Serie (VI): „Offensive 77“ FRANZ RUCH FRANZ RAF-Frau Albrecht (Fahndungsfoto von 1977), Bankier Ponto bei einer Pressekonferenz (1974), Witwe Ponto bei der Beerdigung ihres Ehemanns (1977)*: Der Verrat Die Attentäter kamen getarnt als gute Freunde, sie brachten Rosen mit: Kein Anschlag der RAF löste größere Entrüstung aus als der Mord an Jürgen Ponto. Die Schüsse auf den Bankier zerstörten auch die langjährige Freundschaft von zwei Hamburger Bürgerfamilien. Von Bruno Schrep

ie hat nie auf einen Menschen ge- RAF-Untergrundkämpfern Brigitte Mohn- Die Tat sprengte auch die lange Freund- schossen. Sie hat nie mitgeholfen, haupt und Zugang zum Pri- schaft zweier Hamburger Großbürgerfami- S Bomben zu bauen oder Sprengfallen vathaus des Dresdner-Bank-Chefs Jürgen lien. Innerhalb weniger Sekunden wurde zu installieren. Und sie hat, entschiedener Ponto. zerstört, was in Jahrzehnten gewachsen war. als andere, der Gewalt abgeschworen. Eingelassen wird sie als gute Bekannte, Jürgen Ponto und Hans-Christian Al- Dennoch: Ihr persönlicher Beitrag zum als Tochter von Pontos engem Freund, dem brecht lernen sich kurz nach dem Krieg an Terrorismus der RAF gilt bis heute als un- Hamburger Rechtsanwalt Hans-Christian der Hamburger Universität kennen. Ponto erreicht infam, als unerreicht verwerflich. Albrecht. Zur Tür hinaus flieht sie als Ver- war als Panzerjäger beim Russland-Feld- Er gilt als ein Anschlag auf Werte, deren brecherin, als Gejagte, die sich fortan stän- zug von einem Granatsplitter in den Kopf Verletzung beim Miteinander zivilisierter dig verbergen muss. getroffen worden, hatte nur knapp über- Menschen tabu ist: Anstand, Vertrauen, Warum sie den unerhörten Verrat be- lebt. Albrecht wiederum ist mit Schimpf Gastfreundschaft. ging, ist rätselhaft bis heute. Stand sie wirk- und Schande aus Hitlers Armee gejagt Die Rede ist von Susanne Albrecht, An- lich unter so enormem Druck, wie sie worden, weil er von einer jüdischen Groß- waltstochter aus , gelernte Päd- selbst früher behauptete? Oder war sie mutter abstammt. agogin, verurteilt wegen Mordes. doch so fanatisiert, so von ihrer Mission Am 30. Juli 1977, einem heißen Som- überzeugt, dass sie den Tabubruch einfach * Mit Sohn Stefan (l.) und Tochter Corinna auf dem Wald- mertag, erschleicht sie sich und den beiden in Kauf nahm? friedhof Sensbachtal.

98 der spiegel 42/2007 immer wieder ein Name: Susanne, in der Familie „Susi“ genannt. Das Mädchen, ge- boren im März 1951, ist das Sorgenkind der Familie. Groß, in ihren Bewegungen etwas lin- kisch, in ihrem Körper noch nicht richtig zu Hause, grübelt die 16-Jährige oft tage- lang in ihrem Zimmer, starrt vor sich hin, spricht kaum, gibt auf Fragen keine Ant- wort. Wenn Besuch kommt, verdrückt sie sich demonstrativ in die hinterste Ecke. Besonders die Mutter, oft sehr streng, dann wieder liebevoll, mit ihrer Hausfrau- enrolle nicht uneingeschränkt glücklich, findet immer seltener Zugang zur Tochter, der Vater nimmt sich viel zu wenig Zeit. Bringt Susanne eine Schulfreundin mit nach Hause, fragt er höchstens: „Was ist denn der Papa von Beruf?“ – eine Reak- tion, die seine Tochter empört. „So geht das mit dir nicht mehr weiter“, schimpft die Mutter, als Susanne auf dem Gymnasium immer tiefer absackt. Die Halbwüchsige wird auf ein Internat in Holzminden geschickt. Als sie nach zwei Jahren zurückkehrt, das Abitur hat sie ge- rade so geschafft, wirkt sie auf die Eltern fremder denn je – und aggressiver. Zorn, manchmal sogar Verachtung rich- tet sich jetzt gegen das eigene Elternhaus, vor allem gegen den Vater, in ihren Augen ein etablierter Spießer. Ihm wirft sie seine CDU-Mitgliedschaft vor, seinen Erfolg, sein Geld, seine Freunde. „Meine Herkunft war mir peinlich“, erklärt sie später bei einer Vernehmung – für die Zeit zwischen 1968 und 1971 nicht ungewöhnlich. Zehn-

