Veröffentlichungsreihe der Abteilung "Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunktes Technik-Arbeit-Umwelt am WZB

FS I I 95-106

Vom "Ervolkswagen" zum Designer-Schmuckstück Automobilwerbung in Publikumszeitschriften (1952-1994)

Kristina Vaillant

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50,10785 Berlin Inhalt Seite 1. Einleitung 1

2. Die 50er Jahre: Das Auto als Vehikel des Aufstiegs 3

3. Die 60er Jahre: Spaß an der automobilen Überlegenheit 6

4. Die 70er Jahre: 8 a. Fortschritt und Technik: Kampf um den technischen Vorsprung b. Technik und Sicherheit: Argumente zur Rationalisierung c. Autofahren als Erlebnis

5. Die 80er Jahre: 19 a. Mit dem VW 'sparen': - bei noch mehr Luxus, Leistung und Spaß b. Mit einem 'sparen': "hohe Leistung (...) betont wirtschaftlich" c. Wird das Auto umweltfreundlich? d. Das multifunktionale und klassenlose Auto

6. Die 90er Jahre: 37 a. Opel - eine "neue Generation" von Automobilen? b. Das neue Automobil: individuell und multifunktional c. Das Designer-Fahrzeug und das Cabrio zum Träumen

7. Ergebnis 46

Literatur 51 Zusammenfassung

In der Zeitschriftenwerbung für Automobile zeigt sich über den Zeitraum von fünf Jahr­ zehnten eine bemerkenswerte Kontinuität von Themen. Die Autos werden durchgehend mit den Attributen wie 'Sport', 'Reisen' und 'Spaß' umworben. Neue Themen wie 'Sicher­ heit', 'Wirtschaftlichkeit' und 'Umweltschutz' werden zwar aufgenommen, aber nur vor der Folie dieses festgefügten Themenkanons interpretiert. Eine Alltagsnutzung blendet die Werbung weitgehend aus. Die 90er Jahre - von zunehmenden Verkehrsproblemen geprägt - zeigen das Auto in der Werbung nicht mehr an seinem liebsten Platz, auf der Straße, es wird an Orten abgebildet, an die es in Wirklichkeit nie gelangen würde.

Abstract This paper examines the advertisement for automobiles in the print-media from the 50s through the 90s. Several themes, such as sports, travel, fun luxury and leisure have proved to be dominant throughout the decades. Images of the daily use of automobiles are almost altogether left out. When new themes, such as safety, economy and environmental protection are mentioned, they do not ever stand for themselves but are interpreted in favour of the 'traditional' themes. Since the beginning ot the nineties - facing severe traffic problems - the automobil in advertisement disappears from the streets and can be found in locations, where it would never be found in reality. 1

1. Einleitung

Angesichts steigender Verkehrsprobleme, die auch die Titelgeschichten des Spiegels seit den späten 80er Jahren dokumentieren (z.B. am 15. Juni (25) 1987: "Rennbahn Deutsch­ land. Ein Volk fährt Amok" oder am 30. Juli (31) 1990: "Der mobile Wahnsinn. Millionen Deutsche unterwegs"), verkörpert das Automobil in der Werbung mehr denn je einen symbolischen Wert. Ein Wert, der sich offenbar auch im tatsächlichen Gebrauch der Automobile spiegelt. Laut eines Berichts in der tageszeitung nehmen die tätlichen Aus­ einandersetzungen zwischen Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern erheblich zu. Nach Aussage der Psychologin Christina Jänisch sind davon besonders "die braven Familienväter" betroffen. Für sie habe das Auto einen hohen ideellen Wert und die Identifikation damit sei sehr stark. Wenn das Auto bedroht ist, sei immer auch ein Teil der Identität bedroht. Eine andere typische Tätergruppe "sind Männer zwischen 35 und 45, oftmals beruflich sehr erfolgreich. Die praktizieren dann ein ähnliches Durchset­ zungsverhalten auch im Verkehr" (Gaserow 1994). In diesem Jahr meldet dpa, daß die Deutschen in ihrem Auto am liebsten einfach "nur durch die Gegend fahren". Das habe eine Studie des Freizeit Forschungsinstituts der British-American-Tobacco (B.A.T.) erge­ ben (vgl. die tageszeitung, 13. Juni, 1995). Der Gebrauch des Autos scheint offenbar bis­ weilen von dem in der Werbung vermittelten Bild gar nicht so weit entfernt zu sein. Von der Wissenschaft angekündigte Ab- oder Auflösungstendenzen des am Leit­ bild Renn-Reise-Limousine orientierten Automobils in den hochindustrialisierten Län­ dern des Nordens sind in der Werbung jedenfalls nicht ablesbar. Im Gegenteil - es wird immer wieder neu in Szene gesetzt. Wegen der veränderten, das Auto in seiner jetzigen Form bedrohenden Rahmenbedingungen, entfernt sich das Auto in der Werbung immer weiter von einem Gebrauchsgegenstand. Das Auto wird zur Geldanlage, zum begehrten Luxusartikel oder zum Liebhaberobjekt. So kann es sich in der Werbung den Herausforderungen entziehen und weiterhin seine automobilen Eigenschaften pflegen. Das Vehikel des Rückzugs tritt nun selbst den Rückzug an. Ganz nach dem Motto der Opel-Werbung: Voraussage für die Zukunft: Wetter unberechenbar, Vectra weiterhin bestän­ dig (Vectra 28/1991). Dem scheinen auch die beständig, aber stets unerwartet steigen­ den Zahlen der Autoneuzulassungen zu entsprechen. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Automobilwerbung in den Printmedien seit den 50er Jahren. Die Auswahl der Werbekommunikate beschränkt sich auf Kam­ pagnen, die in der Zeitschrift Der Spiegel in den Jahren 1952 bis 1994 veröffentlicht wur­ den. Eine Untersuchung der Werbung in den Printmedien scheint deshalb angemessen, weil hier im Gegensatz zu den audiovisuellen Medien noch immer der größte Teil der Werbung erscheint und auch das meiste Geld für Werbung ausgegeben wird (vgl. von Mende 1991, S.51). Die Effektivität von Werbung in den Printmedien wird außerdem gesteigert, weil hier auf eine lange Bildtradition zurückgegriffen werden kann (vgl. 2

Rieck 1992, S.14). Als einzelne Zeitschrift bietet sich für eine solche Untersuchung besonders Der Spiegel an, da diese Zeitschrift als meinungsführendes Medium in Deutschland gilt (vgl. Fischer Lexikon Publizistik 1989, S.62) und seine Leser zu den sogenannten Trendsensiblen gehören. Darunter faßt die Werbeforschung den Teil der Bevölkerung, der neue Entwicklungen früh aufgreift, deren gesellschaftliches Engage­ ment überdurchschnittlich ist und deren Schwerpunkt bei den unter 30jährigen mit höherer Bildung und besserverdienenden Haushalten liegt (vgl. von Mende 1991, S.70f) Im Laufe der Jahrzehnte ist die Zahl der Kampagnen angestiegen und der Rhyth­ mus ihrer Veröffentlichungen kürzer geworden. Dementsprechend haben sich die Wer­ beetats der Automobilhersteller seit den 50er Jahren vervielfacht. Hatte der Wolfsbur­ ger Volkswagenkonzern in den ersten Nachkriegsjahren mit seinem konkurrenzlosen Produkt, dem Käfer, Werbung kaum nötig, so verfügt der Konzern heute über einen der höchsten Werbeetats innerhalb der deutschen Automobilindustrie. Je stärker umkämpft der Automobilmarkt, je höher der Sättigungsgrad mit Automobilen, desto größer wurde der Werbeaufwand. So stiegen die Werbekosten, umgerechnet auf jedes Auto, bei VW von 75 DM im Jahre 1984 auf 202 Mark im Jahre 1990. Opel dagegen inve­ stierte bereits 1984 eine Summe von 201 DM pro Auto und erhöhte die Investitionen auf 287 DM im Jahre 1990 (vgl. von Mende 1991, S.154). 1993 investierten die Automobilher­ steller etwa "2 Milliarden Mark in die klassischen Medien, 238 Millionen mehr als 1992, davon 75% in Printmedien" (Vorwort der Stern-Anzeigenabteilung in: Zukunft Auto - Szenarien der Mobilität 1994, S.5). Wegen der großen Fülle an Material wurde die Untersuchung auf zwei Automo­ bilhersteller, nämlich Volkswagen und Opel, beschränkt. Sowohl Volkswagen als auch Opel gehören zu den größten Herstellern von Pkws in Deutschland, ihre Flotte umfaßt Fahrzeuge fast aller Klassen und Typen. Für die Untersuchung wurden 716 (davon 373 if- von Opel und 343 von VW) ein- und mehrseitige Werbekommunikate ausgewertet . Nicht nur die Quantität, auch die Qualität der Werbung in den Printmedien hat sich über die Jahrzehnte stark verändert. Schwarzweiß-Graphiken und genrehafte Illu­ strationen sind Hochglanzphotos in Farbe gewichen, und Opel findet stellenweise zur inzwischen wieder als anspruchsvoll geltenden Schwarzweiß- Photographie zurück. Manche Kampagnen wie die für den VW-Käfer in den 60er Jahren sind als besonders intelligent gelobt worden, andere wurden in ihrer Wirkung als zu emotional einge­ schätzt und zogen Klagen an den Werberat (Selbstkontrollgremium der Werbewirt­ schaft) nach sich. Sowohl Siegfried Reineckes ausführliche Untersuchung über die Bedeutung des Kollektivsymbols Automobil (1992) wie auch die vorliegende Untersuchung gehen davon aus, daß "allen technischen Artefakten ein 'Mehr' an kultureller Bedeutung

* Bei dieser Auszählung sowie bei der weiteren Erwähnung von einzelnen Werbeanzeigen wurde das erste Erscheinungsdatum berücksichtigt. Die Werbeanzeigen wurden teilweise in darauffolgenden Ausgaben des Spiegel mehrere Male wiederholt, in Einzelfällen bis zu fünf Mal. 3 anhaftet" (Reinecke 1992, S.16). Oder, wie es W. Sachs (1984, S.109) in Anlehnung an R. Barthes Vergleich von Kathedrale und Automobil ausdrückt: "Wie die Kathedrale nicht bloß ein Schutzraum ist, so ist das Automobil nicht bloß ein Transportmittel (...)". Eben dieses 'Mehr', das die Symbolik des Automobils ausmacht, macht sich die Werbung zunutze. Wobei hier offen bleiben muß, inwieweit die Werbung nicht selbst dieses 'Mehr' mitproduziert. Es wird kaum mit einem tatsächlichen, alltäglichen Gebrauchs­ wert geworben. Es ist der symbolische Wert, der für Käufer wie Verkäufer in erster Linie den Tauschwert ausmacht. In einer Werbekampagne für den aus dem Jahr 1969 wird dieses "'Mehr' an kultureller Bedeutung" in verschiedenen Anzei­ gen der gleichen Kampagne in die folgenden Werbeslogans übersetzt: Technik, mehr als man braucht (...) Fahrsicherheit und Fahrkomfort, Kraft - Beschleunigung: mehr als genug. Macht überlegen und gibt Sicherheit. So deutlich und ohne Umschreibung wird dieses 'Mehr' selten in die Werbesprache übersetzt. Deshalb kann diese Kampagne als pro­ grammatisch für die gesamte Automobilwerbung für Pkws angesehen werden. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Automobil zum Massenprodukt geworden, obgleich die katastrophale Verkehrssituation dazu geführt hat, daß die mit dem Auto verbundene Bewegungsfreiheit zunehmend eingeschränkt ist. Welchen Einfluß haben diese Entwicklungen auf die Strategien, mit denen das Auto umworben wird? Offensichtlich ist der Einfluß solcher Faktoren, die mit dem tat­ sächlichen Gebrauch des Automobils Zusammenhängen, eher gering. Der Werbung gelingt es immer wieder, das Auto als Symbol zu stabilisieren. Das mit dem Auto ver­ knüpfte Leitbild der Renn-Reise-Limousine (vgl. Canzler/Knie 1994) wird über die Jahrzehnte in der Werbung erfolgreich verteidigt.

2. Die 50er Jahre: Das Auto als Vehikel des Aufstiegs

In der Werbung der 50er Jahre wird das Automobil einerseits als Vehikel des indivi­ duellen gesellschaftlichen Aufstiegs und andererseits als Motor des kollektiven Auf­ stiegs der Deutschen als Volk dargestellt. Das Auto soll den ökonomischen Fortschritt sichern. Dies wird besonders in der VW-Werbung dieses Jahrzehnts deutlich, als der VW mit der "'Auferstehung' des deutschen Volkes identifiziert wurde" (Reinecke 1992, S.211). Der Käfer und sein Konstrukteur, Ferdinand Porsche, waren die ersten Nach­ kriegshelden ebenso wie Heinz Nordhoff als Generaldirektor des VW-Werks neben Adenauer und Erhard zum "'Vater' des Wirtschaftswunders" (ebd., S.224) avancierte. In den stilisierten Schwarzweiß-Graphiken der VW-Werbung von 1952 bis 1960 fährt der Käfer schnell und wendig, immer mit einem Stück Vorsprung, unbeirrt in die vielversprechende Zukunft. Dynamisch, in perspektivischer Verkürzung dargestellt, nimmt er Hindernisse und Kurven und ist auf dem Weg an die Spitze: "Hier geriet die 4

Silhouette von Nierentischen zur dramatischen Steilkurve, auf der der Käfer neuen Höhen entgegen fuhr" (von Mende 1991, S.31). Der Kauf eines VW Käfers läßt die Besit­ zer am Fortschritt und dem damit verbundenen optimistischen Blick in die Zukunft teilhaben. Er sollte die "lang versprochene Teilhabe an den hochwertigen Gütern der industriellen Produktion als Teilhabe am Lebensgefühl der Modernität" sichern (Reinecke 1992, S.211). Der VW Käfer sorgt für Wohlstand und wiedererlangte Anerkennung in der Welt. Dies sollen auch die auf jeder Anzeige präsentierten Tabellen der stetig steigenden Pro­ duktions- und Exportzahlen belegen. Das Konzept hat sich bewährt, der Käfer hat schon ein gutes Stück 'Straße' zurückgelegt und strebt immer noch vorwärts und auf­ wärts - auch dies belegen die Zahlen. Der Volkswagen Käfer ist schnell und wendig auf allen Straßen (6/1952), er ist begehrt in aller W elt... ständig im Vorsprung ... dem Fortschritt offen zugewandt (7/1953). Er ist einmalig und millionenfach bewährt (1/1957) und Volkswa­ gen liegt weit an der Spitze (1/1969). Auch die Automobile von Opel präsentieren sich in dieser Zeit als zuverlässige Vehikel des Aufstiegs: Opel, der Zuverlässige liegt sicher in der Kurve und bringt seine Passagiere sogar sicher durchs Fegefeuer, denn Tag und Nacht drehen Werksfahrer ihre Run­ den durch die Steilkurven der Schnellfahrbahn des Opel-Prüffeldes (4.8.1954). Die Katastrophe des Krieges ist überstanden, doch überall drohen neue Gefahren: Opel, der Zuverlässige aber bringt uns sicher und schnell an jedes Ziel. Mit ihm können wir getrost den Berg des Wirtschaftswunders erklimmen. Er meistert alle Widrigkeiten, ob es der frisierte Asphalt ist, der die Karosserie zerstören will, oder der Sturmangriff auf Räder, Federn und Achsen (26.5.1954). Der Opel Kapitän ist ein zuverlässiger Garant und Gefährte des Auf­ stiegs (15.2.1956): Seine Leistungsfähigkeit ist größer, so lautet die Überschrift. Das Bild zeigt einen Opel Kapitän, der vor einem Bürogebäude geparkt ist. Nur ein Büro ist noch erleuchtet. Der leistungsfähige Angestellte macht natürlich Überstunden. Nur so kommt man nach 'oben' und übernimmt das Steuer des 'Kapitäns': Kaum hörbar - so leise verrichtet der Opel-Kurzhubmotor seinen zuverlässigen Dienst. Doch welch enorme Beschleuni­ gungskraft steckt in seinen 75 PS! Hier werden durch das Automobil und seine Technik (vor allen Dingen auf den Motor bezogen) einerseits ökonomische und andererseits soziale Analogien konstruiert und anschaulich gemacht. Der wird als Reisewagen angeboten. Die Kleinfamilie bepackt den Kofferraum ihres Wagens vor der Einzäunung ihres Einfamilienhauses: Nun hat man einen Wagen mit sehr viel Platz. Jetzt braucht man vor der Urlaubsreise keine Koffer per Bahn zu schicken (Oktober 1955), so werden die Vorzüge der Reise im Auto beschrieben. Das Einfamilienhaus, das Auto vor der Tür und die Urlaubsreise sind die Indikatoren eines gelungenen Aufstiegs. Julius Bierbaum, einer der ersten Autoreisenden, sah den Vorteil des Autos im Ge­ gensatz zum Massentransportmittel Eisenbahn: "Die Eisenbahn transportiert uns - und 5

das ist der direkte Gegensatz des Reisens. Wir sind zur Passivität verurteilt - und Rei­ sen bedeutet freieste Aktivität" (zit. in Sachs 1984, S .lll). Der Zusammenhang von Auto und Reisen ist also fast schon so alt wie das Automobil selbst. Der besondere Aspekt des Reisens liegt beim Automobil in Motiven wie "die Kulisse zu wechseln, sich mal wieder andere Luft um die Nase wehen zu lassen, 'alles' hinter sich zu lassen (...). Moti­ ve mit dem Leitthema 'Flucht aus Zwängen'", die, so meint Sachs (ebd., S.127), "tief in die Erlebniskraft des Autos eingelassen" sind. Dieses Leitthema wird auch in der Wer­ bung immer wieder zitiert. Der Überstunden leistende Angestellte kann im Opel Kapi­ tän seinen wohlverdienten Feierabend beginnen, so behaglich, als säße man bereits daheim im Lieblingssessel (...) Wenn man Kapitän fährt, fühlt man sich entspannt (15.2.1956). In den 50er Jahren spielte das Auto als Rückzugsmöglichkeit eine besondere Rolle. Erich Käst­ ner fand dafür die Bezeichnung "motorisierter Biedermeier" (zit. in Reinecke 1992, S.212).

Zusammenfassung

Die Autowerbung der 50er Jahre wird oftmals als bescheiden oder als Ausdruck einer echten "Nutzpräsentation" beschrieben (vgl. Kriegeskorte 1994, S.6). Aus der heutigen Perspektive mag diese Werbung, die mit jeweils fünf Exemplaren (!) von der ersten Spiegel-Ausgabe 1952 bis zum Jahre 1960 auskommt, in der Tat schon rein quantitativ mehr als bescheiden erscheinen. Auch die Texte und Bilder wirken, verglichen mit dem, was die Konsumenten heute von der Werbung gewöhnt sind, eher zurückhaltend. Von einer Nutzpräsentation kann allerdings kaum die Rede sein. Der VW-Käfer fährt in der Werbung nicht auf einer wirklichen Straße, er transportiert keine Passagiere, sondern erklimmt die Straße des Erfolgs. Die Darstellung des auf den Werbephotos scheint einer Nutzpräsentation näher zu kommen. Von fünf Werbekommunikaten zei­ gen drei den Wagen auf dem Prüffeld, auf den zwei übrigen ist er vor dem Büro und vor dem Einfamilienhaus geparkt. Auch bei diesen Bildern kann im Zusammenhang mit dem Anzeigentext nicht von einer Nutzpräsentation gesprochen werden, vielmehr machen sie aus dem Auto wiederum ein Vehikel des Aufstiegs und des Rückzugs. Bis auf die genannte Anzeige für den Opel Kapitän (15.2.1956) ist von Motorstärke und PS-Zahlen kaum die Rede. Aber schon 1960 präsentiert Volkswagen in seiner letz­ ten rein graphisch gestalteten Anzeige seinen neuesten Volkswagen. Die Liste der Neue­ rungen gegenüber dem Vorgängermodell wird angeführt durch: mehr PS (...) Motorlei­ stung von 30 auf 34 PS erhöht. 6

