Dreieck, Kreis, Kugel
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Dreieck, Kreis, Kugel. Farbenordnungen im Unterricht von Paul Klee am Bauhaus Inauguraldissertation der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Marianne Keller Tschirren Niedermuhlern/BE und Oberthal/BE Bern, Oktober 2011 Von der Philosophisch-historischen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Oskar Bätschmann, em. Ordinarius, Universität Bern (Erstgutachter) und Prof. Dr. Tristan Weddigen, Universität Zürich (Zweitgutachter) angenommen. Bern, 28. März 2012 Der Dekan: Prof. Dr. Heinzpeter Znoj Inhalt I. Einleitung ......................................................................................................................... 4 II. Unterricht am Bauhaus 1. Die Diskussion um den Kunstunterricht ....................................................................... 18 2. Ausbildung und Unterricht ........................................................................................... 23 3. Form- und Gestaltungsunterricht von Paul Klee ........................................................... 26 III. Farbe im Unterricht 1. Johannes Itten und Wassily Kandinsky ......................................................................... 37 2. Paul Klee – Die Ordnung der Farben ............................................................................. 49 Helldunkel ..................................................................................................................... 60 Farbenkreis ................................................................................................................... 70 Farbendreieck ............................................................................................................... 93 Farbenkugel ................................................................................................................ 101 Kosmologie der Farben .............................................................................................. 112 3. Farbe als Gestaltungsmittel ........................................................................................ 118 IV. Lehre und Praxis 1. „Die Farbe hat mich“ – Klees Weg zur Farbe ............................................................. 141 2. Künstlerisches Schaffen und Gestaltungsunterricht .................................................. 156 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 164 Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... 191 Anhang ................................................................................................................................. 194 I. Einleitung I. Einleitung Untersuchungen über die Farbe in der Malerei gibt es viele, genauso wie sich zahlreiche Wis- senschaftler mit der Funktion und Bedeutung der Linie auseinandergesetzt haben. Solche Studien stehen häufig in der Tradition des alten Streites zwischen „disegno“ und „colore“ und beleuchten daher meist die Frage, ob die Vorrangstellung in der Malerei eher der Farbe oder der Linie zustehe. Andere Arbeiten beschäftigen sich mit dem Ausdruckswert der Farbe und deren psychologische Wirkung oder beleuchten den Einsatz der Pigmente, ihren Auftrag und ihre Zusammensetzung. Kaum eine Studie fragte jedoch bisher danach, wie der Umgang mit Farbe an den Akademien und Kunstschulen gelehrt wurde. Verschiedene Gründe mögen dazu ausschlaggebend gewesen sein: Einerseits das vorrangige Interesse der Kunstwissenschaft am fertigen Gegenstand „Bild“, das Ausdruck der schöpferischen Tätigkeit des Künstlers ist, andererseits der Mangel an überlieferten Quellen und Dokumenten, die konkreten Aufschluss über den Farbunterricht in der Künstlerausbildung gegeben hätten. Im Fall von Paul Klee (1879–1940) sind wir in der aussergewöhnlichen Lage, vollumfänglich über seine Manuskripte und Notizen zu verfügen, die er zwischen 1921 und 1931 für den Unterricht am Bauhaus in Weimar und Dessau anfertigte. In diesen Aufzeichnungen zur bildne- rischen Form- und Gestaltungslehre, die während Klees zehnjähriger Lehrtätigkeit zu einem umfangreichen Konvolut anwuchsen, sind verschiedene Unterrichtseinheiten zur Farbe über- liefert. Im Verhältnis zu Klees gesamter Lehre ist der Anteil dieser farbspezifischen Lektionen zwar nicht sehr umfangreich, doch die Bedeutung der Farbe als elementares bildnerisches Mittel rechtfertigt eine gesonderte Untersuchung. Im Verlauf einer künstlerischen oder ge- stalterischen Ausbildung war der Umgang mit Farbe immer Bestandteil des Unterrichts und anhand dieser überlieferten Quellen von Paul Klee kann nun zum ersten Mal der Farbunterricht eines Künstlers analysiert werden, der an einer der innovativsten Schulen für Gestaltung im 20. Jahrhundert Vorlesungen zur