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Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz/FL

PISA 2009: Porträt des Kantons

Urs Moser & Domenico Angelone Institut für Bildungsevaluation Assoziiertes Institut der Universität

Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz/FL

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau

Urs Moser & Domenico Angelone Institut für Bildungsevaluation Assoziiertes Institut der Universität Zürich

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 1 Herausgeber Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz/FL, ein Zusammenschluss der folgenden Kantone und Institutionen:

Kantone • Aargau • Ausserrhoden • • St.Gallen • Wallis • Zürich • Tessin Fürstentum Liechtenstein

Forschungsinstitutionen • Zentrum für Forschung und Entwicklung, Pädagogische Hochschule Bern (PHBern): Catherine Bauer, Erich Ramseier • Institut Professionsforschung und Kompetenz - entwicklung, Pädagogische Hochschule des Kantons St.Gallen (PHSG): Christian Brühwiler, Nadja Abt Gürber, Grazia Buccheri • Institut für Bildungsevaluation (IBE), Assoziiertes Institut der Universität Zürich: Urs Moser, Domenico Angelone • Pädagogische Hochschule Wallis: Edmund Steiner, Paul Ruppen

Layout und Illustration Grafik Monika Walpen, 9200 Gossau

Copyright © Institut für Bildungsevaluation (IBE), Assoziiertes Institut der Universität Zürich Inhalt

VORWORT 5

1 PISA 2009: NATIONALE ERGEBNISSE UND VORGEHEN 6

2 FACHLICHE LEISTUNGEN 10

3 SOZIALER UND KULTURELLER KONTEXT 17

4 SCHULSTRUKTUR UND LEISTUNG 25

5 UNTERRICHTSZEIT UND LESELEISTUNGEN 31

6 LESEENGAGEMENT UND LERNSTRATEGIEN 35

7 VERÄNDERUNG DER LEISTUNGEN SEIT PISA 2000 44

8 FAZIT 50

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 3 4 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Vorwort

Im Jahr 2009 hat die OECD im Rahmen von PISA tems zu erhalten, wurden für die Kantone Aargau, zum vierten Mal die schulischen Leistungen von 15- , Bern (deutschsprachiger Jährigen am Ende der obligatorischen Schulbildung Teil), Schaffhausen, St.Gallen, Wallis (deutschspra - getestet und international verglichen. Die Ergebnis - chiger Teil) und Zürich je ein Bericht in Form eines se des internationalen Vergleichs PISA 2009 wurden kantonalen Porträts verfasst. Ein solches Porträt liegt im Dezember 2010 veröffentlicht. Der erste Bericht auch für das Fürstentum Liechtenstein vor. widmete sich ganz dem Vergleich der Schweiz mit Die kantonalen Porträts für die Deutschschweizer den anderen Ländern 1. Kantone beruhen auf der Arbeit einer Forschungsge - Mehr als die Hälfte der Kantone der Schweiz meinschaft, die für die Analyse der PISA-Daten 2009 nahm mit einer kantonal repräsentativen Stichprobe gebildet wurde. In einem kantonalen Porträt sind die von Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse an der Ergebnisse der Analysen jeweils nach den Interessen Erhebung PISA 2009 teil. Die Ergebnisse des kanto - des Kantons zusammengestellt und aus dessen Optik nalen Vergleichs sind in einem zweiten Bericht beschrieben. zusammengefasst 2. Das vorliegende Porträt für den Kanton Aargau Um zusätzlich zum kantonalen Vergleich Hinwei - wurde vom Institut für Bildungsevaluation, assoziier - se auf Stärken und Schwächen des eigenen Schulsys - tes Institut der Universität Zürich, verfasst.

Urs Moser & Domenico Angelone

Zürich, Anfang Dezember 2011

1 Konsortium PISA.ch (2010). PISA 2009: Schülerinnen und Schüler der Schweiz im internationalen Vergleich. Erste Ergebnisse. Bern und Neuchâtel: BBT/EDK und Konsortium PISA.ch. 2 Konsortium PISA.ch (2011). PISA 2009: Regionale und kantonale Ergebnisse. Bern und Neuchâtel: BBT/EDK und Konsortium PISA.ch.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 5 1 PISA 2009: Nationale Ergebnisse und Vorgehen

Die Schweiz hat im Jahr 2009 zum vierten Mal am INFO 1: Die PISA-Skala internationalen Schulleistungsvergleich PISA (Pro - Die Ergebnisse im PISA-Test werden auf einer gramme for International Student Assessment) teil - normierten Skala dargestellt. Entsprechend den genommen. Mit ihr haben sich 37 Länder der OECD inhaltlichen Schwerpunkten wurde bei PISA sowie 31 Partnerländer an der Erhebung beteiligt 2000 die Skala für die Lesekompetenzen so und einer repräsentativen Stichprobe von 15-Jähri - normiert, dass der Mittelwert der OECD-Län - gen die PISA-Tests vorgelegt. Wie sind die Ergebnis - der bei 500 Punkten und die Standardabwei - se der Jugendlichen ausgefallen? Was wird mit den chung bei 100 Punkten liegt. Dadurch erreich - PISA-Tests gemessen? Wie unterscheiden sich der ten bei der ersten Erhebung rund zwei Drittel internationale und der nationale Vergleich? Was ist der Schülerinnen und Schüler ein Testergebnis, bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten? das zwischen 400 und 600 Punkten liegt, 95 Prozent erreichten ein Testergebnis, das zwi - Sehr gut in Mathematik, gut in Natur - schen 300 und 700 Punkten liegt, und nahezu wissenschaften, weniger gut im Lesen alle Testergebnisse lagen zwischen 200 und 800 Punkten. Mit dem gleichen Vorgehen wurden Die allgemeine Beurteilung der Ergebnisse der bei PISA 2003 die Skala für die Darstellung Schweiz fällt nach der vierten PISA-Erhebung immer mathematischer Kompetenzen und bei PISA noch gleich aus wie nach den vorangehenden Erhe - 2006 die Skala für die Darstellung der naturwis - bungen. In der Mathematik erreichen die 15-Jähri - senschaftlichen Kompetenzen normiert. gen der Schweiz im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. In den Naturwissenschaften erreichen sie jeweils gute Ergebnisse und am grössten ist ihr (575 Punkte), Finnland (554 Punkte), Hong Kong- Rückstand gegenüber den 15-Jährigen der besten China (549 Punkte), Singapur (542 Punkte), Japan Länder im Lesen. (539 Punkte), Korea (538 Punkte), Neuseeland (532 In der Mathematik liegt der Mittelwert der Punkte), Kanada (529 Punkte), Estland (528 Punk - Schweizer 15-Jährigen bei 534 Punkten auf der te) und Australien (527 Punkte). PISA-Skala. Das sind zwar 66 Punkte weniger als Im Lesen liegt der Mittelwert der Schweizer 15- Shanghai-China, aber nur 7 Punkte weniger als Finn - Jährigen bei 501 Punkten auf der PISA-Skala. Das land, das die besten Ergebnisse der europäischen sind 55 Punkte weniger als Shanghai-China und 35 Länder erzielt. Statistisch signifikant bessere Leistun - Punkte weniger als Finnland. Finnland erreicht auch gen als die Schweiz erreichen nur Shanghai-China im Lesen die besten Ergebnisse der europäischen (600 Punkte), Singapur (562 Punkte), Hongkong- Länder. Statistisch signifikant bessere Leistungen als China (555 Punkte) und Korea (546 Punkte). die Schweiz erreichen Shanghai-China (556 Punkte), In den Naturwissenschaften liegt der Mittelwert Korea (539 Punkte), Finnland (536 Punkte), Hong der Schweizer 15-Jährigen bei 517 Punkten auf der Kong-China (533 Punkte), Singapur (526 Punkte), PISA-Skala. Das sind 58 Punkte weniger als Shang - Kanada (524 Punkte), Neuseeland (521 Punkte), hai-China und 37 Punkte weniger als Finnland, das Japan (520 Punkte) und Australien (515 Punkte). bei den naturwissenschaftlichen Leistungen den Seit Beginn von PISA im Jahr 2000 sind für die zweiten Rang belegt. Statistisch signifikant bessere Schweizer 15-Jährigen in den drei Kompetenzberei - Leistungen als die Schweiz erreichen Shanghai-China chen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften

6 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau keine statistisch signifikanten Veränderungen der in einem neuen Umfeld anzuwenden. PISA prüft in durchschnittlichen Leistungen feststellbar. Im Lesen den drei Grundbildungsbereichen Lesen, Mathema - kann für die Schweiz trotzdem ein erfreuliches Ergeb - tik und Naturwissenschaften Kompetenzen, die viel - nis festgehalten werden: Der Anteil an leseschwa - fältig und insbesondere zum Lernen eingesetzt wer - chen Jugendlichen, die von der OECD als Risiko - den können und die eine Bedeutung für das Lösen gruppe bezeichnet werden, ist von 20,4 Prozent in von alltagsorientierten Problemen haben. PISA 2000 auf 16,8 Prozent im Jahr 2009 statistisch Lesen – Im Rahmen von PISA wird Lesekompe - signifikant gesunken. Der Begriff der Risikogruppe tenz definiert als die Fähigkeit, geschriebene Texte zu wird deshalb verwendet, weil diese Jugendlichen verstehen, zu nutzen und zu reflektieren, um eige - über ungünstige Voraussetzungen für einen rei - ne Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Poten - bungslosen Übergang in die Bildungs- und Berufs - zial weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftli - gänge der Sekundarstufe II verfügen. chen Leben teilzunehmen 3. Die Definition geht über das traditionelle Konzept des Dekodierens von Inhal - Das Lesen im Fokus ten und des wörtlichen Verständnisses von Texten hinaus und bezieht sich stärker auf die praktische Die Lesekompetenzen bilden den thematischen Anwendung des Lesens im Alltag. Diese Art von Schwerpunkt der Erhebung PISA 2009. Aus diesem Lesekompetenz ist für die persönliche Entfaltung, für Grund wurden die Jugendlichen auch zur Lesehäu - den Übertritt in den Arbeitsmarkt und für die aktive figkeit, zum Leseengagement und zur Anwendung Teilnahme am gesellschaftlichen Leben grundlegend. von Lernstrategien beim Lesen befragt. Mathematik – Die mathematische Kompetenz Die Befragung zeigt, dass in der Schweiz mit 45 wird definiert als die Fähigkeit einer Person, die Rolle Prozent knapp die Hälfte der Jugendlichen nicht zum zu erkennen und zu verstehen, die Mathematik in Vergnügen liest. In vielen Ländern ist dieser Anteil der Welt spielt, fundierte mathematische Urteile geringer. Seit PISA 2000 ist der Anteil Jugendlicher, abzugeben und sich auf eine Weise mit der Mathe - die nicht zum Vergnügen lesen, in der Schweiz gar matik zu befassen, die den Anforderungen des um 10 Prozent gestiegen. Werden die Ergebnisse Lebens dieser Person als konstruktivem, engagiertem zum Leseverhalten nach dem Geschlecht aufge - und reflektierendem Bürger entspricht 4. Die mathe - schlüsselt, zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Wäh - matischen Leistungen in PISA 2009 werden nur auf rend 56 Prozent der Knaben nicht zum Vergnügen einer globalen Skala ausgewiesen. lesen, sind es bei den Mädchen nur 32 Prozent. Wer Naturwissenschaften – Die naturwissenschaftliche viel liest, liest auch besser. In der Schweiz lesen die Kompetenz wird definiert als das naturwissenschaftli - Mädchen häufiger als die Knaben und erreichen auch che Wissen einer Person und deren Fähigkeit, dieses deutlich bessere Leseleistungen als die Knaben. Dass Wissen anzuwenden, um Fragestellungen zu erken - Mädchen bessere Leseleistungen erreichen als Kna - nen, neue Erkenntnisse zu erwerben, naturwissen - ben, trifft für sämtliche Länder zu. schaftliche Phänomene zu erklären und Schlussfolge - Gute Lesekompetenzen hängen auch damit rungen über naturwissenschaftliche Sachverhalte zu zusammen, welche Strategien die Jugendlichen beim ziehen, die auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen Lesen von Texten anwenden. Wer weiss, welche Stra - basieren 5. Zur Grundbildung gehört auch, sich mit tegien anzuwenden sind, damit Texte verstanden und naturwissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. behalten werden, erreicht bessere Leseleistungen. Die naturwissenschaftlichen Leistungen in PISA 2009 werden nur auf einer globalen Skala ausgewiesen. PISA-Grundbildung Testdurchführung Das in PISA angewandte Konzept der Grundbildung umfasst Kompetenzen, die es den Schülerinnen und Die Schülerinnen und Schüler lösen an einem Mor - Schülern ermöglichen, aus dem Gelernten einen Nut - gen während zwei Stunden PISA-Testaufgaben und zen zu ziehen und ihre Kenntnisse und Fertigkeiten füllen während 45 Minuten einen Fragebogen zum

3 OECD (2010). PISA 2009 Ergebnisse: Was Schülerinnen und Schüler wissen und können: Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe - matik und Naturwissenschaften (Band 1). Bielefeld: Bertelsmann. 4 OECD (2010). 5 OECD (2010).

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 7 persönlichen Hintergrund, zu Interessen und Motiva - Für den nationalen Vergleich wurde in der tionen, zu Lerngewohnheiten und zu ihrer Wahrneh - Schweiz eine zusätzliche repräsentative Stichprobe mung der Lernumgebung aus. Zudem werden die von Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse gezo - Schulleitungen über die Ressourcen und die Qualität gen, wodurch der Vergleich der drei Sprachregionen der Lernumgebung in der Schule befragt. Die Tests an am Ende der obligatorischen Schulzeit möglich wird. den Schulen werden durch externe Personen nach Sämtliche Kantone der französischsprachigen Schweiz, standardisierten Vorgaben durchgeführt. Diese Per - der Kanton Tessin sowie die Kantone Aargau, Appen - sonen sind auch dafür verantwortlich, dass die Auf - zell Ausserrhoden, Bern (deutschsprachi ger Teil), gaben an den Schulen vertraulich behandelt werden, Schaffhausen, St.Gallen, Wallis (deutschsprachiger weil ein Teil der Aufgaben für den Nachweis von Teil) und Zürich nutzten PISA 2009 für eine repräsen - Trends bei späteren Zyklen wieder eingesetzt wird. tative kantonale Zusatzstichprobe. Insgesamt wur - den in der Schweiz rund 11 900 Schülerinnen und Internationaler Vergleich – Schüler der 9. Klasse aus 390 Schulen getestet, wobei nationaler Vergleich sich diese Stichprobe zu einem grossen Teil mit der internationalen Stichprobe der 15-Jährigen über - Für den internationalen Vergleich wählt jedes Land schneidet. mindestens 4500 15-Jährige aus mindestens 150 Die Mittelwerte der 15-Jährigen und der Schüle - Schulen zufällig aus. Die internationale Stichprobe rinnen und Schüler der 9. Klasse unterscheiden sich wird über das Alter der Schülerinnen und Schüler in den drei Kompetenzen statistisch nicht signifikant. definiert und repräsentiert 15-jährige Schülerinnen Im Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler der und Schüler, die mindestens sechs Jahre formale Aus - 9. Klasse 502 Punkte und die 15-Jährigen 501 Punk - bildung abgeschlossen haben. Weltweit haben an te. In der Mathematik erreichen die Schülerinnen PISA 2009 rund 470 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse 536 Punkte und die 15-Jäh - und Schüler teilgenommen. In der Schweiz wurden rigen 534 Punkte. In den Naturwissenschaften errei - rund 12 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler chen beide Gruppen 517 Punkte. aus 426 Schulen ausgewählt.

INFO 2: Statistische Signifikanz und praktische befunden wurde. Anhand des 95-Prozent-Ver - Bedeutsamkeit von Unterschieden trauensintervalls kann zudem angegeben werden, Weil jeweils nicht alle 15-Jährigen eines Landes in welchem Bereich der wahre Wert der Popula- (Population), sondern nur Stichproben an PISA tion – beispielsweise der Mittelwert eines Landes – teilnehmen, werden die Ergebnisse der Länder mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit liegt. aufgrund von Stichproben geschätzt. Die Schät - Statistisch signifikante Unterschiede sind nicht zung der Ergebnisse – beispielsweise eines Mittel - in jedem Fall von praktischer Bedeutung . Als werts – ist deshalb immer mit einem Stichproben - Faustregel werden Unterschiede von 20 Punkten fehler behaftet. Je nach Genauigkeit der Stichpro - auf der PISA-Skala als bedeutsam, aber klein be streuen die Ergebnisse in einem grösseren oder beurteilt. Unterschiede von 50 Punkten werden kleineren Bereich um den wahren Wert einer als mittelgross und Unterschiede von 80 Punkten Population. als sehr gross bezeichnet. Als weitere Referenz - Bei der Prüfung der Ergebnisse auf statistisch grösse kann der Leistungsunterschied zwischen gesicherte Unterschiede zwischen Ländern wer - zwei PISA-Kompetenzniveaus herangezogen den die Stichprobenfehler einer Schätzung be - werden. Ein Unterschied von einem Kompetenz - rücksichtigt. Ein Unterschied zwischen zwei Län - niveau wird in PISA als grosser Unterschied be- dern (Populationen) wird dann als statistisch sig - trachtet. Ein Kompetenzniveau umfasst für das nifikant bezeichnet, wenn er durch ein statisti - Lesen 73 Punkte auf der PISA-Skala, für die sches Testverfahren überprüft und bei einer Irr - Mathematik 62 Punkte und für die Naturwissen - tumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent für gültig schaften 75 Punkte.

8 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Zur Interpretation der Ergebnisse INFO 3: Berichterstattung Ausführliche Informationen zu PISA 2009 sind PISA führt zu einer Standortbestimmung im interna - den folgenden Quellen zu entnehmen: tionalen Kontext und informiert die teilnehmenden PISA 2009: Kantonale Porträts Länder über Stärken und Schwächen zu drei wichti - Für die Deutschschweizer Kantone Aargau, gen Kompetenzen, die in der Schule vermittelt wer - Appenzell Ausserrhoden, Bern, Schaffhausen, den. Es ist deshalb naheliegend, die Ursachen für die St.Gallen, Wallis und Zürich sowie für das Fürs - PISA-Ergebnisse bei den Merkmalen des jeweiligen tentum Liechtenstein wurden auf einer ge- Bildungssystems zu vermuten. Allerdings geht diese meinsamen Grundlage je eigene Porträts Ursachenforschung kaum über Vermutungen hinaus, erstellt. weil sich die Ergebnisse in PISA wissenschaftlich nicht Konsortium PISA.ch (2010). PISA 2009: schlüssig auf einzelne Merkmale des Bildungssys - Schülerinnen und Schüler der Schweiz im tems wie die Schulstruktur oder das Schuleintrittsal - internationalen Vergleich. Erste Ergebnisse. ter zurückführen lassen. Bern und Neuchâtel: BBT/EDK und Konsortium Unbeachtet bleiben beim internationalen Vergleich PISA.ch auch die unterschiedliche sozioökonomische und kul - Konsortium PISA.ch (2011). PISA 2009: turelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Ein ver - Regionale und kantonale Ergebnisse. Bern und tiefter Blick in den internationalen PISA-Bericht zeigt Neuchâtel: BBT/EDK und Konsortium PISA.ch beispielsweise, dass die Schule in der Schweiz durch Nidegger, Ch. (coord.) (2010). PISA 2009. eine sprachlich und kulturell sehr heterogene Schü - PISA 2009: Compétences des jeunes romands. 6 lerschaft herausgefordert is t . Werden für die Inter - Résultats de la quatrième enquête PISA auprès pretation verschiedene Kontextfaktoren wie der des élèves de 9e année. Neuchâtel: IRDP. Anteil an fremd sprachigen Schülerinnen und Schü - OECD (2010). PISA 2009 Ergebnisse: Was lern oder die sozioökonomische Zusammensetzung Schülerinnen und Schüler wissen und können: der Schülerschaft berücksichtigt, dann wird deutlich, Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe - dass einfache Zusammenhänge zwischen den Merk - matik und Naturwissenschaften (Band 1). Bie - malen des Bildungssystems und den PISA-Ergebnis - lefeld: Bertelsmann. sen nicht im Sinne von Ursache und Wirkung inter - www.pisa.oecd.org pretiert werden können. Die PISA-Ergebnisse sind www.edk.ch ausserdem immer mit Bezug zum Kontext zu inter - www.pisa2009.ch pretieren. Dies sollte auch beim Blick auf die kanto - nalen Ergebnisse nicht vergessen werden.