3. Die 60er Jahre: Spaß an der automobilen Überlegenheit

Bei VW kommt dieser "Spaß an der automobilen Überlegenheit" zu Beginn der 60er Jah­ re noch sehr zurückhaltend zum Ausdruck. Doch trotz einiger Rückfälle in die PS- Bescheidenheit der 50er Jahre schafft auch VW den Anschluß an die beginnende Aufrü­ stung der Motoren. In den 60er Jahren setzte eine Differenzierung nach verschiedenen Autotypen auch bei VW ein und so wurde versucht, den Käfer in dieses neue, den ver­ änderten Konkurrenzbedingungen angepaßte Konzept, einzugliedern. Der Käfer soll zwar weiterhin praktisch sein. Wirtschaftlich. Vernünftig. (...) Das ist die VW Idee. Sie war's von Anfang an. Und sie ist, was wir nicht ändern (1962). Bei den Veränderungen steht aber die Steigerung der Motorleistung an erster Stelle. Wir ändern etwas am Volkswagen, wenn es einen Grund dafür gibt, heißt es in einer Anzeige aus dem Jahr 1962 (44/1962): der Motor ist stärker. Die Bremsen sind größer. 1963 erscheint das erste neue Modell neben dem Käfer, der VW 1500. Und schon 1964 wird der Käfer mit ganz anderen Argumen­ ten umworben, nämlich daß er sich durch entsprechende Motorleistung von den 'schwächeren' abhebt, um gestärkt - das sind mir die 1200 ccm beim VW wert (...) Dafür habe ich meine 34 PS im Rücken - aus der Konkurrenz hervorzugehen (VW Käfer 1964/42). Auf einer Anzeige des Jahres 1965 wird wieder stark an das 'Vernunft'-Kon­ zept, für die die 'Wirtschaftlichkeit' des Käfers steht, angeknüpft und an die Vernunft der Käfer-Fahrer appelliert. Hier heißt es über den Motor: Wir könnten den Motor stärker machen, damit Sie mehr Kilometer pro Stunde schaffen. Aber dann müßte er mehr leisten. Und Sie würden weniger Kilometer pro Wagen schaffen (9/1965). Erscheint hier die motorische Aufrüstung des Käfers noch ganz 'unvernünftig', so wird auch diesem Modell im fol­ genden Jahr ein 1500er Motor verpaßt: Solange er steht, sieht der neue VW 1500 aus wie der VW 1300. Aber sobald er fährt, sehen Sie den Unterschied: Er ist das schnellste Exemplar in unserer Käfersammlung. 125km/h schnell (17/1966). 'Vernunft' innerhalb des VW-Kon- zepts sollte auch heißen, daß die Modelle - besonders beim Käfer machte man hier aus der Not eine Tugend - nicht kurzlebigen Moden unterworfen sind, sondern daß sie von den "inneren Werten", die Beständigkeit haben, leben: Um auf Dauer erfolgreich zu sein, kommt es nicht auf die äußere Form an, sondern auf die inneren Werte (43/1971). 'Vernunft' soll auch das 'klassenlose' Image (11/1970) des VW-Käfers beweisen. Ganz so klassenlos soll das Bewußtsein der Besitzer dann aber doch nicht sein, denn er weiß sich sicher über Kleinwagenniveau, wie es im nächsten Absatz heißt. Und beim VW 1600, einem Modell, das dem VW-Fahrer tatsächlich den Aufstieg in die 'Mittelklasse' ermöglichte, wird dieses angeblich klassenlose Image der Volkswagen nochmals bemüht: Wir halten esfiir vernünftig, unsere Autos für Leute zu konstruieren, die darin fahren und nicht für die, die sie bloß vorbeifahren sehen (18/1970). Bei der Opel-Werbung steht bereits in der ersten Hälfte der 60er Jahre der Aspekt des Vergnügens am schnellen Fahren im Vordergrund. Der Motor des Opel Kadett ist 7

temperamentvoll (1962) und munter (1963). 1965 geht er ab wie die Feuerwehr, und es ist ein sportliches Vergnügen, (19/1965) den zu fahren. Ende der 60er Jahre geht es weniger um Spaß und Vergnügen, der Wettkampf hat sich zum harten Kampf um den (technischen) Vorsprung entwickelt. Das kommt in der Opel-Werbung offen zum Ausdruck. In einer Anzeige für den wird zu Aggressivität und Rück­ sichtslosigkeit aufgefordert. Unter der Überschrift, 130 PS. Die kennen keinen Respekt (5/1969), ist auf nasser Fahrbahn ein in der Kurve liegendes Auto mit leuchtenden Scheinwerfern zu sehen. Der letzte Satz des Werbetextes unterstreicht die Absicht die­ ser Anzeige nochmals, indem das Recht des Stärkeren proklamiert wird: Die Starken sind nur so lange mächtig bis ein stärkerer kommt. Eine wenig später erschienene Anzeige für die Modelle Diplomat und Admiral reiht unter der fett gedruckten Überschrift Auto­ mobilmachung die 'technischen Fakten' auf, die den Vorsprung sichern sollen (9/1969). Mit einem Opel ist man gut gerüstet für den Krieg auf den Straßen. Bei Modellen wie dem Opel Admiral, Diplomat und Kapitän wird die Position des Wagens im Kampf um den Vorsprung direkt auf den Fahrer und seinen gesellschaftli­ chen Erfolg übertragen. Diese Analogie wird schon durch die Namen deutlich, die die­ sen Modellen gegeben wurden. Sie alle drücken gesellschaftlichen Erfolg, Anerkennung und Macht aus. So sind diese Wagen vor allen Dingen ausdauernd in ihrer Leistungsfä­ higkeit: Fünf Stunden unterwegs. Im Diplomat. Sie steigen aus. Sie eröffnen die Verhandlung. Müde? Keine Spur! (37/1969) Der Fahrer kann sich des Vorsprungs gegenüber den ande­ ren Verhandlungsteilnehmem sicher sein. Die Autowerbung für Opel bringt auch - seit den 50er Jahren - erstmals eine direk­ te Gegenüberstellung mit dem Motorsport. So wird in einer Anzeige für den Opel Com­ modore der Rennfahrer Stirling Moss als Sachverständiger befragt. Seine Einschätzung: Gas geben - weg von der Ampel, Gas geben und - vorbei am Vordermann, Gas geben und - rauf auf den Berg. Was will ich mehr vom Fahren als sportlich fahren? (38/1969) Die Motivation für das Autofahren besteht also nicht einfach darin, von einem Ort zum anderen zu gelangen, sondern - wie im Sport - als schnellster und bester ins Ziel zu fahren. Der Commodore GS ist ein Rallye-Auto, es ist der Sieger vieler bedeutender Rallyes (41/1970). Wenn bei VW der Wagen in eine szenische Darstellung eingebunden ist, dann wird der Bereich der Freizeit thematisiert. So ist auch der VW-Käfer ein großartiges Auto für den Skiurlaub (1/2/1969). Bei Opel erklettert das jeweilige Auto im Bild einen Berg vor Alpenkulisse, ist vor einem See geparkt, vor einem Hotel oder einem Flughafen. Die Ferienlandschaft ist so zwingend wie das ausdrückliche Erwähnen des Kofferraums für das Reisegepäck. Der Opel Admiral ist ein komfortabler Reisewagen (9/1966). 8

Zusammenfassung

Zeigt sich bei der VW-Werbung ein zunächst etwas zögerliches Anknüpfen an die tech­ nische Aufrüstung der Autos, kommt der Aspekt der sich hochschraubenden Motorlei­ stung bei Opel bereits zu Beginn der 60er voll zum Ausdruck. Ende der 60er Jahre wird aus diesem Konkurrenzkampf, der mit Spaß begonnen wurde, bitterer Ernst. Das Reisen ist nicht mehr so sehr Ausdruck des gesellschaftlichen Status, sondern vielmehr Freizeitvergnügen. Aus dem Vehikel des Aufstiegs wird bei Opel ein Spaß- und Freizeitmobil, das sich allerdings bald einem harten Konkurrenzkampf stellen muß.

4. Die 70er Jahre:

a. Fortschritt und Technik: Kampf um den technischen Vorsprung

Fortschritt und Technik werden in der Werbung für das Automobil untrennbar mitein­ ander verbunden. Das Auto erscheint als "besonderer Fall von moderner Technik" (Rei­ necke 1992, S.32) und wird deshalb mit anderen Symbolen moderner Technik gleich­ gesetzt. So wird der vor moderner Infrastruktur abgebildet, einmal vor einer modernen Brückenkonstruktion (17/1973) oder auch vor einer modernen Flug­ hafenarchitektur (21/1973, S.48). Der Opel Kapitän-Fahrer posiert samt Auto vor einem Atomkraftwerk (10/1961). Der Fahrer des Opel Kapitän ist mit moderner Technik ver­ traut und weiß, daß er sich darauf verlassen kann - auf seinen "Opel - der Zuverlässige" ebenso wie auf das Atomkraftwerk. Eine Symbolanalogie, die sich spätestens seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl in ihr Gegenteil verkehrt hat. In Anlehnung an die Raumfahrt wird der fortschrittlichste Wagen von VW (9/1972), der K70, in der Werbung als das Raumfahrzeug bezeichnet. Das Automobil wird in die Geschichte des Fortschritts als Geschichte technischer Errungenschaften eingereiht. Das Auto als technisches Artefakt an sich symbolisiert aber bereits den Fortschritt und daher sind solche Symbolanalogien auch eher selten. Ein entsprechend 'porträtiertes' Auto, auch ohne ein solches Setting, repräsentiert moderne Technik. Eine der häufig­ sten Varianten ist die Darstellung des fahrenden Automobils auf einer Straße in der Kurve liegend. Hier werden zusätzlich noch Aspekte wie Dynamik und Beherrschbar­ keit mit eingebracht. Mit einem "fortschrittlichen" Auto ist in der Werbung vor allem ein schnelles Auto mit einem starken Motor gemeint: Jetzt ist er schneller schnell (VW K70, 35/1973). Wenn ein 'bloßes' Auto dem Begriff 'moderner Technik' entspricht, dann repräsentiert das fort­ schrittliche Auto überlegene Technik (Passat 31/1973). Fortschritt im Sinne von Technik 9 heißt also in der Automobilwerbung, sich mit Hilfe des technologischen Vorsprungs eine überlegene Position zu sichern und zwar von Null auf 100 in 15 Sekunden im VW 411 (45/1969) und fünf Jahre später im Passat von Null auf 100 in 13 Sekunden (41/1974). Die VW-Werbung knüpft 1969 noch einmal deutlich an die ökonomische Analogie an, indem sie unter der Überschrift Aufwertung den Slogan bringt: Die Mark wird eben immer mehr Wert. Besonders wenn Sie einen VW 1600 kaufen (37/1969). Hier klingt an, daß der Aufstieg schon etwas Selbstverständliches geworden ist, aber mit einem starken Auto - der VW 1600 ist schon kein 'einfacher' Käfer mehr - gelingt er eben noch besser. Hiermit konnten besonders auch solche Personenkreise angesprochen werden, deren "Kampf um Marktmacht (... ) sich - für Ärzte ebenso wie für Obsthändler - auf Beschleunigung" gründete (Sachs 1984, S.194). In den 70er Jahren kann man sich schon in Sicherheit wägen, da bietet VW den Variant 412L, Die Limousine für Fortgeschrittene, an (36/1973). Auch in den späten 70er Jahren präsentiert sich VW in einer Anzeigen­ kampagne für das gesamte Unternehmen als Garant für eine funktionierende Wirt­ schaft in Deutschland. Mit langfristig geplanten Investitionen (...) wie es in der Geschichte von Volkswagen einmalig ist (16/1978) wird der Fortschritt gesichert, aber selbstverständ­ lich - wie es sich für ein deutsches Unternehmen gehört - auf solider Basis (5/1978). In Werbetexten und Bildern wird ständig zum Vergleich aufgefordert und mit dem jeweiligen Auto als dem Gewinner dieses Wettkampfes geworben. Dabei wird der Konkurrenzkampf einerseits von den Automobilherstellem untereinander auf die Käu­ fer übertragen und vollzieht sich andererseits zwischen den Besitzern oder Fahrern der verschiedenen 'Leistungsklassen'. Eine solche Terminologie wie auch die in der Wer­ bung verwendeten Bezeichnungen Hochleistungsmotor (VW K70 8/1971) oder Bestform (Wenn Sie in Bestform sind, Scirocco 16/1974) sind klare Analogien zum sportlichen Wettkampf. "Ohne Autorennen", so Sachs, "ist der Siegeszug des Automobils nur schwer vor­ stellbar" (1984, S.133). Erst durch die Rennen gelangte das Leitbild des sportlichen und triumphierenden Fahrers zu breiter Popularität und auch die Automobilwerbung und der Absatz der umworbenen Produkte erscheinen ohne die ständige Reproduktion die­ ses Leitbildes kaum vorstellbar. Das Attribut 'sportlich' fehlt in kaum einer Anzeige. Darüber hinaus wird aber die Tragweite dieses Leitbildes noch gesteigert, indem es von der Sphäre des Sports auf die allgemeinere Ebene des gesellschaftlichen Kampfes um Anerkennung und Erfolg übertragen wird. Der Straßenverkehr und seine Teilnehmer werden zum gesellschaftlichen Subsystem (vgl. Reinecke 1992, S.248), das nach den Regeln des Autosports funktioniert: "Das Nachsehen zu haben, 'überholt' zu werden bedeutet ebenso den Verlust an Prestige wie die Tatsache, nicht das neueste und teuer­ ste Automodell zu besitzen" (ebd., S.239). Um diesen Konkurrenzkampf in den Anzei­ gen anschaulich zu machen, ist es notwendig, Vergleichs werte zu schaffen. Die wichtig­ sten Vergleichswerte liegen mit PS-, Hubraum- und Beschleunigungszahlen natürlich 10 im Motor, aber auch die durchgehende Angabe der Kofferraumgröße in Litern soil offenbar zum Vergleich anregen; ähnlich dem unter Kindern populären "Auto-Quar­ tett", bei dem das Spiel allein im Vergleich dieser Zahlen liegt. Bei der Werbung für den VW Käfer bezieht sich dieser Wettkampf zunächst auf die Konkurrenzsituation des internationalen Marktes, in der der Käfer erfolgreich be­ steht und somit nicht nur für den einzelnen Autofahrer, sondern für die Gesamtbevöl­ kerung Wohlstand und Anerkennung schafft. Der Käfer ist der Ervolkswagen (6/1970). Die nationalen und internationalen Verkaufszahlen weisen den Käfer als Gewinner im Konkurrenzkampf aus. 'Erfolg' und 'Volkswagen' sind synonym, er ist der erfolgreichste Wagen der Welt (35/1970). Und dieser Wohlstand bringende Erfolg wird mit allen Mit­ teln verteidigt: In vielen Ländern steht der Käfer seit vielen Jahren unverändert auf Platz 1. Und alle Versuche, ihn von diesem Platz zu verdrängen, hat er mit harten Waffen zurückgewie­ sen. (36/1970). Doch neben diesem internationalen Schauplatz der Konkurrenz ist der Käfer seit den 70er Jahren auch dem heimischen Konkurrenzkampf ausgesetzt. Nicht mehr nur die deutsche Bevölkerung als ganze muß ihre Stärke beweisen, sondern jeder einzelne (Autofahrer) ist gefordert. Da hat auch der Käfer etwas zu bieten. 1970 ist aus dem einfachen Käfer der Käfer der Käfer (42/1970), also der König der Käfer geworden. Der unterscheidet sich von den anderen in erster Linie, weil er der stärkste, schnellste (...) in unserer Käfersammlung ist. Es genügt nicht mehr einfach einen Käfer zu fahren, son­ dern entscheidend ist, um welchen Käfer es sich handelt. Auch unter Käfer-Fahrern gibt es Gewinner und Verlierer und darüber entscheidet in erster Linie die Anzahl der PS. In der VW-Werbung werden die Kunden und Käufer zum ständigen Vergleich aufgefordert. Der Käfer besteht in diesem Wettkampf vor allem gegenüber den Klein­ wagen, während die anderen Modelle von VW in ganz anderen Wettkampfklassen an- treten können. So wird zum Vergleich aufgestachelt: Haben Sie ein Auto, das sich mit die­ sem messen kann? (8/1971 VW K70) oder Stellen Sie Ihr Auto mal daneben (VW K70 4/ 1972) , denn: Man muß nicht unbedingt groß sein um der Größte zu sein (...) Mit dem neuen 100 PS Motor (VW K70 43/1973). Der VW-K70 gilt im Mittelklasse-Vergleichstest als Sieger und damit er sich noch stärker durchsetzt, haben wir ihn ein gutes Stück stärker gemacht (35/ 1973) . Das Kriterium für den Sieg besteht hier allein in der PS-Zahl und im Beschleuni­ gungsvermögen des Wagens. Auch der Passat kann den Vergleich beruhigt antreten, denn: Es wird nicht leicht sein ein besseres Auto zu finden (40/1973). "Besser" heißt in die­ sem Zusammenhang zunächst nichts anderes als "schneller". Das Modell Scirocco ist nicht zu schlagen (44/1975), aber auch der 'kleine' Polo bietet sich noch zum Vergleich an: Überlegen Sie mal, ob Ihnen da irgendeiner seiner Klasse überlegen sein könnte? (20/1977). Wenn man sich den Aufstieg in die oberen Leistungsklasse (noch) nicht leisten kann, dann sollte man wenigstens der beste der eigenen Klasse sein. In der Überschrift einer Anzeige für den Autohersteller VW wird der Eindruck erweckt, neue Zeiten seien angebrochen: Die Zeiten, in denen Volkswagen nur Rallyes 11 gewannen, sind vorbei (3/1978). Im Bild sind Rennwagen auf einer Rennstrecke zu sehen. Im klein gedruckten Text unter dem Bild erfahren die Leser, daß diese Zeiten deshalb vorbei sind, weil der VW Rallyes jetzt anders gewinnt: Der Scirocco beendete nämlich 11 von 12 Rennen (...) als Sieger. So erfolgreich wie der neue Scirocco sind fast alle VWs der neuen Generation, denn sie gehören zu den modernsten Automobilen, die man heute auf Renn­ strecken finden kann und sie sind oft beweglicher und stärker als ihre Mitbewerber. Der -Fahrer träumt in einer Anzeige, er hätte mit dem neuen Manta dem Champion den Grand Prix abgejagt, und diese Jagd im Auto erzeugt offensichtlich männli­ che Allmachtsphantasien: Direkte Lenkung vermittelt Ihnen intimen Kontakt zur Straße, und beim Bremsen wird die Kraft Ihrer Muskeln potenziert. Die Lenkung dagegen gehorcht spielend (37/1975). In der nächsten Ausgabe vermittelt der Manta auch noch "intimen Kontakt" zu Frauen. Der Traum besteht jetzt in der erfolgreichen 'Eroberung' von Frauen an Stelle des Grand Prix. Der neue Manta bietet außerdem noch mehr Platz für die langen, schönen Beine Ihrer Beifahrerin (und vier Beifahrerinnen erlaubt der TÜV) (39/1975). Im nächsten Jahr erscheint eine Serie von Anzeigen, die als Regel dieses Wett­ kampfes nochmals das 'Recht des Stärkeren' festschreibt. Dieses Mal mit Wild-West- Motiven: Im Bild wirbelt der Commodore, wie die Hufen eines aufgeregten Mustangs, Staub auf: Im Auspuff nur ein Ton: Leistung (...) Vier Gänge mit denen Sie alle Straßen beherr­ schen. Die Western-Story wird fortgesetzt: Auf nasser Fahrbahn stehen im Dunkeln ne­ beneinander drei Wagen mit blinkenden Scheinwerfern, die auf den Leser gerichtet sind. Das ist Der Club der Commodore - Das ist geballte Kraft, wie es in der Bildunterschrift heißt (41/1970). Sie stehen dem Betrachter gegenüber wie drei Cowboys mit einem überlegenen Lächeln (15/1971). Sie sind bereit, jeden Moment ihre "geballte Kraft" zu demonstrieren, also ihren Revolver zu ziehen bzw. ihren Motor aufheulen zu lassen und loszupreschen. Die Gegenüberstellung der Kontrahenten ist eine geradezu stereo­ type Szene, wie sie in jedem Western vorkommt. Der Westernheld hat auch bei Frauen Erfolg, und so bekommt auch die Werbung für den Commodore eine sexuelle Konnota- tion: Der neue Commodore. An Liebhaber zu verkaufen (18/1972). So lautet die Überschrift einer Anzeige mit folgendem Bild: Hinter dem im Vordergrund geparkten Wagen steht ein Mann, der lässig die Jacke über die Schulter geschwungen hat. Sein Gesicht, sein Charakter scheinen dem des Wagens zu entsprechen. Er wird innig von einer sportli­ chen, im Freizeit-Look gekleideten Frau angesehen. Den Hintergrund bildet der Hafen einer südeuropäischen Stadt. Die Headline bezeichnet einerseits die gefühlsbetonte Beziehung des Besitzers zu seinem Wagen und andererseits kennzeichnet sie den Fah­ rer als guten Liebhaber. Der Commodore-Fahrer ist ein Siegertyp, sowohl bei Frauen als auch im Straßenverkehr. Und das ermöglicht der leistungsstarke Motor. Sowohl VW als auch Opel haben ausgesprochene Rennwagen unter ihren Model­ len, so wie der VW Scirocco oder der Opel Commodore. Wie man sieht, werden diese 12

'sportlichen Maßstäbe' aber auch auf alle anderen, etwas 'gesetzter' erscheinenden Modelle übertragen. Der Diplomat fährt auf der Autobahn, und dort lief sein Fahrwerk allen anderen davon (...) gewann jede Kurvenschlacht (29/1971). Die Wagen müssen ständig aufgerüstet werden, um im Wettkampf um Verkaufs­ zahlen und auch im Straßenverkehr mithalten zu können: Nach zehn Jahren hat sich ein Auto entweder durchgesetzt. Oder es ist längst vergessen (...) Damit der VW 1600 auch in Zukunft genug Durchsetzungsvermögen hat (20/1971). Denn schließlich, Wer an der Spitze bleiben will, muß etwas dafür tun (Opel Rekord 19/1975). Damit wird einerseits auf die Spitzenverkaufszahlen des Rekord ("Das Erfolgsauto") in Europa hingewiesen und andererseits auf den Erfolgsdruck des Fahrers. Dieser wird aber von ihm genommen, wenn er einen Rekord fährt. Hier kann er sich entspannt zurücklegen, wie es auf den vielen 'Freizeit' und 'Reise' illustrierenden Reklamebildern zum Ausdruck kommt.

b. Technik und Sicherheit: Argumente zur Rationalisierung

High-Tech als Retter aus der Krise

Mit dem Ende der 60er bzw. verstärkt mit Beginn der 70er Jahre kommt der Technik im Rahmen der Sicherung des Fortschritts und des Wohlstands eine weitere Aufgabe zu, nämlich die Bewältigung von Krisen. Die Beschleunigung, die der VW 41 IE leistet, diese (vor allem heim Überholen) beruhigenden Werte (45/1969) sind dem eingebauten Computer zu verdanken. Als sei dies bereits eine Vorankündigung der herannahenden Ölkrise, wird in den nächsten beiden Absätzen der erfolgreiche Einsatz des Computers bei der Senkung des Benzinverbrauchs beschrieben. In einer Anzeigenkampagne für das ge­ samte Unternehmen präsentiert sich VW als Unternehmen, das in der Forschung aktiv ist, um mit High-Tech die Zukunft des Unternehmens und das heißt immer auch der Gesamtwirtschaft zu sichern. Seine Automobile präsentiert das Unternehmen als ein Beispiel dafür, wie man mit neuer intelligenter Technik wirtschaftliche Autos bauen kann, die zudem mehr Spaß am Auto fahren (...) bieten (16/1978). Die aus der Forschung hervorge­ gangenen High-Tech-Lösungen sollen dabei vor allen Dingen eines sicherstellen, näm­ lich, daß Sie bei den heutigen Kraftstoffpreisen nicht plötzlich weniger Freude an ihrem VW haben, eher mehr (19/1978). Krisen wie Kraftstoffknappheit oder auch steigende Abgasbelastung und Umwelt­ zerstörung werden zu absatzfördemden Faktoren für das Automobilunternehmen gewendet, indem Krisenbewältigung durch High-Tech-Lösungen angeboten werden: "Da kommen selbst ernüchternde Erfahrungen, wie Abgasbelastung oder Energiever­ schwendung, gerade recht, weil sie die Nachfrage nach Neuheiten fördern" (Sachs 1984, S. 178). 13

