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EINFÜHRUNG IN DIE ISOTOPENGEOCHEMIE

basierend auf Vorlesungen am Mineralogisch-Petrographischen Institut der Universität zu Köln zwischen 1988 und 1994 überarbeitet und ergänzt ab Winter 1999

HEINZ-GÜNTER STOSCH Institut für Angewandte Geowissenschaften Karlsruher Institut für Technologie (KIT-Campus Süd)

U Lu

Al U Hf Rb La Re

K

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Mn U Th

Sm K Pt La Cr Hf

Ar He Sr PbCa Pb

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NdMg Os W

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Manuskript bitte nur zum eigenen Gebrauch verwenden! – Alle Rechte vorenthalten.

Dieses Skript ist bei einer Serie von Vorlesungen im Fach Mineralogie entstanden. Daraus ergibt sich, daß es sich weitgehend mit der Isotopengeochemie von magmatischen Gesteinen, untergeordnet von Sedimenten und Metamorphiten beschäftigt. Große Teile der Anwendungen der stabilen in den Umweltwissenschaften, der Paläobiologie, der Klimatologie werden Sie da- gegen hier vergeblich suchen, und ich bitte um Nachsicht für dieses Versäumnis. Ich erhebe weder Anspruch auf Vollständigkeit noch Aktualität oder Richtigkeit. Meine beschränkte Zeit wird es mir nur hin und wieder gestatten, das Skript zu aktualisieren, und auch dies nur in jeweils kleinen Bereichen, da ich die Isotopengeochemie in Karlsruhe nicht in der Lehre vertrete. Wenn Sie sachliche Fehler oder auch Druckfehler und sprachliche Unzulänglichkeiten feststellen, oder falls Ihnen sonstige beklagenswerte Zustände aufstoßen, teilen Sie mir dies bitte mit! Dank an: die aktiveren der Hörer/innen der damaligen Vorlesungen, namentlich D. Bosbach, U. Fleischer und G. Lorenz sowie an Herrn Kollegen W. Heinrich/Potsdam für Lob, Tadel und Hinweise, welche letztlich den Ausschlag für die Überarbeitung im Winter 1999 gaben. Dank weiterhin an Z. Berner vom IMG/Karlsruhe für diverse Diskussionen. Besonderer Dank gebührt Herrn R.L. Romer/Potsdam für Hinweise auf Fehler und für seine zahlreichen Verbesserungsvorschläge.

letztmals geändert am 12.12.2013

Inhaltsverzeichnis

Seite Bücher zur Isotopengeochemie ...... 1 Einführung ...... 3 Einleitung ...... 3 Geschichtliches ...... 4 Radioaktives Zerfallsgesetz ...... 5 Der Ursprung der Elemente ...... 9 Massenspektrometrie ...... 24 Isotopenverdünnungsanalyse ...... 29 Datierungsmethoden – allgemeine Bemerkungen ...... 32 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden) ...... 33 Die K–Ar-Methode ...... 34 Die 40Ar/39Ar-Methode ...... 39 Das Rb–Sr-Isotopensystem ...... 44 Das Rb–Sr-System als Mittel der Altersbestimmung ...... 45 Das Rb–Sr-System als Tracer ...... 51 Die Sr-Isotopenentwicklung der Meteorite und des Erdmantels ...... 51 Die Sr-Isotopenentwicklung der Ozeane...... 53 Das Sm–Nd-System ...... 55 Allgemeines ...... 55 Sm–Nd – Anwendung zur Datierung ...... 60 Nd-Isotope als Tracer und die Korrelation zwischen Sr- und Nd-Isotopen ...... 63 Modellalter...... 64 Zweikomponentenmischungen...... 69 Die Massenfraktionierung ...... 77 Das Lu–Hf-Isotopensystem ...... 85 Die Hf-Isotopensignatur des subozeanischen oberen Erdmantels ...... 90 Die Hf-Isotopenentwicklung der Erde ...... 91 Hinweise von den Hf-Isotopen auf das Ausmaß des globalen Recycling ...... 92 Das La–Ce-System ...... 95 Das K–Ca-System ...... 97 Die Re–Os-Methode ...... 99 Die U,Th–Pb-Methoden...... 109 Die U–Pb- und Th–Pb-Isochronenmethoden ...... 112 Konkordia und Diskordia ...... 114 Die Pb–Pb-Methoden („gewöhnliches Blei“ oder „common lead“) ...... 125 Die Fission-Track-Methode ...... 139 Die Ungleichgewichtsmethoden ...... 147 Geschichtliche Anmerkungen ...... 149 Die 210Pb-Überschußmethode ...... 150 Die Ionium-Überschußmethode ...... 151 Die 234U-Überschußmethode...... 154 Die 230Th/234U- und 234U/238U-Methoden ...... 156 238U–230Th-Ungleichgewichte in Vulkaniten ...... 161 Kosmogene Radionuklide ...... 167 Die 14C-Methode ...... 168 Das 10Be ...... 171 Kosmogene Radionuklide in der Kosmochemie ...... 180 Die Beschleuniger-Massenspektrometrie ...... 185

I Inhaltsverzeichnis

Seite Edelgase und ausgestorbene Radionuklide...... 186 3He/4He ...... 186 Xenon ...... 195 182Hf-182W-Chronometer ...... 199 146Sm–142Nd-Chronometer ...... 206 Stabile Isotope • Allgemeines...... 214 Wasserstoff und Sauerstoff...... 225 Sauerstoff und Wasserstoff in Hydro- und Atmosphäre ...... 226 Sauerstoff und Wasserstoff in der Lithosphäre ...... 234 Kohlenstoff ...... 252 Stickstoff ...... 258 Schwefel ...... 260 Calcium ...... 267 Eisen und andere schwere Elemente ...... 269 Literaturzitate ...... 275

II Einführung in die Isotopengeochemie

1.0 Bücher zur Isotopengeochemie

C. J. Allègre (2008) Isotope Geology Cambridge University Press, Cambridge, 512 Seiten, 42 € [recht gut lesbares umfassendes Lehrbuch von einem der derzeit bedeutendsten Isotopengeochemiker; das Buch hätte ein besseres Lektorat verdient] A. Basu & S. Hart [Herausgeber] (1996) Earth Processes – Reading the Isotopic Clock Geophysical Monograph 95, American Geophysical Union, Washington, 437 Seiten, 65 US-$ [zusammenhanglose Einzelartikel von Fachautoren, von Prozessen in der frühe- sten Zeit der Erde bis hin zur industriellen Pb-Verschmutzung reichend] R. Bourdon, G.M. Henderson, C.C. Lundstrom S.P. & Turner [Herausgeber] (2003) -Series Geochemistry Reviews in Mineralogy & Geochemistry 52, Geochemical Society; Mineralogical Society of America, Washington, 656 Seiten [Abhandlung der Ungleichgewichtsmethoden in Einzeldarstellungen] D.J. DePaolo (1988) Nd Isotope Geochemistry Springer-Verlag, Berlin, 187 Seiten, vergriffen [spezielle Abhandlung eines des Sm–Nd-Isotopensystems] A.P. Dickin (1997) Radiogenic Isotope Geology Cambridge University Press, Cambridge, 490 Seiten, Paperback-Ausgabe ca. 35 £ [für die radiogenen Isotope ähnlich umfassend wie das „klassische“ Buch von Fau- re, aber im Gegensatz zu jenem stärker auf die Traceranwendungen in Petrologie/ Geochemie und Kosmochemie ausgerichtet] T. J. Dunai (2010) Cosmogenic Nuclides Cambridge University Press, Cambridge, 198 Seiten, ca. 35 £ [umfassende Darstellung eines Teilgebietes der Isotopengeochemie] G. Faure (1986) Principles of Isotope Geology 2nd Edition, John Wiley & Sons, New York, 608 Seiten, ca. 95 US-$ [umfassende Übersicht über radiogene und stabile Isotope] G. Faure, G (2001) Origin of Igneous Rocks: The Isotopic Evidence Springer Verlag, New York, 512 Seiten, 80 € [Darstellung der Entstehung von Magmatiten aus dem Blickwinkel der Isotopen- geochemie, geordnet nach geotektonischer Stellung, mit vielen Einzelbeispielen] L. Heaman & J.N. Ludden [Herausgeber] (1991) Applications of Radiogenic Isotope Systems to Problems in Geology Mineral. Assoc. Canada, Short Course Handbook 19, 25Can.$ [Spezielle Darstellung verschiedener Aspekte der Isotopengeochemie in Einzeldar- stellungen]

1 Bücher zur Isotopengeochemie

J. Hoefs (2004) Stable Isotope Geochemistry 5th revised and updated Edition, Springer-Verlag, Heidelberg, 244 Seiten, 64.15 € [umfassende Darstellung der Geochemie stabiler Isotope] C.M. Johnson, B.L. Beard & F. Albarède [Herausgeber] (2004) Geochemistry of Non- Traditional Stable Reviews in Mineralogy & Geochemistry 55, Mineralogical Society of America; Geo- chemical Society, Washington, 454 Seiten [Geochemie der stabilen Isotope, vor allen Dingen der schwereren Elemente] T.K. Kyser [Herausgeber] (1987): Short Course in Stable Isotope Geochemistry of low tempera- ture fluids Mineralogical Association of Canada (Short Course Vol. 13), (452 Seiten) [sehr spezielles Werk mit Einzelkapiteln von Fachautoren] D. Porcelli, C.J. Ballentine & R. Wieler [Herausgeber] (2002) Noble Gases in Geochemistr y and Cosmochemistry Reviews in Mineralogy & Geochemistry 47, Geochemical Society; Mineralogical Society of America, Washington, 844 Seiten [Edelgase und ihre Isotopenzusammensetzung in Materialien der Erde, der Meteo- rite und anderer Körper des Sonnensystems] P. W. Reiners & T. A. Ehlers [Herausgeber] (2005) Low-Temperature Thermochronology, Reviews in Mineralogy and Geochemistry 58, Mineralogical Society of America & Geochemical Society, Washington, 622 Seiten [Beschreibung von Methoden wie Spaltspuren, (U–Th)/He, Ar–Ar in Einzeldarstel- lungen] Z. Sharp (2007) Stable Isotope Geochemistry Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River, NJ, 344 Seiten [Das Buch beschränkt sich auf die „alten“ stabilen Isotope H, C, N, O und S; beson- ders umfassend sind Sedimente und Tieftemperaturprozesse behandelt] I. Tolstikhin & J. Kramers (2008) The Evolution of Matter – From the Big Bang to the Present Day Cambridge University Press, Cambridge, 532 Seiten, ca. 55 € [Der Untertitel sagt alles: Ein Parforceritt von der Entstehung des Universums bis zur Erde heute] J.W. Valley & D.R. Cole [Herausgeber] (2001) Stable Isotope Geochemistry Reviews in Mineralogy 43, Mineralogical Society of America, 662 Seiten, 32 US-$ [Geochemie stabiler Isotope in Einzeldarstellungen, von der Petrologie bis zur or- ganischen Geochemie reichend] J.W. Valley, H.P. Taylor Jr. & D.R. Cole [Herausgeber] (1986) Stable Isotopes in High Tempe- rature Geological Processes Reviews in Mineralogy 16, Mineralogical Society of America, 570 Seiten, 24 US-$ [umfassende, aber sehr spezielle Übersicht über die Fraktionierung stabiler Isotope bei magmatischen und metamorphen Prozessen] G.A. Wagner & P. Van den Haute (1992) Fission-Track Dating Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 285 Seiten, ca. 150DM [umfassende Darstellung der Spaltspurenmethode]

2 A. Radiogene Isotopensysteme

2.0 Einführung

2.1 Einleitung Jeder Atomkern eines chemischen Elementes hat die gleiche Ordnungszahl Z – bedingt durch die Zahl der Protonen. Verschiedene Kernarten desselben Elementes unterscheiden sich in der Anzahl der Neutronen N und damit in der Massenzahl A = Z + N. Solche ver- schiedenen Kerne eines Elementes bezeichnet man als Isotope. Kernarten ohne Beziehung zu einem Element werden Nuklide genannt, von denen 264 stabil sind. Isobare sind Nuklide mit identischer Massenzahl und gehören damit also verschiedenen Elementen an. Unter den Elementen gibt es 20, die nur aus einem einzigen stabilen Isotop zusammenge- setzt sind, die sogenannten Reinelemente [Be, F, Na, Al, P, Sc, Mn, Co, As, Y, Nb, Rh, I, Cs, Pr, Tb, Ho, Tm, Au, Bi]. Alle übrigen stabilen Elemente sind aus mindestens 2 in der Natur vorkommenden Isotopen aufgebaut, den Rekord hält Sn mit 10 stabilen Isotopen. In der Isotopengeochemie betrachtet und mißt man natürliche Variationen in der Isotopen- zusammensetzung einiger Elemente und versucht, daraus Schlüsse abzuleiten. Die Rein- elemente können daher nicht Gegenstand der Untersuchung sein. Isotopenvariationen können auf zweierlei Weise zustande kommen: a) durch Fraktionierung bei physikalisch-chemischen oder biochemischen Prozessen. Große Effekte zeigen dabei vor allem die leichteren und flüchtigen Elemente H, C, N, O, S, Se, Li, B, Mg, Si und auch Ca, dessen zwei häufigste Isotope mit 40 und 44 einen sehr gro- ßen Massenunterschied aufweisen). Wasserstoff z.B. besteht aus den stabilen Isotopen 1H 2 16 17 18 und H (D), Sauerstoff aus O, O und O. Bei der Verdampfung von H2O gehen die leich- ten Isotope beider Elemente etwas bevorzugt in die Gasphase (Atmosphäre). Bei der Photo- synthese nehmen die grünen Pflanzen das leichtest flüchtige der Kohlenstoffisotope, 12C,

bevorzugt aus dem Luft-CO2 auf. Fortschritte in der Meßtechnik führen dazu, daß bei immer mehr Elementen natürliche Isotopenvariationen gefunden werden, z.B. auch bei Fe. Beschreibung und Anwendung dieser Effekte ist der Gegenstand der Geochemie stabiler Isotope. b) Bei einigen der Elemente, die aus mehr als einem natürlich vorkommenden Isotop bestehen, unterliegt eines der Isotope dem radioaktiven Zerfall direkt oder über eine Kette von instabilen Produkten in einen anderen stabilen Kern, bei dem es sich immer um ein Isotop eines anderen Elementes handelt. In der Nuklearchemie bezeichnet man das radio- aktive Ausgangsnuklid meist als Mutternuklid (kurz „Mutter“), das Zerfallsprodukt als Tochternuklid (kurz „Tochter“). Betroffen von diesem Zerfallsprozeß sind also immer min- destens 2 Elemente. Beim α-Zerfall wird ein He-Kern emittiert; dadurch sinkt die Massen- zahl um 4 Einheiten, die Zahl der Protonen um 2. Beim β–-Zerfall zerfällt ein Neutron im Atomkern in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino; die Massenzahl ändert sich dabei nicht, die Ordnungszahl erhöht sich um 1. Beim β+-Zerfall wandelt sich ein Proton unter Emission eines Positrons und eines Neutrinos in ein Neutron um; es entsteht also ein Element mit einer um 1 verringerten Ordnungszahl. Beim K-Einfang wird ein Elektron aus der K-Schale durch den Kern eingefangen; durch seine Reaktion mit einem Proton werden ein Neutron und ein Neutrino gebildet, und die Ordnungszahl sinkt um 1. Bei der Spontanspaltung schließlich zerfällt ein schwerer Kern in zwei ungleich große Bruchstücke unter Emission einiger Neutronen. Da magmatische, metamorphe und selbst sedimentäre Vorgänge immer auch eine chemische Fraktionierung zur Folge haben, findet man in der Natur eine mehr oder weniger große Variation der Verhältnisse des Tochterelementes zum Mutterelement einer radioaktiven Zerfallskette. Das wiederum führt über geologische Zeit-

3 Einführung

räume zu einer meßbaren Variation in der Isotopenzusammensetzung des Tochterelemen- tes. Diese Effekte sind Untersuchungsgegenstand der Geochemie radiogener Isotope. Iso- topenverhältnisse dienen einerseits zur Altersbestimmung, andererseits als Tracer zur Aufklärung petrogenetischer Prozesse.

Isotope Ausschnitt aus der 21.90 α-aktive Nuklide 160 Nuklidkarte 159 100 + - β β 158 24.87 Tb Die Zahlen in den Boxen geben die 138Ba ← 138La → 138Ce 157 15.68 158.92 prozentuale Häufigkeit des Isotops an 156 20.47 der Zusammensetzung des jeweiligen Elementes an. Die Zahlen auf der linken 155 14.73 Seite neben den Boxen stellen die 154 22.71 2.15 Massenzahlen dar. Die Zahlen unter 153 52.18 den Elementsymbolen stehen für das 152 26.72 0.200 Molekulargewicht des Elementes. 151 47.82 Gd 150 5.62 7.44 Eu 157.25 149 13.83 151.96 148 5.73 11.24 Isobare 147 14.97 146 17.22 Pm 145 11.30

144 23.85 3.09 Isotope 143 12.17 Sm 142 11.07 27.11 150.35 141 100 Nd 140 88.48 Pr 144.24 139 99.91 140.91 Massenzahl 138 71.66 0.089 0.250 Isobare 137 11.32 Protonenzahl 136 7.81 La 0.193 138.91 - 135 6.59 Ce β -Zerfall 134 2.42 140.12 β+-Zerfall, K-Einfang Ba α-Zerfall 137.34

ABBILDUNG 1 Ausschnitt aus der Nuklidkarte 2.2 Geschichtliches Im Jahr 1896 berichtete der Franzose Henri Becquerel* der Akademie der Wissenschaften zu Paris über seine Versuche mit U-Salzen, von denen er fand, daß sie eine Strahlung aus- senden, die Gase beim Durchtritt ionisiert – genauso wie die kurz zuvor entdeckten Rönt- genstrahlen. Davon inspiriert, begannen unmittelbar darauf Marie Curie und ihr Ehemann Pierre† auch andere Elemente und ihre Salze auf mögliche Eigenstrahlung zu untersuchen. Marie Curies Bemühungen führten zu der Entdeckung, daß auch Th eine durchdringende

* 1852–1908; Nobelpreis für Physik 1903 (eine Hälfte); die andere Hälfte ging an Pierre und Marie Curie.

4 A. Radiogene Isotopensysteme

Strahlung aussendet. Außerdem beobachtete sie, daß die natürlich vorkommenden Mine- rale und Erze von U und Th eine noch wesentlich stärkere Strahlung aussenden. Bei der Aufarbeitung von Pechblenden aus den Vorkommen von Joachimsthal im Erzgebirge gelang es den Curies, zwei neue stark strahlende Elemente zu isolieren, die sie Radium und Polonium nannten. Für die Entdeckung der Radioaktivität durften sich die Curies mit Bec- querel den Physik-Nobelpreis des Jahres 1903 teilen. 1899 gelang es Ernest Rutherford*, die radioaktive Strahlung in drei Komponenten aufzu- schlüsseln, die er Alpha, Beta und Gamma nannte. Die α-Strahlen ließen sich schon dur ch ein Blatt Papier absorbieren, die β-Strahlen durch eine dünne Metallfolie, die γ-Kompo- nente dagegen nur durch dicke Platten von Schwermetallen. Später wurde erkannt, daß die α-Strahlen aus He-Kernen bestehen, die β-Strahlen Elektronen sind und nur die γ-Kompo- nente elektromagnetische Strahlung ist, welche die Eigenschaft der Röntgenstrahlen auf- weist, fast immer aber wesentlich energiereicher ist. Rutherford war es auch, der mit seinen berühmten Streuexperimenten von α-Partikeln an Metallfolien Anfang des 20. Jahrhun- derts nachwies, daß die Atome einen sehr kleinen positiv geladenen Kern haben und von einer Hülle von negativ geladenen Elektronen umgeben sind. 2.3 Radioaktives Zerfallsgesetz Grundlage der Geochemie radiogener Isotope ist das radioaktive Zerfallsgesetz, das 1903 von Frederick Soddy† und Rutherford aufgestellt wurde. Die beiden schlugen vor, daß die Atome eines radioaktiven Kerns spontan unter Aussendung von Strahlung zerfallen. Nach ihrer Vorstellung ist der Zerfall begleitet von der Aussendung von α- und β-Partikeln, und die Intensität der Strahlung ist proportional zur Anzahl der vorhandenen radioaktiven Atome. Das faßten sie mathematisch in die Gleichung:

−dN/dt = λN [GL 1] Darin ist N die Zahl der radioaktiven Atome und λ die sogenannte Zerfallskonstante, wel- che die Wahrscheinlichkeit beschreibt, daß ein Atom pro Zeiteinheit zerfällt‡. Diese Glei- chung läßt sich umformen und integrieren zu:

dN −=∫ λ∫ dt [GL 2] N

oder −ln N = λt + C [GL 3] Die Integrationskonstante C läßt sich aus der trivialen Bedingung bestimmen, daß zur Zeit t = 0 eine ursprüngliche Zahl von radioaktiven Atomen No vorgelegen haben muß, d.h. − C = ln No [GL 4] Dies, in GL 3 eingesetzt, ergibt:

† Pierre Curie (1859–1906), französischer Physiker, und Marie Curie (1867–1934), polnisch–französi- sche Chemikerin und Physikerin; für die Entdeckung von Radium und Polonium erhielt M. Curie einen zweiten Nobelpreis (in Chemie) im Jahr 1911. * neuseeländisch–englischer Physiker (1871–1937), der „Vater der Kernphysik“, 1908 Nobelpreis für Chemie. Rutherford entwickelte ein einfaches Atommodell, das später von Niels Bohr wesentlich verbessert wurde. † englischer Physiker (1877–1956), Nobelpreis für Chemie 1921; Soddy formulierte um 1913 das Kon- zept der Isotope und zeigte, daß beim α-Zerfall ein Element mit einer um 2 verminderten Kern- ladungszahl entsteht. ‡ Bei den extremen Temperaturen im Innern größerer Sterne (ab dem He-Brennen, einige 100 Millio- nen Kelvin) kann die für uns normale Zerfallskonstante bei einigen β–-Strahlern sehr viel größer werden, z.B. um den Faktor 1010 für 176Lu[1],[2].

5 Einführung

− λ − ln N = t ln No [GL 5] − −λ ln N ln No = t −λ ln(N/No) = t −λt N/No = e

× −λt bzw. N = No e [GL 6]

In dieser Zerfallsgleichung stehen 2 Unbekannte, nämlich No und t. Man kann No jedoch eliminieren, wenn man die Anzahl der durch den Zerfallsprozeß entstehenden Tochter- nuklide D berücksichtigt, da

No = N + D [GL 7] ist. In GL 6 eingesetzt, ergibt sich damit: N = (N + D) × e−λt N × eλt = N + D

λ D = N × (e t − 1) [GL 8] Hierin ist N die Anzahl der Atome des radioaktiven Mutternuklids, die nach einer beliebi-

gen Zeit t von einer ursprünglich vorhandenen Anzahl No noch übrig geblieben ist. Das ist die grundlegende Gleichung, um Altersbestimmungen durchführen zu können, denn – zumindest prinzipiell – sind sowohl die Zahl der Tochternuklide als auch die Zahl der noch nicht zerfallenen radioaktiven Mutternuklide bestimmbar. Voraussetzung ist jedoch einer- seits, daß sich der Zerfall in einem geschlossenen System vollzieht, d.h. die gesamte Menge von Mutter- und Tochternuklid bleibt im betrachteten Gestein oder Mineral seit ihrer Bil- dung eingeschlossen. Die zweite Voraussetzung ist, daß λ für jedes radioaktive Nuklid eine Naturkonstante ist. Nach allem, was man weiß, ist das tatsächlich der Fall. Lediglich die Zerfallskonstante des K-Einfangs läßt sich in Einzelfällen geringfügig durch extreme Drücke erhöhen. Das mag nach einer Theorie von M. Dirac auch für die anderen Zerfalls- prozesse im Innern von Sternen gelten. Datierungen an Meteoriten mit verschiedenen Methoden (U–Pb, Sm–Nd, Rb–Sr, Lu–Hf) haben für das Alter unseres Sonnensystems aber Werte von 4.55 Ga ergeben und legen damit die Konstanz von λ nahe. Anstatt mit der Zerfallskonstanten λ rechnet man in der Isotopengeochemie häufig mit der Halbwertszeit T. Das ist die Zeit, nach welcher von einer ursprünglich vorhandenen Zahl

von radioaktiven Nukliden No genau die Hälfte zerfallen ist, also 1 N = /2 No 1 × −λT /2 No = No e 1 −λ ln( /2) = T ln 2 =λT

T = ln 2/λ [GL 9] So sind z.B. über den Verlauf der Erdgeschichte (ca. 4.55 Ga) bis heute rund die Hälfte der ursprünglich vorhandenen 238U-Atome (Halbwertszeit ca. 1 Erdalter), aber fast 99% der 235U-Atome (Halbwertszeit ca. 700Ma) zerfallen (siehe Abbildung 2). Die mittlere Lebensdauer τ ist die Zeit, nach der die Anzahl an radioaktiven Nukliden von

No auf N = 1/e abgefallen ist. Nachdem um die 1900 das Phänomen der Radioaktivität bekannt war, erkannte man auch rasch die potentielle Bedeutung für die Geologie, insbesondere die Frage nach dem Alter der Erde. Der bekannteste Physiker Englands im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, Wil- liam Thomson* – besser bekannt unter dem Namen (ab 1866) Lord Kelvin, berechnete die

6 A. Radiogene Isotopensysteme

Abkühlungsgeschwindigkeit der Erde unter der Voraussetzung, sie sei einmal geschmolzen gewesen. In einem berühmten Vortrag 1897 setzte Lord Kelvin das Alter der Erde mit zwi- schen 20 und 40 Ma an – eine Ansicht, die wegen seiner großen Autorität einen erhebli- chen Einfluß auf das Denken der damaligen Zeit ausübte. Einer Reihe von Geologen war dabei jedoch unwohl, da aus der Stratigraphie unter Anwendung des aktualistischen Prin- zips – Konstanz der Sedimentationsraten durch die geologische Geschichte hindurch – ein wesentlich höheres Alter seit dem Beginn des Kambriums abgeschätzt worden war. Mit Entdeckung der natürlichen Radioaktivität erkannten Physiker und Chemiker rasch, daß der radioaktive Zerfall ein exothermer Prozeß ist. 1904 war es Rutherford klar, daß der radioaktive Zerfall eine große Rolle für die Wärmeproduktion der Erde spielte und daß damit die Erde auf eine weit längere Abkühlungsgeschichte zurückblicken könnte als von Lord Kelvin berechnet. Darüber hinaus wurde Rutherford auch rasch klar, daß der radio- aktive Zerfall des Urans die Möglichkeit bietet, U-Minerale zu datieren. Er versuchte das, indem er die Menge an He maß, die in U-Minerale eingeschlossen ist.

1.0 Relative Abnahme der beiden 0.9 U-Isotope 238U und 235U über den Verlauf der Erdgeschichte 0.8 t i 0.7 238

e U k g

fi 0.6 u

Hä 0.5 e iv 0.4

relat 238U ca. 1 Halbwertszeit, 0.3 235 U 235U ca. 6.5 Halbwertszeiten 0.2

0.1

0.0 4.55 4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0 [heute] Zeit [Ga]

ABBILDUNG 2 Der Zerfall der beiden U-Isotope über den Verlauf der Erdgeschichte Zur selben Zeit (um 1904) fand ein mit Rutherford kooperierender Amerikaner namens Bertram Borden Boltwood*, daß das U/Ra-Verhältnis in den meisten U-Mineralen konstant ist, und er vermutete außerdem, daß Pb das stabile Endprodukt des U-Zerfalls ist. Aus dem U/Pb-Verhältnis von Uraniniten berechnete er dann deren Alter – in der Rückschau betrachtet sogar relativ exakt. Seine und Rutherfords Ergebnisse erhöhten das Alter der 1 Erde gleich auf rund /2 Milliarde Jahre. Einschränkend muß man aber ergänzend anfüh-

* 1824–1907, vielseitiger Physiker, der sich mit Problemen der Elektrizität, Hydro- und Thermodyna- mik befaßte. Für seine Verdienste um die Theorie und Praxis der elektrischen Signalübertragung, die Anwendung bei der Verlegung und Nutzung der transatlantischen Kabel zwischen Europa und Nordamerika fand, wurde W. Thomson zum Baron Kelvin of Largs geadelt (Kelvin ist der Name eines kleinen Flusses der durch den Campus der Glasgow University fließt, an der Thomson gearbeitet hat). Die absolute Temperaturskala ist nach Lord Kelvin benannt. * 1870–1927, Professor für Radiochemie an der Yale University (1910–1927). Boltwood entdeckte das Ionium (230Th) in der Zerfallskette von 238U, hielt es aber für ein neues Element.

7 Einführung

TABELLE 1: (wichtige) Methoden der Geo- und Kosmochronologie Isotopensystem Zerfall Zerfallsarta Zerfallskonstante Halbwertszeit 40 40 –10 -1 9 K–Ar K → Ar [ε] λε = 0.581×10 a T = 1.25 × 10 a [von Weizsäcker 1937, Aldrich & Nier 1948] Ar–Ar 40K → 40Ar [Merrihue & Turner 1966] Rb–Sr 87Rb → 87Sr [β–] λ = 1.42×10-11 a-1 oder T = 48.8×109 a λ = 1.393×10-11 a-1 [Hahn & Welling 1938, Hahn et al. 1943] Sm–Nd 147Sm → 143Nd [α] λ = 6.54×10-12 a-1 T = 106×109 a [Lugmair 1974] 138 138 – -12 -1 9 La–Ce La → Ce [β ] λβ ≈ 2.58×10 a T ≈ 97 10 a [Tanaka & Masuda 1982] Lu–Hf 176Lu → 176Hf [β–] λ = 1.865×10-11 a-1 T = 37.2×109 a [Herr et al. 1958, Patchett et al. 1980] Re–Os 187Re → 187Os [β–] λ = 1.666 ×10-11 a-1 T = 41.6×109 a [Herr et al. 1961, Luck & Allègre 1983] Pt–Os 190Pt → 186Os [α] λ = 1.542 ×10-12 a-1 T = 449×109 a [Walker et al. 1991] 40 40 – -10 -1 9 K–Ca K → Ca [β ] λβ = 4.962×10 a T = 1.25×10 a [Ahrens 1950, Marshall & DePaolo 1982] 238 206 – -10 -1 9 U–Pb U → Pb [8α,6β ] λα = 1.5512×10 a T = 4.468×10 a 235 207 – -10 -1 9 U → Pb [7α,4β ] λα = 9.848×10 a T = 0.7038×10 a 232 208 – -11 -1 9 Th–Pb Th → Pb [6α,4β ] λα = 4.9475×10 a T = 14.01×10 a Pb–Pb [207Pb/204Pb–206Pb/204Pb, 208Pb/ 204Pb–206Pb/204Pb] [Holmes 1946, Houtermans 1946] λ × -17 -1 Spaltspurenmethode (Fis- nutzt die Störungen aus, die in Kri- f = 8.46 10 a sion Tracks) stallen durch die Spontanspaltung von 238U erzeugt werden [Price & Walker 1962] 230 238 λ × -6 -1 × 3 U-Ungleichgewichtsme- Th – U 230 = 9.217 10 a T = 75.2 10 a thoden, anwendbar über die letzten ca. 3×105 a, auch wenn es durch einen Prozeß zur Trennung von 238U und seinen Folge- produkten, z.B. 230Th, kam [Picciotto & Wilgain 1954] kosmogene/ausgestorbene Radionuklide, produziert durch Wechselwirkung (Spallationsprozesse) der kosmischen Strahlung mit Materie (Atmosphäre der Erde, Oberfläche von Himmelskörpern ohne nennenswerte Atmosphäre, z.B. Mond) und/oder nur vorhanden im frühen Sonnensystem: 14 14 1 14 1 -4 -1 3 C [Libby 1946] N + n → C + H λ = 1.209×10 a T = 5.73×10 a 10Be λ = 0.500×10-6 a-1 T = 1.387×106 a 26Al 26Al → 26Mg [β+] λ = 0.968×10-6 a-1 T = 0.716×106 a 36Cl λ = 2.25×10-6 a-1 T = 0.308×106 a 53Mn 53Mn → 53Cr [ε] λ = 1.87×10-7 a-1 T = 3.7×106 a 92Nb 92Nb → 92Zr [ε] λ = 1.93×10-8 a-1 T = 3.6×107 a 107Pd 107Pd → 107Ag [β–] λ = 1.07×10-7 a-1 T = 6.5×106 a 146Sm 146Sm → 142Nd [α] λ = 1.02×10-8 a-1 T = 68×106 a 182Hf 182Hf → 182W [β–, β–] λ = 7.7×10-8 a-1 T = 9×106 a

a. α, β, ε = Zerfall durch α- oder β–-, β+-Strahlung bzw. Elektroneneinfang

ren, daß er auch mit Kenntnis des radioaktiven Zerfalls nicht zu einem auch nur annä- hernd richtigen Alter der Erde gekommen wäre, da er zu seiner Zeit keine Kenntnis vom

8 A. Radiogene Isotopensysteme

Mechanismus des Wärmetransports in der Erde haben konnte[3]. Die frühen Datierungsme- thoden, also die U,Th–He-Methode ist zwar zwischenzeitlich als unzulänglich betrachtet worden, weil man glaubte, daß Minerale das entstandene He diffusiv abgäben; inzwischen weiß man aber diese Methode in der „Thermochronologie“ einzusetzen, um – ähnlich wie mit der Spaltspurenmethode – die Abkühlungsgeschichte von Plutoniten und Metamor- phiten oder die Erosionsgeschichte von Gebirgen abzuleiten, denn wenn die Temperaturen genügend niedrig sind, verhalten sich die Minerale auch gegenüber He wie geschlossene Systeme[4]. In der Folgezeit bis heute sind zahlreiche Methoden der Geochronologie ent- wickelt worden, die sich von Fall zu Fall einsetzen lassen und z.T. sehr zuverläßlich sind. Die wichtigeren Methoden sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Es gibt noch einige andere Methoden, die in der Geologie oder Archäologie gelegentlich Anwendung zur Altersbestimmung finden wie Thermolumineszenz, Dendrochronologie oder Warwenchronologie; sie können jedoch nicht Gegenstand einer Abhandlung über Isotopengeologie sein. Unmittelbar einsichtig ist sicherlich, daß zum einen das Alter, zum anderen die Zusammensetzung einer Probe bestimmt, welche der aufgeführten Methoden prinzipiell geeignet sind, um eine gestellte Aufgabe zu lösen. 2.4 Der Ursprung der Elemente Die Elemente des Sonnensystems stammen im wesentlichen aus zwei Quellen*: • der primordialen Nukleosynthese in den ersten Minuten des Universums, • der Nukleosynthese in Sternen Das Alter des Universums wird nach den Daten der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) mit 13.7±1% Ga angesetzt[5],[6]. Nach dem Standardmodell war die Temperatur nach ≈3 Minuten nach dem kosmologischen Beginn, dem Urknall (Big Bang), soweit gefal- len, daß Protonen und ein geringer Anteil an Neutronen vorlagen; oberhalb von 109K wur- den Fusionsreaktionen zwischen den einfachsten Kernbausteinen möglich, z.B. p + p → D + e+ + ν; p + n → D + γ D + D → 3He + n n + D → T + γ n + 3He → 4He + γ (p = Proton, n = Neutron, e+ = Positron, ν = Neutrino, D = Deuterium, T = Tritium). Dane- ben entstand wahrscheinlich ein Teil des 7Li. Die häufigsten Kerne waren 1H (= p) und 4 He. Da es keine stabilen Nuklide mit den Massenzahlen 5 und 8 gibt, wurden Elemente mit Massenzahlen >7 durch Reaktion zwischen den beiden häufigsten Nukliden nicht gebildet. Am Ende der primordialen Nukleosynthese – ≈103s nach dem Urknall – soll die Materie des Universums zu etwa 76% aus Wasserstoff und 24% aus Helium und Spuren von Li bestan- den haben. Die Zusammensetzung des Universums erscheint überraschend, nämlich nur zu ca. 4% insgesamt aus Materie zusammengesetzt, die wir kennen. 23% ist der Anteil „dunkler Materie“ (die mit der bekannten Materie kaum oder nicht wechselwirkt) und der große Rest von 73% soll aus „dunkler Energie“ bestehen, deren Wesen unbekannt ist, der Schwerkraft entgegenwirkt und für eine Beschleunigung der Expansion des Universums verantwortlich gemacht wird[5].

* Ein lesenswertes populärwissenschaftliches Buch zu diesem Thema unter Betonung des histori- schen Aspektes ist: M. Chown (2002) Die Suche nach dem Ursprung der Atome, Deutscher Taschen- buch Verlag, München, 315 Seiten, 16 €

9 Einführung

380000a nach dem Urknall soll die Tempe- ratur des Universums auf unter 3000K gefallen sein; Elektronen und Atomkerne von H und He kombinierten zu neutralen Atomen. Strahlung konnte nicht mehr mit freien Elektronen wechselwirken, sondern sich frei fortpflanzen; das Universum wurde „durchsichtig“. Diese kosmische Hintergrundstrahlung wurde durch Deh- nung der Raumzeit zunehmend langwelli- ger und läßt sich heute im Mikrowellenbe- reich nachweisen; sie entspricht der Strahlung eines schwarzen Hohlraum- strahlers von (heute) 2.73K. Das „dunkle kosmische Zeitalter“ war mit der Bildung der ersten Sterne 200–300 Ma nach dem Urknall vorüber[6],[7]. Für die Bildung der Elemente schwerer als ABBILDUNG 3 Sternbildung im Nebel NGC He im Universum (mit Ausnahme von Li, 1748 in der Großen Magellanschen Wolke. Der Be und B) ist die stellare Nukleosynthese hellste (und heißeste) Stern hat eine Masse von verantwortlich. Die Lebensdauer von Ster- ca. 45 M. Der eher bescheiden aussehende nen hängt direkt von ihrer Masse ab: Je Stern exakt im Zentrum hat ca. 30 M und ist massereicher der Stern, desto rascher ver- fast 200000-mal heller als die Sonne. Sein hefti- braucht er seinen Vorrat an Brennstoff. ger Sternenwind hat bereits einen erheblichen Am Ende der Lebensdauer von Sternen Teil des Gase der Umgebung fortgeblasen und oberhalb von etwa 0.8 M (M = Masse ein „Loch“ von ca. 25 Lichtjahren Durchmesser unserer Sonne) steht ein Abwerfen der geschaffen. Aufnahme des Hubble Space Tele- Gase der Hülle; dadurch gelangen auch scope (http://oposite.stsci.edu/) schwerere Elemente in den interstellaren Raum und können als Saatmaterial für zukünftige Sterngenerationen dienen. Die erste Sterngeneration verfügte nur über H und He als Startmaterial; jüngere Sterne dagegen ent- halten zunehmend mehr Anteile an schwereren Elementen bei ihrer Bildung. Sterne entstehen durch lokale Kontraktion besonders kalter Bereiche (<10K) von Molekül- wolken (Abbildung 3), wobei je nach Größe der Molekülwolke Hunderte oder gar Tausende von Sternen gebildet werden können. Die Akkretion eines Sternes von der Größe der Sonne mag dabei rasch vonstatten gehen (105a[8]). Nach Ende der Akkretion ist ein Stern von 1 M erheblich größer als die Sonne und hat eine höhere Leuchtkraft; er kontrahiert nun unter dem Einfluß der Gravitation langsam weiter. Ein Stern von Sonnengröße durchläuft dann die T Tauri-Phase, bei welcher durch einen intensiven Sternenwind Gas und Staub aus der Umgebung fortgeblasen werden. Die Energie stammt in dieser Phase noch aus der Akkretion. T Tauri-Sterne sind Li-reicher als unsere Sonne; dies liegt wahrscheinlich daran, daß Li schon ab ca. 2.5×106K durch thermonukleare Reaktionen abgebaut wird[9]. Wenn durch die Kontraktion die Temperatur im Kern ca. 10×106K erreicht hat – bei einem Stern 7 von 1 M nach einigen 10 a, werden die Fusionsreaktionen gezündet, die He aus H auf- bauen. Sterne mit Massen von mindestens 0.08 Sonnenmassen erreichen dieses Stadium. Die Fusionsreaktionen werden dabei durch einen stark temperaturabhängigen quantenme- chanischen Tunneleffekt ermöglicht; ohne diesen Mechanismus würde die Kernverschmel- zung erst bei Temperaturen in der Größenordnung von 10×109K ablaufen. Auf diese Art der Synthese von Helium aus Wasserstoff wurde zuerst von Houtermans* und Atkinson† hinge- wiesen, nachdem Gamow‡ den α-Zerfall als Konsequenz des Tunneleffekts gedeutet hatte.

* Friedrich Georg Houtermans (1903–1966), deutscher Physiker; nach dem zweiten Weltkrieg wandte er sich dem Gebiet der Altersbestimmung zu. Nach ihm ist das Holmes-Houtermans-Modell der Ent- wicklung der Pb-Isotopenzusammensetzung der Erde benannt (siehe Seite 125).

10 A. Radiogene Isotopensysteme

Die stets ablaufende Fusionsreaktion (Proton–Proton-Zyklus) lautet

1H(p,e+ν)D(p,γ)3He(3He,2p)4He + 26.2 MeV[10] (MeV = Megaelektronenvolt) [GL 10]

Der Energiegewinn ergibt Spektralklasse sich dabei (und bei allen OBA FGK M Sonnen- anderen Fusionsreaktio- radien 100000 nen und in analoger W eise Blaue Rote Überriesen bei Zerfallsreaktionen) Überriesen 1000 R nach der Einsteinschen 10000 Gleichung E = mc2 aus dem 1000 Massendefekt*. Hauptreihe Riesen Der Stern erreicht mit die- 100 Rote 100 zur Sonne R iv sem Wasserstoffbrennen Zentralsterne die sogenannte Hauptreihe 10 planetarischer im Hertzsprung–Russell- Nebel

† raft relat 1 10 Diagramm (HR-Dia- k R Sonne gramm, Abbildung 4). Bei 0.1

etwas höheren Temperatu- Leucht ren von mehr als 14×10 6K Weiße Zwerge 0.01 0.1 gibt es eine konkurrierende R 1R Reaktion, die das Vorhan- 0.01 0.001 0.001 R 12 densein von C voraus- R setzt, welches die jüngeren Sterne aber bereits bei ihrer 50000 40000 20000 10000 7000 5000 3000 2000 Entstehung aus einer Oberflächentemperatur [K] molekularen Wolke erwor- ben haben; dies ist der ABBILDUNG 4 Eine Version des HR-Diagramms. Nach dem Ste- CNO-Zyklus – nach den fan-Boltzmann-Strahlungsgesetz ist die Leuchtkraft L proportio- Entdeckern auch Bethe‡– nal zur Oberfläche (oder dem Quadrat des Radius) und zur vier- Weizsäcker¶ -Zyklus ten Potenz der Temperatur. Blaue Sterne sind heiß, rote sind kalt. genannt, bei dem C, N und Die meisten Sterne befinden sich in ihrer Entwicklung auf der O als Katalysatoren die- Hauptreihe (Wasserstoffbrennen im Kern). Während ihrer T Tau- nen: ri-Phase sollte die Sonne heller (weil größer) und vielleicht etwas kühler gewesen sein als heute; ihre Position wird daher etwas 12C(p,γ)13N(e+ν)13C(p,γ)14N oberhalb und rechts der heutigen gewesen sein. Wenn der Was- (p,γ)15O(e+ν) 15N(p,α)12C + serstoff im Kern verbraucht ist, verlassen die Sterne die Hauptrei- 25.0 MeV [GL 11] he wieder nach rechts oben (massearme Sterne; die Sonne wird Oberhalb von ca. 20×106K zu einem Roten Riesen) bzw. rechts (massereiche Sterne). dominiert der CNO- Zyklus. Eine Nebenreaktion im CNO-Zyklus erzeugt zusätzliches 14N:

15N(p,γ)16O(p,γ)17F(e+ν) 17O(p,α)14N [GL 12]

† Robert d‘Escourt Atkinson (1898–1982) englischer Physiker und Astronom, lehrte ab den 1960er Jah- ren an der Indiana University ‡ George Gamow (1904–1968), russisch-amerikanischer Physiker; Gamow gilt mit seinen Studenten Ralph Alpher (1921–2007) und Robert Herman (1914–1997) auch als Erfinder der „Big Bang“-Hypo- these. Sie glaubten zunächst, alle Elemente seien beim Urknall entstanden und sagten die Existenz der kosmischen Hintergrundstrahlung voraus, die erst ≈20 Jahre später entdeckt wurde.

11 Einführung

Die Verweildauer eines Sterns auf der Haupt- TABELLE 2: Verweildauer von Sternen auf der reihe des HR-Dia- Hauptreihe des HR-Diagramms[8] gramms ist durch das Masse Oberflächen– Leuchtkraft Zeit auf Haupt- Wasserstoffbrennen im [Sonne = 1] temperatur [K] [Sonne = 1] reihe [Ga] Kern bestimmt und 25 35000 80000 0.003 macht den weitaus längsten Teil der 15 30000 10000 0.015 Lebensdauer des Sterns 3 11000 60 0.50 aus. Diese wiederum 1.5 7000 5 3 hängt sehr stark von 1 6000 1 10 der Masse ab (verglei- 0.75 5000 0.5 15 che Tabelle 2); masse- 0.50 4000 0.03 200 arme Sterne verbrau- chen ihren Kernbrennstoff erheblich langsamer als massereiche.