6 OECD (2010)

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 9 2 Fachliche Leistungen

Verschiedene Kantone der Schweiz nutzen PISA jenen Bereich dar, in dem der wahre Mittelwert mit jeweils für einen nationalen Schulleistungsvergleich einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent liegt. Je klei - der Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse. An der ner der schwarze Balken, desto zuverlässiger ist die Erhebung PISA 2009 haben sich sämtliche franzö - Schätzung des Mittelwerts. sischsprachigen Kantone, der Kanton Tessin sowie Im Lesen beträgt der Rückstand des Kantons Aar - die Kantone Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Bern, gau 17 Punkte auf die Kantone Wallis (französisch - Schaffhausen, St.Gallen, Wallis und Zürich mit einer sprachiger Teil) und Schaffhausen, die mit je 522 repräsentativen Stichprobe beteiligt. Wie sind die Punkten die höchsten Mittelwerte in der Schweiz Ergebnisse des Kantons Argau im nationalen Ver - erreichen. Mit 520 Punkten schneidet auch der fran - gleich zu beurteilen? Wie gross ist der Anteil an zösischsprachige Teil des Kantons Freiburg (520 Jugendlichen, deren Grundbildung am Ende der Punkte) statistisch signifikant besser ab als der Kan - obligatorischen Schulzeit ungenügend ist? Zeigen ton Aargau. Der Rückstand des Kantons Aargau sich besondere Stärken oder Schwächen in den ein - gegenüber den führenden Kantonen der Schweiz zelnen Aspekten der Lesekompetenz? kann als bedeutsam, aber klein beurteilt werden. Wie die Gesamtlänge der Balken zeigt, ist die Spann - Leistungen im Lesen, in der Mathematik weite zwischen den Leistungen der besten und der und in den Naturwissenschaften schlechtesten Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau mit 296 Punkten ähnlich gross wie in den Die Mittelwerte des Kantons Aargau liegen im Lesen Kantonen Bern (291 Punkte) und St.Gallen (300 und in der Mathematik nahe bei den Deutschschwei - Punkte). Die Spannweite ist deutlich grösser als in zer Mittelwerten, der Mittelwert in den Naturwissen - den Kantonen Schaffhausen (261 Punkte) und schaften liegt statistisch signifikant über dem Appenzell Ausserrhoden (277 Punkte), aber deutlich Deutschschweizer Mittelwert. Die Leistungsunter - geringer als im Kanton Zürich (314 Punkte). schiede zwischen den besten und schlechtesten In der Mathematik beträgt der Rückstand des Schülerinnen und Schülern entsprechen im Kanton Kantons Aargau 22 Punkte auf den Kanton Appen - Aargau etwa jenen in der Deutschschweiz. zell Ausserrhoden, der mit 560 Punkten den höchs - Die Abbildungen 2.1, 2.2 und 2.3 zeigen die ten Mittelwert erreicht. Ebenfalls statistisch signifi - Ergebnisse des Kantons Aargau für das Lesen, die kant bessere Mathematikleistungen als der Kanton Mathematik und die Naturwissenschaften im natio - Aargau erreichen der französischsprachige Teil des nalen Vergleich. Die linke Spalte enthält die Abkür - Kantons Freiburg (558 Punkte) sowie die Kantone zung des Kantons sowie den entsprechenden Mittel - Schaffhausen (558 Punkte), Jura (556 Punkte), Wal - wert auf der PISA-Skala. In der Grafik rechts davon lis (französischsprachiger Teil mit 553 Punkten und ist in Form eines Balkens die Spannweite der Leistun - deutschsprachiger Teil mit 550 Punkten) und St.Gal - gen dargestellt. Die Gesamtlänge des Balkens gibt len (552 Punkte). Der Rückstand des Kantons Aar - den Bereich an, in dem die mittleren 90 Prozent der gau gegenüber den führenden Kantonen kann auch Schülerleistungen eines Kantons liegen. Sie ist ein in der Mathematik als klein beurteilt werden. Die Mass für die Spannweite zwischen den besten und Spannweite zwischen den Leistungen der besten und den schlechtesten Schülerinnen und Schülern. Der der schlechtesten Schülerinnen und Schüler ist im hellblaue Balken umfasst die 50 Prozent mittleren Kanton Aargau mit 323 Punkten ähnlich gross wie Schülerleistungen. Der kleine schwarze Balken stellt im Kanton St.Gallen (329 Punkte). Sie ist grösser als

10 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 2.1: Leseleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

Kanton Mittelwert CH 502 CH (d) 502

VS (f) 522 SH 522 FR (f) 520 AR 508 AG 505 SG 505 VS (d) 504 NE 504 JU 504 BE (d) 502 VD 501 GE 501 FL 496 BE (f) 495 ZH 492 TI 485

300 350 400 450 500 550 600 650 700 Leseleistungen

5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil

Mittelwert +/- 2 SE

in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden (294 Leistungen der Schülerinnen und Schüler lassen sich Punkte) und Schaffhausen (300 Punkte), aber wie im aufgrund dieser Beschreibungen inhaltlich interpre - Lesen kleiner als im Kanton Zürich (342 Punkte). tieren. Für alle drei Kompetenzbereiche werden sechs In den Naturwissenschaften beträgt der Rück - Niveaus unterschieden. stand des Kantons Aargau lediglich 11 Punkte auf Bildungspolitisch interessant ist vor allem jener den führenden Kanton Schaffhausen. Nahezu gleich Anteil Schülerinnen und Schüler, die im Lesen und in hohe Mittelwerte wie der Kanton Aargau erreichen der Mathematik das Kompetenzniveau 2 nicht errei - die Kantone Appenzell Ausserrhoden (533 Punkte) chen. PISA bezeichnet diese Schülerinnen und Schü - und St.Gallen (530 Punkte). Die Spannweite zwi - ler als Risikogruppe, weil ihre schulischen Leistungen schen den Leistungen der besten und der schlechtes - für einen reibungslosen Übergang in die Berufsbil - ten Schülerinnen und Schüler ist im Kanton Aargau dung oder in weiterführende Schulen der Sekundar - mit 306 Punkten ähnlich gross wie im deutschspra - stufe II nicht genügen. Wie wichtig ausreichende chigen Teil des Kantons Bern (300 Punkte). Sie ist Kompetenzen im Lesen für die Ausbildung auf der etwas grösser als in den Kantonen Appenzell Ausser - Sekundarstufe II sind, konnte beispielsweise die rhoden (283 Punkte) und Schaffhausen (292 Punk - Schweizer Längsschnittstudie TREE – Transitionen te), aber deutlich kleiner als in den Kantonen St.Gal - von der Erstausbildung ins Erwachsenenleben – len (324 Punkte) und Zürich (333 Punkte). nachweisen. Knapp 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die im Lesen das Niveau 2 nicht erreichen, Leistungsschwache und leistungsstarke besitzen auch sechs Jahre nach Austritt aus der obli - Schülerinnen und Schüler gatorischen Schule noch keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II 7. PISA teilt die Schülerleistungen in sogenannte Kom - Schülerinnen und Schüler, die das Kompetenz- petenzniveaus ein. Die Kompetenzniveaus be- niveau 2 im Lesen nicht erreichen, sind zwar in der schreiben, was die Schülerinnen und Schüler inner - Lage, einfache Texte zu lesen, einzelne Informationen halb eines Leistungsbereichs wissen und können. Die im Text zu finden oder die Bedeutung eines definier -

7 Stalder, B. E., Meyer, T. & Hupka-Brunner, S. (2011). Leistungsschwach – bildungsarm? Ergebnisse der TREE-Studie zu den PISA-Kompeten - zen als Prädiktoren für Bildungschancen in der Sekundarstufe II. In M. M. Bergman, S. Hupka-Brunner, A. Keller, T. Meyer & B. E. Stalder (Hrsg.), Tansitionen im Jugendalter. Ergebnisse der Schweizer Längsschnittstudie TREE (Volume 1) (S. 201–216). Zürich: Seismo Verlag.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 11 Abbildung 2.2: Mathematikleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

Kanton Mittelwert CH 536 CH (d) 539

AR 560 FR (f) 558 SH 558 JU 556 VS (f) 553 SG 552 VS (d) 550 BE (d) 539 AG 538 BE (f) 531 FL 528 NE 524 ZH 523 VD 520 TI 518 GE 512

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 Mathematikleistungen

5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil

Mittelwert +/- 2 SE

Abbildung 2.3: Leistungen in den Naturwissenschaften des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

Kanton Mittelwert CH 517 CH (d) 523

SH 546 AG 535 AR 533 SG 530 BE (d) 525 VS (f) 525 FL 522 FR (f) 519 VS (d) 518 JU 512 ZH 501 NE 499 BE (f) 497 TI 493 GE 490 VD 490 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 Leistungen in den Naturwissenschaften

5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil

Mittelwert +/- 2 SE

12 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau ten Textausschnittes zu erarbeiten. Sie haben aber INFO 4: Risikogruppe bereits Schwierigkeiten, verschiedene Informationen Zur Risikogruppe gehören Schülerinnen und in einem Text miteinander in Beziehung zu setzen. Schüler, deren Leistungen in der Mathematik Aufgrund ihrer Lesekompetenzen können sie nur sehr und im Lesen unter dem Kompetenzniveau 2 einfache Leseaufgaben lösen, die sich auf klar lokali - liegen. Für diese Schülerinnen und Schüler sierte Textstellen beziehen. Dies reicht nicht aus, um besteht die Gefahr, dass sie beim Übergang Leseaufgaben zu bewältigen, die sich im Alltag und von der Schule ins Arbeitsleben grossen Proble - in Ausbildungssituationen stellen. Schwache Leserin - men gegenüberstehen und in ihrem späteren nen und Leser können somit vom Bildungsangebot Leben Möglichkeiten für Fort- und Weiterbil - nicht in gewünschter Weise profitieren. Als Folge dung nicht nutzen können. Für die Naturwis - davon vermindern sich ihre Chancen, einen Abschluss senschaften wird der Begriff der Risikogruppe auf der Sekundarstufe II zu erreichen. nicht verwendet, weil die berufliche und gesell - Schülerinnen und Schüler, die das Kompetenzni - schaftliche Integration weniger stringent auf veau 2 in der Mathematik nicht erreichen, sind zwar naturwissenschaftliche Leistungen zurückge - fähig, vertraute mathematische Aufgaben zu lösen, führt werden kann. Jugendliche, die nicht min - die alle relevanten Informationen zur Lösung enthal - destens Kompetenzniveau 2 erreichen, haben ten. Sie sind auch fähig, einfache Routineverfahren aber ungünstige Voraussetzungen, sich in ihrer gemäss direkten Instruktionen in unmittelbar zu- Berufsbildung mit naturwissenschaftlichen The - gänglichen Situationen anzuwenden. Sobald sich das men zu beschäftigen. mathematische Problem jedoch in einem unbekann - ten Kontext stellt, tauchen Schwierigkeiten auf. Die mathematischen Kompetenzen reichen nicht aus, um Gemessen an der Risikogruppe, gebildet aufgrund alltagsbezogene Probleme zu lösen. Auch diese der Leseleistungen, nimmt der Kanton Aargau in der Jugendlichen haben geringere Chancen auf eine Schweiz mit 15 Prozent eine mittlere Position ein. In erfolgreiche Fortsetzung der Bildungs- und Berufs - der Deutschschweiz beträgt der Durchschnitt der laufbahn. leseschwachen Schülerinnen und Schüler 16 Prozent. Schülerinnen und Schüler, die das Kompetenzni - Der Anteil variiert zwischen 10 Prozent im Kanton veau 2 in den Naturwissenschaften nicht erreichen, Schaffhausen und 21 Prozent im Kanton Zürich. verfügen zwar über beschränktes naturwissenschaft - Mit 12 Prozent entspricht der Anteil Schülerinnen liches Wissen, das sie auf wenige vertraute Situatio - und Schüler, die aufgrund der Mathematikleistungen nen anwenden können. Ihre Fähigkeiten reichen aber der Risikogruppe angehören, im Kanton Aargau wie - nicht aus, eine Ausbildungs- und Berufslaufbahn ein - der exakt dem Schweizer beziehungsweise Deutsch - zuschlagen, die ein naturwissenschaftliches Verständ - schweizer Anteil. Der Anteil variiert in der Deutsch - nis verlangt. Auch im Alltag wird es ihnen kaum mög - schweiz zwischen 7 Prozent (deutschsprachiger Teil lich sein, einfache technische oder naturwissenschaft - des Kantons Wallis sowie Kantone Appenzell Ausser - liche Probleme zu verstehen. Für die Naturwissen - rhoden und Schaffhausen) und 19 Prozent im Kan - schaften wird der Begriff der Risikogruppe nicht ver - ton Zürich. wendet, weil die berufliche und gesellschaftliche Inte - Eher gering ist im Kanton Aargau der Anteil Schü - gration weniger stringent auf naturwissenschaftliche lerinnen und Schüler, die in den Naturwissenschaf - Leistungen zurückgeführt werden kann. ten Niveau 2 nicht erreichen: Er liegt bei 10 Prozent Abbildung 2.4 zeigt, wie sich die Schülerinnen und und ist somit um 3 Prozent kleiner als in der Schweiz Schüler auf die Kompetenzniveaus verteilen. Die Pro - beziehungsweise in der Deutschschweiz. Innerhalb zentanteile leistungsschwacher Schülerinnen und Schü - der Deutschschweiz variiert dieser Anteil zwischen 7 ler variieren je nach Kompetenzbereich. Im Kanton Prozent im Kanton Schaffhausen und 21 Prozent im Aargau gehören aufgrund der Leseleistungen 15 Pro - Kanton Zürich. zent und aufgrund der mathematischen Leistungen 12 Die Anteile lesestarker Schülerinnen und Schüler Prozent zur Risikogruppe. In den Naturwissenschaften liegen in allen Kantonen vergleichsweise nahe bei - erreichen 10 Prozent das Kompetenzniveau 2 nicht. einander. Im Kanton Aargau zählen 8 Prozent zu den

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 13 Abbildung 2.4: Anteil Schülerinnen und Schüler nach Kompetenzniveau

SH 10% 82% 9% VS (d) 11% 84% 5% AR 13% 79% 7% AG 15% 78% 8% n

e SG 15% 77% 9% s

e 15% 78% 7% L CH BE (d) 15% 77% 8% CH (d) 16% 77% 8% FL 19% 74% 7% ZH 21% 71% 8%

VS (d) 7% 68% 25% AR 7% 60% 33% SH 7% 62% 31% k i t SG 10% 58% 32% a

m BE (d) 11% 64% 25% e h

t AG 12% 63% 25% a 12% 64% 24%

M CH CH (d) 12% 62% 26% FL 15% 62% 23% ZH 19% 58% 23%

SH 7% 76% 17%

n AR 8% 79% 13% e t

f AG 10% 76% 14% a

h 10% 83% 7%

c VS (d) s

n SG 11% 74% 15% e s

s BE (d) 11% 77% 12% i

w FL 12% 78% 10% r u

t CH (d) 13% 75% 12% a

N CH 13% 76% 10% ZH 21% 68% 10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Risiko (Niveau <2) mittel (Niveau 2/3/4) sehr hoch (Niveau 5/6)

lesestarken Schülerinnen und Schülern, was dem folglich nicht zwingend mit einem geringen Anteil Schweizer beziehungsweise Deutschschweizer Anteil lesestarker Schülerinnen und Schüler einher. entspricht. Innerhalb der Deutschschweiz variiert die - Betrachtet man die Anteile leistungsschwacher ser Anteil zwischen 9 Prozent in den Kantonen und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler in der Schaffhausen und St.Gallen und 5 Prozent im Kan - Mathematik und in den Naturwissenschaften, dann ton Wallis (deutschsprachiger Teil). zeigt sich allerdings der Tendenz nach folgender Zwischen den Anteilen an leseschwachen und lese - Zusammenhang: Je grösser der Anteil leistungs - starken Schülerinnen und Schülern lässt sich kein sys - schwacher Schülerinnen und Schüler, desto kleiner ist tematischer Zusammenhang feststellen. Ein Grund der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler. dafür ist vermutlich, dass sich die kantonal unterschied - Im Kanton Aargau entsprechen die Anteile leistungs - liche Bevölkerungszusammensetzung vor allem auf schwacher und leistungsstarker Schülerinnen und den Anteil leseschwacher Schülerinnen und Schüler Schüler in der Mathematik mit 12 und 25 Prozent auswirkt. Im Kanton Zürich, in dem der Anteil lese - etwa den Anteilen in der Deutschschweiz. Mit 10 schwacher Schülerinnen und Schüler am höchsten ist, Prozent ist im Kanton Aargau der Anteil leistungs - zählen 8 Prozent zu den lesestarken Schülerinnen und schwacher Schülerinnen und Schüler in den Natur - Schülern. Dieser Anteil entspricht dem Deutschschwei - wissenschaften vergleichsweise klein, der Anteil leis - zer Anteil und ist nur in den Kantonen Schaffhausen tungsstarker Schülerinnen und Schüler mit 14 Pro - und St.Gallen mit je 9 Prozent leicht höher. Ein hoher zent vergleichsweise gross. Anteil leseschwacher Schülerinnen und Schüler geht

14 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Leseleistungen nach Kompetenzaspekten den rot, bedeutende relative Stärken (Abweichung von mehr als +10 Punkten) blau eingefärbt. Weil die Lesekompetenzen den thematischen Schwer - Bei den Schülerinnen und Schülern der Deutsch - punkt von PISA 2009 bilden, können die Ergebnisse schweiz ist einzig beim Kompetenzaspekt Suchen einerseits auf einer globalen Skala zu den Lesekom - und Extrahieren eine bedeutsame relative Stärke petenzen und andererseits einzeln für folgende drei feststellbar. Im Vergleich zum globalen Mittelwert Kompetenzaspekte des Lesens dargestellt werden: der Leseleistungen erzielen die Schülerinnen und • Suchen und Extrahieren – Der Kompetenzaspekt Schüler beim Kompetenzaspekt Suchen und Extra - zeigt, wie gut die Schülerinnen und Schüler einzel - hieren ein um 11 Punkte besseres Ergebnis. Ein ähn - ne oder mehrere Informationen mit gleichlauten - liches Bild zeigt sich für den Kanton Aargau. Im Kom - den oder synonymen Informationen im Text zu- petenzaspekt Suchen und Extrahieren werden die sammenführen. besten Ergebnisse erreicht (+9 Punkte), was auf eine • Kombinieren und Interpretieren – Der Kompetenz - leichte, relative Stärke hinweist. Nennenswerte rela - aspekt zeigt, wie gut die Schülerinnen und Schü - tive Schwächen sind keine feststellbar. ler ein allgemeines Verständnis des Textes als Gan - zes entwickeln und Beziehungen zwischen einzel - Leseleistungen nach Textformaten nen Textteilen verstehen. • Reflektieren und Bewerten – Der Kompetenz - Eine weitere Differenzierung der Lesekompetenzen aspekt zeigt, wie gut die Schülerinnen und Schü - lässt sich aufgrund der vorgelegten Texte anbringen. ler den Text zu eigenen Erfahrungen, Kenntnissen Zur Erfassung der Lesekompetenzen werden ver - und Ideen in Beziehung setzen. Dazu müssen die schiedene Arten von Texten eingesetzt. Diese Texte im Text enthaltenen Informationen mit Kenntnis - werden aufgrund ihres Aufbaus entweder als konti - sen aus anderen Quellen verknüpft oder mit eige - nuierlich oder als nichtkontinuierlich bezeichnet. nem Weltwissen verglichen werden. Dementsprechend werden die Leseleistungen auch Tabelle 2.1 zeigt, wie stark die Ergebnisse in den drei nach den Textformaten dargestellt. Kompetenzaspekten vom globalen Mittelwert der • Kontinuierliche Textformate umfassen längere Leseleistung abweichen. Bedeutende relative Schwä - und fortlaufend geschriebene Texte wie Beschrei - chen (Abweichung von mehr als –10 Punkten) wur - bungen, Erzählungen und literarische Texte.