Rationalisierung

Während gerade das Drauftreten beim Fahren des Opel Kadett (6/1963) besondere Freu­ de bereitete, wird die Motivation für das schnelle Fahren 1965 bei einer Anzeige für den Diplomat bereits im Bereich der Vernunft angesiedelt: 'Einfach um ganz sicher zu gehen, wenn es mal drauf ankommt (19/1965). Ganz offen tritt diese rationalisierende Funktion des Sicherheits- und Vernunftarguments in den 70er Jahren an die Oberfläche. So wer­ den 'starke Motoren' zu 'dynamischen Motoren', und die sind 'vernünftig'. Komfort wird zur (vernünftigen) Funktion erhoben (Opel Diplomat 27/1970) und auf Beschleuni­ gung folgt Kurvenstabilität (VW K70 8/1971). Die Wünsche, die mit dem Autofahren verbunden werden, werden rationalisiert, indem sie als technische Tatsachen dargestellt werden. Eine Anzeige aus einer Kampag­ ne von VW aus dem Jahre 1978 zeigt die fünf verschiedenen aktuellen Modelle von VW, offensichtlich mit hoher Geschwindigkeit fahrend, in Kurvenlage (21/1978). Es sind die Kurvenstarken aus Wolfsburg, wie die Überschrift verkündet. Auch wenn an einer Stelle gesagt wird, daß Kurvenfahren die reine(n) Freude sei, so versteckt sich der Wunsch nach dem Rasen und dem schnellen Fahren von Kurven zumeist hinter Formu­ lierungen wie extreme Fahr- oder Bremssituationen, die die Gefahr unkontrollierter Rich­ tungsabweichungen bergen. Von Konstrukteuren und Technikern bzw. von deren vermeint­ lich rationalem Geist geschaffene technische Tatsachen sorgen für optimales Fahrverhal­ ten. Im Zusammenhang von Text und Bild bedeutet dies soviel wie, 'ich kann rasen ohne gleich aus der Kurve geschleudert zu werden'. Auch bei der 1969 geschalteten Kampagne für den VW 411E, bei der die Betonung eindeutig auf der Leistungsstärke des Motors liegt, dient die ausführliche Beschreibung der Vorgänge im "Bordcomputer" (39/1969) dazu, den Wunsch nach dem rasenden Auto - als solches erscheint es auch auf dem Bild der Anzeige - zu rationalisieren und als technische Tatsache erscheinen zu lassen, die zwar wünschenswert ist, aber ganz im Gegensatz zu irrationalen Wünschen und Begierden steht: Sie (die elektrische Benzineinspritzung, d.A.) tastet über verschiedene Meßfühler ständig die Motortemperatur, die Drehzahl, den Saugrohrdruck und die Drosselklap­ penöffnung ab. Diese Daten werden in den Bordcomputer eingespeist (...) Noch bessere Kalt­ starteigenschaften. Blitzschnelles Beschleunigen aus jeder Geschwindigkeit (...) ein VW, der schneller ist als je zuvor. Eine Anzeige für den Opel Rekord mit dem Titel Der g-Faktor (steht laut Anzeige für den Wert der Querbeschleunigung eines Wagens, das heißt für seine höchst mögli­ che Geschwindigkeit in Kurven) hat allein das Anliegen zu vermitteln, daß Sie mit bestimmten Wagen eine Kurve schneller (und sicherer) durchfahren können (...) Es ist eine sim­ ple Tatsache (12/1970). Der sogenannte g-Faktor erlaubt also angeblich das sichere und schnelle Fahren von Kurven. Die Aufforderung zum Rasen wird auch hier in technische Details gekleidet und als technische Tatsache rationalisiert. Technik soll auch das 14

Gefühl der Sicherheit und Kontrolle vermitteln. So bedeutet die Steigerung des g-Fak­ tors eine beruhigende Sicherheitsreserve. Entsprechend werden Armaturenbretter und bestimmte technische Produktinnovationen/ wie zum Beispiel die Bremsentechnik, ger­ ne in Detailaufnahmen gezeigt (VW K70 8/1971), um die Beherrschbarkeit des Automo­ bils vorzuführen. Wie Sachs (1984) bemerkt, erfüllen solche technischen "Produktinnovationen" natürlich noch einen anderen Zweck, nämlich die Sicherung des Absatzes. Sie sind zum Selbstzweck geworden und "kein bloßes Mittel mehr, den Gebrauchswert der Fahrzeu­ ge zu erhöhen, sondern (...) Produktionskapazitäten, Wachstum und Vollbeschäftigung zu sichern" (S.165f.). Im Laufe der 70er Jahre wird das Vernunft-Argument endgültig den neuen Maß­ stäben, die ab jetzt in PS gemessen werden, untergeordnet. Mit einer Anzeige für den Käfer wird dieser Paradigmenwechsel bestätigt: Das ist nicht der Käfer, den Sie kennen. Auch beim Käfer sind neue Maßstäbe auf dem Vormarsch, und die lassen sich am besten in PS ausdrücken: Lassen Sie uns ausnahmsweise mal hinten anfangen: Dort schlägt das treue Käferherz mit dd PS (38/1970). Von nun an bildet das 'Vernunft-Argument den Gegenpol zu Argumenten wie Motorstärke und Luxusausstattung, die letztendlich die Differenzierung der verschiedenen Automodelle ausmachen, und der Begriff Vernunft erfährt schließlich seine Aushöhlung, indem auch das 'Vernunft'-Argument zum diffe­ renzierenden Faktor, nämlich zu einem Prestige-Faktor gemacht wird. In einer Anzeige für den VW Variant wird klargestellt, "daß der Nutzwert" nicht "auf Kosten des Kom­ forts und des Ansehens geht" (39/1970). Die im folgenden Text ausführlich beschriebe­ ne Luxusausstattung wird als "vernünftige Autokonzeption" bestätigt, die "gesunden Menschenverstand" beweist, denn "der ist dem Prestige bestimmt nicht abträglich". Die Strategie des Gegenüberstellens der Ratio als Argumente der Vernunft und Sicherheit mit Verkaufsargumenten wie Luxus und Geschwindigkeit hat eine beruhigende und zugleich bestätigende Wirkung auf die Befriedigung dieser irrationalen Wünsche. Diese Funktion kommt in einer etwas anderen Art und Weise, nämlich als Understatement, in der Werbung für den Käfer zum Ausdruck: nicht aufregend (...) dafür beruhigend (10/1969). Entsprechend heißt es über den VW K70: Dies aufregende Auto trägt das VW- Zeichen: Zur Beruhigung, und: Dieses aufregende Auto können Sie sich also beruhigt vor die Tür stellen (11/1972). Hier wird das Vernunft-Image von VW den "aufregenden" Seiten, die irrationale Wünsche befriedigen sollen, gegenübergestellt und damit ihre irrationale Qualität gleichsam neutralisiert. Etwa Mitte der 70er Jahre als Reaktion auf die Ölkrise gewinnt auch das Argu­ ment der Sparsamkeit im Kraftstoffverbrauch an Bedeutung. Besonders der VW Golf wird als vernünftiges Auto (30/1974) umworben. Das soll nicht nur der relativ niedrige Verbrauch beweisen, sondern auch seine Nützlichkeit bei den 'profanen' Aktivitäten des Alltags: Der VW Golf wird von einem Paar beim Beladen mit Einkäufen gezeigt 15

(42/1974). Innerhalb der im Spiegel geschalteten Anzeigen ist die Darstellung des Autos eingebunden in eine Alltagsszene ein Novum. Selbst für den VW Passat wird mit dem Argument der Sparsamkeit geworben, wenn sich die fett gedruckte Überschrift, Der 8,6 Liter Wagen, direkt auf den Benzinverbrauch bezieht. Doch im 'Kleingedruckten' wird es als Scheinargument entlarvt, denn hier steht die Leistungsstärke des Motors eindeutig an erster Stelle vor dem Verbrauch: hohe Leistung und niedriger Verbrauch (35/1976). Auch wenn das Argument des Kraftstoffverbrauchs an Bedeutung gewinnt, so wird es selbst bei relativ kleinen Wagen wie dem Polo, Das Wirtschaftlichkeitswunder (10/1977), erst nach den Angaben zu Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit genannt, wodurch die Prioritäten nochmals bestätigt werden. Nachdem in den 50er und 60er Jahren der Autobesitzer mit seinem Wunsch nach einem schnellen, sportlichen, konkurrenzerprobten, erfolgreichen Gefährt in der Opel- Werbung offen umworben wurde und daraufhin auch einige Klagen den Werberat erreichten, setzt die Werbung der 70er Jahre eher auf Argumente wie "Vernunft und Sicherheit", zumeist in der direkten Gegenüberstellung mit irrationalen Wünschen. Ab etwa Mitte des Jahres 1971 zeigt sich in der Opel-Werbung für das Modell Commodore, daß die in den zurückliegenden Jahren offensiv vorgetragene Aufforde­ rung zum schnellen Fahren abgeschwächt werden soll und zwar mit Hilfe des Sicher­ heitsarguments: Er hat nicht nur eine sportliche Seite, sondern auch eine sichere (19/1971). Mit der 'sicheren Seite' sind hier die Bremsen gemeint, die das sportliche Fahren sicherer und unbeschwerter gestalten sollen. In Anzeigen für den Commodore, die im unmittel­ baren zeitlichen Umfeld geschaltet wurden, wird die Kraft des Motors noch vor den Bremsen als Sicherheitsfaktor genannt. So heißt es im Text einer Anzeige für den Opel Diplomat: Denn starke Motoren sind auch ein Sicherheitsfaktor (29/1971). Ein leistungsstarker Motor ist ein vernünftiger Motor, ebenso wie Komfort nichts anderes als (vernünftige) Funktion bedeutet. Der Opel Diplomat verspricht vemünfti- ge(n) Luxus (44/1974), der Opel Rekord funktionelle Eleganz (39/45/1976), an ihm ist alles vernünftig und sinnvoll (40/44/1977). Der Passat Variant, die schönste Seite der Vernunft, ist gleichzeitig elegant und funktionell, vernünftig sparsam und zugleich schön spritzig (48/1977). Besonders bei der Werbung für die Modelle Opel Commodore und Opel Manta, die zuvor stark emotional umworben wurden, zeigt sich das Bemühen um Rationalisierung. Zum ersten Mal erscheint der Opel Manta in Familienbesetzung, aber der Manta-Fahrer muß deshalb keineswegs auf Freude am Fahren verzichte}!. Es bleibt schließlich alles beim alten. Einige Wochen später heißt es, Kann ein Auto, das so gut aus­ sieht, auch noch wirtschaftlich sein? Dieses Mal soll das zuvor vernachlässigte Argument der Wirtschaftlichkeit an das bestehende Image des Manta angeschlossen werden, denn er gehört zu den günstigeren Sportcoupes (16/1976). Im gleichen Sinne heißt es dann auch: Man muß einem Auto ja nicht unbedingt ansehen, wie vernünftig es ist (37/1977). All dies mutet aber eher als bescheidener Versuch der Rationalisierung der Opel-Werbung 16

an, wenn im gleichen Zeitraum die folgende Anzeige für den Supermanta geschaltet wird: Er bereitet als stärkster Manta und luxuriösester gleich doppeltes Vergnügen (9/20/1977). Versuchte man bei den älteren Modellen wie Opel Manta und Opel Commodore ein bereits vorgegebenes Image - beim Opel Manta wirkt es bis heute - durch ein paar 'Vernunft-Argumente aufzupolieren, so zeigt sich die Argumentation bei der Einfüh­ rung der neuen Modelle bei Opel, Monza und Senator, ganz von der rationalen Seite. Beim Senator wird dieser 'neue' Aspekt in einer achtseitigen Anzeige sogar als neues Automobilkonzept angeboten: Ein Automobil, das optimale technische Möglichkeiten in sich vereint. Denn Funktionalität ist der Maßstab des technischen Fortschritts, und diese Funktio­ nalität des technischen Fortschritts prägt seinen Charakter (21/1978). Auf der letzten Seite der Anzeige wird dann nochmals klargestellt, welche denn die Maßzahlen überlegener Funktionalität sind: Zylinderzahl, Hubraum, PS und Beschleunigung, erst danach folgen Verbrauch und Kofferraumgröße. In vergleichbarer Weise wird in der folgenden Spie­ gel-Ausgabe in einer wiederum mehrseitigen Anzeige für den Monza geworben. Dieses wirklich neuartige Automobil sei das Resultat technologischer Erfahrung und Innovation (...) Ein Maximum an Luxus und Komfort und seine dynamisch vorbildlichen Fahreigenschaften verkörpern angeblich einen neuen Lebensstil und eine grundlegend neue Interpretation von Mobilität (22/1978). Neu sind diese Kriterien natürlich ganz und gar nicht. Die neue Interpretation des dominanten Kriteriums der Geschwindigkeit besteht dann auch ledig­ lich in einer rationalisierenden Umschreibung als dynamisch vorbildliche Fahreigenschaft. Auf Seite 3 der gleichen Anzeige wird das 'Rasen' verklärt mit der Umschreibung aktiv dynamisches Fahren. In einer darauffolgenden Anzeige für dasselbe Modell wird der gleiche Sachverhalt als Verwirklichung sportlicher Interessen umschrieben (26/1978). Auch das Argument der Sicherheit wird dazu verwendet, irrationale Wünsche wie Luxus und Geschwindigkeit zu rationalisieren. Qualitäten wie Komfort und Eleganz dienen der Entlastung des Fahrers und leisten damit einen unerläßlichen Beitrag zur Sicher­ heit. Und die unverwechselbare Ästhetik ist Ausdruck technischer Vernunft, die Leistungs­ stärke des Motors garantiert Sicherheit in jeder Situation ( 22/1978). Um den Eindruck zu vermeiden, bei dieser Gleichsetzung handele es sich möglicherweise doch um einen Gegensatz, wird nochmals versichert, daß dies ein Auto für Leute ist, die in der Fahrfreude keinen Gegensatz zum Gebrauchswert eines Automobils sehen (22/1978). Oder, wie es mit anderen Worten in den folgenden Anzeigen für dasselbe Modell heißt, für Fahrer, denen der Nutzwert eines Automobils ebensoviel bedeutet wie das Erlebnis des Fahrens (24/1978) und für Fahrer, die (...) nicht nur exklusiven Nutzwert verlangen (26/1978). In die­ sem letzten Slogan allerdings wird dieser Gegensatz schon wieder deutlich. Indem 'Exklusivität' und 'Nutzen' aufeinander bezogen werden, wird der Nutzwert tatsäch­ lich in die Kategorie der irrationalen Kriterien eingereiht. 17

c. Autofahren als Erlebnis

Die meisten Bilder vom Automobil kommen in der Werbung ohne aufwendiges Setting aus. Das Bild vom Auto oder vom Auto auf der Straße allein ist durch seine Symbol­ kraft offensichtlich völlig ausreichend wirksam. Wenn das Auto in einer Szene dar­ gestellt wird, dann handelt es sich dabei nur in ganz wenigen Fällen um eine Alltags­ szene (vgl.S.18 VW Golf 42/1974). Wenn in einer Anzeige also ein Auto im szenischen Zusammenhang dargestellt wird, dann werden hier fast ausnahmslos Bereiche der Frei­ zeit, wie Sport oder Reisen, thematisiert. Falls, in seltenen Fällen, die Benutzer des Wagens vorgestellt werden, dann handelt es sich dabei zumeist um eine Familie, die wiederum befindet sich in der Regel auf Reisen. In einer Anzeige für den VW Polo ist eine Familie mit ihrem Polo vor dem Eigenheimidyll abgebildet. Darunter Snapshots einer mit dem Polo getätigten Reise nach Paris: München - Paris: 64 Liter. Nur wenige kommen mit so wenig so weit (48/1976). Der Opel Manta, der auch den Werbemachern und dem Konzern selber wohl allzu sehr in die Traumwelt abgerutscht schien, soll bezeichnenderweise durch einen familienfreundlichen Kofferraum (8 und 25/1977), der hauptsächlich bei Reisen nützlich ist, wieder alltagstauglich gemacht werden. Der Opel Kadett City, dessen Namen so sehr nach Stadtverkehr klingt, wird gera­ de mit Reiseproviant beladen (26/1975). Der Passat Variant ist der vielseitige Freizeitpart­ ner (ft/197 6) und der Opel Commodore Special ist eine Reiselimousine der Spitzenklasse (47/1976). Auto fahren ist nicht für den Alltag bestimmt, sondern es markiert beson­ dere Gelegenheiten, besondere Zeiten. So ist der Passat Variant bestimmt für Leute die Großes Vorhaben (48/1975). Auch in den 70er Jahren verliert das Auto als Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag nicht an Bedeutung. Das entspannte Fahren (V\N Passat 36/1976) macht den Alltag zum Himmel auf Erden (VW 11/1977). Oder können Sie sich eine schönere Art vorstellen, durch die häßlichste Zeit des Jahres zu kommen? (VW 411 5/1964) Die Innenausstattung nähert sich dem Komfort der Wohnzimmer couch: Sanfte Polster (...) mit wertvollem Velourstoff überzo­ gen. Und um die Abschirmung vom Alltag komplett zu machen, sorgt ein zusätzliches Geräuschdämpfungspaket (...) für angenehme Ruhe (Opel Rekord 13/1977). Beim Passat GLS ist der Innenraum ungewöhnlich groß (...) behaglich und bietet alles was gut und wert­ voll ist: (...) Quarzuhr, indirekte Beleuchtung für den Ascher, Zigarettenanzünder und dazu noch eine farblich abgestimmte Innenausstattung mit ausgesuchtem Teppichmaterial (34/ 1976). Die Werbung für den Opel Manta konnotiert die Innenausstattung' besonders sinnlich: Mit weichem Velourstoff bezogen (...), er verwöhnt Sie (Opel Manta 9, 20/ 1977). Mit dieser Innenausstattung ist das Auto das perfekte "Schutzgehäuse gegen Unbill von draußen" (Sachs 1984, S.159) und schützt nicht nur vor den Naturgewalten, sondern "auch gegen allerlei Streß kann man sich im Wagen ab kapseln (...) Dieses Erlebnis scheint gerade bei den täglichen Berufsfahrten eine große Rolle zu spielen" (ebd.). 18

Auto fahren ist ein Erlebnis, Auto fahren macht Spaß: "Auto fahren um des Fah­ rens Willen", wie Reinecke es nennt (1992, S.302), kommt in vielen Slogans zum Aus­ druck. Der Passat ist Die Formel für schönes Fahren (40/1973). Wenn man beim Opel Kadett richtig auf das Gaspedal tritt, dann ist sie ein Vergnügen, diese Beschleunigung (6/1963), und der Opel Rekord zeichnet sich nicht nur durch Technik aus, es ist das Fahr­ vergnügen (14/1978). Autofahren ist mehr als nur von einem Ort zum anderen gelangen, es ist mehr als der bloße Transport, es ist die Freude und die Begeisterung mit der Sie den Rekord fahren (23/1976). Und der ansonsten so 'vernünftige' VW Golf wirbt mit dem Slogan Auto, Motor, Spaß. Um dieses Erlebnis, diese Freude am Auto fahren zu steigern, muß das Auto selbst auch etwas besonderes sein, so daß man sich/wr ihn begeistern (15/1973 VW) kann. Über dem Golf prangt in fetten Lettern Ungewöhnlich (33/1974). Und das Fahr­ werk des VW K70 ist eine technische Delikatesse (9/1972), die sich nur sinnlich erfassen läßt. Der Commodore ist deshalb auch nur eine Auto für Liebhaber, denn langweilige Autos gibt es schon genug (16/1977).