3.5 He-Schale wird ABBILDUNG 5 Entwicklung eines dünner; Expansion: AGB-Stern Sterns der Masse 5M, nachdem er 3.4 bei einer Oberflächentemperatur He-Brennen Hauptphase des 22 von 20000K und einer Leuchtkraft in dicker He-Brennens im 3.3 18 Schale von 600L die Hauptreihe des HR- Kern 9×106a 21 17 Diagramms verläßt (Punkt 1); nach 23 H-Brennen in 20 [10], leicht verändert 3.2 dicker Schale Konktraktion; He im 1.3×106a Kern geht zur Neige Beginn des 6 3α-Prozesses konvektive Hülle wird 16 log L/L 3.1 5 flacher, rasche Kon- 13 4 traktion 106a erste Phase des He-Brennens im 3.0 3 6 Kontraktionsphase Kern 6×10 a 15 2.2×106a H-Schale wird Phase der Roten 5 dünner 8×105a Riesen 5×10 a 2.9 Gesamtdauer des konvektive Hülle wird 10 H-Brennens im Kern tiefer: Fusionsprodukte 65×106a gelangen an Oberfläche 2.8 1 4.3 4.2 4.1 4.0 3.9 3.8 3.7 3.6 log TOberfläche

* Beim Proton–Proton-Zyklus bilden sich letztlich aus 4 1H-Atomen insgesamt 1 4He-Atom, 2 Positro- nen und zwei Neutrinos; außerdem bleiben 2 der 4 Elektronen des Wasserstoffs übrig. Der Massen- defekt ergibt sich damit zu m = 4×1.0078250 – 4.0026032 – 4×0.0005486 = 0.0265024 Massenein- heiten (die Neutrinos haben keine nennenswerte Ruhemasse) oder 0.0265024×1.6605402×10- 27 = 4.40083×10-29 kg. Für die Energiefreisetzung erhält man damit E = m×c2 = 4.40083×10-29 [kg] × 2997924582 [m2/s2] = 3.95527×10-12 [kg m2 s-2 = J] bzw. 3.95527×10-12 / 1.602177×10-13 = 24.69 MeV . Dazu kommt noch die Vernichtungsstrahlung von Elektronen und Positronen (1.02 MeV je Elek- tron–Positron-Paar), also 26.73 MeV. Davon werden ca. 2% durch die Neutrinos davon getragen, die nicht nennenswert mit Materie wechselwirken und dem System daher verloren gehen; es ver- bleiben 26.2 MeV. † benannt nach Ejnar Hertzsprung (1873–1967), dänischer Chemiker und Astronom, und Henry Norris Russell (1877–1957), amerikanischer Astronom an der Princeton University ‡ Hans Albrecht Bethe (1906–2005), deutsch-amerikanischer Physiker, seit 1935 an der Cornell Univer- sity in Ithaca, Nobelpreis für Physik 1967 für Arbeiten zur Energieumwandlung in Sternen; nach der Machtergreifung der Nazis in die USA emigriert. ¶ Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007), Bethe und Weizsäcker erarbeiteten die Reaktionen dieses Zyklus unabhängig voneinander 1937–1939.

12 A. Radiogene Isotopensysteme

Wenn etwa 95% des Wasserstoffs im Kern verbrannt sind, kontrahiert der Kern wieder, weil nun der Strahlungsdruck des Kerns nicht mehr ausreicht, die Gravitationskräfte zu kom- pensieren[10]; der Stern verläßt die Hauptreihe des HR-Diagramms (Abbildung 5). Wenn etwa 99% des H im Kern verbrannt sind, erlischt dort die Fusion. Der Kern kontrahiert wei- ter und kühlt wegen der fehlenden Wärmequelle ab. Durch die Kontraktion des Kerns wird Gravitationsenergie frei, wodurch die H-Schale um den Kern so weit erhitzt wird, daß dort eine Fusion von H nach He einsetzt. Kleine Sterne, bei denen die Masse ihres He-Kerns <0.5 M ist (die Gesamtmasse <0.8 M), schrumpfen bei zu niedriger Temperatur. Der nächste Schritt der Fusion, das He-Brennen, wird nicht mehr möglich, und ihre Entwick- lung ist beendet. Diese H-Schale der größeren Sterne wird mit der Zeit dünner, der Kern aber durch die Anla- gerung von He durch das Schalenbrennen mächtiger. Als Folge kontrahiert der Kern rascher und wird wieder heißer. Andererseits brauchen die Photonen aus der Fusionsquelle nun keinen so weiten Weg mehr nach außen wie zuvor, so daß sie die äußere Hülle des Sterns stärker aufheizen, in welcher der Temperaturausgleich konvektiv erfolgt. Die Hülle dehnt sich erheblich aus: der Stern ist zu einem (Roten) Riesen geworden. Wenn die Sonne dieses Stadium erreicht, wird sie sich bis ungefähr an die Erdumlaufbahn aufblähen. Infolge der effizienten konvektiven Durchmischung lassen sich Fusionsprodukte aus dem CNO-Zyklus (14N) in diesem Stadium auch in den Spektren der Sterne erkennen. Die Riesen sind nicht mehr in der Lage, ihre gesamte äußere Hülle an sich zu binden; Folge ist ein mehr oder minder starker Massenverlust, typischerweise von 0.1ppm M pro Jahr. Als Roter Riese wird die Oberflächentemperatur der Sonne zwar geringer sein als die heutige, aber infolge der erheblich größeren Oberfläche wird ihre Leuchtkraft weit über der heuti- gen liegen (vergleiche die berechnete Änderung der Leuchtkraft für einen 5 M-Stern in Abbildung 5 auf dem Weg von der Hauptreihe zum Roten Überriesen). Wenn die Temperatur im He-Kern des Sterns infolge Kontraktion und das Hinzufügen von Masse aus dem H-Schalenbrennen ca. 90×106K erreicht hat, setzt das stark temperaturab- hängige He-Brennen der 3α-Reaktion ein:

4He(α,γ)8Be(α,γ)12C + 7.3 MeV [GL 13] 8Be ist ein extrem instabiler Kern. Erst bei dieser hohen Temperatur wird die Reaktion ermöglicht; im thermodynamischen Gleichgewicht steht ein einziges Atom 8Be ca. 109 Atomen 4He gegenüber, und die Reaktion von He zu Be ist zudem endotherm (-0.1 MeV). Eine weitere wichtige Reaktion beim He-Brennen führt zum Sauerstoff:

12C(α,γ)16O + 7.16 MeV [GL 14] Des weiteren werden unter Umständen noch Ne und Mg gebildet[11]:

16O(α,γ)20Ne + 4.73 MeV [GL 15]

20Ne(α,γ)24Mg [GL 16] Als Nebenreaktion, die freie Neutronen liefert, die zum Aufbau schwererer Isotope und Ele- mente dienen können, sei genannt:

20Ne (p,γ) 21Na (e+ν) 21Ne (α,n) 24Mg [GL 17] Das im CNO-Zyklus gebildete 14N kann temperaturabhängig reagieren zu

14N(α,γ)18F(e+ν)18O(α,γ)22Ne [GL 18] Die letzte Teilreaktion erfordert besonders hohe Temperaturen und findet daher nicht immer statt. Aus diesen Reaktionen ist zu erkennen, daß die Nukleosynthese für die leich- ten Elemente (H, He, C, N, O) zu einer Dominanz der Isotope mit geraden Massenzahlen führt; Isotope von C, N und O treten beim H-Brennen nur untergeordnet auf.

13 Einführung

Beim He-Brennen dehnt sich der Kern des Sterns als Folge der Wärmeproduktion aus. Die Hülle um den Kern wird kälter und das H-Brennen setzt dort aus. Die Hülle kontrahiert, und der Stern wird vorüber- gehend kleiner. In masseärmeren Sternen setzt das He-Brennen mit kurzfristigen Instabilitäten schlag- artig ein (der sogenannte Helium-Blitz). Wenn das He im Kern verbrannt ist, liegt ein Gemisch aus weitgehend C und O vor, zu dessen weiterer Fusion erheblich höhere Temperaturen nötig sind, die in Sternen mit einem C–O-Kern unterhalb ca. 1.44 M (der Chandrasekhar-Grenze*) nicht erreicht werden. Nach Verbrauch des He im Kern schrumpft dieser wieder; die frei werdende Gravitationsenergie ABBILDUNG 6 Der Rote Überriese Be- bewirkt, daß die 3α-Reaktion in einer Hülle um den teigeuze (α-Orionis), ca. 600 Lichtjahre Kern zündet; um diese herum vollzieht sich weiter- entfernt, ≈750-mal größer und 20-mal hin die Verbrennung von H zu He: der Stern enthält schwerer als die Sonne sowie mit einen zwiebelschalenförmigen Aufbau. Die Hülle 1000-mal höherer Leuchtkraft ver- dehnt sich wieder aus: der Stern wird größer als je sehen. Beteigeuze ist ein veritabler zuvor. Unsere Sonne mag in diesem Stadium einen Kandidat für eine „baldige“ (innerhalb Durchmesser erreichen, der bis an die Umlaufbahn von vielleicht 105a) Supernova. Bild des Mars reicht. Massereiche Sterne (> ca. 8M) wer- des Hubble Space Telescope (http:// den noch größer; sie werden dann Überriesen antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ genannt (Abbildung 6). Sterne auf diesem „asym- ap980419.html) ptotischen Riesenast“ (kurz: AGB-Sterne – asympto- tic giant branch stars; Abbildung 5) des HR-Diagramms verlieren noch mehr Masse ihrer Hülle als im Stadium der Roten Riesen. Das Abstoßen der Hülle erfolgt dabei im Spätsta- dium periodisch und katastrophal, z.B. als Folge der He-Blitze beim He-Schalenbrennen. Während eines solchen Ereignisses wirft ein Stern mit einer Masse von weniger als ca. 8 M die gesamte noch verbliebene Hülle ab; es bleibt der ausgebrannte C–O-Kern als heißer Weißer Zwerg zurück, der infolge seiner intensiven UV-Strahlung die Gashülle zum Leuch- ten anregt. Diese ausgestoßenen Gashüllen (Abbildung 7) sind als Planetarische Nebel

ABBILDUNG 7 Der Planetarische Ringnebel M57 im Sternbild Leier, ca. 2000 Lichtjahre entfernt und rund 1 Lichtjahr im Durchmesser. Der Weiße Zwerg, der die Gase ausgestoßen hat, ist unmittelbar im Zentrum als Punkt zu sehen. Weiße Zwerge haben zu Beginn Oberflächentemperturen von 105 K und mehr (hier ca. 120000K). Der innere Ring des Nebels (blau-violett) be- steht aus heißem Wasserstoff; es folgt ionisierter Sauerstoff (grün). Das äußere Rot ist ionisierter Stickstoff. Die Farben ent- sprechen ungefähr den tatsächlichen. Nach unserem derzeitigen Verständnis der Sternentwicklung wird die Sonne in vielleicht 6 – 7 Ga als ein Weißer Zwerg enden, nachdem sie ihre Hülle als pla- netarischer Nebel abgeworfen hat (http://oposite.stsci.edu/).

bekannt, die sich innerhalb von 105 Jahren soweit vom Weißen Zwerg entfernt haben, daß sie aufhören zu leuchten. Die Gashülle des ehemaligen Sternes reichert damit das interstel- lare Medium mit schweren Elementen an, die in einer fernen Zukunft in neue Sterne ein- gebaut werden. Der Weiße Zwerg, typischerweise von der Größe der Erde und einer Dichte

* Subrahmanyan Chandrasekhar, indisch-amerikanischer Physiker (1910 – 1995), Nobelpreis 1983 für seine Arbeiten über die Sternentwicklung

14 A. Radiogene Isotopensysteme um 109kg/m3, kühlt sehr langsam ab, bis er nach vielleicht 1 Ga eine Temperatur um 5000 K an der Oberfläche erreicht hat. In massereichen Sternen geht die Nukleosynthese weiter, und sofern ihre Anfangsmasse 9 größer als ca. 8 M ist, enden sie in einer Explosion. Bei einer Kerntemperatur um 0.6×10 K setzt das Kohlenstoffbrennen ein[11]; Neutrinos werden für den Energietransport wichtiger als Photonen:

12C(12C,n)23Mg – 2.63MeV (endotherm) [GL 19]

12C(12C,α)20Ne + 4.62MeV [GL 20]

12C(12C,p) 23Na + 2.24MeV [GL 21] Die erste dieser Reaktionen verläuft stark temperaturabhängig; bei 0.8×109K ist die Wahr- scheinlichkeit dieser Reaktion nur 0.01%, bei 2×109K aber schon gut 5%; die beiden ande- ren Reaktionen laufen mit gleicher Wahrscheinlichkeit ab. Es tritt noch eine Vielzahl wei- terer Reaktionen mit Protonen, α-Teilchen und Neutronen auf. Insgesamt entstehen beim C-Brennen signifikante Mengen an 16O, 20Ne, 23Na, 24Mg und 28Si. Ab ca. 1×109K zerfällt 20Ne durch Photodisintegration:

20Ne(γ,α) 16O [GL 22] Die dabei frei werdenden TABELLE 3: Entwicklungsstadien eines [8] α-Teilchen werden vor- Sternes von 25 Sonnenmassen wiegend durch noch vor- Temperatur Dichte im handenes 20Ne eingefan- Stadium im Kern [K] Kern [kg/m3] Dauer gen und reagieren damit H-Brennen 4×107 5×103 7 Ma zu 24Mg und dieses mit He-Brennen 2×108 7×105 0.5 Ma einem weiteren α zu 28 Si. × 8 × 8 Ab ca. 2×109K findet das C-Brennen 6 10 2 10 600 a 9 9 Sauerstoffbrennen statt, Ne-Brennen 1×10 4×10 1a wobei die beiden wichtig- O-Brennen 1.5×109 1×1010 0.5 a sten Reaktionen zu Phos- Si-Brennen 2.7×109 3×1010 1 Tag phor und Silizium führen: Kernkollaps 5.4×109 3×1012 <1 s Explosion ≈ 109 variabel Sekunden 16O + 16O → 31P + p+ 7.68 MeV [GL 23]

16O + 16O → 28Si + α + 9.59 MeV [GL 24]

ABBILDUNG 8 Modell des Aufbaus eines 1H, 4He massereichen Sternes unmittelbar vor seiner Explosion als Typ II-Supernova[10]. 1 → 4 Nach Ablauf des Si-Brennens im Kern 4 H He 56 4 → 12 4 → 16 zerfällt das gebildete Fe in Protonen 3 He C4 He O

und Neutronen, und der Kern kollabiert 12 X C → 20 24 28 32 40 zum Neutronenstern (gestrichelt ange- Ne, Mg, Si, S, Ca deutet), besonders massereiche Sterne wahrscheinlich sogar zu einem Schwar- 16 → 56 4 zen Loch, aus dem nicht einmal mehr 4 O Fe + 2 He Photonen entweichen können. 56Fe → 26p+30n

15 Einführung

Durch weitere Reaktionen bildet sich vor allem aus 31P das Isotop 32S, das am Ende des Sau- erstoffbrennens neben 28Si das häufigste Nuklid ist. Bei weiter steigender Temperatur setzt ab ungefähr 2.7×109K das Siliziumbrennen ein. Dabei ist die direkte Verschmelzung von zwei 28Si-Kernen wegen der hohen Coulomb-Bar- riere (gegenseitige Abstoßung) nicht möglich. Hunderte von Einzelreaktionen bauen viele Isotope der Elemente bis hin zu Fe und Ni auf. Hier endet die Fusion, weil 56Fe die höchste Bindungsenergie aller Isotope je Nukleon aufweist; das bedeutet, daß zur Bildung der schwereren Elemente Energie zugeführt werden muß. Zudem werden unter stabilen Bedin- gungen im Kern eines Sternes keine genügend hohen Temperaturen erreicht, um schwerere Elemente durch Reaktionen mit geladenen Teilchen aufzubauen. Dazu sind freie Neutro- nen nötig, bei deren Einfang durch einen Atomkern keine Coulomb-Barriere überwunden werden muß. Die Reaktionen vom Kohlenstoffbrennen bis zum Siliziumbrennen vollziehen sich zuneh- mend rascher (Tabelle 3). In der Modellvorstellung sollte jeder neue Schritt der Nukleosyn- these einher gehen mit dem Schalenbrennen des vorhergehenden Schrittes um den Kern herum. Um diese Schale herum befindet sich eine Schale, in welcher der nächst niedrige Fusionsschritt abläuft und so fort. Der Stern sollte demnach einen zwiebelschalenförmigen Aufbau zeigen (Abbildung 8). Nach Ablauf des Siliziumbrennens besteht der Kern weitge- hend aus 56Fe. Dichte und Temperatur sind nun so immens hoch geworden, daß die Pho- tonen eine genügend hohe Energie erreicht haben, um die Fe-Kerne spontan zu zerlegen:

56Fe(γ,4n)134He [GL 25]

4He(γ,2n)2p [GL 26] Die Elektronen im Kern können, auch wenn sie sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, keinen genügend hohen Strahlungsdruck mehr aufbauen, um der Gravitation standzuhalten. Der Kern des Sterns kollabiert, und die Elektronen werden in die Protonen „gepreßt“ und reagieren mit diesen zu Neutronen und Elektronen-Neutrinos:

p + β– → n + ν [GL 27] Der Kern des Sterns zerfällt in Sekunden- bruchteilen in einen extrem kompakten Neutronenkern von vielleicht 10 – 20 km Durchmesser bei einer Dichte von 4×1017 kg/m3 (Dichte von Atomker- nen) und einer Masse von 1.4 bis ≈ 3 M. Damit ist der Kern nun extrem steif und nicht weiter komprimierbar, aber ABBILDUNG 9 Der Crab-Nebel in ≈6500 Lichtjah- 11 zunächst extrem heiß (10 K). Die ren Entfernung, Relikt eines Supernova-Ausbruchs, innere Hülle des Sterns fällt mit sehr der nach chinesischen Quellen im Jahr 1054 sicht- hoher Geschwindigkeit nach unten, bar wurde. In seinem Zentrum befindet sich (nicht prallt am Kern ab und bildet eine nach sichtbar) ein Pulsar – ein Neutronenstern (http:// außen gerichtete Schockwelle, welche www.spacetelescope.org/images/html/ zusammen mit einer Flut von Neutrinos heic0515a.html). (Neutrino–Antineutrino-Paare, die durch die extreme Hitze des Neutronenkerns gebildet werden und helfen, den Kern abzu- kühlen und ihn zu stabilisieren) die äußere Hülle des Sterns fortbläst. Der massereiche Stern hat eine Supernova-Explosion vom Typ II erlitten (Abbildung 9). Das Material um den Kern herum wird sich durch die Schockwelle und die Neutrinos stark aufheizen. Die

16 A. Radiogene Isotopensysteme

Element- und Isotopenhäufigkeiten werden hier wahrscheinlich massiv verändert. Nach Berechnungen sollen insbesondere große Mengen an 44Ca, 48Ti, 49Ti, 52Cr, 55Mn und 56 Fe gebildet werden[11]. Zurück bleibt ein extrem kompakter, heißer(106K an der Oberfläche) und rasch rotierender (Millisekunden) Neutronenstern von nur wenigen (101 km) Kilome- tern Durchmesser. Im Millisekundenbereich bis in den unteren Sekundenbereich pulsie- rende Radioquellen (Pulsare) werden Neutronensternen zugeschrieben.

ABBILDUNG 10 Eta Carinae, ca. 7500 Licht- jahre entfernt, mit ungefähr 120 M einer der gewichtigsten bekannte Sterne (im Zentrum der zentralen Explosionswolke nicht auszumachen) in unserer Galaxis. Die äußere rote Hülle ist bei einer Explosion ent- standen, die um 1830 sichtbar gewesen ist und Eta Carinae damals zum zweithellsten Stern am Himmel gemacht hat. Eta Carinae ist rund 4×106-fach heller als unsere Sonne und hat bei der großen Masse eine nur ge- ringe Lebenserwartung (wenige Ma). Ster- ne dieser Masse gelten als extrem instabil und können jederzeit in einer „Hypernova“ enden, wobei der Kern direkt in ein Schwar- zes Loch zerfällt (mögliche Ursache „lan- ger“ Gammastrahlenblitze). Quelle: http:// www.seds.org/

Wenn die Masse des Kerns >3 M ist, gibt es keinen Gleichgewichtszustand für die Materie mehr: der Kern kollabiert zu einem Schwarzen Loch, einer sogenannten Singularität. Selbst Licht kann dann innerhalb des Schwarzschild-Radius*

2GM M =≈Kern [GL 28] RSchwarzschild 2 3 c M nicht mehr entkommen (G = Gravitationskonstante [6.67×10-11m 3/(kg×s 2)], c = Lichtge- schwindigkeit [3×108m/s], M = Masse). Damit erhält man für ein Schwarzes Loch der Masse 30 5 M (M = 1.99×10 kg) einen Schwarzschild-Radius von lediglich ≈14750m! Bei Sternen mit einer Anfangsmasse von mehr als rund 25 M endet der Kernkollaps in einem Schwar- zen Loch; damit ist wahrscheinlich keine Supernova-Explosion verbunden, sondern ein Gammastrahlenausbruch. Der Schwarzschild-Radius ist erstaunlicherweise proportional zu M und damit zum Volumen V und nicht proportional zu V1/3, so dass er mit der Masse überproportional wächst. Ein massives Schwarzes Loch im Kern einer Galaxie (1010 Son- nenmassen) hätte bereits einen Schwarzschild-Radius, der 2×105-mal dem Abstand Sonne– Erde entspricht. Die Explosionshülle der Supernova breitet sich mit einigen Dutzend Kilometern pro Sekunde in den interstellaren Raum aus und reichert diesen mit vielen – auch schweren – Elementen des Periodensystems an. Das hat seine Ursache darin, daß in der Nähe des Neu- tronenkernes extrem hohe Neutronenflüsse zur Verfügung stehen, die, vom 56Fe der inner- sten Hülle des Sterns ausgehend, insbesondere neutronenreiche Isotope der schweren Ele- mente durch den sogenannten r-Prozeß aufbauen können (r für rapid; siehe Abbildungen 11 und 12 zur Erläuterung). Auch die Existenz von Th und U in der Natur läßt sich nur so erklären.

* benannt nach dem deutschen Physiker und Astronomen Karl Schwarzschild (1873–1916), Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam

17 Einführung

Viele andere Isotope der schweren Elemente entstehen durch den s-Prozeß (s für slow , Abbildungen 11 + 12) bei geringen Neutronenflüssen über vergleichsweise lange Zeit. Als Entstehungsumgebung werden die Hüllen massereicher Sterne (>8 M) genannt, die sich irgendwann zu Supernovae entwickelt haben bzw. entwickeln werden, und die inneren Hüllen der AGB-Sterne*. Dort werden durch Nebenreaktionen wie

22Ne(α,n) 25Mg [GL 29]

13C(α,n) 16O [GL 30] freie Neutronen gebildet, die von anderen Kernen wieder eingefangen werden können. Vor allem die erste dieser beiden Reaktionen soll in den massereichen Sternen von entschei- dender Bedeutung sein[13].

p nur s s, r s, r β-

(n,γ) s, r

p nur s s, r nur s r

s, r

s, r nur s s, r r r Protonenzahl Z Protonenzahl

s, r s, r r

β-

Neutronenzahl N

ABBILDUNG 11 Die drei für die Bildung der schwereren Elemente in Sternen relevanten Pro- zesse: Beim s-Prozeß (blaue Pfeile und Linien) fängt ein stabiler Atomkern ein Neutron ein; es entsteht ein Isotop desselben Elementes mit einer um 1 höheren Massenzahl. Wenn dieses Isotop stabil ist, werden weitere Neutro- nen eingefangen, solange bis ein instabiles Isotop gebildet wird, dessen β–- Halbwertszeit klein ist im Vergleich zur mittleren Zeitdauer für den Einfang eines weiteren Neutrons. Das Isotop zerfällt dann in ein gleich schweres Iso- top des Elementes mit der nächst höheren Ordnungszahl (gestrichelte rote Linien). Beim r-Prozeß (rote Pfeile und gestrichelte Linien – diese kennzeich- nen generell in der Skizze den β–-Zerfall) ist die Zahl der zur Verfügung ste- henden Neutronen so groß (die mittleren Einfangszeiten für Neutronen durch ein Nuklid liegen in der Größenordnung von 10-4s), daß radioaktive Isotope weitere Neutronen einfangen, bevor die β–-Zerfallsrate überwiegt.

* Paul W. Merrill (1887–1961) identifizierte 1952 Tc in Spektren von einigen Roten Riesen. Da das längstlebige Isotop, 98Tc, nur eine Halbwertszeit von 4.2 Ma hat, muß das Tc in den Riesensternen entstanden sein. Das wurde als Indiz für das Ablaufen des s-Prozesses in solchen Sternen gewertet.

18 A. Radiogene Isotopensysteme

Es entstehen neutronenreiche Nuklide. Erst wenn auf diese Weise Nuklide mit sehr kurzen Halbwertszeiten entstanden sind (diese Nuklide haben 10 – 20 Neutronen mehr als das schwerste stabilste Isotop des betreffenden Ele- mentes), vollzieht sich der β–-Zerfall rascher als der Einfang eines weiteren Neutrons. Die Dauer des r-Prozesses wird mit Sekunden angegeben; des- halb muß als Ursache ein explosiver Prozeß angenommen werden, z.B. eine Supernova. Inzwischen wird auch die Kollision zwischen zwei Neutronen- sternen eines Doppelsternsystems als Mechanismus diskutiert; dabei bilden sich nach Simulationen Spiralarme um ein massives Zentralobjekt (das zu ei- nem Schwarzen Loch wird?), in denen bei rascher Druckentlastung und ex- tremen Temperaturen eine Vielzahl von Nuklearreaktionen ablaufen könnte. Insgesamt 32 stabile Nuklide auf der neutronenarmen Seite der Elemente sind weder dem s- noch dem r-Prozeß zugänglich. Diese Nuklide sind stets mit nur geringen Häufigkeiten am Aufbau des jeweiligen Elementes betei- ligt. Für ihre Bildung wird ein p-Prozeß angenommen (p für Protonenein- fang). Im Innern massereicher Sterne stehen kurz vor oder bei einer Supernova-Explosion bei Temperaturen von 2 – 3×109K wahrscheinlich ge- nügend Protonen zur Verfügung, um aus den im s-Prozeß (oder r-Prozeß) gebildeten Nukliden durch (p,γ)-Prozesse die neutronenarmen Nuklide zu erzeugen. Bei diesen extremen Temperaturen sind (γ,n)-Prozesse (Photodi- sintegration) eine Alternative. Umgezeichnet nach [11]; siehe auch [12].

121 123

Sb, 51 p-Prozeß

⎫ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎭ 57.4% 2.8d 42.6% 112 114 115 116 117 118 119 120 122 124 nur s s + r s + r s + r s + r nur r nur r Sn, 50

1.0%112d 0.65% 0.35% 14.5% 7.7% 24.2% 8.6% 32.6%27h 4.6% 40m 5.8% Z 113 115 In, 49 r-Prozeß ⎧ ⎨ ⎪ ⎪ ⎩ 4.3% 95.7% 13s nur r- Prozeß 110 111 112 113 114 116 Cd, 48 Pfad des s-Prozesses

12.5% 12.8% 24.1% 12.2% 28.7%54h 7.5% 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

N

ABBILDUNG 12 Illustration der s-, r- und p-Prozesse am Beispiel des Zinns. Sn ist das Element mit den meisten stabilen Isotopen (10), bedingt durch eine „magische“ Pro- tonenzahl (hier: 50). Der s-Prozeß verläuft über die stabilen Cd-Isotope, bis mit dem 115Cd ein Isotop erreicht ist, daß mit einer Halbwertszeit von 54h durch β–-Zerfall in 115In übergeht. Daraus bildet sich über Neutroneneinfang 116In, das mit einer Halbwertszeit von 13s in 116Sn zerfällt. Dieses ist dur ch das stabile 116Cd von einer Bildung über den r-Prozeß abgeschirmt, also ein reines „s-Isotop“. Durch erneuten Neutroneneinfang geht 116Sn in die stabi- len Isotope 117Sn bis 120Sn über. Diese vier Nuklide können aber genausogut durch den r-Prozeß entstehen, weil es keine stabilen Isotope leichterer Ele- mente mit diesen Massenzahlen gibt, so daß deren β–-Zerfall erst bei 117 Sn bis 120Sn endet. Wenn 120Sn ein weiteres Neutron einfängt, entsteht radio- aktives 121Sn, das mit einer Halbwertszeit von 27h in stabiles 121Sb zerfällt. Die stabilen Isotope 122Sn und 124Sn können deswegen nicht (oder nicht in beträchtlicher Menge) durch den s-Prozeß entstehen, sondern sind reine r- Prozeß-Nuklide. Für die stabilen Isotope 112Sn, 114Sn und 115Sn gibt es keine

19 Einführung

Bildungsmöglichkeiten durch s- oder r-Prozeß. Sie sind daher p-Prozeß-Nu- klide, was auch durch die geringe Häufigkeit nahegelegt wird. 115Sn könnte z.B. entstehen, wenn durch ein hoch energetisches Photon ein Neutron aus 116Sn entfernt wird. 114Sn könnte durch Protonenbeschuß von 113In (eben- falls ein p-Nuklid) erzeugt werden. Verändert nach [11] bzw. [17]. Der sogenannte p-Prozeß (p für Protoneneinfang und/oder Photodisintegration) schließ- lich ist für die Entstehung neutronenarmer stabiler Nuklide relevant (Abbildungen 11 und 12). Welche Isotope der schweren Elemente dem s- und welche dem p-Prozeß zugänglich sind, läßt sich Abbildung 13 entnehmen.

100 Fm Cf Cm 4s N = 126 r-Prozeß-Nuklide Pu N = 184 s-Prozeß-Pfad A = 208 U 90 Th U + Th A = 195 Ra Rn Po Z = 82 Pb 80 Hg Pt Os

N = 82 W Hf Z 70 Yb Er 2s A = 138 Dy r-Prozeß-Pfad Gd Sm für T = 109K 60 A = 130 Nd Ce Seltene Erden Ba Xe Te Z = 50 50 Sn Protonenzahl Protonenzahl Cd Pd β - Ru -Zerfall 0.5s Spaltung in zwei Kerne ungleich große N = 50 Mo 40 Zr Sr Kr Se Zeit für einen Aufbau- Ge zyklus ca. 5s 30 Z = 28

von Fe 20 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 Neutronenzahl N

ABBILDUNG 13 Die Bildung der Isotope der schweren Elemente durch s- und r-Prozeß. Der s-Prozeß folgt der blauen Kurve und endet beim 209Bi. Stabile Isotope eines Elementes mit ungerader Massenzahl haben in der Regel höhere Einfang- querschnitte für Neutronen als solche mit gerader Massenzahl. Erstere wer- den daher bevorzugt durch weiteren Neutroneneinfang beim s-Prozeß abgebaut. Daher sind die Isotope eines Elementes mit ungerader Massen- zahl in der Natur meist geringer als die Isotope mit gerader Massenzahl (das- selbe gilt auch für die Elemente mit gerader und ungerader Ordnungszahl, Abbildung 14). Die Existenz eines s-Prozesses ist belegt, seitdem 1952 in den Spektren von Roten Riesen das Element Tc nachgewiesen wurde[14] . Tc besitzt keine stabilen isotope. Die beiden längstlebigen Isotope weisen nur Halbwertszeiten um 4 Ma auf. Tc muß daher tief im Innern der Riesen syn- thetisiert und konvektiv an ihre Oberfläche transportiert werden. Durch den r-Prozeß entstehen neutronenreiche radioaktive Nuklide mit kurzen Halb- wertszeiten (durch die hellroten Felder ausgewiesen), die 10 bis 20 Neutro- nen mehr enthalten als stabile Isotope der jeweiligen Elemente. Dur ch mehrfache β–-Zerfälle entstehen stabile Isotope von Elementen mit höherer Ordnungszahl (rote Punkte). Dem r-Prozeß sind auf diese Weise Elemente bis zur Massenzahl von etwa 270 zugänglich. Bei den „magischen“ Neutro- nenzahlen 82 und 126 entsteht ein Rückstau, weil solche Nuklide im Ver- gleich zu den benachbarten stabiler sind und besonders kleine

20 A. Radiogene Isotopensysteme

Neutroneneinfangquerschnitte aufweisen. Ein zunächst entstandenes Sr- oder Y-Isotop mit 82 Neutronen wird demnach kein weiteres Neutron auf- nehmen, sondern β–-Zerfälle in andere Elemente erleiden, bevor weitere Neutronen eingefangen werden. Nach [11] bzw. [17], verändert.

H 10 10 in den ersten Minuten nach dem Urknall entstanden He 109 entsteht in Sternen der Hauptreihe (z.B. unserer Sonne) durch H-Verbrennung i 108

7 O Elemente, die in Roten Riesen 10 C synthetisiert werden Ne Si 6 Fe 10 N S Atomen S 6 Ar 105 Al Ca Ni Cr zu 10 104

iv Mn K Zn 103 Cu t relat i 2

e 10 Li Elemente, die in Typ II-Supernovae (r-Prozeß) und k Sr in Roten Riesen (s-Prozeß) gebildet werden B 1 Xe 10 Pb ufig entstehen in Molekülwolken Rb Mo ä Pd Pt durch Reaktionen mit Ce Nd Os H 100 Be kosmischer Strahlung I Ag La Hf -1 Sm 10 Th Re Lu U 10-2

H Be N Ne Al S K Ti Mn Ni Ga Se Rb Zr Tc Pd In Te Cs Ce Pm Gd Ho Yb Ta Os Au Pb Th He B O Na Si Cl Ca V Fe Cu Ge Br Sr Nb Ru Ag Sn I Ba Pr Sm Tb Er Lu W Ir Hg Bi U Li C F Mg P Ar Sc Cr Co Zn As Kr Y Mo Rh Cd Sb Xe La Nd Eu Dy Tm Hf Re Pt Tl

ABBILDUNG 14 Normierte Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem[15],[16]. Der starke Ab- fall von Sauerstoff bis Titan spricht sehr für den Ursprung dieser Elemente durch Fusionsprozesse. Besonders häufig unter diesen Elementen sind Nukli- de mit Massenzahlen, die ganze Vielfache von 4 (He!) darstellen (12C, 16 O, 24Mg, 28Si, 32S, 40Ca, 44Ca, 48Ti, 52Cr, 56Fe). Jenseits von Fe oder Ni werden die Elemente durch Neutroneneinfang gebildet. Markant ist die im Vergleich zu den benachbarten Elementen geringere Häufigkeit der Elemente mit un- gerader Ordnungszahl (mit wenigen Ausnahme Nuklide mit ungerader An- zahl an Protonen und gerader Anzahl an Neutronen); dies ist Ausdruck der höheren Wirkungsquerschnitte für Neutroneneinfang der Elemente mit un- gerader Ordnungszahl. Die solare Häufigkeit der Elemente entspricht nähe- rungsweise (mit Ausnahme von H und He) auch der „kosmischen Häufigkeit“, wie sie in der Photosphäre vieler Sterne gemessen werden kann. Das Rohmaterial, aus dem die Sterne entstehen, scheint demnach zumin- dest in unserer Galaxis relativ gut durchmischt zu sein. Im Detail mag sich dieser Schluß allerdings als nicht ganz korrekt erweisen. Im galaktischen Halo gibt es viele alte (kleine) Sterne, während im Zentrum der Milchstraße viele massereiche junge existieren. Die stellare Entwicklung – und damit die Verteilung von schweren Elementen – wird sich daher im Zentrum von Ga- laxien erheblich rascher vollziehen als im Halo.

21 Einführung

Abbildung 14 zeigt die Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem. Auffällig ist die sehr geringe Häufigkeit der leichten Elemente Li, Be und B. Diese werden bei der stellaren Nukleosynthese weitgehend ausgeschlossen. Das bei der primordialen Nukleosynthese entstandene 7Li wird in Sternen sogar bereits ab ca. 3×106K durch Reaktion mit Protonen weitgehend zu He abgebaut (Li-Gehalte in T Tauri-Sternen sind höher als in Sternen der Hauptreihe des HR-Diagramms). Man nimmt an, daß Li, Be und B ihre Existenz zum gro- ßen Teil Spallationsreaktionen in molekularen Wolken verdanken. Hochenergetische kos- mische Partikelstrahlung (insbesondere Protonen, α-Teilchen) trifft auf die Kerne schwere- rer Elemente (C, N, O) und zerlegt sie. Li, Be und B entstehen demnach nicht durch den Aufbau aus leichteren, sondern durch die Zerstörung schwererer Elemente.

In Abbildung 15 ist ein Vergleich 1 t der Häufigkeiten der leichteren i e SN II k Elemente gegeben, wie sie in Ne Al Fe

ufig Mg P

Supernovae vom Typ II und vom ä O Cr * 0 Typ Ia beobachtet werden . Diese C Si Ca Modellrechnungen scheinen zu Sc Ti S zeigen, daß eine bessere Überein- Mn -1 stimmung zwischen Supernovae H zur solaren V vom Typ II und der Materie des iv

Sonnensystems besteht als zwi- t relat i e

schen Typ Ia-Supernovae und dem k -2 SN Ia

Sonnensystem, mithin, daß das ufig Material des Sonnensystems in ä

massereichen Sternen syntheti- log H -3 siert worden ist. Einschränkend ist 10 20 30 40 50 60 zu sagen, daß die Häufigkeiten der Massenzahl leichten Elemente niedriger wer- den, wenn man für die Rechnun- ABBILDUNG 15 Vergleich der normierten (auf solare gen eine kleinere Masse für den Häufigkeit und auf 56Fe) Elementhäufigkeiten zwischen Stern annimmt, der in der Super- Supernovae vom Typ Ia und (für 25 M) vom Typ II. Ins- nova vom Typ II explodiert, als 25 besondere bei den leichten Elementen (gelber Bereich) [10] M . entsprechen die Häufigkeiten der Supernovae II der sola- ren Häufigkeit besser. Daraus hat man geschlossen, daß Die molekulare Wolke, aus wel- Supernovae dieses Typs den Hauptteil der Masse liefern, cher das Sonnensystem entstan- die in molekularen Wolken das Rohmaterial für neue den ist, mag den Sternenstaub von Sternengenerationen darstellen. Umgezeichnet nach ≈103 vergangenen Stern enthalten haben[22]. Mit einem Massenanteil von ≈1.6% an Elementen schwerer als Helium gilt die Sonne als Stern der dritten Generation. Die ersten Sterne im Universum hätten nur Wasser- stoff und Helium als Brennmaterial gehabt und die ersten schweren Elemente erzeugt, wel- che die Sterne der zweiten Generation bei ihrer Bildung bereits zur Verfügung gehabt hät- ten. Der Hinweis auf die Existenz von radioaktiven Nukliden mit kurzen Halbwertszeiten (siehe Kapitel 16.2, Seite 195 und Kapitel 16.3, Seite 199) im frühen Sonnensystem erfordert , daß der (letzte) Supernova-Ausbruch, der Material in der präsolaren Wolke deponiert hat, allen- falls einige 107a vor der Bildung der Meteorite erfolgt sein kann, in denen Hinweise auf sol- che ausgestorbenen Nuklide gefunden wurden. Das Sonnensystem ist eventuell nicht an der Stelle unserer Galaxis geboren worden, an der es sich heute befindet, sondern gut 6000 Lichtjahre näher am Zentrum[20]. Die größere Materiedichte dort könnte einen größeren Anteil an schweren Sternen mit entsprechend geringer Lebensdauer, eine höhere Dichte an Sternen je Volumeneinheit und eine größere Häufigkeit an Supernova erzeugt haben als im Bereich des Spiralarms, an dem sich die Sonne heute befindet. Chondritische Meteorite enthalten in ihrer feinkörnigen Grundmasse geringe Mengen (einige 100 ppm) an nicht säurelöslichen Rückständen von nm- bis μm-großen Mineralen

22 A. Radiogene Isotopensysteme

wie SiC, C (Mikrodiamanten und Graphit), Al2O3, Si3N4 und MgAl2O4 (Spinell) mit varia- blen und z.T. exotischen Isotopenzusammensetzungen. Nachdem der Ursprung dieses Materials lange zeit enigmatisch war, glaubt man inzwischen, daß sie präsolare Körner dar- stellen. Auf Grund der Isotopenzusammensetzungen könnten sie sich in Roten Riesen gebildet haben und mit dem starken Sternenwind dieser Giganten in den interstellaren Raum verdriftet worden sein. Andere Isotopenzusammensetzungen deuten auf eine Entste- hung in Supernovae hin. Leicht lesbare Zusammenfassungen dazu bieten [18] und [19].

* Supernovae vom Typ I unterscheiden sich von denen des Typs II durch das Fehlen von Wasserstoff- linien in ihren Spektren. Supernovae vom Typ Ia entstehen vermutlich, wenn in einem engen Dop- pelsternsystem aus einem Weißen Zwerg (M ≥ 1) und einem massereichen großen Begleiter (einem Roten Riesen) Material auf den Weißen Zwerg überströmt, das an dessen Oberfläche sporadisch zu Helium oder Kohlenstoff fusioniert wird (Novae-Ausbrüche), oder wenn zwei Weiße Zwerge inein- [21] anderstürzen . Wenn dabei die Chandrasekhar-Masse von ca. 1.4 M überschritten wird, wird der Stern instabil und kollabiert. Die dabei frei werdende thermische Energie bewirkt eine explosions- artige Elementsynthese im Weißen Zwerg, beginnend mit Kohlenstoffbrennen, bis hin zu 56Ni, das über 56Co (Halbwertszeit ca. 77 Tage) in 56Fe zerfällt. Die bei diesem Zerfall freigesetzte γ-Strahlung macht Supernovae vom Typ Ia zu den hellsten aller Supernovae. Die insgesamt frei werdende Ener- gie reicht aus, um den Stern in einer thermonuklearen Explosion vollständig zu zerstören. Da die Ausgangssterne ungefähr dieselbe Masse haben, sind die bei der Explosion ablaufenden Prozesse dieselben und daher auch die Leuchtkurven beim anschließenden radioaktiven Zerfall. Supernovae vom Typ Ia werden daher als „kosmische Leuchtfeuer“ benutzt, um den Abstand zu weit entfernten Galaxien zu ermitteln. Im Unterschied dazu entstehen Novae durch denselben Mechanismus des Überströmens von Wasserstoff auf einen Weißen Zwerg, wenn dessen Masse deutlich unterhalb der Chandrasekhar-Grenze bleibt; es findet dann nur Kernfusion des übergeströmten Wasserstoffs statt. Supernovae der Typen Ia und II sind ungefähr gleich häufig und ereignen sich in unserer Galaxis im Schnitt zusammengenommen zwei- bis dreimal pro Jahrhundert. Supernovae der Typen Ib (kei- ne H-, aber He-Linien in den Spektren) und Ic (weder H- noch He-Linien) lassen sich vermutlich auf einen Kernkollaps zurückführen und unterscheiden sich damit nicht vom Typ II[23]. Wasserstoff (Typ Ib) bzw. sowohl Wasserstoff als auch He (Typ Ic) wurden zuvor vom Stern abgestoßen. Für eine Supernova aus dem Jahr 1993 im Spiralnebel M81, die zu Beginn wie eine Typ-II-Supernova er- schien und innerhalb einiger Wochen die Charakteristika einer Typ-Ib-Supernova annahm, wurden inzwischen starke Hinweise auf die Existenz eines massereichen Begleiters gefunden[24].

23 Einführung

2.5 Massenspektrometrie Die Entwicklung der Isotopengeochemie zu einem der leistungsfähigsten Bereiche der Geo- wissenschaften wäre nicht möglich gewesen ohne die Erfindung und Entwicklung geeigne- ter Meßgeräte, den Massenspektrographen, mit deren Hilfe Isotopenverhältnisse i.a. wesentlich genauer gemessen werden können als mit den ursprünglich allein zur Verfü- gung stehenden Zählrohren. Mit den letzteren lassen sich außerdem ja nur Zerfallsprozesse registrieren, d.h. man hat keinen Zugang zu den stabilen Endprodukten des Zerfalls, also den Tochternukliden (siehe Zerfallsgleichung). Die ersten massenspektrographischen Arbeiten wurden von dem englischen Physiker J.J. Thomson* mit einem von ihm entwickelten „Parabelspektrographen“ in Cambridge durch- geführt. Bei diesem Gerät wird ein Strahl positiv geladener Ionen durch ein elektrisches und ein diesem parallelen Magnetfeld abgelenkt. Ionen gleicher Masse, aber unterschiedli- cher Energie können auf einer Photoplatte entlang einer Parabel nachgewiesen werden. Damit gelang es Thomson 1910 zu zeigen, daß Neon aus verschiedenen Atomarten zusam- mengesetzt ist, den Isotopen 20Ne und 21Ne. 1918/19 wurde diese Bauart des Massenspek- trographen unabhängig voneinander durch F.W. Aston† in Cambridge und A.J. Dempster‡ an der verbessert durch Entwicklung von Fokussierungsverfahren (meist Doppeltfokussierung), die es erlaubten, den Ionenstrahl zu bündeln und höhere Strahlenintensitäten zu erzielen.

Elektromagnet Vakuum- Ionenstrahl pumpe

Analysator

Ionen- 60° quelle Kollektor

zur digitalen Signalaufzeichnung Durchführungen für V Beschleunigungsspannung und Filamentstrom

ABBILDUNG 16 prinzipieller Aufbau eines Massenspektrometers Der heutige Typ des Massenspektrometers (-„meter“ weil die Registrierung des Ionenstroms nicht mehr durch Belichtung von Photoplatten erfolgt, sondern kontinuierlich durch elek- tronische Messung) geht zurück auf ein Design des einfachfokussierenden Gerätes, das A.O. Nier¶ 1940 einführte. Ein solches Massenspektrometer, das schematisch in Abbildung 16 wiedergegeben ist[25], besteht aus drei wesentlichen Teilen, (i) der Ionenquelle, (ii) dem Analysator mit Trennrohr und Elektromagnet und (iii) dem Kollektor, einem Faraday- becher oder Elektromultiplier.

* Joseph John Thomson (1856–1940), englischer Physiker, Professor in Cambridge, entdeckte 1897 das Elektron, Nobelpreis für Physik 1906 † Francis W. Aston (1877–1945), Schüler von J. J. Thomson, erhielt 1922 für die Konstruktion des Mas- senspektrographen den Physik-Nobelpreis. Mit diesem Instrument konnte er in den folgenden Jah- ren 212 natürlich vorkommende Isotope identifizieren. ‡ Arthur Jeffrey Dempster (1886–1950), amerikanischer Physiker, Entdecker von 235U ¶ Alfred Otto Nier (1911–1994) amerikanischer Physiker an der University of Minnesota; er bestimmte als Erster die Isotopenzusammensetzung des Urans.