HEINZ WIESELER / PICTURE-ALLIANCE / DPA / PICTURE-ALLIANCE HEINZ WIESELER DPA tausende rebellieren gegen ihre Elternhäu- Ein Anschlag auf Werte, deren Verletzung tabu ist ser, gegen autoritäre Universitätsprofes- soren, gegen ehemalige Nazi-Funktionäre Aber jetzt herrscht Aufbruchstimmung. mann in Sachen Seerecht. Er kauft ein gro- in der Politik, gegen den kapitalistischen Beide Männer eint die Überzeugung, dass ßes Haus im vornehmen Stadtteil Blanke- Staat. Aus gutem Hause zu stammen gilt alles anders werden muss, das prägt auch nese, setzt ein Schwimmbad in den Garten. als Makel. ihre Freundschaft. Ein neues Land, ein bes- Der Aufstieg von Ponto verläuft noch Die inzwischen 21-Jährige zieht aus, stu- seres Land soll entstehen, und sie wollen rasanter. Der Kaufmannssohn, eigentlich diert Pädagogik und Soziologie. Organisiert ihren Teil dazu beitragen. Sie helfen mit, eher ein musisch begabter Mensch, arbei- nebenbei Spielnachmittage für milieuge- an der zerstörten Universität den Schutt tet sich in der Dresdner Bank vom Refe- schädigte Vorschulkinder einer Hochhaus- wegzuräumen. Hans-Christian Albrecht renten in der Rechtsabteilung bis zum Vor- siedlung, wäscht verdreckte Fünfjährige, engagiert sich im Studentenausschuss, tritt standsmitglied hoch. Er gilt als brillanter will unbedingt etwas tun gegen die Unge- in die neugegründete CDU ein, wird als Redner und glänzender Repräsentant. rechtigkeit der Welt. Und gerät über neue erster Student in die Hamburgische Bür- 1969, mit 46 Jahren, wird er zum Vor- Freunde – mit den alten hat sie gebrochen gerschaft entsandt. Jürgen Ponto, ein Nef- standssprecher der Bank befördert. – in die linksradikale Szene. fe des Schauspielers Erich Ponto, spielt auf Die Freundschaft erstreckt sich da längst Bei der Räumung eines besetzten Hau- Studentenbühnen mit, verfasst kritische auch auf die Familien. Die vier Kinder der ses – die Studentin hat sich aus Solidarität Artikel für die „Hamburger Akademische Albrechts, drei Töchter und ein Sohn, sind zu den Besetzern gesellt – wird sie vorläu- Rundschau“. bekannt mit Corinna und Stefan, den beiden fig festgenommen, erstmals von der Polizei Nahezu im Gleichschritt schließen die en- Kindern der Pontos. Anwalt Albrecht ist als auffällig registriert. Die grobe Behand- gen Freunde ihr Jurastudium ab, heiraten, Pate von Pontos Tochter Corinna, Bankier lung – sie muss sich auf den Bauch legen, machen Karriere. Albrecht wird Sozius in Ponto ist Pate von Albrechts jüngster Toch- ihre Hände werden rüde auf dem Rücken einer Hamburger Anwaltskanzlei, die sich ter Julia. Seit die Pontos 1966 von Hamburg gefesselt, und dann wird sie abgeführt – schnell zur bevorzugten Adresse der han- in die Nähe von Frankfurt gezogen sind, bestärkt sie im Glauben, dass ihre neuen seatischen Gesellschaft entwickelt. Der char- dem Hauptsitz der Dresdner Bank, besu- Freunde recht haben, wenn sie die Bun- mant wirkende Advokat mit den guten Ma- chen sich die Familien gegenseitig. desrepublik als Polizeistaat schmähen, der nieren, sicher im Auftreten, fachlich top, Wenn dabei über die Kinder gesprochen reiche Spekulanten schützt und Anders- avanciert zum international gefragten Fach- wird, fällt seitens Mutter Christa Albrecht denkende misshandelt. Da liegt es nahe, dass auch die Propa- ganda von der „Folterung der politischen Susanne Albrecht, geboren im März 1951, Gefangenen“ bei ihr verfängt. Sie schließt ist das Sorgenkind der Familie. sich einem von linken Anwälten gegrün-

der spiegel 42/2007 99 stands mystifizierten Männern und Frauen will auch sie gehören. Ponto entspricht zudem allen Klischees, die sich Linksradikale von einem erfolg- reichen Kapitalisten machen: Unter seiner Führung hat sich die Bilanzsumme der Dresdner Bank mehr als verdoppelt, er sitzt in zahlreichen Aufsichtsräten, Bun- deskanzler Helmut Schmidt erwägt gar, ihn zum Bundesfinanzminister zu machen. Auch als Bundesbankpräsident ist er im Gespräch. Bei so einem Opfer, kalkulie- ren die Terroristen, werde die Regierung bestimmt schwach. Dass sich hinter diesem Klischee ein Mensch verbirgt, weltoffen, humorvoll, liberal, bereit auch für den Dialog mit An- dersdenkenden – dies alles können und wollen seine Feinde nicht wissen. Ihnen genügt das Zerrbild vom skrupellosen Großbankier. Susanne Albrecht soll bei der geplanten Entführung Pontos die Türöffnerin spie- len. „Sie stand mächtig unter Druck“, hat ein ehemaliger Genosse später ausgesagt. Sie selbst erinnert sich an den Satz: „Tust du das nicht, bist du ein Schwein.“