Zusammenfassung

In den 70er Jahren findet auch VW den Anschluß an den Wettbewerb um das leistungs­ fähigste, das heißt das schnellste Automobil. Dieser Wettbewerb wird in aller Härte und in einer stark emotionalen Sprache ausgetragen, so daß sogar der Werberat eingrei- fen muß. Diese Emotionalität in der Darstellung wird ab gelöst mit dem in früheren Jah­ ren besonders von VW kultivierten Argument der Vernunft. Alle Eigenschaften des Autos, die zuvor Spaß und Erfolg bringen sollten, werden mit einem Mal zu vernünfti­ gen Eigenschaften erklärt. Wenn schon nicht ein der Ölkrise angemessenes Auto auf den Markt kam, so mußte zumindest in der Werbung mit 'Vernunft' argumentiert wer­ den: "Autoindustrie und Werbewirtschaft setzten hingegen weiter auf rosige Zeiten. (...) die Branche (kann) nicht mit dem Energiesparauto aufwarten. (..) So wird der Ölschock schlichtweg ignoriert" (Faszination Auto 1994, S.109). 19

5. Die 80er Jahre:

a. Mit dem VW ’sparen' - bei noch mehr Luxus, Leistung und Spaß

Mit dem Argument der Sparsamkeit wird bereits Ende der 70er Jahre geworben. Es bleibt aber nicht für sich stehen, sondern wird mit den Argumenten 'Spaß' und 'Kraft' verbunden. Diese Verbindung hat Auswirkungen auf das Verkaufsargument 'Sparsam­ keit'. Offensichtlich darf das Argument 'Sparen' nicht für sich sprechen, sondern nur als eine weitere Eigenschaft, neben der Kraft des Motors, der Schönheit des Autos und dem Spaß am Auto fahren stehen. Den Konsumenten wird kein reines 'Spar-Argument' zugetraut. Bei den von VW als besondere 'Sparwagen' angebotenen Dieselfahrzeugen wird versucht, das Image des sparsamen aber doch lauten und schwerfälligen Dieselautomo­ bils aufzupolieren: Der Diesel ist auch nicht mehr das, was er einmal war (VW Golf 41/1978). Die Abbildung zeigt einen VW Golf Diesel in einem Rennen bei der Rallye von Monte Carlo. Auch ein Diesel kann jetzt den Vergleich mit Sportwagen antreten. Leise ist der Diesel, sparsam und schnell (8/1979), heißt es in einer darauffolgenden Anzei­ ge für das gleiche Modell, und die bei den Konsumenten erwartete Befürchtung, wenn der so voller Ruhe steckt, dann hat er doch sicherlich kein Temperament, wird sogleich streng verneint, Falsch!, und mit der Aufzählung offensichtlich vorzeigbarer Beschleunigungs­ werte und der Höchstgeschwindigkeit beantwortet. Ein Diesel wie ein Wiesel (41/1979), so kündet die Schlagzeile von der neuen Wendigkeit dieses Dieselfahrzeugs. Ausgestat­ tet mit einem Motor, der Erstaunliches leistet, körnen es auch Golf Diesel-Fahrer getrost mit der Konkurrenz aufnehmen, die ist nicht nur groß, sondern auch schnell. Beim Golf in seiner kräftigsten Ausgabe (19/1979) ist eine preiswerte Kraft am Werk. Hier wird nicht aus­ drücklich vom Sparen gesprochen, aber sein Verbrauch ist (...) im Vergleich zur gebotenen Leistung erstaunlich günstig. Der Golf ist nicht nur sparsam, sondern auch schnell (37/1979), der Motor nicht nur sehr kraftvoll, sondern auch sehr sparsam (39/1979). Ein grüner Jetta Diesel, Der Spitzensparer (14/1982), präsentiert sich 'naturverbun­ den' auf einer saftigen grünen Wiese. Im Anzeigentext wird sogleich klargestellt, daß der Jetta außer seiner Sparsamkeit auch ganz schön Temperament besitzt (14/1982). Auf diesen Satz folgt die seit jeher obligatorische Nennung von PS- und Beschleunigungszahlen, erst danach Zahlen zum Kraftstoffverbrauch. Wenn der Jetta Diesel als kräftiger Sparer (18/1982) bezeichnet wird, dann bezieht sich das Attribut "kräftig" ebenso auf den Motor, denn Die eiserne Sparsamkeit des Jetta Diesel besticht natürlich immer. Und die guten Fahr eigens chaften stehen als Argument auf gleicher Stufe. Hierauf folgen wiederum die Nennung der Beschleunigungs- und PS-Zahlen vor den Verbrauchszahlen. Nicht mehr in grüner Lackierung auf der Wiese, sondern ganz konventionell in rot auf einem Schot­ terweg in der Kurve fahrend, zeigt sich der Jetta Turbo-Diesel unter der Überschrift 20

Tankt Diesel. Fährt Super (35/1982). Ganz der sportlichen Tradition verhaftet fällt dann auch die Beschreibung aus: Vor ein paar Jahren hätte man es noch nicht geglaubt: Sie sitzen in einem Diesel, beschleunigen in 14,0 Sekunden von 0 auf 100, und die Tachonadel klettert ohne weiteres auf 153 km/h. Wobei die Nadel der Tankanzeige kaum in Bewegung gerät. Durch den Turbo, der zusätzliche Leistung bietet, kann man also jetzt von einem Diesel im glei­ chen Ton wie von einem Sportwagen reden. Der Jetta Turbo-Diesel bietet lediglich die Voraussetzungen zum kräftigen Sparen. Das Sparen ist kein 'muß'. Dieses Diesel-Modell präsentiert sich in erster Linie als Sportwagen, dann erst als 'Sparwagen'. Ende des Jah­ res 1982 ändert sich die Tonart, mit der über den VW Jetta gesprochen wird. Wurde die­ ser Wagen zuvor mit dem 'Spar-Argument' in Verbindung gebracht, ist jetzt davon kei­ ne Rede mehr: Ein gelber Jetta fährt auf einem Schotterweg in den Bergen unter der Überschrift: Der Jetta. Serpentinen bevorzugt. (39/1982) Im Anzeigentext heißt es weiter­ hin: Egal, ob sie durch den Odenwald oder über die Alpen fahren. Hauptsache der Jetta darf sich mal richtig in die Kurve legen (...) Mit 40 kW/54 PS klettert er vollbepackt auf jeden Gipfel (...) Haben Sie Lust mit dem Jetta ein bißchen ’rumzukurven? Einige Wochen später steht der Jetta für Kraft durch Technik. Hier ist vom Fahrwerk, dem spurstabilisierenden LenkrolT radius und den Bremsen (Bremskraftverstärker) die Rede, nämlich ausgereifte Technik, die dazu dient, diese Kraft optimal auf die Straße zu bringen (...) um vorhandene Kräfte bestmög­ lichst zu nutzen (42/1982). Die starken Motoren erlauben eine angenehme Reisegeschwindig­ keit (...) mit (...)PS kommt man zügig ans Ziel (46/1982). Das 'Spar-Argument' hat ausgedient, der Jetta wird ganz konventionell als Sport- und Reisewagen angeboten. Eine Anzeige von Volkswagen (29/1980), die alle sechs aktuellen Modelle an einer Tankstelle zeigt und mit der Schlagzeile Das Energie-Sparprogramm von Volkswagen über­ schrieben ist, bestätigt nochmals, daß kräftig sparen nicht kraftlos bedeutet. Im Gegenteil: Sie sind spurtstärker als die meisten ihrer Konkurrenten. Diese Anzeige bildet den Beginn einer Serie, in der der Stellenwert des Sparens für das gesamte Unternehmen nochmals klargestellt wird: Energiesparen ist bei VW noch lange kein Grund für langsame und langwei­ lige Autos (...) in Leistung und Komfort sind sie voll da. (...) (Sie) brauchen auf den Fahrspaß nicht zu verzichten. Denn Volkswagen sind spurtstärker (31/1980). Die Serie mündet dann in der Ankündigung der Formel E. Durch diese Bezeichnung wird das Energiesparkon- zept von VW mit der Formel 1 des Motorsports in Verbindung gebracht. Mit diesem Sparkonzept spart man nicht nur einfach Energie, sondern so, daß es die reine Freude ist (7/1981). Diese vorbereitenden Anzeigen für die Ankündigung der "Formel E" sollten offensichtlich dafür sorgen, daß das "E" für Energiesparen auch 'richtig' bei den Konsu­ menten ankommt und nicht etwa als reines 'Spar-Argument'. Bei der Einführung der "Formel E" scheint es Volkswagen vor allen Dingen wichtig, die Konsumenten davon zu überzeugen, daß sie nicht etwa durch ein radikales neues Konzept zum Sparen

* kW (Kilowatt) ist eine andere Maßeinheit für die Motorenstärke, die im Rahmen der internationalen Normierung und Standardisierung eingeführt wurde. Sie setzt sich aber in Deutschland gegenüber der PS-Zahl nur sehr langsam durch. 21

gezwungen werden, sondern daß Sie es selbst in der Hand haben, mit möglichst wenig Kraft­ stoff eine Menge Kilometer zu schaffen (7/1982). Hier wird dem mit dem Auto verbunde­ nen Wunsch nach individueller Freiheit Rechnung getragen. Eine Autokonstruktion, die ein radikales Sparkonzept vorgibt, würde diesen beim Kunden vermuteten Wün­ schen widersprechen. Auch die Forschungsanstrengungen von Volkswagen scheinen in Richtung einer Interpretation von Sparen zu gehen, die das Sparen nur bei gleichzeitig erhöhter Motor­ leistung zuläßt. Das Unternehmen präsentiert in einer Anzeige, unter der Headline Das Rennauto, das ein Lemauto ist (19/1981), ein futuristisch wirkendes VW-Modell mit der Aufschrift ARVW (Aerodynamic Research VW): 362,07 Stundenkilometer Spitze. Zwei Weltrekorde. (...) Der ARVW zeigt, wie hohe Geschwindigkeiten bei niedrigem Verbrauch gefah­ ren werden können. Das Kriterium Sparsamkeit scheint sich also auch in Zukunft dem Kriterium Schnelligkeit unterordnen zu müssen. Etwa ein Jahr später wird wiederum ein Forschungsfahrzeug, der Volkswagen 2000, präsentiert: Unsere Ingenieure schaffen Lösungen, die noch sicherer, wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und komfortabler sind als heu­ te (22/1982). Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit stehen hier als Kriterien an zweiter und dritter Stelle. In welcher Interpretation sie jeweils realisiert werden, ist hier für das Kriterium 'wirtschaftlich' (bzw. 'sparsam') gezeigt worden. Wie das Kriterium Umweltschutz interpretiert wird, zeigt sich bei VW erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre.

- Kraftstoff sparen erhöht die Reichweite und spart Geld

Ein Aspekt, der in der VW-Werbung mit der Sparsamkeit bzw. dem niedrigen Kraft­ stoffverbrauch verbunden wird, ist die steigende Reichweite einer Tankfüllung. So ist auf einer Anzeige für Volkswagen die Karikatur eines personifizierten Automobils mit altmodisch erscheinenden, runden Abmessungen zu sehen. Mit einem grimmigen Aus­ druck hält es in der einen Hand einen leeren Benzinkanister, die andere Hand ist ausge­ streckt, um ein anderes Auto anzuhalten. Die Straße ist leer und liegt in einer unendlich scheinenden Wüstenlandschaft: Sie sehen, wenn Sie in einem VW sitzen, werden Sie es weit mit ihm bringen. Aber vergessen Sie trotzdem nicht, ab und zu mal zu tanken (15/1982). Die Wahrscheinlichkeit, in eine solche 'autofeindliche' Landschaft zu geraten, ist eher gering in Europa mit seinem dicht ausgebauten Straßen- und Tankstellennetz. Trotz­ dem wird hier vom Verkaufsargument der Sparsamkeit im Verbrauch das Verkaufsar­ gument einer gestiegenen Reichweite abgeleitet. Hier reift also das Sparsamkeitskon­ zept nicht zu einem neuen Autokonzept, sondern wird ganz im Sinne des herrschenden Leitbildes als gestiegene Reichweite interpretiert. Das Argument des Verbrauchs wird wieder zu einem Argument für das althergebrachte Leitbild der Renn-Reise-Limousine. 22

Ende 1983 kommt ein neuer Golf auf den Markt: der neue, große Golf (...) Sein Ver­ brauch konnte trotz verbesserter Fahrleistung beachtlich gesenkt werden (4/1986); er ist größer, moderner, wirtschaftlicher, wertvoller. Durch viele konstruktive Verbesserungen wurde sein Kraftstoffverbrauch noch weiter gesenkt (45/1986). Der Anreiz für das Benzinsparen liegt hier wiederum eindeutig in der versprochenen Reichweite: Unter der Überschrift Der Marathon Tank ist eine Foto des Tanks abgebildet, der fetzt 40% mehr faßt als vorher. Sein niedriger Verbrauch und sein großer Tank machen Tankstops bei benzinsparender Fahrweise erst nach 700 -1000 Kilometern nötig. Eine weitere Anzeige in dieser Serie zum Thema 'Volkswagen und Sparen, was ist das?' verspricht, daß ein Wagen aus dem Hause Volkswagen bei aller Sparsamkeit (...) nicht am Spaß spart (24/1982). Einige Wochen später lautet die Headline: Ein Volkswa­ gen spart überall. Nur nicht am Spaß (30/1982) Neben der Reichweite wird das Argument 'niedriger Benzinverbrauch' weiterhin im Sinne eines finanziellen Arguments interpre­ tiert. Mit der Karikatur einer klagenden Zapfsäule wird der Volkswagen Turbo Diesel angekündigt: Schon bei einem normalen VW-Diesel haben die Tanksäulen nichts zu lachen. Aber jetzt stehen sie noch trauriger da. Gleichzeitig wird aber mehr Leistung versprochen: Falls Sie also ein kraftvolles Auto suchen, sich aber bei ihrem Tankwart kaum noch sehen lassen wollen (38/1982). In der Anzeigenwerbung für den Santana ist die Sparsamkeit im Ver­ brauch ein finanzielles Argument. Der niedrige Verbrauch, mit dem geworben wird, erlaubt es wieder, großzügige Autos wie den Santana zu fahren: Nun werden Sie wahr­ scheinlich befürchten, daß einen so viele Vorzüge teuer zu stehen kommen. Keine Sorge (16/1982). Sparsamkeit im Verbrauch ist nicht etwa ein Argument für den Umwelt­ schutz, sondern wird als rein finanzielles Angebot angepriesen.

- Scirocco und Santana: Bei soviel PS ist sparen tabu

Die Modelle Scirocco und Santana werden eher mit den 'traditionellen' Themen umworben. Der neue Scirocco ist Aufregend vernünftig. Diese direkte Gegenüberstellung und scheinbare Gleichstellung von rationalen und irrationalen Argumenten ist eine Strategie, die in den 70er Jahren zuerst angewendet wurde und hier ihre Fortsetzung findet. Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Anzeigen - vorwiegend für die VW- Modelle Jetta und Golf - dominiert in den Anzeigen für den Scirocco eindeutig das Argument "aufregend". Das Argument 'Sparsamkeit' wird sehr viel vorsichtiger ange­ sprochen: Der Scirocco ist ein aufregendes Auto mit sportlicher Technik und allen Vorausset­ zungen für einen günstigen Verbrauch (23/1981). Bei so viel Exklusivität gehört es'sich offensichtlich nicht, vom Sparen zu sprechen, denn er hat einen feinen Platz im auserwähl­ ten Kreis der exklusiven Sportcoupes (24/1981) und ist auf dieser Anzeige vor einem gedie­ genen Hauseingang geparkt. Anstatt an Sparen zu denken: Gönnen Sie sich das aufregen­ de Erlebnis und starten Sie den Motor. Zumindest aber muß um Erlaubnis gebeten wer­ 23

den, bevor dieses heikle Thema angeschnitten wird: Gestatten Sie, daß wir auch in Gegen­ wart eines so aufregenden Autos übers Sparen reden. Da ist es beruhigend zu erfahren, daß der neue Scirocco nicht nur sparsamer geworden ist, sondern auch schneller. Auf einer weite­ ren Anzeige soll dem Scirocco-Interessenten das Sparen von Kraftstoff auf die folgende Art schmackhaft gemacht werden: Und wenn Sie - so als kleines Hobby nebenher - Spaß am Sparen haben (...) (19/1982). Beim Scirocco kann das Sparargument gleich ganz wegfal­ len, hier hat man ganz andere Sorgen, denn der Scirocco legt jetzt noch einen Streifen zu (38/1982). Auf der ersten Seite einer dreiseitigen Anzeige fährt ein Wagen auf einer von Palmen gesäumten Schnellstraße. Durch die verschwommenen Konturen des Wagens wird die hohe Fahrgeschwindigkeit spürbar. Hier handelt es sich um einen ganz tollen Scirocco, wie die Motorleistung beweist, mit sportlicher Ausstattung, temperamentvollen Fahrleistungen, guter Straßenlage, niedrigem Kraftstoffverbrauch, viel Platz. Die Worte Viel Spaß sind durch einen Punkt abgetrennt und in die nächste Zeile gerückt. Dieser Aspekt kann also mit Kriterien wie "niedriger Kraftstoffverbrauch" nicht in Konkurrenz treten. Er steht auf einem anderen 'Blatt'. Auch bei dem neuen Modell Santana steht der zuvor im Zusammenhang mit den Modellen Golf und Jetta und der neuen Dieseltechnik thematisierte Aspekt der Spar­ samkeit im Hintergrund. Die Anzeigenkampagne führt den Wagen durchgängig als Reisewagen vor. Die Bilder zeigen jeweils das Auto und seine Insassen (frisch und erholt, wie auch das Auto) am Ziel der jeweiligen Reise. Es ist eine Komfortlimousine, die ein Höchstmaß an Eleganz, Komfort, Platz und Technik bietet (2/1982). Nach einer ausführ­ lichen Aufzählung aller Ausstattungsdetails folgt dann am Schluß noch der Nebensatz, daß die (...) Karosserieform nicht nur ästhetisch befriedigt, sondern mit dazu beiträgt, den Ben­ zinverbrauch niedrig zu halten, ist ein weiterer Vorteil des Wagens. Das Argument der Spar­ samkeit im Verbrauch taugt gerade noch für einen Nebensatz und erscheint hier auch nur als eine eher zufällige Begleiterscheinung einer attraktiven Karosserie. Beeindruk- ken sollen dagegen PS-Zahl und Beschleunigungswerte: Imponierend sind auch die techni­ schen Werte (4/1982). Sie können im Santana natürlich nicht nur gut sitzen, sondern auch flott fahren (12/1982), auch wenn der Santana ganz eindeutig eines der wirtschaftlichsten Autos seiner Klasse (2/1983) sein soll. An erster Stelle steht zwar: Komfort, Komfort und nochmals Komfort (...) sparen ist allerdings ein Stichwort, auf das wir kurz zurückkommen sollten (11/1983). An dieser Stelle werden dann die Verbrauchszahlen genannt. Die sollte jeder Santana-Fahrer kennen, denn der Kraftstoffverbrauch ist so niedrig, daß er zu ihrer Entspan­ nung beiträgt (15/1983). Beim Santana mit Turbo Diesel Ausstattung ist ausnahmsweise auch von Sparsamkeit die Rede. Sparsamkeit, die allein Technik ermöglichen kann: Wirklich erstaunlich, was Technik alles vermag (...) Doch die Sparsamkeit ist nicht allein das Verblüffende. Auch die Hubraumleistung ist beim Santana Turbo Diesel eine echte Stärke (41/1982) Dies wird wiederum durch Leistungswerte in PS und Beschleunigung unter­ strichen. 24

b. Mit einem Opel 'sparen’: hohe Leistung (...) betont wirtschaftlich

Bei Opel wird die Thematisierung des Kraftstoffverbrauchs in der Werbung insgesamt noch vorsichtiger angegangen als bei Volkswagen. Beim Opel Commodore wird der Kraftstoffverbrauch 1980 (24/1980) überhaupt zum ersten Mal ausdrücklich genannt, und im Laufe des Jahres wird in allen Opel-Anzeigen dazu übergegangen, den Kraft­ stoffverbrauch gesondert und detailliert in einer Tabelle anzuzeigen. Im Anzeigentext wird das Argument Sparen nicht ausdrücklich erwähnt, sondern elegant umschrieben: So erzielt der Senator seine hohe Leistung (...) betont wirtschaftlich (27/1980) und beweist damit seine ökonomische Grundeinstellung. Er bietet beides: hervorragende Leistungs- und Verbrauchsdaten (9/1981). Der Opel Commodore dagegen steht für die elegante Art, kom­ fortabel zu sparen (6/1981), bei hoher Leistung ist der Kraftstoffverbrauch günstig (20/1981). Bei einer weiteren Anzeige ziert die Headline: Sportlich, Dynamisch, Wirtschaftlich. Und Spaß. Die Kriterien 'sportlich' und 'dynamisch' sind dem Kriterium der Wirtschaftlich­ keit vorangestellt. Sportlichkeit und Dynamik entscheiden darüber, wie wirtschaftlich das Auto sein darf. Der Spaß am Autofahren, der sich wiederum proportional zur Motorleistung verhält, steht allerdings nicht zur Diskussion. Das Kriterium 'Spaß' steht für sich auf einer neuen Zeile (vgl. auch VW Scirocco (38/1982, S.28). Unter der Schlagzeile Energiebewußt präsentiert sich Opel 1981 als problem- und verantwortungsbewußtes Unternehmen. Die Anstrengungen des Unternehmens gelten dabei dem Wunsch (der Käufer), auch heute noch ein leistungsfähiges, exklusives Automobil fahren zu können (24/1981). Aber eben energiebewußt. Ausgezeichnete Leistungswerte bei betont sparsamem Kraftstoffverbrauch sind bei Opel Ausdruck einer energiebewufiten Einstel­ lung (27/1981). Unter diesen Voraussetzungen kann die Entscheidung für die große Klasse beruhigt gefällt werden. Sie ist vernünftig wie zeitgemäß (Senator 28/1981). 'Sparsamkeit' und 'Motorleistung' werden als zwei Kriterien dargestellt, die sich nicht gegenseitig behindern dürfen: Energiebewußt. Souverän (Senator 28/1981) oder Energiebewußt. Dynamisch, so kurz und präzise stellt sich das Verhältnis dieser beiden Kriterien dar. Sie erscheinen gleichberechtigt, dürfen sich gegenseitig nicht behindern. Tatsächlich recht­ fertigt das eine das andere. Bei gesenktem Kraftstoffverbrauch können sich Autofahrer beruhigt wieder für die große Klasse entscheiden. Dem entspricht das Angebot, das Opel seinen Kunden macht, denn wenn der Rekord (...) nichts anderes vorzuweisen hätte als Wirt­ schaftlichkeit, dann wäre er sicher kein Opel (37/1983). Auf einer dreiseitigen Anzeige unter dem Motto Opel Initiative für besseres Fahren (35/1981) fordert das Unternehmen, Autofahren muß erschwinglich bleiben, damit die mobile Freiheit auch in Zukunft garantiert ist. Die "mobile Freiheit” sieht das Unternehmen offenbar allein durch steigende Benzinpreise gefährdet. Die Anstrengungen in der Automobilentwicklung gelten deshalb der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeitiger Steigerung der Motorleistung und des Komforts, denn Opel vertritt die 25

Meinung, so heißt es weiter, daß Komfort, Bequemlichkeit und reine Fahrfreude ebenfalls unverzichtbar sind. Der Rekord soll diese beim Kunden vermuteten Bedürfnisse einlösen, denn er ist ein großzügiges, elegantes Auto, das an nichts spart, außer an Kraftstoff (46/1982). Damit bei höheren Benzinpreisen keine schlechte Laune aufkommt, verspricht Opel den Autofahrern dafür Sorge zu tragen, daß der Verbrauch zumindest nicht steigt, also keine höheren Kosten entstehen und kein Grund besteht, das bisherige, Freude ver­ heißende Verhältnis zum Auto oder seine Art des Gebrauchs zu verändern: Die Benzin­ kasse soll nicht von ihrem Auto verbraucht werden. Wir finden es besser, wenn Sie sich ein paar Extra-Touren erlauben können (Rekord 40/1983). Mit einer neuen Ausgabe des Rekord tritt Opel dann den Beweis an, daß das Unternehmen sein Versprechen hält: So viel Platz, so viel Kraft und nur so wenig Ver­ brauch. Das ist der neue Rekord.(...) Erstaunt werden Sie jetzt fragen, wie ist das bei einer so großen, leistungsfähigen Komfortlimousine überhaupt möglich? (49/1982) An dieser Stelle folgt nun eine Lobeshymne auf die unermüdlich an einer Verbesserung des Autos arbeitenden Ingenieure. Ihre Arbeit trägt Früchte: Der Rekord beweist, daß es auch heute möglich ist, ein großzügiges Auto zu fahren, ohne auf die zeitgemäße Wirtschaftlichkeit zu ver­ zichten. Wirtschaftlichkeit wird hier als ein unter Umständen vorübergehendes Krite­ rium interpretiert, dem die Automobilentwicklung genügen muß, um die bisher gel­ tenden Standards zu halten und weiter auszubauen. So lautet denn auch das neue Motto neben dem Logo am Ende des Anzeigentextes: Opel - zuverlässig in die Zukunft. So haben sich auch zum Ende des Jahrzehnts die Kriterien eines erfolgreichen Automobils nicht verändert: Auch 1989 heißt es noch in einer Anzeige für den Senator: Mehr Lei­ stung bei weniger Verbrauch (39/1989). Die Dieseltechnik verschafft dem 'Spar-Argument' bei Opel noch einmal etwas Ge­ wicht: 1984 wirbt Opel für einen Diesel - mit Turbotechnik -, denn sie verschafft dem Diesel das Temperament eines Benziners: Der neue Rekord Turbo-Diesel. Temperament durch Turbo-Technik (20/1984). Da gerät sogar mancher Benziner ein bißchen außer Atem. Schnell wie ein gewöhnlicher Opel Rekord und sparsam wie ein Diesel: Nur beim Sparen ist er immer noch ganz der alte. Das neue Einspritztriebwerk des Rekord soll nicht nur Benzin sparen, sondern den Wagen temperamentvoller machen (51/1984). Beim Ascona kann diese neue Motorentechnik genutzt werden, um Zeit und Geld (21/1986) zu sparen. Das Leistungskriterium rangiert deutlich vor dem finanziellen Argument. Man darf sich freuen (...), wenn die Schubabschaltung zum Beispiel bei Bergabfahrten den Verbrauch sogar auf Null reduziert. Das geschieht aber alles unter der Vorgabe der Steigerung, wie die Head­ line deutlich macht: Kraftvoll. Kraftvoller. Ascona oder auch Elegant. Eleganter. Ascona (28/1986). Auch fahren, heißt nicht unbedingt, sparsam zu fahren. Es soll schließlich niemand zum Sparen gezwungen werden. In einem inszenierten Gespräch wird die Frage, Wie wirtschaftlich ist er?, beantwortet mit, Natürlich ist es ein Unterschied, welchen Corsa man fährt (37/1986). 26

Der wird unter anderem mit einer besonders aerodynamischen Karosserie beworben, die sich in einem glänzenden Cw-Wert (22/1987)* ausdrückt. Der sorgt für eine besonders gute Abschirmung der Windgeräusche im Innern, und vor allen Dingen ist beste Aerodynamik Geld wert. Sie spart nämlich Treibstoff. Auch dieses Modell wird mit einem Diesel angeboten, der mittels Turbolader stattliche 66kW (90PS) lei­ stet. Sparsam soll er sein, das wird von einem Diesel erwartet, aber die Motorleistung soll über Dieselverhältnisse hinaus gehen: die Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h unter­ streicht das für Dieselverhältnisse ungewöhnliche Temperament unseres Motors (25/1987). Selbst der Opel Corsa wird mit Dieselmotor angeboten. Die Anzeige zielt dabei weniger auf das Argument Sparsamkeit als auf das Beschleunigungsvermögen des Motors. So wird der Wagen auch im Vergleich mit einem (schwerfälligen aber schnellen) Feuer­ wehrauto gezeigt. Der Corsa geht kräftig zur Sache und ist Im Eiltempo auf 100 (42/1987).

c. Wird das Auto umweltfreundlich?

