Hamburger Filmmacher Cooperative (1968-1972)
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FILMREIHE / RETROSPEKTIVE HAMBURGER FILMMACHER COOPERATIVE (1968-1972) KINO IM SPRENGEL HANNOVER 25. September bis 5. Dezember 2015 Einleitung, (für die, die gerne lesen) DIE HAMBURGER COOPERATIVE 1968 ist die Hochzeit von Studen- Mit ihrer billigen Herstellungsweise tenbewegung und Außerparlamen- – meist auf 16mm-, teilweise auf tarischer Opposition. Auch im 8mm-Film – verhöhnen Sie den Bereich des Films artikuliert sich der fetischisierten Produktionsaufwand Protest. Gegen die etablierten des professionellen Kinos. Sie Filmfestivals von Mannheim und nehmen die Kamera selbst in die Oberhausen, gegen die einen- Hand, werfen sie in die Luft und genden Normen der Filmindustrie begreifen den Film mit den Händen und für künstlerische Freiheit im – sie sind selbst die Hersteller ihrer Film organisiert eine Gruppe Ham- Filme. burger Filmmacher im Februar 1968 Sie begreifen den Film nicht mehr die ‚Hamburger Filmschau’, das nur von der schönen Illusion her, erste unabhängige Filmfestival in die er gewöhnlich im Kino auf der Deutschland, auf dem geballt Leinwand erzeugen soll. Der Film alle Tendenzen des ‚Underground’ muss neu entdeckt und begriffen und des ‚Anderen Kinos’, wie es in werden. Hamburg genannt wird, zutage treten. Die aus der ganzen BRD, aus Österreich und der Schweiz Die Filme sind experimentell in angereisten Filmemacher gründen dem Sinne, dass sie etwas ‚Anderes’ die ‚Filmmacher Cooperative Ham- suchen. Oft sind es Versuchsauf- burg’, einen Verleih für die unab- bauten mit ungewissem Ausgang. hängigen Filme, nach dem Vorbild Nicht selten erscheinen die Film- der 1960 gegründeten New Yorker macher selbst im Bild, als wollten ‚Film-Maker’s Cooperative’- Die sie sich ihres Films oder des Filme umgehen damit u.a. die Publikums vergewissern. Zensur durch die ‚Freiwillige Selbst- Mit dem im amerikanischen Under- kontrolle’ (FSK). groundfilm so wichtigen autobio- Vorstellungen von einer „Über- graphischen Ansatz und mit dessen nahme“ des deutschen Spielfilms, kompromissloser Subjektivität hat wie sie die ‚Oberhausener’ 1962 dies aber weniger zu tun, auch formuliert hatten, sind den ‚Ham- wenn die ‚Hamburger’ stark vom burgern’ fremd. Sie widersprechen ‚New American Cinema’ beeinflusst grundsätzlich der Auffassung vom sind. Es hat vielmehr mit einer Erzählkino als der einzig wahren analytischen Haltung und mit der und gültigen Form des Kinos. beabsichtigten „Störung“ zu tun. Das ‚Andere Kino’ arbeitet sich an Die ‚Hamburger’ lösen in gewisser einem Gegner ab. Weise den Film vom Kino und wenden ihn gegen dieses. Sie sind Doch im Gegensatz zu den ganz an Cineasten, wollen aber nicht „zum politischen Zielen orientierten Ber- Film“. Sie wollen Filme machen, die liner DFFB-Studenten, die den Film Anschluss finden an das Niveau zum basis-politischen Instrument zeitgenössischer Kunst – oder die umfunktionieren, überwiegt bei den eine politische Funktion erfüllen Hamburgern das Interesse am können. bildnerischen Experiment, an der Entwicklung nicht-narrativer Struk- Standpunkt, die sich nicht mehr wie turen und der Spaß an der anfangs ergänzen, sondern zur all- Unterwanderung der