PICTURE-ALLIANCE / DPA PICTURE-ALLIANCE Sie habe weder den Mut noch die Kraft Ehepaar Ponto in seiner Jagdhütte in Mölln: Kontaktaufnahme zu „Onkel Jürgen“ gehabt, „mich diesem Ansinnen zu wider- setzen“, wird Susanne Albrecht später den deten Komitee an, das Demonstrationen deshalb in der Szene als „bürgerliches Ermittlern erklären – doch für eine Wei- organisiert, Flugblätter verteilt und ein Schwein“ beschimpft. Bei den Besuchen gerung fehlt es ihr wohl auch am Willen. Infosystem zwischen den RAF-Häftlingen kommt es regelmäßig zu Schreiereien, Vor- „Dem fanatischen Wunsch, die Häftlinge in den verschiedenen Gefängnissen instal- würfen, Tränen. Die Eltern fühlen sich hilf- rauszuholen, hat sie alles untergeordnet“, liert. Zwar hat sie sich bisher für die RAF los. Schon Auftreten und Äußeres der glaubt eine enge Bezugsperson, „einfach nicht sonderlich interessiert. Doch plötzlich Tochter provozieren sie. alles. Die Beziehung zur Familie, das Prin- verschlingt sie Berichte über Kontaktsper- Das Mädchen, früher meist mit Rock zip von Treu und Glauben, alles.“ re, Isolation, Besuchsverbote. und Bluse bekleidet, trägt nur noch zer- Tatsache ist: Ein Gewissenskonflikt ist schlissene Jeans und ausgeleierte Pullover, an ihren damaligen Handlungen nicht er- or allem aber sind es Bilder, die Su- pafft unentwegt selbstgedrehte Zigaretten. kennbar. sanne Albrecht erschüttern. „Ich Und der Freund, mit dem Susanne seit ei- Die Studentin bittet sogar ihre Eltern V empfand nur noch ohnmächtige Wut, niger Zeit zusammenwohnt, den sie einmal um Mithilfe bei der Kontaktaufnahme zu nur noch Hass“, erinnert sie sich an den mitbringt, langhaarig, sprachlos angesichts „Onkel Jürgen“. Tatsächlich kündigt Mut- Tag, als sie Fotos des ausgemergelten RAF- der gediegenen Bürgerlichkeit, flößt den ter Albrecht bei Pontos den ersten Besuch Häftlings sieht, der 1974, Eltern auch kein Vertrauen ein. Es ist Karl- der Tochter an. Die meldet sich danach re- nach 58 Tagen Hungerstreik, in der Haft- Heinz Dellwo, der kurz darauf unter- gelmäßig, mal zwecks Übernachtung bei anstalt Wittlich stirbt, zuletzt bei einer Kör- taucht, bei der blutigen Besetzung der einer Durchreise, mal zum Frühstück, mal pergröße von 1,83 Metern noch 39 Kilo- deutschen Botschaft 1975 in Stockholm zum Abendessen. Dass die Besuche im gramm wiegt. festgenommen und später zu lebenslanger Frühjahr 1977 der Ausspähung des Ban- „Wenn die anderen nicht bald rauskom- Haft verurteilt wird. kiers dienen, ahnen die Albrechts nicht – men, werden sie auch umgebracht“, heißt Angesichts des Scheiterns von Stock- im Gegenteil. Die Eltern freuen sich, dass es in der Szene, der Druck wächst. Eher holm suchen die RAF-Kader nach hoch- ihr Sorgenkind die alten Freunde wieder- unpolitische Aktivisten wie Susanne Al- brecht, die von Zorn oder Mitleid getrie- ben sind, die wenig hinterfragen und wenig Ponto führt ein offenes Haus, liebt Oper über Konsequenzen nachdenken, werden und Schauspiel, lädt oft Künstler ein. jetzt dringend gebraucht. Zur Vorbereitung von Befreiungsaktio- rangigen Entführungsopfern. Der Staat soll sehen will. „Das ist ein gutes Zeichen“, nen klaut sie seit 1973 Ausweise und Füh- erpresst werden, die RAF-Häftlinge frei- sagt der Vater. Gegenüber den Pontos ver- rerscheine, gibt diese an untergetauchte zulassen. Susanne Albrecht, die gerade sichert die Mutter am Telefon, Susanne Militante weiter, lässt auch ihren eigenen noch ihr erstes Staatsexamen als Lehrerin habe sich nach vielen Irrungen und Wir- Pass fälschen. Als sie Sprengzünder der bestanden hat, begeht den Fehler ihres rungen gefangen – endlich. niederländischen Armee über die deutsch- Lebens: Sie offenbart ihre Bekanntschaft Die Bankiersfamilie, die in einer Villa holländische Grenze zu schmuggeln ver- zu Bankier