Mitte der 80er Jahre verliert das Argument Sparsamkeit an Relevanz und wird Teil des allgemeineren, beschreibenden Teils des Anzeigentextes. Statt dessen gewinnt das Argument Umweltschutz an Bedeutung. Bei Volkswagen bleibt es allerdings zunächst bei einem Stichwort Umweltschutz, das nicht näher beschrieben wird. Besonders aber bei den angebotenen Sondermodellen des Passat und Santana ist die Ausstattung tonange­ bend: Gute Nachrichten für alle, die günstig auf ein größeres, komfortableres oder stärkeres Auto umsteigen wollen! (8/1983) Der Passat Arena wird als sportlich-elegante Schrägheckli­ mousine angeboten. Nach einer ausführlichen Aufzählung der besonderen Ausstattungs­ details (schwarze Außendetails wie Radhaus und Schwellenverbreitungen, breiten Rundum­ schutzleisten und, und, und. Variant Arena 39/1985) und der Motorenstärke folgt ohne jede Erläuterung die allgemeine Feststellung: Natürlich haben wir auch ein Angebot für den Umweltschutz. Auf einer Anzeige für das Sondermodell Scirocco Tropic findet sich ein silbergrau­ er Wagen vor einem bunten und wuchernden Regenwald-Panorama, der von blauen Schmetterlingen umschwärmt wird. Der Regenwald wird hier nicht etwa zum Blick­ fang gemacht, um einen Beitrag der Automobilindustrie zum Thema Umweltschutz einzuleiten. Der Regenwald als Setting dient vielmehr dazu, Eigenschaften der wilden Tiere des Dschungels auf das Automobil zu übertragen: Jetzt kommt Leben in den grauen Asphaltdschungel (...) Ein Prachtexemplar, wie man sieht. (...) wie außergewöhnlich und rassig dieses Vollblut-Sportcoupe ist.(...) Und weil Jeder seine eigene Vorstellung von sportlichen Lei­ stungen hat, stehen beim Scirocco gleich vier Motoren zu freien Auswahl. Ein letzter, fast pflichtgemäß klingender Satz für diejenigen, die vielleicht doch Regenwald mit

Der Cw-Wert bezeichnet den Luftwiderstand eines Automobils. 27

Umweltschutz assoziiert hatten, lautet: inklusive eines passenden Angebots für den Umwelt­ schutz (17/1988). Der in einem Ausstellungsraum präsentierte Passat ist ganz nebenbei serienmäßig schadstojfarm. Obwohl beim Passat vom Fahren in einer neuen Dimension (19/1988) die Rede ist, klingen die Eigenschaften, die Ende der 80er Jahre bei diesem Auto hervorgehoben werden, nicht anders als die der 70er Jahre: neues Design (...) mehr Fahrspaß, mehr Komfort, mehr Technik (17/1988). Denn anscheinend nur so kann sich der neue Passat jedem Vergleich stellen, jedem Vergleich souverän standhalten (34/1988). Der neue Opel Kadett bietet neben mehr Raum und mehr Komfort auch eine Stufe mehr Umweltfreundlichkeit. Alle Motoren sind auf geringen Verbrauch angelegt. Dazu kommen schadstoffarme und steuerfreie Diesel- und Katalpsator-Modelle. Asbestfreie Kupplungs- und Bremsbeläge. Und kadmiumfreie Kunststoffe und Lacke (46/1985). Hier wird das, was bei Opel als ein umfassendes Programm zum Umweltschutz angeboten wird, zumindest etwas konkreter als das allgemeine Angebot für den Umweltschutz, das VW seinen Kunden macht. Opel wendet sich selbst an Autokritiker, denen der Umweltschutz besonders am Herzen liegt. In einer Anzeige der Serie "Erläuterungen der AG" will das Unternehmen deutliche Worte in Sachen Umweltschutz sprechen (31/1986). Opel schmückt sich hier mit dem Erfolg, Umwelt-Technik für Normalverdiener zu machen. Zu Beginn des Jahres 1987 (4/1987) wagt sich Opel mit einer einmaligen Anzeige in Sachen Umweltschutz etwas weiter vor. Die linke Seite der doppelseitigen Anzeige zeigt eine idyllische bayerische Voralpenlandschaft. Hinten thronen die Berge, ein Kirchturm ragt in den blauen Himmel. Um Himmels Willen, so die Botschaft der Headli­ ne, als mahne christliche Nächstenliebe zur Reinhaltung der Luft, präsentiert Opel hier den Opel Kadett. Mit schadstoffreduziertem 1,3 Liter Euronorm-Motor. Denn, so lautet der erste Satz des Textblocks, Autos belasten die Umwelt. Niemand will es leugnen. Diese Tatsa­ che hat die Automobilwerbung zuvor noch nicht ausgesprochen. Das Auto und die Natur erscheinen in der Regel in harmonischer Partnerschaft. Das Auto in der Land­ schaft ist das immer wiederkehrende, unverbraucht erscheinende Motiv der Automo­ bilwerbung. Zuweilen verschmelzen Natur und Automobil sogar zu einem "rassigen" Gefährt, einem "Käfer" oder ähnlichen Mischformen von Tier und Automobil. Mit die­ ser Anzeige, die im Spiegel nur dieses eine Mal geschaltet wird, ist diese harmonische Verbindung von Automobil und Natur in der Automobilwerbung keinesfalls beendet. Um diese erste, radikal anmutende Feststellung in ihrer Wirkung zu neutralisieren, werden die Leser sofort beruhigt: in einer Welt ohne Autos wären die Probleme nicht gerin­ ger und die Rüsselsheimer Ingenieure haben dafür gesorgt, daß Opel einer der größten Anbieter schadstoffarmer Motoren ist. Opel rettet unsere Umwelt: Bei den Katalysator- Motoren liege die Schadstoffreduzierung bei etwa 90%, sauberer als man es hierzulande (vom Gesetzgeber her) verlangt. Auch der Spaß am Autofahren ist gerettet, denn für den ganz sportlichen Umweltfreund hat der Kadett GSi einen neu entwickelten 2,0 L Motor 28

(85kW/115PS) mit modernster Motronic und geregeltem Katalysator. Die gleiche PS-Zahl bei geregeltem Katalysator bietet der Omega 3000, das Auto des Jahres 1987 (19/1987): Sportlichkeit und Umweltschutz lassen sich hier also glänzend miteinander verbinden. Nicht nur die Sparsamkeit im Kraftstoffverbrauch, auch die Maßnahmen zum Umweltschutz dienen als finanzielles Argument. Die 'Sauberkeit' des Kadett Diesel hat dann schon nicht mehr so viel mit Umweltschutz, sondern in erster Linie mit Finanzen zu tun: Der Kadett Diesel. Sauber am Finanzamt vorbei. Die Umweltschutztechnik, mit der die Opel-Modelle ausgestattet werden, sollen einen ausgezeichneten Wiederverkaufswert garantieren, denn schließlich wird auch in Zukunft nichts so gefragt sein, wie ein umwelt­ freundliches Auto (10/1987). Weil Cabrio-Fahrern die Luft nicht schnuppe ist, gibt es den offen- Kadett außerdem serienmäßig mit geregeltem Drei-Wege-Kat (31/1987), heißt es lapidar. Um­ weltschutz ist zunehmend kein Thema der Werbung mehr, sobald der Katalysator ein Teil der serienmäßigen Ausstattung wird. Dann wird wie beim Opel Corsa höchstens noch der Slogan gebracht: Fährt serienmäßig schadstoffarm (39/1987). Oder diese Ausstat­ tung dient allenfalls noch als Anreiz zum Geld sparen: der serienmäßige 1,2 Liter Euro­ norm-Motor ist schadstoffarm, also vorerst von der Steuer befreit. Dieser Vorzug rangiert selbst bei einem kleinen Wagen wie dem Corsa selbstverständlich hinter der Motorlei­ stung: Mit 33 kW (45PS) ist der Wagen in wenigen Sekunden auf 100 km/h (40/1987). Opel referiert auch in den "Erklärungen der Adam Opel AG" immer wieder über sein Angebot für den Umweltschutz, Opels blitzsauberer Technik, und versucht, den Umweltschutz zum Verkaufsargument zu machen. Eine Opel-Anzeige wirbt nicht für ein einzelnes Auto, sondern für Opels Motoren, die jetzt serienmäßig mit Katalysator ausgestattet sind. Abgebildet ist aber nicht irgendein Motor, sondern - wie die Auf­ schrift zu erkennen gibt - ein besonders leistungsfähiger 150 PS-Motor mit 16 Ventilen. Er ist das Resultat einer Entwicklung, die folgender Leitlinie gehorcht: Höchster Wir­ kungsgrad bei geringster Umweltbelastung (22/1989). Nur bei gleichzeitiger Aufrüstung der Motoren kann man es sich leisten, die Umweltbelastung zu senken. So stellt sich Opel blitzsaubere High-Tech-Produkte vor.

d. Das multifunktionale und klassenlose Auto

Eine neue Paarung aus Familien- und Freizeitlimousine sowie Rennwagen

In der VW-Werbung präsentiert sich der Passat als das klassen- und spartenübergrei­ fende Fahrzeug. Er ist Freizeit- und Familienlimousine und dazu noch ein bißchen Sportwagen. Der Variant bietet ein großzügiges Angebot an Platz und Komfort für Freizeit und Beruf (39/1988) und er bietet doppelten Spaß (...) Weil die Arbeit mehr Vergnügen und das Vergnügen weniger Arbeit macht (43/1988). Es ist das Auto mit dem praktischen Doppel­ 29

nutzen - sehr hilfreich im Geschäftsleben, sehr abwechslungsreich in der Freizeit (20/1989). Nicht nur, was seine Motorleistung angeht (ein Dynamikwunder, 50/1988), auch hin­ sichtlich des Komforts strebt der Passat höhere Klassen an: Dem Raumgefühl nach zu urteilen, könnte es eine Luxusklasse sein (50/1988); kein Wunder, wenn Sie im Passat auch in der zweiten Reihe erster Klasse sitzen (22/1989); elegant wie er ist, repräsentiert er Sie und die Firma ausgezeichnet (25/1989). Von jetzt an rutscht die Empfehlung des Herstellers für schadstoffarme Motoren in ein extra Kästchen, um nicht mit der Anzeige als Ganzes zu kollidieren: Für jedes Pkw-Modell werden Motoren mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator angeboten. Sie erfüllen die strenge US-Norm (19/1989). Sparen ist sowieso kein Thema mehr und auch dem Umweltschutz braucht sich jetzt die Werbung nicht zu widmen. Sie kann sich den eigentlichen automobilen Themen zuwenden. So kann sich in der gleichen Anzeige der Passat, ein elegantes und komfortables Fahrzeug, als eine geballte Ladung Energie darstellen. Ein Fahrzeug, bei dem der Motorsport Pate stand und das sich unter härtesten Rennsportbedingungen bewährte. Das Resultat, das sich in Beschleuni­ gungszeit und Spitzengeschwindigkeit messen läßt, ermöglicht den Fahrern aktive Sicherheit, z.B. beim Überholen. Dabei ist er bei aller Leistung nach Volkswagen-Art enorm bescheiden. Ein Wagen muß nicht mehr 'sparsam' sein, das hört sich nach Zwang an und scheint überdies keine autogemäße Eigenschaft: Attribute wie "überraschend ver­ brauchsfreundlich" oder "enorm bescheiden" sind passender für die sensible Automo­ bilseele. Ein Wagen muß Kopf und Herz befriedigen. Auch in dieser Beziehung präsen­ tiert sich der Passat spartenübergreifend: Der Kopf sagt Passat, Das Herz sagt 16 V (45/1989). Dem Kopf wird das computergesteuerte Fahrwerk geboten, mit dem es sich wie auf Schienen fährt und ABS als Sicherheitsreserve. Fürs Herz gibt es Spaß, eine Prise Luxus und das Gefühl, vielleicht ein bißchen mehr zu haben als man unbedingt braucht. Die Präsen­ tation des Passat im Ausstellungsraum kündigt schon das Automobil der 90er Jahre als kostbares Designobjekt an. So wird auch beim Corrado das Styling vor der Motorlei­ stung an erster Stelle genannt, und in einer Anzeige der Kampagne wird die Karosserie Stück für Stück leidenschaftlich beschrieben: Auf den ersten Blick werden Sie das Styling des neuen Corrado bestimmt einfach nur aufregend schön finden. Die Rundungen der Frontpar­ tie, die klaren dynamischen Seitenlinien, die kraftvollen Heckpartien, den Spoiler. Formen, die auf den zweiten Blick aufregend aerodynamisch sind (15/1989). Der neu auf dem Markt eingeführte Corrado nähert sich dem multifunktionalen Auto von der Sportwagensparte her an. Er ist zwar unmißverständlich ein Sportwagen: Spaß am Styling, Motorleistung und Beschleunigung (...) ein Kraftpaket (7/1989), doch in sei­ nem Platzangebot und seinem Komfort soll er einer Limousine nicht nachstehen. Anders als man es von Sportwagen gewöhnt ist, verspricht er auch überraschend leise (...) überraschend verbrauchsfreundlich...zu sein. Was sich bei der VW-Werbung erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zeigt, nämlich das Verschwimmen der Grenzen zwischen Sportwagen und Familien-Luxusli- 30

mousine, kündigt sich bei Opel bereits Ende der 70er Jahre an. Der Opel Monza ist eine Kombination von Luxus und Sportlichkeit (28/1978), von Sportlichkeit und Eleganz (5/1983). Dieses Opel-Modell wird als eine Synthese von Nutzwert und Erleben angeboten. Der Nutzwert entspricht hier in erster Linie dem Nutzen in der Freizeit, nämlich für auf­ wendige Hobbys. Der Erlebniswert bezieht sich auf die Fahreigenschaften, die in vieler Hinsicht manchem Sportwagen überlegen sind (...) Kraftvolle, dynamische, außergewöhnlich drehfreudige (...) Hochleistungstriebwerke (32/1978). Oder anders ausgedrückt: dem außer­ ordentlich hohen Nutzwert entspricht seine faszinierende Leistungsfähigkeit. Die Motorlei­ stung wiederum vermittelt das sichere Gefühl, noch Leistung in Reserve zu haben (6/1979). Der Opel Monza bietet außerordentliche Fahrleistungen bei erstaunlich günstigen Ver­ brauchswerten und großzügigem Komfort, denn 'Nur' sportliche Automobile bestrafen ihre Fahrer oft mit Einbußen an Raumangebot und Komfort. Diese Autokonzeption verbindet die bekannten Eigenschaften einer Luxuslimousine mit denen eines Sportwagens. Das alles wird auch als "neue Interpretation von Mobilität" angeboten. Der Opel Monza GSE kennt deshalb auch kein Vorbild. Mit ihm ist es gelungen, scheinbar unvereinbare Kompo­ nenten wie Sportlichkeit, Raum, Komfort und Wirtschaftlichkeit in einem eigenständigen Auto­ mobil zu vereinen (36/1983). Der Opel Commodore ist nicht mehr nur Sportwagen, sondern die ideale Verbin­ dung von Nutzraum, Leistung und Komfort. Hier soll das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden werden (20/1981). Selbst der Senator, die klassische Luxuslimousine, ver­ hält sich fast wie ein Sportwagen: Das Temperament des 6-Zylindertriebwerks liefert nahezu Sportwagenwerte (42/1983). Auch der , eine ausgewiesene Familienlimousi­ ne, kann den gereiften Familienvater ab und zu in seine Sturm-und-Drang-Zeit zurückverset­ zen (37/1986). Der Opel Ascona hat es weit gebracht. Nicht nur, daß er eines der erfolgreich­ sten Autos seiner Klasse ist. Jetzt entwickelt er sich auch noch zu einem wahren Luxus-Automo­ bil (6/1987). Mit zehn Nahaufnahmen von zehn Ausstattungsdetails dokumentiert diese Anzeige die Aufrüstung der Ausstattung, die der Aufrüstung des Motors folgt. Diese Entwicklung des Modells Ascona, vor allem in seiner neuesten kräftigsten Version (22/1987), ist der Grund dafür, daß man es heute schwer hat (...) als Sportwagen. Denn mitt­ lerweile sind einige Familienlimousinen so sportlich geworden, daß sie in puncto Technik und Fahrleistungen so manchen kleinen Flitzer in den Schatten stellen. Der Omega Caravan dokumentiert die Vereinigung von Nutzfahrzeug und Sport­ wagen: Die Zeiten ändern sich. War früher ein Caravan in erster Linie ein Nutzfahrzeug, so ist er heute Symbol eines neuen Lebensstils (...) Mit seiner kräftigen Motorleistung macht er so manchem Sportwagen Konkurrenz (28/1988). Er ist der sportlichste deutsche Caravan (42/1988), der Sportfreunden (...) jede Menge Entwicklungsmöglichkeiten (14/1989) bietet. 31

- Kleine, billige Autos sollen so wie große teure Autos werden

Der Opel Corsa ist zwar ein Wagen, der so kostengünstig ist, daß er seinen Besitzer nicht auffrißt. Dennoch ist er ein kleines Raubtier. Auf einer tiefschwarzen Asphaltstraße, die durch eine grüne Wiese und einen blauen Himmel kontrastiert wird, steht ein Zirkus­ wagen mit Anhänger. Auf dem Anhänger, in einem Käfig befindet sich ein schwarzer Opel Corsa. Darüber prangt die Überschrift Dich kann man nur schwer einfangen (43/1984). Dieser Wagen hat Temperament und mit 70 PS (...) etwas von echter Sport­ lichkeit. Auch in der Ausstattung ähnelt dieser Kleinwagen einem echten Sportwagen: Sportfelgen, Heckspoiler. Und auch Sportsitze. Sportinstrumente. Der Opel Corsa ist ein echter Sportsfreund (47/1984), ein Sportpaket (30/1988), mit dem man flott und wendig durch alle Kurven kommt. Wird bei den Wagen der obersten Klasse in der Werbung bei Opel Individualität als neuer Standard gepredigt, werden die einstmals kleinen Wagen zu solchen, mit denen man sich sehen lassen kann, denen man nicht ansieht, wie bescheiden sie sind (Corsa 47/1984). Der Opel Corsa ist jedenfalls kein Mauerblümchen: Spoiler vorne, Spoiler hinten - das ist rundherum sportlich-perfektes Styling (...) ein Cockpit mit Sportinstru­ menten, griffigem Dreispeichen-Sportlenkrad und Sportsitzen. Und der (...) Motor (...) des besonders aerodynamischen GT (...) entfaltet Kraft und Temperament mit 51 kW (70PS) (29/1986). Zu dieser Aufwertung gehört auch die Ausstattung mit fünf Türen, denn der Mensch fährt nicht gern alleine (Corsa 11/1986). Jetzt bekommt der Corsa auch den Ein­ spritzmotor: Es gab Zeiten, da hatten nur sehr teure Autos eine kleines 'z" auf dem Rücken (41/1986). 1988 ist er schon mit 100 PS im Angebot: Da braucht er nur 9.5 Sekunden für den Sprint auf hundert (21/1988). Bei fünf Türen braucht ein Wagen natürlich auch Platz für fünf: Der Kadett. Auch im Kofferraum Platz für fünf (18 /1986). Der einstmals beschei­ dene Opel Kadett imitiert mit seinem Platzangebot nicht nur die Reiselimousine, er hat außerdem ein Sportgetriebe bekommen, mit einer Technik, die den Puls höher schlagen läßt (39/1984). Beim Kadett GSi können sich die Fahrer vom reinrassigen Sportwagen-Cockpit inspirieren lassen. Wozu sie sich inspirieren lassen, steht in der nächsten Zeile: Starten Sie das l,8i Triebwerk und spüren Sie die Kraftentfaltung von 85 kW (115 PS) (10/1986). Der Kadett California gehört zu den exklusivsten Sonnenplätzen in diesem Jahr, und die Aus­ stattung zeugt von Luxus wie Sand am Meer (32/1987). Was Opel in dieser Beziehung schon erreicht hat und wen das Unternehmen ein­ holen will, macht es in einer Anzeige der Serie "Erklärungen der Adam Opel AG" unmißverständlich klar, indem es sich mit seinem Erfolgsgeheimnis an die Tahrer derjeni­ gen Marken wendet, an denen schon in mittelschnellen Kurven immer häufiger und immer lockerer Automobile vorbeiziehen, die am Heck 'Opel' tragen und vorn einen Blitz (16/1986). Opel hat die Klassengegensätze schon überwunden. Das Ziel des Unternehmens ist es nicht, Autos für die obere Klasse zu bauen, sondern Autos der Oberklasse für alle zu bauen: Zugegeben - Adnan Kashoggi und Joan Collins bewegen derzeit kein Fahrzeug mit dem 32

