Paul Klees Lehre Vom Schöpferischen
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paul klees lehre vom schöpferischen fabienne eggelhöfer dissertation universität bern 2012 paul klees lehre vom schöpferischen Inauguraldissertation der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Fabienne Eggelhöfer, Jaberg BE Oktober, 2011 Von der Philosophisch-historischen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Oskar Bätschmann und Prof. Dr. Régine Bonnefoit angenommen. Bern, den 28. März 2012 Der Dekan: Prof. Dr. Heinzpeter Znoj paul klees lehre vom schöpferischen Inauguraldissertation der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Fabienne Eggelhöfer, Jaberg BE Oktober, 2011 Von der Philosophisch-historischen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Oskar Bätschmann und Prof. Dr. Régine Bonnefoit angenommen. Bern, den 28. März 2012 Der Dekan: Prof. Dr. Heinzpeter Znoj 7 Einleitung 17 Quellenlage 18 Unterricht 27 Tagebücher 30 Schriften und Vortrag 37 Kunst als Werden – Versuch einer Kontextualisierung 40 Klees Naturbegriff 44 Goethes Metamorphosenlehre 47 Romantischer Universalismus 55 Biozentrik 66 Esoterik 72 Natur als Vorbild 77 Analyse 88 Analyse des Innern 99 Synthese 108 Gliederung 136 Ursprung 137 Natürlicher Ursprung 144 Gestalterischer Ursprung 153 Geistiger Ursprung 170 Bewegung 176 Statik und Dynamik 196 Produktive und Rezeptive 216 Stillehre 220 Zum Verhältnis von Lehre und Werk 230 Anhang 7 Einleitung Im Januar 1924 fasste Paul Klee (1879–1940) in einer Vorlesung am Bauhaus seine „ele- mentare Lehre vom Schöpferischen“ zu einem programmatischen Aufruf zusammen: „Gut ist Formung. Schlecht ist Form; Form ist Ende ist Tod. Formung ist Bewegung ist Tat. Formung ist Leben.“1 Damit forderte er seine Studenten auf, sich statt auf das Resultat auf die Wege zur Form zu konzentrieren. In einer späteren „knappen [Zusammen]Fas- sung“ seiner Lehre schrieb er einleitend: „Die Lehre der Gestaltung befasst sich mit den Wegen, die zur Gestalt (zur Form) führen.“2 Klees Hauptintention bestand folglich darin, den Studenten im Unterricht das Prozesshafte der bildnerischen Gestaltung zu vermitteln. Die Gestaltung muss „lebendig“ sein. Seine Lehre gründet daher nicht auf starren Regeln, sondern auf der Annahme, dass alles in Bewegung ist. Um die Lebendigkeit der bildnerischen Mittel und Elemente zu veranschaulichen, griff Klee vorwiegend in den ersten Jahren seiner Vorlesungstätigkeit immer wieder auf konkrete Beispiele aus der Natur zurück. Er nahm diese, wie er in ei- ner Vorlesung erklärte, „betrachtend zu Hilfe“.3 Auf die Bedeutung der Natur für Klees Lehre und Werk wurde in der For- schungsliteratur bereits mehrfach hingewiesen.4 Obwohl immer wieder hervorgehoben wird, dass Klees Naturbegriff eng mit der Vorstellung der natura naturans verknüpft ist, werden vor allem pflanzliche Motive in den Unterrichtsnotizen und in den Kunstwerken verglichen und miteinander in Verbindung gebracht.5 Eine solche motivische Engführung von Werk und Lehre ist zwar nicht falsch, sie sagt jedoch wenig über die Bedeutung der Natur im Unterricht aus. Denn diese liegt darin, das Prozesshafte der bildnerischen Gestaltung zu veranschaulichen. Die Natur ist in diesem Sinne „nur“ Mittel zum Zweck. In der vorliegenden Untersuchung wird nicht nur dargelegt, welche Funktion die Naturbezüge im Unterricht hatten, sondern auch was Klee unter dem „Schöpferi- schen“ verstand und wie er diesen Aspekt am Bauhaus vermittelte. Die Untersuchung von Klees Vermittlung des Schöpferischen als Werden be- ginnt bei den in der Lehre ausgeführten Naturbezügen. Das Schöpferische beinhaltet auch eine Komponente, die nicht fassbar und aus diesen Gründen nicht lehrbar ist. Diese 1 BG I.2/78, 8.1.1924. Bei Zitaten von Paul Klee werden in der vorliegenden Arbeit Orthografie, Gross- und Kleinschreibung sowie Interpunktion vom Original übernommen. Fehlende Buchstaben werden kursiv ergänzt. 2 BG I.1/4. 3 „[...] in der Natur die wir betrachtend zu Hilfe nahmen.“ BG I.2/76, 8.1.1924. 4 Zum Forschungsstand siehe unten S. 40–44. 5 Ein beliebtes Werk, das mit Klees Unterrichtsnotizen in Verbindung gebracht wird, ist belichtetes Blatt, 1929, 274. Siehe Spiller 1956, S. 64–65, Glaesemer 1976, S. 160, Verdi 1984, S. 106–109, Verdi 1990, S. 35, Harlan 2002, S. 130, Strassburg 2004, S. 96–97, Werckmeister 2005, S. 45, Baumgartner 2008, S. 31; siehe dazu auch unten Anm. 557. 