24 A. Radiogene Isotopensysteme

Werden feste Proben ana- Schema einer Ionenquelle lysiert, dann ist die Ionenquelle eine soge- Eintrittsspalt [0V] nannte Thermionen- z-Ablenkung [z.B. 300V] quelle (siehe Abbildung y-Ablenkung [z.B. 0-50V] 17[26]), das Massenspek- trometer ein Thermio- nenmassenspektrometer , Fokussierungslinsen [z.B. 1580V] und das Verfahren wird Abschirmblende [z.B. 1580V] als TIMS (thermal ioniza- tion mass spectrometr y) abgekürzt. Dabei wird die Ziehblende [z.B. 1750V] Probe – ein chemisch rein Ionisierungsbändchen [Re, Ta, W] aus einem Gestein oder Mineral isoliertes Metall- ABBILDUNG 17 Schema des Aufbaus der Ionenquelle eines Therm- salz – auf ein schmales ionenmassenspektrometers (≈1mm breites, ≈10mm langes ≈0.02mm dickes) Bändchen aus einem hochschmelzenden Metall (Re, Ta, W) aufge- tragen. Die Ionisierung erfolgt beim Austritt des Metalls (z.B. Sr, Nd, Pb) aus der glühenden Oberfläche des Filamentes. Die positiv geladenen Ionen werden dann in einem Hochspan- nungsfeld in der Ionenquelle beschleunigt (typischer Wert: 8kV) und auf einen Eintritts- spalt gegen das Trennrohr hin fokussiert. Im Trennrohr gelangt der Ionenstrahl in das magnetische Sektorfeld eines Elektromagneten, dessen Polschuhe so ausgerichtet sind, daß die magnetischen Feldlinien senkrecht zur Flugrichtung der Ionen stehen (Abbildung 19 ). Ein solches magnetisches Sektorfeld wirkt auf Ionen verschiedener Masse und Energie ähn- lich wie ein optisches Prisma auf Strahlung von unterschiedlicher Frequenz. Die Ionen werden auf Kreisbahnen abgelenkt, entsprechend ihrem Verhältnis von Masse m zu Ladung e, mit anderen Worten, die Ablenkung von der geraden Flugrichtung ist umso grö- ßer, je kleiner die Masse oder größer die Ladung ist (I.a. dampfen aber nur die einwertigen Metallionen vom Filament ab, also z.B. Sr+, Nd+, Hf+). Die auf diese Weise den Massen entspre- chend separierten Ionen fliegen dann auf getrennten Bahnen weiter zum Kol- lektor, meist ein oder mehrere Metallbe- cherchen (Faradaybecher). Das Magnet- feld wird so eingeregelt, daß einer der Ionenstrahlen (der also eine einzige Masse repräsentiert, z.B. 87Sr) einen Schlitz in einer vor dem Faraday ange- brachten Platte durchfliegt und im Fara- daybecher aufgefangen wird, während die übrigen Strahlen (z.B. 84Sr, 86Sr und 88Sr) auf die geerdete Schlitzplatte oder bereits vorher auf die Wände des Trenn- rohrs prallen und neutralisiert werden. Die durch den Ionenstrom dem Auffän- ABBILDUNG 18 Links ein Einzelfilament, auf das ger zugeführte Ladung wird über einen die zu analysierende Substanz aufgetragen wird. hochohmigen Widerstand – typischer- Rechts ein Dreifachfilament; hier wird die Sub- weise 1011Ohm – abgeleitet. Die Span- stanz auf die beiden Seitenfilamente aufgetragen, nungsdifferenz, die auf diese Weise an von denen sie natürlich auch abgedampft werden. den beiden Enden des Widerstandes Das Zentralfilament dient zur Kontrolle der Ionisa- erzeugt wird, wird verstärkt und mit tion [aus P.J. Potts (1992) A Handbook of Silicate einem Digitalvoltmeter (DVM) gemes- Rock Analysis, Blackie, Glasgow, 622 Seiten.]. sen. Ein typischer Wert für den Ionenstrom, der z.B. bei einer Sr-Analyse für das häufigste Isotop (88Sr) eingestellt wird, ist 1–2×10-11A, was sich auf dem DVM in 1–2 Volt umsetzt. Im

25 Einführung

Fall eines Massenspektrometers mit nur einem Kollektor werden die verschiedenen Ionen- strahlen eines Elementes im Abstand von einer oder mehreren Sekunden in den Faraday- becher geschickt, indem man das Magnetfeld des Elektromagneten variiert. Schneller wäre und denselben Effekt hätte es, anstatt dessen die Beschleunigungsspannung zu verändern. Das führt jedoch zur Defokussierung der Ionenoptik und wird deshalb in der Praxis nicht gemacht. Bei der derzeitigen Genera- tion der Thermionenmas- senspektrometer besteht der Auffänger aus mehreren (bis zu neun) einzelnen wenige Φm mm breiten Faradaybe- '' A' A'' A 3 chern, so daß meistens alle 1 Bildkurve '' Ionen eines Elementes A 2 gleichzeitig in separate Becher aufgefangen werden. ABBILDUNG 19 Prismenwirkung eines homogenen magneti- Da bei einem solchen Multi- schen Sektorfeldes; Abbildung eines ionenemittierenden Punk- kollektor natürlich jeder tes A' durch ein magnetisches Sektorfeld mit dem Sektorwinkel Becher seinen eigenen fm für drei verschiedene Massen bei senkrechtem Eintritt des Ableitwiderstand hat und Mittelstrahls des Ionenbündels ins Sektorfeld; Ionen verschiede- mit einem separaten DVM ner Massen und gleicher Energie gelangen längs der Bildkurve verbunden ist, spart man '' '' A'' , A , A zur Fokussierung. mit dieser Methode erheb- 1 2 3 lich an Meßzeit und erreicht, zumindest prinzipiell, auch eine höhere Präzision. Noch einige Bemer- kungen zur Bewe- gung der Ionen im Magnetfeld: Durch die Beschleu- nigungsspannung V in der Ionenquelle nimmt ein Ion der Masse m und Ladung e die kineti- sche Energie

1 2 E = eV = /2 mv [J = N×m = kg×m2/ s2] [GL 31] auf, wobei v die Geschwindigkeit des Ions ist. Beim Ein- tritt ins Magnetfeld der Flußdichte B ABBILDUNG 20 Ansicht eines Thermionenmassenspektrometers [Micro- (Tesla = V×s/m 2 ) mass Sector 54 – http://www.micromass.co.uk]. In der Mitte die Ionen- werden diese Ionen quelle, in die bis zu 20 Proben in einen Probenwechsler geladen werden auf Kreisbahnen mit können. Rechts der Auffänger, der mit bis zu neun Faradaybechern be- Radius r abgelenkt. stückt sein kann. Die Ablenkung ergibt sich aus einem Gleichgewicht zwischen der magnetischen Kraft B×e×V und der Zentripetalkraft m×v2/r:

B×e×v = m×v2/r [GL 32]

26 A. Radiogene Isotopensysteme oder, nach v aufgelöst: v = B×e×r/m. Dies, in GL 31 eingesetzt, ergibt: × 1 × 2× 2× 2 2 e V = /2 m B e r /m 1 2× 2 V/e = /2B r /m

⎡ × 2 2 ⎤ ⎛ Vs⎞ 2 kg× m ⎢⎜ ⎟ × m × s2 ⎥ m Br22× ⎢⎝ m2 ⎠ Vs× 2 3 × kg ⎥ = = = sA = [GL 33] e 2V ⎢ V m2 m2 As× ⎥ ⎢ ⎥ ⎣⎢ ⎦⎥ (A = Ampere). Verwendet man in dieser Gleichung atomare Masseneinheiten m’ = m/ 1,66054×10-27 kg) und setzt den Wert für eine elektrische Elementarladung (e’ = e/ 1,60219×10-19 A×s) ein, so erhält man, wenn B in Tesla und V in Volt eingesetzt wird: Wenn B in Gauß angegeben wird, r in cm, m in Atommassen und e×V die Voltenergie der Ionen ist, dann erhält man:

22× m' = Br − [GL 34] e' 2. 0721×× 10 8 V Da der Radius der Ionenbahn durch den Radius des Trennrohres gegeben ist und die Hoch- spannung bei der Analyse zweckmäßigerweise nicht verändert wird, bleibt als Variable nur B, um bei Massenspektrometern mit nur einem Faradaybecher den Ionenstrahl auf der Kreisbahn aufzufangen. So muß man z.B. B = 0.3960 Tesla einstellen, um den 88Sr+-Strahl bei einer Beschleuni- gungsspannung von 8000V mit einem „normalen“ Massenspektrometer zu messen (Radius des Trennrohres r = 12 Zoll = 30.48cm, m = 87.9056, e = 1):

− 87.. 9056××× 2 0721 108 8000 B = = 0.Tesla 3960 1× 0. 30482

Ein Multikollektormassenspektrome- ter ist in Abbildung 20 dargestellt. Es gibt daneben andere Verfahren, die sich zur Trennung von geladenen Teil- chen in speziellen Fällen oder auch all- gemein eignen. Dadurch gehören z.B. die Flugzeitspektrometer, die Ionen unterschiedlicher Masse auf Grund ihrer unterschiedlichen Flugzeit ent- lang einer vorgegebenen Strecke tren- nen, oder die Bahnstabilitätsspektro- meter, bei denen die Ionen zum Durchlaufen des Spektrometers bestimmten Stabilitätsbedingungen genügen müssen. ABBILDUNG 21 Prinzip eines Quadrupolmassen- filters Zu den letzteren gehören die Quadrupolmassenspektrometer, bei denen die Massentrennung durch Schwingung der Ionen in einem hochfrequenten elektri- schen Quadrupolfeld erfolgt (Abbildung 21). Das Feld wird durch vier zylindrische paral- lele Stabelektroden erzeugt, an dem an je zwei sich gegenüberliegende Elektroden eine mit einer hochfrequenten Wechselspannung überlagerte Gleichspannung angelegt wird. Die

27 Einführung

in das Feld eingeschlossenen Ionen führen senkrecht zu ihrer Flugbahn Schwingungen aus. Bei geeignet eingestellten Werten der Hochfrequenzamplitude und der Gleichspannung können nur Ionen bestimmter Massenzahl zum Auffänger gelangen, die im Quadrupolfeld stabil schwingen. Ionen anderer Massenzahl schwingen instabil; ihre Schwingungsampli- tude wächst rasch an; sie werden von der Flugbahn abgelenkt und prallen auf die Stab- elektroden. Solche Quadrupolspektrometer eignen sich für die Analyse von Gasen; sie fin- den Verwendung z.B. in ICP-MS-Geräten und in Knudsenzellenspektrometern. Seit den 1990-er Jahren hat sich eine weitere Revo- lution vollzogen, nämlich die Kopplung von ICP zur Verdampfung und Ionisie- rung der Probe mit einem Magnetsektormassenspek- trometer zur Trennung der Isotope und ihre Registrie- rung mittels Multikollek- torsystem (Abbildung 22 ). Während sich Quadrupol- massenspektrometer infolge einer unzureichen- den Peakform (Das „Dach“ ABBILDUNG 22 Beispiel für ein doppeltfokussierendes ICP-MS des Peaks ist über einen [Plasma 54 von VG Elemental – http://www.thermoelemen- kleinen Massenbereich tal.com/]. Der ICP-Teil befindet sich rechts, der Auffänger links. nicht flach) wenig zur prä- zisen Bestimmung von Isotopenverhältnissen eignen – zumal bei Verwendung eines Plas- mas als Ionenquelle – trifft diese Beschränkung auf die kombinierten Geräte nicht mehr zu, und sie erreichen fast die Präzision von Thermionenmassenspektrometern. Da da Plasma zudem eine um mehrere tausend Grad höhere Temperatur aufweist als das Metallbändchen einer Thermionenquelle, lassen sich mittels ICP auch Elemente effektiv ionisieren, bei denen dies bei der klassischen Massenspektrometrie nicht möglich ist. Dazu gehören z.B. Hf[27],[28] und W[29]. In einem ICP-Massenspektrometer ist dem + + + Magneten meist ein elektrostatischer Massen- analysator (ESA) vorgeschaltet. Die Kraft F [N = kg×m/s2], die im elektrischen Feld auf eine Ladung e [A×s] wirkt, ergibt sich als Produkt aus – – – elektrischer Feldstärke Ee [V/m] und Ladung e: =× FEe e ⎡ kg× m2 ⎤ ⎢ ⎥ V 3 × ⎢ ××As=sA××As=kgms × ×2 ⎥ ⎢m m ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ +

(Ee ist eigentlich ein Vektor mit der Richtung ABBILDUNG 23 schematische Skizze der Ab- der Kraft). Die Flugbahn eines Ions im ESA lenkung von Ionen im elektrischen Feld als ergibt sich als Gleichgewicht zwischen elektri- Funktion ihrer Energie scher Kraft und Zentripetalkraft:

×= ×2 × Eemvre

1 × 2 oder, da /2m v der kinetischen Energie E der Ionen beim Verlassen der Ionenquelle ist:

28 A. Radiogene Isotopensysteme

⎡ ⎤ ⎢ × 2 × 2 ⎥ ⎢ kg m kg m ⎥ 22E E ⎢ 2 2 kg×××× m23 s A m ⎥ Ee×= ⇒=r s = s = =m e r Ee× ⎢ V kg× m2 skgmAs22×× ×× ⎥ e ⎢ As× ⎥ m 3 × ⎢ s A As× ⎥ ⎣ ⎦ m Die Flugbahn kann damit als abhängig von der Energie der Ionen angesehen werden. Ionen mit höherer Energie werden im ESA weniger stark abgelenkt als Ionen mit geringerer Energie (Abbildung 23). 2.6 Isotopenverdünnungsanalyse Für eine Altersbestimmung muß gemäß GL 8 sowohl die Anzahl der noch vorhandenen Atome (oder eine ihr proportionale Größe, z.B. die Konzentration in m/g) des radioaktiven Mutternuklids als auch die der bereits durch den Zerfallsprozeß entstandenen Tochter- nuklide bekannt sein. Das läßt sich nach dem Verfahren der Isotopenverdünnungsanalyse machen. Diese Methode beruht auf der Messung der Isotopenzusammensetzung (oder mindestens eines Isotopenverhältnisses) eines Elements in einer Mischung. Die Mischung besteht aus der unbekannten Menge des zu bestimmenden Elementes in der Probe, der eine exakt abgemessene Menge eines sogenannten Spikes zugefügt wurde. Ein solcher Spike ist eine Lösung, die ein (selten 2) Isotop(e) des zu bestimmenden Elements hoch angereichert über dessen Häufigkeit im normalen in der Natur vorkommenden Element enthält. Z.B. besteht Rb aus den beiden Isotopen mit den Massenzahlen 85 und 87, von denen das letztere in 87Sr zerfällt. Das Verhältnis von 85Rb zu 87Rb im natürlichen Rb beträgt 2.593. Als Spike für die Rb-Konzentrationsbestimmung nimmt man i.a. eine Rb- Verbindung, in der 87Rb mit einem Massenseparator (einem Massenspektrometer) hoch angereichert wurde, so daß das 85Rb/87Rb-Verhältnis des Spikes nahe Null ist. Die Formel für die Konzentrationsberechnung läßt sich folgendermaßen ableiten. Man beschränkt die Betrachtung dabei zunächst auf 2 Isotope des zu bestimmenden Elementes oder genauer, auf ein Isotopenverhältnis. Die Zahl der Atome des einen Isotops der Probe

A (vor Zugabe des Spikes) soll mit NProbe bezeichnet werden, die des zweiten Isotops mit

B A B NProbe die entsprechende Anzahl der Atome beider Isotope im Spike sei NSpike und NSpike ,

A B die in der Mischung (Probe + Spike) sei NMix und NMix . Für die Zahl der Isotope gelten dann die einfachen Massenbilanzgleichungen:

A =+A A NNMix Probe NSpike [GL 35]

B =+B B und NNMix Probe NSpike [GL 36] Dividiert man beide Gleichungen durcheinander, also:

A NNA + A NMix = Probe Spike B B + B NMix NNProbe Spike

und schreibt im Zähler für

⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ NNAB= ⎜ Probe ⎟ = N B ⎜ ⎟ Probe Probe ⎝ B ⎠ Probe ⎝ B ⎠ NProbe N Probe

29 Einführung

⎛ A ⎞ ⎛ A ⎞ NSpike N sowie NNAB= ⎜ ⎟ = N B ⎜ ⎟ Spike Spike ⎝ B ⎠ Spike ⎝ B ⎠ NSpike N Spike

dann ergibt sich:

⎛ A ⎞ ⎛ A ⎞ B N + B N NProbe ⎜ ⎟ NSpike ⎜ ⎟ ⎛ A ⎞ ⎝ B ⎠ ⎝ B ⎠ N N Probe N Spike ⎜ ⎟ = ⎝ B ⎠ BB+ N Mix NNProbe Spike In dieser Glei- B Illustration der Isotopenverdünnungsanalyse chung ist NProbe 3.0 die einzige Unbe- 2.7 2.6 Rb-85 2.6 kannte, da das Iso- topenverhältnis Rb-87 N A /NB für den Spike bekannt ist und für die Probe 2.0 dem konstanten 1.6 Rb

irdischen oder solaren Verhältnis * entspricht . Das Mole 1 entsprechende Verhältnis der 1.0 Mischung läßt sich leicht mit dem Massenspek- 0.1 trometer messen. Obige Gleichung 0.0 muß also nur noch Probe Spike Mischung B nach NProbe aufge- löst werden: ABBILDUNG 24 Beispiel einer Isotopenverdünnungsanalyse

⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ N B ⎜ ⎟ + N B ⎜ ⎟ = N B ⎜ ⎟ + N B ⎜ ⎟ Probe⎝ N B ⎠ Spike ⎝ N B ⎠ PProbe ⎝ N B ⎠ Spike ⎝ N B ⎠ Mix Mix Probe Spikke

⎡ ⎤ ⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ N B ⎢⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ⎥ Spike ⎢⎝ N B ⎠ ⎝ N B ⎠ ⎥ B ⎣ Spike Mix ⎦ N = [GL 37] Probe ⎛ A ⎞ ⎛ A ⎞ N − N ⎝⎜ B ⎠⎟ ⎝⎜ B ⎠⎟ N Mix N Probe Die Anzahl der A-Atome in der Probe ergibt sich anschließend zu:

* In allen Fällen, in denen das betrachtete Element mindestens zwei natürlich vorkommende Isotope hat, die weder radioaktiv sind noch radioaktiv gebildet werden, sind die hier abgeleiteten Formeln gültig, weil das Verhältnis NA/NB der Probe so gewählt werden kann, daß es eine Naturkonstante ist. Ausnahme ist das Pb, bei dem von vier Isotopen drei durch Zerfall aus U und Th entstehen.

30 A. Radiogene Isotopensysteme

⎛ A ⎞ ABN NN= ⎜ ⎟ [GL 38] Probe Probe ⎝ B ⎠ N Probe Beispiel: Der Aufschluß von 50mg eines Phlogopits wird mit 3g einer Rb-Spikelösung ver- setzt. Das natürliche Rb besteht aus den beiden Isotopen 85Rb und 87Rb in einem Verhältnis von 2.593. Das 85Rb/87Rb-Verhältnis des Spikes betrage 0.02047, und der Spike enthalte × -8 87 A B 1.046 10 m Rb pro g Lösung. (N /N )Mix sei 1.200. Da die Konzentrationsangabe m/g über die Avogadrosche Zahl direkt der Zahl der Atome pro g Lösung proportional ist, begnügen wir uns mit der Berechnung der Konzentrationen C.

− 0.. 02047− 1 200 − CgB =×3[] 1 . 046 × 10 8 [ mg / ] × =×2. 657 10 887mRb Probe 1...200− 2 593

A =××=×−−8885 und CmRbProbe 2... 657 10 2 593 6 890 10

(Umrechnung in N: Ergebnis × 6.023×1023 Atome)

=+=×AB −8 CCCProbe Probe Probe 9.. 547 10 mRb Ist die Konzentrationsangabe Prozent oder ppm erwünscht, braucht das Ergebnis nur noch mit dem Atomgewicht des natürlichen Rb multipliziert zu werden: × -8 × × -6 CProbe = 9.547 10 [m] 85.47 [g/m] = 8.160 10 g Rb oder 8.160×10-6[g]/50×10-3[g]×106 = 163.2 ppm. Die Isotopenverdünnungsmethode ist ziemlich tolerant gegenüber der Menge an zugefüg- tem Spike, solange nur diese Menge einerseits nicht verschwindend gering gegenüber dem Isotop in der Probe ist und die Menge in der Probe nicht verschwindend gering gegenüber dem Isotop im zugefügten Spike. Dies erkennt man, wenn man beide Seiten von GL 37 A durch NSpike dividiert und den Zähler auf der rechten Seite ausmultipliziert:

⎡ ⎤ N B ⎛ N B ⎞ ⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ ⎛ N A ⎞ Probe =−1 ⎢⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ⎥ [GL 39] A ⎢⎝ A ⎠ ⎝ B ⎠ ⎝ B ⎠ ⎝ B ⎠ ⎥ NSpike ⎣ N Spike N Miix N Mix N Probe ⎦ Wenn die Menge an zugefügtem Spike extrem gering ist, geht der Nenner der Gleichung A B ≈ A B gegen 0. Ist die Menge zu groß, ist (N /N )Spike (N /N )Mix, und der Zähler geht gegen 0. Wenn aus demselben Probenaufschluß allerdings sowohl Konzentrationen als auch ein radiogenes Isotopenverhältnis bestimmt werden sollen, dann darf die Spike-Menge nicht zu groß werden, weil der Spike in der Regel nicht nur aus einem Isotop besteht. Ein 84Sr- Spike z.B. wird auch 86Sr und 87Sr enthalten, und dessen Beitrag muß exakt korrigiert wer- den können, um das 87Sr/86Sr-Verhältnis der Probe zu bestimmen.

31 Einführung

2.7 Datierungsmethoden – allgemeine Bemerkungen Infolge der unterschiedlichen Halbwertszeiten der Mutternuklide in den verschiedenen Zerfallssystemen ist klar, daß ihrer Anwendung zur Altersbestimmung Grenzen gesetzt sind. Zusätzliche Einschränkungen werden durch die Art (Chemismus) der zu datierenden Gesteine oder Minerale auferlegt sowie durch ihre thermische Geschichte, die Wachstums- geschwindigkeit und Wachstumsdauer von Mineralen kontrolliert. Mit verschiedenen Isotopensystemen können an demselben Gestein in Extremfällen sogar unterschiedliche Ereignisse datiert werden. Das ist besonders einleuchtend bei der Fission-Track-Methode (Kapitel 13.0, Seite 139) und andere Methoden der Niedrigtemperatur-Thermochronolo- gie, die stets die jüngsten Alter liefern, weil die durch die Spontanspaltung von 238U verur- sachten Störungen in einem Mineral schon bei niedriger Temperatur durch Ausheilpro- zesse verschwinden oder weil z.B. He bereits bei Temperaturen, wie sie in der oberen Erdkruste herrschen, rasch aus einem Kristall diffundiert; daher eignen sich solche Metho- den z.B. zur Rekonstruktion der tektonischen Hebungsgeschichte eines Orogens und der Abtragungsgeschwindigkeit an der Erdoberfläche. Oft genug stellt auch die Dateninterpre- tation den Geowissenschaftler vor Probleme, und es ist zu hinterfragen, ob ein vermeint- lich nicht in einen geologischen Rahmen passendes Alter nicht auf ungeeigneter Proben- wahl, ungeeigneter Wahl der Datierungsmethode, Störungen des Isotopensystems oder mangelhafter Feldarbeit beruht. Einem Alter wird sicherlich eine geologische Bedeutung beigemessen werden dürfen, wenn verschiedene Isotopensysteme (z.B. Rb–Sr und Sm–Nd) innerhalb der Fehler identische Werte liefern. Andererseits ist es durchaus plausibel, mit verschiedenen Methoden der Geochronologie unterschiedliche Alter für dasselbe Mineral zu erhalten, insbesondere wenn damit verschiedene Phasen des metamorphen Wachstums datiert werden.

32 A. Radiogene Isotopensysteme

3.0 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

Kalium gehört zu den Hauptelementen der meisten Gesteine, und es ist das siebthäufigste Element der Erdkruste. Zudem hat 40K eine für die radiometrische Datierung günstige Halb- 1 wertszeit, die gut /4 des Alters der Erde entspricht. Obwohl damit zwei wesentliche Voraus- setzungen für eine weite Anwendbarkeit der beiden Methoden erfüllt sind, erlegen die Art des Zerfalls von 40K und die chemische Zugehörigkeit des Zerfallsprodukts – 40Ar, ein Edel- gasisotop – der Anwendbarkeit einige Restriktionen auf. Die Radioaktivität des K ist seit 1906 bekannt (gemessen von Campbell & Wood auf Ver- mutung von J. J. Thomson, 1905). Erst 1935 jedoch gelang es A. O. Nier, das Isotop 40K als Verursacher der Radioaktivität zu identifizieren. Basierend auf theoretischen Überlegungen von C.F. von Weizsäcker (1937), gelang Aldrich & Nier 1948 der Nachweis, daß ein Teil des 40K tatsächlich in 40Ar zerfällt und nicht nur in 40Ca. Gut 89% der 40K-Atome zerfallen unter β–-Emission in 40Ca, die restlichen knapp 11% unter Elektroneneinfang in 40Ar (siehe Abbildung 25[30]).

MeV 1.6 - 40K 89,14% machen einen β -Zerfall in den Grundzustand von 40Ca 1.4 (Zerfallsenergie 1.32 MeV)

1.2 0.2% machen einen Elektronen- einfang in den Grundzustand von 40Ar (Zerfallsenergie 1.51 MeV) 1.0 10,66% machen einen Elektronen- 0.8 einfang in einen angeregten Zustand 40Ar (Zerfallsenergie 0.05 MeV) 0.6 Zerfall des angeregten Zustandes 0.4 von 40Ar in den Grundzustand unter γ-Emission (1461 KeV) 0.2 40Ca 0.0

18 19 20 Ordnungszahl

ABBILDUNG 25 40K erleidet einen dualen Zerfall in 40Ar und in 40Ca.

Kalium hat 3 in der Natur vorkommende Isotope, 39K (Häufigkeit 93.2581 ±0.0029%), 40K (0.011668±0.000008)[31] und 41K (6.7302±0.0029%). Das Edelgas Ar hat ebenfalls 3 natür- lich vorkommende (stabile) Isotope, deren Häufigkeit in der Atmosphäre folgendermaßen ist[32]: 36Ar 0.3336±0.0004%, 38Ar 0.0629±0.0001% und 40Ar 99.6035±0.0004%. Daraus ergibt sich ein atmosphärisches 40Ar/36Ar-Verhältnis von 295.5. Mehr als 99.9% des atmo- sphärischen Ar stammen letztlich aus dem Zerfall von 40K. Die Isotopenzusammensetzung des Ar in Gesteinen ist nicht konstant, sondern eine Funktion ihres K-Gehaltes, Alters und ihrer thermischen Geschichte.

33 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

3.1 Die K–Ar-Methode 40 Auf Grund des dualen Zerfalls von K muß man 2 Zerfallskonstanten unterscheiden, λβ für – 40 40 den λ -Zerfall in Ca und λε für den Zerfall unter Elektroneneinfang in Ar. Die Addition beider ergibt die Gesamtzerfallskonstante: −10 −1 λ = λβ + λε = 5.543×10 a . Die derzeit international akzeptierten und verwendeten partiellen Zerfallskonstanten λ × -10 -1 λ × -10 -1 betragen β = 4.962 10 a und ε = 0.581 10 a . Demgegenüber gibt es aber nur eine Halbwertszeit: T = ln2/ λ = 1.250 ×109 a. Von partiellen Halbwertszeiten zu sprechen, ist sinnlos, auch wenn formal in der Zerfalls- gleichung mit einer derartigen Größe gerechnet werden kann. Die Zerfallsgleichung GL 8, auf das K–Ar-System und das K–Ca-System angewandt, lautet: D = N×(eλt – 1)

λλ+ 40 40 40λttεβ 40 λ Ar+= Ca K() e −11= ××− K() e [GL 40] λ

λ λ λ β λ =×ε 40Ke ×()tt −11+× 40 Ke ×() − λ λ

Hierin stellt der erste Term auf der rechte Seite den Teil des K dar (für ein gegebenes Alter t), der in 40Ar zerfallen ist, der zweite den Teil, der in40Ca zerfallen ist. Es gilt daher:

λ 40ε 40 λt Ar=× K ×() e −1 [GL 41] λ Im einfachsten aller denkbaren Fälle erhält man das Alter eines Gesteins oder Minerals, indem man GL 41 nach t auflöst:

⎛ 40 λ ⎞ =×1 Ar × + t ln⎜ 40 1⎟ [GL 42] λ ⎝ K λε ⎠ Damit dies tatsächlich ein geologisch sinnvolles Alter darstellt, muß eine Reihe von Vor- aussetzungen erfüllt sein. Die wichtigsten sind: • Zur Zeit t=0 (magmatisches oder metamorphes Alter) enthielt die Probe kein 40Ar. • Von t=0 bis heute war die Probe ein geschlossenes System für K und Ar. Das heißt, es fand keinerlei Austausch von K und Ar mit der Umgebung statt (weder Abgabe noch Aufnahme). Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, braucht man in einer Probe nur die Konzentrationen von 40K und 40Ar zu bestimmen, um nach GL 42 das Alter zu berechnen. Für die 40K- Bestimmung genügt es, den Gesamtkaliumgehalt zu messen, z.B. flammenphotometrisch, da die Isotopenzusammensetzung des K in der Natur zumindest im Rahmen der erforder- lichen Meßgenauigkeit konstant ist. Das gilt selbstverständlich nicht für das Ar. Zur Kon- zentrationsbestimmung nach der Isotopenverdünnungsmethode muß der Probe ein Spike zugesetzt werden; dazu wird ein Argongas benutzt, das hoch an 38Ar angereichert ist (≈99.9%). Dieser Spike wird dem Probenargon zugemischt, das durch Erhitzen im Vakuum – meist bis zum Schmelzen – aus der Probe ausgetrieben wird. Unter den beiden oben genannten Bedingungen ist die erste in der Regel erfüllt. Als Edel- gas wird das Argon strukturell nicht oder zumindest nur sehr schwach im Kristallgitter gebunden. Daher kann man meist davon ausgehen, daß bei der Gesteinsanatexis eine Ar- Entgasung des Magmas eintritt, so daß bei der späteren Kristallisation auch kein Ar zum

34 A. Radiogene Isotopensysteme

Einbau in die Minerale zur Verfügung steht. Schon bei mittelgradiger Metamorphose ist die Entgasung von Mineralen wie Hornblenden oder Hellglimmern oft vollständig – abhängig von der Metamorphosetemperatur und -dauer. Wenn diese Metamorphite aus Sedimenten abgeleitet sind, enthalten die Minerale aber oft noch etwas atmosphärisches Argon aus der sedimentären Vorgeschichte der Probe, was eine Korrektur der gemessenen 40Ar-Menge um den atmosphärischen Beitrag erforderlich macht. Die geringe Bindung des Ar an die K-hal- tigen Minerale hat aber auch seine Nachteile. Selbst bei tiefen Temperaturen kann es pas- sieren, daß das in einem K-reichen Mineral entstandene radiogene 40Ar nicht quantitativ darin verbleibt, sondern teilweise durch Diffusion verloren geht. In anderen K-haltigen Mineralen desselben Gesteinsverbandes kann dann der gegenläufige Effekt eintreten, daß sie 40Ar aus der Umgebung aufnehmen. 40Ar-Überschuß wird sogar in gegenüber der Umge- bung K-reichen Gesteinen beobachtet. An solchen Mineralen ermittelte Alter hätten keine geologische Bedeutung. Im ersten Fall ergäbe sich ein zu niedriges, im zweiten Fall ein zu hohes Alter infolge der Gegenwart von sogenanntem Überschußargon. Zu den Mineralen, die sich nach allgemeinen Erfahrungen für die K–Ar-Datierung gut eignen, zählen Amphibole, Biotite und Feldspäte aus vulkanischen Gesteinen sowie Amphibole und Glim- mer aus Plutoniten und Metamorphiten. Gesamtgesteine sind meist unbrauchbar mit der Ausnahme von jungen Vulkaniten, sofern sie vollkommen frisch erhalten sind. Von einer früheren Arbeitsgruppe der Universität Bern, die sich mit der Problematik der Datierung der alpinen Metamorphose befaßt hat, wurde in den 1960er Jahren der Begriff der „Schließungstemperatur“ in die Isotopengeologie eingeführt, nachdem man beobach- tete, daß Muskovit und Biotit aus Gesteinen von vermutlich gleich alten Einheiten charak- teristische Altersvariationen zeigten, die mit dem Grad der Metamorphose zu korrelieren schienen[33]. Und zwar sind die K–Ar- und Rb–Sr-Alter von Glimmern aus niedrig metamor- phen Gesteinen höher als die aus höher metamorphen Einheiten desselben Komplexes. Es scheint also eine charakteristische Temperatur zu geben oder, vorsichtiger gesagt, ein Tem- peraturintervall, unterhalb dessen der Isotopenaustausch mit der Umgebung zum Erliegen kommt und das Mineral auch über geologische Zeiten als geschlossenes System betrachtet werden kann. Das Konzept der Schließungstemperatur beinhaltet, daß die Diffusion der einzige Para- meter ist, der diese Temperatur bestimmt. Diffusionsprozesse von Ionen oder Atomen in Kristallen sind thermisch aktiviert; sie gehorchen oft einer einfachen Arrhenius-Beziehung des Typs

× -E/RT D = Do e [GL 43] → ∞ 2 (D = Diffusionskoeffizient, Do = Diffusionskoeffizient T [cm /s], T in Kelvin, R = Gas- konstante [cal/(mol×K)], E = Aktivierungsenergie des Diffusionsprozesses [cal/mol]). Auf Grund dieser exponentiellen Beziehung zwischen Diffusionskoeffizient und Temperatur wird man annehmen dürfen, daß das Temperaturintervall, innerhalb dessen die Diffusion praktisch zum Erliegen kommt, gering ist. Nach M.H. Dodson[34] kann die Schließungstem- peratur Tc nach der folgenden iterativ zu lösenden Gleichung abgeschätzt werden:

⎛ ⎞ E −×AD ×× RT2 = ln ⎜ 0 c ⎟ [GL 44] RT× ⎜ . ⎟ c ⎝ ETa××2 ⎠ Hierin ist A ein dimensionsloser Geometriefaktor (55 für eine Kugel, 27 für einen Zylinder und 8.7 für eine ebene Schicht), a eine charakteristische Dimension des Korns, entspre-

. chend dem Radius im Fall einer Kugel und TdTdt= / die zeitliche Änderung der Tempera- tur des Gesteins oder Minerals [K/s], bei dieser Anwendung als Abkühlgeschwindigkeit (negatives Vorzeichen) zu interpretieren. Je rascher ein Gestein abkühlt, desto höher ist demnach die Schließungstemperatur.

35 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

In Abbildung 26 ist der Zusammen- 1500 hang zwischen Schließungstempera- tur und Abkühlgeschwindigkeit am Abhängigkeit der Beispiel der Sr-Diffusion in natürli- 1400 Schließungstempera- chem Diopsid illustriert. Der geolo- tur von Diopsid für Sr- ]

gisch relevante Bereich entspricht C Diffusion von der

[° 1300 Abkühlungsgeschwindigkeiten -dT/dt Abkühlrate von 10o– 104 K/Ma, wofür die Schlie-

ßungstemperatur des Diopsids zwi- eratur 1200 p schen ≈800 und 950°C liegt. Die Diffusionskoeffizienten D haben 1100

extrem niedrige Werte – ≈10-14– 10-17 ungstem ß e

2 i cm /s im Fall der Sr-Diffusion in Diop- 1000 sid. Diffusionslängen oder -wege x Schl können mit Hilfe der Relation 900 xDt≅ abgeschätzt werden. Daraus errechnet sich im Fall, daß D=10 -15 cm2 /s ist, eine Diffusionslänge 800 x≈0.18cm für t = 106 a = 3.15×10 13 s, 0 1 2345678 d.h. ein Sr-Atom im Diopsid diffun- log dT/dt [K/Ma] diert pro 106a ≈0.18cm weit. ABBILDUNG 26 Sr-Diffusion in Diopsid: Abhängigkeit Das Konzept der Schließungstempera- der Schließungstemperatur von der Abkühlgeschwin- tur ist in der Folgezeit zunächst weit- digkeit. Die Berechnung der Kurve erfolgte nach der gehend akzeptiert worden. Inzwischen ⎡ ⎛ ⎞ ⎤ wird aber zunehmend und auch rigo- =−22440 dT − Gleichung: T[C]c ⎢ log⎝⎜ ⎠⎟ ⎥ 273 . Sie ros Kritik daran geäußert. Neben der ⎣ 20.9 dt ⎦ Diffusion werden die Deformation beruht auf experimentellen Untersuchungen zur Sr- von Gesteinen und Mineralen, die Diffusion in natürlichem Diopsid. Angenommen wur- eine Rekristallisation der Minerale ver- de bei den Berechnungen ein Kornradius von 0.2cm ursacht, und die Rolle von Fluiden auf und A=55 (Kugelgestalt des Minerals); die Aktivie- Korngrenzen für noch wichtiger rungsenergie wurde zu 97 kcal/mol bestimmt, und gehalten. Bei Abwesenheit von Flui- 2 D0 = 54cm /s. den muß zudem ein anderes Mineral als Reaktionspartner zur Verfügung stehen, und außerdem muß zwischen den austau- schenden Mineralen ein Ladungsausgleich bewerkstelligt werden. Villa[36] macht auf zahl- reiche Widersprüche innerhalb der originalen Kalibrierung der Schließungstemperaturen aufmerksam und auf innere Widersprüche in vielen anderen Studien. So weist er zum Bei- spiel auf eine Kompilierung von Altersdaten aus den Zentralalpen hin, die anzuzeigen scheint, daß Rb–Sr-Alter von Muskoviten höher liegen (Eozän) als U–Pb-Alter von Monazi- ten (Oligozän). Daraus wurde gefolgert, daß die Schließungstemperatur von Monazit für das U–Pb-System mit ca. 420 °C deutlich unterhalb der für Rb–Sr im Muskovit liegt[37], für die ca. 500 °C angenommen wurde. Villa argumentiert demgegenüber, die Muskovite seien nicht ausschließlich Neubildungen der alpinen Metamorphose und enthielten noch Anteile an herzynischem radiogenem 87Sr, so daß ihre eozänen scheinbaren Alter tatsäch- lich Mischalter zwischen herzynisch und alpin seien, während die Monazite Neubildungen der Metamorphose im Oligozän wären. Gut belegt scheint immerhin, daß zonierte Mon- azite scharfe Altersunterschiede zeigen, die der Zonierung entsprechen[39]. Das bedeutet, daß die Diffusion während des thermischen Ereignisses, das zur Bildung von Anwachssäu- men führte, nicht rasch genug erfolgte, um die U–Pb-Isotopenunterschiede auszugleichen. Daraus wiederum ergibt sich, daß die Schließungstemperatur des Monazits für die Diffu- sion von Pb erheblich über 420 °C liegen muß. Bei der Datierung von Hellglimmern aus grünschiefer- bis amphibolitfaziellen Metagraniten der Alpen mittels der Ar–Ar-Methode wurde gefunden, daß die Anwesenheit von reliktischem Phengit in Hellglimmer einher

36 A. Radiogene Isotopensysteme

geht mit ererbtem 40Ar – auch dies ein Hinweis darauf, daß selbst mittelgradige Metamor- phosen nicht unbedingt in der Lage sind, das K–Ar-System von Hellglimmer vollständig auf Null zurückzusetzen[38]. Auf der Basis seiner Neubewertung der zur Verfügung stehen- den Literaturdaten gibt Villa[36] für einige Minerale und Isotopensysteme neue Schlie- ßungstemperaturen an (Tabelle 4 – vergleich auch Tabelle 12 auf Seite 144), die allerdings nur gelten, wenn Ionendiffusion der geschwindigkeitsbestimmende Faktor ist, Fluide nicht vorhanden sind und Rekristallisation nicht stattfindet. Ob diese Schließungstemperaturen sinnvoll anwendbar sind, muß dann für jede Anwendung eigens geprüft werden. Die in der Tabelle angegebenen Temperaturen sind z.B. für K–Ar in Amphibol gegenüber früheren Annahmen unverändert geblieben, während sie für dasselbe System in den Glimmern um 100 – 150 °C höher liegen.

TABELLE 4: „Schließungstemperaturen“ [Tc] für einige Minerale und Isotopensysteme[36] Mineral Zirkon Biotit Muskovit Apatit Amphibol Muskovit Titanit Xenotim Monazit Granat Zerfall Fission- K–Ar K–Ar U–Pb K–Ar Rb–Sr U–Pb U–Pb U–Pb U–Pb Track

Tc [°C] 350 450 500 500 550 – 650 600 – 650 680 750 770 850 – 1000

Aus diesen Daten läßt sich ablesen, daß – sofern die genannten Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit auf metamorphe Gesteine erfüllt sind – die Isotopensysteme häufig schon auf dem Höchststand der Metamorphose eingefroren sein werden. Für Bedingungen der nied- rig- bis mittelgradigen Metamorphose sollte eine Datierung dann das Alter liefern, welches der Kristallisation der für die Altersbestimmung verwendeten metamorphen Minerale ent-

Oberfläche 0 ABBILDUNG 27 Thermisches UP 100 (a) 10 200 60 [40] 15 Modell einer Orogenese . 300

20 50 T ] i

400 efe [ Eine (rasch ablaufende) Über- m 40 k 30 OP 500 10 ] schiebung verdoppelt die 600 k 40 30 m efe [ efe vor der i OP ] 700 bar T Mächtigkeit der Kruste (b). Da- 50 Überschiebung k 5 20 „steady state“- 800 P [ durch werden heiße Gesteine 60 Geotherme 10 900 UP (OP) über kalte (UP) gestapelt. 0 0 Oberfläche 0 200 400 600 800 20 Ma nach dem tektonischen 0 100 (b) 10 60 Ereignis möge Hebung einset- 200 15 300 50 T

] 20

zen (0.35 mm/a), die durch i 400 efe [ m UP k OP 40 Erosion an der Oberfläche 30 500 10 ] k

40 100 30 m efe [ efe

kompensiert wird. Dabei be- i UP OP ] bar

T 200 50 k 20 300 5 schreiben die Gesteine einen gleich nach der P [ 60 400 gestörte Geotherme 10 Überschiebung im Uhrzeigersinn gekrümmten 500 0 0 Druck–Temperatur–Zeit-Pfad Entfernung 0 200 400 600 800 (c). Für die beiden Gesteinspa- T [°C] 20 kete UP und OP modelliert (c) man Pfade, die durch die blau- 60 20 40 en Kurven dargestellt sind. Die 16 60 roten Kurven entsprechen UP 50 80 T i efe [ Geothermen, wobei die Zahlen ] 6 12 40 für die Alter in 10 a nach dem 100 bar k k

tektonischen Ereignis stehen. m OP 30 P [ Man erkennt, daß tiefere Ge- 8 ] steine ihre maximale Tempera- -Geotherme 20 T ∞ tur erst erheblich später errei- 4 chen als flacher gelegene. Im sich entwickelnde Geothermen 10 Fall von UP und OP beträgt der und resultierender P,T-Pfad 0 0 Zeitunterschied rund 30 Ma! 0 200 400 600 800 1000 T [°C]

37 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

spricht. Erst bei der hochgradigen orogenen Metamorphose, wenn ein Gesteinspaket lange Zeit hindurch hohen Temperaturen ausgesetzt bleibt, wäre zu erwarten, daß verschiedene Minerale und verschiedene Isotopensysteme verschiedene Alterswerte liefern, die Punkten auf der langsamen Abkühlungskurve des Gesteins entsprechen, also Abkühlalter darstellen. Systematische Zonierungen der Hauptelemente von Mineralen aus solchen Gesteinen, einer Temperaturerniedrigung entsprechend, könnten unabhängige Indizien dafür liefern. Ergänzend sei bemerkt, daß thermische Modelle von Orogenesen zeigen, daß tiefer gele- gene Gesteinspakete ihre maximale Temperatur später erreichen als flacher gelegene, wobei der Altersunterschied leicht einige 107a erreichen kann (Abbildung 27[40]). Wenn Isotopen- alter die maximale Metamorphosetemperatur anzeigen, sollten derartige Altersunter- schiede häufig auflösbar sein. Andererseits zeigen viele ehemalige hoch metamorphe Kom- plexe Anzeichen der Anpassung an niedrigere Metamorphosegrade, z.B. durch Bildung von Amphibolen und Biotiten in basischen Granuliten oder in Eklogiten, belegen also dur ch zirkulierende Fluide verursachte chemische Reaktionen unter anderen P–T-Bedingungen. Nach diesem Exkurs nun zurück zur K–Ar-Datierung: Die unter- 1400 schiedliche Eignung verschiede- ner Minerale sei in Abbildung 28 1200 an einem Beispiel demonstriert, bei dem K–Ar-Alter von Minera- 1000 len aus einem proterozoischen Hornblende Gneis an dessen Nähe zu einem ] Ma

tertiären Plutonit gemessen wur- [ 800 [41]

den . lter

grober Biotit -A Das K–Ar-System wird heute be- r 600 -A K vorzugt für die Datierung geolo- 400 gisch junger Gesteine (Meso- bis Feldspat känozoisch) eingesetzt. Es ist oft die einzige Methode, mit der das 200 Eruptionsalter ganz junger 7 (<10 a) Vulkanite ermittelt wer- 0 den kann. Bei polymetamorphen 110 100 1000 10000 Gesteinen wird es die Abkühlung Abstand vom Kontakt [m] nach der letzten (mittelgradigen) Metamorphose datieren oder ein ABBILDUNG 28 Variation der K–Ar-Alter von Mineralen in Mischalter hin zu einem älteren einem Quarz-Feldspat-Biotit-Gneis nahe dem Kontakt zu Ereignis. Bei geologisch alten Ge- einem 55 Ma alten Quarzmonzonit (Colorado Front Ran- steinen nehmen die Probleme ge/U.S.A.) von Ar-Entgasung oder Ar-Über- schuß zu. Zur Datierung von Metamorphosen ist das nachfolgend beschriebene Ar–Ar-Ver- fahren besser geeignet. Nichtsdestoweniger hat das K–Ar-System in den 1960er Jahren we- sentlich dazu beigetragen, den kanadischen Schild altersmäßig zu gliedern, indem man acht strukturelle Provinzen unterschied, die jeweils durch eine Orogenese stabilisiert wur- den. Als Beispiel sei die K–Ar-Altersstruktur der Grenville-Provinz im Osten Kanadas er- wähnt (Abbildung 29[25]). Die Grenville-Orogenese im Jungproterozoikum ist gesichert ei- ner Kollision zweier Kontinentalplatten zuzuschreiben. In der Grenville-Provinz variieren die K–Ar-Alter systematisch um mehr als 200Ma, wobei die höchsten Alter im Westen an der Grenze zur älteren Superior-Provinz, in der sich eine Überprägung durch die Grenville Orogenese nicht mehr nachweisen läßt, gefunden werden. Die großen Altersunterschiede innerhalb der Grenville-Provinz erklärt man dadurch, daß der westliche Teil früher empor- gehoben wurde und damit abkühlte als der Ostrand. Besondere Bedeutung hat das K–Ar-System für die Kalibrierung der geologischen Zeitskala des Phanerozoikums gespielt. Sedimente lassen sich leider nur selten absolut exakt datie- ren, während sie biostratigraphisch sehr fein gegliedert werden können. Die absolute Kali-

38 A. Radiogene Isotopensysteme

brierung der Zeitskala erfolgte v.a. mit Hilfe von stratigraphisch genau eingeordneten Vul- kaniten. 3.2 Die 40Ar/39Ar-Methode Dies ist eine Variation der K–Ar-Methode, die 1966 von C.M. Merrihue & G. Turner vorge- schlagen wurde. Der K-Gehalt der Probe wird hier durch Messen der Menge an 39 Ar bestimmt, die durch Bestrahlung in einem Kernreaktor mit schnellen Neutronen durch die Reaktion 39K(n,p)39Ar produziert wird. 39Ar ist radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwerts- zeit von 269a in 39K. Wegen dieser langen Halbwertszeit darf man das 39Ar als über den Ver- lauf der Ar–Ar-Isotopenanalyse stabil ansehen. Steckt man eine Probe in einen Kernreaktor, dann werden viele Kernreaktionen ausgelöst, vor allem (n,γ)- und (n,p)-Reaktionen. Betrachtet man ein einziges Isotop eines beliebigen Elementes dieser Probe, dann läßt sich die Zahl N der durch eine bestimmte Kernreaktion gebildeten Nuklide (z.B. durch 39K(n,p)39Ar) nach der Gleichung

=×Δ × σϕ()× ()× [GL 45] NX t∫ = E EdE EET berechnen, wobei X die Zahl der Targetkerne ist (z.B. 39K), Δt die Bestrahlungsdauer (in s), σ (E) der Wirkungsquerschnitt der 2 Reaktion (cm ) bei Neutronen- 1175 energie E und ϕ(E) der Neutro- 0 0 0 5 -2 -1 1 0 0 × × 1 0 nenfluß (n cm s ) bei der 1 0 1 Neutronenenergie E; integriert 960 1095 955 wird von der Schwellenenergie 1125 0 ∞ 95 965 der Reaktion ET bis (oberhalb 930 ≈ 1070 von 15MeV geht der Neutro- 950 900 nenfluß im Reaktor bereits 870 gegen 0). Für die Reaktion 935 1075 39 39 880 830 K(n,p) Ar) werden schnelle 950 t n (=energiereiche) Neutronen o 940 Fr ville benötigt. Die Zahl der produ- n zierten 39Ar)-Atome erhält man, Gr e indem man in GL 45 für X = 39K 940 850 und für N = 39Ar) setzt. Demge- genüber ist die Zahl der dur ch den Zerfall von natürlichem 40K 920 0 100 200 über das geologische Alter t der Meilen Probe gebildeten 40Ar-Atome 895 gegeben durch GL 41: ABBILDUNG 29 Metamorphosealter (in Millionen Jahren) 40 λ λ × 40 × λt Ar = e/ K (e – 1). der Grenville-Provinz im Osten von Kanada, basierend auf Dividiert man beide Gleichun- K–Ar-Daten granitischer Gneise gen durcheinander, dann erhält man:

40 40 λt Ar λε K 11e − =× ×× [GL 46] 39 Ar λ 39 K Δt ∫ σϕ()()EEdE E Mit dieser Formel läßt sich leider nicht direkt rechnen, vor allen Dingen, weil örtliche und zeitliche Variationen des Neutronenflusses in der Bestrahlungseinrichtung eines Reaktors nicht genau genug bekannt sind. Man kann sich jedoch damit behelfen, daß man zusam- men mit den Proben bekannten Alters mehrere Proben eines Flußmonitors bestrahlt. Das

39 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

ist ein Mineral, dessen K–Ar-Alter man genau kennt. Zur Auswertung zieht man dann aus GL 46 einen probenspezifischen Parameter J heraus, den man als

λ 39 =×K ××Δ σϕ()() J 40 tEEdE∫ [GL 47] λε K E definiert und bestimmt die J-Werte für die Flußmonitore aus Gleichung GL 46 zu

λ e t − 1 J = [GL 48] 40Ar/ 39 Ar wobei t das exakt bekannte Alter des Mine- 1 rals ist, das als Flußmonitor dient. 40Ar ist Flußmonitor 1 das Argon, das während des geologischen Alters des Flußmonitors aus dem Zerfall 2 von 40K entstanden ist, 39Ar das radioaktive Argon, das während der Reaktorbestrah- 39 apsel 3 lung des Flußmonitors aus dem K ent- k standen ist. Ein Beispiel für die Ermittlung [42] der J-Werte ist in Abbildung 30 gegeben . 4 Flußmonitor 2 Das 40Ar/39Ar-Verhältnis wird dann nach Austreiben aus der Probe durch einen Schmelzaufschluß massenspektrometrisch 5 bestimmt. Die örtliche Variation des Neu- n der Bestrahlungs tronenflusses im Reaktor erfaßt man i 6

on Ermittlung von J bei

dadurch, daß man mehrere Proben des i t Flußmonitors mit den Proben zusammen i Ar-Ar-Analysen

bestrahlt. Man erhält auf diese Weise für Pos 7 die Flußmonitore einen Satz von J-Werten, Flußmonitor 3 aus denen man das für jede der Proben 8 unbekannten Alters spezifische J interpolie- 1.8 2 2.2 2.4 ren kann. Das Alter dieser Proben resultiert J×10-2 dann durch Auflösen von GL 48 nach t.