Blitz am Bug. Unser Schmerz darüber halt sich in Grenzen. Denn tröstlich ist der Gedanke, daß allein in Deutschland fünf Millionen Menschen einen Opel fahren. Ob Arzt oder Azubi, Archi­ tekt oder Verkäuferin, ob Unternehmer oder Facharbeiter oder Steffi Graf ("Erläuterungen der Adam Opel AG (6)", 37/1986). Die 150 PS des Opel Kadett sind für alle da: Nach dem Motto: Wer die Nase vorn hat, braucht sie nicht auch noch hoch zu tragen ("Erklärungen der Adam Opel AG (18)", 22/1988). Eine Konsequenz aus dieser Forderung ist, daß das Kriterium Status an Bedeu­ tung verliert. Individualität soll an seine Stelle treten. Das Bewußtsein der neuen Auto­ fahrer zeigt angeblich Abstand zum Status, statt dessen Sachverstand und Souveränität ( 4/1983), Individualität statt demonstratives Markenbewußtsein (Senator 8/1984). An die Stelle der Kategorien Sportwagen oder Familienlimousine soll jetzt die Kategorie Individualität treten. So repräsentiert der Monza GSE angeblich nicht mehr einen speziellen Autotyp, sondern, wie es in der Headline angekündigt wird: Die Ent­ scheidung für eigene Wege (10/1984). Der Fahrer dieses Wagens hat den Mut bewiesen, sich vom Klischee des prestigebeladenen Status Coupe freizumachen. Dieser Wagen spielt eine eigene Rolle (...) in dem anspruchsvollen Segment hochwertiger Coupes, er bricht aus der Men­ ge der Statussymbole aus (51/1984). Der Opel Senator-Fahrer ist ebenfalls Individualist, der auf rollende Statussymbole verzichtet, also frei von überholten Zwängen über automobile Spitzentechnik verfügt (Senator 28/1984). Mit diesem Wagen läßt sich sogar die Kunst des Understatements demonstrie­ ren (34/1984). Opel liefert Maßanzüge für Individualisten, maßgeschneiderte sportliche Modelle ("Erklärungen der Adam Opel AG (20)", 38/1988) für die neue Generation. Hiermit liefert Opel bereits einen Ausblick auf die 90er Jahre, denn die "Individuali­ sten" sind die "neue Generation" der Autokäufer. Neben den neuen Verkaufsargumenten 'Sparsamkeit' und 'Umweltschutz' werden auch die traditionellen Themen der Automobilwerbung im Laufe der 80er Jahre fortge­ setzt, und zwar mit den bekannten Rationalisierungen: Komfort ist gleich Funktion; Motorleistung ist gleich Sicherheit; beides ist vernünftig: Funktion bestimmt seinen Cha­ rakter (Senator 38/1979); Eine funktionelle Alternative (45/1979). Der Opel-Fahrer ist ver­ nünftig (4/1983), die Entscheidung für einen Opel Senator kommt einem Bekenntnis gleich (10; 15/1983) und ist demjenigen angemessen, für den Mobilität zu den Erfolgsgrund­ lagen des eigenen Handelns gehört (Senator 13/1979). Der Opel Senator bietet höchste Fahr sicher heit und mustergültigen Fahrkomfort (Senator 39/1982), hinzu kommt höch­ stens noch die zeitgemäße Form (4/1983), die in einer aerodynamischen Karosserie besteht. Das in den 80er Jahren von VW neu eingeführte Modell Santana steht dabei am deutlichsten für das traditionelle Konzept der Reiselimousine. Dieses Modell wird in jeder Anzeige als Fahrzeug auf Reisen in Szene gesetzt. Die Reise im Santana verspricht Entspannung und Genuß, eine Limousine nach des Genießers Geschmack (2/1983); Für Leu­ 33

te, die viel und gern auf Achse sind, bietet der Santana also genau das Richtige: Reisespaß statt Reisestreß (Santana 45/1982). Auch der kleinere Jetta verspricht ein Auto für die Reise zu sein: Da der jetta mit 630 Litern Gepäckraum auch noch ein Spitzenlader ist, sollten Sie ihn sich auch in Vorschau auf die großen Ferien ruhig einmal ansehen (14/1982). In diesem Wagen können sogar fünf Insassen mit Panoramablick (36/1982) reisen. Mit einem Die­ selmotor kann man nicht nur durch den relativ niedrigen Verbrauch Geld sparen (da können Sie beim Trinkgeld ruhig etwas großzügiger sein), Sie können darüber hinaus von den günstigen Kraftstoffpreisen in Südeuropa (...) profitieren (Kadett 32/1987). Im Zusammen­ hang mit dem Motiv der Reise verspricht das Automobil weiterhin Entspannung und den Rückzug aus dem Alltag. Um in aller Ruhe (zu) genießen (Santana 2/1983), wird den Konsumenten eine gute Geräuschabschirmung (Santana 32/1982) versprochen. Beim VW Jetta erlauben die starken Motoren eine angenehme Reisegeschwindigkeit, ohne daß lästige Fahrgeräusche stören (46/1982). Bei der Fahrt im Passat erholen (Sie) sich fürs Berufsleben (25/1989) und der VW Corrado macht es Ihnen leicht, den Alltagsstreß zu vergessen. VW empfiehlt allen gestreßten Autofahrern: Fahren sie dem ständigen Leistungsdruck auf und davon (Corrado 38/1989). Die traditionelle Paarung Auto und Sport hat sich besonders der Autohersteller Opel auf die Fahne geschrieben: Opel und Sport - schon immer ein Bekenntnis zu Wettbe­ werb, Dynamik und Leistungsbereitschaft ("Erklärungen der Adam Opel AG (10)", 10/1987). Steffi Graf wirbt für Opel, zum Beispiel für den Kadett Cabrio (31/1987) und zwei Corsa Sondermodelle tragen sogar ihren Namen, der Corsa Steffi (27/1988) und der Corsa Steffi Spezial (34/1989). Der Opel Rekord ist ein Langstreckenläufer (27/1983), und die Sondermodelle des Kadett Sport Extra erwirbt man jetzt beim sportlichen Opel- Händler (11/1990). Jedes der Kadett Sondermodelle wird durch eine unterschiedliche Sportart repräsentiert. Auf den Dächern der Modelle steht einmal ein Schwimmer, ein Fechter, ein Tennisspieler, ein Speerwerfer und ein Läufer. Auf einer weiteren Anzeige dieser Serie werden die einzelnen Modelle als Sportler im Wettkampf beschrieben: In halblinker Position der Kadett Champion gut durchtrainiert mit 85 kW (115 PS) oder 110 kW (150PS) (...) (31/1990). Der Opel Kadett ist synonym mit Sport: Treibt mehr Kadett, heißt es in einer weiteren Anzeige, die wiederum je eine Sportart einem Modell zuordnet (44/1990). Der neue wird 'als Sportler' auf dem Rasen in der Mitte eines Sportstadions abgebildet (43/1991). Opel ist ein starker Partner des Sports (27/1992). Auch das Unternehmen als ganzes vergleicht sich mit einer Sportmannschaft, die noch besser werden will (50/1990). Opel - Sein Name macht Technikgeschichte (Serie: "Ein Unternehmen macht seinen Weg" 11/1986). In dieser und anderen Anzeigenserien präsentiert sich Opel insbeson­ dere als High-Tech-Unternehmen. Immer wieder werden in den Anzeigen 'Geschichten' aus dem hochmodernen Technischen Entwicklungszentrum in Rüsselsheim erzählt, in dem 8.000 Ingenieure, Designer und Spezialisten auf dem Fundament einer großen Tradition die 34

Opel Automobile einer jungen Generation konstruieren ("Erläuterungen der Adam Opel AG (II)" 21/1987). Und zwar mit Hilfe des Superhims, dem Super-Cray, denn der modernste, schnellste Konstruktionscomputer der europäischen Automobilindustrie steht in Rüsselsheim. Automobile zu bauen (...), das erfordert auch heute vor allem Menschen mit Intelli­ genz und Erfahrung, so charakterisiert Opel seine Mitarbeiter: Den Omega-Spiegel konstru­ ierten Sicherheitstechniker, Werkstoffachleute, Formgestalter, Akustik-Spezialisten. Und Aero­ dynamik-Experten - wie Klaus Helbig ("Erklärungen der Adam Opel AG (15)", 45/1987). Dieser Experte selbst wird als Segelflugpilot vorgestellt. Das ist nicht imwichtig, derm das Flugzeug spielt als Leitbild sowohl bei der Darstellung der 'corporate identity' als High-Tech-Untemehmen eine Rolle als auch bei der Werbung für die Automobile selbst: Sowohl bei VW als auch bei Opel heißen Motoren 'Triebwerke', das Auto ist mit einem 'Boardcomputer' ausgestattet, und der Fahrerraum ist das 'Cockpit'. Bei der Wer­ bung für den Opel Senator ist eine ganze Kampagne durch die Gegenüberstellung von Opel Senator und dem Airbus gestaltet. Denn was der eine in der Luft ist, ist der andere auf der Erde (37/1987). Auf dem Bild der Anzeige wird die Leitbildfunktion des Flugzeugs anschaulich: Ein Senator fährt auf dem Rollfeld hinter einem Airbus, der die Aufschrift trägt: "Follow me". Eine weitere Anzeige dieser Kampagne zeigt den Blick in ein Air­ bus-Cockpit auf der linken, und in ein Senator CD-'Cockpit' auf der rechten Seite: Im Flugzeugbau ist Elektronik seit langem selbstverständlich. Sie entlastet den Piloten und ist ein wichtiger Sicherheitsfaktor (...) Sicherheitselektronik (...) ABS (... )DSA-Fahrwerk (...) Servotro- nic (48/1987). Deshalb rät Opel: Kaufen Sie ihr nächstes Auto wie ihr nächstes Flugzeug (43/1988). Die Eigenschaften eines Flugzeugs, die hier auf das Auto übertragen werden, bestehen in erster Linie in einem Sicherheitsgefühl, das mit dem Flugzeug verbunden wird und durch High-Tech gewährleistet wird. Nur durch High-Tech wird der Omega das erste vollkommen berechenbare und beherrschbare (43/1986) Automobil. Auch die Eisenbahn wird zum Vergleich herangezogen, wenn es um Sicherheit geht: Wenn Sie die Spurtreue des Omega erleben wollen, können Sie ein Stückchen Eisenbahn fahren (45/1986); Dabei fährt es sich so sicher wie auf Schienen. Keine Zauberei, sondern. Elektrokinematik (...) (Omega 20/1989). Der Einsatz von High-Tech soll der Sicherheit dienen, und zwar der Sicherheit bei hohen Geschwindigkeiten. Das High-Tech-Fahrwerk sogt dafür, daß das Kurvenfahren beim Omega Spaß macht (1/1988). High-Tech-Bremsen müssen auch sein, denn: Je besser ein Fahrzeug beschleunigt, desto besser sollte es auch bremsen (Omega 47/1987). Diese ge­ samte High-Tech-Ausstattung ist serienmäßig und erlaubt natürlich auch mehr Kraft (Omega 46/1988). Sie bietet so viel Sicherheit, daß wir ruhig zum vollen Fahrvergnügen kom­ men können (...) Der 3.0i 6-Zylinder-Motor bringt es jetzt mit geregeltem Katalysator auf 130 kW (177 PS) (...), die sie schon in 8,8 Sekunden erleben können. Denn länger braucht der Ome­ ga 3000 von 0 auf 100 nicht. Bei 227 km/h erreicht er die Höchstgeschwindigkeit (15/1988). 35

Bei VW tritt das Flugzeug als Leitbild weit weniger in den Vordergrund: Ein gehetzter Scirocco-Fahrer steigt in einen Hubschrauber um (Scirocco 5/1983). Hier wird dagegen wie in den 70er Jahren im Zusammenhang mit dem Modell K70 die Raumfahrt zitiert: der Passat ist ein Beitrag zur bemannten Raumfahrt (22/1989). Das Setting, in dem der Wagen präsentiert wird, besteht aus einer Vorhang, hinter dem der Sternenhimmel zum Vorschein kommt. Vor dem Vorhang steht ein gen Himmel gerichtetes Fernglas. Opels Omega (45/1986) ist vor einer Sternwarte geparkt, während der Fahrer einen Düsenjäger am Himmel fixiert, und ein weißer Opel Monza (10/1984) rast an einer weißglänzenden Sternwarte vorbei. Der Automobilhersteller Opel geht in die 90er Jahre mit Wagen, die in wesentlichen technischen Disziplinen eine internationale Spitzenstellung einnehmen (35/1989) und sieht sich weiterhin als Trendsetter in der Umwelttechnologie (35/1989): die Marke mit dem Blitz gehört heute zur internationalen Elite (8/1990). Opel liefert Technik, die begeistert. So der Slogan zum Logo. Für die Darstellung von Alltagsszenen scheint allein der Opel Corsa prädestiniert. Hier werden zumindest alltägliche Nutzungssituationen angesprochen: den bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Ganz egal ob Sie mit ihm zum Einkäufen fahren, in den Urlaub oder in den Urwald (Opel Corsa 38/1984); er ist einer der flinkesten Parkplatzjäger im Land (Corsa City 18/1989), ein wahres Parkwunder (Corsa 37/1986), und er ist so groß, daß die Kinder, der Hund und der große Wochenendeinkauf bequem mitfahren können (Corsa 19/1986). Mit 33 kW (45 PS) läßt sich der Besuch bei Oma schnell erledigen (Corsa Swing 41/1988). In den beiden letztgenannten Anzeigen werden ausdrücklich (Haus)Frauen und Kinder angesprochen. Bei der Darstellung dieser Alltagsszenen bleiben die typi­ schen, von der Werbung in der Regel zu Grunde gelegten, männlichen Autokäufer aus­ geschlossen. Beide Unternehmen wollen Volks- und Erfolgswagen verkaufen und weiterhin die wirtschaftliche Stabilität sichern. Der Golf von VW soll als Ervolkswagen (11/1982) die Nachfolge des Käfers antreten: Der Golf führt Deutschlands Zulassungsstatistik souve­ rän an (24/1982). Ein günstiges Angebot überschreibt das Unternehmen mit VW zoertet die D-Mark auf (36/1989). Auch Opel hat jetzt seinen Volkswagen: Jedem sein eigener Cor­ sa (41/1986). Opel will eine Marke der ganzen Hation sein ("Erläuterungen der Adam- Opel AG (14)" 39/1987). Es ist ein Unternehmen, das solide schwarze Zahlen schreibt (28/ 1988). Opels Investitionen in den Neuen Ländern werden so prompt von der Werbung genutzt, um die Funktion des Unternehmens als Garant für wirtschaftliche Stabilität in das Bewußtsein der Leser zu zementieren: Und die Marke mit dem Blitz schaffte dort direkt und indirekt Arbeit für 15.000 Menschen. Mit einer Milliarden-Investition in das neue Opel- Werk in Eisenach (24/1992). Deshalb: Ohne uns wäre Deutschland ein wenig ärmer (Opel 21/1992). Auch in den 80er Jahren ist das Automobil dazu ausersehen, den Fortschritt 36

auf Dauer zu gewährleisten: "Das Auto - Motor unserer Zeit", so lautet das Motto der 50. Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September 1983 in Frankfurt/Main.

Zusammenfassung

'Sparen', bzw. 'Sparsamkeit im Verbrauch' treten als neue Verkaufsargumente beson­ ders Ende der 70er und zu Beginn der 80er Jahren in den Vordergrund. Den Kunden wird in den Anzeigen immer wieder versichert, daß trotz niedrigen Benzinverbrauchs keine Einbußen an Spaß, Leistung und Luxus zu erwarten sind. Im Gegenteil. Sowohl die Motorleistung als auch der Ausstattungskomfort nehmen stetig zu - trotzdem ist immer noch vom Sparen die Rede. 'Sparsamkeit im Verbrauch' dient als finanzielles Argument. Niedrigerer Verbrauch bedeutet niedrigere Kosten für die Autofahrer. Die­ ses Minus bei den Kosten wird durch die erhöhte Motorleistung zwar wieder ausgegli­ chen, so daß sich für den Autofahrer bei gesteigerter Motorleistung die Kosten nicht erhöhen. Ein weiteres Argument im Zusammenhang mit der 'Sparsamkeit im Ver­ brauch' ist die Reichweite. Bei gesenktem Verbrauch (und vergrößertem Fassungsver­ mögen des Tanks) erhöht sich die Reichweite. Ein Angebot, das beim Gebrauch des Autos zwar kaum ausgenutzt werden kann, das aber das herrschende Leitbild der Renn-Reise-Limousine unterstützt. So bleiben auch die großen Klassen bei VW weitgehend unberührt von der 'Spar­ samkeit' bei VW. Das gilt sowohl für die Modelle Scirocco und Passat als auch Santana. Vergleichsweise stark dagegen wurden die Modelle Golf und Jetta sowie die Diesel- Ausführungen der einzelnen Modelle mit dem 'Spar-Argument' umworben. Mitte der 80er Jahre wird die 'Sparsamkeit im Verbrauch' auch mit dem Argument Umweltschutz in Verbindung gebracht. Während das Argument Umweltschutz bei VW aber zum nebenbei erwähnten "Stichwort Umweltschutz" verblaßt, entwickelt Opel dar­ aus ein eigenes Umweltschutzkonzept, das seine Autos als umweltfreundlich und Opel als verantwortungsvoll handelndes Unternehmen darstellen soll. Mit der Einführung des Katalysators wird auch das Umweltschutz-Argument zum finanziellen Argument, sobald die steuerliche Begünstigung eingeführt wird. Wird der Katalysator erst serien­ mäßig, brauchen über den Umweltschutz nicht mehr viel Worte verloren zu werden, denn dann fährt das Auto "serienmäßig schadstoffarm". Der Konkurrenzkampf in der Automobilwerbung der 70er Jahre wurde abgelöst durch das "klassenlose Auto". Das "klassenlose Auto" der 80er Jahre ist kein bescheide­ nes Auto wie der klassische Volkswagen Käfer, es ist ein Auto, das alle Eigenschaften eines Wagens der oberen Klasse in sich vereint. Auf der Beschleunigungsskala ist nach oben hin auch kaum noch Platz für einen Wettbewerb, so daß sich die Wagen der obe­ ren Klassen diesem Wettbewerb kaum noch stellen müssen. Hier sind Mischformen 37

entstanden, die alle Vorzüge eines Sportwagens (Schnelligkeit) und einer Familienlimousine (Komfort und Platz) in sich vereinen und die sich in Zukunft durch ihr Maß an 'Individualität' von anderen Wagen unterscheiden sollen. So zeichnet sich der Rang der Automobile vor allen Dingen in seiner Ausstattung ab.

6. Die 90er Jahre:

a. Opel - eine neue Generation von Automobilen?