Tabelle 2.1: Abweichungen der Ergebnisse in den drei Kompetenzaspekten des Lesens vom globalen Mittelwert der Leseleistung

Leseleistung Suchen und Kombinieren und Reflektieren und Extrahieren Interpretieren Bewerten

Globaler Mittelwert Abweichungen in Punkten CH 502 +7 +1 –4 CH (d) 502 +11 +1 –5

SH 522 +14 1–6 AR 508 +14 1–8 AG 505 +9 –2 –1 SG 505 +11 –1 –5 VS (d) 504 +10 0–3 BE (d) 502 +10 +1 –6 FL 496 +2 +1 –6 ZH 492 +8 +1 –7

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 15 Tabelle 2.2: Abweichungen der Ergebnisse zu den zwei Textformaten kontinuierliche und nichtkonti - nuierliche Texte vom globalen Mittelwert der Leseleistung

Leseleistung Kontinuierliche Nichtkontinuierliche Texte Texte

Globaler Mittelwert Abweichungen in Punkten CH 502 –3 +4 CH (d) 502 –3 +5

SH 522 –4 +7 AR 508 –3 +8 AG 505 –2 +3 SG 505 –6 +10 VS (d) 504 –1 +1 BE (d) 502 –3 +2 FL 496 –7 +12 ZH 492 –3 +4

• Nichtkontinuierliche Textformate umfassen Text - matik etwas grösser als im Lesen. Die naturwissen - ausschnitte, die nicht fortlaufend geschrieben sind schaftlichen Leistungen variieren in der Deutsch - und häufig einen Bezug zu grafischen Darstellun - schweiz zwischen 546 Punkten im Kanton Schaff - gen wie Diagrammen, Tabellen oder Karten haben. hausen und 501 Punkten im Kanton Zürich. Mit 45 Tabelle 2.2 zeigt, wie stark die Ergebnisse vom glo - Punkten sind die Leistungsdifferenzen in den Natur - balen Mittelwert der Leseleistung abweichen, je wissenschaften noch grösser als in der Mathematik. nachdem, ob für die Berechnung ausschliesslich Die maximalen Unterschiede zwischen den durch - Leseaufgaben zu kontinuierlichen oder ausschliess - schnittlichen Leistungen der Kantone variieren je nach lich Leseaufgaben zu nichtkontinuierlichen Texten Kompetenzbereich zwischen 30 und 45 Punkten. Sie verwendet werden. Bedeutende relative Schwächen sind als klein bis mittelgross zu beurteilen. Werden die (Abweichung von mehr als –10 Punkten) wurden Kantone allerdings aufgrund des Anteils Schülerinnen rot, bedeutende relative Stärken (Abweichung von und Schüler verglichen, die nicht mindestens Kompe - mehr als +10 Punkten) blau eingefärbt. Die geringen tenzniveau 2 erreichen, dann sind die Unterschiede Abweichungen von nur wenigen Punkten lassen auf zum Teil als gross zu beurteilen. Ob in einem Kanton keine relativen Schwächen oder Stärken in Bezug 21 Prozent oder 10 Prozent der Schülerinnen und auf das eingesetzte Textformat schliessen. Schüler nur über rudimentäre Lesekompetenzen ver - fügen, ob 19 oder 7 Prozent aufgrund der Mathema - Beurteilung der kantonalen Unterschiede tikleistungen der sogenannten Risikogruppe angehö - ren und ob 21 Prozent oder 7 Prozent in den Natur - Innerhalb der Deutschschweizer Kantone reichen die wissenschaften Kompetenzniveau 2 nicht erreichen, Leseleistungen von 522 Punkten im Kanton Schaff - ist für ein Schulsystem hoch bedeutsam. hausen bis zu 492 Punkten im Kanton Zürich. Der Die Leistungsunterschiede zwischen den Kanto - Unterschied von 30 Punkten zwischen den Kantonen nen können allerdings – wie in Kapitel 3 dargestellt – mit dem höchsten und dem tiefsten Mittelwert ist zu einem Teil auf die kantonal unterschiedliche sozia - bedeutsam. Die Mathematikleistungen variieren in le und kulturelle Zusammensetzung der Schülerschaft der Deutschschweiz zwischen 560 Punkten im Kan - zurückgeführt werden. Es wäre deshalb verfehlt, die ton Appenzell Ausserrhoden und 523 Punkten im Leistungsunterschiede zwischen den Kantonen unab - Kanton Zürich. Mit 37 Punkten sind die Leistungs - hängig von Kontextmerkmalen zu beurteilen. unterschiede zwischen den Kantonen in der Mathe -

16 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 3 Sozialer und kultureller Kontext

Ein grosser Teil der Leistungsunterschiede am Ende nomisch benachteiligten Familien. Herkunftseffekte der obligatorischen Schulbildung lässt sich durch können sich also kumulieren. individuelle Merkmale der Schülerinnen und Schü - Damit die Effekte von Herkunftsmerkmalen unge - ler, insbesondere durch die soziale Herkunft, den achtet ihres kumulativen Auftretens quantifiziert Migrationshintergrund und die Kenntnis der Schul - werden können, müssen sie gemeinsam überprüft sprache erklären. Die soziale und kulturelle Hetero - werden. Bei einer isolierten Überprüfung der Her - genität gehört deshalb zu den wichtigsten kontex - kunftseffekte würden diese – aufgrund ihres engen tuellen Informationen für eine angemessene Beur - Zusammenhangs – grösser eingeschätzt als sie tat - teilung der kantonalen Ergebnisse. Wie stark sind die sächlich sind. Für die gemeinsame Überprüfung der Herkunftseffekte im Kanton Aargau und welche Effekte wurde eine multivariate Regressionsanalyse Bedeutung hat die soziale und kulturelle Zusam - durchgeführt (Info 6). mensetzung der Schülerschaft für die Ergebnisse des Die Ergebnisse der gemeinsamen Überprüfung Kantons Aargau? von Herkunftseffekten sind in Abbildung 3.1 für die Kantone der Deutschschweiz zusammengefasst. In Leseleistungen nach Herkunftsmerkmalen der Abbildung sind die Effekte in Form vom Balken dargestellt. Die Balken zeigen, wie sich die Leseleis - Der enge Zusammenhang zwischen Herkunftsmerk - tungen zwischen verschiedenen Gruppen – beispiels - malen und Schulleistungen zeigt, dass die Ergebnis - weise zwischen Knaben und Mädchen oder zwischen se zu den fachlichen Leistungen in Kapitel 2 längst Schülerinnen mit und ohne Migrationshintergrund – nicht nur auf Merkmale kantonaler Bildungssysteme unterscheiden. Weil der Einfluss der Merkmale oder auf die Qualität von Schule und Unterricht gemeinsam überprüft wird, illustrieren die Balken zurückgeführt werden können. jeweils isolierte Herkunftseffekte. Das bedeutet, es Wenn beispielsweise Schülerinnen und Schüler handelt sich um Effekte eines Merkmals, wenn alle mit Migrationshintergrund im Durchschnitt deutlich anderen Merkmale konstant gehalten beziehungs - schlechtere Leseleistungen erreichen als solche ohne weise statistisch kontrolliert werden. Migrationshintergrund, dann ist es naheliegend, dass Der erste Balken zeigt den Leistungsunterschied sich der Anteil Schülerinnen und Schüler mit Migra - zwischen Knaben und Mädchen. Der zweite Balken tionshintergrund in einem Kanton in den fachlichen zeigt die Leistungsunterschiede zwischen den sozial Leistungen niederschlägt. Die Ausgangsbedingun - benachteiligten Schülerinnen und Schülern und jenen gen für die durchschnittlichen Leseleistungen unter - mit mittlerer sozialer Herkunft. Der dritte Balken zeigt scheiden sich deshalb von Kanton zu Kanton. die Leistungsunterschiede zwischen den sozial privi - Es sind vor allem die drei Herkunftsmerkmale legierten Schülerinnen und Schülern und jenen mit Migrationshintergrund, Kenntnis der Schulsprache mittlerer sozialer Herkunft. Der vierte Balken zeigt die und soziale Herkunft, deren Bedeutung für die schu - Differenz zwischen deutschsprachigen und fremd - lischen Leistungen regelmässig empirisch nachge - sprachigen Schülerinnen und Schülern. Der fünfte wiesen wird. Diese Merkmale hängen zum Teil mit - Balken zeigt den Leistungsunterschied zwischen einander zusammen. Schülerinnen und Schüler mit Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrations - Migrationshintergrund verfügen beispielsweise oft hintergrund. über ungenügende Kenntnisse der Schulsprache und Geschlecht – Die Knaben erreichen im Durch - sie stammen überproportional häufig aus sozioöko - schnitt statistisch signifikant tiefere Leseleistungen

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 17 Abbildung 3.1: Differenzen in den Leseleistungen nach Herkunftsmerkmalen

CH (d) 33 34 41 34 14

SH 27 8 n.s. 38 41 13 n.s.

AR 38 11 n.s. 33 28 n.s. 35

AG 36 262 6 31 13 n.s. 58 45

SG 33 46 37 34 11 n.s.

VS (d) 32 13 46 32 13 n.s.

BE (d) 42 43 36 34 8 n.s.

FL 39 16 n.s. 32 64 12 n.s.

ZH 43 33 54 43 11 n.s.

Abweichung in Punkten im Vergleich zur jeweiligen Referenzgruppe

Geschlecht: Knaben Soziale Herkunft: benachteiligt Soziale Herkunft: privilegiert Kenntnis der Schulsprache: fremdsprachig Migrationshintergrund: mit Migrationshintergrund n.s. nicht statistisch signifikant

Anmerkung: Die Balken in der Abbildung zeigen, wie gross die Bedeutung eines individuellen Merkmals ist, wenn alle anderen Merkmale konstant gehalten werden.

18 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau INFO 5: Index der sozialen Herkunft, Migra - als die Mädchen. In der Deutschschweiz beträgt der tionshintergrund, Kenntnis der Schulsprache Rückstand der Knaben gegenüber den Mädchen 33 Soziale Herkunft – Aufgrund der Angaben der Punkte. Der Rückstand der Knaben variiert zwischen Schülerinnen und Schüler im Fragebogen wurde 27 Punkten im Kanton Schaffhausen und 43 Punk - im Rahmen von PISA ein Index des wirtschaft - ten im Kanton Zürich. Im Kanton Aargau beträgt er lichen, sozialen und kulturellen Status (ESCS) 36 Punkte. Die Differenzen zwischen Knaben und gebildet, im Folgenden kurz Index der sozialen Mädchen sind im Kanton Aargau als klein bis mittel - Herkunft genannt. Der Index setzt sich aus der gross zu beurteilen. höchsten beruflichen Stellung der Eltern, dem Soziale Herkunft – Die soziale Herkunft korreliert höchsten Bildungsabschluss der Eltern und den positiv mit den Leseleistungen. Je höher die soziale im Elternhaus vorhandenen Besitztümern zu- Herkunft ist, desto höher sind auch die Leseleistun - sammen. Er weist einen Mittelwert von 0 und gen. In der Deutschschweiz erreichen die sozial eine Standardabweichung von 1 auf. Somit ha- benachteiligten Schülerinnen und Schüler um 34 ben in der Schweiz rund zwei Drittel der Schü - Punkte schlechtere, die sozial privilegierten Schüle - lerinnen und Schüler einen Indexwert, der zwi - rinnen und Schüler um 41 Punkte bessere Leseleis - schen –1 und +1 liegt, rund 95 Prozent haben tungen als jene mit mittlerer sozialer Herkunft. Zwi - einen Indexwert, der zwischen –2 und +2 liegt. schen den sozial benachteiligten und den sozial pri - Für einige Analysen wurden die Schülerinnen vilegierten Schülerinnen und Schülern beträgt der und Schüler aufgrund der gesamtschweizeri - Leistungsunterschied 75 Punkte – mehr als ein Kom - schen Verteilung des Indexes in drei Gruppen petenzniveau. Dieser Unterschied ist als gross zu eingeteilt: (1) benachteiligte soziale Herkunft beurteilen. (2) mittlere soziale Herkunft und (3) privilegier - Wie Abbildung 3.1 zeigt, ist die soziale Herkunft te soziale Herkunft . Die erste Gruppe umfasst nicht in allen Kantonen von gleicher Bedeutung für die Schülerinnen und Schüler mit den 25 Prozent die Leseleistungen. Zwar erzielen die sozial privile - tiefsten Indexpunkten, die mittlere Gruppe jene gierten Schülerinnen und Schüler in allen Kantonen 50 Prozent mit mittleren Indexpunkten und die deutlich bessere Leseleistungen als die sozial benach - dritte Gruppe jene mit den 25 Prozent höchsten teiligten. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Indexpunkten der sozialen Herkunft. Gruppen variieren aber zwischen 87 Punkten im Migrationshintergrund – Für die Bestim - Kanton Zürich und 44 Punkten im Kanton Appenzell mung des Migrationshintergrunds nutzt PISA Ausserrhoden. den Geburtsort. Zu den Schülerinnen und Im Kanton Aargau ist der Zusammenhang zwi - Schülern mit Migrationshintergrund gehören schen der sozialen Herkunft und den Leseleistungen jene Schülerinnen und Schüler, die wie ihre leicht schwächer ausgeprägt als in der Deutsch - Eltern im Ausland geboren sind (erste Genera - schweiz. Die sozial benachteiligten Schülerinnen tion Ausländer) sowie Schülerinnen und Schü - und Schüler erreichen um 26 Punkte schlechtere, ler, die in der Schweiz geboren sind, deren die sozial privilegierten Schülerinnen und Schüler Elternteile jedoch im Ausland geboren sind (zweite Generation Ausländer). Alle anderen um 31 Punkte bessere Leseleistungen als jene mit Schülerinnen und Schüler werden als einheimi - mittlerer sozialer Herkunft. Der Leistungsunter - sche Schülerinnen und Schüler bezeichnet. schied zwischen den sozial benachteiligten und den Kenntnis der Schulsprache – Als Indikator sozial privilegierten Schülerinnen und Schülern für die Kenntnis der Schulsprache wurde die zu beträgt im Kanton Aargau 57 Punkte und ist mit - Hause gesprochene Sprache erfasst. Schülerin - telgross. nen und Schüler, die sich zu Hause vorwiegend Kenntnis der Schulsprache – In der Deutsch - in der Schulsprache unterhalten, werden als schweiz beträgt der Rückstand der fremdsprachigen deutschsprachig bezeichnet, Schülerinnen und gegenüber den deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler, die sich zu Hause vorwiegend in einer Schülern in den Leseleistungen 34 Punkte. Im Kan - anderen Sprache als der Schulsprache unterhal - ton Aargau beträgt dieser Unterschied 13 Punkte ten, werden als fremdsprachig bezeichnet. und ist statistisch nicht signifikant.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 19 INFO 6: Multivariate Regression kumulieren sich die Effekte für bestimmte Gruppen Mit der Regressionsanalyse wird der Einfluss von Schülerinnen und Schülern. Im Kanton Aargau einer oder mehrerer unabhängiger Variablen beispielsweise beträgt der Leistungsunterschied zwi - auf eine abhängige Variable untersucht. Bei - schen einer deutschsprachigen Schülerin mit privile - spielsweise wird der Einfluss verschiedener gierter sozialer Herkunft ohne Migrationshintergrund Her kunftsmerkmale auf die Leseleistungen un- und einem fremdsprachigen Schüler mit benachtei - tersucht. Dabei wird berechnet, wie zwei Varia - ligter sozialer Herkunft mit Migrationshintergrund blen miteinander zusammenhängen be zie- 116 Punkte. Diese Differenz ist zwar sehr gross, aber hungs weise korrelieren. deutlich geringer als im Kanton Zürich, wo sie 141 Bei der Betrachtung eines Zusammenhangs Punkte beträgt. zwischen zwei Variablen kann es vorkommen, dass der beobachtete Zusammenhang ledig - Leseleistungen nach Berücksichtigung lich durch den Einfluss einer unberücksichtig - des Migrationshintergrunds und der ten dritten Variable zustande kommt (soge - Kenntnis der Schulsprache nannte Scheinkorrelation). Ein Beispiel für eine Scheinkorrelation ist der Zusammenhang zwi - Die Zusammenhänge zwischen den Herkunftsmerk - schen dem Migrationshintergrund und den malen und den Leseleistungen machen deutlich, dass Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler. eine angemessene Beurteilung der PISA-Ergebnisse Der Zusammenhang zwischen diesen beiden nur unter Einbezug von leistungsrelevanten Kontext - Variablen fällt zum grössten Teil weg, wenn merkmalen erfolgen kann. Der Anteil Schülerinnen der Einfluss der dritten bedeutsamen Variable und Schüler mit Migrationshintergrund und der – der Kenntnis der Schulsprache – in einer mul - Anteil Schülerinnen und Schüler, die die Schulspra - tivariaten Regression berücksichtigt wird. Mit che nur ungenügend beherrschen, variiert beispiels - 8 der multivariaten Regression wird der gleich - weise zwischen den Kantonen deutlich . zeitige Einfluss mehrerer Variablen überprüft. Abbildung 3.2 zeigt, dass der Anteil Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in den Kan - tonen Wallis (deutschsprachiger Teil) und Appenzell Migrationshintergrund – Der Leistungsunter - Ausserrhoden unter 15 Prozent liegt; im Kanton schied im Lesen zwischen den Schülerinnen und Zürich und im Fürstentum Liechtenstein ist er dop - Schülern mit Migrationshintergrund und solchen pelt so gross und beträgt rund 30 Prozent. Im Kan - ohne Migrationshintergrund ist in der Deutsch - ton Aargau liegt dieser Anteil bei 21 Prozent. Der schweiz mit 14 Punkten zwar statistisch signifikant, Anteil fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler aber unbedeutend. Im Kanton Aargau hingegen beträgt im Kanton Appenzell Ausserrhoden 9 Pro - wirkt sich der Migrationshintergrund stark auf die zent, im Kanton Aargau 14 Prozent und im Kanton Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler aus. Zürich 22 Prozent. Unabhängig von der zu Hause gesprochenen Spra - Nun hat sich die Zuwanderung in die Schweiz in che erreichen die Schülerinnen und Schüler mit den letzten Jahren verändert. Während die Her - Migrationshintergrund im Kanton Aargau 45 Punk - kunftsländer seit den 1980er Jahren hauptsächlich te geringere Leseleistungen als die Schülerinnen und die Länder des ehemaligen Jugoslawiens, die Türkei Schüler ohne Migrationshintergrund. In der Deutsch - und Portugal waren, kommen seit 2000 zunehmend schweiz beträgt dieser Unterschied lediglich 14 auch Einwanderer aus Deutschland in die Schweiz. Punkte. In den meisten Deutschschweizer Kantonen Damit steigt der Anteil Migrantinnen und Migranten ist nicht der Migrationshintergrund, sondern die mit guter Ausbildung und guten Deutschkenntnis - Kenntnis der Schulsprache für die Leseleistungen von sen. Zwar wirkt sich dies nur langsam auf die durch - Bedeutung. schnittliche Qualifikation dieser Gruppe aus, weil der Kumulierte Effekte der Herkunft – Weil die Her - Anteil Niedrigqualifizierter mit geringer Bildung aus kunftsmerkmale zum Teil eng zusammenhängen, früheren Jahren noch dominiert 9. Für eine adäquate

8 Aufgrund unterschiedlicher Definitionen weichen die von PISA berechneten Anteile an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinter - grund beziehungsweise an fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern von den Angaben der Bildungsstatistik ab. 9 Haug, W. & Müller-Jentsch, D. (2008). Die neue Zuwanderung in Zahlen. In D. Müller Jentsch (Hrsg.). Die neue Zuwanderung (S. 25). Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung

20 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 3.2: Anteil Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und Anteil fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler

35%

30%

25%

20%

15%

10%

5%

0%

CH CH (d) ZH SH SG BE (d)AG VS (d) FL AR

Anteil fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler Anteil Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund

Berücksichtigung der kantonal unterschiedlichen Leistungen der einheimischen, deutschsprachigen Bevölkerungszusammensetzung ist es aber angemes - Schülerinnen und Schüler verglichen werden. Um zu sen, den Einfluss des Migrationshintergrunds und beurteilen, wie stark sich der Anteil Schülerinnen und der Kenntnis der Schulsprache auf die Leistungen zu Schüler mit Migrationshintergrund auf die kantona - berücksichtigen beziehungsweise statistisch zu kon - len Ergebnisse auswirkt, wurden die kantonalen Mit - trollieren. Dies gelingt am einfachsten, wenn nur die telwerte erneut berechnet, aber nur aufgrund der

Abbildung 3.3: Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund, die sich zu Hause in der Schulsprache unterhalten

