virtueller Welt, die »Globalisierung« und die Entwicklung der urbanen Kultur, Weltraum und Biotechnologie bilden einige der weiteren Themen- felder. Als reines Online-Magazin ohne Druckausgabe nimmt Telepolis damit eine einzigartige Stellung im deutschsprachigen Raum ein und bildet durch seine englischsprachige Ausgabe und seinen internationalen Autorenkreis eine wichtige Vermittlungsposition über sprachliche, geografische und kulturelle Grenzen hinweg. Erik Möller Die heimliche Medienrevolution – Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern Heise Erik Möller [email protected] Copy-Editing und Lektorat: Susanne Rudi, Heidelberg Satz & Herstellung: Birgit Bäuerlein Umschlaggestaltung: exclam!, Düsseldorf Druck und Bindung: Koninklijke Wöhrmann B.V., Zutphen, Niederlande Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-936931-16-X 1. Auflage 2005 Copyright © 2005 Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co KG, Hannover Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Herausgeber, Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen. Vorwort »I wish the followers would lead with a voice so strong, it could knock me to my knees.« – R.E.M., Around the Sun Wenn Sie in 20 Jahren dieses Buch aufschlagen, etwa im Jahr 2025, leben Sie hoffentlich in einer Welt, in der die sozialen Ungerechtigkeiten, Kriege und Menschenrechtsverletzungen des frühen 21. Jahrhunderts weitgehend ver- blasst sind. In einer Welt, in der alle Menschen Zugang zu einem globalen Kommunikationsnetz haben, in dem Informationen aller Art ohne Einschrän- kung verändert, verbessert und verteilt werden dürfen. In einer Welt, in der jeder Mensch nicht nur Konsument, sondern auch Produzent von Wissen, Kunst und Kultur ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Informations- und Kommunikati- onsplattform Internet diese Welt möglich macht. Doch ich bin ebenso sicher, dass die alten Eliten alles tun werden, um zu verhindern, dass es dazu kommt. Ich habe dieses Buch geschrieben, um Möglichkeiten aufzuzeigen, sich direkt am Aufbau einer neuen, realdemokratischen Mediengesellschaft zu beteiligen – auch auf die Gefahr hin, die Heimlichkeit der Medienrevolution damit ein wenig zu reduzieren. Muss diese Welt denn überhaupt verbessert werden, oder ist das nicht die Domäne von Ideologen und Fundamentalisten? Seit 1945 gab es keinen Welt- krieg mehr, wenn man den »Krieg gegen den Terrorismus« nicht als solchen auslegt. Das hat sicher damit zu tun, dass ein solcher Krieg das Ende unserer Zivilisation bedeutet hätte. Haben wir wirklich aus der Geschichte gelernt, oder hat nur ein primitiver Überlebensinstinkt uns vor der Selbstauslöschung bewahrt? Etwas über zehn Jahre vor der Veröffentlichung dieses Buches sah die Welt- gemeinschaft tatenlos zu, als im afrikanischen Ruanda über 800.000 Männer, Frauen und Kinder auf brutale Weise abgeschlachtet wurden – der schlimmste Genozid seit dem Holocaust. Die UNO-Schutztruppen vor Ort griffen nicht ein, obwohl das UNO-Büro in New York und die westlichen Regierungen bereits im Vorfeld informiert waren. Kofi Annan, damals Leiter der UNO- v Friedensmissionen und somit einer der Hauptverantwortlichen für die Untä- tigkeit der UNO, erhielt später den Friedensnobelpreis. Nein, diese Welt hat aus Auschwitz nichts gelernt. Die Kriege und Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent sind ein krasses Beispiel für das Versagen von Politik und Medien. Während sich von Unter- nehmen finanzierte Söldnertruppen die Klinke in die Hand geben, berichten »linke« wie »rechte« Massenmedien nur durch einen Schleier von Desinfor- mationen über die tatsächlichen Ereignisse vor Ort und hinterlassen beim westlichen Leser und Zuschauer allenfalls ein diffuses Bild von »ethnischen Konflikten«. Selbst die grundlegendsten Fakten werden nicht transportiert: Welche ehemaligen Kolonialmächte verfolgen strategische Interessen in die- sem Land? Welche Ressourcen gibt es? Welche Unternehmen profitieren von deren Ausbeutung? Woher kommen Waffen, Öl und Transportmittel, mit denen der Krieg geführt