8 Einleitung bezeichnete Klee als „Intuition“ oder als „geheimen Funken“. Im Unterricht erwähnte er dieses metaphysische Element zwar selten explizit, betonte es aber umso häufiger in seinen Äusserungen zum Kunstschaffen. Da Intuition nicht vermittelbar ist, konzentriert sich Klees Lehre vom Schöpferischen auf die Bedeutung der Bewegung für die Gestaltung. Wenn in der vorliegenden Untersuchung der Frage des Schöpferischen nach- gegangen wird, so muss Klees Definition des Schöpferischen für seine Lehre von der für seine Kunst unterschieden werden. Da sowohl die Lehre als auch das Kunstschaffen aufgrund ein und derselben Weltanschauung entstanden, lassen sich beide Gebiete nicht klar voneinander trennen. Auf das Verhältnis von Lehre und Werk wird am Schluss der Studie in einem eigenen Kapitel näher eingegangen. Klees Unterrichtsnotizen bilden die Grundlage für die Analyse seiner Lehre vom Schöp- ferischen. Sie bestehen aus einem kleinen Buch mit den Beiträgen zur bildnerischen Formlehre sowie aus rund 3900 unpublizierten Manuskriptseiten, die unter dem Titel Bildnerische Gestaltungslehre zusammengefasst werden. Dass sich seine grundsätzliche Auffassung der Schöpfung als Werden bereits vor seiner Lehrtätigkeit herausgebildet hat, belegen zahlreiche Tagebucheinträge. Neben den Unterrichtsnotizen werden daher auch Klees Tagebuch, seine publizierten Texte und der Vortrag in Jena ausgewertet. Weil die Quellenlage für die vorliegende Arbeit von grosser Bedeutung ist, wird sie im ersten Kapitel ausführlich dargelegt. Dort werden die publizierten und unpublizierten Unter- richtsnotizen, die biografischen und kunsttheoretischen Schriften kommentiert, sowie der Kontext, in welchem die unterschiedlichen Texte entstanden sind, thematisiert. Wenn für Klee das Werden der Gestaltung im Vordergrund stand, und er da- für die natürliche Schöpfung als Beispiel heranzog, so entsprach dieses Vorgehen der zeitgenössischen Praxis. Um die möglichen Quellen für seine Methode herauszuarbei- ten, wurden Klees Bibliothek ausgewertet und die zeitgenössischen Diskurse untersucht. Leitender Grundgedanke der für die Lehre vom Schöpferischen relevanten Quellen ist Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) Metamorphosenlehre.6 In Klees Lehre gibt es drei Aspekte, die für die Vermittlung des Schöpferischen von zentraler Bedeutung sind, und die den Kern der vorliegenden Arbeit bilden: Analy- se, Ursprung und Bewegung. Um die Schöpfung zu begreifen, hielt Klee die Schüler an, deren Entstehung zu analysieren. Er versuchte ebenfalls die Frage nach dem Ursprung der Schöpfung zu klären. Sowohl bei der Analyse als auch beim Ursprung ist die Bewe- gung zentral. In den drei Kapiteln „Analyse“, „Ursprung“ und „Bewegung“ wird die Bedeutung dieser Themenkomplexe für Klees Vermittlung des Schöpferischen aufgezeigt. 6 Die Gesamtausgabe von Goethes Schriften befindet sich in Klees Nachlass- Bibliothek. Die Metamorphose der Pflanzen(1790), in: Goethe 1840, Bd. 36, S. 17–64. Einleitung 9 Es wird untersucht, inwiefern Klee seine Gedanken bereits vor seiner Lehrtätigkeit for- muliert hatte und welche Quellen ihm bei der Entwicklung seiner Ideen dienten. Da sich Klees Unterricht ständig veränderte, soll auch der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise sich seine Methode, den Ursprung, die Gliederung und die Bewegung zu erklären, wandelte. Naturbezüge in der Lehre Die Auswertung des Quellenmaterials, dem das zweite Kapitel gewidmet ist, erlaubt ei- nen Überblick über Klees Auffassung des Schöpferischen zu erlangen. Überarbeitungen der Unterrichtsnotizen, Vorlesungspläne und Mitschriften von Schülern belegen, dass sich die Vorlesungszyklen im Laufe der Lehrtätigkeit veränderten. Im Rahmen dieser Arbeit kann der Verlauf von Klees Unterricht nicht vollständig rekonstruiert werden; es wird lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Schwerpunkte verschoben. Während Klee in den ersten Jahren konkrete Beispiele aus der Natur zur Veranschaulichung des Prozesshaften in der bildnerischen Gestaltung heranzog, verzichtete er später auf aus- führliche Erläuterungen zu natürlichen Prozessen. Er erklärte die Entstehung geometri- scher Formen mit der Bewegung der bildnerischen Elemente, ohne den Entstehungspro- zess an natürlichen Wachstumsphänomenen zu erläutern. Ob die Tatsache, dass die Anschauungsbeispiele aus der Natur im Laufe seiner Lehrtätigkeit abnahmen, mit der Anforderung an seinen Unterricht innerhalb des Lehr- planes des Bauhauses, mit der sich verändernden Ausrichtung der Bauhaus-Lehre oder mit seiner wachsenden Lehrerfahrung zusammenhängt, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Ein kurzer Überblick zur Entwicklung Klees als Lehrer und der Ausrichtung der Bauhauslehre hilft, Klees Unterricht zu verorten. Als Klee Ende 1920 von Walter Gropius (1883–1969) als Formmeister ans Bau- haus Weimar berufen wurde, war er als Künstler bereits erfolgreich,7 hatte als Lehrer hingegen nur wenig Erfahrung.8 Im Frühjahr 1921 begann er seine Lehrtätigkeit am Bau- haus mit einem „Compositionsprakticum“, das darin bestand, Werke auf ihre formalen 7 Zu Klees Situation im München der 1910er-Jahre siehe München 1979, Franciscono 1979 Haxthausen 1981 und Werckmeister 1989, S. 11–224; speziell