Kanton Mittelwert CH 519

CH (d) 519

SH 539

AG 525

SG 523

ZH 520

AR 519

FL 515

BE (d) 514

VS (d) 514

300 350 400 450 500 550 600 650 700 Leseleistung

5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil

Mittelwert +/- 2 SE

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 21 einheimischen Schülerinnen und Schüler, die sich zu ren Mittelwert als der Kanton Aargau. Abgesehen Hause in der Schulsprache unterhalten. vom Kanton Schaffhausen variieren die Kantonsmit - Abbildung 3.3 zeigt die Leseleistungen des Kan - telwerte innerhalb von 11 Punkten und unterschei - tons Aargau im Vergleich zu den Deutschschweizer den sich statistisch nicht signifikant. Die Berücksich - Kantonen mit repräsentativer Stichprobe. Die linke tigung von Kontextmerkmalen bringt folglich die Spalte enthält die Abkürzung des Kantons sowie Unterschiede in den durchschnittlichen Leseleistun - den entsprechenden Mittelwert auf der PISA-Skala. gen nahezu zum Verschwinden. In der Grafik rechts davon ist in Form eines Balkens Auch die Spannweite zwischen den Leseleistun - die Spannweite der Leistungen dargestellt. Die gen der besten und der schlechtesten Schülerinnen Gesamtlänge des Balkens gibt den Bereich an, in dem und Schüler innerhalb der Kantone ist kleiner gewor - die mittleren 90 Prozent der Schülerleistungen eines den. Allerdings gibt es beim Anteil der Schülerinnen Kantons liegen. Sie ist eine Mass für die Spannweite und Schüler, die Kompetenzniveau 2 nicht erreichen zwischen den besten und den schlechtesten Schüle - (Risikogruppe), immer noch bedeutsame kantonale rinnen und Schülern. Der hellblaue Balken umfasst die Unterschiede. Im Lesen variiert dieser Anteil zwi - 50 Prozent mittleren Schülerleistungen. Der kleine schen 5 Prozent im Kanton Schaffhausen und 13 schwarze Balken stellt jenen Bereich dar, in dem der Prozent im Fürstentum Liechtenstein (vgl. Tabelle wahre Mittelwert mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 3.1). Im Kanton Aargau beträgt er 8 Prozent. Prozent liegt. Je kleiner der schwarze Balken ist, desto Werden auch die kantonalen Mittelwerte in der zuverlässiger ist die Schätzung des Mittelwerts. Mathematik und in den Naturwissenschaften nur Die Mittelwerte sind höher und liegen näher bei - aufgrund der einheimischen, deutschsprachigen einander, wenn sie nur aufgrund der Leseleistungen Schülerinnen und Schüler berechnet, dann tritt der - der Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshinter - selbe ausgleichende Effekt auf die kantonalen Mit - grund, die sich zu Hause in der Schulsprache unter - telwerte ein, jedoch weniger deutlich. halten, und nicht aufgrund aller Schülerinnen und Der Mittelwert des Kantons Zürich steigt in der Schüler berechnet werden. Mathematik wiederum am stärksten an (30 Punkte), Mit 28 Punkten ist der Mittelwert des Kantons jener des deutschsprachigen Teils des Kantons Wal - Zürich am stärksten angestiegen und liegt nun bei 520 lis am schwächsten (10 Punkte). Der Mittelwert des Punkten. Am schwächsten sind mit je 11 Punkten die Kantons Aargau steigt um 24 Punkte an und liegt bei Mittelwerte der Kantone Appenzell Ausserrhoden (519 562 Punkten. Der Mittelwert des Kantons Schaffhau - Punkte) und Wallis (deutschsprachiger Teil, 515 Punk - sen (579 Punkte) liegt statistisch signifikant höher als te) angestiegen. Der Mittelwert des Kantons Aargau jener des Kantons Aargau. Die Mittelwerte der Kan - steigt um 20 Punkte an und liegt bei 525 Punkten. tone St.Gallen (577 Punkte), Appenzell Ausserrho - Der Kanton Schaffhausen liegt immer noch an der den (574 Punkte), der deutschsprachigen Teile der Spitze und erreicht einen statistisch signifikant höhe - Kantone Wallis (560 Punkte) und Bern (555 Punkte)

Tabelle 3.1: Anteile an leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern bei den einheimischen, deutschsprachigen Schülerinnen und Schülern

Lesen Mathematik Naturwissenschaften SH 5% 3% 3% VS(d) 8% 5% 6% AG 8% 5% 4% SG 9% 4% 4% AR 10% 4% 5% BE(d) 10% 6% 7% ZH 12% 10% 10% FL 13% 8% 5%

22 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 3.4: Varianz (Streuung) der sozialen Herkunft und der Leseleistungen nach Kantonen

CH (d) 100% 100% ZH 111% 117% FL 106% 106% SG 91% 102% AG 93% 101% BE (d) 96% 97% AR 83% 87% SH 89% 80% VS (d) 78% 73%

0% 20% 40% 60% 80% 100% 120%

Varianz der sozialen Herkunft Varianz der Leseleistung sowie des Kantons Zürich (553 Punkte) und des Fürs - Heterogenität der Schülerschaft tentums Liechtenstein (548 Punkte) unterscheiden sich statistisch nicht signifikant vom Mittelwert des Die bisherigen Darstellungen zum Kontext zeigen, Kantons Aargau. dass die kantonalen Schulsysteme aufgrund der kul - Wiederum bedeutsame kantonale Unterschiede turellen und sozialen Vielfalt ihrer Schülerschaft vor zeigen sich beim Anteil Schülerinnen und Schüler, unterschiedlichen Aufgaben stehen. Die Heterogeni - die in der Mathematik Kompetenzniveau 2 nicht tät ist in der Schweiz vor allem in städtischen Zen - erreichen. Dieser Anteil variiert zwischen 3 Prozent tren und in Agglomerationen gross. Die Schulen des im Kanton Schaffhausen und 10 Prozent im Kanton Kantons Zürich sind durch den Anteil fremdsprachi - Zürich (vgl. Tabelle 3.1). ger Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter - Auch in den Naturwissenschaften steigt der Mit - grund besonders gefordert, jene der ländlichen Kan - telwert des Kantons Zürich mit 34 Punkten auf 535 tone Appenzell Ausserrhoden und Wallis (deutsch - Punkte am stärksten an, jener der Kantone Appen - sprachiger Teil) sind davon weniger betroffen. zell Ausserrhoden und Wallis mit 11 Punkten am Neben dem Anteil fremdsprachiger Schülerinnen schwächsten. Der Mittelwert des Kantons Aargau und Schüler lassen sich zwei weitere Indikatoren der steigt um 25 Punkte an und liegt bei 560 Punkten. Heterogenität kantonal vergleichen. Es handelt sich Die Mittelwerte der Kantone Schaffhausen (569 zum einen um die Varianz des Indexes der sozialen Punkte) und Aargau (560 Punkte) unterscheiden sich Herkunft und – damit zusammenhängend – um die statistisch nicht signifikant. Statistisch signifikant tie - Varianz der Leistungsunterschiede im Lesen. Die fere Mittelwerte als der Kanton Aargau erreichen die Varianz ist ein Mass, das aufzeigt, wie eng oder wie Kantone Appenzell Ausserrhoden (544 Punkte), der weit die einzelnen Merkmale wie die Indexpunkte deutschsprachige Teil des Kantons Bern (541 Punk - der sozialen Herkunft oder die Leseleistungen um te), der Kanton Zürich (535 Punkte), der deutsch - den Mittelwert streuen. Eine grosse Varianz der Leis - sprachige Teil des Kantons Wallis (529 Punkte) und tungen bedeutet, dass die Leistungsunterschiede das Fürstentum Liechtenstein (544 Punkte). zwischen den Schülerinnen und Schülern gross sind. Zum Teil sehr grosse kantonale Unterschiede zei - Die Schülerschaft ist gemessen an den Leistungen gen sich beim Anteil Schülerinnen und Schüler, die eher heterogen. Eine kleine Varianz der sozialen Her - in den Naturwissenschaften Kompetenzniveau 2 kunft bedeutet, dass die Unterschiede des Indexes nicht erreichen (vgl. Tabelle 3.1). Dieser Anteil vari - der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler iert zwischen 3 Prozent im Kanton Schaffhausen und klein sind. Die Schülerschaft ist gemessen an der 10 Prozent im Kanton Zürich. sozialen Herkunft eher homogen.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 23 Abbildung 3.4 zeigt die Varianz des Indexes der sozialen Herkunft und der Leseleistungen in den ein - zelnen Kantonen im Vergleich zur Varianz in der Deutschschweiz. Die Varianzen in den Kantonen sind als Prozentsätze der Varianz in der Deutschschweiz angegeben. Werte über 100% bedeuten, dass die Varianz des Indexes der sozialen Herkunft bezie - hungsweise der Leseleistungen im betreffenden Kan - ton grösser ist als in der Deutschschweiz. Umgekehrt bedeuten Werte unter 100% eine geringere Varianz des Indexes der sozialen Herkunft beziehungsweise der Leseleistungen als in der Deutschschweiz. Zwischen der Varianz der sozialen Herkunft und der Varianz der Leseleistungen besteht ein positiver Zusammenhang: Je grösser die Varianz der sozialen Herkunft ist, desto grösser sind auch die Leistungs - unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schü - lern. Die Unterschiede zwischen den Varianzen in den Kantonen sind zum Teil gross. Die Varianz der sozialen Herkunft und der Leseleistungen sind im Kanton Zürich deutlich grösser als beispielsweise im Kanton Schaffhausen, der die besten durchschnittli - chen Leseleistungen erreicht. Im Kanton Aargau ist die Varianz der sozialen Herkunft geringer als in der Deutschschweiz und deutlich geringer als im Kanton Zürich. Die Varianz der Leseleistungen ist etwa gleich gross wie in der Deutschschweiz. Der Vergleich der Varianz der sozialen Herkunft und der Varianz der Leseleistungen zeigt, dass die Heterogenität der Schülerschaft in den Kantonen unterschiedlich gross ist. Die kantonalen Schulsyste - me stehen aufgrund der kulturellen und sozialen Vielfalt und des damit verbundenen Leistungsspek - trums vor unterschiedlichen Herausforderungen. Dass die Leistungsunterschiede zwischen den Kan - tonen auch dann noch statistisch signifikant und bedeutsam sind, wenn die Leistungen der einheimi - schen Schülerinnen und Schüler verglichen werden, kann ebenfalls mit der Heterogenität erklärt werden. Die Schulen des Kantons Aargau sind beispielsweise durch die Heterogenität der Schülerschaft mehr gefordert als jene des Kantons Schaffhausen. Aller - dings gilt es auch zu beachten, dass die Varianz der Leistungen durch die Einteilung der Schülerinnen und Schüler in die Schultypen der Sekundarstufe I ebenso beeinflusst wird.

24 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 4 Schulstruktur und Leistung

Die Sekundarstufe I ist in der Deutschschweiz durch der Mittelwert im Lesen 574 Punkte, in der Sekun - die Zuteilung der Schülerinnen und Schüler zu darschule 488 Punkte und in der Realschule 402 Schultypen mit unterschiedlichen Leistungsansprü - Punkte. Die Leistungsunterschiede zwischen der chen geprägt. Wie sieht im Kanton Aargau die Leis - Bezirks- und der Sekundarschule und zwischen der tungsverteilung in den verschiedenen Schultypen Sekundar- und der Realschule betragen je 86 Punk - der Sekundarstufe I aus? Welche Leistungsüber - te – mehr als ein PISA-Kompetenzniveau im Lesen schneidungen zeigen sich zwischen der Bezirksschu - (73 Punkte). Ähnlich gross sind die Leistungsunter - le, der Sekundarschule und der Realschule? schiede zwischen den Schultypen in den Kompetenz - bereichen Mathematik und Naturwissenschaften. Fachliche Leistungen nach Schultyp Leseleistungen der Schulen nach Schultyp In der Schweiz werden die Schülerinnen und Schü - ler auf der Sekundarstufe I mehrheitlich in Schul- Die deutlichen Leistungsunterschiede zwischen den typen mit unterschiedlichen Leistungsansprüchen Schülerinnen und Schülern zeigen sich auch in der unterrichtet. Im Kanton Aargau wechseln die Schü - Darstellung der Leseleistungen der Schulen. Abbil - lerinnen und Schüler nach fünf Jahren Primarschule dung 4.1 zeigt die Schulen der Deutschschweiz in die Bezirksschule, die Sekundarschule oder die (weisse Punkte) und des Kantons Aargau (farbige Realschule. Punkte). Die Position einer Schule wird durch die Gemäss den Zahlen der PISA-Stichprobe besuch - durchschnittlichen Leseleistungen (Vertikale) und ten im Schuljahr 2009/10 41 Prozent der Schülerin - den durchschnittlichen Index zur sozialen Herkunft nen und Schüler die Bezirksschule, 38 Prozent die (Horizontale) bestimmt. Der Mittelwert des Indexes Sekundarschule und 21 Prozent die Realschule. einer Schule wird als Indikator der sozialen Zusam - Tabelle 4.1 zeigt für den Kanton Aargau die Leis - mensetzung der Schule genutzt. tungsmittelwerte in den drei Kompetenzbereichen Mit einer Ausnahme erreichen die Bezirksschulen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften nach Mittelwerte im Lesen, die zwischen 560 und 600 den verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe I. Punkten liegen. Die Mittelwerte der Sekundarschu - Erwartungsgemäss unterscheiden sich die durch - len liegen zwischen 450 und 520 Punkten, jene der schnittlichen Leistungen entsprechend dem An- Realschulen zwischen 340 und 450 Punkten. Auch spruchsniveau deutlich. In der Bezirksschule beträgt in der sozialen Zusammensetzung unterscheiden sich

Tabelle 4.1: Mittelwerte und Standardabweichungen der Leistungen in den drei Kompetenzbereichen nach den Schultypen der Sekundarstufe I im Kanton Aargau

Anteil Lesen Mathematik Naturwissen- Lesen, Mathematik, Schüler/innen schaften Naturwissenschaften Durchschnitt

M SD M SD M SD M SD Bezirksschule 40.9% 574 56 611 68 605 62 597 55 Sekundarschule 37.8% 488 63 519 68 516 65 508 58 Realschule 21.3% 402 70 430 73 433 76 422 67 Anmerkung: M = Mittelwert, SD = Standardabweichung

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 25 die Schulen je nach Schultyp deutlich. Die soziale zung tiefere Leseleistungen, als aufgrund des Zusam - Zusammensetzung in Form von Indexpunkten liegt menhangs zwischen der sozialen Zusammensetzung für die Realschulen zwischen –0,71 und –0,15 Punk - und den Leseleistungen der Schulen in der Deutsch - ten, für die Sekundarschulen zwischen –0,34 und schweiz zu erwarten ist. Bis auf je eine Schule liegen +0,22 Punkten und für die Bezirksschulen zwischen alle Realschulen unterhalb der Geraden und alle +0,13 und +0,76 Punkten. Bezirksschulen über der Geraden. Der Zusammen - Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen hang zwischen der sozialen Zusammensetzung der der sozialen Herkunft und den schulischen Leistun - Schule und der durchschnittlichen Leseleistung der gen verstärkt sich durch die Einteilung der Schülerin - Schule ist im Kanton Aargau enger als in der nen und Schüler in Schultypen die Segregation nach Deutschschweiz. bildungsrelevanten Merkmalen. Je anspruchsvoller Die Schulmittelwerte zeigen, dass sich die Leis - der Schultyp, desto privilegierter ist die soziale Zu - tungsunterschiede zu einem grossen Teil durch die sammensetzung der Schule. Und je privilegierter die soziale Zusammensetzung der Schule erklären lassen. soziale Zusammensetzung der Schule ist, desto höher Die soziale Herkunft sagt die Zugehörigkeit zu den sind die durchschnittlichen Leseleistungen der Schu - Schultypen der Sekundarstufe I relativ gut voraus. len. Dieser Zusammenhang wird durch die steile Die Einteilung in Schultypen führt dazu, dass sich Gerade illustriert, die aufgrund der Ergebnisse aller die leistungshomogenen Gruppen in ihrer sozialen, Schulen berechnet wurde. kulturellen und lernbiografischen Zusammensetzung Schulen, die über der Geraden liegen, erreichen im ähnlicher sind als die leistungsheterogenen Gruppen Vergleich zu einer Deutschschweizer Schule mit glei - auf der Primarstufe. Dadurch können in den Schul - cher sozialer Zusammensetzung bessere Leseleistun - typen Lern- und Entwicklungsmilieus entstehen, die gen, als aufgrund des Zusammenhangs zwischen der sich positiv oder negativ auf den Lernerfolg auswir - sozialen Zusammensetzung und den Leseleistungen ken. Aus der Bildungsforschung ist längst bekannt, der Schulen in der Deutschschweiz zu erwarten ist. dass die soziale Zusammensetzung einer Klasse mit Demgegenüber erreichen Schulen, die unter der dem individuellen Lernerfolg zusammenhängt. Die - Geraden liegen, im Vergleich zu einer Deutsch - ser Zusammenhang wird als Kompositions- oder schweizer Schule mit gleicher sozialer Zusammenset - Kontexteffekt bezeichnet und wurde auch anhand

Abbildung 4.1: Durchschnittliche Leseleistungen und soziale Zusammensetzung der Schulen im Kanton Aargau und in der Deutschschweiz

700

e t r 650 e w l e t t

i 600 m l u

h 550 c S

: n

e 500 s e L

m

i 450

n e g

n 400 u t s i e

L 350

300 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0

Index der sozialen Herkunft: Schulmittelwerte Bezirksschule Sekundarschule Realschule

26 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 4.2: Verteilung der Leseleistungen nach Schultyp im Kanton Aargau r e l ü h c S

d n u

n e n n i r e l ü h c S

l h a z n A

150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Realschule Sekundarschule Bezirkschule der PISA-Daten nachgewiesen 10 . Der Kompositions - Schultyp besuchen (vgl. Tabelle 4.1). Die Überschei - effekt erklärt also zum Teil, weshalb die Bezirksschu - dungen der Kurven zeigen die Leistungsbereiche, in len eher über der Geraden, die Realschulen eher denen die Leistungen von Schülerinnen und Schülern unter der Geraden liegen. unterschiedlicher Schultypen liegen. Diese Darstel - lungen zeigen, dass die durchschnittlichen Leistun - Leseleistungen der Schülerinnen und gen der Realschülerinnen und Realschüler klar am Schüler nach Schultyp tiefsten, jene der Bezirksschülerinnen und Bezirks - schüler klar am höchsten sind. Die Verteilungskurven Gemessen an den durchschnittlichen Leistungen sind überschneiden sich aber zum Teil stark. Einzelne die Unterschiede zwischen der Bezirksschule, der Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule errei - Sekundarschule und der Realschule gross. Werden chen Leistungen, die über dem Mittelwert der allerdings die individuellen Leistungen verglichen, Bezirksschule liegen. Umgekehrt gibt es Schülerinnen dann zeigt sich, dass aufgrund der mit PISA erfass - und Schüler der Bezirksschule, deren Leistungen ten Grundbildung keine eindeutige Einteilung der unter dem Mittelwert der Sekundarschule liegen. Schülerinnen und Schüler in die drei Schultypen der Die Aufschlüsselung der Leistungen nach Kompe - Sekundarstufe I möglich ist. Der Übertritt am Ende tenzniveau und Schultyp zeigt, dass die leistungs - der Primarschule führt zumindest für die Schülerin - schwachen Schülerinnen und Schüler vor allem in nen und Schüler im mittleren Leistungsbereich zu den Schultypen mit Grundansprüchen zu finden sind. keiner trennscharfen Einteilung in die Schultypen der In der Realschule liegen die Anteile leistungsschwa - Sekundarstufe I. cher Schülerinnen und Schüler (Kompetenzniveau Die Abbildungen 4.2 bis 4.4 zeigen für die Kom - <2) im Lesen bei 49 Prozent, in der Mathematik bei petenzbereich Lesen, Mathematik und Naturwissen - 42 Prozent und in den Naturwissenschaften bei 36 schaften je drei Kurven, die die Verteilung der Leis - Prozent. In der Sekundarschule sind diese Anteile tungen für die Bezirksschule, die Sekundarschule und bereits deutlich tiefer. Sie liegen im Lesen bei 11 Pro - die Realschule darstellen. Die Flächen unter den Ver - zent, in der Mathematik bei 7 Prozent und in den teilungskurven repräsentieren die Grösse der ent - Naturwissenschaften bei 5 Prozent. In der Bezirks - sprechenden Schultypen beziehungsweise die Anzahl schule gibt es keine Schülerinnen und Schüler, die an Schülerinnen und Schülern, die einen bestimmten nicht mindestens Kompetenzniveau 2 erreichen.