bildnerischen Form- und Gestaltungslehre hielt. Die Manu- skripte geben Aufschluss über die Modelle und Systeme, nach denen Klee seinen Farbunter- richt gestaltete. Der Einbezug von Mit- und Nachschriften von Studierenden, die Klees Vorle- sungen besucht und sich Notizen gemacht haben, erlaubt es, ein relativ genaues Bild über seinen Unterricht und die von ihm vermittelten farbspezifischen Einheiten zu erhalten. Paul Klee hat keine eigene Farbenlehre im eigentlichen Sinn entwickelt, sondern er sprach über die Ordnung der Farben im Hinblick auf ihre Anwendung in der bildnerischen Gestaltung. So erläuterte er zum Beispiel die Verhältnisse und Beziehungen unter den einzelnen Farben, ihr Zusammenwirken auf der Fläche und im Raum und griff dazu auf ältere Ordnungsmodelle zurück. Der stringente Aufbau und die Systematik seiner Vorlesungen führte aber dazu, dass 4 I. Einleitung er gewisse dieser Modelle weiterentwickelte und dadurch einen persönlichen und innovativen Beitrag zum allgemeinen Farbunterricht leistete. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es deshalb aufzuzeigen, wie Klee seinen Unterricht aufbaute, welche Aspekte ihm wichtig waren und welche Themen er wegliess. Da er sich zur Vorbereitung für seinen Farbunterricht auf verschiedene ältere Theorien stützte, werden auch einige Traditionslinien hervorgehoben, in die sich Klees Ausführungen eingliedern lassen. Selbstverständlich liegt in diesem Kontext die Frage nahe, wie Klee die Farbe in seinem eige- nen künstlerischen Schaffen einsetzte und verwendete. Hier muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Klees Farbunterricht keine Theorie ist, die sich als Folie zur Interpretation seiner Bilder verwenden lässt. Sie ist vielmehr eine Ordnung, nach deren Parametern das Zusammen- spiel der Farben ausprobiert werden soll und ist primär als Hilfsmittel für die gestalterische Arbeit von Studierenden anzusehen. Gewiss sind Klees eigene Erfahrungen im Umgang mit Farbe, die in vielen seiner Tagebucheinträge zwischen 1902 und 1914 bestens dokumentiert sind, wichtig; da sie gewissermassen die Basis seines späteren Unterrichts bilden, werden sie deshalb auch in die Untersuchung miteinbezogen. Aber grundsätzlich hatte er in seiner Lehre ein bestimmtes Ziel zu erreichen, während er im eigenen Schaffen intuitive Entscheidungen traf, die vom künstlerischen Prozess gefordert wurden und die sich durchaus nicht immer mit den Regeln der Farbenlehre decken mussten. Quellenlage Die vorliegende Studie stützt sich im Wesentlichen auf die verschiedenen Unterrichtsunterla- gen von Paul Klee: Dies sind zunächst die Beiträge zur bildnerischen Formlehre, die 1979 als Faksimiles herausgegeben worden sind, und Klees Vorlesungen am Bauhaus in Weimar zwi- schen dem 14. November 1921 und dem 19. Dezember 1922 enthalten.1 In den beiden ersten Semestern seiner Lehrtätigkeit zog er die Farbe nur punktuell zur Ver- deutlichung gewisser anderer bildnerischer Aspekte heran, widmete hingegen die Vorlesungen des Wintersemesters 1922 vollumfänglich der Farbenlehre. Daher steht die Auswertung die- ser Vorträge im Vordergrund der Analyse der Beiträge zur bildnerischen Formlehre. Neben diesem Buch existiert ein weiteres und weitaus umfangreicheres Konvolut an Unter- richtsmaterialien, das bisher noch wenig bekannt ist und das die Hauptgrundlage der vorlie- genden Untersuchung bildet: Die in den Jahren 1923 bis 1930 von Klee verfassten Notizen zu einer Bildnerischen Gestaltungslehre.2 Dieses theoretisch-didaktische Werk umfasst rund 1 Klee BF. 2 Klee BG. 5 I. Einleitung 3900 meist lose Manuskriptseiten und wird im Zentrum Paul Klee in Bern aufbewahrt.3 Ob- wohl es am Bauhaus offiziell Wassily Kandinsky war, der einen Kurs zur Farbenlehre anbot, hinderte dies Paul Klee offenbar nicht daran, sich in seinem Unterricht ebenfalls diesem The- ma zu widmen. Im Gegensatz zu Kandinsky, dessen Vorlesungen nach aktuellem Forschungs- stand nicht chronologisch und datiert überliefert sind,4 gibt es von Klee teilweise durchgängig paginierte und datierte Manuskripte zum Thema. Markierungen an den Seitenrändern, Strei- chungen sowie Ergänzungen im Text weisen darauf hin, dass Klee die Manuskripte mehrmals in seinem Unterricht verwendete und dabei vermutlich den didaktischen Aufbau revidierte. Wann Paul Klee damit begann, dieses umfangreiche Unterrichtsmaterial zu ordnen und sich Überlegungen zur Gliederung zu machen, ist nicht bekannt.5 Allerdings ist ein von Klee ent- worfenes Inhaltsverzeichnis zu einer Bildnerischen Gestaltungslehre überliefert, das den Auf- bau der Materialien wiedergibt.6 (ABB. 1) Die Hauptarbeit an der Konzeption dieser Gestal- tungslehre erfolgte wahrscheinlich in den Jahren 1927/1928.7 Klee sah einen ersten Allge- meinen Teil vor, in dem nach