Ende des Jahre 1991 wird in der Headline eine "neue Generation von Autofahrern" an­ gekündigt. Sechs junge Männer und Frauen (drei Paare), in hellen Naturtönen leger ge­ kleidet, stehen oder sitzen auf einfachen Klappstühlen beieinander. Die Gruppe wirkt in diesem Arrangement sehr locker, dabei bescheiden und natumah, und verglichen mit dem Personal in Anzügen oder Abendkleidern, das gewöhnlich die Anzeigen bevölkert, fast spartanisch. Die Schwarzweiß-Photographie unterstreicht in ihrer Zurückhaltung und Sachlichkeit diesen Eindruck. Die dazu passenden Modelle des neue(n) Astra sind auf der gegenüberliegenden Seite abgebildet. Der neue Gedanke, der hinter diesen Autos steht, heißt: serienmäßig, was selbst in hohen Klassen noch nicht selbst­ verständlich ist (41/1991). Dazu gehören Sicherheitsmaßnahmen wie das Astra Rundum­ schutz-System, das Astra Aktivgurt-System und das Astra Fahrsicherheits-System. Außer­ dem das Astra Recycling-System: Der neue Opel Astra ist das erste Auto auf dem Markt, das als Altfahrzeug kostenlos zurückgenommen wird, um es zu recyclen. Diese neuen Wagen sol­ len sich durch Sicherheitstechnik auszeichnen. Hier gilt, Erst Sicherheit, dann PS. Tat­ sächlich finden die ansonsten obligatorischen Daten über die Motorleistung in dieser Anzeige keine Erwähnung, nur ein Satz deutet an, wie temperamentvoll man sich den Motor vorzustellen hat: ABS (macht, d.A.) das 16V-Fahren kalkulierbarer und sicherer. In einer weiteren Anzeige wird das Opel-Sicherheitssystem ausführlich in den Aspekten der passiven und aktiven Sicherheit erklärt (51/1991) und auch darauf hingewiesen, daß Opel diese Sicherheit allen (Autofahrer-)Klassen bietet (5/1992). Umwelt, Sicherheit, Opel Astra (12/1992), diese drei Worte stehen für die Autos der neuen Generation. Auf einer weiteren Anzeige wird der gleiche Wagen in einem High-Tech-Setting abgebildet. Statt dem Atomkraftwerk, das 1961 den Hintergrund einer Anzeige für den Opel Kapitän zierte (vgl. 10/1961, S.ll), stehen an dieser Stelle jetzt, der "neuen Generation" angemes­ sen, Windkraftmühlen (46/1991). Kommt hier ein alternatives Leitbild zum Zuge, das tatsächlich auch den Beginn einer neuen Automobilgeneration signalisiert? Skeptisch stimmt, daß solche Neuanfänge mit einem "neuen Mobilitätskonzept" oder einer "völlig neuen Autokonzeption" in der Werbung der vergangenen Jahrzehnte schon öfter ange­ kündigt wurden, ohne daß sich an der traditionellen Konzeption tatsächlich etwa 38

änderte. Skeptisch stimmt auch, daß hier soviel von Sicherheitssystemen und Sicher­ heitstechnik die Rede ist. Stellen Sie sich vor, es kracht (48/1991), lautet eine weitere Headline für die neuen kompakten Familienautos von Opel. Es folgt eine ausführliche Beschreibung des beispielhaften und serienmäßigen Sicherheitssystems, das einem jeden die Angst vor einer solchen Situation nehmen soll. In einer Anzeige für den Vectra wird behauptet, ABS würde der Kinder zuliebe serienmäßig eingeführt: Der beste Grund beim ABS, serienmäßig einzuführen, ist ca. drei Käse hoch (21/1992). Dies ist tatsäch­ lich eine neues Motiv in der Werbung: Das Kind, eines der schwächsten Verkehrsteil­ nehmer. Auch in einer Anzeige für den Astra (22/1992) ist das Kind - ein Schwarzweiß- Photo zeigt einen Mann mit einem Baby im Arm - wieder ein Grund mehr, Sicherheit wie in einem Auto der Oberklasse zu verlangen. Im folgenden Anzeigentext wird deutlich, daß diese Sicherheitsmaßnahme nicht direkt dem Kind zugute kommt, sondern dem Fahrer, der nun mit den temperamentvollen Motoren (...) beim Überholen ganz gelassen bleiben kann. In der ersten Ausgabe des Jahres 1993 wird in einer Anzeige für den Astra wiederum in der Headline die Behauptung aufgestellt, Umwelt und Sicherheit zuerst, und tatsächlich handelt der Anzeigentext ausschließlich von Umweltschutz- und Sicherheitstechnik. Sicherheit soll bei Opel kein Privileg der höheren Klassen sein (Astra 2/1993). Motoren wie der neue 1,6 Liter Ecotec sind durchzugsstark und garantieren jede Menge Fahrspaß, nebenbei sind sie auch noch sparsam und erfüllen die strengen EG-Abgasnormen (39/1994). In einer Anzeige für den Opel Vectra zeigt sich dann noch einmal ganz deutlich, wie die Beziehung zwischen Sicherheit und Motorleistung bei Opel einzuschätzen ist. Zunächst ist nur von einem kultivierten, kraftvollen SechszylinderMotor die Rede und von dem Sicherheitskonzept, das natürlich (inklusive Airbag) serienmäßig ist. Auf der zweiten Sei­ te der Anzeige ist dann zu lesen, daß das Kernstück des Vectra V6 (...) der neue 24-Ventil- Motor mit 2,5 Litern und 125 kW (170PS) ist. Er sei dabei der sparsamste 6-Zylinder seiner Hubraumklasse, dank innovativer Technik. In der Vergangenheit hat sich die Sicherheits­ ausstattung immer proportional zur Motorleistung erhöht. Diese Sicherheitsmaßnah­ men wurden nötig, "um so viel Kraft sicher auf die Straße zu bringen". Der Opel Omega der 90er Jahre soll wie der Opel Astra wiederum ein völlig neues Automobilkonzept dar stellen: Ein neues Denken für eine neue Zeit, das heißt Bewußtsein vor Status. Opel antwortet auf diese Herausforderung der 'neuen Zeit' mit einem ver­ ständnisvollen, wir haben verstanden, als Slogan neben dem Opel Logo. Der neue Omega, ein hochklassiges Automobil, soll die Antwort auf ein völlig neues Automobilverständnis sein. Dieses soll beinhalten, daß Ökologie, Ökonomie, Fahrkomfort und Sicherheit (...) heute mehr Geltung (besitzen) als bloßer Status und Prestige (18/1994). Diese neuen Werte (19/1994) sollen bei Opel sogar zu einem neuen Denken in der Automobilentwicklung geführt haben. Deshalb wurde es Zeit, so ist weiter zu lesen, einen Caravan mit allen Vorzü­ gen einer hochklassigen Limousine zu entwickeln. An diesen von Opel formulierten Ent­ wicklungsvorgaben läßt sich natürlich ganz und gar nichts 'Neues' entdecken. Entspre­ 39

chend konventionell klingen dann auch die Überschriften der nachfolgenden Anzeigen für den Omega: Mehr Herzklopfen. Weniger Streß (34/1994), Kraft erfahren. Ruhe erleben (47/1994). Herzklopfen bereitet die Leistungsfähigkeit des Motors und Entspannung bringt das sichere Gefühl, über ABS und Airbag zu verfügen. Nur eine Anzeige für den Omega bemüht sich, die Ansprüche, die Opel hier selbst formuliert hat, zumindest in der bildlichen Darstellung einzulösen: Unter der Headline Leben und leben lassen sieht man einen Wagen, dessen Farbe nicht auszumachen ist, da sich die Bäume wie zu einem Dach über ihm schließen. Auf der Oberfläche spiegeln sich die Blätter der Bäume. Im Textteil wird erläutert, daß Opel im Omega zukunftsweisende Umwelttechno­ logie konsequent umgesetzt hat. Beispielsweise mit den Ecotec-Motoren, durch die Emis­ sionen einzelner Schadstoffe um bis zu 50% verringert wurden (35/1994).

b. Das neue Automobil: individuell und multifunktional

War das multifunktionale Automobil der 80er Jahre eine Paarung aus Sportwagen und Familienlimousine, so materialisiert sich mit dem seit Anfang 1992 umworbenen Opel Frontera die bereits Ende der 80er Jahre zur neuen (Auto-)Kategorie erhobenen 'Indivi­ dualität'. Der neue Opel Frontera ist ein Stück Freiheit und verwirklicht den Wunsch, den alle haben: Hier ist es die abenteuerliche Erfahrung, einmal allein auf der Piste zu sein und lautlos die eigene Handschrift auf den Hang zu schreiben. (8/1992) Der Frontera ist endlich ein Auto für alle, die von freien Pisten nicht nur träumen wollen (26/1992). Das Gefühl, in einem Frontera zu fahren, ist so schwer zu beschreiben (27/1993). Hier wird das besondere, delikate Verhältnis zwischen Fahrer und Auto beschrieben. Autofahren ist ein Gefühl. In einem Frontera sollen sich Gefühle wie Abenteuer, Freiheit und Unabhängigkeit ein­ stellen. Die Fahrt in einem Frontera kann zur Grenzerfahrung für einen Mann und seinen Geländewagen werden (13/1994): in voller Fahrt (...) ein echter Spaß (...) plötzlich Bremse durchtreten (...) aber irgendwie muß man durch (...). Im gleichen Jahr erscheint ein weiteres Modell, der neue Monterey, ein Modell, das nicht nur in seinem Aussehen, sondern auch in der Werbung etwa die gleichen Wün­ sche wie das Modell Frontera anspricht. Mit diesem Auto kann man eigene Wege gehen (34/1992), es ist die Neuschöpfung automobiler Unabhängigkeit. Er ist, ebenso wie der Frontera, ein Auto für Individualisten mit einem Lebensstil, der mehr als das übliche ver­ langt. Auch wenn bei diesen beiden Modellen die Individualität des Fahrzeugs den Sta­ tus ersetzen soll, mit dem Monterey kommen Sie überall gut an (...) und die starken Motoren bringen Sie mit bulligem Drehmoment schnell und komfortabel voran und steil nach oben (39/1992). Diese neuen Modelle entfernen sich insofern von dem mit dem Auto verbun­ denen Status, als sie eine Kombination von Limousine und Geländewagen sind. Man kann sich mit einem solchen Auto eben überall sehen lassen: Im Büro wie auf dem Golf­ 40

platz. In Paris wie in Dakar. Die Attribute, die damit diesem Auto zugewiesen werden, sind 'repräsentativ1, 'exklusiv' und 'sportlich'. Ähnlich multifunktional präsentiert sich das Modell TransSport von Opel, dessen Paarung von Sport- und Transportwagen sich schon in der Namensgebung zeigt. Die Beziehung von Nutzer und Auto wird auch hier besonders emotional umschrieben: Von diesem Wagen fühlt man sich magisch angezogen (...) Seine futuristische Aura inspi­ riert alle Sinne (40/1993). Diese überlegene Großraumlimousine bietet Technik für den Men­ schen und Luxus für die Sinne. Und zwar modernste Technik, die Raum und Zeit individuell verfügbar macht. Dieser Wagen bewegt sich zwar nicht "off-road", seine Technik soll aber - allen Verkehrsproblemen zum Trotz - den Wunsch nach uneingeschränkter, individu­ eller Bewegungsfreiheit erfüllen. Dies wird als zukunftsträchtiges Konzept gehandelt, denn TransSport fahren heißt die Zukunft erfahren. Bei diesen 'statusfreien’ Modellen für Individualisten, die ungeachtet größter Herausforderungen und Hindernisse ihre eigenen Wege gehen - einzig für den Erfolg der Freiheit und der persönlichen Ziele (Monterey 9/1993), fin­ den die bei den anderen Opel-Modellen groß geschriebenen Kriterien wie Sicherheit, Sparsamkeit und Umweltschutz keinerlei Erwähnung. Etwas bescheidener fallen die von WY angebotenen Großraumlimousinen Multi­ van und Caravelle aus. Sie sind Ihr Pkw, wenn's morgens zur Arbeit geht, und gleichzeitig Freizeitmobil (Multivan 19/1992). Der Multivan bringt den Angler an einen abseits gele­ genen, idyllischen See, die Caravelle (22/1992) hat die Familie samt Teddybär zu einer gediegenen, schloßähnlichen Urlaubsresidenz gebracht.

c. Das Designer-Fahrzeug und das Cabrio zum Träumen

Es sind hier besonders die Sondermodelle, die sich in ihrer veredelten Variante vom Normalwagen unterscheiden und den individuellen Bedürfnissen der Besitzer entspre­ chen sollen. So sind die Astra-Sondermodelle Wagen einer Sonderserie mit Charakter (...) und zugleich opulente(r) Ausstattung (28/1993). Da machen dann der Außenspiegel in Wagenfarbe oder die Color Verglasung den kleinen Unterschied aus, an dem man seinen Wert erkennt und der den Wagen außerdem zum reinste(n) Augenschmaus macht. Denn, warum sollte man mit weniger zufrieden sein, wenn man mehr haben kann (38/1993). Auch das Abenteuer-Fahrzeug Frontera wird veredelt (50/1993), und zwar in limi­ tierter Auflage als hochkarätiges, spektralblaues Sondermodell (...) mit vielen luxuriösen Beson­ derheiten (...) und wenn Sie dann das erste Mal (...) ihre Hände ans Lenkrad gleiten lassen, dann wissen Sie, was ein Edelstein unter den Geländewagen ist. Auch wenn Opel diesen Trend zum wertvollen Einzelstück mit dem Omega Edition als limitiertes Ausstellungsstück in einer Glasvitrine (19/1988) und dem Omega Diamant (Die Auflage ist limitiert, 36/1988) bereits Ende der 80er Jahre setzte, so beweist der Autohersteller VW in der 41

ersten Hälfte der 90er Jahre besonders viel Phantasie bei der Kreation von immer neuen Sondermodellen, unendlichen Variationsmöglichkeiten in der Ausstattung, die immer noch hochwertiger, noch geschmackvoller (Passat 44/1993) wird. Ist ein 'normaler' Golf schon ein Auto für Liebhaber (Golf 12/1993), ein Auto, das automobile Feinkost bietet, so wird das Sondermodell Pink Floyd zum außergewöhnlichen Erlebnis (23/1994). Der Golf Fire and Ice (43/1990) ist die neueste Idee von Volkswagen. Der Sportbekleidungs­ designer Willy Bogner zeichnet für das Design: Sein Maß an Individualität, Sportlichkeit und Temperament ist kaum zu überbieten. Folglich wird einem angesichts des Wagens heiß und kalt, man ist Feuer und Flamme, wie die Überschrift verspricht. Auch für diesen Wagen gilt: Man muß ihn sehen. Man muß ihn erleben. Daneben gibt es noch den Golf New Orleans, den Golf Savoy, und beim Golf Color Concept (50/1994) können die Käu­ fer die Farbkombinationen selbst auswählen. Der Passat wird als Passat Special, Passat Freeway und als Passat Arriva mit Exklusivlackierung (50/1992) angeboten. Beim Passat Trend ist alles durchgestylt, er hat sogar attraktive Räder. Im Innenraum herrscht pure Ele­ ganz (14/1993) mit Sitzbezugsstoffen in Jaquard-Gewebe, alles wie eine schöne Wohnung. Sogar der Polo wird in einer veredelten Version als Scot-edition angeboten: besonders attraktiv ausgestattet (51/1993), mit sehr vielen serienmäßigen Extras (52/1993). Bei den Cabrio-Modellen wird besonders auf die Ausstattung gesetzt. Das Cabrio gilt zwar an sich schon als ein Auto für Individualisten und Liebhaber (Der typische Golf Cabrio Fahrer ist eine Individualist, Golf Cabrio 12/1989), durch die besondere Ausstat­ tung der Cabrio Sondermodelle sollen diese Eigenschaften aber noch gesteigert werden, um sich von vielen anderen zu unterscheiden (Golf Cabrio Classic Line 13/1991): Zum Bei­ spiel eine elegante und umfangreiche Innenausstattung. Sie nehmen Platz in exklusiven, hellbei­ gen Lederpolstem. Die Sportsitze sind sozvohl höhenverstellbar als auch beheizbar. (...) das Lederlenkrad, die grüne Wärmeschutzverglasung (...) und vieles mehr. Rechtzeitig zu Weih­ nachten bietet VW noch einen Golf Christmas Cabrio an in grünmetallic-Lackierung, ein Auto für alle, die schon lange auf der Suche nach dem besonderen sind (49/1994). Bei den Golf Cabrios ist Keins wie das andere, aber alle sehr wertvoll (Golf Cabrio 21/1993). So wertvoll, daß es in dieser Anzeige gar als zuverlässige Geldanlage empfohlen wird: Wie Sie Ihr Geld jetzt ganz klassisch anlegen können. Laden die "off-road"-Modelle von Opel zum Abenteuer ein, so laden die Cabrios von VW zum Träumen ein. In einem Golf Cabrio kann man die große Freiheit genießen (39/1993), der Cabrio ist ein Golf, aus dem die Träume sind (14/1994). Vergessen Sie einen Moment die Welt um sich herum (Golf Cabrio 45/1994), lautet die Aufforderung an alle Cabrio Fahrer, dann stellt sich ein Gefühl ein, dieses Gefühl, aus dem die Träume sind. Beim Astra Cabrio von Opel ist von Umweltschutz und Sicherheit keine Rede mehr, um so mehr dagegen von Sport und Vergnügen: Sportlich auf die Straße gebracht vom bewährten 2-Liter Motor mit 85 kW (T15PS) (...) Es wird Ihnen schwer fallen, cool zu blei­ ben (18/1993). Es bietet Freiheit pur, ein Wagen für Lust und Liebe (11/1994). 42

VW ist wie auch schon in den 80er Jahren als Unternehmen lange nicht so präsent in der Werbung wie Opel. Schon von der Quantität her liegt VW weit hinter Opel, auch wenn VW diesen Abstand in den 90er Jahren etwas aufholt. Während Opel in den 80er Jahren mit 162, zumeist doppelseitigen Anzeigen präsent ist, schaltet VW nur 96. In den 90er Jahren besteht nur noch ein Unterschied von 83 (Opel) zu 76 (VW). In den 90er Jah­ ren unterscheidet sich die Darstellung von Opel aber ganz erheblich in der Qualität. Im Gegensatz zu VW schafft Opel eine starke und präzise Profilierung seines Unterneh­ mens und seiner Produkte. Opel präsentiert sich als verantwortungsvoll handelndes Unternehmen, das im High-Tech-Bereich, in der Sicherheits- und Umwelttechnik füh­ rend ist. Hatte sich VW in den 80er Jahren durch 'Sparwagen' wie Golf und Jetta ein Profil zugelegt, fällt es in den 90er Jahren eher schwach aus. Statt dessen bezieht sich die VW-Werbung immer wieder auf Slogans aus vergangenen (glänzenderen) Zeiten, wie Volkswagen - Da weiß man, was man hat oder, der Volkswagen, der läuft und läuft und läuft. Argumente wie Sparsamkeit oder Umweltschutz knüpfen sich nicht mehr an ein bestimmtes Modell, sondern werden nur in Verbindung mit einem Motor, einem Diesel * oder dem neu eingeführten Ecomatic, zum Thema einer Werbeanzeige. Der neue Kat- Diesel ist ein Golf mit einem 1,6L/4A kW (60PS) Dieselmotor, der einzigartig ist in schadstoff­ armer Dieseltechnik. Mit einem Verbrauch, der im Stadtzyklus bis zu 27% unter dem eines ver­ gleichbaren Ottomotors liegt und mit einem um 16% verringerten CO 2~ Ausstoß, und den das Finanzamt mit einer Steuerbefreiung belohnt (47/1990). VW ist an einer sauberen Luft gele­ gen (...) somit bieten wir heute für Golf, Jetta, Passat und Polo ein Diesel-Konzept an, mit dem Sie in den Genuß der Steuerbefreiung kommen (21/1991). Der Golf (Modelljahr 1992) soll der sauberste Golf sein, den es je gab, weil er das erste Auto der Welt mit Rücknahmegarantie ist (46/1991). In Zeiten wie diesen, in denen man für jeden vernünftigen Sparvorschlag ein offe­ nes Ohr haben sollte, wirbt VW für einen Golf mit Turbo-Diesel. Zum niedrigen Ver­ brauch gesellt sich das Fahrvergnügen nach Volkswagen-Art. Denn auch bei den Fahrleistun­ gen läßt sich der Turbo Diesel nicht lumpen (19/1993). Auch mit dem Ecomatic versucht VW kein neues Konzept zu vertreten. Der Golf Ecomatic, das Auto, auf das so viele so lan­ ge gewartet haben, wird eingeführt, weil jeder sich darum bemühen sollte, unsere Umwelt so weit wie möglich zu entlasten, denn von einer schönen und sauberen Umwelt haben wir alle was (11/1994). Mit diesem Anzeigentext stellt sich VW als Unternehmen dar, das es sich zwar zur Aufgabe gemacht hat, möglichst umweltverträgliche Autos zu entwikkeln (21/1994), in Bezug auf Umweltschutz aber keine Trends setzen will (etwa so wie Opel), sondern lediglich einem Zwang des Marktes nachgibt. Der Ecomatic soll das erste Umweltauto sein, das diesen Namen verdient, die Werbung läßt aber kein eigenes Konzept erkennen, das dieser innovativen, umweltschonenden Technik gerecht wird. Der Passat

Der von VW seit Herbst 1993 angebotene Ecomatic gilt wegen seiner Schwungnutzautomatik (d.h. der Motor schaltet sich automatisch ab, wenn er nicht gebraucht wird, wodurch sich der Kraftstoffver­ brauch auf unter fünf Liter im Drittelmix senken läßt) zwar als zukunftsweisendes Auto, die Ver­ kaufszahlen blieben aber bislang - wie auch der Werbeaufwand - bei diesem Modell sehr gering. 43

Diesel ist super (...) Er ist leise, ausgesprochen leistungsstark und verblüffend niedrig im Ver­ brauch (17/1994). Bei allen anderen Modellen finden Kriterien wie Umweltschutz oder Sparsamkeit eine eher beiläufige, zufällige Erwähnung. "Umweltschutz" verkürzt sich zum "Stichwort", und dazu fällt dem Hersteller ein, daß der Katalysator "außerdem" oder "serienmäßig vorhanden" ist. Der Golf Cabrio ist mit Katalysator ausgestattet, weil man damit so viel an der frischen Luft ist. Das seit den 80er Jahren weitergeführte Modell Corrado wird auch in den 90er Jahren als Sportwagenmodell angeboten, das Sportlichkeit und Komfort verbindet. Hier steht wie zuvor auch die Leistungssteigerung (22/1992) und die geballte Kraft (11/1991) des Motors im Vordergrund, der Fahrspaß mit 85 kW bietet (37/1993). Aber auch der Golf bietet Leistung im Überfluß (10/1992), hier schließen sich Sportlichkeit und Komfort nicht aus (43/1990). Auch der Passat sowie das neue Modell Vento werden in einer Mischung aus Sportwagen und Limousine präsentiert, wobei bei diesen Modellen die Limousineneigenschaften stärker hervortreten. Sie sind Reiselimousinen mit überlegenen Fahreigenschaften. Ein sportliches Familienauto, das auch sportlichen Fahrinteressen ent­ gegenkommt. Der Vento ist eine sportliche Reiselimousine (11/1992), ein Zusammenspiel aus Leistung und Komfort, aus Sportlichkeit und Sicherheit (26/1993) Bei dieser Kombina­ tion von Leistung und Komfort kann man den Vento fahren und man hört nicht, was man spürt (9/1992). Bei soviel Leistung folgt die Sicherheitsausstattung auf dem Fuße: eine Sicherheitszelle für den Fall der Fälle (26/1993), in der man so sicher reisen (kann, d. A.), wie man es bisher nur von größeren Limousinen kannte (30/1993). Das Leitbild Flugzeug hat noch nicht ausgedient: Im neuen Opel TransSport ist der Fahrersitz der Captain's Seat (40/1993), und in einer Anzeige für das neue Opel- Modell Calibra wird eine Parallele gezogen zwischen dem Moment, als Fritz von Opel 1929 mit seinem ersten Raketenauto startete, und dem Moment, als Steffi (...) die jüngste Rakete aus dem Hause Opel startet: Calibra. Star der IAA (42/1989). Sechzig Jahre später dient also das von Feuergasen getriebene Rennauto des Opel-Ahnherrn als Leitbild eines neuen Automodells der 90er Jahre. Dementsprechend zieht dann auch der Ende 1989 angebotene neue Senator ab wie eine Rakete: Mit seinen 3 Litern, 6 Zylindern, 24 Ventilen, 204 PS, so lautet die Headline, bietet der Opel Senator Technik, die begeistert (39/1989). High-Tech sorgt wieder mal für mehr Kraft, die Sie besonders beim Beschleuni­ gen und Überholen spüren und schätzen werden. Um sein Image als Führer in der Umweltschutztechnik zu unterstreichen, kommt jetzt noch Reinhold Messner, der engagierte Umweltschützer als Repräsentant für Opel auf die Lohnliste. Reinhold Messner seinerseits nahm das Sponsorshipangebot von Opel an, weil Opel in Sachen Umweltschonung gehandelt hat. Wiederum wird ausführlich beschrieben, wie es Opel mit viel Arbeit, Mühe, Engagement und mit Hilfe des Super­ computers gelungen ist, das Cadmium zu entfernen oder zwei der sparsamsten Hoch­ leistungstriebwerke zu konstruieren: Daß Reinhold Messner das Zeichen mit dem Blitz über 44