Jürgen Ponto. im hessischen Oberursel wohnt, führt ein sucht, wird sie vorläufig festgenommen. Der Verrat ist ihre Eintrittskarte zu dem offenes Haus. Der Hausherr liebt Oper und Im Gegensatz zu anderen RAF-Unter- von ihr bewunderten Kreis jener Unter- Schauspiel, lädt oft Künstler ein, bei Tisch stützern, die alle Brücken hinter sich ab- grundkämpfer, die bereits in der Illegalität wird mehr über Literatur als über Wirt- gebrochen haben, besucht Susanne Al- leben und zu allem entschlossen sind. Zu schaftsthemen gesprochen. Susanne Al- brecht noch Eltern und Geschwister, wird diesen in der Szene zu Helden des Wider- brecht, die bei ihren Besuchen still, sen-

100 der spiegel 42/2007 HEINZ WIESELER / PICTURE-ALLIANCE / DPA / PICTURE-ALLIANCE HEINZ WIESELER Ponto-Anwesen in Oberursel (1978), RAF-Terrorist Klar (1978): Schüsse aus nächster Nähe sibel, fast scheu wirkt, sitzt meist nur geworfen. Es sind die RAF-Mitglieder Bri- Der Text stammt von Brigitte Mohn- stumm dabei. gitte Mohnhaupt und Christian Klar. Alle haupt. Sie sei zur Unterschrift genötigt „Sie war eine aufmerksame und bemüh- drei haben Pistolen dabei. worden, erklärt Susanne Albrecht später. te Zuhörerin“, erinnerte sich Pontos Toch- „Das ist ja ein großes Komitee“, begrüßt Auch habe sie Pontos Tod nicht gewollt, ter Corinna, damals 20 Jahre alt. „Sie trug der Bankier die Gäste, führt sie arglos über sondern dem Versprechen ihrer Genossen auch viel Lächeln im Gesicht, hatte auch die Terrasse ins Haus, nimmt erfreut den geglaubt, bei der Aktion werde auf keinen keineswegs eine unangenehme Stimme.“ Heckenrosenstrauß entgegen, den Susanne Fall geschossen, werde kein Blut fließen. Als die beiden jungen Frauen im park- Albrecht mitgebracht hat, sucht eine Vase. Die Anwaltstochter lebt nach dem Attentat ähnlichen Garten spazieren gehen, erkun- Dann geht alles ganz schnell. jahrelang auf der Flucht. digt sich Susanne Albrecht scheinbar be- „Mitkommen, das ist eine Entführung“, 24 Stunden nach dem Überfall reisen sorgt nach den Sicherheitseinrichtun- schreit Klar, richtet seine Pistole auf den die Eheleute Albrecht zur Witwe Ponto gen. Ob es denn eine Alarmanlage gebe? Bankier. Der geht mit erhobenen Armen und deren Kindern nach Oberursel. Die Ob die Hunde denn auch wirklich scharf einen Schritt auf zu, Mitglieder beider Familien nehmen sich seien? fragt fassungslos: „Sind Sie wahnsinnig ge- stumm in die Arme. Vater Albrecht, er- worden?“ Klar feuert aus nächster Nähe schüttert über den Verrat der Tochter, m 30. Juli 1977, Susanne Albrecht hat einmal auf den Hausherrn, Brigitte Mohn- fassungslos über den Tod seines Freundes, sich wieder einmal kurzfristig zum haupt drückt fünfmal ab. stößt hervor: „Aber Susanne hat doch A Nachmittagskaffee angesagt, will die Zwei Schüsse treffen den Körper des so schöne Hände, spielt damit so schön Familie Ponto abends zu einer längeren Bankiers, drei Kugeln zerschmettern sei- Geige.“ Reise nach Ecuador aufbrechen, wo der nen Kopf. Vor den Augen seiner Frau Es ist die letzte Begegnung. Die Pontos Bankier die ersten Jahre seiner Kindheit stürzt Ponto vornüber auf den Wohnzim- wollen danach keinen Kontakt mehr zu verbracht hat. Es herrscht eine eigenartige merboden. Er stirbt kurz darauf im Kran- den langjährigen Freunden. Sie glauben, Stimmung. kenhaus. dass die Eltern Albrecht mehr vom radi- Ponto, eigentlich ein durch und durch Susanne Albrecht, die nicht geschossen kalen Umfeld ihrer Tochter gewusst haben rationaler Mensch, redet in letzter Zeit ent- hat, ihre Waffe sogar zuvor heimlich ent- müssen, als sie später einräumen. gegen seiner sonstigen Gewohnheit viel vom Krieg, von der Todesangst nach seiner Vor den Augen seiner Frau stürzt der Verwundung, von der eigenen Vergäng- lichkeit. Er hat vor kurzem ein Familien- Bankier auf den Boden des Wohnzimmers. grab gekauft. Den idyllisch gelegenen Friedhof in einem Dorf im Odenwald hat- laden haben will, rennt mit ihren Beglei- „Hätten uns die Eltern nicht warnen te seine Ehefrau vor längerer Zeit bei ei- tern zu einem wartenden, vom Terroristen können, ja müssen?