Der Vorteil der Ar–Ar- über die konventio- ABBILDUNG 30 Ermittlung des Faktors J bei Ar– nelle K–Ar-Methode liegt darin, daß man Ar-Analysen das Alter einer Probe an exakt derselben Teilprobe durch Messung eines einzigen Isotopenverhältnisses erhält. Man umgeht dadurch die Probleme, die durch eine inhomogene Verteilung von K und Ar in der Probe resultieren; zumindest wenn nur kleine Probenmengen vorhanden sind, muß beim Teilen dieser Probe in solchen Fällen mit Fehlern gerechnet werden. Andererseits darf nicht über- sehen werden, daß die Ar–Ar-Methode sehr aufwendig ist. Man braucht außer einem Mas- senspektrometer noch Zugang zu einem Reaktor; die Proben müssen eine hohe Neutronen- dosis empfangen, damit das 40Ar/39Ar-Verhältnis nicht so groß ist, daß sich meßtechnische Probleme (durch Nichtlinearität des Digitalvoltmeters des Massenspektrometers) ergeben (Günstig sind Werte zwischen ≈0.01 und 100). Dadurch werden die Proben stark radioaktiv und sind unangenehm zu handhaben. Bei der Reaktorbestrahlung selbst finden uner- wünschte Nebenreaktionen statt, für die Korrekturen anzubringen sind, z.B. 42Ca(n,α)39 Ar, 40K(n,p)40Ar, 41K(n,d)40Ar und 40Ca(n,n+α)36Ar. Die letztgenannte Reaktion stört die Kor- rektur, die meistens für die Anwesenheit atmosphärischen Argons in den Proben durchzu- führen ist, nach:

⎛ 40 Ar ⎞ ⎛ 40 Ar ⎞ ⎛ 36 Ar ⎞ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ − 2295. 5 × ⎜ ⎟ [GL 49] ⎝ 39 ⎠ ⎝ 39 ⎠ ⎝ 39 ⎠ Ar Probe Ar gemessen Ar gemessen

40 A. Radiogene Isotopensysteme

wobei der Faktor 295.5 das 40Ar/36Ar-Verhältnis der Atmosphäre ist. Schließlich müssen bei sehr feinkörnigen Proben (<1μm) bei der Reaktorbestrahlung selbst Rückstoßeffekte in Betracht gezogen werden, welche die 39Ar-Atome durch die (n,p)-Reaktion erleiden, wodurch sie aus den Mineralkörnern entweichen können. Dieser Effekt läßt sich eliminie- ren, indem man die Probe vor der Reaktobestrahlung in eine Quarzglaskapsel füllt, die eva- kuiert und zugeschmolzen wird[43],[44]. Bei der Bestrahlung wird dann das gesamte aus der Probe freigesetzte 39Ar in der Kapsel angesammelt; sein relativer Anteil kann zudem über die Menge an 37Ar bestimmt werden, das durch eine (n,α)-Reaktion aus 40Ca entsteht und ebenfalls durch Rückstoß aus der Probe in die Kapsel gelangt[45].

30 1800

Ar-Entgasungsverhalten eines 1600 Granitxenoliths in Basalt 10 (Sierra Nevada, Kalifornien) 1400 ] T

Ma 1200 em [ p lter 1000 eratur A

peratur 800 [° 1 Tem C nbares i ] 600 sche Plateaualter (entspricht dem lter A 400 Eruptionsalter des Basalts) 200

0.1 0 00.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 kumulativer Anteil des entgasten 39Ar

ABBILDUNG 31 ungewöhnliches Entgasungsverhalten eines Xenoliths aus einem Basalt Ar–Ar-Datierungen werden meistens nach der Methode des stufenweisen Ausheizens durchgeführt. Dabei wird das Argon in mehreren Stufen aus der Probe ausgetrieben, wobei die Temperatur schrittweise (z.B. in 200°C-Schritten) bis zur Schmelztemperatur (oder bis kein Argon mehr entweicht) erhöht wird. Die Ar-Isotopien werden bei jedem Schritt gemessen, korrigiert, und ein Alter wird berechnet. Idealerweise sollten die Alter für jeden Ausheizschritt identisch sein. Wenn das der Fall ist, dann werden das Ar–Ar- und das K–Ar- Alter identisch sein. Die Stärke des Ar–Ar-Systems liegt aber darin, daß man auch für gestörte Systeme, bei denen das K–Ar-System versagt, noch verläßliche Daten erhalten kann. Für solche Proben beobachtet man Alter, die zunächst steigen oder fallen und sich erst bei höheren Ausheiztemperaturen auf ein konstantes Niveau einpendeln, das Plateau- alter, das als das wirkliche Alter angesehen wird. Das bei tiefen Temperaturen abgegebene Ar stammt bevorzugt aus den Randpartien der Minerale oder ist das am schwächsten gebundene Ar. Die zu niedrigen Alter dieses bei tiefen Temperaturen abgegebenen Argons kommen bei K-reichen Mineralen dadurch zustande, daß 40Ar aus den äußeren Bereichen der Minerale entweicht – bei retrograden Metamorphosen z.B. oder infolge von Diffusions- prozessen bei „normalen“ Temperaturen in der Kruste; infolgedessen haben diese Zonen ein für ihr Alter zu niedriges 40Ar/K- (und nach der Reaktorbestrahlung 40Ar/39Ar) Verhält- nis. Zu hohe Alter des bei tiefen Temperaturen ausgetriebenen Argons treten bevorzugt (aber bei weitem nicht nur) bei K-armen Mineralen auf, bei denen die Randbezirke 40 Ar durch Diffusion von „außen“ aufgenommen haben – z.B. aus benachbarten K-reichen Mineralen; dadurch haben diese Zonen ein zu hohes 40Ar/K. Ein Beispiel für ein Plateau-

41 Das K–Ar-Zerfallssystem (K–Ar- und Ar–Ar-Methoden)

alter ist in Abbildung 31 für einen ≈100Ma alten Granitxenolith in einem ≈100000a alten Basalt angeführt[46]. Bei niedriger Temperatur entgast zunächst ein Argon, das einem höhe- ren als dem Eruptionsalter des Wirtsbasalts entspricht. Dieses locker „gebundene“ Ar gelangte offensichtlich durch junge Diffusion in den Xenolith. Bei mittleren Temperaturen zwischen ca. 500 und 1000 °C entgast dann ein großer Teil des gesamten Argons, für das sich ein scheinbares Alter ergibt, das dem der Eruption des Wirtsbasalts entspricht. Bei Temperaturen oberhalb 1000 °C entweicht dann ein immer noch erheblicher Anteil von Argon, das einem höheren Alter entspricht; dabei handelt es sich sicherlich um Ar, das seit der magmatischen Kristallisation des Granits gebildet wurde und das bei der Aufnahme des Xenoliths durch den Basalt und während des raschen Transportes an die Erdoberfläche nicht vollständig entgaste. Eine neue Entwicklung der 2500 Ar-Isotopengeochemiker , ermöglicht durch die Ver- fügbarkeit einer Genera- Entstehungsalter tion hochempfindlicher 2000 Massenspektrometer, ist [47] das Laserverfahren . ]

Dabei wird durch Laserbe- Ma strahlung ein Teil eines [ 1500

Mineralkorns verdampft. lter Das Ar entgast und kann A massenspektrometrisch

nbares 1000

gemessen werden. Auf i diese Weise kann man

Altersprofile über einzelne sche Mineralkörner gewin- [48] 500 nen und erhält Informa- Eruptionsalter (394±2 Ma) tionen, die man durch die normale Ar–Ar-Analyse nur Kornzentren vermuten kann. So zeigt 0 sich z.B., daß man für Phlo- gopite aus Xenolithen, die 0 100 200 300 400 500 600 700 in Kimberliten innerhalb Abstand vom Rand [μm] von vielleicht Tagen aus dem Erdmantel an die Erd- ABBILDUNG 32 Scheinbare Ar–Ar-Alter von drei Phlogopitkör- oberfläche gelangt sind, in nern aus einem granulitfaziellen krustalen Xenolith, der in einem den Kernen noch Alter Lamprophyr transportiert wurde (Kola-Halbinsel) identifizieren kann, die dem Alter ihrer Bildung entsprechen, während die Ränder Alter ergeben, die dem Erupti- onsalter des Kimberlits gleich sind (Abbildung 32[49]), obwohl die Temperaturen der Kim- berlitmagmen viele hundert Grad über der Schließungstemperatur der Glimmer liegen. Dies mag aber auch darin begründet sein, daß in den Xenolithen die Phlogopite die einzi- gen K-Minerale sind und unter allen Mineralen für Ar den höchsten „Verteilungskoeffizi- enten“ aufweisen, so daß der Phlogopit selbst bei 1000 °C effektiv ein geschlossenes System darstellt. Wie komplex die Altersinformationen sein können, die sich aus den Ar–Ar-Analysen eines einzigen porphyroblastischen Muskovit-Kristalls aus einem polymetamorphen Glimmer- schiefer aus dem Nordosten der USA ergeben, ist in Abbildung 33 dargestellt[50]. Der Glim- merschiefer ist während der Grenville-Orogenese zwischen ca. 1.1 und 0.8 Ga entstanden und wurde von zwei jüngeren Metamorphosen und Deformationen erfaßt, denen die Bil- dung feinkörnigerer Hellglimmer und von Chloritoid zugeschrieben wird und damit eine Wiederaufheizung auf rund 400 – 500 °C. Dennoch haben große Partien des porphyrobla- stischen Muskovits noch hohe Alter bewahrt, die auf eine Bildung während der Grenville-

42 A. Radiogene Isotopensysteme

Orogenese hindeuten. Die Diffusion bei diesen Temperaturen war offensichtlich nicht effektiv genug, um das radiogene Argon aus dem Innern des Kristalls nach außen zu trans- portieren, was höhere „Schließungsalter“ als früher angenommen für Muskovit anzeigt (vergleiche auch Diskussion auf Seite 35 bis Seite 38. Allerdings erscheint die Altersvertei- lung der Meßpunkte innerhalb des Kristalls nicht sonderlich systematisch.

397 [0 max 1 0 ] G 934 900 [110] 794 914 470 551 842 800 418 789 1 mm 884 ] 700

446 Ma SM 868 [ 838 466 519 lter 600

901 A 855 708

426 638 500 818 680 720 T 400 min 863 A 897 709 988 967 893 „Kern“ „Rand“ 887 850 300 892 462 840 1000 750 500 250 0 790 Wachstumskante Entfernung [mm]

ABBILDUNG 33 Links: Zeichnung eines Muskovit-Porphyroblasts; die feinen Linien stellen Risse dar. Mit „SM“ sind einige bei der Analyse entstandenen Risse ausge- wiesen, die Schlagspuren entsprechen. Die mit dem Laser erzeugten Krater sind farblich ausgewiesen, wobei die Zahlen dem Alter in Ma entsprechen. In den dunkleren (grünen) Farben sind Krater mit Altern > 750 Ma darge- stellt, in den helleren (gelben) Farben Krater, für die jüngere Alter gemessen wurden. Die jüngeren Alter treten entlang den deformierten Ecken des Kri- stalls auf und an einem großen Riß, der quer durch den Kristall verläuft. Die hohen Alter kommen im Innern des Kristalls vor und entlang der Wachs- tumskanten unten. Rechts: Graphische Darstellung der Alter als Funktion des Abstandes Kornmitte – Kornrand. Mit G, T und A sind drei Metamorpho- sen in Nordamerika bezeichnet: Grenville, Taconian, Acadian.

43 Das Rb–Sr-Isotopensystem

4.0 Das Rb–Sr-Isotopensystem

Grundlage dieses Isotopensystems ist der Zerfall von 87Rb in 87Sr unter Aussendung eines β–-Teilchens. Als international akzeptierte Zerfallskonstante gilt derzeit ein Wert von 1.42×10-11 a-1. Vor 1977 waren sowohl 1.39×10-11a-1 als auch 1.47×10-11a-1 in Gebrauch. Umrechnungen sind daher beim Vergleich älterer Literaturdaten vorzunehmen! Diese Unsicherheiten sind darauf zurückzuführen, daß der Zerfall von 87Rb nur von einer Zerfall- senergie von 275KeV begleitet wird, was die Messung der spezifischen Aktivität schwierig macht. Der wahre Wert der Zerfallskonstante könnte allerdings niedriger liegen als 1.42×10-11 a-1. Tatsächlich haben Nebel et al. für drei relativ rasch abgekühlten Magmatite (aus Südafrika, Südgrönland und Nordsibirien), deren U–Pb-Alter präzise bekannt sind, eine Zerfallskonstante von (1.393±0.004)×10-11a-1 abgeleitet[51]. Rb als Alkalimetall und Sr als Erdalkalimetall verhalten sich geochemisch sehr unterschied- lich und können daher bei magmatischen, metamorphen und selbst sedimentären Prozes- sen stark fraktionieren, was sich in einer extremen Variation der Rb/Sr-Verhältnisse zwi- schen fast 0 (z.B. in manchen ultrabasischen und basischen Gesteinen) und >2 äußert (insbes. in sauren Magmatiten). Da bei der magmatischen Differentiation der generelle Trend einer Erhöhung des Rb/Sr-Verhältnisses zu beobachten ist, eignet sich das Rb–Sr- System vor allen Dingen zur Datierung von sauren und intermediären Magmatiten und Metamorphiten.

TABELLE 5: Typische Rb- und Sr-Konzentrationen einiger Gesteinstypena Gesteinstyp Gew.-ppm Rb Gew.-ppm Sr Peridotit <0.2 10 Tholeiit 1 100 Alkalibasalt 50 800 Ca-reicher Granit (Granodiorit) 110 500 Ca-armer („normaler“) Granit 170 100 Tonschiefer 140 250 Tiefseeton 110 180 Sandstein 50 50 Karbonat 3 600

a. Diese Werte können nur als grobe Hinweise gelten und tatsächlich in jedem Gesteinstyp um ein Mehrfaches schwanken

Grundlage der Datierung ist auch wiederum die modifizierte Zerfallsgleichung GL 8: λ DNe=−()t 1, die für das Rb–Sr-System lautet: λ 87Sr=− 87 Rb() e t 1 Anders als beim K–Ar-System kann man jedoch hier nicht davon ausgehen, daß zur Zeit t = 0 in dem Gestein oder Mineral kein 87Sr vorhanden gewesen ist. 87Sr ist ja ein Isotop des natürlichen Sr, das als Spurenelement bei der Bildung von Gesteinen bereits in mehr oder weniger größeren Mengen vorhanden ist (siehe Tabelle 5). Das zur Zeit t = 0 schon vorhan- 87 87 87 dene Sr soll im folgenden als Sro bezeichnet werden (Es wird auch als Sri bezeichnet, wobei i für initial steht). Damit ergibt sich: 87=+ 87 87 Srgesamt Sr0 Sr radiogen

87=+ 87 87 λt − Srgesamt Sr0 Rb() e 1 [GL 50]

44 A. Radiogene Isotopensysteme

Wie schon GL 37 der Isotopenverdünnungsanalyse zeigte, mißt man in der Massenspektro- metrie stets Isotopenverhältnisse und nicht die Anzahl der Atome eines Isotops. Als Bezugsisotop wählt man dabei eines, das stabil ist und das auch nicht aus einem Zerfalls- prozeß gespeist wird, d.h. dessen Anzahl in der Probe seit ihrer Bildung konstant geblieben ist oder zumindest sein sollte. Beim Sr kämen dafür prinzipiell die Isotope 84Sr, 86Sr und 88Sr in Frage. Konventionell benutzt man 86Sr, weil es in den meisten Proben ähnlich häufig ist wie 87Sr, so daß man keine unhandlich großen (wie im Fall von 87Sr/84Sr) oder kleinen Ver- hältnisse (87Sr/88Sr) erhält. Dividiert man GL 50 durch 86Sr, dann ergibt sich:

87 ⎛ 87 ⎞ 87 Sr Sr Rb λt = ⎜ ⎟ +−()e 1 [GL 51] 86 ⎝ 86 ⎠ 86 Sr Sr 0 Sr Diese Gleichung ist die Grundlage für alle Altersbestimmungen nach der Rb–Sr-Methode. Nach Ersetzung durch die jeweiligen Isotopenverhältnisse gilt sie analog auch für Isotopen- systeme wie Sm–Nd, Lu–Hf, Re–Os oder K–Ca. Diese Gleichung ermöglicht eine zweifache Anwendung des Rb–Sr-Systems in Geo- und Kosmochemie, (a) als Mittel der Altersbestim- 87 86 mung, und (b) bei Kenntnis des Alters eines Gesteins dient der ( Sr/ Sr)o-Wert als Tracer zur Aufklärung von petrogenetischen Prozessen. 4.1 Das Rb–Sr-System als Mittel der Altersbestimmung In GL 51 stehen zwei Verhältnisse, die man messen kann, nämlich 87Sr/86Sr, das direkt aus der massenspektrometrischen Analyse resultiert und 87Rb/86Sr, das mit Hilfe der Isotopen- 87 86 verdünnungsanalyse gemessen werden kann. Da mit ( Sr/ Sr)o und t aber zwei unbe- kannte Größen verbleiben, ist obige Gleichung für eine einzige Probe nicht zu lösen. Die Gleichung ist dagegen lösbar, wenn man eine Serie (mindestens zwei) von genetisch zusammengehörenden Proben analysiert – z.B. mehrere Minerale aus dem Handstück eines magmatischen Gesteins oder mehrere Proben, aus verschiedenen Partien eines Gesteins- körpers entnommen. Man muß dabei voraussetzen, daß alle Proben der Serie • zur selben Zeit aus einem homogenen Material entstanden sind – dann war zur Zeit t=0 87 86 das ( Sr/ Sr)o für alle Proben identisch – und • daß im Anschluß an den Zeitpunkt t=0 jede der Einzelproben ein geschlossenes System war, d.h. es erfolgte kein Elementaustausch mit der Umgebung; – bei der Abkühlung ei- nes Granits z.B. wird bei irgendeiner Temperatur jeglicher Austausch von Sr und Rb selbst im Mineralkornbereich zum Erliegen kommen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, läßt sich GL 51 als Geradengleichung der Form Y = a + bx auffassen, wobei x das für eine Probe gemessene 87Rb/86Sr ist und Y das aus der Geradenglei- chung errechnete 87Sr/86Sr and der Stelle x. Jedes Datenpaar (87Rb/86Sr, 87Sr/86Sr) bildet in einem x–y-Diagramm einen Punkt auf (oder nahe) einer Geraden mit der Steigung (eλt – 1), aus der sich das Alter errechnen läßt. Der Schnittpunkt der Geraden mit der y-Achse ergibt 87 86 ( Sr/ Sr)o, den sogenannten Initialwert. Die Gerade heißt Isochrone, weil jede Probe auf ihr das gleiche Alter hat. Das Diagramm heißt Isochronendiagramm oder gelegentlich nach seinem Erfinder auch Nicolaysen-Diagramm. Im strengen Sinn kann man von einer Iso- chrone nur dann sprechen, wenn alle Probenpunkte innerhalb der experimentellen Fehler 87 86 darauf liegen. Vielfach wird aber die Bedingung „( Sr/ Sr)o = identisch für alle Proben“ nicht erfüllt sein. Bei einem Granitpluton wird man z.B. nur selten davon ausgehen dür- fen, daß das Magma ursprünglich völlig homogen war, da infolge der hohen Viskosität gra- nitischer Magmen eine effektive Durchmischung nicht stattfinden kann. An den Rändern des Plutons kann es zudem zur Aufschmelzung von und damit zur Kontamination dur ch Nebengestein kommen. Eine derart verursachte zusätzliche Variation ist daher nicht immer Anzeichen einer späteren Störung des Rb–Sr-Systems. Liegen von einer Serie die meisten der als kogenetisch erachteten Proben nicht auf der Geraden, dann wird die Iso- chrone zu einer den Geochronologen höchst unbefriedigenden „errorchron“. Beispiele für

45 Das Rb–Sr-Isotopensystem

Isochrone und „errorchron“ sind in den Abbildungen 34 und 35 angegeben. Ob dem Alter , das aus der Steigung der „errorchron“ resultiert, eine geologische Bedeutung zukommt, muß von Fall zu Fall beurteilt werden. Die Versuchung, einer derart schlecht definierten Geraden eine Altersrelevanz zuzusprechen, ist besonders groß bei Xenolithen der tiefen Kruste und des oberen Erdmantels. Bei solchen Proben fehlt die stratigraphische Kontrolle, und daher kann nur auf Grund von geochemischen und petrologischen Daten gemutmaßt werden, ob die Xenolithe einer Serie kogenetisch sein können oder nicht.

Es dürfte unmittelbar 0.7052 einsichtig sein, daß ein Sr-Isochronendiagramm für einen Isochronenalter umso Eklogit (Münchberger Gneisgebiet) vertrauenswürdiger ist, Phengit je größer die Probense- 0.7048 rie ist und je mehr Da- tenpunkte einer Pro- 6Ma ±1 benserie auf der Iso- Sr 393

86 t = chrone liegen. Dur ch 0.7044

zwei Datenpunkte läßt Sr/ sich natürlich immer 87 Gesamtgestein Granat eine Gerade legen, und Amphibol die Interpretation von 0.7040 Zweipunktgeraden als CpxI, II Isochronen ist häufi g 87Sr/86Sr) = 0.703952±0.000016 anfechtbar, zumal 0 dann, wenn darauf 0.7036 großartige Interpreta- 0 0.04 0.08 0.120.16 0.20 87 86 tionen aufgebaut wer- Rb/ Sr den sollen, die ander- weitig nicht gestützt ABBILDUNG 34 Beispiel für eine Rb–Sr-Isochrone: Eklogit aus Münch- sind. berger Gneisgebiet

Die Konstruktion einer 0.7100 Isochrone erfolgt im ein- fachsten Fall durch eine Schema einer „Errorchron“ Geradenanpassung mit- tels linearer Regression. Das Wesen der einfachen linearen Regression ist 0.7075 es, Fehler nur in einer Sr

Richtung (meist y) und 86 zudem alle Fehler als gleich groß anzuneh- Sr/ 87 men. Dies sind jedoch 0.7050 keine sehr sinnvollen Annahmen, da sowohl das Rb/Sr- als auch das 87Sr/86Sr-Verhältnis mit Meßfehlern behaftet sind, die meist vonein- 0.7000 ander verschieden sind – 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 in diesem Fall ist der 87Rb/86Sr Fehler im Rb/Sr in der Regel erheblich höher ABBILDUNG 35 Bei einer „errorchron“ liegen die meisten Daten als der im 87Sr/86Sr, weil nicht auf der Geraden. sich der Rb-Gehalt nicht sehr präzise bestimmen läßt.

46 A. Radiogene Isotopensysteme

Zur Konstruktion von Isochronen liegen seit den späten 1960er Jahren Ansätze vor, die Fehler sowohl in x- als auch in y-Richtung berücksichtigen[52],[53]. Nach York (1969[53]) und detailliert ausgeführt bei Kullerud (1991)[54] berechnet sich die Steigung der Isochrone zu

∑Wy()− Y⎡σσ22() x− X+− by() Y⎤ ii⎣ yii i x i ⎦ b = i [GL 52] ∑Wx()− XXxXbyY⎡σσ22()− +−()⎤ ii ⎣ yiii x i ⎦ i und der Schnittpunkt mit der y-Achse (Initialwert) zu

aYbX=− [GL 53] 87 86 87 86 Darin sind xi und yi die Meßwerte (z.B. Rb/ Sr und Sr/ Sr). X und Y stehen für die gewichteten Mittel (Zentroide) der Regressionsgerade bezüglich x und y, errechnet zu

∑Wxii ∑Wyii X = i und Y = i [GL 54] ∑Wi ∑Wi i i σ und σ sind die analytischen Fehler für jeden Datenpunkt i bezüglich x und y. W xi yi i steht für die Gewichtung, die dem Datenpunkt i beigemessen wird:

1 W = [GL 55] i b22σσ+ 2 xyii Datenpunkte mit kleinen Fehlern werden folglich bei der Regression höher gewichtet als solche mit großen Fehlern. Die Steigung b der Isochronengleichung läßt sich iterativ mit der gewünschten Genauigkeit aus GL 52 ermitteln; darin sind für X und Y die Definitio- nen nach GL 54 in GL 52 einzusetzen. Die Iteration führt in wenigen Schleifen zum Ziel, wenn der iterierte b-Wert als neuer Schätzwert für b verwendet wird. Anschließend läßt sich der Initialwert nach GL 53 berechnen. Die beste Gerade ist die, für welche der nach- folgend definierte MSWD-Wert sein Minimum erreicht. Die Fehler in der Steigung und im Initialwert ergeben sich ungefähr zu

2 ∑Wxii σ =± 1 σσ=± i b 2 und ab [GL 56] − ∑Wi ∑Wxii() X i i Der Fehler in der Steigung ist demnach abhängig vom Fehler, der den Daten in x- und y- Richtung zugewiesen wird (über Wi), und von der Verteilung der Datenpunkte entlang der 2 Geraden relativ zum Zentroid (über (xi – X ) ), nicht aber davon, wie gut die Datenpunkte auf der Isochrone liegen. Dagegen variieren die „expandierten Fehler“

σσexp == σσexp b baMSWDund a MSWD [GL 57] über den MSWD-Wert mit der Güte, mit welcher die Daten auf der Isochrone liegen – genauso wie bei einer einfachen x–y-Regression. Der Parameter „MSWD“ (mean standar d weighted deviation) wird häufig verwendet, um die Qualität der Regression zu beurteilen; er ist definiert als:

47 Das Rb–Sr-Isotopensystem

2 ∑WDii MSWD = i [GL 58] n − 2

dabei entspricht Di dem Abstand des Datenpunktes i von der berechneten Regressionsgera- den in y-Richtung:

=−+() Dyii abx i Falls die analytischen Fehler normal- verteilt sind und falls die gesamte 3.0 Streuung der Daten um die Regressions- gerade allein auf Analysenfehler zurückgeführt werden kann, sollte 2.5 MSWD mit 95%iger Wahrscheinlich-

keit in einen Bereich 12±−()n 2 fal- 2.0 len, wobei n der Anzahl an Analysenda- D [56],[55]

ten entspricht . MSWD-Werte, die MSW erheblich größer sind, zeigen eine dar- 1.5 über hinausgehende Streuung der Daten an – die Isochrone wird damit zur errorchron – oder vielleicht auch, 1.0 daß die Analysenfehler unterschätzt wurden. In Tabelle 6 ist für einen syn- 0.5 thetischen Rb–Sr-Datensatz[54] der MSWD-Wert als Beispiel ermittelt und 350 351 352 353 354 355 in Abbildung 36 als Funktion des Alters Alter [Ma] aufgetragen worden. Der errechnete Wert von 0.76 liegt knapp oberhalb des ABBILDUNG 36 Abhängigkeit des MSWD-Wertes von der Zeit für den Datensatz in Tabelle 6. Der Intervalls von 1±− 272()=± 1063. . minimale MSWD-Wert liefert das „beste Alter“ der Dennoch dürfte die Annahme gerecht- Isochrone. fertigt sein, daß die Streuung der Datenpunkte um die beste Gerade durch die Analytik erklärt werden kann und daß die Gerade als Isochrone angesehen werden darf.

TABELLE 6: Beispiel für die Berechnung von MSWD für einen Datensatza

87 86 87 86 87 86 87 86 2 Probe (i) Rb/ Sr - Rb/ Sr Sr/ Sr - Sr/ Sr Wi Di WDii 1 0.503 0.0025 0.72240 0.00002 1.789E+09 -0.000002 0.0074 2 5.959 0.0298 0.74991 0.00002 4.400E+07 0.000147 0.9561 3 6.981 0.0349 0.75504 0.00002 3.222E+07 0.000152 0.7474 4 7.989 0.0399 0.75970 0.00002 2.468E+07 -0.000243 1.4520 5 8.961 0.0448 0.76466 0.00002 1.965E+07 -0.000157 0.4840 6 10.043 0.0502 0.77033 0.00002 1.567E+07 0.000087 0.1189 7 99.725 0.499 1.21968 0.00002 1.599E+05 -0.000297 0.0141 MSWD: 0.756

a. Initialwert a der Regressionsgerade ist 0.71988±0.00003; Alter ist 352.3±0.8 Ma, woraus für die Steigung b ein Wert von 0.005015 resultiert. Für dieses Alter ergibt sich ein minimales MSWD = 2 oder auch ein minimales SWD∑ ii. i Der MSWD-Wert kann allerdings nicht uneingeschränkt als Maß für die Qualität einer Regressionsgerade angesehen werden. Insbesondere ist MSWD vom Alter der Proben und vom Mutter/Tochter-Elementverhältnis abhängig[55], wie durch eine Betrachtung des

48 A. Radiogene Isotopensysteme

Gewichtungsfaktors (GL 55) abgeschätzt werden kann. In vielen Fällen ist der analytische Fehler für x (Mutter/Tochter) erheblich größer als für y. So liegt z.B. ein typischer Fehler im 87Rb/86Sr bei mindestens ±0.5% des Meßwertes, während der Fehler im 87Sr/86Sr nur ca. ±0.00002 bis ±0.00003 (einige 10 ppm des Meßwertes) beträgt. Daraus ergibt sich, daß bereits nach geologisch kurzer Zeit und schon für mäßig hohe Rb/Sr-Verhältnisse der Fak- tor b22σ gegenüber σ 2 dominiert. W wird mit steigendem Alter – und auch mit steigen- xi yi i dem Mutter/Tochter-Verhältnis – kleiner und MSWD damit ebenfalls. Aus einer ursprüng- lich beträchtlichen Streuung der Daten um die Regressionsgerade über die analytischen Fehler hinaus kann somit allein durch Alterung eine Regressionsgerade mit einer geringe- ren Streuung entstehen. Anders gesagt: eine Streuung der Daten, die bei geologisch jungen Proben als Hinweis auf Probeninhomogenität gedeutet würde, könnte in geologisch alten Proben allein der Analytik zugeschrieben werden. Für das Mutter/Tochter-Verhältnis, z.B. 87Rb/86Sr, nimmt man in der Regel als analytischen Fehler einen prozentualen Anteil des Meßwertes an, z.B. 0.5%; demgegenüber ist der Fehler in einem Isotopenverhältnis wie 87Sr/86Sr kaum von seiner Höhe abhängig, sondern in erster Näherung konstant. Aus GL 52, Seite 47 läßt sich dann ablesen, daß die Regression über den Faktor Wi die Datenpunkte mit niedrigem Mutter/Tochter-Verhältnis höher gewichtet als solche mit einem hohen.

Was eine Isochrone 0.7052 bedeutet, läßt sich an- Illustration der Sr-Isotopenent- schaulich auch in ei- wicklung eines Eklogits ner 87Sr/86Sr – Zeit- (Münchberger Gneisgebiet) Auftragung zeigen, ei- 0.7048 nem sogenannten Iso- 87 topenentwicklungs- Metamorphosealter Sr/ diagramm (Abbil- Phengit dung 37). Gegeben 0.7044 86 Sr seien 4 Minerale eines Gesteins mit sehr un- Gesamtgestein Amphibol terschiedlichen Rb/Sr- 0.7040 Verhältnissen. Mit Cpx Hilfe der GL 51 läßt sich für jedes einzelne Mineral (87Sr/86Sr) o 0.7036 mit den gemessenen 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Rb/Sr- und 87Sr/86Sr- Zeit [Ma] Verhältnissen für je- den beliebigen Zeit- ABBILDUNG 37 Rb–Sr-Isotopenentwicklungsdiagramm für einen punkt t in der Vergan- Eklogit aus dem Münchberger Gneisgebiet genheit zurückrech- nen. Da die Minerale kogenetisch sind, erhält man einen Schnittpunkt aller 4 Geraden und 87 86 kann t (das Isochronenalter) und ( Sr/ Sr)o direkt ablesen. Was durch eine Isochrone da- tiert wird, ist von Fall zu Fall zu untersuchen und entscheiden.

49 Das Rb–Sr-Isotopensystem

In metamorphen magmatisches Metamorphosealter heutige Isotopie Gesteinen wird man Alter (Isotopenhomogenisierung) mit Hilfe der Rb–Sr- ĶĶĶ Methode (sowie mit den meisten ande- ren Methoden) durch Mineralanaly- limmer sen in der Regel den G

Zeitpunkt der Meta- 87 dspat morphose datieren *. l Sr/ limmer K-Fe G Über die magmati- Anorthit 86

sche oder sedimen- Sr täre Entwicklung Gesamtgestein davor wird man auf diese Weise keine Apatit gesicherten Infor- mationen mehr Hypothetische Entwicklung der Sr-Isotopie in erhalten können. einem System mit Zweistufengeschichte (siehe Abbildung 38). Angenommen ein Granit sei zur Zeit [Ma] Zeit ti erstarrt. Auf Grund ihrer unter- ABBILDUNG 38 Hypothetische Zweistufenentwicklung eines Gesteins; schiedlichen Rb/Sr- die Homogenisierung durch die Metamorphose löscht im dargestellten Verhältnisse wird Idealfall die „Erinnerung“ an die vorherige Geschichte aus. Je niedriger 87Sr/86Sr in den ver- die Temperatur, je „trockener“ die Metamorphose und je weniger pene- schiedenen Minera- trativ die Deformation ist, desto größer ist aber die Wahrscheinlichkeit, len und im Gesamt- daß diese Zurücksetzung der Isotopenuhr nicht vollständig erfolgt. gestein unterschiedlich schnell wachsen. Erfolgt irgendwann später eine Metamorphose, so wer- den sich infolge der Aufheizung die 87Sr/86Sr-Verhältnisse in den Mineralen in Richtung des Wertes des Gesamtgesteins bewegen, und die Erinnerung an das magmatische Alter geht verloren. Durch die Metamorphose wird also die Rb–Sr-Uhr auf 0 zurückgesetzt und wieder neu gestartet. Wenn bei der Metamorphose keine allzu hohen Temperaturen erreicht wurden und wenn die Metamorphose „trocken“ ist, (→ niedrige Diffusionsge- schwindigkeiten, Abwesenheit von Fluiden), wird die Uhr aber möglicherweise nicht oder unvollständig zurückgesetzt (siehe auch Diskussion der Schließungstemperatur, Seite 35 und folgende). Da die Wahrscheinlichkeit, daß eine Isotopenhomogenisierung bei der Metamorphose über große (km) Bereiche erfolgt, kann durch weit entfernt voneinander genommene „Großproben“ eines Metamagmatits eventuell das magmatische Alter noch rekonstruiert werden. In solchen Fällen wird man wahrscheinlich keine Geraden erhalten, welche die strengen Bedingungen einer Isochrone erfüllen. Wenn mehrere voneinander unabhängige Isotopensysteme (z.B. Rb–Sr und Sm–Nd) dabei ähnliche oder gleiche Alters- werte liefern, sollte ihnen eine geologische Bedeutung zukommen. Positive Korrelationen zwischen 87Sr/86Sr und Rb/Sr für Gesamtgesteine können allerdings auch Mischungslinien zwischen zwei Endkomponenten darstellen, insbesondere zwischen zwei Magmen; darauf wird in einem späteren Kapitel eingegangen (Kapitel 6.0, Seite 69).

* Es lassen sich allerdings Fälle denken, in denen eine niedriggradige Metamorphose den ehemals magmatischen Mineralbestand weitgehend intakt gelassen hat oder wenn unter trockenen Bedin- gungen Mineralreaktionen unvollständig abgelaufen sind; in solchen Fällen können sich gravieren- de Störungen der Isotopensysteme zeigen; unter günstigen Umständen mag sich das magmatische Alter noch abschätzen lassen.

50 A. Radiogene Isotopensysteme

4.2 Das Rb–Sr-System als Tracer

4.2.1 Die Sr-Isotopenentwicklung der Meteorite und des Erdmantels Bei der Untersuchung magmatischer Gesteine hat sich seit den 1960er Jahren gezeigt, daß das Rb–Sr-Isotopensystem nicht nur nützlich zur Altersbestimmung ist, sondern daß die 87Sr/86Sr-Isotopie hilfreich als Tracer für die Aufklärung petrogenetischer Prozesse sein kann, ähnlich wie manche Spurenelemente Aufschlüsse darüber geben können. Die konti- nentale Erdkruste ist im Verlauf der Erdgeschichte letztlich durch Differentiationsprozesse aus dem Erdmantel entstanden. Dabei haben sich sowohl Rb als auch Sr in den Gesteinen der Erdkruste angereichert, das Rb infolge seiner größeren Inkompatibilität erheblich stär- ker als das Sr. D.h. die Rb- und Sr-Konzentrationen und v.a. das Rb/Sr-Verhältnis sind in der Erdkruste wesentlich höher als im Erdmantel, und infolgedessen hat sich in der Kruste über den Verlauf der Erdgeschichte auch ein erheblich höheres und infolge innerkrustaler Diffe- rentiation extrem variables 87Sr/86Sr herausgebildet als im Erdmantel, der eine niedrige und vergleichsweise homogene Sr-Isotopenzusammensetzung hat. 87 86 Die ( Sr/ Sr)o -Werte 0.7010 magmatischer Gesteine Basaltische Achondrite bergen oft Informationen T = 4.44±0.30Ga über deren geochemische Initialwert = 0.69896±0.00005 Geschichte, insbeson- 0.7005 dere die Natur des Materi- als, aus dem sie entstan- den sind – Kruste oder 0.7000

Mantel. Das ist deswegen Sr

möglich, weil man aus 86

der Analyse von jungen Sr/ 0.6995 Ozeanbodenbasalten und 87 kontinentalen Basalten die heutige Sr-Isotopie des oberen Erdmantels 0.6990 kennt. Zum anderen kann man indirekt die Sr- Isotopenzusammenset- 0.6985 zung der Erde zur Zeit 0.00 0.01 0.02 0.03 87 86 ihrer Entstehung ableiten Rb/ Sr und damit die Entwick- lung des 87Sr/86Sr im Erd- ABBILDUNG 39 Der Initialwert der basaltischen Achondrite liefert mantel über den Verlauf das initiale 87Sr/86Sr der Erde. der Erdgeschichte abschätzen. Die Isotopenzusammensetzung der Erde zur Zeit ihrer Bildung ist durch die Untersuchung von Meteoriten ableitbar. Meteorite sind Bruchstücke ehemals größerer Kör- per des Sonnensystems, von denen man annimmt, daß sie mehr oder weniger zeitgleich (auf ±50 – 100Ma) mit der Erde entstanden sind. Die chondritischen Meteorite stellen unfraktionierte Solarmaterie dar; sie sind reich an flüchtigen Komponenten und haben infolge hoher Rb/Sr-Verhältnisse heute wesentlich höhere 87Sr/86Sr-Verhältnisse als die Erde – d.h. die Steigung der Rb–Sr-Isochronen für die Chondrite ist groß. Ihr initiales 87Sr/ 86Sr ist daher stark zeitabhängig und wenig geeignet, ein brauchbares initiales 87Sr/86Sr für die Erde zu liefern, da man nicht unbedingt davon ausgehen darf, daß sie exakt zeitgleich mit der Erde entstanden. Man hat daher das initiale 87Sr/86Sr von einem anderen Meteori- tentyp abgeleitet, den basaltischen Achondriten, die im Anschluß an ihre Entstehung eine kurze Phase der chemischen Differentiation mitgemacht haben; sie müssen nämlich aus einer Schmelze kristallisiert sein. Außerdem haben sie sehr niedrige Rb/Sr-Verhältnisse (<0.02). Infolgedessen ist ihr 87Sr/86Sr seit ihrer Bildung nur wenig gewachsen, und Alters- unterschiede zwischen ihnen und der Erde in der Größenordnung selbst von >108a wären belanglos. Papanastassiou & Wasserburg (1969) haben aus 7 solcher basaltischer Achondrite

51 Das Rb–Sr-Isotopensystem

ein Basaltic Achondrite Best Initial von 0.69898 abgeleitet, einen Wert, der seitdem nur minimal korrigiert worden ist (siehe Abbildung 39[57]). Man kann deswegen diesen Wert als repräsentativ für den solaren Nebel ansehen, aus dem die Erde und andere Planeten ein- schließlich der Meteoritenmutterkörper entstanden sind.

Am Rande sei darauf 0.725 hingewiesen, daß die Herkunft von Meteori- ten mit niedrigem Alter 0.720 in der Meteoritik lange Alter der magma- tischen Bildung diskutiert wurde. Dies betrifft insbes. die soge- 0.715

Triberg-Granit

nannten SNC-Meteorite 87

(Shergottyites, Nakhli- Sr/

tes, Chassignites). Das 0.710 86

sind Achondrite mit Sr Kristallisationsaltern um 1.3 Ga (und ande- 0.705 ren). Inzwischen glaubt Granite Elfenbeinküste man, daß es sich dabei um Stücke vom Mars 0.700 handelt, die dur ch Erdmantelfeld einen Meteoritenim- pakt ins Weltall 0.695 geschleudert wurden. 4.0 3.0 2.0 1.0 0.0 Ein Problem bereitet die t [Ga] geringe Wahrschein- lichkeit, mit der solche ABBILDUNG 40 Mit Hilfe der Sr-Entwicklungskurve des Erdmantels Brocken auf der Erde läßt sich abschätzen, ob Magmatite im wesentlichen aus dem Erd- landen sollten, und mantel stammen oder durch Aufschmelzung von älteren Gesteinen außerdem ist der der Kruste (Metasedimente). Mechanismus unklar , durch den Materie bei einem solchen Impakt der Anziehung des Mars entkommen kann. Noch seltener sind Meteorite, die vom Mond stammen müssen und die auf den Eisfeldern der Antarktis gefunden wurden. Mit dem 87Sr/86Sr-Initialwert der basaltischen Achondrite vor ≈4.5 Ga und der heutigen Sr- Isotopenzusammensetzung des Erdmantels von vielleicht 0.7025 sind zwei Punkte auf einer 87Sr/86Sr – Zeitskala bekannt, zwischen denen man durch eine lineare Interpolation die zeitliche Entwicklung des 87Sr/86Sr im Erdmantel in erster Näherung abschätzen kann. Das ist nur eine grobe, aber dennoch genügend genaue Abschätzung, da die heutige Sr-Iso- topenvariation des Erdmantels beträchtlich ist (≈0.702–0.705). Andererseits weisen die Gesteine, welche die kontinentale Erdkruste aufbauen, eine wesentlich höhere Variation und im Schnitt erheblich höheres Rb/Sr-Verhältnis auf als typischer Erdmantel. Dadur ch hat sich in der kontinentalen Kruste im Verlauf der Erdgeschichte natürlich auch eine wesentlich höhere 87Sr/86Sr-Variation mit einem im Schnitt erheblich höheren 87Sr/ 86Sr ausgebildet als im Mantel. Mit Hilfe der initialen 87Sr/86Sr-Werte von (v.a. sauren) Magma- titen läßt sich oft entscheiden, ob sie i.w. aus älterer Erdkruste erschmolzen wurden, oder ob an ihrer Bildung auch der Erdmantel beteiligt war. Abbildung 40 zeigt das am Beispiel eines ca. 310Ma alten Granits aus dem Schwarzwald und eines ≈2 Ga alten Granits aus Westafrika. Das initiale 87Sr/86Sr des westafrikanischen Granits ist nicht unterscheidbar vom Erdmantel-87Sr/86Sr zu dieser Zeit; es zeigt daher an, daß dieser Granit über Zwischenstufen wie Gabbro oder Diorit innerhalb geologisch kurzer Zeit aus dem Erdmantel differenziert sein muß. Im Gegensatz dazu hat das initiale 87Sr/ 86Sr des Triberg-Granits einen typisch krustalen Wert, der eine Beteiligung einer größeren Erd- mantelkomponente sehr unwahrscheinlich macht.