10 OECD (2004). Lernen für die Welt von morgen. Erste Ergebnisse von PISA 2003 . Paris: Organisation for Economic Co-operation and Deve - lopment. [Seite 226] OECD (2007). PISA 2006 Schulleistungen im internationalen Vergleich: Naturwissenschaftliche Kompetenzen für die Welt von morgen. Paris: Organisation for Economic Co-operation and Development. [Seite 321]

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 27 Abbildung 4.3: Verteilung der Mathematikleistungen im Kanton Aargau nach Schultyp r e l ü h c S

d n u

n e n n i r e l ü h c S

l h a z n A

150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Realschule Sekundarschule Bezirkschule

Abbildung 4.4: Verteilung der Leistungen in den Naturwissenschaften im Kanton Aargau nach Schultyp r e l ü h c S

d n u

n e n n i r e l ü h c S

l h a z n A

150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

Realschule Sekundarschule Bezirkschule

Demgegenüber sind die Anteile leistungsstarker Mathematik bei 9 Prozent und in den Naturwissen - Schülerinnen und Schüler (Kompetenzniveau 5 oder schaften bei 7 Prozent. 6) in der Bezirksschule am höchsten. Sie liegen im Die Leistungsüberschneidungen lassen sich auch Lesen bei 19 Prozent, in der Mathematik bei 53 Pro - aufgrund der Kompetenzniveaus quantifizieren. Die zent und in den Naturwissenschaften bei 32 Pro - Tabelle 4.2 zeigt für den Kanton Aargau den Prozent - zent. In der Sekundarschule sind die Anteile leis - anteil der Schülerinnen und Schüler pro Schultyp, tungsstarker Schülerinnen und Schüler deutlich die sich im Kompetenzbereich Lesen sowie im Durch - geringer. Sie liegen im Lesen bei 1 Prozent, in der schnitt der drei Kompetenzbereiche (Lesen, Mathe -

28 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Tabelle 4.2: Anteil der Schülerinnen und Schüler pro Kompetenzniveau in den drei Schultypen des Kantons Aargau

Lesen Niveau<2 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 Niveau 6 Bezirksschule 4% 32% 45% 17% 2% Sekundarschule 11% 33% 41% 14% 1% Realschule 49% 39% 11% 1%

Mathematik Niveau <2 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 Niveau 6 Bezirksschule 2% 13% 32% 34% 19% Sekundarschule 7% 22% 36% 26% 8% 1% Realschule 42% 36% 17% 4% 1%

Naturwissenschaften Niveau <2 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 Niveau 6 Bezirksschule 2% 20% 46% 27% 5% Sekundarschule 5% 26% 43% 23% 3% Realschule 36% 40% 20% 4%

Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften: Durchschnitt Niveau <2 Niveau 2 Niveau 3 Niveau 4 Niveau 5 Niveau 6 Bezirksschule 2% 12% 36% 34% 16% Sekundarschule 7% 22% 39% 25% 7% Realschule 48% 34% 15% 3%

Anmerkung: Analog zu den PISA-Kompetenzniveaus in den einzelnen Fachbereichen wurden für diese Auswertung auch für die Durchschnitts - leistung sechs äquivalente Kompetenzniveaus gebildet.

matik und Naturwissenschaften) auf einem bestimm - der Mathematik und in den Naturwissenschaften ten Kompetenzniveau befinden. erfolgt. Vergleicht man die Durchschnittsleistungen Im Lesen befindet sich der grösste Anteil der Schü - anhand der Kompetenzniveaus, erreichen beispiels - lerinnen und Schüler der Bezirksschule auf Kompe - weise 36 Prozent der Bezirksschülerinnen und -schü - tenzniveau 4 (45 Prozent). Dieses Niveau erreichen ler und 25 Prozent der Sekundarschülerinnen und auch 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler der -schüler Kompetenzniveau 4 – jenes Niveau, das ins - Sekundarschule, die somit bessere Leseleistungen gesamt von den meisten Schülerinnen und Schülern aufweisen als 36 Prozent der Bezirksschülerinnen erreicht wird. und -schüler. In der Sekundarschule erreicht der Ein beträchtlicher Teil der Schülerinnen und Schü - grösste Anteil der Schülerinnen und Schüler Kompe - ler der Real- beziehungsweise Sekundarschule könn - tenzniveau 3 (45 Prozent). Dieses Niveau wird auch te also aufgrund der Leistungen im Lesen, in der von 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Mathematik und in den Naturwissenschaften im Realschule erreicht, die somit bessere Leistungen auf - nächsthöheren Schultyp mithalten. Allerdings gilt es weisen als 44 Prozent der Schülerinnen und Schüler zu beachten, dass PISA nur die Leistungen in ausge - der Sekundarschule. wählten Kompetenzbereichen erfasst. Über weitere Die Ergebnisse zeigen zudem, dass diese Überlap - Leistungen, die für die Zuordnung zu den Schulty - pungen nicht einfach ein Ergebnis einseitiger Bega - pen relevant sind – insbesondere die Kompetenzen bungen sind. Die Leistungsüberlappungen bleiben in den Fremdsprachen, aber auch produktive Kom - auch dann bestehen, wenn die Einteilung der Schü - petenzen wie Schreiben –, liefert PISA keine Infor - lerinnen und Schüler zu den Kompetenzniveaus auf - mationen. Es wäre daher übereilt, aufgrund der grund der durchschnittlichen Leistungen im Lesen, in Überlappungsquoten die effektiven Prozentsätze der

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 29 Schülerinnen und Schüler abzuleiten, die in ein höhe - res Niveau eingestuft werden könnten. Gleichwohl zeigen die Zahlen Leistungspotenziale an, über die die Schülerinnen und Schüler in den erfassten Kom - petenzbereichen verfügen.

30 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 5 Unterrichtszeit und Leseleistungen

Mit den Daten von PISA 2006 konnte ein positiver PISA 2000. Sprachförderung hört zudem nicht im Zusammenhang zwischen der Unterrichtszeit und Klassenzimmer auf, sondern ist Aufgabe der gesam - den naturwissenschaftlichen und mathematischen ten Schule. Allerdings ist auch be kannt, dass das Leistungen nachgewiesen werden. Hängen auch die Lesen weit stärker von der sozialen Herkunft abhän - Leseleistungen mit der Unterrichtszeit der Schul - gig ist, als es beispielsweise die mathe matischen oder sprache zusammen? Besteht zudem ein Zusammen - naturwissenschaftlichen Leistungen sind. Die Lese - hang zwischen der Unterrichtszeit aller Fächer und leistungen sind deshalb nicht einfach auf die Unter - den Leseleistungen? richtszeit der Schulsprache zurückzuführen, zumal im Sprachunterricht weit mehr als Lesen vermittelt Unterrichtszeit auf der Sekundarstufe I wird. Daher ist zu erwarten, dass der Zusammenhang zwischen den Leseleistungen und der Unterrichtszeit «Sprachförderung ist in allen Unterrichtsfächern schwächer ausfällt als beispielsweise zwischen den aktiv und bewusst zu betreiben» 11 . Dies war eine Mathematikleistungen und der Unterrichtszeit in Forderung der EDK aufgrund der Er geb nisse von Mathematik.

Tabelle 5.1: Anzahl Unterrichtsstunden (60 Minuten) der Schulsprache und insgesamt von der 7. bis 9. Klasse

Unterrichtsstunden der Schulsprache Unterrichtsstunden insgesamt

Hohe Erweiterte Grund- Hohe Erweiterte Grund- Ansprüche Ansprüche ansprüche Ansprüche Ansprüche ansprüche

AG 428 458 458 2872 2887 2521 AR 420 420 420 3287 3287 3287 BE (d) 351 351 351 2852 2779 2516 BE (f) 497 497 497 2779 2779 2779 FR (f) 570 570 570 3119 3119 3119 GE 462 462 462 2772 2772 2772 JU 527 527 556 2808 2808 2808 NE 439 527 527 2779 2779 2779 SG 417 400 400 3280 3300 3300 SH 329 351 410 2947 2808 2808 TI 491 491 491 2861 2861 2861 VD 428 513 428 2736 2736 2736 VS (d) 431 475 475 2939 3040 3040 VS (f) 539 570 570 3040 3040 3040 ZH 345 410 410 2879 2925 2925 FL 380 439 380 3130 2925 2984 Mittelwert 441 466 463 2942 2928 2892

11 EDK (2003). Aktionsplan «PISA-Folgemassnahmen» (Beschluss der Plenarversammlung, 12. Juni 2003.)

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 31 INFO 7: Berechnung der Unterrichtszeit Kantons Bern angeboten (351 Stunden). Zur Berechnung der Unterrichtszeit der Schul - Bei der Unterrichtszeit insgesamt sieht das Bild sprache und der Unterrichtszeit insgesamt wur - anders aus: Hier liegt der Kanton Aargau bei den den die Pflicht- und Wahlpflichtlektionen in Kantonen mit einer vergleichsweise geringen Unter - allen Fächern einbezogen. Da die Anzahl der richtszeit. Am meisten Unterrichtslektionen sind für Schulwochen und die Dauer einer Lektion je die Schülerinnen und Schüler in den Kantonen nach Kanton und Schulstufe variieren, wurden St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden vorgesehen. die Angaben in Jahresstunden umgerechnet. In einigen Kantonen unterscheidet sich die Anzahl Die Lektionen der drei Schuljahre auf der Unterrichtsstunden der Schulsprache zwischen den Sekundarstufe I wurden kumuliert, sodass pro Schultypen. In der Regel wird in den Schultypen mit Schultyp die Gesamtzahl angebotener Unter - Grundansprüchen mehr Zeit in den Schulsprachun - richtsstunden von der 7. bis zur 9. Klasse er - terricht investiert als in den Schultypen mit hohen sichtlich wird. Ansprüchen. Dies trifft auch für den Kanton Aargau Um den direkten Vergleich zu erleichtern, zu. Die Unterrichtszeit der Schulsprache ist in der wurden die Stundenzahlen für alle Kantone im Bezirksschule geringer als in der Sekundarschule und Rahmen der drei traditionellen Anspruchsni - in der Realschule. Einzig im Kanton St.Gallen wird für veaus der Sekundarstufe I abgebildet, auch den Schultyp mit hohen Ansprüchen am meisten wenn diese Aufteilung nicht allen kantonalen Unterrichtszeit der Schulsprache angeboten. Schulstrukturen entspricht. Im Kanton Zürich Die Unterrichtszeit insgesamt ist in den meisten beispielsweise gibt es vier, im Kanton Tessin Kantonen für die Schülerinnen und Schüler der ver - hingegen nur zwei Anspruchsniveaus, und schiedenen Anspruchsniveaus gleich. Im Kanton Aar - zwar nicht auf Klassen-, sondern ausschliess - gau ist die Unterrichtszeit in der Realschule aller - lich auf Fächerebene. Die Einteilung nach dings deutlich geringer als in der Sekundarschule Anspruchsniveaus in Tabelle 5.1 entspricht des - und in der Bezirksschule. Die vergleichsweise gerin - halb nicht zwingend der effektiven Schulstruk - ge Unterrichtszeit in der Realschule lässt sich durch tur, sondern einer Zuordnung der kantonal einen hohen Anteil an Wahlfächern erklären. Die unterschiedlichen Schultypen zu den drei übli - effektive Unterrichtszeit der Schülerinnen und Schü - chen Anspruchsniveaus der Sekundarstufe I. ler der Realschule wird deshalb etwas unterschätzt.

Leseleistungen nach Unterrichtszeit Tabelle 5.1 enthält die Anzahl Stunden des Unter - richts der Schulsprache (Deutsch beziehungsweise In Abbildung 5.1 sind die Leseleistungen pro Kanton Französisch oder Italienisch) sowie die Unterrichtszeit in Abhängigkeit von der Unterrichtszeit der Schul - in Stunden insgesamt, aufgeteilt nach den Anspruchs - sprache dargestellt. Die Punkte in der Abbildung ste - niveaus der Schultypen der Sekundarstufe I. hen für einzelne Kantone. Die Position eines Kantons Beim Vergleich der Unterrichtsstunden fällt auf, ergibt sich aus der durchschnittlichen Anzahl Stun - dass die französischsprachigen Kantone und Kan - den Schulsprache und aus den durchschnittlichen tonsteile sowie der Kanton Tessin mehr Zeit für den Leseleistungen. Die Unterrichtszeit in den Kantonen Unterricht der Schulsprache aufwenden als die variiert zwischen 351 und 570 Stunden. deutschsprachigen Kantone und Kantonsteile. Be - Aus Abbildung 5.1 geht hervor, dass der Zusam - sonders viele Unterrichtsstunden der Schulsprache menhang zwischen der Unterrichtszeit der Schul - werden in den französischsprachigen Teilen der Kan - sprache und den Leseleistungen nur schwach ausge - tone Freiburg und Wallis angeboten. Mit 458 Stun - prägt ist; die Korrelation beträgt r = .23 und ist sta - den (Realschule und Sekundarschule) beziehungs - tistisch nicht signifikant. Die Steigung der Geraden weise 428 Stunden (Bezirksschule) liegt der Kanton in Abbildung 5.1 deutet diesen Zusammenhang den - Aargau im Deutschschweizer Vergleich relativ weit noch an. Bei so wenigen Datenpunkten ist statisti - vorne. Besonders wenige Unterrichtsstunden der sche Signifikanz allerdings schwer zu erreichen und Schulsprache werden im deutschsprachigen Teil des ihr Fehlen garantiert im Gegenzug keineswegs, dass

32 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 5.1: Leseleistungen und Anzahl Unterrichtsstunden der Schulsprache von der 7. bis zur 9. Klasse

525

SH VS (f) 520 FR (f)

515

n

e 510 g n

u AR t s i VS (d)

e 505

l AG e SG NE JU s

e BE (d) VD L GE e 500 r e l t t i FL

M 495 BE (f) ZH 490

485 TI

480 350 400 450 500 550 600 Mittlere Anzahl Unterrichtsstunden der Schulsprache im 7. – 9. Schuljahr

Anmerkung: Die Angaben zur Unterrichtszeit sind gewichtete Mittelwerte. Das heisst, die Werte der verschiedenen Schultypen wurden gemäss der Anzahl Schülerinnen und Schüler, die den jeweiligen Schultyp besuchen, zu einem Mittelwert verrechnet. kein Zusammenhang vorliegt. Der Kanton Aargau zwischen der Unterrichtszeit und den Leseleistun - erreicht durchschnittliche Leseleistungen bei einer gen enger. Der Korrelationskoeffizient steigt von r = durchschnittlichen Unterrichtszeit der Schulsprache. .23 auf r = .43. Er ist statistisch allerdings nicht sig - Wie zudem einleitend erwähnt, ist aus verschie - nifikant. denen Gründen kein enger Zusammenhang zwi - schen der Unterrichtszeit der Schulsprache und den Leseleistungen in den Kantonen zu erwarten. Die INFO 8: Korrelationskoeffizient eher tiefen Leistungsmittelwerte der französischen Kantone und besonders des Kantons Tessin sind wohl Die Stärke des Zusammenhangs zweier Merk - eher auf das vergleichsweise tiefe Einschulungsalter male wird mit dem Korrelationskoeffizient «r» und das daraus folgende Alter der Schülerinnen und beziffert. Der Koeffizient liegt zwischen –1 und Schüler der 9. Klasse zurückzuführen. Durchschnitt - +1. Ein positiver Wert bedeutet, dass ein hoher lich sind die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse Wert eines Merkmals mit dem hohen Wert in der Deutschschweiz 15 Jahre und 11 Monate alt, eines anderen Merkmals auftritt («je mehr, in der französischen Schweiz 15 Jahre und 6 Mona - desto mehr»). Ein negativer Koeffizient bedeu - te und im Tessin 15 Jahre und 1 Monat. tet, dass ein hoher Wert mit dem niedrigen Aus internationalen Schulleistungsvergleichen ist Wert eines anderen Merkmals auftritt («je bekannt, dass die Leseleistungen nicht nur von der mehr, desto weniger»). Ein Koeffizient mit dem Anzahl besuchter Schuljahre, sondern auch vom Wert 0 gibt an, dass zwischen den Merkmalen Alter der Schülerinnen und Schüler abhängen. Von kein Zusammenhang vorliegt. Ein Korrelations - Bedeutung ist zudem das ausserschulische Lesever - koeffizient von r = 0.10 gilt als klein, ein Koef - halten. Wird das kantonal unterschiedliche Alter der fizient von 0.30 als mittelgross und ein Koeffi - Schülerinnen und Schüler berücksichtigt (statistisch zient von 0.50 als gross. kontrolliert), dann wird auch der Zusammenhang

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 33 Wird zudem der Kanton Schaffhausen mit sehr guten Leseleistungen und geringer Unterrichtszeit der Schulsprache im Sinne eines statistischen Ausreis - sers von den Analysen ausgeschlossen, dann wird der Zusammenhang zwischen der Unterrichtszeit und den Leseleistungen deutlich enger. Der Korrelations - koeffizient steigt von r = .43 auf r = .64 und ist sta - tistisch signifikant. Wird anstelle der Unterrichtszeit der Schulspra - che die Unterrichtszeit insgesamt berücksichtigt, so ist ebenfalls ein geringer Zusammenhang mit den Leseleistungen nachweisbar. Je mehr Unterrichts - stunden besucht werden, desto besser sind zwar die Leseleistungen. Der Korrelationskoeffizient beträgt r = .31, er ist jedoch statistisch nicht signifikant. Der Zusammenhang zwischen der Unterrichtszeit und den Leseleistungen wird auch nach der Berücksich - tigung des kantonal unterschiedlichen Alters der Schülerinnen und Schüler und ohne die Angaben des Kantons Schaffhausen nicht viel enger. Der Kor - relationskoeffizient beträgt r = .38 und ist statis - tisch nicht signifikant. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus die - sen Analysen? Deutlich wird, dass die Lesekompetenz ein zu komplexes Phänomen ist, als dass sie zu wei - ten Teilen auf eine singuläre Einflussgrösse wie die Unterrichtszeit zurückgeführt werden könnte. Ein Zusammenhang zwischen Unterrichtszeit und Lese - leistungen scheint zwar vorhanden zu sein, denn er zeigt sich sowohl für die Unterrichtszeit der Schulspra - che als auch für die Unterrichtszeit insgesamt. Dieser Zusammenhang ist aber als klein zu beurteilen.

34 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 6 Leseengagement und Lernstrategien

Jugendliche sollten am Ende der obligatorischen INFO 9: Ergebnisdarstellung zum Leseenga - Schulzeit nicht nur über ausreichende Lesekompeten - gement zen verfügen, sondern für ihre schulische und beruf - Die Indizes werden auf einer normierten Skala liche Bildung sowie im Hinblick auf die Teilnahme dargestellt. Die Skala wurde so normiert, dass am gesellschaftlichen Leben ein Interesse am Lesen der Mittelwert der OECD-Länder M = 0 und haben und zugleich über geeignete Strategien beim die Standardabweichung SD = 1 beträgt. Somit Lesen verfügen. Wie viele Schülerinnen und Schüler erreichen innerhalb der OECD rund zwei Drit - lesen zum Vergnügen? Wie gross ist ihr Engagement tel der Schülerinnen und Schüler Indexpunkte zu lesen? Wie gut kennen sie Lernstrategien und wie zwischen –1 und +1, 95 Prozent Indexpunkte häufig wenden sie beim Lesen Lernstrategien an? Ken - zwischen –2 und +2 und nahezu alle Schüle - nen sie die geeigneten Strategien, um Textinformatio - rinnen und Schüler Indexpunkte zwischen –3 nen zu verstehen und zu behalten? Wodurch zeichnen und +3. sich gute Leserinnen und Leser aus? Ein negativer Wert bedeutet nicht zwin - gend, dass die Fragen negativ beziehungswei - Zur Erfassung des Leseengagements se verneinend beantwortet wurden, sondern lediglich, dass im Vergleich zum OECD-Durch - Bei PISA 2009 wurden die Schülerinnen und Schüler schnitt weniger stark zugestimmt wurde. zu ihrem Leseengagement befragt. Das Leseengage - Umgekehrt verweisen positive Wert darauf, ment (Reading Engagement) umfasst vier Indikato - dass die Zustimmung stärker ist als im OECD- ren, die einen Bezug zum Leseverhalten haben: Durchschnitt. Lesen zum Vergnügen, Lesevielfalt, Online-Lese - Bei den Indizes gilt als Faustregel, dass 12 aktivitäten und Freude am Lesen . Unterschiede ab 0.20 Punkten als klein, aber Das Lesen zum Vergnügen wurde mit einer Frage bedeutsam interpretiert werden. Unterschiede erfasst (Info 10). Die ursprünglich fünfstufige Ant - von 0.50 Punkten sind mittelgross und Unter - wortskala wurde auf zwei Kategorien reduziert. schiede von 0.80 Punkten sind gross. «täglich zum Vergnügen lesen» und «nicht täglich zum Vergnügen lesen». Lesevielfalt , Online-Leseaktivitäten und Freude Schülerinnen und Schülern, die täglich zum Vergnü - am Lesen wurden mit mehreren Fragen erfasst. Aus gen lesen , und jenen, die nicht täglich zum Vergnü - den Antworten der Schülerinnen und Schüler wur - gen lesen , dargestellt. Im Kanton Aargau geben 46 den drei Indizes gebildet. Prozent der Schülerinnen und Schüler an, nicht täg - Die Erfassung des Leseengagements beruht auf lich zum Vergnügen zu lesen . Dies entspricht etwa Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler. dem Anteil in der Deutschschweiz (47 Prozent). Zwi - schen den Kantonen variiert dieser Anteil zwischen Leseengagement nach Kanton 40 Prozent im Kanton Schaffhausen und 55 Prozent und Schultyp im Fürstentum Liechtenstein. In allen Kantonen sind bedeutsame Unterschiede zwischen Knaben und In Abbildung 6.1 ist der Anteil Schülerinnen und Mädchen vorhanden. In der Deutschschweiz beträgt Schüler dargestellt, die nicht zum Vergnügen lesen. der Anteil Knaben, die nicht täglich zum Vergnügen Zudem sind die Leistungsdifferenzen zwischen den lesen , 60 Prozent, der Anteil Mädchen 35 Prozent.