kinematogra- mählichen Spaltung führen: eine phischen Konventionen: der Mecha- „Sozialistische Filmmacher Coope- nismen von Repräsentation und rative“ sondert sich von der Rezeption, letztlich aller im Kino ursprünglichen Coop ab, die mit wirksamen Verhältnisse. Dies wird hohen Schulden zurückbleibt. oft spielerisch oder parodistisch umgesetzt, während die Filme der radikaleren Vertreter, vor allem der DIE RETROSPEKTIVE Wiener, bewusst auf Schockwir- Die Retrospektive legt den Schwer- kung und Tabuverletzungen ange- punkt naturgemäß auf die Filme der legt sind. ‚Hamburger Gruppe’, bezieht aber darüber hinaus das gesamte Umfeld Nach dem Erfolg der ‚Hamburger des Anderen Kinos’ mit ein, das in Filmschau’ 1968 und der medialen der ‚Hamburger Coop’ repräsen- Resonanz auf die Auftritte des tiert war. ‚Andere Kinos’, beginnt das Fernsehen, seine Fühler nach den Eine der Wiederentdeckungen – jungen Filmmachern auszustrecken, neben vielen einzelnen aus der und ermöglicht einigen von ihnen Versenkung gehobenen Filmen – ist längere Filme zu realisieren. Die die politische Filmarbeit am Idee einer völligen Unabhängigkeit ‚Jugendhof Dörnberg’. [Prog. 9]. ist damit bereits aufgegeben. Die Retrospektive ist die seit lan- Auch Oberhausen macht Zuge- gem umfangreichste zum Thema ständnisse und vergibt in der Folge ‚Hamburger Coop’. Mit zwölf Preise, um die „Jungfilmer“, wie sie Veranstaltungen und zahlreichen väterlich genannt werden, nicht Gästen, denen hiermit und auf der gänzlich zu verlieren. übernächsten Seite herzlich gedankt sei – ebenso wie allen ideellen und Die Hamburger Initiative beflügelt finanziellen Unterstützern – soll weitere Aktivitäten, die sich eigen- die notwendige Aufmerksamkeit ständig und teilweise in Abgren- erzeugt werden für Filme, die zung zu den ‚Hamburgern’ weiter- Fragen um Film und Kino und um entwickeln: ‚Xscreen’ in Köln, das Kunst und Politik wieder aufwerfen ‚Undependent Film Center’ und können, die inzwischen kapitalistisch ‚Das andere Kino’ in München, die gelöst erscheinen. Ob so etwas in „Süd-Coop“ in Stuttgart – alle 1968 Hannover funktioniert? (werde ich gegründet –, sowie zahlreiche Film- gefragt) – Antwort: Daran soll es studios und -arbeitskreise an Uni- nicht scheitern. versitäten und Jugendzentren. 1970 vertreibt sie ihre Filme – der Katalog umfasst mehr als 230 über- MEHR INFORMATION… wiegend kurze Filme – über eine Zur Filmreihe sollen neben diesem Kette von etwa 30 Kinos in der Programmheft zusätzliche Informa- ganzen BRD. In Hannover arbeitete tionen in Form loser Blätter zu den Werner Kließ, als „zu links“ stehend Veranstaltungen erscheinen. entlassener Redakteur der Zeit- schrift ‚Film’, eng mit der Ham- Außerdem soll eine hervorragende, burger Coop zusammen: Im Kino den Film DIE KRITISCHE MASSE von am Thielenplatz veranstaltet er Christan Bau ergänzende Broschüre regelmäßig Filmabende des ‚Ande- – herausgegeben von CineGraph ren Kinos’, die meistens ausverkauft Hamburg und Stiftung Deutsche sind. Kinemathek Berlin – im Kino günstig angeboten werden. Aber die Hamburger Cooperative leidet – neben einer zu geringen Nachfrage nach ihren Filmen – Viel Spaß mit den Filmen! unter der Unversöhnlichkeit von ästhetischem und politischem Peter Hoffmann