52 A. Radiogene Isotopensysteme

Die Sr-Isotopenentwicklung der „bulk earth“ kann nicht so einfach abgeschätzt werden, da das heutige 87Sr/86Sr der Erde nicht direkt bekannt ist und die Chondrite keine Hilfe bieten, da im Vergleich zu ihnen die Erde an Rb relativ zu Sr verarmt ist. Mehr zu diesem Thema bei der Besprechung der Nd-Sr-Isotopenkorrelation! 4.2.2 Die Sr-Isotopenentwicklung der Ozeane Sr-Isotopenmessungen an rezenten marinen Karbonaten haben gezeigt, daß ihr 87Sr/ 86Sr und damit das des Seewassers, aus dem sie i.w. durch biologische Tätigkeit ausgefällt wur- den, mit 0.70910±0.00005 weltweit sehr konstant ist. Das beruht letztlich auf dem effekti- ven Austausch des Wassers zwischen den Weltmeeren durch Tiefen- und Oberflächenströ- mungen, weil die Durchmischung des Wassers der Ozeane eine Zeit von ≈103a erfordert, während die sogenannte „Residenzzeit“ des Sr im Meerwasser ≈5×106a beträgt. Das äußert sich in der vergleichsweise hohen Sr-Konzentration des Seewassers von ca. 8100μg/l (zum Vergleich: Rb 120, Nd 0.0028, Sm 0.00045, Pb 0.03, U 3.3, Th 0.0004μg/l[58]). Die geogra- phische Konstanz des 87Sr/86Sr im Seewasser nimmt man auch für die geologische Vergan- genheit an.

0.710 marine Karbonate, Evaporite und Fossilien

0.709 Sr

86 0.708 Sr/ 87

0.707

0.706 Q Tertiär Kreide Jura Trias Perm Karbon Devon Silur OrdoviziumKambrium PC 0 100 200 300 400 500 600 Alter [Ma]

ABBILDUNG 41 Variation der Sr-Isotopenentwicklung des Seewassers im Phanerozoikum[63] Durch Analyse verschieden alter Karbonate hat man für das Phanerozoikum eine Variati- onskurve des Seewassers aufzustellen vermocht[59],[60],[61],[63] (siehe Abbildung 41). Es zeigt sich, daß seit dem Beginn des Kambriums die Isotopenzusammensetzung des Meerwassers nur zwischen ≈0.7065 und 0.709 geschwankt hat und daß etwa seit dem Mitteljura eine ständige Erhöhung von ≈0.7068 auf den heutigen Wert um 0.709 zu verzeichnen ist. Kre- tazische bis rezente marine Karbonate könnten daher sogar auf diese Weise datiert werden. Was mag die Ursache der 87Sr/86Sr-Fluktuationen des Meerwassers sein? – Die im Meer- wasser gelösten Salze stammen aus 3 Quellen, (a) aus einem Anteil, der durch Verwitterung und Abtragung der Kontinente (Magmatite und klastische Sedimente) in Lösung über die Flüsse den Weltmeeren zugeführt wird, (b) aus einer Komponente, die durch vulkanische Aktivität, insbes. an den mittelozeanischen Rücken, ins Meerwasser gelangt und (c) aus einem Anteil, der aus der Auflösung mariner Karbonate (inklusive älterer auf den Konti- nenten) herrührt. Auch die Sr-Isotopie der Ozeane wird durch diese unterschiedlichen Bei- träge kontrolliert:

53 Das Rb–Sr-Isotopensystem

87 86 87 86 87 86 87 86 ()Sr Sr=() Sr Sr×+ϕ (() Sr Sr ×+ϕϕ()Sr Sr × [GL 59] Ozean vulk. v kont..k karb c ϕ wobei i die Bruchteile des Sr der einzelnen 0.710 Die Entwicklung der Komponenten am Sr des Seewasser-Strontiumisotopie Meerwassers widerspie- im Präkambrium ∑ϕ 87 geln ( i = 1). ( Sr/ 86 0.708 Sr)vulk. wird dabei Werte zwischen ≈0.702 und 0.705 (meist Sr 0.706 Seewasser

<0.7035) einnehmen, 86 ( 87Sr/86Sr) wird kont. Sr/

>0.710 sein (durch- 87 0.704 schnittlich 0.720) und Mante 87 86 lentwick ( Sr/ Sr)karb. wird im lung Phanerozoikum Werte 0.702 zwischen 0.7065 und BI A 0.709 einnehmen. Die Proterozoikum Archaikum B Fluktuationen in der 0.700 87Sr/86Sr-Entwicklungs- 1 2 3 4Ga kurve des Seewassers können dann Variatio- nen in den relativen Bei- ABBILDUNG 42 Die Sr-Entwicklungskurve des Seewassers über den Verlauf der Erdgeschichte. Die präkambrische Entwicklung ist we- trägen dieser 3 Kompo- [25] nenten zugeschrieben sentlich schlechter bekannt als die phanerozoische . werden. Insbes. kann der Anstieg seit dem mittleren Jura auf erhöhten Beitrag von Sr zurückgeführt werden, das sich aus den Gesteinen der kontinentalen Erdkruste (Grani- toide, klastische Sedimente) ableitet infolge erhöhter Abtragungsrate der Kontinente, ver- ursacht durch die jungen Orogenesen. Der Anstieg an der Wende Ordovizium-Silur kann denselben Effekten im Anschluß an die kaledonische Orogenese zugeschrieben werden. Da marine Karbonate im Präkambrium erheblich spärlicher werden, ist es nicht verwun- derlich, daß die 87Sr/86Sr-Entwicklungskurve des Seewassers für diese Zeit schlechter bekannt ist[25],[62]. Die verfügbaren Daten scheinen anzuzeigen, daß sich erst im Proterozoi- kum die Seewasserkurve von der Mantelkurve zu trennen begann, d.h. Verwitterung und Abtragung älterer kontinentaler Kruste spielte im Archaikum keine wesentliche Rolle, ver- glichen mit den Beiträgen aus vulkanischer Tätigkeit und Abtragung junger Kruste. Insge- samt scheint also die 87Sr/86Sr-Isotopie des Seewassers zeitverzögert ein relativ empfindli- cher Indikator der Großtektonik auf der Erde zu sein.

54 A. Radiogene Isotopensysteme

5.0 Das Sm–Nd-System

5.1 Allgemeines Das Sm–Nd-Zerfallssystem wurde Mitte der 1970er Jahre von G.W. Lugmair auf seine Eig- nung in der Kosmochemie untersucht und fand danach rasch Eingang in die Geochemie. Natürliches Sm besteht aus 7 Isotopen mit den Massenzahlen 144, 147, 148, 149, 150, 152 und 154. 147Sm hat eine Häufigkeit von 15.0 Atom-% und zerfällt mit einer Halbwertszeit von 106 Ga unter α-Emission in stabiles 143Nd, das am Aufbau des natürlichen Nd zu ca. 12.2% beteiligt ist. Eine neue Bestimmung mittels Aktivitätsmessung ergab einen davon nicht unterscheidbaren Wert für die Halbwertszeit von 107.0±0.9 Ga[64]. Ebenfalls radioak- 146 8 tiv ist Sm, das wegen seiner kurzen Halbwertszeit von ≈10 a aber nur in der Frühzeit des Sonnensystems existierte[65] (siehe Kapitel 16.4, Seite 206). Die „Entdeckung“ des 147Sm– 143Nd-Zerfallssystems für die Kosmo- und Geochemie gelang auf der Suche nach erlosche- nem 146Sm im Meteoriten Juvinas[66]. Nd hat 7 natürlich vorkommende Isotope, welche die Massenzahlen 142, 143, 144, 145, 146, 148 und 150 haben. Die Zerfallsgleichung für das 147Sm–143Nd-System lautet:

143 143 147 λt Nd=() Nd+− Sm() e 1 [GL 60] 0 Als Referenzisotop dient konventionell 144Nd, das nicht Produkt eines Zerfallsprozesses ist:

143 ⎛ 143 ⎞ 147 Nd Nd Sm λt = ⎜ ⎟ +−()e 1 [GL 61] 144 ⎝ 144 ⎠ 144 Nd Nd 0 Nd

0.13

Ionenradien für Eu2+ sechsfache Koordination 0.12 Ionenradien für achtfache Koordination ] nm

[ 0.11 en i

0.10 3+ onenrad REE I

Ce4+ 0.09

0.08 La Ce Pr Nd Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu

ABBILDUNG 43 Variation der Ionenradien der Seltenen Erden Sm und Nd sind beide Elemente der Seltenen Erden (REE), einer Gruppe von sich chemisch sehr ähnlich verhaltenden Elementen. Sie treten bis auf zwei Ausnahmen (Ce4+ und Eu 2+) in der Natur nur dreiwertig auf und unterscheiden sich dann ausschließlich durch ihre Ionenradien, die vom leichtesten der Elemente (La) zum schwersten (Lu) systematisch

55 Das Sm–Nd-System

abnehmen (siehe Abbildung 43). Der Ionenradius von Nd3+ in Sechserkoordination in einem Kristallgitter beträgt 0.0983 nm, der von Sm3+ 0.0958 nm, und demzufolge passen Sm und Nd geringfügig unterschiedlich gut oder schlecht auf die Gitterpositionen der gesteinsbildenden Minerale, was im Diagramm auf der nächsten Seite anhand der Vertei- lungskoeffizienten zwischen Kristall und einer Schmelze für verschiedene Minerale darge- stellt ist. Diese chemische Ähnlichkeit hat für die Anwendung des Sm–Nd-Systems in der Isotopengeochemie sowohl Vor- als auch Nachteile. Ein großer Vorteil ist, daß sich die REE geochemisch ziemlich stabil verhalten; zudem ist ihre Geochemie gut untersucht. Die wesentliche Fraktionierung von Sm und Nd findet bei Hochtemperaturprozessen statt, d.h. vor allem bei magmatischen Prozessen der partiellen Aufschmelzung und der fraktionier- ten Kristallisation. Bei der Gesteinsmetamorphose scheinen Sm–Nd-Fraktionierungen über einen größeren als Handstückbereich selten zu sein, solange die Metamorphose im trocke- nen Zustand erfolgt; und bei sedimentären Prozessen tritt keine nennenswerte Fraktionie- rung von Sm und Nd auf. Im Gegensatz dazu verursacht die Gesteinsverwitterung beim Rb–Sr-System eine erhebliche Trennung von Rb und Sr, weil die Minerale mit niedrigem Rb/Sr-Verhältnis (Pyroxene, An-reicher Feldspat, Amphibole) rascher verwittern als die mit hohem Rb/Sr (Glimmer, K-reiche Feldspäte).

10 Beispiele für die Variabilität der SE- Verteilungskoeffizienten für Minerale in basaltischen Schmelzen Granat 1

Augit

0.1

Basaltschmelzen Plagioklas 0.01 zu iv Pigeonit

relat 0.001 Olivin

0.0001 La Ce Pr Nd Sm Eu Gd TbDyHoErTm YbLu

ABBILDUNG 44 REE-Verteilungskoeffizienten zwischen Mineralen und koexistierenden Schmelzen

Die große chemische Ähnlichkeit von Sm und Nd bringt jedoch auch wesentliche Nach- teile mit sich, denn geringe Sm–Nd-Fraktionierungen, das heißt eine geringe Spreizung der x-Achse des Isochronendiagramms und geringe Wachstumsgeschwindigkeit von 143Nd/ 144Nd im Verlauf der Zeit, zumal noch die Halbwertszeit von 147Sm außerordentlich hoch ist. Die gesamte Sm/Nd-Variation in Gesteinen bewegt sich mit wenigen Ausnahmen nur zwischen ≈0.10 – 0.80; sie liegt in den Gesteinen, welche die kontinentale Erdkruste auf- bauen, meistens niedriger als der „bulk-earth“-Punkt und macht weniger als einen Faktor 4 zwischen dem minimalen und dem maximalen Wert aus (siehe Abbildung 45). Dagegen ist die Variation der Rb/Sr-Verhältnisse um mehr als eine Größenordnung höher. Aus der geringen Variation im Sm/Nd in Kombination mit der langen Halbwertszeit von 147 Sm ergibt sich, daß die natürlichen Isotopenvariationen des 143Nd/144Nd in Gesteinen sehr

56 A. Radiogene Isotopensysteme

gering sind. Basische und ultrabasische Gesteine haben im Schnitt höhere Sm/Nd-Verhält- nisse als saure. Das Sm–Nd-System eignet sich daher zur Altersbestimmung vor allem von Basiten und Ultrabasiten, insbesondere wenn sie auch noch geologisch alt sind. Solche Gesteine zeichnen sich oft durch niedrige Rb/Sr-Verhältnisse aus, und so ergänzen sich beide Systeme bei der Geochronologie recht gut. Tabelle 7 gibt als Ergänzung zu Abbildung 45 typische Sm- und Nd-Gehalte für einige Gesteinstypen an. Es ist zu betonen, daß die Variation innerhalb einzelner Gesteinstypen sehr groß sein kann; hoch differenzierte Granite z.B. können sogar SE-Gehalte im sub- ppm-Bereich enthalten.

TABELLE 7: Mittlere Sm- und Nd-Gehalte einiger Gesteinstypen Gestein ppm Sm ppm Nd 147Sm/144Nd Peridotit (Lherzolith 0.2 0.5 0.24 Peridotit (Harzburgit) 0.005 0.020 0.15 MOR-Basalt 3.5 10 0.21 Alkalibasalt 7 40 0.11 Phonolith 14 80 0.11 Kimberlit 8 70 0.07 Granodiorit 6 30 0.12 Granit 8 40 0.12 Tonschiefer 10 60 0.10 Grauwacke 5 25 0.12

Die Isotopenent- 147 144 wicklung des Nd ist Sm/ Nd in Abbildung 46 der 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 des Sr schematisch gegenübergestellt, in klastische + chemische Sedimente der die Isotopenzu- sammensetzungen Granitoide gegen die Zeit aufge- tragen sind. Für Anorthosite beide Isotopensy- steme ist als Refe- Alkalibasalte Sm-Nd-Variation renz die Entwick- verschiedener lungslinie der Erde MORB Gesteinstypen (als ein homogenes Reservoir betrachtet, Peridotite identisch mit unfraktioniertem Erdmantel) eingetra- 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 gen. Wir stellen uns Sm/Nd ein Teilvolumen die- ses Reservoirs vor , ABBILDUNG 45 Variation des Verhältnisses Sm/Nd in Gesteinen das vor 2 Ga eine partielle Aufschmelzung erfahren möge. Im Rb–Sr-System ist das Rb das für die Silikate, die den Erdmantel aufbauen, inkompatiblere Element; es reichert sich daher bei der partiellen Aufschmelzung in den Schmelzen (Basalten) an und bei fraktionierter Kristallisation in den Restschmelzen. Der betrachtete Erdmantel, dem die Schmelze entzogen wird, hat anschlie- ßend ein niedrigeres Rb/Sr-Verhältnis von fast 0, und infolgedessen wächst sein 87Sr/ 86Sr nur noch langsam an (Das verdeutlicht, daß sich ultrabasische Gesteine für eine Rb–Sr- Datierung nicht gut eignen.), während es in der Schmelze, die als Basalt oder Gabbro oder

57 Das Sm–Nd-System

Diorit erstarren möge, wesentlich rascher wächst als in unfraktioniertem Erdmantel. 87Sr/ 86Sr=0.7025 ist ein typischer Wert für Erdmantel unter den Ozeanen, 87Sr/86Sr>0.715 typisch für viele Gesteine der kontinentalen Erdkruste. Im Sm–Nd-System ist das Nd das für Erdmantelminerale inkompatiblere Element. Daher verläuft die Entwicklung der Nd-Iso- tope in vielen Gesteinstypen derjenigen der Sr-Isotope umgekehrt. Als Beispiel diene wie- derum ein Stück bulk-earth oder Erdmantel, der vor 2 Ga partiell aufgeschmolzen werde. Da sich auf Grund ihrer größeren Inkompatibilität die leichten REE in der Teilschmelze über die schweren anreichern werden, hat die Teilschmelze ein Sm/Nd < bulk-earth und der resi- duale Erdmantel ein Sm/Nd > bulk-earth. Dementsprechend wird im Anschluß an den Auf- schmelzprozeß das 143Nd/144Nd im residualen Erdmantel rascher wachsen als im unfraktio- nierten Mantel und dort wieder rascher als in der ehemaligen Teilschmelze. Im Verlauf der Erdgeschichte ist die kontinentale Erdkruste durch eine Reihe von Differentiationsprozes- sen – z.B. in den Inselbögen – durch Extraktion aus dem Erdmantel entstanden. Man kann daher in diesem Diagramm die „mantle melt“ auch durch kontinentale Erdkruste ersetzen, und „depleted mantle“ steht für den größten Teil des Erdmantels sowohl unter den Ozea- nen als auch unter den Kontinenten. Unfraktionierter Erdmantel scheint dagegen bei Dif- ferentiationsprozessen nicht mehr in Erscheinung zu treten; ob es noch Relikte davon im oberen Erdmantel gibt, ist ungewiß. Die für t=0 angegebenen Werte sind als typisch für den heutigen ozeanischen Erdmantel (≈0.5132) bzw. für 2 Ga alte Kruste (≈0.5115–0.5120) gewählt. Die gesamte Nd-Isotopenvariation in Gesteinen auf der Erde liegt bis auf wenige obskure Ausnahmen zwischen ≈0.510 und 0.5135, macht also nur knapp 7‰ aus. Bei den Sr-Isotopen ist die untere Begrenzung ungefähr durch einen Wert von ≈0.701 gegeben (alte Granulite oder Eklogite), während eine Obergrenze kaum anzugeben ist. Schließt man gra- nitische Gesteine mit ihren hohen Rb/Sr-Verhältnissen aus und wählt anstatt dessen 0.740 als hohen Wert für klastische Sedimente (z.B. Devontonschiefer aus dem Rheinischen Schiefergebirge), dann erhält man schon ≈5.5% als Mindestvariation. Granite können in Extremfällen 87Sr/86Sr-Werte bis über 2 erreichen.

0.514 Reaktion des Sm-Nd- und des 0.716 Rb-Sr-Isotopensystems auf ein hypothetisches partielles Schmelzereignis im Schmelzereignis vor 2Ga 0.513 Erdmantel 0.712 87

Nd 0.512 La Lu “ La Lu Sr/ 144 86 residualer„bulk Mantel earth 0.708 Sr

Nd/ 0.511 143 Mantelpartialschmelze Mantelpartialschmelze La Lu „bulk-earth“ 0.704 0.510 residualer Mantel

0.509 0.700 -2.5-2 -1.5 -1 -0.5 0 -2.5 -2 -1.5 -1 -0.5 0 t [Ga] t [Ga]

ABBILDUNG 46 Das Sm–Nd-System verhält sich bei Aufschmelzprozessen im Erdmantel um- gekehrt wie das Rb–Sr-System. Mit einem modernen Massenspektrometer kann man bequem 87Sr/86Sr-Unterschiede von ≈30 ppm auflösen (≈±0.000020) und 143Nd/144Nd-Unterschiede von ≈20 ppm (≈±0.000010); die individuellen statistischen Meßfehler liegen, wenn sie niedrig sind, bei weniger als der Hälfte dieser Werte.

58 A. Radiogene Isotopensysteme

Woher kennt man die Entwicklungslinie der Nd-Isotope in der „bulk earth“? Nur dur ch Analogieschluß, indem man davon ausgeht, daß die Entwicklung des 143Nd/144Nd-Verhält- nisses in der Erde identisch ist mit der vieler Meteorite, insbesondere derjenigen der Chon- drite. Da die REE refraktäre Elemente sind, die bei der Kondensation der Erde aus dem Solarnebel nicht fraktionierten, nimmt man an, daß die Erde die REE in chondritischen Häufigkeitsverhältnissen enthält. Dieser Schluß mag allerdings falsch sein und die Erde ein um ca. 5% höheres Sm/Nd haben als Chondrite[67]. Die anschließende chemische Segrega- tion in den metallischen Erdkern und den Erdmantel hat nur dazu geführt, daß sich die REE im Erdmantel gegenüber den Chondriten um rund einen Faktor 1.5 anreicherten. Im Gegensatz dazu ist – infolge seiner Flüchtigkeit – weniger Rb verglichen mit Sr in die Erde bei ihrer Kondensation eingetreten als in die undifferenzierte Solarmaterie (Chondrite), so daß die Erde ein wesentlich niedriger als chondritisches Rb/Sr hat. Um die 143Nd/144Nd- 143 144 Entwicklungsgerade zu bestimmen, benötigt man den Initialwert ( Nd/ Nd)o des Son- nensystems bei der Entstehung der Erde vor ≈4.56 Ga, der identisch sein sollte mit dem der Meteorite, die zu dieser Zeit entstanden sind, d.h. der Chondrite oder Achondrite. Nun haben Chondrite definitionsgemäß eine chondritische REE-Verteilung, d.h. ein nahezu konstantes Sm/Nd. Das gilt auch für die meisten Achondrite. Man hat daher entweder die Möglichkeit, mit dem heutigen 143Nd/144Nd und ihrem Sm/Nd-Verhältnis das 143Nd/144 Nd auf die Zeit vor ≈4.56 Ga zurückzurechnen, Alter die v.a. die U–Th–Pb-Chronologie als Alter der Meteorite und damit vermutlich auch der Erde nahelegt. Die bessere Lösung ist aber die, das Alter der internen Äquilibrierung der Meteorite zu bestimmen, d.h. Mine- ralisochronen zu messen. Dazu eignen sich nur die Achondrite, deren Minerale – im Gegensatz zu denen aus Chondriten – eine genügend große Sm/Nd-Fraktionierung zeigen, da sie ehemals im Gleichgewicht mit einer Schmelze standen, also eine Hochtemperatur- fraktionierung erlebt haben. G.W. Lugmair wählte ursprünglich den Achondriten Juvinas 143 144 aus, für den er ein ( Nd/ Nd)o von 0.50670±10 (bias corrected) bei einem Alter von 4.56±0.08 Ga erhielt. Dieser Wert ist durch Analyse weiterer Achondrite verfeinert worden, und als bester Initialwert gilt ca. 0.50663 bei einem Alter von 4.60 Ga[66]. Der heutige 143Nd/144Nd-Wert der Chondrite liegt bei ≈0.512638. Daraus resultiert nach GL 61 ein 147Sm/144Nd-Verhältnis von 0.1967 (≡Sm/Nd von 0.3254)[68]. Damit ist die Nd-Isotopen- entwicklungskurve der Erde vollständig bestimmt. In den meisten Veröffentlichungen wird die Nd-Isotopenzusammensetzung nicht nur als 143 144 ε ε ε ε Nd/ Nd, sondern zusätzlich als Nd ( Chur, bulk-earth, Juv) angegeben. Damit ist die rela- tive Abweichung (in 10000stel) der Nd-Isotopie einer Probe von der Isotopie einer Bezugs- probe gemeint, für die das 143Nd/144Nd einer Probe mit chondritischem Sm/Nd gewählt wird, also Chondrite (Chur) oder die Erde (bulk-earth) oder – früher – der Achondrit Juvi- nas (Juv). Dessen 147Sm/144Nd beträgt jedoch nur 0.1936 und daher ist sein 143Nd/144 Nd heute mit 0.512566 etwas niedriger als das der Chondrite oder der Erde. Der ε-Wert läßt sich berechnen nach:

⎡ ⎤ ()143Nd 144 Nd ε = ⎢ Probe − ⎥ × 4 ⎢ 110⎥ [GL 62] ()143Nd 144 Nd ⎣⎢ Bezugsreservooir ⎦⎥

⎡()143Nd 144 Nd ⎤ ε = ⎢ Probe − ⎥ × 4 ⎢ 110⎥ [GL 63] ⎣ 0. 512638 ⎦ Eine Probe mit 143Nd/144Nd>0.512638 hat daher ein positives, eine solche <0.512638 ein ε ⇒ negatives Nd [z.B. ein mittelozeanischer Rückenbasalt (MORB) mit 0.5132 11.0, ein Ton- schiefer mit 0.5120 ⇒ -12.4]. ε ε Nd(T) steht für das Nd einer Probe, zurückgerechnet auf eine Zeit t vor heute. Um z.B. ε 143 144 Nd(500Ma) ausrechnen zu können, müssen das Nd/ Nd der betrachteten Probe und das der „bulk-earth“ auf 500Ma vor heute zurückgerechnet werden.

59 Das Sm–Nd-System

Die Angabe einer relativen Isotopenzusammensetzung findet man unter anderem auch ε ε ε γ beim Sr ( UR, UR= uniform reservoir), Hf ( Hf), W ( W), Os ( Os als Prozentabweichung) sowie als Promilleabweichung δ und in ε-Form bei den stabilen Isotopen (δ18O, δ13C). Während die ε-Angabe für die Hf-Isotope immerhin den Vorteil hat, daß man sich nur Zah- len zwischen vielleicht -20 und +20 merken muß, und die ε-Angabe für das Sr gänzlich überflüssig ist, hat sie beim Nd einen ganz realen und sinnvollen Hintergrund. Während ε ε ε nämlich die Nd-, Chur- oder bulk-earth-Werte, die von verschiedenen Labors angegeben wer- den, direkt miteinander vergleichbar sind, ist das für die 143Nd/144Nd-Verhältnisse nicht der Fall. Das liegt an unterschiedlichen Normierungen der Meßwerte (siehe Kapitel 7.0, Seite 77). Für einige Laboratorien (insbesondere California Institute of Technology, Univer- sity of California–Berkeley, NASA-Houston) ergibt sich ein Wert von 143Nd/144Nd = 0.511847 für das Bezugsreservoir, der anstelle von 0.512638 in GL 63 einzusetzen ist. 5.2 Sm–Nd – Anwendung zur Datierung Auf Grund der langen Halbwertszeiten von 147Sm und der geringen Sm/Nd-Fraktionierung eignet sich das Sm–Nd-Isotopensystem bevorzugt zur Datierung von geologisch alten (prä- kambrischen) Gesteinen. Hier gilt es als stabiler als das Rb/Sr-System, weil die REE weniger mobil sind als Rb und weil Sm und Nd weniger voneinander fraktionieren als Rb und Sr. Mit der Analyse von Gesamtgesteinen scheint man oft durch die Metamorphosen „hin- durchschauen“ zu können und magmatische Ereignisse zu datieren. Wie bereits früher erwähnt, eignet sich das Sm–Nd-System vor allem zur Datierung mafischer Gesteine, da diese sich durch höhere Sm/Nd-Verhältnisse und damit rascheres Wachstum des 143Nd/ 144Nd auszeichnen als saure Gesteine.

0.513 Metabasalt „Bimodal Suite – Metabasalt Ancient Gneiss 0.512 Complex“, Swaziland t = 3417±34Ma Dioritgneis εNd(t) = 1.1±0.6 saurer Gneis

Nd 0.511 144 Tonalitgneis Nd/ 0.510 Monzonitgneis 143

0.509

Initialwert: 0.508249±31 0.508 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 147Sm/144Nd

ABBILDUNG 47 Sm–Nd-Isotopenbeziehungen für eine bimodale Suite von archaischen Gneisen in Swaziland Abbildung 47 für die Bimodal Suite[69] des Ancient Gneiss Complexes im südlichen Afrika gibt aber auch einen Einblick in die Problematik von Sm–Nd-Gesamtgesteinsdatierungen. Die Datenpunkte liegen exakt auf einer Geraden; überzeugende Hinweise für eine Mischungs- linie gibt es nicht. Darf man die Gerade daher als Isochrone betrachten? Problematisch sieht es nämlich mit der Erfüllung einer anderen Voraussetzung für das Vorliegen einer

60 A. Radiogene Isotopensysteme

Isochrone aus: Die Proben variieren von sauren Gneisen bis hin zu Gesteinen mit basalti- scher Pauschalzusammensetzung. Sind die Proben dann kogenetisch? Diese Frage ist sicherlich zu verneinen, und man muß sich fragen, was die vermeintliche Isochronenbe- ziehung dann bedeuten kann. Es ist denkbar, daß die Gesteinssuite innerhalb geologisch kurzer Zeit aus einem von der Nd-Isotopie einigermaßen homogenen Mantel differen- zierte; die Stadien zwischen Kristallisation des Basaltmagmas und Granitoidbildung (z.B. durch Aufschmelzung anderer aber gleich alter in der tiefen Kruste kristallisierter Basalte oder durch fraktionierte Kristallisation von Basaltmagmen) waren so kurzlebig, daß die Gesteine innerhalb des zeitlichen Auflösungsvermögens der Methode gleich alt erschei- nen. Sm–Nd-Isochronenbeziehungen, die derart verschiedene Gesteinstypen umfassen, werden in ihrer Interpretation notwendigerweise umstritten bleiben. Wegen der großen geochemischen Ähnlichkeit von Sm und Nd verhält sich dieses Isotopensystem aber zwei- fellos stabiler als das Rb–Sr-System gegenüber sekundären Veränderungen, z.B. Aufheizun- gen im Zuge einer Metamorphose. So liefert das Rb–Sr-System für dieselben Proben aus dem Ancient Gneiss Complex keine akzeptable lineare Beziehung (Abbildung 48). Anderer- seits sollte gerade diese Diskrepanz Anlaß geben, sorgsam zu prüfen, ob die linearen Sm– Nd-Beziehungen vielleicht durch Magmenmischung erworben wurden (siehe auch Kapitel 6.0, Seite 69). Zur Aufnahme von Sm– 0.95 Nd-Mineralisochronen eignen sich unter den „Bimodal Suite – Mineralen in Magmatiten Ancient Gneiss saurer Gneis Monzonit- 0.90 vor allem Pyroxen-Plagio- Complex“, Swaziland gneis klas-Paragenesen, weil Pyroxene vergleichs- 0.85 weise hohe und Plagio- Sr klase sehr niedrige Sm/ 86

Nd-Verhältnisse haben. Sr/

87 0.80 In metamorphen Gestei- nen ist der Granat das wichtigste Mineral für 0.75 Sm–Nd-Datierungen; er Meta- Tonalitgneis basalt kann Sm extrem hoch Dioritgneis über Nd in sein Gitter Metabasalt 0.70 einbauen und hat damit 0 1 2 3 4 5 6 zumindest potentiell eine 87Rb/86Sr ähnlich große Bedeutung wie die Glimmer für das Rb–Sr-System. Ein Bei- ABBILDUNG 48 Die Rb–Sr-„Isochrone“ für dieselbe Suite ist we- spiel einer Mineraliso- sentlich schlechter definiert. chrone ist in Abbildung 49 für einen Eklogit aus dem Münchberger Gneisgebiet aufge- führt[70]. Die Sm/Nd-Fraktionierung von Granat ist in diesem Beispiel so hoch, daß sich möglicherweise sogar deren Wachstum ansatzweise rekonstruieren läßt. Die genaue Rekon- struktion scheitert daran, daß für die Analyse eine Anzahl von Körnern benötigt wird; dabei ist die Auftrennung in verschiedene Wachstumszonen beim Auslesen von Hand schwierig. Zweipunktisochronen sind für Metamorphite recht beliebt geworden, die aus Datenpunk- ten für das Gesamtgestein und Granat bestehen. Das mag ausreichend sein, solange das Gestein mineralogisch und texturell äquilibriert ist, d.h. solange nicht Minerale oder Tex- turen vorhanden sind, die in verschiedenen Entwicklungsphasen des Gesteins entstanden sind. So wurde z.B. bei Untersuchung eines Übergangs von Gabbro in Eklogit gefunden, daß Minerale aus mineralogisch und texturell sich im Ungleichgewicht befindenden Gesteinen nicht auf eine Gerade im Sm–Nd-System fallen; die Minerale mit extremen Sm/ Nd- und 143Nd/144Nd-Verhältnissen bilden vielmehr die Ecken eines Dreiecks, in das

61 Das Sm–Nd-System

irgendwo die Zusammensetzung des Gesamtgesteins fällt[71]. Potentielle Probleme mögen sich auch z.B. ergeben, wenn unter trockenen Bedingungen Granate diffusionskontrolliert vor allem auf Kosten von Plagioklasen wachsen und Klinopyroxene auf Kosten von Amphibolen (oder bereits im Ausgangsgestein vorhanden waren und sich nur chemisch an die neuen P–T-Bedingungen anpassen). Plagioklase haben sehr niedrige Sm/Nd-Verhält- nisse und entwickeln im Lauf der geologischen Zeit entsprechend niedrige Nd-Isoto- pien.Da Diffusion allein nicht sehr effektiv sein wird, die Isotopenzusammensetzungen bei der Metamorphose zu homogenisieren, könnte der Granat auf diese Art seine Geschichte mit einem niedrigeren 143Nd/144Nd beginnen als die übrigen Minerale des Gesteins. Beträchtliche Unsicherheit besteht in der Frage, bei welchen Temperaturen der Nd-Isoto- penaustausch in Granat zum Erliegen kommt. Vielfach wird davon ausgegangen, daß die „Schließungstemperatur“ in Granaten aus Eklogiten und Granuliten bei ≈800 – 1000°C liegt[72],[73],[74]; damit würde die Temperatur der Granatkristallisation angezeigt. Angenom- men wird dabei, daß die mit Hilfe verschiedener Geothermometer abgeleitete Temperatur des Gesteins die Nd-Schließungstemperatur angibt. Nach einer anderen Ansicht sind Sm– Nd-Alter von Mineralen aus Granuliten, die i.w. durch Granat bestimmt werden, jedoch Abkühlalter[75]. Diese Interpretation gründet sich auf den Befund, daß das U–Pb-System von Mineralen aus denselben Gesteinen oder zumindest demselben Gebiet z.T. signifikant höhere Alter liefert. Nach der Diskussion auf Seite 35 und folgenden wird von Fall zu Fall zu prüfen sein, inwieweit Texturen, Mineralzonierungen und Reaktionsgefüge Hinweise auf die Kristallisationsabfolge der Minerale und die Abkühlungs- und Deformations- geschichte der Gesteine liefern und damit eine Erklärung für mit unterschiedlichen Isoto- pensystem gewonnene unterschiedliche Alter.

0.522 Eklogit Weißenstein Granat (Münchberger Gneisgebiet) t = 395±4Ma (Ränder) 0.520 ε (t) = 8.3±0.2 Nd Granat (Ränder)

t = 384±2Ma

0.518 Nd Granat (Kerne) 0.5140 144 Cpx II

Nd/ 0.5136 0.516 143 0.5132 Amphibol Cpx I Gesamtgestein 0.514 0.5128 Cpx II

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.512 0 1 2 3 4 147Sm/144Nd

ABBILDUNG 49 Sm–Nd-Mineralisochrone für Eklogite aus dem Münchberger Gneisgebiet. Die Granate sind chemisch zoniert; ihre Kerne scheinen etwas älter zu sein als die Ränder.

62 A. Radiogene Isotopensysteme

5.3 Nd-Isotope als Tracer und die Korrelation zwischen Sr- und Nd- Isotopen Infolge der unterschiedlichen Inkompatibilitäten von Mutter und Tochter in den Isotopen- systemen Rb–Sr und Sm–Nd findet man in den Gesteinen des Erdmantels und solchen, die sich durch partielle Aufschmelzung daraus ableiten, meistens eine inverse Korrelation zwi- schen ihren Rb/Sr- und Sm/Nd-Verhältnissen. Da im Verlauf der Erdgeschichte verschie- dene Teile des Erdmantels eine Reihe von Magmenextraktionsprozessen unterschiedlichen Ausmaßes erfahren haben, hat sich infolge der über lange Zeit unterschiedlichen Sm/Nd- und Rb/Sr-Verhältnisse in den Gesteinen des Erdmantels eine grob inverse Korrelation zwi- schen den Sr- und den Nd-Isotopen ausgebildet, den man als den mantle array bezeichnet hat; diese Bezeichnung wird jedoch nur noch selten verwandt, weil das Korrelationsband mit der Zahl der zur Verfügung stehenden Analysen immer breiter wurde. Danach ist der ozeanische Erdmantel, aus dem die MOR-Basalte stammen, zeitintegriert stark an inkom- patiblen Elementen verarmt, verglichen mit dem Mantel, aus dem sich die Basalte der Ozeaninseln wie Hawaii oder Samoa ableiten (siehe Abbildung 102, Seite 134; der mantle array entspricht darin ungefähr dem Feld von MORB und dem von Hawaii) oder wie der Mantel, der an der Bildung der Basalte der Inselbögen beteiligt war (in Abbildung 102 nicht dargestellt, um den möglichen Einfluß durch Assimilation kontinentaler Kruste zu elimi- nieren).

Feld der Sr-Nd- Relation zwischen Sr- und Nd- Korrelation

10 verarmt Isotopenzusammensetzung der ozeanischer Basalte kontinentalen Erdkruste „bulk-earth“ 0

phanerozoische -10 Kruste mit hohem (Sedimente, Granitoide,archaische KrusteMetamorphite mit hohem ohne Rb/Sr Granulite) Rb/Sr (Granitoide, Nd

ε Sedimente) -20 angereichert

-30

alte Kruste mit niedrigem Rb/Sr -40 (Granulite)

-50 0.700 0.710 0.720 0.730 0.740 0.750 87Sr/86Sr

ABBILDUNG 50 Variation von Sr- und Nd-Isotopien in Gesteinen der kontinentalen Kruste. Die Pfeile geben die Richtung der Änderung der Isotopien als Funktion der (nicht spezifizierten) geologischen Zeit wieder. Das flächig markierte Feld gibt die ungefähren Begrenzungen für Gesteine der kontinentalen Kruste an. Im Bereich links und oberhalb der gestrichelten sich im bulk-earth-Punkt kreuzenden Linien liegt das Feld der zeitintegriert an Nd relativ zu Sm und Rb relativ zu Sr verarmten Gesteine (bzw. Quellregionen der Gesteine, insbe- sondere der Erdmantel), im Bereich rechts und unterhalb dieser Linien das Feld der zeitintegriert angereicherten Materialien, insbesondere die konti-

63 Das Sm–Nd-System

nentale Oberkruste. Die beiden übrigen Quadranten sind seltener belegt; links unten liegen insbesondere alte Granulite, die zwar eine relative Anrei- cherung der leichten REE zeigen, aber Rb-arm sind und damit ein sehr klei- nes Rb/Sr haben; rechts oben liegt z.B. stark hydrothermal alterierte Ozeankruste. Die heutige Nd-Isotopie der chondritischen Meteorite von ≈0.512638 gilt auch für die Erde, wenn man davon ausgeht, daß die Erde, als ein einziges homogenes Reservoir betrachtet, Sm und Nd in chondritischem Verhältnis enthält. Aus der Korrelation der Sr- und Nd-Isotope für ozeanische Basalte folgt, daß dem chondritischen 143Nd/144Nd-W ert ein 87Sr/86Sr-Verhältnis von ≈0.7045 – 0.7052 entspricht, das man in erster Näherung als Sr- Isotopie der Gesamterde ansehen kann – vorausgesetzt die Sr-Isotopie der Erdkruste ist davon nicht zu weit entfernt, und es gibt im tieferen Erdmantel keine Reservoire, die nicht an der Produktion von Basaltmagmen beteiligt waren und völlig andere Rb/Sr-Verhältnisse haben. Wenn das 147Sm/144Nd der Erde allerdings um ca. 5% über dem chondritischen Ver- hältnis liegt[67], läge das heutige ε143Nd der Erde um +5 und für 87Sr/86Sr würde ein Verhält- nis um 0.7035 für den heutigen Silikatteil der Erde resultieren. Die Gesteine, welche die kontinentale obere Erdkruste aufbauen (Granitoide, klastische Sedimente), zeichnen sich durch eine außerordentlich hohe Variation ihrer Rb/Sr-Verhält- nisse aus, während ihre Sm/Nd-Verhältnisse einander sehr ähnlich sind. Infolgedessen wird für diese Gesteine auch keine Korrelation mehr zwischen 87Sr/86Sr und 143Nd/144 Nd beobachtet (mit der eventuellen Ausnahme von genetisch zusammengehörenden Gesteinskomplexen), was besonders deutlich am Beispiel von Granitoiden und deren metamorphen Äquivalenten wird (siehe Abbildung 50, die nach verschiedenen Literatur- daten zusammengestellt ist). Da die Fraktionierung von Sm und Nd in der Natur sehr gering ist, verglichen mit der von Rb und Sr, kann man aus dem 143Nd/144Nd eines Gestein oft einen ganz groben Alters- hinweis ablesen. Abbildung 50 zeigt z.B., daß präkambrische Granitoide bzw. Gneise 143Nd/144Nd<0.5120 haben, phanerozoische Granitoide und Gneise von durchweg >0.5120 – vorausgesetzt sie sind nicht durch Assimilation oder Aufschmelzung von geologisch alter Kruste entstanden. Diese grobe Korrelation zwischen 143Nd/144Nd und dem Alter kann man quantitativ als sogenanntes Modellalter ausdrücken. 5.4 Modellalter Der Begriff des Modellalters ist nicht für ein bestimmtes Isotopensystem definiert sondern allgemein. Unter einem Modellalter versteht man die Zeit, zu der ein Gestein dieselbe Iso- topenzusammensetzung hatte wie das Material, das zum Vergleich herangezogen wird, in der Regel das (hypothetische) Material, aus dem das interessierende Gestein entstanden ist. Falls sich die Isotopie des Bezugsreservoirs halbwegs linear mit der Zeit entwickelt, kann man das Modellalter als durch eine Zweipunktisochrone bestimmbar ansehen; der zweite Datenpunkt ist das heutige Sm/Nd- und 143Nd/144Nd-Verhältnis (bzw. Rb/Sr und 87Sr/86 Sr, analog für andere Isotopensysteme) des Bezugsreservoirs. Voraussetzung für die Berech- nung eines vernünftigen Modellalters ist daher, daß man eine begründete Annahme für die Isotopie des Ausgangsmaterials machen kann. Meist wird das nur schwer möglich sein, weil dieses Material nicht zugänglich ist. So wird bei einem Granit, der durch Aufschmel- zung von kontinentaler Unterkruste entstanden ist, das Ausgangsmaterial nicht zur Bepro- bung zur Verfügung stehen, auch wenn potentiell hochmetamorphe Al-reiche Metapelite der Umgebung in Verdacht stehen, die Restite dieses Prozesses zu sein. Außerdem ist die Isotopie der Kruste ziemlich heterogen, was sicherlich auch für die Quellregion der Granite gilt. Sm–Nd-Modellalter werden daher meist anders berechnet (Abbildung 51): Es gibt eine Reihe von Indizien dafür, daß im Lauf der Erdgeschichte die kontinentale Kru- ste letztlich durch Differentiationsprozesse aus dem Erdmantel gebildet worden ist. Man nimmt daher meist an, daß der zweite Modellpunkt der Isochronen der Erdmantel ist, und zwar nicht chondritischer, sondern ein als Folge der Differentiationsprozesse an inkompa-

64 A. Radiogene Isotopensysteme

tiblen Elementen verarmter Erdmantel. Das so berechnete Modellalter wird auch oft, ins- besondere wenn es sich um klastische Sedimente handelt, als crustal residence age bezeich- net. Dieser Ausdruck beinhaltet, daß man nicht davon ausgehen darf, das betrachtete Gestein sei direkt aus dem Erdmantel entstanden. Ein Sediment kann z.B. aus der Verwit- terung von anderen Sedimenten entstanden sein, die ihrerseits bereits aus anderen Sedi- menten hervorgegangen sind, die wiederum Verwitterungsprodukte von Granitoiden sind etc. Daß man dennoch im Fall des Sm–Nd-Isotopensystems auch für ein solches Beispiel noch ein vernünftiges Modellalter erhalten kann, ergibt sich daraus, daß mit der Bildung und Umlagerung von Sedimenten keine wesentliche Fraktionierung des Sm/Nd-Verhält- nisses einhergeht, so daß auch das Sm/Nd von solchen umgelagerten Sedimenten noch repräsentativ ist für das ihres ehemals magmatischen Ausgangsgesteins.

0.5130 Illustration eines Modellalters: Die Isotopie der interessierenden Probe wird zeitlich zurückgerechnet, bis ihre Entwicklungs- kurve sich mit der Entwicklung eines Modell- 0.5125 reservoirs schneidet. dmantel) Nd

144 0.5120 verarmter oberer Erdmantel servoir (primitiver Er

Nd/ Orthogneis

143 0.5115 chondritisches Re

0.5110 Modellalter alter Metamorphosealter Modell- 0.5105 1.5 1 0.5 0 t [Ga]

ABBILDUNG 51 Ob ein Modellalter sinnvoll ist, hängt davon ab, wie sinnvoll die Wahl des Modellreservoirs ist, gegen welches das Alter der interessierenden Probe er- rechnet wird.