12 OECD (2010). PISA 2009 Ergebnisse: Was Schülerinnen und Schüler wissen und können: Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe - matik und Naturwissenschaften (Band 1). Bielefeld: Bertelsmann.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 35 INFO 10: Beispielfragen zur Erfassung des umfasst mehr als ein PISA-Kompetenzniveau im Leseverhaltens Lesen. Innerhalb der Deutschschweiz variiert dieser Unterschied zwischen 55 Punkten im deutschspra - Lesen zum Vergnügen chigen Teil des Kantons Wallis und 78 Punkten in den Wie viel Zeit verbringst du normalerweise Kantonen Aargau und Zürich. damit, zu deinem Vergnügen zu lesen? Es gilt zu berücksichtigen, dass Lesen zum Ver - Antwortmöglichkeiten: ich lese nicht zum Ver - gnügen und Lesekompetenz in einem wechselseiti - gnügen; bis zu 30 Minuten täglich; zwischen gen Zusammenhang stehen. Kompetente Leserin - einer halben und 1 Stunde täglich; 1 bis 2 nen und Leser lesen häufiger, was wiederum zur Ver - Stunden täglich; mehr als 2 Stunden täglich besserung der Lesekompetenz führt 13 . Der Zusam - Lesevielfalt menhang zwischen dem Lesen zum Vergnügen und Wie oft liest du zu deinem Vergnügen? den Leseleistungen lässt sich allerdings nur inner - • Comic-Hefte/Comics halb der Kantone und nicht zwischen den Kantonen • Tageszeitungen feststellen. Kantone mit besseren durchschnittlichen Antwortmöglichkeiten: nie oder fast nie; ein Leseleistungen weisen nicht zwingend niedrige An- paar Mal im Jahr; ungefähr einmal pro Monat; teile Schülerinnen und Schüler auf, die nicht zum mehrmals pro Monat; mehrmals pro Woche Vergnügen lesen. In Abbildung 6.2 sind die Ergebnisse zur Leseviel - Online-Leseaktivitäten falt , zu den Online-Leseaktivitäten und zur Freude Wie oft beschäftigst du dich mit den folgen - am Lesen in Form von Indexpunkten eingetragen. den Leseaktivitäten? Die Lesevielfalt verweist auf die Reichhaltigkeit des • Lesen von E-Mails Lesematerials, das von den Schülerinnen und Schü - • Im Internet Informationen über ein be- lern gelesen wird. Online-Leseaktivitäten beziehen stimmtes Thema suchen sich auf die Vielfalt der online durchgeführten Lese - Antwortmöglichkeiten: ich weiss nicht, was aktivitäten wie Chatten im Internet. Die Freude am das ist; nie oder fast nie; mehrmals pro Monat; Lesen fasst emotio nale Aspekte des Leseinteresses mehrmals pro Woche; mehrmals pro Tag zusammen. Freude am Lesen Mit den Mittelwerten +0,11 Indexpunkte ( Lese - Stimmst du den folgenden Aussagen zu? vielfalt ), +0,14 Indexpunkte ( Online-Leseaktivitä - • Lesen ist eines meiner liebsten Hobbys. ten ) und – 0,04 Indexpunkte ( Freude am Lesen ) • Für mich ist Lesen Zeitverschwendung. weicht der Kanton Aargau insgesamt nur unwesent - Antwortmöglichkeiten: stimme überhaupt lich von den Deutschschweizer Mittelwerten ab nicht zu; stimme eher nicht zu; stimme eher (Lesevielfalt = 0,16; Online-Leseaktivitäten = 0,05; zu; stimme völlig zu Freude am Lesen = –0,05). Auch im kantonalen Ver - gleich können nur vereinzelt bedeutsame Unter - schiede festgestellt werden. So wird die Freude am Diese Anteile sind im Kanton Aargau nahezu gleich. Lesen im Kanton Schaffhausen bedeutsam höher 60 Prozent der Knaben und 32 Prozent der Mädchen eingeschätzt als im Kanton Aargau, was dem Leis - lesen nicht zum Vergnügen. tungsunterschied zwischen den beiden Kantonen Zwischen der Lesehäufigkeit und den Leseleistun - entspricht. gen besteht ein enger Zusammenhang. Wer viel liest, Die Lesevielfalt und die Freude am Lesen stehen liest auch besser beziehungsweise wer besser liest, in einem positiven Zusammenhang mit den Leseleis - liest auch viel. Im Kanton Aargau beträgt der Leis - tungen. Bei einem Anstieg der Lesevielfalt um einen tungsunterschied zwischen den Schülerinnen und Indexpunkt (eine Standardabweichung) verbessern Schülern, die täglich zum Vergnügen lesen, und sol - sich die Leseleistungen im Kanton Aargau um 26 chen, die nicht täglich zum Vergnügen lesen, 78 Punkte, bei einem Anstieg der Freude am Lesen um Punkte. Diese Differenz ist als gross zu beurteilen und einen Indexpunkt verbessern sich die Leseleistungen

13 Pfost, M., Dörfler, T. & Artelt, C. (2010). Der Zusammenhang zwischen ausserschulischem Lesen und Lesekompetenz. Ergebnisse einer Längsschnittstudie am Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogi - sche Psychologie, 42(3), 167–176.

36 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 6.1: Anteil Schülerinnen und Schüler, die nicht zum Vergnügen lesen und Leseleistungen

Anteil «Nicht zum Leseleistungen Differenz in Vergnügen Lesende» Leistungs- punkten

Gesamt Mädchen Knaben 400 450 500 550 600

CH 44 32 57 67 CH (d) 47 35 60 72

FL 55 44 65 76

VS (d) 51 36 67 55

SG 49 36 62 68

ZH 47 34 61 78

AG 46 32 60 78

BE (d) 44 28 60 71

AR 44 28 59 74

SH 40 25 57 63

Häufigkeiten in Prozent Leseleistung «Nicht zum Vergnügen Lesende» Leseleistung «Zum Vergnügen Lesende»

Anmerkung: Die Kantone sind nach dem Anteil Schülerinnen und Schüler, die nicht täglich zum Vergnügen lesen, sortiert. Die Geschlechter - unterschiede sind in allen Kantonen sowie in der Schweiz und in der Deutschschweiz statistisch signifikant.

Abbildung 6.2: Lesevielfalt, Online-Leseaktivitäten und Freude am Lesen nach Kanton

0.50 0.40

0.30

0.20

)

e 0.10 t r e 0.00 w l e t t

i -0.10 M ( -0.20 e t k

n -0.30 u p

x -0.40 e d n

I -0.50

) ) ) R L H H G H d G d d F ( Z ( ( S A C S

A

E S H B V C

Lesevielfalt Online-Leseaktivitäten Freude am Lesen

Anmerkung: Die Kantone sind in absteigender Reihenfolge nach dem Index Freude am Lesen sortiert.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 37 um 38 Punkte. Zwischen den Online-Leseaktivitä - situation nicht aus den Augen gelassen werden, ten und den Leseleistungen besteht hingegen kein während Informationen aus verschiedenen Texttei - Zusammenhang. len miteinander in Beziehung gebracht werden soll - Tabelle 6.1 zeigt für den Kanton Aargau die Antei - ten. Strategien sind meist automatisierte Handlungs - le Schülerinnen und Schüler, die nicht täglich zum Ver - abfolgen, die in bestimmten Situationen abgerufen gnügen lesen, sowie die Mittelwerte der drei Indizes und adäquat eingesetzt werden, um Lern- oder Leis - zum Leseengagement nach den drei Schultypen der tungsziele zu erreichen 14 . Sekundarstufe I. Zwischen den Schultypen sind be- Die Lernstrategien wurden in PISA 2009 auf zwei trächtliche Unterschiede in der Lesehäufigkeit und im verschiedene Arten erfasst. Zum einen wurden die Leseengagement feststellbar. Der Anteil Schülerinnen Schülerinnen und Schüler danach gefragt, wie oft sie und Schüler, die nicht täglich zum Vergnügen lesen, bestimmte Lernstrategien einsetzen (Anwendungs - ist in der Bezirksschule mit 28 Prozent am geringsten. häufigkeit von Lernstrategien). Zum andern wurde In der Sekundarschule beträgt dieser Anteil bereits 55 das Wissen über Lernstrategien erfragt. Prozent und in der Realschule gar 66 Prozent. Zur Erfassung der Anwendungshäufigkeit wur - Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei den Indizes den den Schülerinnen und Schülern Fragen zu drei zum Leseengagement. Die Lesevielfalt ist in der bewährten Strategien vorgelegt 15 . Bezirksschule wesentlich grösser als in den Schul- • Die Strategie, einen Text möglichst wortgetreu aus - typen mit geringeren Ansprüchen. Am deutlichsten wendig zu lernen, wird als Memorieren bezeichnet. sind die Unterschiede zwischen den Schultypen bei Texte werden durch verschiedene Techniken wie der Freude am Lesen . Die Lesefreude der Schülerin - lautes Wiederholen eingeprägt. Die Strategie ver - nen und Schüler der Bezirksschule ist mehr als ein langt nicht, dass der Text tatsächlich verstanden Indexpunkt höher als die Lesefreude der Schülerin - wird. Die Anwendung der Strategie ermöglicht es, nen und Schüler der Realschule, aber auch deutlich Texte, Gedichte, Zahlen etc. zu speichern und wie - grösser als die Lesefreude der Schülerinnen und derzugeben. Schüler der Sekundarschule. Bei den Online-Leseak - • Die Strategie, das Gelesene in bereits vorhande - tivitäten hingegen sind keine statistisch signifikanten nes Wissen zu integrieren, wird als Elaborieren Unterschiede zwischen den Schultypen feststellbar. bezeichnet. Dazu werden beispielsweise Verbin - dungen zwischen Textteilen gesucht oder Schluss - Zur Erfassung der Lernstrategien folgerungen getroffen. Die Strategie dient dazu, einen Text zu verstehen und seine Bedeutung zu Kompetente Leserinnen und Leser sind fähig, ge- erkennen. schriebene Texte so zu nutzen, dass sie eigene Ziele • Die Strategie, beim Lernen den eigenen Fortschritt erreichen können. In Anbetracht der Fülle und Kom - zu überwachen, wird als Kontrollstrategie be- plexität von Informationen, setzt das zielorientierte zeichnet. Beim Lesen wird beispielsweise über - Lesen voraus, dass der Leseprozess durch die Anwen - prüft, wie gut das Gelesene bereits verstanden dung von bestimmten Strategien gesteuert wird. Bei - wurde. Die Strategie reguliert den eigentlichen spielsweise darf das Ziel des Lesens in einer Lese - Lernprozess und das Erreichen von Lernzielen.

Tabelle 6.1: Leseengagement nach Schultypen im Kanton Aargau

Anteil «Nicht Lesevielfalt Online- Lesefreude zum Vergnügen Leseaktivitäten Lesende»

Prozent Indexpunkte Indexpunkte Indexpunkte Bezirksschule 28% 0.35 0.10 0.50 Sekundarschule 55% 0.04 0.15 –0.29 Realschule 66% –0.22 0.19 –0.63

14 Artelt, C., Naumann, J. & Schneider, W. (2010). Lesemotivation und Lernstrategien. In Klieme et al. (Hrsg.), PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt (S. 73–112). Münster: Waxmann. (Seite 78). 15 Siehe Fussnote 2 (Seite 78f.)

38 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Tabelle 6.2: Anwendungshäufigkeit von Lernstrategien nach Schultypen im Kanton Aargau

Memorieren Elaborieren Kontrollstrategien

Indexpunkte Indexpunkte Indexpunkte Bezirksschule 0.18 0.05 –0.51 Sekundarschule 0.09 0.00 –0.04 Realschule 0.25 0.06 –0.11

Die Erfassung der Anwendungshäufigkeit von Lern - Vorgehensweisen bewerten, mit denen die Aufgaben strategien hat den Nachteil, dass daraus nicht am besten gelöst werden konnten. Entsprechend den geschlossen werden kann, wie ausgeprägt das Wis - beiden Lernszenarien wurden zwei Indizes für das sen über diese Strategien ist und ob die Strategien Lernstrategiewissen gebildet 16 : adäquat angewendet werden. Aus diesem Grund • Der Index Verstehen und Behalten von Texten wurden den Schülerinnen und Schülern zwei Lern - zeigt, wie ausgeprägt das Wissen über effektive szenarien vorgelegt. Die Aufgabe des ersten Lernsze - Strategien für das Verstehen und Behalten von narios war, den Inhalt eines Textes zu verstehen und Textinformationen ist. zu behalten. Die Aufgabe des zweiten Lernszenarios • Der Index Zusammenfassen von Texten zeigt, wie war, zu einem schwierigen Sachtext eine Zusammen - ausgeprägt das Wissen über effektive Strategien fassung zu schreiben. Die Schülerinnen und Schüler für das Zusammenfassen von schwierigen Sach - mussten die Qualität und Nützlichkeit verschiedener texten ist.

INFO 11: Beispielitems zur Erfassung • Wenn ich lerne, überprüfe ich, ob ich das Gele - der Lernstrategien sene auch verstanden habe. Antwortmöglichkeiten: fast nie; manchmal; oft; Anwendungshäufigkeit von Lernstrategien fast immer Memorieren Wie oft machst du die folgenden Dinge beim Lernen? Wissen über Lernstrategien • Wenn ich lerne, versuche ich, mir so viele Einzel - Verstehen und Behalten von Texten heiten wie möglich zu merken. Wie beurteilst du den Nutzen der folgenden Stra - • Wenn ich lerne, lese ich den Text so oft, bis ich tegien für das Verständnis und Behalten des Textes? ihn auswendig kann. • Nachdem ich den Text gelesen habe, bespreche Elaborieren ich den Inhalt mit anderen Leuten. Wie oft machst du die folgenden Dinge beim Lernen? • Ich fasse den Text mit eigenen Worten zusammen. • Wenn ich lerne, versuche ich neue Informatio - Zusammenfassen von Texten nen auf das zu beziehen, was ich bereits in ande - Wie beurteilst du den Nutzen der folgenden Strategien ren Bereichen/Fächern gelernt habe. für das Zusammenfassen dieses zweiseitigen Textes? • Wenn ich lerne, überlege ich mir, inwieweit diese • Ich überprüfe sorgfältig, ob die wichtigsten Fak - Informationen ausserhalb der Schule nützlich ten des Textes in der Zusammenfassung enthal - sein könnten. ten sind. Kontrollstrategien • Ich lese den Text und unterstreiche dabei die Wie oft machst du die folgenden Dinge beim Lernen? wichtigsten Sätze. Dann schreibe ich diese mit • Wenn ich lerne, überlege ich mir zuerst, was ich eigenen Worten als Zusammenfassung. genau lernen muss. Antwortmöglichkeiten: 6 Abstufungen von über - haupt nicht nützlich bis sehr nützlich

16 Siehe Fussnote 2 (Seite 80f.)

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 39 Tabelle 6.3: Wissen über Lernstrategien nach Schultypen im Kanton Aargau

Verstehen und Behalten von Texten Zusammenfassen von Texten

Indexpunkte Indexpunkte Bezirksschule –0.63 –0.52 Sekundarschule –0.05 –0.00 Realschule –0.36 –0.57

Anwendungshäufigkeit von Lern - Wissen über Lernstrategien nach Kanton strategien nach Kanton und Schultyp und Schultyp

Insgesamt zeigen sich zwischen den Kantonen keine Die beiden Indizes zum Lernstrategiewissen hängen grossen Unterschiede in der Anwendungshäufigkeit relativ eng miteinander zusammen. Je höher das Wis - der drei Lernstrategien. Für den Kanton Aargau fällt sen über Strategien zum Verstehen und Behalten, auf, dass die beiden Lernstrategien Memorieren desto höher ist auch das Wissen über Strategien zum (0,16) und Kontrollieren (0,17) im Vergleich zum Zusammenfassen von Texten. Der Korrelationskoef - Deutschschweizer Durchschnitt leicht häufiger ange - fizient beträgt r = .51. wendet werden ( Memorieren : 0,03; Kontrollstrate - Das Wissen über Lernstrategien ist im Kanton Aar - gien : 0,05). Bei der Lernstrategie Elaborieren hinge - gau etwa gleich ausgeprägt wie insgesamt in der gen zeigen sich im Vergleich zur Deutschschweiz Deutschschweiz. Der Mittelwert des Indexes zum keine nennenswerten Unterschiede (AG: 0,03 und Verstehen und Behalten von Texten liegt bei 0,20 CH [d]: 0,08). Punkten und ist nur unwesentlich höher als jener der Von den drei Lernstrategien hängt nur die Kon - Deutschschweiz mit 0,13 Punkten. Das Gleiche gilt trollstrategie mit den Leseleistungen zusammen. Je für den Mittelwert des Indexes Zusammenfassen von häufiger Kontrollstrategien angewendet werden, Texten. Er beträgt im Kanton Aargau 0,10 Punkte, desto besser sind die Leseleistungen. Bei einem in der Deutschschweiz 0,06 Punkte. Anstieg des Indexes um eine Standardabweichung Auch zwischen den Kantonen der Deutschschweiz verbessern sich die Leseleistungen der Schülerinnen sind keine bedeutsamen Unterschiede feststellbar. Die und Schüler im Kanton Aargau um 24 Punkte. Die Mittelwerte des Indexes Verstehen und Behalten von beiden Lernstrategien Memorieren und Kontrollie - Texten reichen von –0,03 Indexpunkten im Fürsten - ren hängen nicht mit den Leseleistungen der Schü - tum Liechtenstein bis zu 0,20 Indexpunkten in den lerinnen und Schüler zusammen. Dies kann vermut - Kantonen Aargau und Schaffhausen, jene des Indexes lich auch damit erklärt werden, dass die Angaben der Zusammenfassen von Texten von –0,05 Indexpunk - Schülerinnen und Schüler vor allem eine Präferenz ten im Kanton Zürich bis zu 0,13 Indexpunkten im ausdrücken, nicht aber die eigentliche Qualität des deutschsprachigen Teil des Kantons Wallis. strategischen Vorgehens. Das Lernstrategiewissen hängt mit den Leseleis - Tabelle 6.2 zeigt für den Kanton Aargau die Mit - tungen der Schülerinnen und Schüler zusammen. Bei telwerte der Indizes der drei Lernstrategien nach den einem Anstieg des Indexes Verstehen und Behalten verschiedenen Schultypen der Sekundarstufe I. Zwi - von Texten steigen die Leseleistungen der Schülerin - schen den Schultypen gibt es einzig bei der Anwen - nen und Schüler im Kanton Aargau um 38 Punkte an; dung von Kontrollstrategien einen statistisch signifi - beim Anstieg des Indexes Zusammenfassen von Tex - kanten Unterschied. Die Schülerinnen und Schüler ten um 43 Punkte. Ähnliche Zusammenhänge zeigen der Bezirksschule (0,51) wenden im Vergleich zu den sich in der Deutschschweiz ( Verstehen und Behalten Schülerinnen und Schülern der Sekundar- und Real - von Texten: 41 Punkte; Zusammenfassen von Tex - schule ( –0,11 und –0,04) deutlich häufiger Kontroll - ten: 46 Punkte). strategien beim Lesen an.