“, fragt Tochter Corin- nem Spaziergang entdeckt. Peter-Jürgen Boock gesteuerten Flucht- na Ponto, heute 50. Schließlich habe Vater Als es kurz nach 17 Uhr klingelt, telefo- auto. Zwei Wochen später geht in Zei- Albrecht seine Tochter nach der Festnah- niert der Bankier gerade mit seiner Schwä- tungsredaktionen ein Bekennerschreiben me an der niederländischen Grenze an- gerin, übergibt den Hörer seiner Frau. Su- ein, in dem es unter anderem heißt: waltlich unterstützt. sanne Albrecht, meldet ein Angestellter, „Zu ponto und den schüssen, die ihn Dass Susannes Eltern auch nur ahnten, habe zwei Freunde mitgebracht. Wie die jetzt in oberursel trafen, sagen wir, dass was die Tochter plante, unterstellt zwar denn aussehen würden? Antwort: „Sehr uns nicht klar genug war, dass diese typen, niemand. Das Gefühl, versagt zu haben, manierlich.“ die in der dritten welt kriege auslösen und mitschuldig zu sein, kann ihnen jedoch Susanne Albrecht hat zum Besuch ei- völker ausrotten, vor der gewalt wenn sie keiner nehmen. Seit damals quälen sie sich nen braunen Rock, eine geblümte Bluse ihnen im eigenen haus gegenübertritt fas- mit Selbstvorwürfen – bis heute. und eine hellbraune Jacke angezogen, sungslos stehen.“ Unterschrift: Susanne Auch für Susanne Albrechts drei Ge- auch ihre Begleiter haben sich in Schale Albrecht. schwister beginnt nach dem Attentat ein

102 der spiegel 42/2007 Das grausame Feminat Bei der Roten Armee Fraktion und ihrer „Offensive 77“ spielten Frauen die Hauptrollen.

m 8. Februar 1977 öffnete sich in RAF festgenommen wurde, schnappte die nen, quasselte ununterbrochen.“ Schon dem beschaulichen badischen Städt- West-Berliner Polizei auch sie. Wegen am ersten Tag wollte sie Klaus Croissant, Achen Bühl das Tor des Gefängnisses. Mitgliedschaft in einer kriminellen Verei- den seine Mitarbeiter respektvoll „den In die Freiheit schritt eine 27 Jahre alte nigung, Urkundenfälschung und uner- Alten“ nannten, aus seiner Kanzlei raus- Frau, die der Bundesrepublik Deutsch- laubten Waffenbesitzes kassierte sie eine werfen. Mohnhaupt selbst sprach von ei- land den Krieg erklärt hatte: Brigitte Haftstrafe von viereinhalb Jahren. ner „Säuberung“; die Belegschaft des Mohnhaupt. Nachdem sich im Mai Büros wurde von ihr einvernommen und „Die RAF war für sie heilig; das war 1976 in -Stammheim erhängt hat- bekam neue Jobs zugewiesen. ihr Leben, ihre Überzeugung“, charak- te, wurde Mohnhaupt in den Hochsicher- „Das Schlimmste an der Mohnhaupt“, terisierte Susanne Albrecht sie später. heitstrakt im 7. Stock der Betonburg ver- so Speitel, sei „ihre riesige Paranoia“ ge- Die beiden lernten sich im Sommer 1977 legt und saß dort ein halbes Jahr zusam- wesen. Sie entfachte unterwegs im Auto im Untergrund kennen. Mohnhaupt sei men mit der RAF-Führung. Besonders „mehr als einmal“ kleine Feuer, um bri- in der Gruppe „absolut dominant“ ge- Gudrun Ensslin machte es sich zur Auf- sante Dokumente zu verbrennen, weil sie wesen, und man habe gewusst, „dass gabe, Mohnhaupt als Bevollmächtigte glaubte, der Wagen würde verfolgt. DIGNE MELLER MARCOVICZ (L.); SPIEGEL TV MARCOVICZ DIGNE MELLER (M.); DDP (R.) Studentin Mohnhaupt (1969), Buback-Attentat in Karlsruhe (1977), festgenommene Mohnhaupt (1982): „Für akteure des systems findet

sie alles, was sie sagte, absolut ehrlich aufzubauen. Sie und Baader waren seit Nachdem sie zwei Wochen lang bei meinte“. Jahren unzufrieden mit ihren Nachfol- den Unterstützern gewirbelt hatte, ging In Bruchsal aufgewachsen, war Brigit- gern im Untergrund, die meist schnell Brigitte Mohnhaupt in den Untergrund. te Mohnhaupt 1967 nach München ge- verhaftet worden waren und kaum Ak- Sie liierte sich umgehend mit Peter-Jür- gangen, um Englisch, Geschichte und Zei- tionen zustande gebracht hatten. gen Boock; die beiden bildeten nun die tungswissenschaften zu studieren. Sie Mohnhaupt bekam eine intensive Schu- neue Führung der Illegalen – wobei wollte Journalistin werden. Zunächst lung und präzise Aufträge. Nach ihrer Mohnhaupt der Kopf dieser Doppelspit- durchaus dem Luxus zugetan und mit ei- Freilassung sollte sie als Erstes das Stutt- ze war. nem Adligen liiert, zog es sie bald in eine garter Anwaltsbüro von Klaus Croissant „Die Frauen hatten bei der RAF das Münchner Kommune, in der mit Drogen, gründlich reorganisieren. Die Anwälte Sagen“, sagt ein Ex-Terrorist. „Wir Män- „freier Liebe“ und Gemeinschaftseigen- und zahlreiche Mitarbeiter, die mit der ner waren nur für das Grobe und das tum experimentiert wurde. RAF sympathisierten, hatten eine zen- Handwerk zuständig.