Wenn Modellalter irgendeine geologische Bedeutung haben sollen, muß eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein[76]: 1. Die Wahl des Modellpunktes muß sinnvoll sein. Die Wahl von chondritischem (un- fraktioniertem) Erdmantel als Modellpunkt kann genauso sinnvoll oder sinnlos sein wie die Wahl von an inkompatiblen Elementen verarmtem Erdmantel. Bei Wahl von unfraktioniertem Erdmantel werden die Nd-Modellalter für Granitoide etc. (Gesteine mit Sm/Nd < chondritisch) niedriger sein als bei Wahl von ozeanischem Erdmantel. 2. Die Isotopenentwicklung, d.h. sowohl Sm/Nd als auch 143Nd/144Nd von interessieren- dem Gestein und dessen Ausgangsmaterial (z.B. dem verarmten Erdmantel) muß genü- gend voneinander abweichen, so daß in einem 143Nd/144Nd – Zeit-Diagramm der Schnittpunkt der beiden Isotopenentwicklungslinien wohl definiert ist. Da basische Gesteine, insbesondere wenn sie höhere Aufschmelzgrade des Erdmantels repräsentie- ren, oft relativ hohe Sm/Nd-Verhältnisse haben, lassen sich für Basite nur selten solche Modellalter ableiten. 3. Die Isotopenentwicklung des Modellreservoirs muß hinlänglich bekannt sein. Das ist für den oberen Erdmantel der Fall. Die Isotopenentwicklung kann aber nicht als völlig

65 Das Sm–Nd-System

linear mit der Zeit angenommen werden, da die großen Krustenbildungsprozesse epi- sodisch und nicht kontinuierlich verliefen. Eine ganz grobe Abschätzung der Isotopen- ε entwicklung des verarmten Erdmantels kann nach der empirischen Formel Nd(t) = 0.25t2 – 3t + 8.5 [T = Alter in Ga] vorgenommen werden[77]. Man wird aber nicht davon ausgehen dürfen, daß zu jedem Zeitpunkt überall die Isotopenzusammensetzung des Erdmantels identisch ist, weil die Verarmung an inkompatiblen Elementen episodisch und lokalisiert, insbesondere bei Orogenesen, ist. Für die praktische Berechnung des Nd-Modellalters mit dem verarmten Erdmantel als Bezugsreservoir eignet sich diese Abschätzung der Nd-Isotopie des Mantels nicht be- sonders, da die resultierende Gleichung nur iterativ lösbar wird. Man kann alternativ auch von einer zeitlich linearen Änderung der Nd-Isotopie des verarmten oberen Erd- mantels ausgehen, weil der Beitrag des quadratischen Gliedes der Gleichung gering ist. Da das Modellalter die Zeit ist, zu der die interessierende Probe dieselbe Isotopie hatte wie das Bezugsreservoir, gilt:

⎛ 143 ⎞ ⎛ 147 ⎞ ⎛ 143 ⎞ ⎛ 147 ⎞ Nd Sm λ Nd Sm λ ⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ()e t − 1 = ⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ()e t − 1 ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ Nd ProbeNd Probe Nd dm Nd dm

⎛ 147 ⎞ ⎛ 147 ⎞ ⎛ 143 ⎞ ⎛ 143 ⎞ Sm λ Sm λ Nd Nd ⎜ ⎟ ()e t − 1 − ⎜ ⎟ ()e t − 1 = ⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ Nd dm Nd Prrobe Nd dm Nd Probe

⎛ 143 ⎞ ⎛ 143 ⎞ Nd − Nd ⎜ 144 ⎟ ⎜ 144 ⎟ λ ⎝ Nd ⎠ ⎝ Nd ⎠ ()e t − 1 = dm PProbe ⎛ 147 ⎞ ⎛ 147 ⎞ Sm − Sm ⎝⎜ 144 ⎠⎟ ⎝⎜ 144 ⎠⎟ Nd dmNd Proobe

⎡⎛ 143 ⎞ ⎛ 143 ⎞ ⎤ ⎢ Nd − Nd ⎥ ⎜ 144 ⎟ ⎜ 144 ⎟ 1 ⎢⎝ Nd ⎠ ⎝ Nd ⎠ ⎥ t = ln dm Proobe + 1 [GL 64] λ ⎢⎛ 147 ⎞ ⎛ 147 ⎞ ⎥ ⎢ Sm − Sm ⎥ ⎢⎝⎜ 144 ⎠⎟ ⎝⎜ 144 ⎠⎟ ⎥ ⎣ Nd dmNd Probe ⎦

mit dm = „depleted mantle“, dessen 143Nd/144Nd mit ≈ 0.5131 und 147Sm/144Nd mit 0.22 angesetzt werden kann. 4. Der Differentiationsprozeß muß innerhalb kurzer Zeit ablaufen, d.h. Zwischenstufen der Differentiation mit einem vom Endprodukt sehr verschiedenen Sm/Nd-Verhältnis und damit unterschiedlicher Wachstumsgeschwindigkeit des 143Nd/144Nd dürfen nur geologisch kurze Zeit bestanden haben. Wenn sich z.B. aus dem Erdmantel zuerst ein Gabbro bildet und daraus erst einige 100Ma später der Granit, dessen Modellalter man errechnen will, dann wird dieses Modellalter, je nachdem ob der Gabbro ein höheres oder niedrigeres Sm/Nd-Verhältnis hatte als der Granit, niedriger oder höher ausfallen als das wahre crustal residence age. 5. Bei späteren krustalen Prozessen, z.B. sedimentärer Umlagerung, tritt keine Änderung des Sm/Nd ein, was sich genauso auswirken würde wie unter 4.) beschrieben. In Anbetracht der vielen Unbekannten, die in die Berechnung der Modellalter eingehen, darf man nicht erwarten, auf diese Weise geologisch genau definierte Alter zu erhalten, sondern wird schon einige 100Ma als Unsicherheit zulassen müssen. Zur genauen Datie- rung ist das Verfahren daher unbrauchbar mit Ausnahme der seltenen Fälle, in denen die Isotopenzusammensetzung des Bezugsreservoirs nicht kritisch für die Altersberechnung ist (Z.B. werden im Rb–Sr-System Modellalter von Glimmern meist recht exakt das geologi- sche Alter ihrer magmatischen oder metamorphen Entstehung widerspiegeln infolge ihrer extrem hohen Rb/Sr-Verhältnisse. Für 87Rb/86Sr = 10 und 87Sr/86Sr = 0.900, ist t = 1.39 Ga,

66 A. Radiogene Isotopensysteme wenn das Modellreservoirs ein 87Rb/86Sr = 0 und 87Sr/86Sr = 0.700 hat; es liegt bei 1.34 Ga für Modellwerte von 87Rb/86Sr = 0.1 und 87Sr/86Sr = 0.710).

Mit Hilfe der Nd-Mo- 5 dellaltersystematik hat Initiale Nd-Isotopien krustaler man z.B. erschlossen, kale- Gesteine aus Mitteleuropa daß die kontinentale 0 donisch Kruste in Mitteleuropa 1.4Ga herzynisch Metamorphite (Gneise, Granitoide, Granitoide Sedimente klastische Sedimente) -5 1.7Ga überwiegend „crustal residence ages“ von 2.0Ga ≈1.6 – 2.0 Ga aufweist (t) -10 Nd

(Abbildung 52[78]; die ε Geraden stellen die -15 Entwicklung der initia- 2.5Ga len ε-Werte dar, die für Kruste im Mittel zu er- -20 warten ist, die zu den angegebenen Zeiten 3.0Ga durch Differenzierung -25 aus dem Erdmantel ex- 600 400 200 0 t [Ma] trahiert wurde.) und daß das mittlere Alter ABBILDUNG 52 Initiale Nd-Isotopien der kontinentalen Kruste Mittel- der kontinentalen Erd- europas. kruste weltweit um ca. 2 Ga liegt.

Bei der Analyse von Grani- 3500 toiden, die potentiell aus ] Zusammenhang zwischen den verschiedensten Aus- Nd-Modellalter und gangsgesteinen entstehen 3000 geologischem Alter für können, ist die Modellalter- Granitoide systematik zuweilen auch noch zu etwas anderem 2500 nütze (siehe Abbildung 53[79] mit zusätzlichen 2000 Daten aus [77], [78], [79] , erarmtem Erdmantel [Ma Erdmantel erarmtem [80]). Wenn man das Nd- v

Modellalter gegen das geolo- zu 1500 gische Alter aufträgt, stellt iv man fest, daß die Differenz dieser beiden „Alter“ umso 1000 größer ist, je jünger die Gra- nitoide sind, auch wenn die Relation für hohe Alter zuge- 500 gebenermaßen nur mit wenigen Daten belegt ist. Bis relat Nd-Modellalter, vor ≈2 Ga sind geologisches 0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 und Modellalter mehr oder geologisches Alter [Ma] weniger identisch. D.h. jene alten Granite müssen inner- ABBILDUNG 53 Die Nd-Modellalter phanerozoischer Granitoide halb geologisch kurzer Zeit sind meist wesentlich höher als die geologischen Alter, weil sie durch Differentiation aus in der Regel nur eine geringe I-Typ-Komponente aufweisen. dem Erdmantel entstanden sein. Dagegen gibt es unter den phanerozoischen Granitoiden offensichtlich alle Über-

67 Das Sm–Nd-System

gänge zwischen solchen, die innerhalb kurzer Zeit aus dem Erdmantel differenziert sein müssen und solchen, die vollständig durch Aufschmelzung älteren Krustenmaterials ent- standen sind. Dieser Befund läßt sich auch am Beispiel der 10 Nd-Isotopie des Erdmantels mesozoisch-käno- Nd-Isotopenzusammen- zoischen Batholithe im 5 Westen der USA von setzung der Granitoide Kalifornien bis Utah im Westen der U.S.A. demonstrieren (siehe 0 Abbildung 54). Die Bil- Nd-Isotopie der Kruste unterhalb 10km dung dieser Batholithe -5 steht im Zusammen- Nd ε hang mit der Subduk-

tion der pazifischen ales -10 i t Platte unter den nord- i n amerikanischen Konti- I nent. In der Abbildung -15 ε sind die initialen Nd- Werte dieser Grani- -20 ε toide (also Nd zur Zeit ihrer Intrusion) gegen Kalifornien Nevada Utah die Entfernung von der -25 Westküste aufgetra- 0 200 400 600 800 1000 1200 gen. Entlang der West- km Entfernung von der Pazifikküste küste findet man hohe ε ABBILDUNG 54 Variation der initialen Nd-Isotopien von Granitoiden initiale Nd-Werte, die fast dem des verarmten im Westen der U.S.A. als Funktion des Abstands von der (ehemali- ozeanischen oberen gen) Subduktionszone Erdmantels entspre- chen. Diese Granitoide enthalten daher fast ausschließlich Erdmantel-Nd. Die initialen ε Nd-Werte sinken in Richtung Inland und sind im Osten von Nevada nicht mehr unter- scheidbar von den Werten, die man für die kontinentale Erdkruste dort annimmt, d.h. dort ist kein Einfluß des Erdmantels (bzw. in diesem Fall der subduzierten ozeanischen Kruste) in den Granitoiden mehr zu erkennen; die Bildung dieser Granitoide kann daher nicht mehr in Zusammenhang mit der Subduktion gestellt werden. Diese Abbildung macht jedoch auch die Grenzen der Modellalterberechnung deutlich: Offensichtlich gibt es unter den Granitoiden alle Übergänge zwischen solchen, die sich aus dem Erdmantel und sol- chen, die sich aus der kontinentalen Kruste ableiten. D.h. die Batholithe entlang der West- ≈ küste hätten TDM 0; was in guter Näherung ihrem geologischen Alter entspräche, die im Osten von Utah hätten TDM, die in guter Näherung dem tatsächlichen „crustal residence age“ in dieser Region entspräche (≈1.8 – 2.5 Ga), während alle übrigen Alter reine Mischal- ter wären ohne jegliche geologische Bedeutung.

68 A. Radiogene Isotopensysteme

6.0 Zweikomponentenmischungen

Lineare Beziehungen in einem Isochronendiagramm brauchen nicht immer Alterssignifi- kanz zu haben, sondern können auch durch Mischen von 2 Komponenten erzeugt werden, die unterschiedliche Isotopenzusammensetzungen und Elementverhältnisse aufweisen. Beispiele für Mischungsvorgänge in der Natur sind Magmenkontamination durch Assimi- lation von Nebengestein, Mischung verschiedener Magmen, die Bildung von Sedimenten aus Gesteinen unterschiedlicher Herkunft oder die Durchmischung von Fluß-, See- und Ozeanwasser. Für die Mischung von 2 Komponenten A und B definieren wir einen Mischungsparameter f als

f = a / (a+b) [GL 65]

aψ [analog für >2 Komponenten: fψ ==;1∑fψ ], wobei a und b die Massen der bei- ∑ aψ ψ ψ =…AB, den Komponenten in der Mischung darstellen, d.h. f ist der Bruchteil von A in der Mischung M der Masse m = a + b. Die Konzentration eines beliebigen Elementes X in dieser Mischung ist gegeben durch die Massenbilanzgleichung × × × xM = xA f + xB (1 – f) = f (xA – xB) + xB [GL 66]

= [für beliebig viele Komponenten: xxfM ∑ ()ψψ ] oder, nach f aufgelöst ψ =…AB,

f = (xM – xB) / (xA – xB) [GL 67]

mit xA und xB = Konzentration des Elements X in Komponente A bzw. B. Betrachtet man zusätzlich ein zweites Element Y, so gilt dafür eine analoge Gleichung:

f = (yM – yB) / (yA – yB) [GL 68] Durch Gleichsetzen der beiden Gleichungen GL 67 und GL 68 läßt sich der Mischungs- parameter f eliminieren, und es ergibt sich

(xM – xB) / (xA – xB) = (yM – yB) / (yA – yB) [GL 69] × yM = [(xM – xB) / (xA – xB)] (yA – yB) + yB × × yM = [(xM – xB) (yA – yB) + yB (xA – xB)] / (xA – xB) × × × × × × yM = (xM yA – xM yB – xB yA + xB yB + xA yB – xB yB) / (xA – xB)

yy− xy− xy yx=×AB+ AB BA [GL 70] MM − − xxAB xxAB

In einem Plot yM gegen xM ist dies die Gleichung einer Geraden, da in einer Zweikompo- nentenmischung die Elementkonzentrationen der Endglieder Konstanten sind. GL 66 ist auch gültig für den Fall, daß die beiden Komponenten A und B nicht nur ver- schiedene Elementkonzentrationen, sondern auch unterschiedliche Isotopenzusammen- setzungen aufweisen. Die Anzahl der Atome i des Isotops I (z.B. 87Sr) in der Mischung M ergibt sich zu:

xh N()1 − f =+xhAIAAv N f BIBAv iM [GL 71] WA WB

69 Zweikomponentenmischungen

wobei h die Häufigkeit des Isotops I im Element X und W das Atomgewicht des Elements X in den beiden Komponenten A und B sowie NAv die Avogadro-Zahl sind, z.B. für Sr:

Sr h N()1 − f 87 =+SrAAAv h87 N f BBAv87 SrM WA WB Eine analoge Gleichung gilt für die Zahl der Atome j eines zweiten Isotops J desselben Ele- ments, z.B. 86Sr:

Sr h N()1 − f 86 =+SrAAAv h86 N f BBAv86 SrM . WA WB

Dividiert man die Gleichungen für iM und jM durcheinander, dann resultiert:

⎛ i ⎞ ()xh N f W+−() xh N()1 f W ==R AIAAv A BIBAv B ⎝⎜ ⎠⎟ M +−() j M ()xhAJAAv N f W A() xh BJBAv N1 f W B

()+−() xhAIA f W A() xh BIB1 f W B R = [GL 72] M + ()− ()xhAJA f W A() xh BJBBB1 fW

z.B. für 87Sr/86Sr:

⎛ 87 ⎞ ()+−() Sr SrAA h87 f W A() Sr BB h 87 1 f WB ⎜ ⎟ = . ⎝ 86 ⎠ ()Sr h f W+−() Sr h()1 f W Sr M AA86 A BB 86 B ≈ In der Regel gilt für die Atomgewichte WA WB und oft für die Häufigkeit des Isotops j (z.B. ≈ 87 86 im Fall von Nd, Hf, Os und meist sogar für Sr) hJA hJB (Z.B. für Sr/ Sr von 0.700 und 0.800 differiert die Häufigkeit des 86Sr um weniger als 1% und die Atomgewichte sogar nur um 0.08%.). Mit diesen Näherungen vereinfacht sich GL 72 zu:

1 ⎡ +−()⎤ ⎣xhAIA f xh BIB1 f⎦ R = W M 1 ⎣⎡xh f+− xh(()1 f⎦⎤ W AJA BJB

xh f+− xh()1 f R = AIA BIB M ⎡ +−()⎤ hxfxJA⎣ B1 f⎦

xh f xh()1 − f R = AIA + BIB M ⎡ +−()⎤ ⎡ + ()− ⎤ hxfxJA⎣ B1 f⎦ hxfJA⎣ xxfB 1 ⎦

Das Isotopenhäufigkeitsverhältnis hIA/hJ ist identisch mit RA und hIB/hJ = RB und der Nenner × × der Gleichung [xA f + xB (1 – f)] = xM nach GL 66, also:

=+−xA ()xB RRfMA RfB 1 [GL 73] xM xM Diese Gleichung kann benutzt werden, um die Isotopenzusammensetzung von Zweikom- ponentenmischungen für beliebige f-Werte zu berechnen.

⎛ 87Sr ⎞ ⎛ 87Sr ⎞ Sr ⎛ 87Sr ⎞ Sr Für Sr ergibt sich: ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ f A + ⎜ ⎟ ()1 − f B ⎝ 86 ⎠ ⎝ 86 ⎠ Sr ⎝ 886 ⎠ Sr Sr MASr M Sr B M

70 A. Radiogene Isotopensysteme

Zur Eliminierung des Mischungsfaktors f wird GL 73 nach f aufgelöst:

=+−xA xB xB RRfMA RB RfB xM xM xM

x ⎛ x x ⎞ RR−=B fR A −R B MB ⎝⎜ A B ⎠⎟ xM xM xM

RRxx− / f = MBBM − RxAA// x M Rx BB x M

1 xRx()− Rx f = MMM BB ()− 1 xRxRxMAABB

()− RxMM Rx BB f = [GL 74] ()− RxAA Rx BB Dies, mit GL 67 gleichgesetzt, ergibt:

xx− ()Rx− Rx MB= MM BB, − ()− xxAB RxAA Rx BB und daraus resultiert, nach RM aufgelöst:

()xxRxRx− ()− MBAABB=−Rx Rx − MM BB xxAB

xx− ()xxRxRx− ()− RRx= AB+ MBAABB MBB()− ()− xxMA x B xxM AABx

− 2 +−−+2 ()RxxBAB Rx BB() Rxx AAM Rxx BBM Rxx AAB Rx BB R = M ()− xxMA x B

()Rxx− Rxx+−() Rxx Rxx R = BAB AAB AAM BBM M ()− xxMA x B

xx() R− R xRxRx()− R = AB B A + MAABB M ()− ()− xxMA x B xxMA xB

1 ⎡ xx() R− R ⎤ ()Rx− Rx R = ⎢ AB B A⎥ + AA BB [GL 75] M ()− ()− xM ⎣ xxAB ⎦ xAABx z.B. für Sr:

⎧ ⎡ 87 87 ⎤⎫ ⎛ Sr ⎞ ⎛ Sr ⎞ ⎛ 887Sr ⎞ ⎛ 87Sr ⎞ ⎪Sr Sr ⎢ − ⎥⎪ − AB⎜ 86 ⎟ ⎜ 86 ⎟ ⎜ 86 ⎟ SrA ⎜ 86 ⎟ SrB ⎛ 87Sr ⎞ 1 ⎨ ⎣⎢⎝ Sr ⎠ ⎝ Sr ⎠ ⎦⎥⎬ ⎝ Sr ⎠ ⎝ Sr ⎠ ⎜ ⎟ = ⎪ B A ⎪ + A B ⎝ 86 ⎠ Sr ()Sr− Sr ()Sr− Sr Sr M M ⎩ AB ⎭ A B

Dies ist die Gleichung einer Hyperbel, wenn man RM gegen xM aufträgt:

RM = a1/xM + a0

71 Zweikomponentenmischungen

oder eine Geradengleichung, wenn man RM gegen 1/xM aufträgt: × RM = (1/xM) a1 + a0 [GL 76]

0.735 0.735

Endglied B: Illustration einer 0.730 150ppm Sr; Zweikomponenten- 0.730 87 86 Sr/ Sr = 0.730 mischung

0.725 0.725

0.720 0.720 Sr 86 Sr/ 0.715 0.715 87

0.710 0.710

0.705 0.705 Endglied A: 350ppm Sr; 87Sr/86Sr = 0.7025 0.700 0.700 150 200 250 300 350 0.003 0.004 0.005 0.006 0.007 ppm Sr 1/ppm Sr

ABBILDUNG 55 Beispiel für eine Zweikomponentenmischung der Sr-Isotope Mit einer derartigen Auftragung läßt sich testen, ob sich eine lineare Beziehung in einem Isochronendiagramm als Mischungslinie interpretieren läßt. Das ist besonders wichtig für errorchrons, da kaum zu erwarten ist, daß exakt lineare Beziehungen durch Mischungsvor- gänge in magmatischen und metamorphen Systemen hergestellt werden. Assimilation von Fremdgestein durch ein Magma wird kaum zu homogenen Mischungen führen vielleicht mit Ausnahme von extrem heißen Magmen. Wenn sich die Daten in einem gewöhnlichen Isochronendiagramm ungefähr auf einer Geraden aufreihen und sich Isotopenverhältnisse und Konzentrationen (des Elements, welches das Tochternuklid enthält, also z.B. Sr) ent- lang der Geraden gleichsinnig verändern, liegt ein genügend hoher Anfangsverdacht vor, um zu testen, ob nicht vielleicht eher eine Mischungslinie vorliegt. Wenn neben der Zwei- komponentenmischung auch Prozesse der fraktionierten Kristallisation ablaufen – sicher- lich eine plausible Annahme – dann wird die Fraktionierung zudem eine Änderung der Elementverhältnisse in Kumulaten und Restschmelzen gegenüber der Ausgangsschmelze verursachen. Im Verlauf der geologischen Zeit können dann aber die linearen Beziehungen völlig zerstört werden, welche die Mischung belegen. So wird z.B. in pyroxenreichen Kumulaten die Nd-Isotopie wegen des höheren Sm/Nd-Verhältnisses rascher wachsen als in der Ausgangsschmelze, während die Sr-Isotopie infolge des sehr niedrigen Rb/Sr hinter derjenigen der Schmelze zurückbleibt. In einem plagioklasreichen Kumulat wird die Sr-Iso- topie wegen des niedrigen Rb/Sr kaum noch wachsen und die Nd-Isotopie wegen des nied- rigen Sm/Nd langsamer als in der Ausgangsschmelze. Zum Test auf eine Zweikomponen- tenmischung müssen daher die Isotopien aller Gesteine auf die vermutete Zeit zurückgerechnet werden, zu welcher der Mischungsvorgang ablief. Dies ist auch generell dann sinnvoll, wenn die Mutter/Tochter-Verhältnisse (z.B. Rb/Sr) groß sind und das Alter hoch ist, da bereits auf diese Weise ursprüngliche Heterogenitäten innerhalb einer Pro-

72 A. Radiogene Isotopensysteme

benserie verdeckt werden können (kleineres MSWD über die geringere Gewichtung Wi der Datenpunkte allein auf Grund des Alters – siehe GL 58, Seite 48). Ist dieses Alter unbe- kannt, sollten die Isotopenzusammensetzungen auf verschiedene Alter zurückgerechnet werden. Dasjenige, für welches sich dabei die beste Korrelation zwischen der Isotopenzu- sammensetzung und dem Kehrwert des Elementgehaltes (z.B. 1/Nd) ergibt, dürfte dann als wahrscheinlichstes Alter der Mischung angesehen werden. In Diagrammen, in denen zwei Verhältnisse radiogener Isotope gegeneinander aufgetragen werden, z.B. 143Nd/144Nd – 87Sr/86Sr oder 176Hf/177Hf – 143Nd/144Nd, ergeben sich keine Mischungsgeraden sondern Mischungskurven, die nach Gleichung GL 73 berechnet wer- den können:

=+−xA ()xB RRfMA RfB 1, xM xM

=+−() bzw. da xxfxfMA B1:

Rxf+− Rx()1 f R = AA BB . M +−() xfAB x1 f

0.706 „Eruptierte Mantelisochrone“ für Tholeiite der Ozeaninseln und Ozeanböden 0.705 Sr

86 0.704 .5Ga ≈ 1 Sr/ t 87

0.703

0.702 0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.100.120.140.16 87Rb/86Sr

ABBILDUNG 56 Sr-Isotopien einer Reihe von ozeanischen Basalten streuen um eine Gerade, deren Steigung einem Alter um 1.5 Ga entspricht. Eine Auftragung von zwei Isotopenverhältnissen gegeneinander hat Vorteile gegenüber der Auftragung eines Verhältnisses gegen eine Konzentration, weil so z.B. Effekte der fraktio- nierten Kristallisation minimiert werden können (Änderung der Elementgehalte), welche die Assimilation von Nebengestein durch ein Magma begleiten. Indirekt bleibt aber auch hier die Konzentrationsabhängigkeit nach GL 73 bestehen. Eine beginnende Ausscheidung von Plagioklas aus einem Magma wird z.B. den Sr-Gehalt der Restschmelze verringern, so daß sich anschließend die Assimilation von radiogenem Nebengestein stärker auf die Sr- Isotopie der Restschmelze auswirken wird als vor der Plagioklasfraktionierung. Als Folge wird die Mischungslinie ihre Krümmung ändern. Die Notwendigkeit einer Korrektur der

73 Zweikomponentenmischungen

Isotopien auf das Alter der Mischung bleibt bestehen, weil fraktionierte Kristallisation natürlich auch hier über die Änderung der Mutter/Tochter-Elementverhältnisse im Lauf der Zeit die Isotopien beeinflußt. Abbildung 55 illustriert eine Zweikomponentenmischung an einem hypothetischen Bei- spiel. Auch bei Auftragung gegen das Rb/Sr-Verhältnis anstatt gegen 1/Sr ergibt sich eine lineare Beziehung im Fall von Mischungslinien, weil die Endglieder jeweils nur mit einem Faktor multipliziert werden. Ein berühmtes Beispiel einer Pseudoisochronenbeziehung aus der Literatur ist das der „eruptierten Mantelisochronen“, deren Signifikanz in den 1970er Jahren diskutiert wurde (Abbildung 56[83]). Es zeigte sich, daß Rb–Sr-Daten für verschiedene ozeanische Tholeiite regional gemittelt entlang einer errorchron streuen, deren Steigung einem Alter von ≈1.5 – 2 Ga entspricht. Da Tholeiite Produkte hoher Aufschmelzgrade des Erdmantels sind, soll- ten sich Rb quantitativ und Sr nahezu quantitativ in der Schmelze befinden, d.h. die Tho- leiite sollten das Rb/Sr-Verhältnis des Erdmantels haben, aus dem sie erschmolzen wurden. Die Sr-Isotopie ändert sich bei der Aufschmelzung nicht. Das „Isochronenalter“ könnte dann irgendein Fraktionierungsereignis im Erdmantel datieren. Anfang der 1980er Jahre wurde diese Hypothese aber beiseite gelegt, weil es wahrscheinlicher wurde, daß die lineare Beziehung im Rb–Sr-Isochronendiagramm die Vermischung verschiedener Mantelreser- voire durch Konvektion in der Asthenosphäre wiederspiegelt, so daß das „Alter“ irgendein mittleres Alter der Verarmung an inkompatiblen Elementen im Erdmantel anzeigt. Auch das mittlere Alter der kontinentalen Erdkruste liegt um 2 Ga.

0.5140 Komatiite und Tholeiite (Abitibi Belt, Kanada) t = 2826±64Ma 0.5135 εNd(t) = 2.7±0.3 Nd

144 0.5130

Nd/ zum Vergleich: U-Pb-Zirkonalter 143 ist 2697±1Ma 0.5125 Komatiite Tholeiite

0.5120 0.150.170.19 0.21 0.23 0.25 0.27 147Sm/144Nd

ABBILDUNG 57 Komatiite aus dem Abitibi-Belt scheinen eine wohl definierte Sm–Nd-Iso- chrone zu bilden, deren Alter allerdings nicht in Einklang mit der Geologie und mit U–Pb-Zirkondatierungen zu bringen ist. Andere Isochronen sind nicht so einfach als Mischungslinien zu umzuinterpretieren. So reihen sich z.B. Komatiite und Tholeiite aus dem Abitibi-Belt in (Hudson Bay) auf einer Geraden auf, deren Steigung einem Alter von 2826±64 Ma entspricht (Abbildung 57 ). Zirkone aus dazitischen Tuffen stratigraphisch unter der Komatiit–Tholeiit-Serie ergeben aber ein ca. 125 Ma jüngeres Alter, das als das maximale magmatische Alter der Komatiite angesehen wird[84]. In Abbildung 58 sind die Nd-Isotopien auf verschiedene Zeiten zurück-

74 A. Radiogene Isotopensysteme

gerechnet und gegen den Kehrwert der Nd-Konzentration aufgetragen. Die Streuung der Daten um eine Gerade ist für 2697 Ma (das Zirkon-Alter) und 2826 Ma nicht nennenswert verschieden, so daß eine Wahrheitsfindung auf diesem Weg nicht möglich erscheint und man der Interpretation der Geländegeologen bezüglich der Korrektheit der stratigraphi- schen Abfolge und der Ansprache der dazitischen Tuffe vertrauen muß. – In jedem Fall ist darauf zu achten, daß eine Isochrone nicht allein auf Grund ihrer Statistik (niedriges MSWD) bewertet werden sollte, sondern zusätzlich ist eine adäquate, d.h. geologisch sinn- volle, Probenahme der Gesteinsserie von Interesse sicherzustellen.

0.5095

2600 Ma

0.5094

0.5093 2697 Ma

Komatiite und Tholeiite (Abitibi Belt, Kanada): Hinweise auf 0.5092

Nd Magmenmischung? 144 Nd/

143 2826 Ma 0.5091

2900 Ma 0.5090

0.5089

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 1/Nd

ABBILDUNG 58 Dieselben Gesteine wie in Abbildung 57 liefern in einem Mischungs- diagramm keine klaren Hinweise für oder gegen das Ereignis einer Zweikom- ponentenmischung vor ca. 2700 Ma (Größe der Symbole entspricht ungefähr dem Analysenfehler). Wenn das magmatische Alter der Komatiit– Tholeiit-Serie tatsächlich bei rund 2700 Ma liegt, hätte das Endglied mit der höheren Nd-Isotopie den niedrigeren Nd-Gehalt (entsprechend dem höhe- ren 1/Nd) gehabt; dies ist plausibel.

75 Zweikomponentenmischungen

Anhang: GL 71 ist auch für beliebig viele Komponenten A, B,… gültig:

=+++…xhAIAAvA N f xhBIBAvB N f xhCICAvC N f iM WA WB WC

Z f = ψ jxhNMJAv∑ ψψ , [GL 77] ψ = A Wψ

Z f = ψ desgleichen für jM: jxhNMJAv∑ ψψ , ψ = A Wψ

⎛ Z f ⎞ ⎛ Z f ⎞ ==iM ψ ψ so daß RM ⎜ ∑ xhψψIAv N ⎟ ⎜ ∑ xhψψJAv N ⎟ [GL 78] j ⎝ Wψ ⎠ ⎝ W ⎠ M ψ = A ψ = A ψ

⎛ Z f ⎞ ⎛ Z f ⎞ ==iM ψ ψ RM ⎜ NxhAv∑ ψψ I ⎟ ⎜ NxhAv∑ ψψ J ⎟ j ⎝ Wψ ⎠ ⎝ W ⎠ M ψ = A ψ = A ψ ≈ ≈ ≈ ≈ Da WA WB WC … W (d.h. die Atomgewichte der verschiedenen Phasen sind iden- tisch), vereinfacht sich die Gleichung zu:

⎛ Z ⎞ ⎛ Z ⎞ ==iM 11 RM ⎜ ∑∑xhψψψI f⎟ ⎜ xhψψψJ f⎟ jM ⎝W ψ ==A ⎠ ⎝W ψ A ⎠

≈ ≈ ≈ ≈ 86 Da außerdem hJA hJB hJC …. hJ (d.h. z.B. die prozentualen Häufigkeiten von Sr in den verschiedenen Phasen sind identisch):

⎛ Z ⎞ ⎛ Z ⎞ ==iM RM ⎜ ∑∑xhψψψI f⎟ ⎜ hJ xfψψ⎟ jM ⎝ψ ==A ⎠ ⎝ ψ A ⎠

⎛ Z h ⎞ ⎛ Z ⎞ ==iM Iψ RM ⎜ ∑∑xψ fxfψ ⎟ ⎜ ψψ⎟ jM ⎝ψ ==A hJ ⎠ ⎝ψ A ⎠

Z = = Nach GL 67 ist ∑ xfψψ xM und ()hhIJψψ/, R also: ψ = A

⎛ Z ⎞ = 1 RM ⎜ ∑ xfRψψ ψ⎟ [GL 79] xM ⎝ψ = A ⎠ was für beliebig viele Komponenten identisch ist mit GL 73.

76 A. Radiogene Isotopensysteme

7.0 Die Massenfraktionierung

Die leichten und flüchtigen Elemente (H, He, Li, C, N, O, Ne, S) erfahren auf Grund der unterschiedlichen Massen ihrer stabilen Isotope eine gut meßbare Fraktionierung in der Natur, die mit zunehmender Massendifferenz steigt und mit zunehmender Masse sinkt. Oft verwechselt wird damit die Isotopenvariation der schwereren Elemente, die auf radio- aktiven Zerfallsprozessen beruht. So tauchte z.B. des öfteren in der Literatur die Frage auf, ob Isotopenvariationen von Basalten tatsächliche Isotopenvariationen ihrer Quellregionen im Erdmantel widerspiegeln oder nicht vielmehr als Folge der Aufschmelz- oder Differen- tiationsprozesse erklärt werden können. Meßbare natürliche Isotopenfraktionierungen der meisten für die Geochronologie wichtigen Elemente scheinen tatsächlich nicht aufzutre- ten, mögen aber bei weiter verbesserter Meßtechnik durchaus erfaßbar sein. Selbst, wenn es sie gäbe, hätten sie aber auf das Ergebnis der Isotopenanalysen keinerlei Einfluß, weil jede Massenfraktionierung – sei sie natürlich oder bei der Analyse auftretend – durch eine Korrektur der Massenspektrometerdaten eliminiert wird. Eine signifikante massen- abhängige Fraktionierung der Isotope, die stets korrigiert werden muß, findet nämlich bei der Messung im Thermionenmassenspektrometer statt. Beim Abdampfen von der heißen Oberfläche des Re-, Ta- oder W-Filaments im Hoch- vakuum der Ionenquelle eines Massenspektrometers gehen die leichteren Isotope eines Elements bevorzugt in die Gasphase über, weil Bindungen zwischen schweren Isotopen geringfügig fester sind als die zwischen leichten Isotopen. Von den vier stabilen Sr-Isoto- pen mit den Massenzahlen 84, 86, 87 und 88 verdampft das 84Sr am leichtesten und das 88Sr am schwersten (und das 87Sr schwerer als das 86Sr). Von den sieben Nd-Isotopen ver- dampft das 142Nd am leichtesten und das 150Nd am schwersten und 143Nd leichter als 144Nd. Da eine massenspektrometrische Messung oft einige Stunden dauert und die Menge der Probe kein „unendliches“ Reservoir darstellt, wird die auf dem Filament verbleibende Restprobe kontinuierlich isotopisch schwerer (das Atomgewicht nimmt zu); desgleichen wird das in die Gasphase eintretende Isotopengemisch, das mit ständig schwererem Isoto- pengemisch auf dem Filament ins Gleichgewicht tritt, ständig schwerer. D.h. im Verlauf einer Messung wird das 87Sr/86Sr-Verhältnis einer Probe kontinuierlich steigen, das 143Nd/ 144Nd kontinuierlich fallen. Als ganz groben Richtwert kann man sich merken, daß sich die Isotopenfraktionierung bei einer solchen mehrstündigen Messung in der Größenordnung von 1‰ pro Masseneinheit ändert. Dies, in Relation gesetzt zu den ≈7‰ der heutigen Variation des 143Nd/144Nd in der Natur, zeigt, daß eine massenspektrometrische Messung nicht viel nützt, wenn man die Massenfraktionierung nicht korrigieren würde. Eine Probe mit einem 143Nd/144Nd-Verhältnis von 0.512638 könnte z.B. zu Beginn einer Messung einen Wert von 0.5130 liefern, zu Ende von 0.5125; eine Probe mit einem 87Sr/86Sr von 0.7040 könnte zu Beginn einen Wert von 0.7035 ergeben, zu Ende von 0.7042. Die Korrek- tur der Massenfraktionierung wird mit Hilfe zweier Isotope vorgenommen, die nicht aus Zerfallsprozessen gespeist werden, und deren Verhältnis daher konstant ist. Daraus folgt, daß für ein Element, welches nur aus zwei natürlichen Isotopen besteht, von denen eines zum Zweck der Isotopenverdünnungsanalyse mit einem Spike angereichert wird, keine Korrektur der Massenfraktionierung vorgenommen werden kann. Beim Sr bleiben für die Fraktionierungskorrektur die Isotope 84Sr, 86Sr und 88Sr übrig, und konventionell wählt man das Verhältnis 86Sr/88Sr zur Korrektur. Nach zahlreichen Messungen an Proben natür- lichen Strontiums wurde für das 86Sr/88Sr-Verhältnis ein Wert von 0.1194 gewählt, mit dem die Sr-Fraktionierung von jeder Arbeitsgruppe korrigiert wird. Zudem gibt es mehrere inter- nationale Standards für Sr-Isotopenmessungen, gegen welche die eigenen Analysen ständig geprüft werden. Die 87Sr/86Sr-Analysen aller Laboratorien sind daher direkt miteinander vergleichbar. Diese Korrektur trägt jeder massenabhängigen Fraktionierung Rechnung – der im Massenspektrometer und auch eventuellen Fraktionierungen in der Natur oder bei der Ionenaustauscherchemie zur Abtrennung des Elementes von Interesse. Übrig bleibt der nicht massenabhängige Anteil, also der durch den radioaktiven Zerfall verursachte.

77 Die Massenfraktionierung

Beim Nd konnte man sich dagegen nicht auf eine derartige Korrektur einigen, sondern es werden von verschiedenen Isotopenlabors zwei miteinander konkurrierende Korrekturen der Isotopenfraktionierung verwandt. Bei beiden Normierungen wird entweder das Ver- hältnis 146Nd/144Nd oder – von den Gruppen, welche die Nd-Messung mit dem Metalloxid durchführen – das Verhältnis 148NdO/144NdO benutzt. Die große Mehrzahl der Arbeits- gruppen benutzt die Korrektur

146Nd/144Nd = 0.7219 ≡ 148NdO/144NdO = 0.242436 [GL 80] eine Minderheit (vornehmlich Wissenschaftler aus dem Umfeld von G.J. Wasserburg und J.D. DePaolo am Caltech in den 1970er Jahren) die Korrektur

148NdO/144NdO = 0.243969 [GL 81] Als Folge davon sind die von der zweiten Gruppe veröffentlichten 143Nd/144Nd-Daten um gut 1.5‰ niedriger als die der ersten Gruppe. Der Wert des „bulk-earth“-Bezugsreservoirs beträgt nach der zweiten Normierung 0.511847. Will man die Werte der zweiten Normie- rung in die der ersten umrechnen, muß man sie mit dem Verhältnis 0.512638/0.511847 multiplizieren. Alle in diesem Skript vorgestellten 143Nd/144Nd-Daten beziehen sich auf die Korrektur nach GL 80. Diese Zustände in der Nd-Isotopengeochemie sind für Nichtein- geweihte schwer zu durchschauen. Die Angabe der Nd-Isotopenzusammensetzung in der ε- Form hat dagegen den Vorteil, daß die verschiedenen Labors die 143Nd/144Nd-Werte auf ihren „bulk-earth“-Wert normieren, wodurch die unterschiedlichen Fraktionierungskor- ε ε ε rekturen eliminiert werden. Daten, die als Nd, bulk–earth oder CHUR angegeben sind, sind daher direkt miteinander vergleichbar. Nicht vergleichbar sind dagegen (die nur in den frü- ε hen Jahren verwendeten) Juvinas-Werte, weil hier die Normierung auf eine Probe mit nied- rigerem 143Nd/144Nd als das eines chondritischen Reservoirs erfolgte (als Folge des unter- ε ≈ ε chondritischem Sm/Nd-Verhältnisses dieses Achondriten). Juvinas-Werte sind um 1.3 - Einheiten höher als die übrigen ε-Werte. Als Beispiel einer Massenfraktionierung ist die Änderung der Verhältnisse von 86Sr/88Sr und 87Sr/86Sr über den Verlauf einer Messung in Abbildung 59 dargestellt. Die Korrektur der Massenfraktionierung kann im einfachsten Fall mit einer linearen Funk- tion erfolgen, d.h. es wird angenommen, daß die Fraktionierung pro Masseneinheit kon- stant ist, also z.B. für das Paar 142Nd–146Nd genausogroß ist wie zwischen 146Nd und 150 Nd und viermal so hoch wie zwischen 143Nd und 144Nd oder zwischen 84Sr und 86Sr genauso groß ist wie zwischen 86Sr und 88Sr. Tatsächlich werden bei genügend präzisen Messungen kleine Abweichungen von der Linearität beobachtet, die durch einen nicht linearen (expo- nentiellen) Anteil in der Korrektur behoben werden. Unter Annahme von Linearität – die komplexeren Rechnungen werden erst danach vorgestellt – kann die Fraktionierungskor- rektur folgendermaßen vorgenommen werden:

1. Wahl eines Isotopenverhältnisses Mi/Mj zur Korrektur der Fraktionierung, wobei Mi 86 und Mj die Massenzahlen der Isotope darstellen; Mj ist das Referenzisotop, z.B. Sr oder 144Nd; Beispiele: 146/144 beim Nd, 88/86 beim Sr;

78 A. Radiogene Isotopensysteme

0.1210

0.1205 86 88 Sr/ Srgemessen

0.1200

86 88 0.1195 Sr/ Srkorrigiert Sr 88 Sr/

86 0.1190

0.1185

0.1180

0.708

0.706 87 86 Sr/ Srkorrigiert Sr

86 0.704 Sr/ 87

0.702

87 86 Sr/ Srgemessen 0.700

0.698 0 50 100 150 200 250 300 Meßblock Zeit

ABBILDUNG 59 Beispiel für die Änderung der Meßwerte der Sr-Isotope einer Probe infolge der Massenfraktionierung über den Verlauf einer massenspektrometrischen Messung; die Änderung tritt auf, weil die Masse des Sr auf dem Filament re- lativ klein ist und sich über die Messung ständig verringert. Zum Ende der Messung hin, wenn das Sr weitgehend verbraucht ist, kann seine Isotopen- zusammensetzung daher besonders schwer werden, entsprechend niedri- gen Werten für das gemessene 86Sr/88Sr und hohen 87Sr/86Sr-Verhältnissen.

79 Die Massenfraktionierung

Das obere Teildiagramm zeigt die Variation der gemessenen Verhältnisse von 86Sr/88Sr (kleine Quadrate), die per Konvention auf das wahre Verhältnis von 0.1194 korrigiert werden (durchgezogene Linie). Im unteren Teildia- gramm sind die Meßwerte für 87Sr/86Sr als kleine Quadrate dargestellt. Mit Hilfe der Korrektur für 86Sr/88Sr aus dem oberen Teildiagramm werden die 87Sr/86Sr-Werte korrigiert (zackige blaue Kurve). Die durchgezogene gestri- chelte Linie bei 87Sr/86Sr = 0.70326 stellt den Mittelwert dieser korrigierten Werte für die gesamte Messung dar. α Δ 2. Berechnung der Fraktionierung = Fraktionierungsfaktor pro Masseneinheit, m ij = Massendifferenz zwischen Mi und Mj:

⎡ ⎤ ()MM ⎛ RStd ⎞ 1 ⎢ ijStd ⎥ 1 iij α = − 1 = ⎜ − 1⎟ [GL 82] ΔΔ⎢ ⎥ meas mij ()MM mij ⎝ Rij ⎠ ⎣ ijmeas ⎦ wobei meas für gemessen (measured) und Std für Standard stehen möge, z.B. für Sr: Δ = 88–86=2 (oder ganz genau: die Differenz der exakten Atommassen); Rij steht für das ⎡ ⎤ 1 ()88 86 Isotopenverhältnis zwischen i und j und α = ⎢ Standard − 1⎥ mit (88/86) = Sr 2 ⎢()88 86 ⎥ Std ⎣ gemessen ⎦ (88Sr/86Sr) im Standard = 1/0.1194 (in allen Proben identisch, so daß dieses Verhältnis α für die Fraktionierungskorrektur beliebiger Proben verwendet wird); Sr wird i.a. zu Be- ginn der Messung >0 sein; ⎡ ⎤ 1 ()146 144 für Nd: Δ = 146–144 = 2; α = ⎢ Standard − 1⎥, Nd 2 ⎢()146 144 ⎥ ⎣ gemessen ⎦

wobei (146/144)Std = 0.7219 in allen Proben identisch ist; dieser Wert kann daher zur α Nd-Fraktionierungskorrektur benutzt werden; Nd= wird zu Beginn der Messung eben- falls positiv sein; 3. Korrektur der Isotopenverhältnisse: 143 144 143 144 143 144 × α×Δ z.B. für Nd/ Nd: ( Nd/ Nd)calc = ( Nd/ Nd)meas (1 + m143-144); calc möge für korrigiert stehen; wenn α bei Meßbeginn positiv und Δm = -1 ist, wird der korrigierte Wert sinken; 87 86 87 /86 87 /86 × α×Δ α Δ für Sr/ Sr: ( Sr Sr)calc = ( Sr Sr)meas (1 + m87-86); da und m beide positiv sind, steigt der korrigierte Wert; 84 88 84 88 84 88 × α×Δ α für Sr/ Sr: ( Sr/ Sr)calc = ( Sr/ Sr)meas (1 + m84-88); ist bei Meßbeginn positiv und Δm = -4; das korrigierte Isotopenverhältnis sinkt gegenüber dem Meßwert. Bei dieser linearen Korrektur geht man davon aus, daß die Massenfraktionierung propor- tional zur Massendifferenz ist und unabhängig von der Masse selbst. Tatsächlich sollte aber eine zusätzliche inverse Abhängigkeit von der Masse bestehen. Bei hoch präzisen Analysen insbesondere der leichten Elemente oder von Elementen mit großer Massendifferenz der Isotope kann es dann notwendig werden, dieser Abhängigkeit durch eine exponentielle Korrektur Rechnung zu tragen, z.B. im Fall der Analyse der Ca-Isotope[85]. Die oben dargestellte lineare Korrektur ist lediglich ein vereinfachter Fall einer Potenzfunk- tion (englisch: „power law“), die sich allgemein folgendermaßen formulieren läßt:

Δ calc =+meas ()α mij RRij ij 1 [GL 83] Logarithmiert und aufgelöst ergibt sich für den Fraktionierungsfaktor α:

80 A. Radiogene Isotopensysteme

⎛ calc ⎞ 1 R ln⎜ ij ⎟ =+ ln()1 α Δ meas mij ⎝ Rij ⎠

1 Δm ⎛ Rcalc ⎞ ij α = ⎜ ij ⎟ − meas 1 [GL 84] ⎝ Rij ⎠ Entwickelt man GL 83 als Taylor-Reihe, erhält man:

⎡ Δ ΔΔmm()− 1 Δmmm()ΔΔ− 12() m− ⎤ calc meas mij ij ij 2 ij ij ij 3 RR=++⎢1 αα+ α +…⎥ [GL 85] ij ij ⎢ ⎥ ⎣ 1!!2 3! ⎦ Das dritte Glied in der Klammer ist für kleine Werte von α bereits klein gegen das zweite, so daß man die Reihe unter dieser Voraussetzung schon nach dem zweiten Glied abbre- chen darf*. Nach α aufgelöst ist diese Gleichung dann identisch mit GL 82 (wenn man berücksichtigt, daß für das Isotopenpaar, das zur Fraktionierungskorrektur verwendet wird, Std und calc identisch sind), entspricht also der linearen Korrektur. Das bedeutet, daß die Korrekturen nach dem linearen Gesetz und dem power law meist identische Ergebnisse lie- fern. Formuliert man eine analoge Gleichung für ein zweites Isotopenverhältnis zwischen j und k (wobei mj das mittelschwere der drei Isotope sein möge), und bricht sie nach dem zweiten Glied ab:

calc =+meas Δ α RRjk jk ()1 mjk [GL 86] löst die nach dem zweiten Glied abgebrochene GL 85 nach α auf und setzt in GL 86 ein, dann ergibt sich:

calc Δ ⎛ calc ⎞ Rjk mjk Rij =+11⎜ −⎟ [GL 87] meas Δ meas Rjk mij ⎝ Rij ⎠

calc meas calc meas In einer Auftragung von RRjk jk gegen RRij ij ist dies die Gleichung einer Geraden, deren Steigung zwar abhängig vom Verhältnis der Massendifferenzen, aber unabhängig von der Masse der Isotope ist. Bei exakt gleicher Massendifferenz zwischen i–j und j–k, z.B. für 40Ca/44Ca und 44Ca/48Ca, wenn lediglich ganze Massenzahlen eingesetzt werden, ver- einfacht sich GL 87 zu

calc meas = calc meas RRjk jk RRij ij d.h. nach dem linearen Gesetz und auch dem power law ist die Massenfraktionierung allein von der Massendifferenz abhängig; nicht lineare Effekte werden vernachlässigt. Gerade für das Beispiel der Ca-Isotope ist jedoch bekannt, daß ein lineares oder fast lineares Gesetz nur eine unzureichende Korrektur der Massenfraktionierung liefert und daß anstatt dessen eine Funktion verwendet werden muß, bei der die Massenfraktionierung auch von der Masse selbst abhängt[85],[86],[87]. Zu diesem Zweck wird eine Funktion verwendet, bei der die Masse im Exponenten steht („exponential law“), z.B. eine Gleichung der Form

* Zum Beispiel errechnet man für einen hohen Wert von α von 1‰ und eine maximale Differenz der Ca-Isotope von 8 zwischen 48Ca und 40Ca für das zweite Glied in der Klammer 0.08 und für das drit- te Glied 0.0028, also ein Verhältnis von knapp 29.