In der Brüderstraße in Hamburg, der Titel eines Films von Hellmuth Costard DIE VERANSTALTUNGEN IM ÜBERBLICK SEPTEMBER FR. 25. SEPT. [1] DIE KRITISCHE MASSE Dokumentarfilm von Christian Bau ZU GAST: CHRISTIAN BAU SA. 26. SEPT. [2] FILME DER 1. HAMBURGER FILMSCHAU 1968 OKTOBER FR. 9. OKT. [3] FILME DER 2. HAMBURGER FILMSCHAU 1969 und aus dem Verleihkatalog der Cooperative SA. 10. OKT. [4] FILME VON KLAUS WYBORNY ZU GAST: KLAUS WYBORNY FR. 23. OKT. [5] DIE CINEGRAFIK-PRODUKTION Filme von Helmut Herbst, Franz Winzentsen u.a. ZU GAST: HELMUT HERBST SA. 24. OKT. [6] FILME DES RADIKALEN UNDERGROUNDS ZU GAST: WILHELM HEIN NOVEMBER FR. 6. NOV. [7] FILME VON HELLMUTH COSTARD SA. 7. NOV. [8] POLITISCHE FILME DER HAMBURGER DO. 19. NOV. [9] FILME VOM DÖRNBERG und vom Kasseler Filmkollektiv FR. 20. NOV. [10] FILME VON WERNER NEKES UND DORE O. ZU GAST: WERNER NEKES DEZEMBER FR. 4. DEZ. [11] FILME VON LUTZ MOMMARTZ und BERND UPNMOOR ZU GAST: LUTZ MOMMARTZ und BERND UPNMOOR SA. 5. DEZ. [12] AUS DEM VORFELD DER COOPERATIVE und hamburger Filme der Filmschauen 70 + 71 ______________________________________________________________________________________ KINO IM SPRENGEL Kino: Klaus-Müller-Kilian-Weg 1 – 30167 Hannover–Nordstadt Büro: Film & Video Cooperative e.V. / Klaus-Müller-Kilian-Weg 2 – 30167 Hannover Tel: 0511-703814 / Mail: [email protected] / Web: www.kino-im-sprengel.de Mit Unterstützung von: Aneignung des Mediums Film, die [1] Neuentdeckung wird gefeiert. Nur vier Monate zuvor, im Oktober Fr. 25. September 1967, macht die Gruppe Hambur- 20:30 ger Cineasten Furore mit einem Film-In. Kino non-stop, drei Tage und Nächte Filme aus dem Unter- grund! Zuschauer und Presse drängen sich in ein Ladenlokal in der Brüderstraße, der Produktions- Die kritische Masse stätte von Werner Grassmann. Film im Untergrund – Hamburg ’68 Umbenannt in Filmmacherei, wird der Ort zum strategischen Mittel- Dokumentarfilm von Christian Bau punkt, von dem aus die Welt mit D 1998, 110 Minuten, 35mm, Farbe neuen Sehweisen erobert werden soll. Das Andere Kino, wie es bald genannt wurde, etabliert sich burg damit für kurze Zeit zum zunehmend. Es sind Filme, die das Im Frühjahr 1968, anlässlich der Zentrum der Avantgarde. Kino neu erfinden wollen, sich vom ersten Hamburger Filmschau, grün- Während in den etablierten Kinos deutschen Heimatfilm und dem den die anwesenden Cineasten die der Hansestadt die Kassenschlager amerikanischen Kinoimperialismus erste Film-Cooperative Deutsch- “Zur Sache Schätzchen” und “Doc- meilenweit entfernt haben. In einer lands. Sie wird von Hamburg aus tor Schiwago” laufen, gibt es im Atmosphäre unvoreingenommenen betrieben und ermöglicht ihren Februar ’68 in den Kammer- Experimentierens und dem Kontakt Mitgliedern, unabhängig von Film- Lichtspielen völlig andere Filme zu zur bildenden Kunst entstehen industrie und frei von Zensur sehen: Die erste Hamburger Film- Filme, die amüsieren und provo- radikale Filme zu drehen und zu schau präsentiert sich mit einem zieren, die Tabus brechen. vertreiben. Jenseits vom Muff der Feuerwerk wilder Werke. Organi- (Verleihtext Die Thede) Adenauer-Ära bildete eine Gruppe siert von der neu gegründeten ___________________________ von Filmemachern die kritische