“ Mohnhaupt lernte Rainer Langhans und trale Funktion für die Stammheimer. Sie Eine geschlechtsspezifische Arbeitstei- Uschi Obermeier kennen, die Medien-Iko- waren das Band zwischen drinnen und lung und Hierarchie existierte bei der nen der Jugendrevolte, doch das Pop-Paar draußen, überbrachten Botschaften und RAF von Anfang an. Von der Gründung war ihr zu unpolitisch. Sie machte 1969 organisierten die Propaganda. im Jahr 1970 bis zu ihrem Selbstmord im bei der Besetzung des Zeitungswissen- „Die Umstellung vom Knast zur Frei- Mai 1976 hatte die Journalistin Ulrike schaftlichen Instituts mit, um gegen den heit wirkte auf die sowieso schon nicht Meinhof nahezu alle Texte für die Grup- Krieg der USA in Vietnam zu protestieren. gerade phlegmatische Mohnhaupt wie ein pe verfasst. Die ideologische Instanz und Das Institut lag im Amerikahaus. Aufputschmittel“, erinnerte sich später zugleich die Finanzchefin war die Ger- Im Frühjahr 1971 ging Mohnhaupt in Volker Speitel, als er vom wichtigsten Ku- manistin Gudrun Ensslin. den Untergrund. Und als im Juni 1972 rier zum Kronzeugen geworden war. „Sie An der allerersten Aktion der RAF, der fast die gesamte erste Generation der konnte zwei Tage überhaupt nicht pen- Befreiung Andreas Baaders in im

106 der spiegel 42/2007 Alptraum. Name und Mai 1970, waren neben Ensslin vier Frau- Nachdem der Generalbundesanwalt Foto der Schwester en und nur ein Mann beteiligt. Siegfried Buback und seine beiden Be- prangen wochenlang War die erste Generation der RAF in gleiter in Karlsruhe von einem RAF-Mit- auf allen Titelseiten, der Mehrzahl noch männlich, so verkehr- glied erschossen worden waren, schrieb werden immer wieder te sich das Verhältnis später: Im Dezem- Mohnhaupt in Amsterdam die Komman- im Fernsehen gezeigt. ber 1976 handelte es sich bei 15 der 28 doerklärung – unter Verwendung einer An jeder Ecke kleben gesuchten Terroristen um Frauen. Bis Vorlage der Stammheimer. „Für akteure Fahndungsplakate. Die 1986 war das angeblich schwache Ge- des systems selbst wie buback findet die junge Frau mit der Pa- schlecht auf den Fahndungsplakaten stets geschichte immer einen weg“, hob sie an. genfrisur ist zum Sym- stärker vertreten als die Männer. Als woll- „Am 7. 4. 77 hat das kommando ulrike bol für Hinterhältigkeit ten sie das terroristische Feminat demon- meinhof generalbundesanwalt siegfried und Unmenschlichkeit strieren, überfielen im Sommer 1977 meh- buback hingerichtet.“ geworden. rere RAF-Frauen in Essen eine Bank. Wie Kurz vor seinem Tode, so erinnert sich „Ich war nur noch SPIEGEL-Titel 33/1977* zwei ehemalige RAF-Männer berichten, Michael Buback, habe sein Vater ihm ge- Susanne Albrechts klei- Symbol für erbeuteten sie über 400000 Mark und ent- sagt: „Die Mohnhaupt ist die Schlimmste.“ ne Schwester“, erin- Unmenschlichkeit kamen auf Fahrrädern. Die Ermordung des einstigen NSDAP- nert sich Julia Al- Die Terroristinnen verstanden sich als Mitglieds Buback war der Auftakt für die brecht, damals gerade 13. „Alle wussten gleichberechtigte Revolutionäre, und in „Offensive 77“. Die Gründer der RAF Bescheid, alle. Die Mitschüler, die Lehrer, der umfangreichen Literatur zur RAF ist hatten vor dem Hintergrund des Krieges die Freunde. Niemand traute sich, mich das Frauenthema fast völlig ausgespart. in Vietnam 1972 vor allem US-Einrich- direkt anzusprechen. Aber ich wusste, dass Der Verfassungsschützer Hans Horchem tungen angegriffen. Für ihre Nachfolger alle es wussten.