81 Die Massenfraktionierung

αm αm ⎛ ⎞ j ⎛ mm+ Δ ⎞ j calc = meas mi = meas jij RRij ij ⎜ ⎟ Rij ⎜ ⎟ [GL 88] ⎝ mj ⎠ ⎝ mj ⎠ Auch hieraus läßt sich durch Auflösen α errechnen:

⎛ calc ⎞ R ⎛ m ⎞ ⎜ ij ⎟ = α i lnmeas mj ln ⎜ ⎟ ⎝ Rij ⎠ ⎝ mj ⎠

calc meas 1 ln()RRij ij α =× [GL 89] mj ln()mmij

1.015

1.010

1.005

für 86Sr/ 87Sr 1.000 ert/gemessen i g i orr

k 0.995

für 86Sr/ 88Sr 0.990

0.985 0.985 0.990 0.995 1.000 1.005 1.010 1.015 84 86 84 86 Sr/ Srkorrigiert/ Sr/ Srgemessen

ABBILDUNG 60 Auf der Basis desselben Datensatzes wie in Abbildung 59 sind die Verhältnis- 86 88 86 88 86 87 86 87 se ( Sr/ Srcalc)/( Sr/ Srmeas) sowie ( Sr/ Srcalc)/( Sr/ Srmeas) gegen 84 86 84 86 ( Sr/ Srcalc)/( Sr/ Srmeas) aufgetragen, wobei die Isotopenverhältnisse nur linear (≈ power law) nach GL 86 korrigiert wurden. Die Daten zeigen für 86Sr/88Sr eine minimale Abweichung von einer Geraden mit einer Steigung 1 86 87 von 1 (und noch weniger von der Steigung /2 für Sr/ Sr), was bedeutet, daß eine lineare Korrektur die Fraktionierung nicht vollständig beschreibt.

82 A. Radiogene Isotopensysteme

Als Reihe entwickelt, ergibt sich für GL 88:

⎡ ΔΔm2 m2 ⎤ calc =+−++…meas ⎢ ααΔ ij α2 ij ⎥ RRij ij 1 mij [GL 90] ⎣⎢ 22mj ⎦⎥ Diese vier Glieder in der Klammer genügen in der Regel für eine Fraktionierungskorrektur . Der dritte Term in der Klammer in dieser Gleichung tritt in GL 85 nicht auf. Er vermindert den Korrekturfaktor in der Klammer gegenüber dem power law um einen Betrag, der umge- kehrt proportional zur Masse ist*. Der Wert für die Fraktionierungskorrektur wird zudem abhängig vom gewählten Isotopenverhältnis eines Elementes sein; zum Beispiel wird er für die Ca-Isotope für das Paar 44Ca–40Ca etwas größer sein als für das Paar 48Ca/44Ca. Als andere mögliche Korrekturfunktion für die Massenfraktionierung könnte man an eine Abwandlung des Rayleighschen Destillationsgesetzes denken mit einem Fraktionierungs- faktor umgekehrt proportional zur Quadratwurzel aus der Masse. Ob eine lineare Fraktionierungskorrektur oder eine nach dem power law genügt, muß von Fall zu Fall getestet und entschieden werden; ein striktes Rezept für die Anwendung gibt es nicht. Das exponential law sollte die besseren Korrekturen liefern bei Elementen mit gerin- gen Massen und/oder großen Massendifferenzen der Isotope, während bei großen Massen und geringen Massendifferenzen keine nennenswerten Unterschiede zwischen den ver- schiedenen Korrekturverfahren zu erwarten sind. Welche Massen in die Gleichungen ein- zusetzen sind, ist ebenfalls nicht von vornherein klar. Falls zum Beispiel ein Elementoxid vom Filament abdampft und nicht ein Metall, könnte Einsetzen der Massen der Oxide eine bessere Korrektur liefern als Einsetzen der Massen der Isotope des Elementes. Isotopenfraktionierungen dieser Art treten bei der Messung von gasförmigen Spezies nicht auf, bzw. sie werden unterdrückt, z.B. dadurch, daß das Gas in das Einlaßsystem „viskos“ strömt. Dabei behindern sich die verschiedenen Moleküle durch Kollision gegenseitig so sehr, daß die leichteren Moleküle einer Gasspezies keine größere Geschwindigkeit errei- chen als die schweren. Eine Diskriminierung zwischen verschiedenen Isotopen eines Elementes tritt dagegen in ICP-MS-Geräten auf, und zwar auf Grund des Raumladungseffektes (space–charge effect ), das ist die gegenseitige Abstoßung der Kationen im Ionenstrahl, sei es im Plasma oder vor allem beim Übergang ins Hochvakuum des Spektrometers[88]. Dies hat den bevorzugten Durchtritt der schwereren Ionen zur Folge[89]. Die Massenfraktionierung bei der ICP-MS ist größer als bei der TIMS, sollte aber dafür über den Verlauf einer Messung hinweg konstant bleiben, weil die Probe kontinuierlich ins Plasma eingebracht wird. Für eine Reihe von Ele- menten scheint die Abhängigkeit des Korrekturfaktors von der Massenzahl einer linearen Funktion zu gehorchen (Abbildung 61). Das läßt sich z.B. dazu nutzen, daß man zur Ana- lyse der Pb-Isotopenverhältnisse der zu messenden Probe Tl zumischen kann. Der Korrek- turfaktor wird nach GL 83 zu

Std 1 R 1 +=α ×ij Tl Δ meas mij Rij

Std 205 203 bestimmt, wobei das Verhältnis Rij für Tl/ Tl mit 2.3871 in allen Proben auf der Erde nahezu konstant ist (siehe aber auch [90]). Der Korrekturfaktor ist für Pb nur minimal klei- α ner, und die Regressionsgerade in Abbildung 61 kann dazu dienen, (1+ Pb) genügend genau zu ermitteln.

* Für dasselbe Beispiel wie zuvor errechnet man für den dritten Term 0.01×82/44 = 0.0145, was gegen- über dem zweiten Term (0.08) nicht vernachlässigbar ist (Verhältnis von 5.5).

83 Die Massenfraktionierung

Einige Elemente gehorchen der Regressionsgeraden nicht. Dies sind die Edelmetalle Os und Ru und vielleicht auch Re. Eine Möglichkeit, diese Abweichung zu erklären, liegt in der erheblichen Flüchtigkeit von Os und Ru als Tetroxide. In diesem Fall wäre denkbar, daß die leichten Isotope bevorzugt vom Strom der Ar+-Ionen des Plasmas aufgenommen werden und in das Massenspektrometer gelangen. Ob in diesem Fall die Anwendung des exponen- tiellen Gesetzes sinnvoller ist, gegebenenfalls unter Einsetzen der Massen der Tetroxide, ist nicht untersucht worden.

1.030 Ru

1.025 Sr Rb

1.020 C = -1.329×10-4m + 1.0356 tor k

1.015 Nd turfa k Re Os Hf

Korre 1.010 Tl Pb 1.005

1.000 80 100 120 140 160 180 200 220 Massenzahl

ABBILDUNG 61 Abhängigkeit der Korrekturfaktoren von der Massenzahl für ICP-MS-Mes- sungen[89]. Für jedes Element wurden die Korrekturfaktoren nach dem power law bestimmt. Sie entsprechen (1 + α) in GL 83. Mit mehr als 2% pro Mas- seneinheit bei Rb und Sr und noch ca. 0.8% bei Tl und Pb ist die Fraktionie- rung je Masseneinheit beträchtlich höher als bei der TIMS. Die Elemente Ru und Os sind von der Regression ausgenommen; ihre Korrekturfaktoren lie- gen deutlich über der Korrekturgeraden. Korrekturfaktoren und Regressions- gerade sind charakteristisch für einen ICP-MS-Typ, und die jeweiligen Meßbedingungen und gelten daher nicht generell.

84 A. Radiogene Isotopensysteme

8.0 Das Lu–Hf-Isotopensystem

Lu besteht aus den beiden natürlich vorkommenden Isotopen 175Lu (natürliche Häufigkeit 97.4%) und 176Lu (natürliche Häufigkeit 2.6%). Die Lu–Hf-Methode macht sich den β–-Zer- fall von 176Lu mit einer Halbwertszeit von 37.2 Ga in 176Hf zunutze. Das natürliche Hf besteht aus den 6 Isotopen 174Hf (Häufigkeit 0.162%), 176Hf (5.206%), 177Hf (18.606%), 178Hf (27.297%), 179Hf (13.629%) und 180Hf (35.100%). Das leichteste der Hf-Isotope ist schwach radioaktiv, kann jedoch wegen der extrem langen Halbwertszeit von ≈2×1015a als über das Alter der Erde stabil angesehen werden. Zur Relativangabe benutzt man im Lu–Hf- System das Isotop 177Hf. Die Zerfallsgleichung lautet damit:

176 ⎛ 176 ⎞ 176 Hf Hf Lu λ t = ⎜ ⎟ + ()e 176 − 1 [GL 91] 177 ⎝ 177 ⎠ 177 Hf Hf initial HHf Lu ist das schwerste und kleinste Element der Seltenen Erden, deren geochemisches Verhal- ten gut bekannt ist. Es tritt in der Natur nur dreiwertig auf. Seine Konzentration in Gestei- nen übersteigt nur selten 1ppm. Das geochemische Verhalten des Hf ähnelt sehr stark dem des Zr. Das bedingt, daß Zr und Hf in der Natur stets zusammen vorkommen und sich che- misch nur schwer trennen lassen. Die Hf-Gehalte der meisten Gesteine liegen unter ≈20ppm und liegen oft um eine Größenordnung über denen des Lu. Dadurch und infolge der langen Halbwertszeit des 176Lu sind die Hf-Isotopenvariationen in der Natur leider nur wenig höher als die der Nd-Isotope.

TABELLE 8: Lu- und Hf-Gehalte sowie Lu/Hf-Verhältnisse von Gesteinen und Mineralen ppm Lu ppm Hf 176Lu/177Hf Chondrite 0.033 0.14 0.033 Achondrite 0.25 1.25 0.028 MORB 0.5 (0.1–1) 2.5 (1–15) 0.005–0.05 kontinentale Basalte 0.25 (0.1–0.7) 4 (2–20) 0.002–0.02 granitische Gesteine 0.5 7 0.010 Sandsteine, Quarzite 0.05–0.5 0.5–20 0.001–0.04 Tonschiefer 0.15–0.8 1–7 0.01–0.03 rote Tiefseetone 0.8–3 3–5 0.03–0.1 Zirkon 10–100 10000 <0.002 Granat 0.5–5 <1 >0.1

Lu und Hf sind refraktäre Elemente, die sich geochemisch stabil, d.h. wenig mobil verhal- ten. Ihre wesentliche Fraktionierung findet – wie beim Sm–Nd-System – bei der Magmen- bildung und ihrer Kristallisation statt. Zusätzlich dazu werden Lu und Hf noch bei der Sedi- mentbildung fraktioniert, und zwar dadurch, daß Zirkon mit im Durchschnitt 1% Hf und sehr niedrigem Lu/Hf-Verhältnis extrem verwitterungsresistent ist und sich in grobkörni- gen klastischen Sedimenten anreichert. Bei partiellen Aufschmelzprozessen im Erdmantel und der Fraktionierung basischer Magmen verhält sich das Hf ähnlich inkompatibel wie das Sm, während Lu deutlich weniger inkompatibel ist. Die in der Natur beobachtete Frak- tionierung zwischen Lu und Hf ist daher größer (rund doppelt so hoch) als die zwischen Sm und Nd. Tabelle 8 vermittelt einen Überblick über die Konzentrationen von Lu und Hf in wichtigen Gesteinen und einigen Mineralen: Gesteine mit hohen Lu/Hf-Verhältnissen, in denen im Lauf der Zeit das 176Hf/177Hf rasch wachsen könnte, sind relativ selten. Im Prinzip gehören residuale Gesteine des Erdmantels dazu. Im lithosphärischen Mantel können metasomatische Prozesse zu Anreicherungen

85 Das Lu–Hf-Isotopensystem

inkompatibler Elemente führen. Davon sind Lu und Hf weniger betroffen als Sm und Nd, so daß das Lu–Hf-System in günstigen Fällen Ereignisse aufgezeichnet erhält, die zeitlich vor der Metasomatose liegen[91]. Unter den häufigeren Mineralen in der Natur haben Gra- nate ein sehr hohes Lu/Hf-Verhältnis. Unter den Akzessorien werden diejenigen, welche die schweren REE, nicht aber Zr und Hf konzentrieren (z.B. Xenotim, Gadolinit, hohe Lu/ Hf-Verhältnisse aufweisen. Wegen der geringen Isotopenvariationen müssen an Hf-Isotopenanalysen hohe analyti- sche Anforderungen gestellt werden. Es kann daher nicht verwundern, daß frühe Untersu- chungen am Lu–Hf-System um 1958 von W. Herr und Mitarbeitern[92] nur dem Zweck dien- ten, durch Untersuchung von REE-reichen Erzen die Zerfallskonstante des 177Lu zu bestimmen. Erst 1980 gelang es J. Patchett & M. Tatsumoto vom US Geological Survey in Denver, eine Methode zur präzisen Hf-Isotopenanalyse mittels Thermionenmassenspektro- metrie zu entwickeln. Inzwischen wird diese Methode nicht mehr verwendet. Ein erhebli- ches Problem dabei liegt nämlich darin, daß die Ionenausbeute sehr gering ist. Das Verhält- nis der Ionen, die auf dem Auffänger (Faraday) des Massenspektrometers registriert werden, zu den Ionen, die auf das Filament geladen werden, beträgt nur ≈1/30000, während z.B. bei der Nd-Isotopenanalyse eine um zwei Zehnerpotenzen größere Ionenausbeute erreichbar ist (sogar drei Zehnerpotenzen, wenn Nd als Oxid gemessen wird). Die geringe Ionenaus- beute beim Hf bedingt, daß für eine Messung mit der erforderlichen Präzision eine Hf- Menge von ≈1μg vorhanden sein sollte, mindestens das Zehnfache dessen, was für eine Standard-Nd-Isotopenanalyse nötig ist. Für terrestrische Proben wird das meist keine Pro- bleme bereiten (Ausnahme: Mineralanalysen), für die Analyse extraterrestrischen Materials wegen dessen beschränkter Verfügbarkeit jedoch schon. Die Schwierigkeiten der Hf-Isoto- penanalyse mittels Thermionenmassenspektrometrie liegen vor allem darin, daß extrem hohe Temperaturen erforderlich sind, um das Hf von den verwendeten Re-Filamenten abzudampfen, Temperaturen bei denen das Re selbst schon ziemlich flüchtig ist.

0.292

Lu-Hf-Isochrone für Eukrite zur Moama 0.290 Bestimmung der Zerfallskonstanten Für t = 4.55Ga resultiert eine Halbwertszeit von 35.3±1.4Ga 0.288 f H

177 0.286 f/ H

176 Moore County 0.284 Pasamonte Serra de Magé

Nuevo Laredo Juvinas ALHA 77302 Sioux County 0.282 Stannern Béréba

0.280 0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10 0.12 176Lu/177Hf

ABBILDUNG 62 Lu–Hf-Isochrone für Eukrite, eine Gruppe von Meteoriten, die in ihrer Früh- geschichte eine magmatische Differenzierung erfahren haben.

86 A. Radiogene Isotopensysteme

Das erste Projekt von Patchett & Tatsumoto war in einer Umkehrung der Altersbestim- mungsmethode die Bestimmung der Zerfallskonstanten von 176Lu mittels einer Gruppe von achondritischen Meteoriten, den Eukriten, deren magmatisches Bildungsalter dur ch die U–Pb-, Rb–Sr- und Sm–Nd-Chronologie mit 4.55 Ga gut bekannt ist. (siehe Abbildung 62[93]). Daraus resultierten eine Zerfallskonstante λ von (1.94±0.07)×10-11 a-1 und das initiale Hf-Isotopenverhältnis des Sonnensystems – also auch der Erde – mit 176Hf/177Hf = 0.27978±9. Infolge der geringen Variation im Lu/Hf-Verhältnis ist der Fehler dieser Zerfalls- konstanten groß. Eine neue indirekte Bestimmung, bei denen U–Pb-Alter irdischer Proben zugrunde gelegt wurden, ergaben λ = (1.865±0.015)×10-11 a-1, also einen um etwa 4% nied- rigeren Wert[94], der aber gut mit einigen Ergebnissen direkter Bestimmungen des β–-Zer- falls[95] übereinstimmt und mit einer zweiten indirekten Bestimmung an Doleriten und deren Mineralen aus Skandinavien[96]. Dieser Wert stand einige Jahre im Widerspruch zur Zerfallskonstanten, die aus meteoritischen Proben abgeleitet ist, denn eine Isochrone für Eukrite[97] ist eher mit einem Wert von 1.93×10-11 a-1 zu vereinbaren, der aus einer γ–γ-Koin- zidenzmessung des β–-Zerfalls resultiert[98]. Die Analyse von Phosphaten aus einem gewöhnlichen Chondriten und einem Achondriten hat aber die revidierte niedrige Zer- fallskonstante bestätigt[99]. Eine Alternative wird von Albarède et al. (2006[100]) vorgeschla- gen. Danach soll hochenergetische γ-Strahlung (z.B. aus dem Zerfall von Radionukliden wie 26Al oder 60Fe resultierend) im frühen Sonnensystem einen Teil des 176Lu vom Grund- zustand in einen angeregten Zustand überführt haben, von dem aus es mit einer Halb- wertszeit von nur 3.7 Stunden in 176Hf zerfällt.

0.2835

Lu-Hf-Isotopie von Chondriten

0.2830 f H

177 0.2825 f/ H 176

0.2820 Eukrit-Isochrone

0.2815 0.026 0.028 0.030 0.032 0.034 0.036 0.038 0.040 176Lu/177Hf

ABBILDUNG 63 Lu–Hf-Isotopensystematik der Chondrite[101]. Zur Orientierung ist die Isoch- rone für Eukrite eingetragen[93]. Die Fehler im 176Hf/177Hf sind zumeist unge- fähr so groß wie die Symbole und wurden nur aufgetragen, wenn sie erheblich größer waren.

Die Analyse der Hf-Isotope mittels ICP-MS, die mit einem Magnetsektormassenspektrome- ter und Multikollektor als Auffänger gekoppelt ist[27], hat eine deutlich verbesserte Präzi-

87 Das Lu–Hf-Isotopensystem

sion der Daten mit sich gebracht und als Folge der hohen Temperaturen der Anregung im Plasma eine drastische Reduzierung der benötigten Probenmenge auf ca. 25 ng. Das hat dazu geführt, daß sich das Lu–Hf-Isotopensystem inzwischen großer Wertschätzung erfreut. Es ist mit dieser Technik jetzt auch möglich, Chondrite zu analysieren (Abbildung 63[101]). Eine präzise Isochrone konnte allerdings nicht erhalten werden, weil die Lu/Hf- Fraktionierung sehr gering ist. Allerdings streuen die Daten einigermaßen vernünftig um die Isochrone für die Eukrite. Zur Datierung von Gesteinskomplexen mittels Gesamtgesteinsanalysen eignet sich das Lu– Hf-System infolge der geringen Lu/Hf-Fraktionierung vorwiegend für proterozoische und ältere Gesteine. Tatsächlich spielt das Lu–Hf-System in der Geochronologie erst seit der Jahrtausendwende infolge der Entwicklung der Multikollektor-ICP-MS-Technik eine bedeutende Rolle. Pettingill & Patchett[106] haben eine Lu–Hf-Gesteinsisochrone vor allem deswegen gemessen, um die generelle Brauchbarkeit des Systems zu testen. Dabei handelt es sich um die Amîtsoq-Gneise in West-Grönland (Abbildung 64), die bereits im Rb–Sr- Kapitel erwähnt wurden. Das Alter ist im Rahmen seines relativ großen analytischen Feh- lers identisch mit dem Rb–Sr-Alter. Die Lu–Hf-Isochrone ist jedoch vergleichsweise schlecht definiert und eher als „errorchron“ zu bezeichnen. In Zirkonen wird das 176Hf/ 177Hf wegen eines niedrigen Lu/Hf-Verhältnisses praktisch eingefroren sein, und Zirkone sind daher gut geeignet, das initiale Hf-Isotopenverhältnis eines Gesteins zu liefern, wäh- rend man beim Sm–Nd-System das initiale 143Nd/144Nd nur durch Aufnahme einer Iso- chrone erhält. Man kann daher durch Analyse von Zirkonen aus Gesteinen unterschied- lichen Alters terrestrische Hf-Isotopenvariationen studieren, ohne das genaue Alter des Gesteins selbst zu kennen. Die Lu/Hf-Fraktionierung der Gesteine des Amîtsoq-Komplexes ist gering, kann aber als typisch für die Gesteine der kontinentale Kruste angesehen wer- den.

0.2825

Amîtsoq-Gneise/Grönland t = 3.55±0.22Ga 0.2820

f 0.2815 H 177 f/ H

176 0.2810 Zirkone

0.2805

0.2800 0 0.005 0.010 0.015 0.020 0.025 176Lu/177Hf

ABBILDUNG 64 Lu–Hf-Isochrone der Gneise von Amîtsoq in Grönland Scherer et al.[102] haben Granate auf ihre Verwendbarkeit zur Lu–Hf-Datierung untersucht. Ihre Resultate legen nahe, daß die „Schließungstemperatur“ von Granat für das Lu–Hf- System etwas höher liegt als die für Sm–Nd. Vorsicht ist geboten, wenn die Granate Ein-

88 A. Radiogene Isotopensysteme

schlüsse, z.B. von Zirkon, enthalten, weil dieses Mineral hohe Hf-Gehalte aufweist und man nicht sicher sein kann, daß Granat und Zirkon sich bei t = 0 (Bildungsalter) im Hf-Iso- topengleichgewicht befunden haben. Auch für Granate aus Hochdruckgesteinen der Walliser Alpen wurde gefunden, daß ihr Lu– Hf-Alter signifikant über dem Sm–Nd-Alter liegt[103],[104]. Die Ursache wird von Lapen et al.[104] in der prograden Wachstumsdauer der Granate gesehen – die maximalen Metamor- phosetemperaturen für dieses Gestein wurden zu 600–630 °C abgeleitet und liegen damit wohl unterhalb der Schließungstemperaturen für beide Isotopensysteme. Es wird argumen- tiert, daß infolge der großen Kompatibilität des Lu für Granat – für den Lu-Gehalt wurde eine starke Abnahme vom Kern zum Rand vermutet – die Lu–Hf-Alter die Kerne der Gra- nate stärker gewichten als die Ränder. Ein durch Granate bestimmtes Lu–Hf-Alter könnte dann in Richtung auf ein progrades Metamorphosestadium verschoben sein.

0,5135 0,2834

Granate Granate 0,5134 0,2833 unsaubere Granate ¹⁷ 0,5133 ⁶ Hf/¹⁷⁷Hf 0,2832 unsaubere T = 40,6±2,6 Ma Nd/¹⁴⁴Nd ³ 0,5132 Granate ¹⁴ T = 48,8±2,1 Ma 0,2831 0,5131 Gesamtgestein, Gesamtgestein, Omphacit, Glaukophan Omphacit, Glaukophan, Klinozoisit, Paragonit 0,5130 0,2830 0,00 0,50 1,00 1,50 0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 ¹⁴⁷Sm/¹⁴⁴Nd ¹⁷⁶Lu/¹⁷⁷Hf

ABBILDUNG 65 Datierung eines Eklogits vom Lago di Cignana, Zermatt–Saas-Ophiolith, links durch das Sm–Nd-System[103], rechts mittels des Lu–Hf-Systems[104].

2,5 60 50 ]

2,0 ] 40 1,5 30 Lu [ppm Lu Sm [ppm 1,0 20 0,5 10 0 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 Kern Radius [mm] Kern Radius [mm]

ABBILDUNG 66 Zonierung von Sm und Lu in Granatkörnern verschiedener Größe aus einem Eklogit vom Lago di Cignana[105]. Tatsächlich analysiert wurde die Wachstumszonierung dieser Granate erst später (Abbil- dung 66[105]). Vor allem in großen Granatkörnern – deren Wachstum früher einsetzte als dasjenige von kleinen – ist Lu sehr stark im Kernbereich konzentriert. Nicht unbedingt erwartet war die Konzentration von Sm in Richtung der Kornränder; allerdings sind hier die Unterschiede zwischen großen und kleinen Körnern weniger ausgeprägt. Aus ihren

89 Das Lu–Hf-Isotopensystem

Befunden leiten die Autoren ab, dass die Zonierung und Korngrößenverteilung der Granate in der analysierten Probe bekannt sein müssen, um die Alter korrekt interpretieren zu kön- nen. Große Granatkörner wachsen über einen beträchtlich längeren Zeitraum als kleine. Auf die Lu–Hf-Alter hat dies einen wesentlich größeren Einfluß als auf die Sm–Nd-Alter. Der zweite Nutzen des Lu–Hf-Systems liegt in der Anwendung als Tracer. Das heißt, man mißt die Isotopenzusammensetzung von Gesteinen bekannten Alters, um so die chemi- sche Differenzierung der Erde über den Lauf ihres Alters von ≈4.55 Ga zu verfolgen. Auch die Hf-Isotopie läßt sich bequemerweise in der ε-Form angeben:

⎡ ()176Hf 177 Hf ⎤ ε = ⎢ Probe − ⎥ × 4 Hf 1110 [GL 92] ⎢()176Hf 177 Hf ⎥ ⎣ Chondrite ⎦ Zur Ermittlung des chondritischen 176Hf/177Hf wählten Patchett und Tatsumoto den C2- Chondriten Murchison. Sein 176Hf/177Hf ist in 4.55 Ga vom Initialwert der Eukrite (0.27978±9) infolge seines 176Lu/177Hf-Verhältnisses von 0.0334 (= Lu/Hf von 0.240) auf 0.28286 heute angewachsen. Zur Fraktionierungskorrektur der Massenspektrometer- messungen wird das Verhältnis 179Hf/177Hf mit 0.7325 verwendet. Das heutige chondriti- sche 176Hf/177Hf-Verhältnis wird inzwischen auf Grund der größeren Datenbasis von Bli- chert-Toft & Albarède[101] zu 0.282772 angesetzt. Im folgenden werden drei Beispiele angeführt, um die Tracer-Anwendung des Lu–Hf- Systems zu demonstrieren. 8.1 Die Hf-Isotopensignatur des subozeanischen oberen Erdmantels Im Lu–Hf-System sind – wie im Sm–Nd-System, aber im Gegensatz zum Rb–Sr-System – die Tochternuklide (bzw. -elemente) des radioaktiven Zerfalls inkompatibler bei Magmenbil- dungsprozessen als die Mutternuklide (bzw. -elemente). Man wird daher vermuten dürfen, daß Nd- und Hf-Isotope positiv und Sr- und Hf-Isotope negativ korreliert sind. Und tat- sächlich wurden solche Beziehungen auch gefunden (siehe Abbildung 67[107]), auch wenn die Variation im Detail komplizierter sein mag. Basalte von ozeanischen Spreizungszentren (MORB) haben die höchsten 143Nd/144Nd- und 176Hf/177Hf-Verhältnisse und die niedrigsten 87Sr/86Sr-Verhältnisse aller Basalttypen. Sie müssen deshalb aus einem Reservoir im Erdmantel stammen, das integriert über alle geo- logische Zeit die höchsten Verhältnisse von Sm/Nd und Lu/Hf und das niedrigste Rb/Sr- Verhältnis hatte. Das kann man als Folge früherer Magmenextraktionsprozesse ansehen. Für MORB kann man sich als einfachen Zusammenhang zwischen Nd- und Hf-Isotopie die Faustformel ε ≈ ε Hf 1.5 – 2 Nd [GL 93] merken. Basalte der ozeanischen Inseln müssen demgegenüber eine andere Entwicklungs- geschichte haben. Sie nehmen einen weiten Bereich in den Isotopendiagrammen ein, der auch die Zusammensetzung des unfraktionierten Erdmantels umfaßt, was aber nicht auf Ableitung aus solch primitivem Material schließen läßt, sondern komplexe Mischungs- prozesse verschiedener Ausgangsmaterialien erfordert, z.B. von verschiedenen Mantel- reservoiren oder von Mantel- und Krustenmaterial. Aus dem linken Teildiagramm ist ferner zu ersehen, daß der bulk-earth-Punkt etwas unterhalb des durch MORB und Ozeaninseln (OIB) aufgespannten mantle array liegen. Blichert-Toft & Albarède[101] haben daher argu- mentiert, daß es in der Erde ein weiteres Reservoir neben dem verarmten Erdmantel und der kontinentalen Kruste geben muß, und schlagen dafür subduzierte Basalte vor.

90 A. Radiogene Isotopensysteme

0.2838 Ozeanboden- und

= 0 Ozeaninselbasalte 0.2836 = 10 Nd Nd ε ε 0.2834 ε = 18 Galapagos Hf Hf 0.2832 MORB MORB 177 Tahiti

Hf/ 0.2830 Tahiti Galapagos 176 εHf = 0 0.2828 bulk-earth Kerguelen Kerguelen 0.2826

0.2826 0.5122 0.5126 0.5130 0.5134 0.702 0.704 0.706 0.708 143Nd/144Nd 87Sr/86Sr

ABBILDUNG 67 Die Korrelation zwischen Hf-, Sr- und Nd-Isotopen in ozeanischen Basalten 8.2 Die Hf-Isotopenentwicklung der Erde Auch für das Lu–Hf-System kann die Erde wieder als chondritisches Reservoir angesehen werden, ihre Hf-Isotopenentwicklung also gleich der des C2-Meteoriten Murchison gesetzt werden. In Abbildung 68[107] sind die initialen 176Hf/177Hf-Verhältnisse krustaler Gesteine (auf der Basis von Gesamtgesteins- oder Zirkonanalysen) gegen das Bildungsalter dieser Gesteine aufgetragen, zusammen mit der chondritischen Entwicklungslinie. Die gegenwär- tige Hf-Isotopenvariation des Erdmantels macht ca. 20ε-Einheiten aus von ≈0 – 20, was einem zeitintegriert chondritischen bis zu einem wesentlich höher als chondritischen Lu/ Hf-Verhältnis entspricht. Gesteine der kontinentalen Erdkruste mit Bildungsaltern >≈3 Ga haben chondritische initiale 176Hf/177Hf-Verhältnisse; diese Gesteine sind daher aus einem damals noch weitgehend undifferenzierten Erdmantel extrahiert worden. Kruste, die während der großen Krustenbildungsepisoden zwischen ≈2.8 Ga und heute gebildet wurde, ist demgegenüber meist aus einem an Hf relativ zu Lu verarmten Erdman- ε ≈ ε tel entstanden mit Hf-Werten bis +10. Eine markante Zunahme der initialen Hf-Werte ε vom späten Archaikum bis heute ist jedoch nicht ersichtlich. Die hohen Hf-Werte stam- men überwiegend aus der Analyse von Zirkonen. Aus U–Pb-Isotopenuntersuchungen weiß man aber, daß viele solcher Zirkone diskordant sind, d.h. daß sie irgendwann einmal nach ihrer Bildung Pb relativ zu U verloren haben müssen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß während eines solchen (metamorphen) Ereignisses auch das Hf-Isotopen- system der Zirkone beeinflußt wurde, z.B. durch Austausch mit hoch radiogenem Hf aus einem REE-reichen und Hf-armen Mineral wie Monazit, Titanit, Allanit oder Apatit. Dann wäre ihre Hf-Isotopie eine Mischung, und die Zirkone wären bei einem zu hohen Alter in die Abbildung eingetragen. Auch durch parallele Analyse von U–Pb und Lu–Hf an solchen Zirkonen konnte diese Ungereimtheit nicht aufgelöst werden. Ein weiteres Problem resultiert aus der Revision der Zerfallskonstanten auf den Wert von 1.865×10-11 a-1. Damit wird das initiale 176Hf/177Hf der Erde höher, und eine Reihe von ε [108] archaischen Zirkonen erhält negative Hf-Werte , sollte also aus Gesteinen stammen, die über beträchtliche Zeit hinweg an Hf über Lu relativ zur Gesamterde angereichert waren. Dies wiederum würde die Existenz krustaler Blöcke schon während der ersten ca. 250 Ma der Erdgeschichte nahelegen. Obwohl in archaischen Quarziten Westaustraliens gefun- dene Zirkone U–Pb-Alter bis 4.3 oder gar 4.4 Ga zeigen[109],[110], ist nicht klar, inwieweit dies

91 Das Lu–Hf-Isotopensystem

die Existenz größerer Mengen an Erdkruste erfordert. Der generellen Vergleichbarkeit geo- chronologischer Daten wegen wäre es zweifellos angebracht, die Werte der Zerfallskonstan- ten vieler Isotopensysteme kritisch zu evaluieren und gegebenenfalls neue Bestimmungen mit den inzwischen vorhandenen Techniken vorzunehmen[111].

0.284 Variation der initialen Hf-Isotopenverhältnisse 0.283 (aus Gesamtgesteinen und Zirkonen)

f 0.282 H heutiger 177 Erdmantel f/ H 0.281 176 εHf: +20 aus Ereignissen inten- +10 0.280 siver Krustenbildung 0 aus Intraplatten- -10 vulkaniten 0.279 4.55 4321 0 t [Ga]

ABBILDUNG 68 initiale Hf-Isotopien von Magmatiten über den Verlauf der Erdgeschichte 8.3 Hinweise von den Hf-Isotopen auf das Ausmaß des globalen Recycling

Tiefe [km] IABCFB OIB MORB

kontinentale Lithosphäre 100

ozean. 200 Lithosphäre

300

400

500

600 alte ozeanische Lithosphäre 670

ABBILDUNG 69 Cartoon zur Illustration von Subduktion der ozeanischen Lithosphäre bis zur 670 km-Diskontinuität und Recycling alter subduzierter Lithosphäre

92 A. Radiogene Isotopensysteme

Magmen, die in Subduktionszonen aufdringen, können chemische Komponenten sowohl aus der subduzierten Ozeankruste als auch dem Mantelkeil darüber enthalten. Daß die basaltische Ozeankruste z.T. subduziert wird, steht außer Frage. Was allerdings lange Zeit kontrovers diskutiert wurde, ist die Frage, ob die Sedimentauflage der Ozeankruste mit sub- duziert wird bzw. ob ihr Anteil mengenmäßig so bedeutsam ist, daß sie im Laufe der Zeit durch Homogenisierung mit Mantelperidotit eine meßbare Isotopenverschiebung im Man- tel verursacht oder ob die Menge an subduzierten Sedimenten so gering ist, daß sie die che- mische und Isotopenentwicklung des Erdmantels nicht beeinflußt. Subduktions- zonenbasalte haben einige chemische Charakteristika, z.B. hohe Ba/La- und La/Ta- Verhältnisse, die dadurch erklärt werden können, daß an ihrer Bildung tonige Sedimente beteiligt waren. Diese Hypothese wird auch durch die Sr- und Nd-Isotopenzusammenset- zung solcher Basalte gefordert. In Diskussionen über die Erd- mantelentwicklung spielen die Lu/Hf- und Sm/Nd- Basalte der ozeanischen Inseln 0.08 Verhältnisse von [OIB] wie Hawaii oder Samoa Sedimenten eine große Rolle. Ozeanische Mn-Knollen, Inseln liegen weit entfernt von Rote Tone kontinentaler Kruste. Trotzdem 0.06 entspricht die Isotopenzusam- mensetzung ihrer Basalte nicht Hf der von Basalten ozeanischer 177

Rücken. Der Mantel, aus dem Lu/ 0.04 Erde die Ozeaninseln entstanden, 176 muß vielmehr zeitintegriert Tone, weniger stark an inkompati- Tonschiefer blen Elementen verarmt gewe- 0.02 sen sein (also an Rb relativ zu Sr oder Hf relativ zu Lu) als der Sande Mantel, aus dem MORB ent- standen. Nach einer in der 0 Fachwelt populären Vorstel- 0 0.05 0.1 0.15 0.2 lung sollen daher die Quelle 147Sm/144Nd von Ozeaninselbasalten oze- anische Kruste (Basalt + etwas ABBILDUNG 70 Lu/Hf- und Sm/Nd-Verhältnisse verschiede- Sediment) ± Peridotit sein, die ner ozeanischer Sedimente subduziert wurde und sich an der Grenze oberer/unterer Erdmantel in einer Tiefe von ≈670km (oder gar an der Mantel/ Kern-Grenze) ansammelte, dort einige 100Ma stabil war, bis sie sich durch radioaktive Wär- meproduktion gegenüber ihrer Umgebung soweit aufgeheizt hatte, daß sie instabil wurde und aufzusteigen und schließlich aufzuschmelzen begann[112]. Wenn diese Hypothese richtig ist, muß man zumindest in günstigen Fällen auf Grund der Hf-Nd-Isotopensystematik die sedimentäre Komponente nachweisen können, da Tiefseese- dimente, welche die subduzierte Sedimentkomponente darstellen sollten, außergewöhnli- che Hf-Nd-Isotopien über den Verlauf von 0.5 – 2 Ga entwickeln würden. Schaut man sich die Lu/Hf- und Sm/Nd-Verhältnisse von ozeanischen Sedimenten an(Abbildung 70[113] ), dann stellt man fest, daß deren 147Sm/144Nd nur relativ wenig schwankt (≈0.10 – 0.16). Gewöhnliche Tonschiefer und Tone haben zudem auch ein eng begrenztes Lu/Hf, das im Mittel dem halben chondritischen Verhältnis entspricht. Sande weisen das niedrigste Lu/ Hf auf, weil sich in ihnen der durch Verwitterungsprozesse praktisch unzerstörbare Zirkon mit seinem hohen Hf-Gehalt von ≈1% anreichert. Rote Tiefseetone und Mn-Knollen haben im Vergleich zu normalen Tonen hohe REE-Gehalte bei identischen Hf-Konzentrationen, und als Folge davon hohe und sehr variable Lu/Hf-Verhältnisse. Dadurch wird in roten Tiefseetonen in geologischer Zeit ein wesentlich radiogeneres 176Hf/177Hf eingestellt als in

93 Das Lu–Hf-Isotopensystem

anderen Sedimenten. Biogene Sedimente (Kalke, Kieselschiefer) scheinen noch höhere Lu/ Hf-Verhältnisse zu haben; infolge niedriger Konzentrationen beider Elemente dürfte ihre 176Hf/177Hf-Signatur jedoch als Komponente der subduzierten Kruste nicht mehr zu erken- nen sein. Geht man davon aus, daß dieselben Prozesse der Produktion von ozeanischer Kruste an mittelozeanischen Rücken und ihrer Zerstörung in Subduktionszonen seit min- destens dem frühen Proterozoikum vor ≈2 Ga vorherrschend waren wie heute, dann läßt sich abschätzen, ob die Hf- und Nd-Isotopien von Ozeaninselbasalten durch eine Mischung von ozeanischer Kruste (±verarmtem ozeanischem Mantelperidotit) und Tiefsee- sedimenten erklärt werden können. Wie Abbildung 71 erkennen läßt[113], ist dies weder durch Mischen von MORB mit 1 – 2 Ga alten roten Tiefseetonen noch durch Mischen von MORB mit einem Durchschnitt an pelagischen Sedimenten möglich (Mischung von alten Komponenten ist erforderlich, weil das globale Recycling sicherlich solche Zeiträume in Anspruch nimmt). Die letztgenannte Mischung für ≈2 Ga alte ozeanische Kruste würde entlang der gezeigten Mischungslinie erfolgen. Eine Mischung, welche die Nd- und Hf-Iso- topenvariation der Ozeaninselbasalte erklären würde, bestünde aus verarmtem Mantelpe- ridotit (bzw. ozeanischer Kruste) + pelagischen Sedimenten + Sanden mit niedrigem Lu/Hf, die durch Trübeströme vom Kontinentalhang in die Tiefsee gelangen könnten. Diese Mischung müßte jedoch in einem engen Mengenverhältnis der sedimentären Komponen- ten erfolgt sein, was sehr schwer realisierbar scheint, weil pelagische Sedimente und Turbi- dite an unterschiedlichen Orten abgelagert werden (in der Tiefsee bzw. vor dem Kontinen- talhang) können und nicht gleichzeitig subduziert werden müssen. Damit stellen die Ozeaninselbasalte wohl keine solche Mischung von altem verarmtem Mantel und alten Sedimenten dar. In Kapitel 12.2, Seite 125 wird diese Frage nochmals aufgerollt.

40 ε extremer Hf Tiefseeton MORB Ø Tiefseeton 20

Mischung von pelagischem Sediment mit Erdmantel 0 Ozeaninsel- basalte

t=0 gisches a -20 t=2Ga Ø pel Sediment Mischung von Turbidit + pelagisches Sediment (Verhältnis 1.2:1) mit t=2Ga -40 Erdmantel Modell zur Erklärung t=2Ga der Entstehung von turbiditischer Sandstein Ozeaninselbasalten -60 -40 -30 -20 -10 0 10 20 εNd

ABBILDUNG 71 Hf- und Nd-Isotope ozeanischer Sedimente und von Ozeaninselbasalten

94 A. Radiogene Isotopensysteme

9.0 Das La–Ce-System

Ein Zerfallssystem, das erst in den 1980er Jahren auf seine Nutzbarkeit für die Geochrono- logie untersucht worden ist, ist das La–Ce-System[114]. Auf Grund eines ungünstig niedri- gen Mutter-Tochter-Verhältnisses beim Zerfall, gekoppelt mit einer kleinen Zerfallskon- stante, wird man davon ausgehen dürfen, daß es auch in den kommenden Jahren keine größere Bedeutung erlangen wird. Natürliches La besteht aus den beiden Isotopen 138La (natürliche Häufigkeit 0.089%) und 139La (99.911%). 138La ist schwach radioaktiv und zerfällt unter Elektroneneinfang in 138 Ba (das mit 71.66% das mit Abstand häufigste Ba-Isotop ist) sowie unter β–-Aussendung in 138Ce. Da Ba in Gesteinen und Mineralen fast stets erheblich häufiger ist als La, scheidet das Zerfallssystem La-Ba für die Geochronologie weitgehend aus. Eine potentielle Ausnahme bilden Minerale der leichten REE, z.B. Bastnäsit[115]. Ce besteht aus den 4 stabilen Isotopen 136Ce (Häufigkeit 0.193%), 138Ce (0.25%), 140Ce (88.48%) und 142Ce (11.07%). La und Ce sind die beiden leichtesten Elemente der Seltenen Erden. La tritt in der Natur nur dreiwertig auf, während das Ce unter oxidierenden Bedingungen – vor allem bei den Prozessen der Verwitterung und Sedimentbildung, selten aber auch in Meteoriten – zusätz- lich vierwertig vorkommen kann. Das chondritische La/Ce-Häufigkeitsverhältnis beträgt 0.31/0.808=0.38; dies entspricht einem 138La/138Ce-Verhältnis von 0.38×(0.089/138.91)/ (0.25/140.12) = 0.138. Viele Gesteine der kontinentalen Erdkruste sowie basaltische bis kimberlitische Magmatite haben La/Ce > chondritisch und dürften daher potentiell die best geeigneten Studienobjekte für die La–Ce-Datierung sein. Die partiellen Zerfallskonstanten und die Halbwertszeit von 138La sind noch nicht sehr genau bekannt. Als beste Werte können gelten[114]:

-12 -1 λε = (4.59±0.33)×10 a

-12 -1 λβ = (2.58±0.25)×10 a

-12 -1, λ = λε + λβ ≈ 7.2×10 a woraus eine Halbwertszeit von ≈97×109a folgt, die vergleichbar ist mit der von 147Sm. Tanaka & Masuda bezogen ihre Massenspektrometerdaten auf das häufige Isotop 142 Ce, während eine andere Arbeitsgruppe[116] dem 136Ce den Vorzug gibt, das eine ähnlich nied- rige Häufigkeit hat wie 138Ce. Die Zerfallsgleichung lautet im Fall der Division durch 142Ce:

138 ⎛ 138 ⎞ λ 138 Ce Ce β La λ t = ⎜ ⎟ + ()e 138 − 1 [GL 94] 142 ⎝ 142 ⎠ λ 1142 Ce Ce initial Ce Das System ist bislang nur in einem Fall auf seine Brauchbarkeit für Datierungszwecke hin untersucht worden, und zwar für Gabbros aus dem Bushveld Komplex in Südafrika (siehe Abbildungen 72 und 73). Das Alter ist innerhalb des Fehlers nicht unterscheidbar von Sm– Nd- und Rb–Sr-Altern. Infolge der niedrigen La/Ce-Verhältnisse und der kleinen partiellen Zerfallskonstante ist die Variation des Ce-Isotopenverhältnisses jedoch winzig und damit der Fehler des Isochronenalters hoch. Eine andere Arbeit beschäftigte sich mit der Möglichkeit, mit Hilfe des La–Ce-Systems in Magmatiten Kontaminationen durch die Aufschmelzung und Inkorporation von alter kon- tinentaler Kruste nachzuweisen[116]. In diesem Fall liegen die beobachteten Ce-Isotopenva- riationen am Rand des derzeitigen Auflösungsvermögens der Massenspektrometrie.