40 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Abbildung 6.3: Anwendungshäufigkeit von Lernstrategien: Geschlechterunterschiede

Leistungsunterschiede Di fferenz Knaben zugunsten Mädchen

Memorieren CH 0.18 CH (d) 0.19 AR 0. 11 ZH 0.12 AG 0.15 FL 0.16 SG 0.21 VS (d) 0.22 BE (d) 0.25 SH 0.27

Elaborieren CH –0.10 CH (d) –0.09 FL –0.25 SH –0.16 VS (d) –0. 11 AG –0.09 SG –0.09 AR –0.07 BE (d) –0.02 ZH 0.01

Kontrollstrategien CH 0.37 CH (d) 0.38 FL 0.32 AR 0.35 BE (d) 0.38 SH 0.38 AG 0.38 VS (d) 0.39 ZH 0.41 SG 0.41

signifikant –0.3 –0.2 –0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 nicht signifikant Indexpunkte

Tabelle 6.3 zeigt für den Kanton Aargau die Mit - Die Mädchen wenden jene Lernstrategie häufiger telwerte der Indizes Verstehen und Behalten von Tex - an, die mit den Leseleistungen zusammenhängt: die ten und Zusammenfassen von Texten nach den drei Kontrollstrategie. Zudem verfügen Mädchen über Schultypen der Sekundarstufe I. Die Schülerinnen und das grössere Lernstrategiewissen als Knaben. Schüler der Bezirksschule verfügen im Vergleich zu Im Kanton Aargau wenden die Mädchen häufiger jenen der Sekundarschule und der Realschule über ein als die Knaben die beiden Strategien Memorieren und markant höheres Lernstrategiewissen. Die Unterschie - Kontrollieren an. Bedeutend sind die Geschlechterun - de zwischen der Bezirksschule und der Sekundarschu - terschiede allerdings vor allem bei der Anwendung der le sind als gross, zwischen der Bezirksschule und der Kontrollstrategien (0.38 Indexpunkte). Keine Unter - Realschule als sehr gross zu beurteilen. schiede zwischen Knaben und Mädchen zeigen sich in der Anwendungshäufigkeit des Elaborierens . Auch das Lernstrategien nach Geschlecht Lernstrategiewissen der Mädchen ist im Kanton Aar - gau grösser als jenes der Knaben. Die Unterschiede Die Abbildungen 6.3 und 6.4 zeigen die Geschlech - sind mit 0,41 Indexpunkten ( Verstehen und Behalten terdifferenzen in der Anwendungshäufigkeit der von Texten ) und 0,35 Indexpunkten ( Zusammenfas - Lernstrategien und im Lernstrategiewissen. sen von Texten ) als bedeutsam einzustufen.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 41 Abbildung 6.4: Wissen über Lernstrategien: Geschlechterunterschiede

Leistungsunterschiede Di fferenz Knaben zugunsten Mädchen

Verstehen CH 0.37 und Behalten CH (d) 0.39 von Texten SH 0.32 ZH 0.40 AR 0.40 AG 0.41 VS (d) 0.42 SG 0.43 BE (d) 0.47 FL 0.56

Zusammenfassen CH 0.38 von Texten CH (d) 0.38 SH 0.28 AR 0.33 AG 0.35 SG 0.40 VS (d) 0.41 BE (d) 0.46 ZH 0.46 FL 0.52

signifikant –0.3 –0.2 –0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 nicht signifikant Indexpunkte

Abbildung 6.5: Zusammenhang zwischen Leseengagement, Lernstrategien, individuellen Merkmalen und den Leseleistungen im Kanton Aargau

Merkmal Differenz Leistungsunterschied

Engagement Lesevielfalt 6 Online-Leseaktivitäten 3 Freude am Lesen 21

Lernstrategien Memorieren –7 Elaborieren –6 Kontrollstrategien 8 Verstehen und Behalten von Texten 9 Zusammenfassen von Texten 21

Individuelle Soziale Herkunft: benachteiligt –16 Merkmale Soziale Herkunft: privilegiert 6 Migrationshinte rgrund –40 Kenntnis der Schulsprache: fremdsprachig –6 Geschlecht: Knaben 2

460 470 480 490 500 510 520 530 540 550 560

Leseleistung in Punkten signifikant nicht signifikant

Anmerkung: Die Balken in der Abbildung zeigen, wie gross die Bedeutung eines Merkmals ist, wenn alle anderen Merkmale konstant gehal - ten werden.

42 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Merkmale guter Leserinnen und Leser Die Ergebnisse zeigen, dass Leseengagement und Lernstrategien auch dann noch mit den Leseleistun - Aufgrund der bisherigen Analysen konnten mehrere gen zusammenhängen, wenn die Bedeutung der individuelle Merkmale identifiziert werden, die mehr Herkunftsmerkmale und des Geschlechts statistisch oder weniger eng mit den Leseleistungen zusammen - kontrolliert wurde. Insbesondere die Freude am hängen. Zum einen sind dies die Herkunftsmerkma - Lesen hängt eng mit den Leseleistungen zusammen. le, zum andern das Leseengagement und die Lern - Wer häufig liest, weist auch gute Leseleistungen auf. strategien. Weil viele dieser erklärenden Merkmale Oder umgekehrt: Wer über gute Leseleistungen ver - miteinander zusammenhängen, wurde abschliessend fügt, liest auch viel. Etwas weniger stark ist der überprüft, mit welchen Merkmalen sich gute Leserin - Zusammenhang zwischen dem Lernstrategiewissen nen und Leser charakterisieren lassen. (Verstehen und Behalten von Texten sowie Zusam - Abbildung 6.5 zeigt, wie gross die Bedeutung menfassen von Texten ) und den Leseleistungen. Wer eines einzelnen Merkmals ist, wenn die Bedeutung gut liest, ist sich auch der Bedeutung des Verstehens aller anderen Merkmale berücksichtigt beziehungs - und Behaltens sowie des Zusammenfassens von Tex - weise statistisch kontrolliert wurde. Die Balken zei - ten bewusst. Wer sich beim Lesen Texte vor allem gen, wie sich die Leseleistungen der Schülerinnen durch Wiederholen ( Memorieren ) einprägt, erreicht und Schüler nach bestimmten Merkmalen unter - eher schlechte Leseleistungen. scheiden – beispielsweise nach dem Index Freude Bemerkenswert ist, dass bei der Berücksichtigung am Lesen –, wenn alle anderen Merkmale konstant von Leseengagement, Lernstrategien und Herkunfts - gehalten werden. merkmalen der Effekt des Geschlechts nicht mehr Der erste Balken zeigt, wie sich die Leseleistungen vorhanden ist. Wenn Knaben gleich gerne lesen und verändern, wenn die Lesevielfalt um einen Index - über das gleiche Strategiewissen verfügen wie Mäd - punkt ansteigt. Die nachfolgenden Balken zu den chen, dann sind ihre Leseleistungen ebenso gut wie Online-Leseaktivitäten , zur Freude am Lesen sowie jene der Mädchen. Immer noch vorhanden sind die zur Anwendungshäufigkeit von Lernstrategien Effekte der sozialen Herkunft und der Kenntnis der (Memorieren, Elaborieren, Kontrollstrategien ) und Schulsprache. zum Lernstrategiewissen ( Verstehen und Behalten Die Ergebnisse bestätigen, dass Leseengagement von Texten sowie Zusammenfassen von Texten ) sind und Lernstrategien zu den wichtigen Bedingungen gleich zu interpretieren. erfolgreichen Lernens gehören. Dabei gilt es aller - Im Anschluss daran ist die Bedeutung der sozia - dings zu beachten, dass das Engagement im Lesen len Herkunft für die Leseleistungen anhand von zwei und der Einsatz angemessener Lernstrategien mit der Balken dargestellt. Der erste Balken zeigt die Leis - Lesekompetenz in einem wechselseitigen Verhältnis tungsunterschiede zwischen den Schülerinnen und stehen: Das Engagement und die Lernstrategien Schülern mit benachteiligter sozialer Herkunft im beeinflussen die Leseleistung und umgekehrt. Je Vergleich zu solchen mit mittlerer sozialer Herkunft, mehr man liest, desto besser liest man, was wieder - der zweite Balken jenen zwischen den Schülerinnen um den Lesegenuss und die Freude am Lesen und Schülern mit privilegierter sozialer Herkunft im erhöht 17 . Dennoch zeigen die PISA-Befunde mögli - Vergleich zu solchen mit mittlerer sozialer Herkunft. che Anknüpfungspunkte zur Förderung von Lese - Der Balken zum Migrationshintergrund zeigt die kompetenzen auf. Obschon für den Kompetenzer - Leistungsdifferenz zwischen den einheimischen werb im Lesen ausserschulische Erfahrungen und das Schülerinnen und Schülern und jenen mit Migrati - Elternhaus von grösserer Bedeutung sind als für den onshintergrund. Der Balken zur Kenntnis der Schul - Kompetenzerwerb in der Mathematik, ist der Lese - sprache zeigt den Leistungsunterschied zwischen den förderung und dem Erhalten der Lesefreude, aber deutschsprachigen und den fremdsprachigen Schü - auch der Vermittlung von Lernstrategien ein hohes lerinnen und Schülern. Der Balken zum Geschlecht Gewicht einzuräumen. Weil Lesen in allen Fächern zeigt den Leistungsunterschied zwischen Knaben eine zentrale Rolle spielt, sind zudem die Lehrperso - und Mädchen. nen aller Fächer gefordert.

17 Nurmi, J. E., Aunola, K., Salmela-Aro, K. & Lindroos, M. (2003). The role of success expectation and task-avoidance in academic perfor - mance and satisfaction: three studies on antecedents, consequences and correlates. Contemporary Education Psychology 28, 59–90.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 43 7 Veränderung der Leistungen seit PISA 2000

Eines der Hauptziele von PISA ist es, die langfristi - sende Erhebung bildet die Grundlage für Aussagen ge Entwicklung der schulischen Leistungen im Sinne über Trends in der Veränderung der Schülerleistun - von Trends zu beschreiben. Der Kanton Aargau gen. Dementsprechend können Veränderungen im beteiligt sich seit der zweiten Erhebung im Jahr 2003 Zeitverlauf für das Lesen zwischen 2000 und 2009, mit einer repräsentativen Zusatzstichprobe an PISA. für die Mathematik zwischen 2003 und 2009 sowie Insgesamt stehen Ergebnisse aus drei Zeitpunkten für die Naturwissenschaften zwischen 2006 und zur Verfügung. Haben sich die Ergebnisse in den 2009 verfolgt werden. letzten sechs Jahren verändert? Die Kantone Bern, St.Gallen und Zürich nahmen seit Beginn mit einer repräsentativen kantonalen Wie haben sich die Schülerleistungen im Stichprobe an PISA teil, weshalb die Entwicklung der Lesen verändert? Leseleistungen seit dem Jahr 2000 möglich ist. Der Kanton Aargau beteiligt sich seit 2003 an PISA, was Bei jedem PISA-Zyklus wird ein Kompetenzbereich eine Darstellung der Entwicklung der Leseleistungen besonders umfassend erhoben. Im Jahr 2000 war es über drei Messzeitpunkte ermöglicht. Abbildung 7.1 das Lesen, 2003 die Mathematik, 2006 die Naturwis - zeigt die kantonalen Entwicklungen der Leseleistung senschaften und 2009 wieder das Lesen. Eine umfas - zwischen PISA 2000 und PISA 2009. Die durch -

Abbildung 7.1: Entwicklung der Leseleistungen zwischen PISA 2000 und PISA 2009

570

560 AG 550 BE (d) 540 FL

530 SG SH

520 n

e TG s

e 510 L VS (d) m i 500 n ZH e g n

u 490 CH t s i e

L 480 CH (d) 2000 2003 2006 2009 PIS A Erhebungsjahr

Anmerkung: Die Markierungspunkte repräsentieren die durchschnittliche Leseleistung pro Erhebungsjahr. Für den Kanton Aargau ist zudem jeweils der Bereich dargestellt, in dem der Mittelwert mit einer statistischen Sicherheit von 95 Prozent zu liegen kommt.

44 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau schnittlichen Leistungen sind jeweils mit farbigen Die durchschnittliche Mathematikleistung des Kan - Linien verbunden. Im Lesen lag der Mittelwert des tons Aargau ist seit PISA 2003 nahezu unverändert Kantons Aargau in PISA 2003 bei 513 Punkten, in geblieben. In PISA 2003 erreichte der Kanton Aar - PISA 2006 bei 512 Punkten und in PISA 2009 bei gau 544 Punkte, in PISA 2006 543 Punkte und in 505 Punkten. Die geringfügigen Unterschiede zwi - PISA 2009 538 Punkte. Wiederum sind die gering - schen den Erhebungen sind statistisch nicht signifi - fügigen Unterschiede zwischen den Erhebungen sta - kant. Dies gilt auch für die leichten Veränderungen tistisch nicht signifikant. Auch in der Schweiz und in der Deutschschweiz und sämtlicher Deutschschwei - der Deutschschweiz haben sich die durchschnittli - zer Kantone. chen Mathematikleistungen seit PISA 2003 statis - Während sich die durchschnittlichen Leseleistun - tisch nicht signifikant verändert. Bei den Deutsch - gen in den letzten neun Jahren nicht veränderten, schweizer Kantonen ist einzig für den Kanton Zürich hat das Lesen zum Vergnügen in der Deutschschweiz eine statistisch signifikante Veränderung feststellbar. statistisch signifikant abgenommen. Waren es in der Zwischen PISA 2003 und PISA 2009 ist die Mathe - Deutschschweiz im Jahr 2000 noch 62 Prozent der matikleistung im Kanton Zürich um 13 Punkte auf Schülerinnen und Schüler, die angaben, täglich zum 523 Punkte statistisch signifikant zurückgegangen. Vergnügen zu lesen, so sind es im Jahr 2009 noch 53 Abbildung 7.3 zeigt die Entwicklung der naturwis - Prozent. senschaftlichen Leistungen zwischen PISA 2006 und PISA 2009. Auch für den Kompetenzbereich Natur - Wie haben sich die Schülerleistungen in wissenschaften sind sowohl für die Schweiz wie auch der Mathematik und in den Naturwissen - für alle Deutschschweizer Kantone keine statistisch schaften verändert? signifikanten Veränderungen der Leistungen über die Zeit feststellbar. Im Kanton Aargau fallen die Abbildung 7.2 zeigt die Entwicklung der Mathema - Ergebnisse mit 533 Punkten in PISA 2006 und mit tikleistungen zwischen PISA 2003 und PISA 2009. 535 Punkten in PISA 2009 nahezu identisch aus.

Abbildung 7.2: Entwicklung der Mathematikleistungen zwischen PISA 2003 und PISA 2009

570

560 AG 550 BE (d) FL 540 k i t a 530 SG m e

h SH t

a 520 M

TG r

e 510 d VS (d) n i

n 500

e ZH g n

u 490 CH t s i e

L 480 CH (d) 2003 2006 2009 PIS A Erhebungsjahr

Anmerkungen: Die Markierungspunkte repräsentieren die durchschnittliche Mathematikleistung pro Erhebungsjahr. Für den Kanton Aargau ist zudem jeweils der Bereich dargestellt, in dem der Mittelwert mit einer statistischen Sicherheit von 95 Prozent zu liegen kommt.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 45 Abbildung 7.3: Entwicklung der naturwissenschaftlichen Leistungen zwischen PISA 2006 und PISA 2009

570

560

550 AG

540 BE (d) FL 530 SG 520 SH 510 VS (d) 500 ZH 490 CH CH (d)

L 480 e

i 2006 2009 s t u n

g PIS A Erhebungsjahr e n

i n

d e n

AnmeN rkungen: Die Markierungspunkte repräsentieren die durchschnittliche naturwissenschaftliche Leistung pro Erhebungsjahr. Für den Kan - a t ton Aau rgau ist zudem jeweils der Bereich dargestellt, in dem der Mittelwert mit einer statistischen Sicherheit von 95 Prozent zu liegen kommt. r w i s s e n s c h a f t Wiee haben sich die Schülerleistungen PISA 2000 noch rund 18 Prozent der Schweizer n leis t ungsschwacher und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler zur Risikogruppe gezählt Jugendlicher verändert? werden mussten, liegt dieser Anteil in PISA 2009 noch bei rund 15 Prozent. Dieser Rückgang dürfte Die Veränderungen der durchschnittlichen Leistungen vor wiegend eine Folge der Abnahme des Anteils leis - sagen noch nichts darüber aus, wie sich die Leistun - tungsschwacher Schülerinnen und Schüler um rund gen besonders schwacher oder besonders starker 4 Prozent in der Deutschschweiz sein. In den übri - Schülerinnen und Schüler verändert haben. Bildungs - gen Sprachregionen hat sich dieser Anteil im selben politisch von Interesse ist insbesondere, ob sich der Zeitraum statistisch nicht signifikant verändert. Anteil leseschwacher Schülerinnen und Schüler, die Im Kanton Aargau hat sich der Anteil leistungs - das Kompetenzniveau 2 nicht erreichen, verändert schwacher Schülerinnen und Schüler seit PISA 2003 hat (Veränderung der Risikogruppe). Diese Jugendli - statistisch nicht signifikant verändert. In PISA 2003 chen sind zwar in der Lage, einfache Texte zu lesen, gehörten 13 Prozent, in PISA 2006 11 Prozent und Informationen zu erkennen oder die Bedeutung eines in PISA 2009 15 Prozent der Schülerinnen und Schü - definierten Textausschnittes zu erarbeiten. Ihre Kom - ler der Risikogruppe an. Für die einzelnen Kantone petenzen reichen aber nicht aus, um vom Bildungs - der Deutschschweiz sind keine statistisch signifikan - angebot effektiv profitieren zu können. Tabelle 7.1 ten Veränderungen feststellbar. zeigt die prozentualen Anteile leistungsschwacher Lesestarke Schülerinnen und Schüler – Der Anteil und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler in den lesestarker Schülerinnen und Schüler hat sich in der Jahren 2000, 2003, 2006 und 2009. Schweiz wie auch in allen Deutschschweizer Kanto - Leseschwache Schülerinnen und Schüler – In nen seit PISA 2000 statistisch nicht signifikant ver - der Schweiz ist der Anteil leseschwacher Schülerin - ändert. In der Deutschschweiz betrug dieser Anteil nen und Schüler seit PISA 2000 um rund 3 Prozent in PISA 2000 rund 8 Prozent und in PISA 2009 rund statistisch signifikant zurückgegangen. Während in 7 Prozent. Im Kanton Aargau lag der Anteil im Jahr

46 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Tabelle 7.1: Anteile leistungsschwacher und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler in den Jahren 2000, 2003, 2006 und 2009

Lesen: Kompetenzniveau <2 Mathematik: Kompetenzniveau <2 2000 2003 2006 2009 2003 2006 2009 AG 13% 11% 15% 10% 10% 12% BE (d) 19% 14% 13% 15% 11% 9% 11% FL 10% 13% 19% 12% 13% 15% SG 15% 12% 12% 15% 7% 9% 10% SH 9% 10% 6% 7% VS (d) 8% 9% 11% 7% 8% 7% ZH 24% 16% 18% 21% 13% 14% 19% CH 18% 13% 15% 15% 10% 11% 12% CH(d) 20% 12% 15% 16% 10% 11% 12%

Lesen: Kompetenzniveau 5/6 Mathematik: Kompetenzniveau 5/6 2000 2003 2006 2009 2003 2006 2009 AG 10% 8% 8% 27% 25% 25% BE (d) 7% 6% 8% 8% 20% 22% 25% FL 12% 10% 7% 27% 22% 23% SG 9% 9% 9% 9% 28% 28% 32% SH 11% 9% 32% 31% VS (d) 7% 6% 5% 25% 23% 25% ZH 10% 8% 8% 8% 26% 24% 23% CH 7% 7% 7% 7% 23% 21% 24% CH (d) 8% 8% 8% 7% 25% 23% 26%

2003 bei 10 Prozent, in den Jahren 2006 und 2009 Abnahme der Mathematikleistungen im Kanton bei rund 8 Prozent. Zwar ist im Kanton Aargau der Zürich um 13 Punkte (vgl. Abbildung 7.2) dürfte Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler seit somit vorwiegend auf die Verschlechterung der PISA 2003 leicht zurückgegangen. Die Unterschie - Mathematikleistungen im unteren Leistungsbereich de zwischen den Ergebnissen der beiden Erhebungen zurückzuführen sein. Im Kanton Aargau gehörten in sind allerdings statistisch nicht signifikant. PISA 2003 und 2006 je 10 Prozent, in PISA 2009 Leistungsschwache Schülerinnen und Schüler in rund 12 Prozent der Risikogruppe an. Mathematik – In der Schweiz ist der Anteil leistungs - Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in schwacher Schülerinnen und Schüler in der Mathe - Mathematik – Der Anteil leistungsstarker Schülerinnen matik seit PISA 2003 um 2 Prozent auf rund 12 Pro - und Schüler hat sich in der Mathematik weder in der zent statistisch signifikant angestiegen. Auch dieser Schweiz noch in der Deutschschweiz statistisch signi - Anstieg ist vorwiegend auf Veränderungen in der fikant verändert. In der Deutschschweiz betrug er in Deutschschweiz zurückzuführen, wo der Anteil um PISA 2003 rund 25 Prozent, in PISA 2009 rund 26 Pro - 2 Prozent zunahm. Innerhalb der Deutschschweizer zent. Bei den Deutschschweizer Kantonen ist einzig für Kantone ist einzig im Kanton Zürich eine statistisch den deutschsprachigen Teil des Kantons Bern eine sta - signifikante Veränderung feststellbar. Im Kanton tistisch signifikante Veränderung zu verzeichnen. Seit Zürich ist der Anteil leistungsschwacher Schülerinnen PISA 2003 ist der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler seit PISA 2003 um rund 6 Prozent auf und Schüler im deutschsprachigen Teil des Kantons 19 Prozent angestiegen. Die statistisch signifikante Bern um 5 Prozent auf 25 Prozent angestiegen.