wird? Das Versagen der Medien beschränkt sich nicht auf ferne Länder. »Linke« wie »rechte« Medien in Deutschland fordern von der Politik seit Jahren begeistert »Reformen« ein, bei denen es sich um nichts anderes als tiefgrei- fende soziale Einschnitte im Interesse der Arbeitgeber handelt. Das progressive Steuersystem wird diffamiert, Großkonzerne und Vermögende entgehen mit Rückendeckung der Medien der Steuerpflicht, und jegliche Versuche, das zu ändern, werden als »sozialistische Umverteilung« diskreditiert. Allein das Pro- blem massiver Spekulationsgewinne aus Devisengeschäften, die für unsere Wirtschaft von keinerlei Nutzen sind, wird außerhalb linker Gruppierungen kaum thematisiert. Alternative Medien wie konkret oder junge Welt sind meist so ideologisch gefärbt und setzen so viel Vorwissen voraus, dass sie von der Allgemeinheit nicht wahrgenommen werden. Viele Aspekte unserer Gesellschaft bedürfen zumindest einer evolutionären Verbesserung. Doch ein Silvio Berlusconi wird sein Medienimperium sicher- lich nicht dafür einsetzen, die emotionale Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf Gesellschaftszustände zu lenken, für die er selbst direkt verantwortlich ist. Alle klassischen Medien, gleich ob privat oder öffentlich, sind Machtinstru- mente und werden auch als solche eingesetzt. Die extrem hohe Medienkon- zentration insbesondere im Fernsehmarkt tut ihr Übriges. Das Internet als scheinbar absolut freies, anarchistisches und offenes Medium hat nicht gleich die Weltrevolution ausgelöst. Die meisten Nutzer greifen über Software, die von einem einzigen Konzern – Microsoft – kontrol- liert wird, auf die neue Medienwelt zu und geben somit ein Stück Freiheit schon an der Eingangstür ab. Die Macht der bewegten Bilder, mit denen Pro- paganda-Profis im Reptiliengehirn Klavier spielen können, bleibt auch heute noch weitgehend dem Fernsehen vorbehalten. Darüber hinaus fehlt Hundert- vi Vorwort tausenden von Websites etwas, was selbst die kleinste Lokalzeitung besitzt: Glaubwürdigkeit. Und wenn all diese Probleme gelöst sind, bleibt immer noch die entschei- dende Frage, wie der typische Internetnutzer unter Hunderttausenden genau die Websites finden soll, die sowohl emotional ansprechend als auch qualitativ hochwertig sind. Statt sich überhaupt die Mühe zu machen, geben viele Nutzer also die Adressen ein, die sie bereits aus der traditionellen Medienwelt kennen: spiegel.de, n-tv.de, cnn.com. Als Massenmedium ist das Internet keine zehn Jahre alt, und seine funda- mentale Struktur ist mehr durch Software als durch Hardware bestimmt. Darum geht es in diesem Buch. Das erste Kapitel soll einen kurzen Überblick über die Geschichte und Machtfunktion klassischer Medien geben. In der Darstellung der Geschichte des Internet beschränke ich mich der zentralen Thematik entsprechend weit- gehend auf die dadurch ermöglichten Medien-Applikationen, darunter das dezentrale Diskussionsnetz Usenet, das bereits sehr früh aufzeigte, dass das Internet auch als Broadcasting-Medium geeignet ist. Das zweite Kapitel handelt davon, wie Software-Entwickler auf der ganzen Welt echte Alternativen zur Microsoft-Monokultur schaffen: freie Software, die von jedem verwendet, verändert und verbreitet werden kann und damit eine unverzichtbare Grundlage für wirklich freie Medien bildet. In Rechensys- temen bestimmt der Programmcode, was möglich ist und was nicht – deshalb muss die Kontrolle über den Code in den Händen der Nutzer liegen. Dabei wird deutlich, dass die Werkzeuge, die bei der Entwicklung freier Software zum Einsatz kommen, in anderer Form für die gemeinsame Erstellung freier Inhalte aller Art von großer Bedeutung sind. Eine weitere Vorhut der Medienrevolution ist die so genannte »Blogo- sphäre« (Kapitel 3), eine mehr oder weniger zusammenhängende Sammlung von Online-Postillen, die überwiegend von einzelnen Privatpersonen betrieben werden. Beispiele für echten Online-Journalismus sind verglichen mit reinen Meinungspublikationen noch rar, doch es gibt sie. Auch besonders innovative Weblogs, die von Gruppen betreut