“ Erst Jahre später, als sie war der westdeutsche Polizei- und Justiz- außerhalb Hamburgs studiert, hört das Ge- apparat der Hauptfeind. Und ihr Vorge- tuschel, hören die heimlichen Blicke auf. hen wurde immer brutaler. Knapp vier Wochen nach dem Buback- itwe Ignes Ponto und ihre beiden Attentat schoss die RAF-Frau Verena Kinder verlassen Deutschland nur Becker, um sich ihrer Festnahme zu ent- W eine Woche nach dem Attentat. ziehen, im badischen Singen aus kurzer Nachdem ausgerechnet am Tag der Trau- Entfernung auf einen schon am Boden erfeier auf ihrem Grundstück trotz großen liegenden Polizisten. Der überlebte wie Polizeiaufgebots ein Sprengsatz explodiert, durch ein Wunder; Becker und ihr Be- fühlt sich die Restfamilie ihres Lebens nicht gleiter Günter Sonnenberg wurden ange- mehr sicher. Sie flieht zu Freunden in die schossen und festgenommen. USA, bleibt jahrelang. Pontos Sohn Stefan Die RAF ließ sich dadurch nicht von lebt bis heute dort. ihrem Ziel abbringen, die Stammheimer Die Verletzung, von einer Vertrauens- aus dem Gefängnis zu holen. Die person verraten worden zu sein in den Illegalen sollten einen Bankier entfüh- eigenen vier Wänden, ist bis heute nicht ren. Drei Namen standen auf der Liste. verheilt. Die Wahl fiel auf Jürgen Ponto – weil Für die Terroristen im Untergrund wird Susanne Albrecht sich als Türöffnerin Susanne Albrecht schnell zum lästigen anbot. Anhängsel. Ihre Weinkrämpfe, ihre Selbst- Es war der erste Anschlag, bei dem Bri- vorwürfe wegen der Tat, deren Dimension die geschichte immer einen weg“ gitte Mohnhaupt in vorderster Reihe sie offenbar erst jetzt zu begreifen beginnt, stand. Nachdem Christian Klar die Ner- werden ihr als typisch bürgerliche Senti- staunte nur über eine „personelle Zu- ven verloren und auf Ponto geschossen mentalität vorgeworfen, als ein Zeichen sammensetzung, für die es kein Beispiel hatte, gab sie weitere fünf Schüsse auf ideologischer Unzuverlässigkeit. Sie gilt gibt“. Sein Kollege Günther Nollau wit- den Bankier ab. Anschließend stand die zudem als ängstlich, ungeschickt und damit terte angesichts der weiblichen Dominanz Gruppe vor der Frage, ob sie eingestehen unbrauchbar. Ein Risikofaktor. „Die kann „einen Exzess der Befreiung der Frau“. sollte, dass sie den Bankier eigentlich ent- man nicht einmal zum Brötchenholen Gudrun Ensslin hatte ihre Nachfolgerin führen wollte. Nein, entschied Mohn- schicken“, beschwert sich ein Genosse. Mohnhaupt beauftragt, für den Schmug- haupt, einen solchen Betriebsunfall ein- In der Hierarchie der Gruppe, in der gel von Schusswaffen und Sprengstoff zuräumen wäre rufschädigend. einige wenige die anderen beherrschen nach Stammheim zu sorgen. Mit Hilfe von Die Erklärung die sie aufsetzte, fiel aus und unterdrücken, rangiert sie ganz un- Kurieren und eines Anwalts gelangten dem üblichen Rahmen. Sie war mit „Su- ten. Nach mehreren Auslandsaufenthalten, drei Pistolen und Sprengstoff in den sanne Albrecht aus einem Kommando der unter anderem in Frankreich, in Belgien Hochsicherheitstrakt. Ensslin war die RAF“ unterschrieben. Sonst versteckten und in einem militärischen Ausbildungsla- Stimme der dort Eingeschlossenen. Ein- sich die Mitglieder der Gruppe bei ihren ger im Jemen, wird sie – zusammen mit bis zweimal pro Woche schickte sie an die rituellen Erklärungen zu Anschlägen stets neun weiteren Aussteigern – in die emp- Illegalen verschlüsselte Kassiber. Eine hinter dem Kollektiv. fangsbereite DDR abgeschoben. Botschaft lautete schlicht: „Der General Die Einzige, die diese Regel durch- Dort, in einer Plattenbauwohnung mit muss weg.“ Wenn die Aktion nicht bald brach, war eine Vertreterin des starken Durchreiche, führt die Hamburger Bür- laufe, werde den Illegalen das Recht ab- Geschlechts der RAF. gertochter jahrelang unerkannt ein unauf- erkannt, sich RAF zu nennen. Michael Sontheimer fälliges Leben. Bekommt einen anderen Namen und eine neue Identität, kann sich weiterbilden. Arbeitet als Englischleh- Ein Verfassungsschützer witterte „einen rerin, heiratet einen Atomphysiker, wird Exzess der Befreiung der Frau“. * Mit Susanne Albrecht.