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 47 Tabelle 7.2: Veränderung der Bedeutung von individuellen Merkmalen für die Leseleistungen zwischen PISA 2000 und PISA 2009

Geschlecht: Soziale Herkunf t1 Migrationshintergrun d2 Vorsprung Mädchen

Kanton 2000 2009 Differenz 2000 2009 Differenz 2000 2009 Differenz

Unterschiede in den Leistungsmittelwerten CH 26.3 33.2 +6.9 34.1 29.3 –4.8 89.3 66.7 –22.6 (2.9) (2.0) (6.1) (1.4) (0.9) (5.2) (4.1) (2.9) (7.1) CH (d) 26.9 34.7 +7.8 34.4 30.8 –3.7 94.3 71.2 –23.1 (3.7) (2.6) (6.7) (1.6) (1.3) (5.4) (5.0) (3.5) (7.9) AG (2003) 26.4 37.7 +11.3 31.9 30.3 –1.6 105.4 85.2 –20.2 (0.0) (5.1) (6.6) (3.7) (3.2) (6.4) (16.7) (8.4) (19.1) BE (d) 20.7 36.9 +16.2 33.9 29.7 –4.2 112.6 59.8 –52.7 (7.0) (7.6) (11.4) (3.6) (2.9) (6.7) (10.3) (10.8) (15.7) FL (2003) 20.8 36.4 +15.6 33.3 29.4 –3.9 101.3 88.2 –13.1 (11.7) (6.8) (14.1) (4.6) (5.2) (8.1) (16.5) (13.2) (21.5) SG 24.7 36.4 +11.6 33.1 37.1 +4.0 95.0 79.4 –15.6 (6.4) (5.1) (9.5) (4.4) (2.9) (7.2) (11.1) (7.8) (14.4) SH (2006) 12.1 25.6 +13.5 28.2 20.2 –8.0 78.9 63.2 –15.7 (6.7) (5.2) (9.4) (2.9) (3.4) (6.1) (9.6) (8.0) (13.1) VS (d) (2003) 13.4 34.5 +21.1 25.7 23.6 –2.1 71.1 55.8 –15.3 (5.9) (4.8) (8.6) (3.3) (2.6) (5.8) (11.5) (9.5) (15.5) ZH (2003) 3 25.8 39.8 +14.0 36.3 36.4 +0.1 99.5 76.1 –23.4 (5.7) (7.8) (10.5) (1.7) (3.1) (5.4) (6.6) (7.1) (10.5) VS (f) 14.2 32.1 +18.0 15.8 20.6 4.9 41.0 46.3 +5.4 (5.8) (5.0) (9.1) (3.5) (3.6) (7.0) (9.7) (10.7) (15.3) BE (f) (2003) 27.4 42.3 +14.9 22.9 27.2 4.3 46.1 65.1 +19.0 (7.0) (6.3) (10.3) (3.7) (3.2) (6.4) (13.4) (9.0) (16.6)

Anmerkungen: 1 Veränderung der Leseleistung beim Anstieg des Indexes der sozialen Herkunft um eine Standardabweichung. 2 Verglichen werden die Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund, die zu Hause die Schulsprache sprechen, und solche mit Migrationshintergrund (erste und zweite Generation), die zu Hause eine andere Sprache als die Schulsprache sprechen. 3 Der Vergleich wird für den Kanton Zürich zwischen 2003 und 2009 durchgeführt, weil der Effekt der sozialen Herkunft im Jahr 2000 als statistischer Ausreisser beurteilt wird. Statistisch signifikante (p < .05) Effektveränderungen sind fett gekennzeichnet. Die Standardfehler sind in Klammern ausgewiesen.

Wie hat sich die Bedeutung individueller senden Erhebungen der Lesekompetenzen in PISA Merkmale für die Schülerleistungen im 2000 und PISA 2009 lässt sich überprüfen, ob sich Lesen verändert? die Bedeutung dieser Merkmale für die Leseleistun - gen während der letzten Jahre verändert hat. Tabel - Die Schülerleistungen werden bei PISA jeweils nach le 7.2 zeigt für PISA 2000 und PISA 2009 den Zu- verschiedenen Merkmalen der Schülerinnen und sammenhang zwischen den Leistungen im Lesen und Schüler aufgeschlüsselt. Dabei zeigt sich, dass die den Schülermerkmalen Geschlecht, soziale Herkunft Leistungen vom Geschlecht, von der sozialen Her - und Migrationshintergrund. kunft und vom Migrationshintergrund der Schülerin - nen und Schüler abhängen. Aufgrund der umfas -

48 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau Geschlecht tiefer als jene der Schülerinnen und Schüler ohne Mädchen lesen besser als Knaben. In der Deutsch - Migrationshintergrund. Seit PISA 2000 hat sich die - schweiz betrug der Vorsprung der Mädchen in PISA ser Unterschied statistisch signifikant auf 71 Punkte 2000 rund 27 Punkte, in PISA 2009 rund 35 Punk - reduziert. Diese Abnahme zeigt sich in allen Kanto - te. Die Veränderung des Geschlechterunterschieds nen der Deutschschweiz. Sie ist allerdings nur im von rund 8 Punkten ist allerdings statistisch nicht deutschsprachigen Teil des Kantons Bern (minus 53 signifikant. Die Stabilität des Geschlechterunter - Punkte) und im Kanton Zürich (minus 23 Punkte) schieds zeigt sich auch innerhalb der Kantone. Zwi - statistisch signifikant. schen PISA 2000 und PISA 2009 hat sich dieser in allen Deutschschweizer Kantonen statistisch nicht signifikant verändert. Im Kanton Aargau betrug der Rückstand der Knaben gegenüber den Mädchen in PISA 2003 rund 26 Punkte, in PISA 2009 rund 38 Punkte.

Soziale Herkunft Für den Vergleich des Zusammenhangs zwischen der Leseleistung und der sozialen Herkunft konnte nicht der Index zum wirtschaftlichen, sozialen und kultu - rellen Status (ESCS) verwendet werden, weil dieser in den PISA-Erhebungen 2000 und 2009 verschieden definiert war. Stattdessen wurde der Index zum sozioökonomischen Status (HISEI) verwendet, der aufgrund des Berufs der Eltern gebildet wird. Der Index des sozioökonomischen Status hängt positiv mit den Leseleistungen zusammen. In der Deutsch - schweiz führt der Anstieg des Indexes um eine Stan - dardabweichung zu einem Anstieg der Leseleistun - gen um rund 34 Punkte in PISA 2000 und um rund 31 Punkte in PISA 2009. Der Unterschied von rund 3 Punkten zwischen den beiden Erhebungen ist statistisch nicht signifikant. Der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Leseleistung hat sich während den letzten neun Jahren somit nicht verändert. Dies gilt für alle Deutschschweizer Kantone.

Migrationshintergrund Neben der sozialen Herkunft ist auch der Migrations - hintergrund für die Leseleistungen von Bedeutung. Von besonderem Interesse ist der Leistungsunter - schied zwischen den Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund. Zusätzlich wurde bei diesem Vergleich die Sprache der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt beziehungsweise statis - tisch kontrolliert. In der Deutschschweiz waren die Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in PISA 2000 um 94 Punkte

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 49 8 Fazit

PISA im Kanton Aargau – Der Kanton Aargau hat zum Leistungen nicht aus, Ausbildungs- oder Berufslauf - dritten Mal mit einer zusätzlichen repräsentativen bahnen einzuschlagen, die ein naturwissenschaftli - Stichprobe der Schülerinnen und Schüler der 9. Klas- ches Verständnis verlangen. Der Anteil leistungs - sen am internationalen Schulleistungsvergleich PISA schwacher Schülerinnen und Schüler variiert in den teilgenommen. Der Vergleich ermöglicht eine Stand- Deutschschweizer Kantonen im Lesen zwischen 10 ortbestimmung aufgrund einer alltagsbezogenen und 21 Prozent, in der Mathematik zwischen 7 und Grundbildung im Lesen, in der Mathematik und in 19 Prozent und in den Naturwissenschaften zwi - den Naturwissenschaften. Die mit PISA erfasste Grund- schen 7 und 21 Prozent. bildung hat sich als bedeutsam für den reibungslosen Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler – Der Übertritt in den Arbeitsmarkt und eine aktive Teilnah- Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler ent - me am gesellschaftlichen Leben erwiesen. spricht im Kanton Aargau etwa dem Anteil in der Durchschnittliche Leistungen im nationalen Ver- Deutschschweiz. Er beträgt im Lesen 8 Prozent, in gleich – Wie bei den Erhebungen zuvor schneidet der der Mathematik 25 Prozent und in den Naturwissen - Kanton Aargau bei PISA 2009 in den Naturwissen- schaften 14 Prozent. Der Anteil leistungsstarker schaften besonders gut ab. Einzig der Kanton Schaff- Schülerinnen und Schüler variiert in den Deutsch - hausen erreicht einen um 11 Punkte höheren Mittel- schweizer Kantonen im Lesen zwischen 5 und 9 Pro - wert auf der PISA-Skala. Der Unterschied von 11 zent, in der Mathematik zwischen 23 und 33 Prozent Punkten ist allerdings nicht bedeutsam. In der und in den Naturwissenschaften zwischen 7 und 17 Mathematik und im Lesen beträgt der Rückstand Prozent. des Kantons Aargau auf die Kantone mit den höchs- Sozialer und kultureller Kontext – Während im ten Mittelwerten rund 20 Punkte. Diese Differenz ist Kanton Aargau der Anteil Schülerinnen und Schüler als klein zu beurteilen. Die Ergebnisse in der Mathe- mit Migrationshintergrund beziehungsweise der matik und in den Naturwissenschaften sind mit 538 Anteil fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler beziehungsweise 535 Punkten auch im internationa- vergleichsweise hoch ist, ist die Schülerschaft gemes - len Kontext als gut zu beurteilen. Einzig im Lesen fällt sen an der sozialen Herkunft nicht besonders hete - das Ergebnis des Kantons Aargau mit 505 Punkten rogen. Die Schulen des Kantons Aargau sind zwar etwas weniger gut aus18. durch die Heterogenität der Schülerschaft mehr Leistungsschwache Schülerinnen und Schüler – gefordert als beispielsweise jene des Kantons Schaff - Gemessen am Anteil leistungsschwacher Schülerin- hausen, aber deutlich weniger, als jene des Kantons nen und Schüler fällt das Ergebnis des Kantons Aar- Zürich, wo die Unterschiede zwischen den Schülerin - gau etwas weniger positiv aus. Im Lesen beträgt der nen und Schülern sowohl in der sozialen Herkunft als Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler auch in den Leistungen am grössten sind. 15 Prozent, in der Mathematik 12 Prozent. Diese Bedeutung des Kontexts für die Ergebnisse – Ein Schülerinnen und Schüler werden auch als Risiko- beachtlicher Teil der Leistungsunterschiede zwischen gruppe bezeichnet, weil ihre Leistungen im Lesen den Kantonen lässt sich auf die kantonal unterschied - und in der Mathematik kaum für einen reibungslo- liche soziale und kulturelle Zusammensetzung der sen Übertritt in die Berufsbildung oder in weiterfüh- Schülerschaft zurückführen. Je grösser der Anteil rende Schulen der Sekundarstufe II ausreichen. Für fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler mit 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler des Kan- Migrationshintergrund ist, desto geringer fallen die tons Aargau reichen die naturwissenschaftlichen kantonalen Mittelwerte aus. Werden die durch -

18 Die Ergebnisse werden auf der PISA-Skala abgebildet, deren Mittelwert aufgrund der mittleren Leistungen der OECD-Länder auf 500 Punk - te fixiert wurde. Die Fixierung des Mittelwerts erfolgte für das Lesen im Jahr 2000, für die Mathematik im Jahr 2003 und für die Natur - wissenschaften im Jahr 2006.

50 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau schnittlichen Leseleistungen nur aufgrund der Schü - besteht die Gefahr, dass die Klassen in Bezug auf die lerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund, Leistungen, aber auch in Bezug auf die soziale und die sich zu Hause in der Schulsprache unterhalten, kulturelle Herkunft der Schülerinnen und Schüler je berechnet, dann fallen auch die kantonalen Unter - länger je homogener werden. Homogene Lerngrup - schiede etwas geringer aus. Der Kanton Aargau pro - pen am unteren Ende der Leistungsskala können vor fitiert von diesem Vergleich. Einzig der Kanton allem dann zum Problem für ein Bildungssystem wer - Schaffhausen erreicht bei den Leistungen einheimi - den, wenn sich die Lerngruppen nur noch aus leis - scher, deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler in tungsschwachen und sozial benachteiligten Schüle - der Deutschschweiz leicht höhere Mittelwerte als der rinnen und Schülern zusammensetzen. Je geringer Kanton Aargau. Im Lesen beträgt der Rückstand des der Anteil Schülerinnen und Schüler ist, der die Real - Kantons Aargau auf den Kanton Schaffhausen nach schule besucht, desto grösser ist die Gefahr, dass in Berücksichtigung des Kontexts noch 14 Punkte, in der den Realklassen ungünstige Lern- und Entwicklungs - Mathematik noch 17 Punkte. Diese Unterschiede sind milieus entstehen und die Schülerinnen und Schüler als klein zu beurteilen. Die durchschnittlichen Leistun - die obligatorische Schulbildung ohne ausreichende gen in den Naturwissenschaften unterscheiden sich Grundbildung abschliessen. zwischen dem Kanton Aargau und dem Kanton Unterrichtszeit – Mit den Daten von PISA 2006 Schaffhausen nicht mehr statistisch signifikant. konnte aufgezeigt werden, dass zwischen der Unter - Schulstrukturen – Der enge Zusammenhang zwi - richtszeit und den Leistungen in Mathematik und schen Herkunft und Leistung zeigt sich auch bei den Naturwissenschaften ein positiver Zusammen - der Darstellung der Ergebnisse nach Schultyp: Je an- hang besteht. Je mehr Unterrichtsstunden für die spruchsvoller der Schultyp ist, desto privilegierter ist Fachbereiche aufgewendet werden, desto höher sind die soziale Zusammensetzung der Schulen und desto die durchschnittlichen kantonalen Leistungen. Dies höher sind die durchschnittlichen Leistungen der zeigt sich der Tendenz nach auch für den Zusammen - Schulen. Die Bezirksschulen erreichen klar die höchs - hang zwischen der Unterrichtszeit der Schulsprache ten Mittelwerte, die Realschulen die tiefsten. Die und den Leseleistungen. Die Leseleistungen sind Leistungsunterschiede zwischen den Schultypen sind aller dings ein zu komplexes Phänomen, als dass sie erwartungsgemäss gross. Weniger eindeutig lassen zu weiten Teilen auf eine singuläre Einflussgrösse wie sich die einzelnen Schülerinnen und Schüler aufgrund die Unterrichtszeit zurückgeführt werden könnten. der Leistungen im Lesen, in der Mathematik und in Die Leseleistungen werden stärker von der sozialen den Naturwissenschaften einem Schultyp zuordnen. Herkunft beeinflusst als die Leistungen in Mathe - Ein Teil der Schülerinnen und Schüler der Realschu - matik und den Naturwissenschaften. Mit einer ver - le erreicht Leistungen, die über dem Mittelwert der gleichsweise hohen Stundendotation sind im Kanton Sekundarschule liegen und ein Teil der Schülerinnen Aargau auf der Sekundarstufe I die Voraussetzungen und Schüler der Sekundarschule erreicht Leistungen, für eine ausreichende Leseförderung im Schulsprach - die über dem Mittelwert der Bezirksschule liegen. unterricht gegeben. Die gesamte Unterrichtszeit für Die Überlappung der Schulleistungen in den ver - alle Fächer ist hingegen im Kanton Aargau auf der schieden anspruchsvollen Schultypen macht deut - Sekundarstufe I vergleichsweise gering. lich, wie problematisch es ist, wenn die Fähigkeiten Lesehäufigkeit und Lernstrategien – Der Anteil der Schülerinnen und Schüler einzig aufgrund des Schülerinnen und Schüler, die zum Vergnügen lesen, besuchten Schultyps beurteilt werden. ist in den letzten neun Jahren in der Schweiz um Ungünstige Lern- und Entwicklungsmilieus – Die rund 9 Prozent zurückgegangen. Diese Abnahme ist grosse Mehrheit der leistungsschwachen Schülerin - auch im Kanton Aargau feststellbar. Im Jahr 2009 nen und Schüler besucht die Realschule, nur wenige lesen im Kanton Aargau noch 40 Prozent der Kna - die Sekundarschule. Die Aufteilung der Schülerschaft ben und 68 Prozent der Mädchen gerne. Mädchen auf die Schultypen der Sekundarstufe I lässt sich lesen häufiger als Knaben, sie wenden beim Lesen demnach leistungsmässig legitimieren. Weil aller - auch häufiger Lernstrategien an und verfügen über dings nur rund ein Fünftel der Schülerinnen und effektivere Strategien für das Verstehen, Behalten Schüler im Kanton Aargau die Realschule besuchen, und Zusammenfassen von Textinformationen als

PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau 51 Knaben. Die Lesehäufigkeit und die Nutzung von Lernstrategien zahlen sich aus. Mädchen erreichen statistisch signifikant bessere Leseleistungen als Kna - ben. Die Geschlechterdifferenzen im Lesen lassen sich durch den Vorsprung der Mädchen in Bezug auf Lesehäufigkeit und Lernstrategien vollständig erklä - ren. Wer häufig liest, weist auch gute Leseleistungen auf. Oder umgekehrt: Wer über gute Leseleistungen verfügt, liest auch häufig. Veränderungen über die Zeit – Die Ergebnisse des Kantons Aargau in den Jahren 2003, 2006 und 2009 unterscheiden sich statistisch nicht signifikant. Auch in den anderen Kantonen der Deutschschweiz sowie in der Schweiz insgesamt haben sich die durch - schnittlichen Leistungen in den meisten Kantonen statistisch nicht signifikant verändert. Obwohl der Anteil Schülerinnen und Schüler mit Migrationshin - tergrund beziehungsweise der Anteil fremdsprachi - ger Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren angestiegen ist, sind die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im Wesentlichen stabil geblieben. Die Leistungsunterschiede im Lesen zwischen Schülerin - nen und Schülern mit und ohne Migrationshinter - grund sind in der Schweiz sogar geringer geworden. Ausblick – Der als Programm angelegte interna - tionale Vergleich PISA zeigt, dass sich die Schulleis - tungen während des letzten Jahrzehnts kaum wesentlich verändert haben, weder im Kanton Aar - gau noch in den anderen Kantonen der Deutsch - schweiz. Dies bedeutet, dass das vor rund zehn Jah - ren erkannte Problem auch heute noch besteht: Es gibt in der Schweiz und im Kanton Aargau zu viele Schülerinnen und Schüler, denen es gemäss PISA während der obligatorischen Schulzeit in den zwei basalen Kulturtechniken Lesen und Mathematik nicht gelingt, das für die berufliche und gesellschaft - liche Integration notwendige Wissen und Können zu erwerben. Wie dieser Anteil nachweislich reduziert werden kann, ist bis heute unklar geblieben. Daher scheint es angemessen, statt neue Massnahmen zu ergreifen, zuerst die Wirkung bisher umgesetzter Projekte zur Förderung leistungsschwacher Schüle - rinnen und Schüler kritisch zu überprüfen. Dies gelingt vermutlich einfacher, wenn nicht erst am Ende der obligatorischen Schulzeit gesicherte Infor - mationen über die Leistungen der Schülerinnen und Schüler vorliegen, sondern bereits zu früheren Zeit - punkten ihrer Schullaufbahn.

52 PISA 2009: Porträt des Kantons Aargau