2700 Km durch die Eiswüste trug, war ein Zeichen des Respekts für Opel-Ingenieure (15/1990). Opel hat sich für die 90er Jahre das Ziel gesetzt, das Auto immer mehr zu einem Automobil zu machen, das sich mit der Welt verträgt, in der wir leben. Da muß beim Motor, beim 'Her­ zen' des Automobils angefangen werden. Das bedeutet bei Opel, daß der neueste Motor mit Power für mehr Umweltschonung läuft (21/1990). Neben der Katalysatorentechnik, der Schwermetallentfernung und der Emissions­ reduzierung widmet sich Opel jetzt auch dem Recycling: Der Calibra ist auch der erste Se- rien-Pkw der Automobilgeschichte, der mit Bauteilen aus wiederaufbereitetem Kunststoff vom Band rollt (...) Und schon heute sind alle bei Opel eingesetzen Kunststoffe recyclingfähig (27/1990). Ein blauer Opel Astra fährt in der Anzeige auf einem Waldweg. In einer gro­ ßen Pfütze spiegeln sich die Karosserie, die Bäume des Waldes und der Schmetterling, der dem Wagen hinterher fliegt. Hier soll die Harmonie zwischen Auto und Umwelt hergestellt werden, die durch die Rückgabegarantie des Astras und dem Versprechen, die Materialien zu recyceln, durch Opel eingelöst werden soll. In Sachen Aerodynamik fühlt sich Opel bereits in einer Spitzenstellung: Aber Aerodynamik ist nicht das einzige High-Tech-Gebiet, in dem die Opel-Ingenieure Fortschritte erarbeiten, um den Verbrauch und die Emissionen zu senken. Sie haben auch dem sogenannten Rollwiderstand der Reifen den Kampf angesagt, denn der frißt auf der Fahrbahn kostbare Energie (42/1991). Opel beschei­ nigt sich selbst eine saubere Haltung, denn Opel - beim Kat die Nr.l - investiert nicht nur in fortschrittliche Automobile, sondern auch in umwelt-freundliche Fertigungsverfahren (22/1992). Der Opel Corsa war noch nie so munter wie jetzt und )e nach Temperament können Sie noch bis auf 72 kW (98PS) steigern (40/1990). Die Kompakten rüsten auf zu Wagen der Spitzenklasse: Seitenaufprallschutz, Moderne Gurttechnik, Reine Luft, die neueste Umwelt­ technik (...) ab 12. Oktober können Sie all diese Eigenschaften von einem Kompakten verlangen (34/1991). Der Corsa bietet den Schutz, den man bisher nur von größeren Autos erwarten durfte (...) Er sieht eben nicht nur super aus, ist super sparsam und für ein Auto ein Superbei­ spiel für Rücksichtnahme der Umwelt gegenüber. Er ist ein Supermodel, auch wenn es um Si­ cherheit geht (15/1993). Das neue Supermodel ist schöner, größer, sicherer, sauberer und leiser geworden (Corsa 13/1993). Es ist eins der günstigsten Autos (17/1993) und so schön, daß das für die Corsa-Werbung posierende Supermodel Linda Evangelista ganz eifersüchtig wird. Nicht nur was die Motoren, die Sicherheit und den Umweltschutz, auch was Raum und Komfort angeht, braucht der Corsa den größeren Wagen in nichts mehr nachzustehen: ein Maß an Bewegungsfreiheit (...), das man bisher nur in größeren Autos finden konnte. Er läßt sich mit Annehmlichkeiten ausstatten, die es bisher fast nur für die großen gab (19/1993). Dazu kommen jetzt noch zwei Türen und ein Airbag (37/1993). Der neue Corsa wird zu einem voll familientauglichen Auto (46/1993) und ist außerdem Klassensieger in der ADAC-Sparsamkeitsrallye (42/1993). Der Opel Corsa wird wie auch schon in den 80er Jahren in jeder Hinsicht hochgerüstet. Gleichzeitig ist er aber das 45 einzige Auto bei Opel, bei dem Neuerungen, etwa den Umweltschutz betreffend, rela­ tiv nüchtern, sachlich und bescheiden angeboten werden. Bei den Modellen der höhe­ ren Klassen dagegen, wie Astra, Calibra, Senator oder Omega, werden die gleichen Neuerungen in der Werbung immer gleich als ein völlig neues Autokonzept vermark­ tet.

Zusammenfassung

Einige bereits in den 80er Jahren sichtbare Trends finden in den 90er Jahren ihre Fort­ setzung. Kleinwagen wie der Opel Corsa halten bei der Aufrüstung der Autos voll mit, sie werden weiterhin zum 'Vollwert-Automobil' hochgerüstet. Die Kategorie der multi­ funktionalen Autos, die Eigenschaften eines Sportwagens, einer Familienlimousine und eines Transportwagens in sich vereinen, wird ausgebaut. Als Teil dieser Entwicklung erscheinen die neuen "off-road"-Modelle bei Opel, die nach den Jahrzehnten bemühter Sachlichkeit in der Werbung in einer ausgesprochen emotionalen Sprache umworben werden. Hier wird ein stark gefühlsbetontes Verhältnis von Fahrer und Automobil beschrieben, das bei den in den 90er Jahren stark umworbenen Cabrios (besonders bei VW) fortgesetzt wird. Bei den Cabrios kommt auch der in den 90er Jahren zu erkennen­ de Trend zum ausstattungsreichen Designer-Mobil stark zum Zuge. Opel beansprucht als Unternehmen weiterhin für sich, in der Umweltschutz- und Sicherheitstechnik sowie im High-Tech-Bereich überhaupt führend zu sein. Opel prä­ sentiert sich als verantwortungsvoll handelndes Unternehmen, das mit "neuen Auto­ mobilkonzepten" auf die Herausforderungen der 90er Jahre reagiert. Auch wenn jetzt andere Figuren in der Werbung auftreten, zum Beispiel Babys und kleine Kinder, auch wenn jetzt als Hintergrundmotiv ein Windkraftwerk ausgewählt wird, so bleiben doch andere Leitmotive wie zum Beispiel das Flugzeug dominant. Der Automobilhersteller VW dagegen bemüht sich in der Werbung erst gar nicht um ein neues Konzept, VW profiliert sich dagegen besonders bei der Ausstattung seiner Automobile. Die Bemü­ hungen um den Umweltschutz in der Werbung von VW lassen keinerlei Konzept erkennen, sondern erscheinen lediglich als Marktzwang, dem das Unternehmen nach­ geben muß. 46

7. Ergebnis

Kontinuität oder Themen Wechsel?

Die Analyse der Werbekommunikate hat gezeigt, daß ein fest umrissenes Repertoire an Themen in der Automobilwerbung besteht Ein Teil dieser Themen wie zum Beispiel 'Reisen' und 'Sport' ist seit seiner Entstehung an das Automobil geknüpft, und diese Verbindung wird bis heute in der Automobilwerbung fortgesetzt. Andere Themen wie 'Spaß', 'Sicherheit', 'Sparsamkeit' oder 'Umweltschutz' ergeben sich aus dem speziellen Zeitkontext, werden aber teilweise in der Werbung der nachfolgenden Jahrzehnte immer wieder aufgegriffen. So besinnt sich Volkswagen seit den 90er Jahren wieder auf seinen, ursprünglich Ende der 60er Jahre für den VW-Käfer kreierten Leitspruch: "Volkswagen. Da weiß man was man hat", und Opel stellt sich mit einigen Anzeigen in den 90er Jahren wieder ganz in die Tradition eines Themas der 50er Jahre: Das Auto schafft Wohlstand. Opel wirbt mit Investitionen, die das Unternehmen nach der Wie­ dervereinigung in den Neuen Bundesländern tätigt. Der in den 60er Jahren gefeierte Spaß an der Automobilität wird besonders dann immer wieder betont, wenn er im Zuge der Sparsamkeit und des Umweltschutzes zu vergehen droht. Der in den 70er Jahren heftig ausgetragene Kampf um die automobile Überlegenheit ist bei den höheren Klassen bereits so weit ausgereizt worden, daß sich der Wettkampf um PS in den 90er Jahren in erster Linie in einen Wettkampf um die Ausstattung des Wagens gewandelt hat. Statt dessen werden seit den 80er Jahren die 'kleinen' Wagen wie der Opel Corsa hochgerüstet. Das in den 70er Jahren eingeführte Sicherheits argument verliert nicht an Aktualität. Wurde in den 70er Jahren gemäß der Rationalisierungsstrategie die gestiege­ ne Motorleistung selbst als Sicherheitsmaßnahme umworben, so erlauben auch die immer neuen von der Werbung angekündigten Sicherheitsmaßnahmen der folgenden Jahrzehnte eine weitere Steigerung der Motorleistung. Die Sicherheitsmaßnahmen wer­ den lautstark umworben, die Motorleistung steigt fast unhörbar aber ebenso unaus­ weichlich an. Einem 'Mehr' an technischer Sicherheit folgt zwangsläufig eine Steigerung der Motorleistung. Dennoch spricht W.Sachs von einem Themenwechsel in der Selbstdarstellung der Automobilhersteller während der 70er Jahre: "Da erglänzten die Gefährte nicht mehr im Licht von Kraft, Geschwindigkeit, Prestige, (...) die Autohersteller präsentierten sich als Krisenbewältiger, die die Schadensfolgen des automobilen Fortschritts mit einer neuen Runde technischer Innovationen unter Kontrolle bringen werden" (1984, S.244). Das Argument Sicherheit wurde in den 70er Jahren besonders betont, "angefacht", wie M. Hill im Jahrbuch der Werbung (1975, S.65) schreibt, "durch die amerikanische Diskus­ sion um das Sicherheitsauto". Die vorliegende Untersuchung hat aber gezeigt, daß das Sicherheitsargument in der Autowerbung vor allem dazu diente, altbekannte Argu­ 47

mente wie Geschwindigkeit oder Luxus zu rationalisieren und damit zu bestätigen. So stellt auch der Werbefachmann Hill schon 1975 fest, daß "selbst bei Betonung dieses Elements (...) Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit immer noch wesentlichere Verkaufsargumente waren". Bei dieser von einigen Autoren beschworenen Wende in der Argumentation der Autowerbung muß es wundern, daß gerade in den 70er Jahren die Beschwerden, die an den Werberat herangetragen wurden, in der "Mehrzahl (...) Beschwerden (...) über die Bereiche Kfz und Zubehör" waren (Nickel 1978, S.38). In einem Fall hatten die Beschwerden sogar zu einer Klage geführt, so daß der Werberat in der Folge der Automobilwerbung empfiehlt: "Um das verkehrsgerechte Verhalten der Kraftfahrer zu fördern, wird sich die Werbung jeglichen direkten oder indirekten Appells an einen unangemessenen Durchsetzungswillen eines Verkehrsteilnehmers gegenüber anderen enthalten" (zit. i. VDI-Nachrichten Nr.37/12.9.1973, S.25). Laut des Berichts von G. Brüggemann im Jahrbuch der Werbung von 1977 gab es Werbung, "in der erkennbar Emotionen statt Informationen, Wunschträume statt ratio­ naler Entscheidungsgründe offeriert werden, in dieser auffälligen Form nicht mehr" (S.153). Tatsächlich handelte es sich aber bei dieser neuen Werbestrategie, wie in der Untersuchung deutlich wurde, lediglich um den Versuch, die weiterhin propagierten und offensichtlich auch bestehenden, mit dem Auto verbunden Wünsche und Träume in scheinbar "rationale Entscheidungsgründe" (ebd.) zu verwandeln. Und so meldet auch Brüggemann Zweifel an diesen "informativen Werbekampagnen" an: "Man kann durchaus den Eindruck gewinnen, daß die ohne Zweifel stärker hervortretenden infor­ mativen Komponenten die gleichen Effekte erzielen wie vor einigen Jahren die gefühls­ betonten Aussagen (...) Informationen, wenn sie nicht in Frage gestellt werden kann, hat ja etwas Überwältigendes" (ebd.). In den 80er Jahren wird zwar mit dem 'Sparen' geworben, aber nicht um des 'Spa­ rens' willen, sondern um die automobilen Standards zu halten und auszubauen. Der Kraftstoffverbrauch wird gesenkt, um die Motorleistung und den Ausstattungskomfort weiter zu steigern. Die Einführung des Katalysators wird in der Werbung weniger als Argument für den Umweltschutz, sondern als finanzielles Argument genutzt. Das Automobil und seine festgeschriebenen Eigenschaften bleiben von dem Bemühen um Sparsamkeit und Umweltschutz so gut wie unberührt. Trotzdem besteht offensichtlich die Absicht seitens der Automobilhersteller, und hier besonders bei Opel, regelmäßig mit 'neuen Automobilkonzepten' zu werben, die sich bei näherem Hinsehen immer wieder als Bestätigung eines bereits bestehenden Konzepts erwiesen. So wird der K70 von VW als völlig neues Auto vorgestellt, der Sena­ tor mit einer 8-seitigen Werbung als neues Automobilkonzept (21/1978). Mit dem Monza wurde ein neues Vorbild geschaffen, der Opel Omega soll ein neues Denken für eine neue Zeit (19/1994) und der Opel Astra in seiner Entwicklung sogar schon eine Generation voraus (49/1991) sein. 48

Diese Kontinuität von Themen läßt sich auch mit dem Leitbild der Renn-Reise- Limousine (vgl. Canzler/Knie 1994) beschreiben. Unter dem Leitbild Renn-Reise- Limousine wird eine ganz bestimmte technische Konfiguration verstanden, die auf der ganzen Welt verbindlich ist und die den Kriterien einer steigenden Reichweite, Zula­ dungskapazität, Beschleunigung und Endgeschwindigkeit genügt. Dieses Leitbild kon­ kretisiert sich sowohl in der andauernden Aufrüstung der Kleinwagen als auch in der Paarung von Fahrzeugtypen wie Sportwagen und Familienlimousine. Offensichtlich führt dieses herrschende Leitbild der Renn-Reise-Limousine dazu, daß neue Herausfor­ derungen an das Automobil, wie etwa Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz, nicht etwa die Argumentation in der Werbung bestimmen, sondern daß sie nur jeweils im Sinne dieses Leitbildes interpretiert werden. Sowohl Wirtschaftlichkeit als auch Umweltschutz sind in diesem Sinne keine automobilrelevanten Eigenschaften. Die Automobile dürfen nur so weit wirtschaftlich und umweltfreundlich sein, daß sie nicht mit den automobilrelevanten, also den Eigenschaften der Renn-Reise-Limousine kolli­ dieren. Der niedrige Kraftstoffverbrauch wird zum Argument für eine gestiegene Reichweite der Automobile. Nur so läßt sich 'Sparsamkeit' zu einer automobilrelevan­ ten Eigenschaft umdeuten. Das Thema Katalysator wird zusätzlich als finanzielles Argument abgehandelt. Der Motor als 'Herzstück' dieses Leitbildes ist erst recht unantastbar. Immer wie­ der wird mit dem Forschungsaufwand geworben, der betrieben wird, um das Auto zu perfektionieren. Die Karosserie wird noch aerodynamischer gestaltet, selbst an den Rei­ fen, deren Rollwiderstand kostbare Energie frißt (42/1991, vgl. S.51) wird gebastelt, um Kraftstoff zu sparen. An die Leistungsstarke des Motors traut sich keiner heran, obwohl an dieser Stelle mit viel weniger Aufwand ein viel größerer Effekt erzielt werden könn­ te. Vielmehr wird dieser Aufwand getrieben, um den Motor und seine Leistungssteige­ rung unangetastet zu lassen. Ein wesentlicher Umstand, der sich seit der Erfindung des Automobils verändert hat, ist die Entwicklung des Automobils hin zum Massenverkehrsmittel. Entgegenge­ setzt zu dieser Entwicklung wird das Automobil besonders seit dem Ende der 80er Jah­ re als wertvoller Luxusartikel verkauft. Im Zuge einer allgemeinen Tendenz der Ge­ brauchsgüter hin zum Designprodukt wird das Auto in der Werbung verstärkt als Luxusprodukt umworben. Dieser Trend verstärkt sich in den 90er Jahren. So sind Son­ dermodelle und Cabrios in der Werbung der 90er Jahre besonders stark vertreten. Ihr Anteil an der Werbung steigt von 18 (bei insgesamt 257 Werbekommunikaten) in den 80er Jahren auf 39 von insgesamt 146 Werbekommunikaten in den 90er Jahren. Das Pre­ stige des Automobils liegt in seiner Ausstattung. Der Konkurrenzkampf um Geschwin­ digkeit wird vom Wettbewerb um die Ausstattungsvielfalt abgelöst. In der Werbung ist das Auto für alles gut, nur nicht für die alltägliche Nutzung. Eine Darstellung im Sinne einer Nutzpräsentation findet sich höchstens im Zusammen­ 49

hang mit dem Freizeitbereich. Die in der Werbung anschauliche Verknüpfung des Autos mit der Freizeitsphäre bestätigt auch Reinecke (1992): Das Auto nähme "nicht nur in der ökonomischen Struktur der westlichen Industriegesellschaften eine entscheiden­ de Rolle ein, sondern auch im Reproduktionsbereich, der 'Restzeit', der Sphäre des Pri­ vaten, der Freizeit, mit anderen Worten: der elementaren Soziokultur" (S.17). In dieser Beziehung von Freizeit und Auto sieht er einen der Gründe für die Dominanz des Autos als Symbol unserer Gesellschaft. Die Präsentation im Sinne einer alltäglichen Nutzung, also zum Beispiel bei der Fahrt von und zur Arbeitsstelle oder beim Einkauf bleibt die absolute Ausnahme und auch nur den kleineren Modellen Vorbehalten. Bei der Betrachtung der Werbung dieses Jahrzehnts scheint sich die Werbung jedoch noch einen Schritt weiter von einer Nut­ zungspräsentation zu entfernen. In den 80er Jahren eiferte das Auto in der Werbung dem Flugzeug nach. Eine Analogie, die die Luftverkehrsverhältnisse einer weitgehend freien Fahrt auf das Auto überträgt und es damit dem Kontext des Straßenverkehrs ent­ zieht. Mit Modellen wie dem Frontera wird diese Tendenz fortgesetzt. Das Auto fliegt jetzt nicht dem Flugzeug hinterher, sondern begibt sich "off-road”. Weg von der alltägli­ chen Verkehrssituation auf Wege, die noch von keinem Auto befahren wurden. Hier werden Sehnsüchte mit dem Auto verknüpft, die mit der täglichen, aber auch nicht-all- täglichen Nutzung des Automobils nichts mehr gemeinsam haben. Angesichts steigen­ der Verkehrsprobleme zieht sich das Automobil in diese Nischen zurück. Bis Ende der 80er Jahre bewegt sich oder steht das Auto in der Werbung auf der Straße, in der Land­ schaft oder befindet sich auf der Reise. Das Auto war das Mittel der Reise, des Erlebens, jetzt wird das Auto selbst zum Objekt des Erlebens. Es bewegt sich in Richtung "off- road" oder verkriecht sich gar als Sammlerstück und Kostbarkeit, als "limitierte Edition" in die Glasvitrine eines Ausstellungsraums. Nicht zufällig prägte VW für das Modell Passat das Wort autowohnen (8/1990). Das Auto bringt seine Insassen nicht mehr nur 'raus in die Natur', sondern wird selbst Teil des Naturerlebnisses: "Das Geräusch des Motors erinnert mich an das Grollen des Grizzlys" (Frontera 50/1994), weiß der Fron- tera-Fahrer in der ausführlichen Darstellung seiner Erlebnisse mit dem Frontera zu berichten. Neben diesen Abenteuer-Mobilen ist besonders der in den 90er Jahren stark umworbene Cabrio ein geeignetes Mittel zur "Autoselbsterfahrung", denn nur hier erfährt man sich selbst im Auto fahrend, wenn man nur an genügend reflektierenden Schaufenstern vorbeifährt (Dr. Pausers Werbebewußtsein (XV), in: Die Zeit Nr.28, 8.7.1994). Siegfried Reinecke sagt dem Symbol Auto jedenfalls eine glanzvolle Zukunft vor­ aus und das imabhängig davon, ob zukünftig in unseren Straßen noch Autos fahren oder nicht (vgl. 1992, S.373). Das Automobil als prominentestes Symbol unserer Lebens­ und Konsumweise ist so tief verankert, daß seine symbolische Existenz schließlich los­ gelöst von seiner materiellen Existenz betrachtet werden kann. 50

Wenn man davon ausgeht, daß die Werbung bedeutungsvoll, unter Umständen wirksam und immer auch Spiegel der Gesellschaft ist, dann ist bei aller Betrachtung von Nutzerverhalten, Käuferverhalten und der Analyse von Expertenberichten unbe­ dingt zu beachten, daß das Auto (nicht nur) in der Werbung mit Symbolwert, irra­ tionalen Wünschen und Emotionen befrachtet ist. Nicht nur die Kontinuität der tech­ nischen Konfiguration ist ungebrochen, sondern auch die Symbolik, die mit dem Leit­ bild der Renn-Reise-Limousine verknüpft wird. 51

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