der spiegel 42/2007 107 Mutter eines Sohnes, den sie Felix nennt, Unter dem Titel „Kinderwünsche“ ver- den „Glücklichen“. Wie sie wirklich heißt, öffentlicht sie 1999 gesammelte Sprüche warum sie in Westdeutschland gesucht ihrer Schüler in einer Broschüre der wird, weiß zwar die , für die sie gele- Bremer Ausländerbehörde. Beispiel: „Ich gentlich Berichte über Kollegen verfasst, wünsche mir, dass der Krieg in Afghanistan aber nicht ihr Ehemann. und in der ganzen Welt aufhört.“ Oder: Die Idylle gerät in Gefahr, als eine „Ich wünsche mir, dass es in Syrien so nor- Arbeitskollegin, die bei einer Westreise mal wird wie in Deutschland und dass da ein Fahndungsfoto von ihr gesehen hat, keine verbrannten Häuser sind.“ sie wiedererkennt und ihr eine anonyme Im vergangenen April versuchte die Bre- Botschaft in den Briefkasten wirft: „Wie mer CDU, Susanne Albrechts Beschäfti- kann man mit so einer Vergangenheit gung zum Wahlkampfthema zu machen. leben?“ Es sei „völlig untragbar, dass unsere Kinder Nach der Wende, als die Aussteiger ent- von einer verurteilten RAF-Terroristin un- tarnt und verhaftet werden, stellt sich Su- terrichtet werden“. Doch die Kampagne sanne Albrecht als Kronzeugin zur Verfü- wird vom betroffenen Elternbeirat und gung: Sie beichtet den Behörden nicht nur vom Bremer Senat zurückgewiesen. Bil- ihre eigene Verstrickung, sondern schildert dungssenator Willi Lemke nennt den Fall auch die wenigen Einzel- heiten, die sie von Verbre- chen anderer RAF-Täter weiß. Und sie rechnet mit ihren ehemaligen Genos- sen ab – so gnadenlos, so unnachsichtig wie kein an- derer Ehemaliger. „Ich möchte die Struk- tur und die Politik der RAF mit dem Stalinismus gleichsetzen“, teilt sie in einer handschriftlichen Er- klärung mit. „Ausdruck davon ist die Arroganz, zu meinen, stets das Richtige zu wollen und zu tun und sich damit selbstherr- lich über Realität, An- stand, menschliche Gefüh- le und Bedürfnisse hin-

wegzusetzen. Diese Selbst- DPA herrlichkeit führt dazu, Kronzeugin Albrecht (1991): Als „Schwein“ beschimpft dass unliebsame Institutio- nen und Personen angegriffen bzw. er- „ein gelungenes Beispiel für eine Resozia- mordet werden.“ lisierung“. Ihre Aussagen als Kronzeugin und ihre Susanne Albrecht, inzwischen eine Frau Distanzierung von den Taten führen 1991 Mitte fünfzig, noch immer schlank und zu einem vergleichsweise milden Urteil: schlaksig, die Pagenfrisur leicht ergraut, zwölf Jahre Gefängnis wegen der Beteili- hat sich von ihrem Ehemann getrennt, ist gung am Ponto-Mord und am missglückten seit Jahren mit einer Freundin zusammen. Anschlag auf den damaligen Nato-General Ihre hochbetagten Eltern und ihre Ge- Alexander Haig. schwister können ihre Tat bis heute nicht RAF-Sympathisanten im Zuhörerraum verstehen. schmähen die Angeklagte während des An ihre Vergangenheit will die selbstbe- Prozesses als „Drecksau“, als „Schwein“. wusst wirkende Lehrerin ungern erinnert Weil sie im Gegensatz zu anderen ehema- werden, Journalistenfragen nach ihrer ligen RAF-Kadern ausgesagt hat, gilt sie RAF-Zeit blockt sie meist ab. Die Veröf- jetzt auch in der linksradikalen Szene als fentlichung eines Fotos in einem Taschen- gemeine Verräterin. buch, das sie 1991 bei ihrem Prozess zeigt, Bereits 1993, nach drei Jahren Haft, be- hat sie kürzlich gerichtlich verbieten las- kommt Susanne Albrecht, die sich gut führt, sen. Sie fürchtet, darauf heute noch er- auch nicht mit früheren Genossen zusam- kannt zu werden. mengelegt werden will, regelmäßig Freigang „Aus Terroristen werden Ex-Terroris- gewährt. Den nutzt sie, um Ausländerkin- ten“, sagt Jürgen Pontos Tochter Corinna. dern, die sich kaum verständigen können, „Opfer bleiben immer Opfer.“ die deutsche Sprache beizubringen. Seit ih- rer vorzeitigen Entlassung 1996 – da hat sie Im nächsten Heft: die Hälfte ihrer Strafe verbüßt – setzt sie, Während der Entführung von Hanns Martin unter einem anderen Namen, diese Arbeit Schleyer kommt es zu haarsträubenden an mehreren Bremer Grundschulen fort. Fahndungspannen.

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