95 Das La–Ce-System

0.02290

Gabbros Bushveld t = 2390±480Ma 0.02288 Plag 1 Ce 142 0.02286 Bulk Plag 2 Ce/

138 Cpx 2 Cpx 1 0.02284

0.02282 0.001 0.002 0.003 0.004 0.005 0.006 138La/142Ce

ABBILDUNG 72 La–Ce-Isochrone für Gesteine der Bushveld-Lagenintrusion; der große stati- stische Fehler zeigt, daß das La–Ce-System nicht besonders zur Datierung basischer Magmatite geeignet ist.

0.513

Gabbros Bushveld Cpx 2 t = 2050±90Ma Cpx 1 0.512 Bulk Nd 144

0.511 Nd/

143 Plag 1 Plag 2

0.510

0.00 0.10 0.20 147Sm/144Nd

ABBILDUNG 73 Zum Vergleich: Sm–Nd-Isochrone der Gesteine vom Bushveld

96 A. Radiogene Isotopensysteme

10.0 Das K–Ca-System

40K erfährt einen dualen Zerfall: Unter Elektroneneinfang zerfallen ≈10.5% der 40K-Atome in 40Ar und liefern damit die Grundlage der K–Ar-Datierung. Die übrigen ≈89.5% zerfallen unter β–-Emission in 40Ca, das mit 96.9821% am Aufbau des natürlichen Ca beteiligt ist. Ca verfügt noch über 5 weitere stabile Isotope mit den Massenzahlen 42Ca (natürliche Häufig- keit 0.6421%), 43Ca (0.1334%), 44Ca (2.0567%), 46Ca (0.0031%) und 48Ca (0.1824%). Die Massendifferenz zwischen 40Ca und 44Ca beträgt immerhin ≈10%, und daher findet man beim Ca geringe, aber meßbare massenabhängige natürliche Fraktionierungen[85]; darauf wird bei den stabilen Isotopen auf Seite 267 kurz eingegangen. 40 Obwohl die Zerfallskonstante λβ des K eine für die Geochronologie günstige Größenord- nung hat, ist die K–Ca-Methode zur Altersbestimmung nur in Ausnahmefällen geeignet. Das liegt daran, daß die meisten Gesteine und Minerale ein sehr niedriges 40K/40Ca-Ver- hältnis haben, denn 40K ist am Aufbau des natürlichen K nur mit 0.01167% beteiligt, und sowohl K als auch Ca sind Hauptelemente in den Gesteinen der Erdkruste. Die Angabe der Massenspektrometerdaten erfolgt relativ zum Isotop 42Ca. Die Zerfallsgleichung lautet dann:

40 ⎛ 40 ⎞ λ 40 Ca Ca β K λ t = ⎜ ⎟ + ()e 440 − 1 [GL 95] 42 ⎝ 42 ⎠ λ 42 Ca Ca initial Ca λ × -10 -1 ⇒ × 9 mit β = 4.962 10 a t1/2 = 1.25 10 a.

152.0 Biotit Pikes Peak-Granit (Colorado) 151.8 t = 1041±32Ma

151.6

Ca K-Feldspat 42 Ca/

40 151.4

151.2

Gesamtgestein Plagioklas 151.0 0 0.2 0.4 0.6 0.8 11.2 1.4 40K/42Ca

ABBILDUNG 74 K–Ca-Alter des Pikes Peak-Komplexes Einer der wenigen Fälle, in denen die K–Ca-Methode bislang zur Datierung verwendet wurde, ist der des Pikes Peak Granitstocks in Colorado[117], für den Plag, Gesamtgestein, 2 Kalifeldspatfraktionen und Biotit ein Alter von 1041±32Ma lieferten (Abbildung 74). Die Altersbestimmung mit dieser Präzision konnte nur gelingen, weil Minerale wie Biotit und Kalifeldspat hohe K-Gehalte bei niedrigen Ca-Gehalten haben (z.B. der analysierte Biotit: 5.786%K, 0.0833%Ca). Bei der Berechnung stellte sich heraus, daß der Initialwert der

97 Das K–Ca-System

Isochrone mit 40Ca/42Ca = 151.024±16 vor ≈1 Ga identisch ist mit dem primordialen Ver- hältnis der Chondrite und dem Verhältnis junger, aus dem Erdmantel stammender Gesteine. D.h. die 40Ca/42Ca-Entwicklungskurve der Erde weist eine Steigung von 0 auf, weil das K/Ca-Verhältnis der Erde offensichtlich so niedrig ist, daß der Zerfall von 40K kei- nen Einfluß auf die Isotopenzusammensetzung des Ca der Erde in den ≈4.6 Ga ihrer Geschichte hat. Auch für das 40Ca/42Ca läßt sich wieder ein ε-Parameter definieren:

⎡ ()40Ca 42 Ca ⎤ ε = ⎢ Probe − ⎥ × 4 Ca 1 10 [GL 96] ⎢()40Ca 42 Ca ⎥ ⎣ chondritisch ⎦ Abbildung 75 illustriert schematisch die Entwicklung der Ca-Isotopie in Kruste und Mantel und vermittelt einen Einblick, welche Isotopenunterschiede sich eventuell auflösen las- [117] ≈1 sen . Taylor & McLennan zufolge liegt das K/Ca-Verhältnis der „bulk crust“ bei /4, das der Oberkruste bei ≈1 – 2. Danach wären im Durchschnitt selbst für alte (≈3.5 Ga) konti- ε nentale Kruste nur Ca-Werte von weniger als +10 zu erwarten. Das K–Ca-Isotopensystem eignet sich daher nur in wenigen Ausnahmefällen zur Datierung. Marine Karbonate zeigen, daß das Meerwasser über die vergangenen ≈3.5 Ga hinweg innerhalb des Auflösungsver- mögens dasselbe 40Ca/44Ca gehabt haben wie Gesteine des Erdmantels[118], daß mithin der Einfluß der Verwitterung von Gesteinen mit hohem K/Ca auf den Kontinenten auf das Meerwasser gering war im Vergleich zum Einfluß hydrothermaler Quellen und der Verwit- terung ozeanischer Basalte.

40 Kruste mit Hypothetische Entwicklung der Ca- K/Ca = 7 35 Isotopien in der Erdkruste als Folge von Differentiationsereignissen 30

Differentiations- 25 ereignisse 5 = /Ca it K m 20 ste ru

Ca K ε 15 Kruste mit 10 K/Ca = 5

it K/Ca = 1 5 Kruste m

0 Mantel (K/Ca = 0.01)

4.5 4.0 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 t [Ga]

ABBILDUNG 75 Ca-Isotopenentwicklungskurven von Erdmantel und Erdkruste

98 A. Radiogene Isotopensysteme

11.0 Die Re–Os-Methode

Natürliches Re besteht aus den beiden Isotopen 185Re mit einer Häufigkeit von 37.398±0.016% und 187Re (62.602±0.016%). 187Re ist radioaktiv und zerfällt unter β–-Emis- sion in 187Os. Die direkte Bestimmung der Halbwertszeit von 187Re durch Messung der β–- Strahlung ist sehr schwierig, weil die Zerfallsenergie nur ≈2.6KeV beträgt. Ein gangbarer Weg ist daher – wie bei der Bestimmung der Halbwertszeit von 176Lu – eine Gesteinsserie gut bekannten Alters zu nehmen und die Halbwertszeit aus der Steigung der Isochrone zu bestimmen. Hirt et al. (1963)[119] bestimmten die Halbwertszeit zu (4.3±0.5)×1010a dur ch Analyse von Molybdänglanzen bekannten Alters. Dieser Wert stimmt innerhalb des Feh- lers überein mit dem derzeit besten durch die indirekte Isochronenmethode bestimmten Wert von (4.56±0.11)×1010a, woraus ein λ = (1.52±0.04)×10-11a-1 resultiert[120]. Auf direktem W ege wurde die Halb- 2.5 wertszeit 1989 Bestimmung der dagegen zu Halbwertszeit von 187Re × 10 (4.23±0.13) 10 a 2.0 ermittelt[121]. Die dabei angewandte Methode sei hier 1.5 kurz skizziert: In Os

mehreren Parallel- 192 experimenten, die sich über ca. 5 Jahre Os/ 1.0 erstreckten, wur- 187 den je ca. 2 kg 187Re Steigung = × λ hochkonzentriertes 0.5 192Os HReO4 (entspre- chend ≈1 kg Re) von Os-Verunreini- 0.0 gungen weitge- 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 hend gereinigt, Tage indem das Os in der Lösung mit HJO in 4 ABBILDUNG 76 direkte Bestimmung der Halbwertszeit von Re einem O3/O2-Strom oxidiert und dann abdestilliert wurde; dabei verbleiben ≈0.5 – 0.8ng Os je kg Re in der HReO4-Lösung. Die gereinigte HReO4-Säure wurde tiefgefroren und in unregelmäßigen Abständen (150 – 400 Tage) wurde nach Auftauen ein Aliquot entnommen, aus dem das Os in ng-Mengen wieder durch Destillation abgetrennt und mit einem ICP-Massenspektrome- ter auf die Isotopenzusammensetzung 187Os/190Os bzw. 187Os/192Os untersucht wurde. Für die Auswertung gilt dann die Zerfallsgleichung, z.B.

187 ⎛ 187 ⎞ 187 Os Os Re λ = ⎜ ⎟ + ()e 1187 t − 1 192 ⎝ 192 ⎠ 192 Os Ost =0 Os Da die Halbwertszeit von 187Re sehr groß ist gegen die Dauer der Halbwertszeitbestimmung (≈5a), kann vereinfachend geschrieben werden:

187Os ⎛ 187Os⎞ 187 Re ≈ ⎜ ⎟ +×λ t 192 ⎝ 192 ⎠ 192 1187 Os Ost =0 Os Das 192Os stammt aus dem Spike und zum geringen Teil aus der unvollständigen Abtren- nung vom Re vor Beginn des Experiments. Da 187Re ein riesiges Reservoir im Vergleich zu 192Os ist, ändert sich das Verhältnis 187Re/192Os im Verlauf des Experiments im Rahmen der

99 Die Re–Os-Methode

Meßgenauigkeit nicht. Bei Auftragung von t gegen das Verhältnis 187Os/192Os ergibt sich die Steigung zu187Re/192Os × λ. Die Genauigkeit, mit der die Zerfallskonstante oder damit die Halbwertszeit bestimmt werden kann, hängt danach von der Präzision ab, mit der 187Re/192Os gemessen werden kann. In Abbildung 76 ist ein Beispiel einer der Messungen gegeben. Eine neuere Zerfallskonstante von 1.6689 ± 0.0031×10-11a-1 (entsprechend einer Halbwertszeit von 41.5×109a) wurde von Selby et al. (2007) durch Altersbestimmung von Molybdeniten magmatischer Lagerstätten vorgeschlagen, deren Alter durch U–Pb-Datie- rung an Zirkonen präzise ermittelt werden konnte[122]. Häufig wird heute jedoch ein von Shirey & Walker[123] verfeinerter Wert von 1.666×10-11a-1 verwendet, dessen Genauigkeit mit ±1% angegeben wird. Natürliches Os besteht aus den 7 stabilen Isotopen 184Os (mittlere Häufigkeit 0.0239 Atom%), 186Os (1.600%), 187Os (1.510%), 188Os (13.286%), 189Os (16.2518%), 190 Os (26.369%) und 192Os (40.9579%). Als Bezugsisotop zur Angabe der Massenspektrometer- daten benutzt man 186Os, woraus sich die Zerfallsgleichung ergibt als

187 ⎛ 187 ⎞ 187 Os Os Re λ t = ⎜ ⎟ + ()e 187 − 1 [GL 97] 186 ⎝ 186 ⎠ 186 Os Os initial OOs 1992 ist eine Arbeitsgruppe dazu übergegangen, das Verhältnis 187Os/188Os anstatt des Ver- hältnisses 187Os/186Os zu benutzen[125]. 188Os hat weniger isobare Interferenzen als 186 Os. Vor allem aber stammt 186Os selbst zu einem sehr geringen Anteil aus dem Zerfall des lang- 190 9 [126] -12 -1 lebigen Pt (ca. 449×10 a , entsprechend λ = 1.542×10 a ). Dieses ist zwar am Auf- bau des natürlichen Platins nur zu ca. 0.013% beteiligt; dennoch kann es in Erzen der Pla- tinoide bei hohen Pt/Os-Verhältnissen, z.B. in den Cu-Erzen von Sudbury[127], einen meßbaren Beitrag zum 186Os liefern. Anstelle von GL 97 erhält man dann:

187 ⎛ 187 ⎞ 187 Os Os Re λ t = ⎜ ⎟ + ()e 187 − 1 [GL 98] 188 ⎝ 188 ⎠ 188 Os Os initial OOs Das 187Os/188Os-Verhältnis läßt sich durch Multiplikation mit 8.309 einfach in 187Os/186 Os umrechnen. Infolge der geringen geochemischen Häufigkeit von Os und Re in der Natur hatte die Re– Os-Methode bis ca. 1990 keine große Bedeutung in der Geo- und Kosmochronologie. Ihre Anwendung beschränkte sich auf Spezialfälle, in denen einfachere Methoden versagten oder sich der große Aufwand wissenschaftlich vertreten läßt. Ein gutes Beispiel für den ersten Fall ist die Datierung von Fe-Meteoriten, in denen die Konzentrationen von Sr, Nd oder Hf verschwindend gering sind. 1988 gelang jedoch eine entscheidende Verbesserung der massenspektrometrischen Os-Messung, als K.G. Heumann fand, daß sich wesentlich intensivere Strahlströme erzielen lassen, wenn man Os nicht als Kation Os+, sondern als – [128] Anion OsO 3 mißt . Das von Heumann skizzierte Verfahren wurde am Caltech soweit entwickelt, daß es inzwischen zur Routinemessung geologischer Proben dienen kann[124] .

Danach wird die Probe, zusammen mit Ba(NO3)2, auf ein Pt-Filament geladen. Das Barium reduziert die Elektronenaustrittsarbeit (die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Atom als Ion die heiße Filamentoberfläche verläßt) des Pt-Filaments und dient, ähnlich wie La, als Elek- tronenemitter (und der Sauerstoff des nach Erhitzen des Filaments verbleibenden BaO wohl als O-Donator). Zur Analyse müssen die Polarität des Elektromagneten des Spektro- meters und der Stromversorgung für die Beschleunigungsspannung umgekehrt werden. 4ng Os lieferten dabei stabile Ionenströme von ≈3×10-12A über etwa eine Stunde, was die Bestimmung der Os-Isotopie mit einer Genauigkeit von ca. ±2‰ auf dem Faraday-Auffän- ger zuläßt; 70pg Os können noch mit ±5‰ 2σ-Fehler auf einem Sekundärionenverviel- facher gemessen werden. Os und Re können auf dasselbe Filament geladen werden, weil – – die Verhältnisse von ReO4 / ReO3 > 250 sind und damit i.a. tolerierbare Masseninterferen- zen bilden. Damit ist das Re–Os-Isotopensystem jetzt auch der gewöhnlichen Massenspek-

100 A. Radiogene Isotopensysteme

trometrie zugänglich und erfordert nicht mehr den Einsatz von high-tech-Maschinen (Resonanzionenmassenspektrometer[129], Beschleunigermassenspektrometer[130]). Re verhält sich geochemisch ähnlich wie Mo und reichert sich daher in molybdänhaltigen Mineralen hoch über seinen geochemischen Durchschnitt an. So wurden in Molybdän- glanzen Re-Gehalte zwischen einigen ppm und mehr als 1% gemessen. Da Mo-Minerale arm an Os sind, können die Os-Isotopien solcher Minerale extrem radiogen sein. Bei parti- ellen Aufschmelzprozessen im oberen Erdmantel verhält sich das Re wie ein mäßig inkom- patibles Element und wird mit Sulfidschwefel in den Teilschmelzen konzentriert; für oze- anische Basalte besteht zudem eine gute Korrelation zu den schweren REE[131]. Als Element der Pt-Gruppe ist Os äußerst siderophil und kommt vor allem als Mineral Osmiridium vor sowie in Cu- und Ni-Sulfiden vornehmlich ultrabasischer Gesteine. Os verhält sich bei der partiellen Aufschmelzung des Erdmantels stark kompatibel. Die Häufig- keitsverhältnisse von Re und Os variieren daher in Erdmantel und Erdkruste sehr stark. Tabelle 9 mag einen Überblick darüber geben:

TABELLE 9: Re- und Os-Gehalte verschiedener Gesteinstypen Gesteinstyp ppb Re ppb Os Chondrite 57 (30 - 80) 660 (300 – 900) Fe-Meteorite 2500 (5 – 50000) 30000 (7 – 50000) Granat- und Spinellperidotite (südl. Afrika)[132] 0.02 – 2 1 – 7 Komatiite, Tholeiite (Gorgona/Kolumbien, Rußland)[133],[134] 0.03 – 2.3 1.0 – 6.5 Ozeaninselbasalte[135] 0.06 – 0.5 0.01 – 0.35 klastische Sedimente[136],[138], inkl. Schwarzschiefer[137],[139] 0.05 – 500 0.02 – 2

1.5

Re-Os-Isotopie der Meteorite 1.4 Initialwert (4.55Ga): 0.806±0.006

1.3

Os 1.2 186

Os/ 1.1 187

1.0

Eisenmeteorite 0.9 Mesosiderit Chondrite (Metallphase)

0.8 0 2 4 6 8 187Re/186Os

ABBILDUNG 77 Re–Os-Isochrone für verschiedene Typen von Meteoriten[140],[120]

101 Die Re–Os-Methode

Die extrem niedrigen Re- und Os-Gehalte der Silikatgesteine dürften eine Konsequenz des siderophilen bzw. chalcophilen Charakters dieser Elemente sein, weswegen sie vermutlich im Metallkern der Erde hoch angereichert sind. Infolge der sehr unterschiedlichen Re/Os- Verhältnisse in Erdmantel und -kruste wird man erwarten, daß die Os-Isotopien dort sehr verschieden voneinander sind.

6 Entwicklung der Os-Isotopie in 5 Erdmantel und Erdkruste

4 Os = 100 186 Os Re/ Osmiridium 187 186 3 Laurit

Os/ Kruste mit 187 2 Merensky Reef Papua-Neuguinea Australien Australien 1 1.04 Meteorite Witwatersrand Ural

0 4321 0 t [Ga]

ABBILDUNG 78 Os-Isotopenentwicklungskurve des Erdmantels

Jagersfontein 1.2 N. Lesotho Premier Kimberlit 2.4±0.9Ga (Bellsbank) 1.1 Os

186 Kontamination durch Kimberlit 1.0 Os/ 187

0.9 Granat- und Spinell- peridotite, südliches Afrika

0.8 0510 15 187Re/186Os

ABBILDUNG 79 Re–Os-Isotopenzusammensetzung von Gesteinen des Erdmantels

102 A. Radiogene Isotopensysteme

Bei der Bestimmung der Halbwertszeit von 187Re nach der Isochronenmethode durch Luck & Allègre (1980)[140] stellte sich heraus, daß Eisenmeteorite, Steineisenmeteorite und die Metallphasen aus Chondriten auf derselben Isochrone liegen (siehe Abbildung 77) und daher zur selben Zeit oder innerhalb eines relativ kurzen Zeitintervalls von ≈100 Ma ent- standen sein müssen. Der Schnittpunkt der Isochrone mit der Ordinate liefert das initiale 187Os/186Os des Sonnensystems vor ≈4.55 Ga mit 0.806±0.006. Die Os-Isotopen- 0.140 entwicklungs- kurve des Erdman- Re-Os-Isotopensystematik tels (bzw. der Erde) 0.135 von Peridotiten aus den Pyrenäen wurde von Luck & Allègre (1982) da- durch bestimmt, 0.130 daß sie Os-haltige Minerale aus Ul- Os tramafiten ver- 188 0.125 schiedenen Alters Os/ [141] analysierten . 187 In diesen Minera- 0.120 len ist das 187Os/ 186Os infolge des niedrigen Re/Os- 0.115 Verhältnisses praktisch einge- 0.110 froren seit der Zeit 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 ihrer Kristallisa- 187 188 tion (siehe Abbil- Re/ Os dung 78). Nach diesen Untersu- 0.140 chungen liegt das Korrelation von Os-Isotopen mit Al 187Os/186Os des 0.135 für Peridotite aus den Pyrenäen Mantels heute bei 1.040±0.010. Kombiniert mit 0.130 dem Initialwert des Sonnensy- Os stems, ergibt sich 188 0.125 187

daraus ein Re/ Os/ 186Os-Verhältnis 187 von 3.3 bzw. ein 0.120 Re/Os-Verhältnis von 0.082 (Um- rechnungsfaktor: 0.115 187Re/186Os = Re/ Os×40.2). Messun- gen an chondriti- 0.110 0 1 2 3 4 5 schen Meteoriten %Al O zufolge[142], liegt 2 3 deren mittleres 187 188 187Os/186Os heute ABBILDUNG 80 Re–Os-Isotopendiagramm [oben] bzw. Al– Os/ Os- [144] bei ≈1.06 (entspre- Korrelation [unten] für Peridotite aus den Pyrenäen chend einem 187Os/188Os von 0.1276 – später auf 0.1270 revidiert[143]). Granat- und Spinellperidotite aus südafrikanischen Kimberliten zeigen 187Os/186Os-Verhältnisse zwischen 0.91 und 1.07 (Walker et al., 1989[132]) und schwanken damit nicht sehr stark um den nominellen Mittel-

103 Die Re–Os-Methode

wert des heutigen Erdmantels (Abbildung 79). Die meisten Daten liegen unter dem chon- dritischen Wert und zeigen an, daß die Peridotite bei einem hypothetischen Schmelzereig- nis Re bevorzugt über Os verloren haben. Ihre Re–Os-Modellalter liegen um 2.5 Ga. [144] Reisberg und Lorand 0.135 haben gefunden, daß sich zwischen dem Al-Gehalt von alpinotypen Peridotiten und ihrer Os-Isotopie bessere Kor- kanadische Kordillere relationen ergeben als zwi- 0.130 (Peslier et al., 2000) schen dem Re/Os-Verhältnis MHP79/2

und der Os-Isotopie (Abbil- Ib/8 dung 80). Sie argumentier- Os

ten, daß der Al-Gehalt ein 188 0.125 Indikator für den Auf- schmelzgrad ist, da Al in den- Os/ jenigen Mineralen des Erd- 187 Ib/3 mantels beheimatet ist, die bevorzugt in die Schmelze 0.120 eintreten und sich das Cr/Al- Dreiser Weiher (Meisel et al., 1996) Verhältnis der residualen Ib/2 Peridotite mit zunehmen- dem Aufschmelzgrad konti- nuierlich erhöht. Das Re/Os- 0.115 Verhältnis kann demgegen- 0 10 20 30 40 50 60 70 80 über durch sekundäre Pro- ppb Lu zesse (Metasomatosen) 0.135 infolge der Mobilität des Re Os-Isotopen-Modellalter des 0.130 erhöht oder zumindest unsy- lithosphärischen Erdmantels stematisch verändert werden, so daß die Re–Os-Systematik 0.125 der Peridotite keine verwert- baren Altersinformationen 0.120 konserviert haben müssen. Os

188 Os-Isotopenentwick Wenn man den Achsen- 0.115 kanadische Kordillere abschnitt der Al–187Os/188Os- Os/ Korrelation als Initialwert 0.110 des Erdmant eines magmatischen Ereig- 187 Eifel nisses interpretiert, als „Bil- 0.105 lung dungsalter“ des subkontinen- els talen lithosphärischen 0.100 Mantels nach Differenzie- rung aus einem primitiven 0.095 Mantel, dann läßt sich aus 0 1 234 der Erdmantelentwicklungs- kurve das ungefähre Alter Alter [Ga] abschätzen, im Fall der Peri- dotite aus den Pyrenäen von ABBILDUNG 81 Korrelation zwischen Os-Isotopien und den knapp 2.5 Ga. Ähnlich wie Al Gehalten an schweren REE am Beispiel des Lu für Erdmantel- [145] [146],[149] lassen sich auch die schwe- xenolithe aus dem Westen Kanadas und der Eifel ren REE, z.B. Lu verwenden (oberes Diagramm). Aus der Korrelation ergeben sich initiale (Abbildung 81). Die Qualität Os-isotopien, mit denen sich im unteren Diagramm über die der Korrelation ist über- Entwicklungskurve des Erdmantels Modellalter konstruieren raschend gut. denn die lassen, gut 1 Ga im Fall Kanadas und etwas mehr als 1.5 Ga im schweren REE, Os und (das Fall der Eifel. zu Anfang vorhandene) Re sind sicherlich in verschiedenen Phasen der Erdmantelgesteine

104 A. Radiogene Isotopensysteme beheimatet – schwere REE weitgehend in den Klinopyroxenen und, falls vorhanden, in Granaten, untergeordnet auch in Orthopyroxenen, das Os eher in Sulfiden, möglicher- weise auch in Form metallischer Legierungen, Re ebenfalls in Sulfiden. Für die kanadische Kordillere argumentieren Peslier et al. (2000)[145], daß die krustalen Teile der Lithosphäre in der Region sowohl höhere als auch niedrigere Alter aufweisen, so daß die Beziehung zwi- schen Kruste und oberstem Mantel dort möglicherweise tektonisch bedingt ist. In den Partialschmel- zen des Erdmantels wird sich Re über Os in 5 Tholeiite, Gorgona Abhängigkeit vom Auf- Island (Kolumbien) schmelzgrad mehr oder weniger stark anrei- 4 chern. In der Tat haben

tertiäre komatiitische Os Schmelzen von Gor- 186 gona Island im Pazifi k 3 vor Kolumbien niedri- Os/ 187 186 gere Re/ Os-Ver- 187 t=88±4Ma hältnisse (7 – 50) als 2 tholeiitische Basalte (300 – 2700) derselben Insel[133]. Auf Grund dieser extremen Frak- 1 tionierung werden sich 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 in Basalten im Verlauf 187Re/186Os der Zeit rasch sehr radiogene Isotopien einstellen, und damit ABBILDUNG 82 Re–Os-Isochrone für Basalte sollten sich im Prinzip mit der Re–Os-Methode auch mesozoische und selbst tertiäre Vulka- nite datieren lassen. Für die Tholeiite von Gorgona Island wurde eine präzise Isochrone erhalten, deren Alter die Entstehung dieser Gesteine angeben sollte (siehe Abbildung 82). Da Gesteine der kontinentalen Erdkruste ein sehr hohes Re/Os-Verhältnis aufweisen, wor- aus altersabhängig ein sehr radiogenes 187Os/186Os resultieren kann, eignet sich das Os-Iso- topenverhältnis potentiell, um die Kontamination von basischen Magmen durch alte Kru- ste nachzuweisen. Die Fraktionierung von Re und Os ist um Größenordnungen höher als die zwischen Sm und Nd; die resultierenden 187Re/186Os-Verhältnisse zeigen sogar größere Variationen als die 87Rb/86Sr-Verhältnisse. Die Os-Isotopie wird daher bequemerweise, ähnlich wie die des Nd, relativ zu Chondriten angegeben, hier allerdings als prozentuale Abweichung:

⎡ ()187Os 186 Os ⎤ ⎡ ()187Os 188 Os ⎤ γ = ⎢ Probe − ⎥ ×=γ ⎢ Probe − ⎥ × Os 1 100 bzw. Os 1 100 ⎢()187Os 186 Os ⎥ ⎢(()187Os 188 Os ⎥ ⎣ Chondrite ⎦ ⎣ Chondrite ⎦ [GL 99] 187 188 [143] mit Os/ OsChondrite = 0.1270 . Eine Analyse von Peridotitxenolithen verschiedener Kontinente führte Meisel et al. (1997) über eine Extrapolation zum Schluß, der primitive Erdmantel habe heute ein 187Os/188Os von mindestens 0.1290±0.0009, vergleichbar den Enstatitchondriten, aber etwas höher als der Wert für kohlige Chondrite (0.1258±0.0005)[146]. Wählt man als Mittelwert für Chondrite 0.1270, dann ergibt sich für γ ≈ den primitiven Erdmantel ein Os von 1.6. Wegen des hoch siderophilen Charakters des Os und des chalkophilen Charakters des Re ist nachvollziebar, daß der Silikatteil der Erde ein etwas höheres als chondritisches Re/Os hat.

105 Die Re–Os-Methode

Es ist inzwischen aus der Analyse von Peridotiten gut belegt, daß in vielen Gesteinen des oberen Erdmantels die Platingruppenelemente [PGE] fraktioniert sind, indem Os und Ir eine Gruppe bilden, Pt, Pd und Rh eine zweite[147],[148]. Außerdem liegen die PGE-Gehalte um mehr als drei Zehnerpotenzen über denjenigen, die erwartet würden, wenn die Tren- nung der Erde in eine silikatische und eine Metallphase vor ≈4.5 Ga unter ungefähren Gleichgewichtsbedingungen erfolgt wäre (Niedrigdruckfraktionierung nahe der Erdober- fläche). Als Erklärung für die zu hohen PGE-Gehalte des Erdmantels ist die late veneer- Hypothese vorgeschlagen worden, nach der die überschüssigen PGE durch Meteoritenein- fall nach der Separation des Erdkerns auf die Erde gelangt sein könnten. Die Alter der gro- ßen Krater auf dem Mond gelten als Hinweis für die Plausibilität einer solchen Erklärung. Allerdings lassen sich die heutigen PGE-Verhältnisse des Erdmantels nicht mit dem Einfall chondritischer Meteorite (≈1% der Masse der Erde!) erklären, sondern allenfalls mit einer selektiven Addition der fraktionierten Eisenmeteorite; dies erscheint wenig plausibel. Eine Alternative bildet die Vermischung von Material des äußeren Erdkerns mit unterstem Erd- mantel in der D''-Region, dem möglichen Quellgebiet tiefer Plumes, die den oberen Erd- mantel allmählich an PGE angereichert haben[150]. In Analogie zu den Eisenmeteoriten müßte der flüssige äußere Kern an Pt, Pd (und Re) relativ zu Os und Ir angereichert sein, weil Os und Ir infolge hoher Metall/Metallschmelze-Verteilungskoeffizienten bei der all- mählichen Kristallisation des festen inneren Erdkern bevorzugt über Pt und Pd in diesen festen Kern gewandert sein sollten[147]. Wenn dem so ist, sollte das zeitintegriert hohe Pt/ Os-Verhältnis im flüssigen äußeren Kern durch den α-Zerfall von 190Pt ein etwas erhöhtes 186Os/188Os erzeugt haben, das sich in günstigen Fällen in Plume-Basalten nachweisen las- sen mag. Tatsächlich wurden radiogene 186Os/188Os-Verhältnisse z.B. für spätarchaische Komatiite des Baltischen Schildes gefunden und als Hinweis auf ein frühes Einsetzen der Kristallisation des Erdkerns gedeutet (Abbildung 83[134]). Auf Grund von Hochdruckexperi- menten zur Verteilung von Re, Os und Pt zwischen Metall und Metallschmelzen scheint solche Schlüsse jedoch unwahrscheinlich, da die Anreicherung von Re und Pt relativ zu Os in der Metallschmelze nicht hoch genug scheint[152],[152].

0.25 0.11986 Komatiite Kostomuksha

0.20 0.11985 Os ⁸⁸ ⁷Os/¹ ⁸ ¹⁸⁶Os/¹⁸⁸Os ¹ 0.15 0.11984 Alter = 2880±83 Ma Alter = 2697±190 Ma γ¹⁸⁷Os(t) = 1.8±0.6 ¹⁸⁶Os/¹⁸⁸Os(t) = 0.119834±1 0.10 0.11983 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 0.000 0.002 0.004 0.006 ¹⁸⁷Re/¹⁸⁸Os ¹⁹⁰Pt/¹⁸⁸Os

ABBILDUNG 83 Re–Os- und Pt–Os-Isochronen für Komatiite aus dem Osten des Baltischen Schildes in Rußland[134]. Das Alter der Pt–Os-Isochrone wurde gegenüber derjenigen in der Arbeit korrigiert, weil Puchtel et al. eine Zerfallskonstante λ × -12 -1 × -12 -1 190 benutzten, (1.477 10 a gegenüber 1.542 10 a ). Der Initialwert der Pt–Os-Isochrone liegt um 20±6 ppm über demjenigen eines unfraktio- nierten Mantels, was von den Autoren der Studie als Hinweis darauf gewer- tet wurde, das das meiste Os aus dem äußeren Erdkern stammt.

106 A. Radiogene Isotopensysteme

10 1.2

Gesamtsedimentprobe Lösung nach milder Ätzung der Gesamtprobe 1.0 8 Lösung nach starker Ätzung der Gesamtprobe

0.8 1 8 7 Os 6 Os / 186 1 88 Os/ 0.6 Os 187 4 0.4

2 0.2

0 20 40 60 80 Alter [Ma]

ABBILDUNG 84 Variation der Os-Isotopenzusammensetzung in metallreichen pazifischen Se- dimenten über die vergangenen 80 Ma[157]. Die größeren der Kreise und Quadrate stehen für Karbonate, die während großer Sedimentationsraten gewachsen sind. Es wird angenommen, daß solche Proben die beste Annä- herung an die Os-Isotopie des Meerwassers darstellen. Die schlechteste An- näherung stellen Gesamtanalysen klastischer Sedimente dar (kleinere Quadrate), bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß ihre Os-Isotopie durch einen Anteil an Mikrometeoriten zu niedrig ausfällt. Das Band der Meerwasserkurve wurde daher bevorzugt durch die karbonatreichen Sedi- mente gelegt. Ein Problem, das man – zunächst nicht sehr erfolgreich – durch Anwendung der Re–Os-Me- thode zu lösen versucht hat, ist die Frage nach der Natur des Ereignisses an der Kreide/Ter- tiär-Grenze. Sedimente, die an der K/T-Grenze sowohl im marinen als auch im kontinenta- len Milieu abgelagert wurden, zeichnen sich weltweit durch eine Anreicherung von Platinoiden erheblich über den lokalen geochemischen Untergrund aus. Eine populäre Hy- pothese ist, daß dies auf den Einschlag eines ≈10–15 km großen Meteoriten zurückzufüh- ren ist, während andere Hypothesen terrestrische Ursachen geltend machen. Proben des K/ T-Grenztons weisen Os-Isotopenverhältnisse auf, wie man sie auch in Meteoriten findet, während typische kontinentale Erdkruste zehnfach höhere Verhältnisse hat[151]. Es ist je- doch nicht möglich, durch die Os-Isotopie zwischen extraterrestrischem Os und Erdman- tel-Os zu unterscheiden. Im letzteren Fall wäre eine gewaltige vulkanische Aktivität auf der Erde an der K/T-Grenze erforderlich, wobei platinoidhaltige Gase in die Stratosphäre gelan- gen müßten, um sich weltweit (auch auf Kontinente) auszubreiten. Dabei ist vor allem der Flutbasaltvulkanismus des Dekkan in Indien ins Visier der Untersuchungen geraten, wobei vielleicht problematisch bleibt, wie „stiller“ basaltischer Vulkanismus große Mengen an Gasen in die Stratosphäre schleudern kann. Daß es an der Kreide/Tertiär-Grenze den Ein- schlag eines extraterrestrischen Objektes gegeben haben muß, ist unbestritten und dur ch andere Argumente erhärtet, z.B. durch eine kleine Isotopenanomalien beim Cr[154],[155].

107 Die Re–Os-Methode

Durch die Analyse von 0.7 metallreichen Sedimenten marine Karbonate und schwer- aus Bohrkernen im Pazifi k metallhaltige Sedimente als haben Peucker-Ehrenbrink et al. 0.6 Indikator für Meerwasser (1995) versucht, die Meerwas- serentwicklungskurve der Os- 0.5 Isotope über die vergangenen 80 Ma zu rekonstruieren Os (Abbildung 84[157]). Dabei 188 0.4 Hauptpuls des

wird angenommen, daß die Os / Dekkan-Vulkanismus beste Annäherung an die Os- 187 0.3 Kreide/Tertiär- Isotopie des Meerwassers Impakt erhalten wird durch die Ana- Erdmantel lysen von karbonatreichen 0.2 & Meteorite Paläozän Maastricht Sedimenten, die bei rascher Sedimentation entstanden 0.1 sind oder durch eine Ätzung 63 64 65 66 67 68 klastischer Sedimente mit Alter [Millionen Jahre] einer sauren Peroxidlösung, bei der das an Fe-Mn-Oxihy- ABBILDUNG 85 Os-Isotopie von Sedimenten aus drei Tiefsee- droxide gebundene Os her- bohrkernen des Indiks, Pazifiks und Atlantiks[158] ausgelöst wird. Aus Abbildung 84 ist zu ersehen, daß 187Os/188Os an der K/T-Grenze mit einem Wert von weniger als 0.2 ein Minimum aufweist und anschließend rasch wieder ansteigt. Eine Feinstratigraphie von Sedimenten zeigt zudem, daß ca. 3×105 a vor der K/T-Grenze die Os-Isotopie von oberkre- tazischen Werten um 0.55 allmählich auf ca. 0.4 abfällt und dann schlagartig und kurzzei- tig bis auf ca. 0.15, um anschließend wieder auf ≈0.4 anzusteigen (Abbildung 85[158]). Es ist naheliegend, den allmählichen Abfall dem Dekkan-Vulkanismus zuzuschreiben und das schlagartige Absinken dem Impakt. Die Os-Isotopie des Meerwassers ist auch benutzt worden, um die Wachstumsgeschichte einer Fe-Mn-Kruste aus dem Pazifik durch Einpassung in die Meerwasserkurve zu erhel- len[159]. Dabei zeigte sich, daß diese Wachstumsgeschichte auch Phasen des Stillstandes oder sogar der Auflösung umfaßt, was mit anderen Datierungsmethoden nicht gezeigt wer- den kann, mit denen danach eine viel zu niedrige Wachstumsdauer errechnet wird.

108 A. Radiogene Isotopensysteme

12.0 Die U,Th–Pb-Methoden

Der Zerfall von 238U, 235U und 232Th in 206Pb, 207Pb und 208Pb bildet die Grundlage für eine ganze Reihe von mehr oder weniger wichtigen Methoden der Geo- und Kosmochemie. Zu den frühesten, inzwischen aufgegebenen Methoden der Geochronologie gehören die U- He-Methode, bei der die Mengen an He und U in einem Mineral ermittelt werden, und die chemische U–Pb- bzw. Th–Pb-Methode, bei der die Konzentrationen an diesen Elementen in einer Probe gemessen werden und zudem angenommen wird, alles Pb stamme aus dem U- bzw. Th-Zerfall. Die Isotopenmethoden hingegen erfreuen sich wieder großer Wert- schätzung, nachdem man erkannt hat, daß auch Rb–Sr und Sm–Nd als Chronometer ihre Tücken haben und daß die U,Th–Pb-Methoden Informationen liefern, die mit anderen Iso- topensystemen nicht zu erhalten sind. Die Entwicklung hoch auflösender Sekundärionen- Massenspektrometer (Ionensonden) und Laserablations-ICP-MS-Geräte, mit denen sich die Pb-Isotopenzusammensetzung an einzelnen Mineralkörnern messen läßt, verstärkt diese Renaissance zusätzlich. Das Th-Isotop 232Th sowie die Isotope 235U und 238U sind die schwersten in der Natur noch vorkommenden primordialen Nuklide. 5 weitere Th-Isotope (227, 228, 230, 230, 234) und ein U-Isotop (234) treten in sehr geringen Konzentrationen in den 3 Zerfallsreihen auf. U und Th gehören zur Gruppe der Actiniden, die sich chemisch ähnlich wenig unterschei- den wie die REE (In beiden Gruppen werden die f-Orbitale der Elektronenhülle aufgefüllt, 4f bei den Seltenen Erden, 5f bei den Actiniden). U und Th treten in der Natur vierwertig auf. Der Unterschied ihrer Ionenradien beträgt dann ≈5% (U4+ 1.00Å, Th4+ 1.05Å für 8er Koordination), und beide Elemente können sich in den Kristallstrukturen von Mineralen zum Teil ersetzen. Unter oxidierenden Bedingungen – d.h. vor allem im sedimentären 2+ Milieu – kann U jedoch sechswertig vorkommen und bildet dann das Uranylion UO 2 , dessen Salze in wäßrigen Lösungen im Gegensatz zu den U4+-Verbindungen meist gut lös- lich sind. Da Th nicht oxidierbar ist, kann unter solchen Bedingungen eine weitgehende chemische Trennung beider Elemente in der Natur erfolgen, eine Eigenschaft, die man sich bei der Datierung durch die Ungleichgewichtsmethoden zunutze macht. Vor allem in den Ozeanen tritt Uran sechswertig auf und ist dann besser löslich als Th, so daß chemische Sedimente (Karbonate) Th/U-Verhältnisse <1 haben können, während das kosmische Ver- hältnis und das vieler terrestrischer Gesteine um 4 liegt. Das Schwermetall Pb tritt in der Natur fast nur zweiwertig auf, selten – unter stark oxidie- renden Bedingungen – auch vierwertig. Der Ionenradius von Pb2+ ist beträchtlich höher als der von U4+ oder Th4+ (Pb2+ in 8er Koordination 1.29Å, in 6er Koordination 1.19Å), und so verhalten sich U/Th und Pb geochemisch sehr unterschiedlich. Pb, sofern es keine eigenen Minerale, insbesondere Sulfide, bildet, tritt als Spurenelement in K-haltige Minerale – ins- bes. Kalifeldspäte – ein, während sich U und Th vornehmlich in Akzessorien von Gesteinen finden, z.B. Allanit, Titanit, Epidot, Apatit, Monazit und Zirkon. Tabelle 10 gibt grobe Anhaltspunkte über die Pb-, Th- und U-Gehalte verschiedener Gesteine und Minerale (zusammengestellt nach [160] und [25]). Da Pb, Th und U hoch inkompatible Elemente für die Paragenesen des uns zugänglichen Erdmantels sind (mit Ausnahme der jedoch meist bleiarmen Sulfide), sind sie in den Gesteinen der Erdkruste hoch angereichert. Die Gleichungen, die den Zerfall von U und Th beschreiben, lassen sich wie folgt zusam- menfassen:

238U → 206Pb + 8 4He + 6β– [GL 100]

235U → 207Pb + 7 4He + 4β– [GL 101]

232Th → 208Pb + 6 4He + 4β– [GL 102]

109 Die U,Th–Pb-Methoden

TABELLE 10: Pb-, Th- und U-Gehalte von Gesteinen und Mineralen ppm Pb ppm Th ppm U C1-Chondrite 2.47 0.029 0.0074 Achondrite 0.4 0.36 0.07 primitiver Erdmantel 0.15 0.0795 0.0203 MORB 0.5–1.5 0.5 0.2 Alkalibasalte 0.4–10 8 1.5 Granitoide 23 (2–150) 22 5 Sandsteine 14 (2–50) 4 1.5 Tone 1–80 3 – >>20 4 – >180 Allanit 1000 – 20000 30 – 1000 Apatit 50 – 250 10 – 100 Epidot 200 20 – 200 Titanit 100 – 1000 10 – 700 Zirkon 10–10000 100 – 10000 100 – 6000 Monazit 2% – 20% 500 – 3000 Feldspäte 3–300 0.5 – 10 0.1 – 10 (Amazonit –1%!) Biotit 1–100 0.5 (–50?) 1(–50?)

In diesen 3 natürlichen Zerfallsreihen entstehen als intermediäre Tochterprodukte 43 Iso- tope von 12 Elementen. Keines dieser Nuklide ist Mitglied von mehr als einer Zerfallsreihe. In Tabelle 11 sind wichtige Daten der natürlich vorkommenden U- und Th-Isotope zusam- mengestellt:

TABELLE 11: Halbwertszeiten und Zerfallskonstanten der wichtigsten U- und Th- Isotope Isotop Häufigkeit (%) Halbwertszeit Zerfallskonstante 238U 99.2743 4.468×109a 1.55125×10-10 a-1 235U 0.7200 0.7038×109a 9.8485×10-10 a-1 234U 0.0057 2.47×105a 2.806×10-6 a-1 232Th 100.00 14.010×109a 4.9475×10-11 a-1

Mit diesen Werten ergibt sich ein heutiges Verhältnis von 238U/235U = 137.88. Mit hochprä- zisen Messungen hat man inzwischen eine Variation dieses Verhältnisses von >5‰, vor allem für bei niedrigen Temperaturen entstandene Gesteine (Tropfsteine, Schwarzschiefer , Mangankrusten), gefunden, ohne deutliche Trends hinsichtlich der Art der Gesteine, ihres Alters oder ihres regionalen Vorkommens (Abbildung 86)[161],[162],[163] – mit potentiellen Auswirkungen auf hochpräzise Datierungen. Für irdische Zirkone erhielten Hiess et al.[163] 238 235 einen Mittelwert für U/ U von 137.818±0.045 (2 σ), einen Wert, den sie auch für die Gesamterde veranschlagen. Für hochpräzise Datierungen (bei einem Alter von 4.5 Ga ist eine Reproduzierbarkeit des Alters von immerhin ±1 Ma möglich) mag darüber hinaus eine λ λ Revision der Zerfallskonstanten nötig sein, da 235 im Vergleich zu 238 etwas zu niedrig λ scheint. Eine Bestimmung der Verhältnisse der beiden Konstanten lieferte für 235 inzwi- schen einen präziseren Wert von (9.8571±0.0012)×10-10 a-1 unter der Voraussetzung, daß die in der Tabelle genannte Zerfallskonstante für 238U keiner Korrektur bedarf ist[164].

110 A. Radiogene Isotopensysteme

137,6 137,7 137,8 137,9 138,0 ²³8U/²³5U

Meerwasser Meerwasser etc. rezente Korallen fossile Korallen marine Karbonate Niedrigtemperatur-/chemische Flusswasser

Tropfsteine Sedimente etc. Fe-Mn-Sedimente BIFs Dolomitkamine tonige Sedimente niedrig-T-Redox-Erze terrestrisch andere Erze

„Bulk Earth“ Hoch-T-Redox-Erze Hochtemperatur (magmatisch etc.) Basalte Lherzolithe MORB-Gläser Dunite Granodiorite Granite Zirkone andere U-haltige Minerale

Eukrite terrestrisch durch ²47Cm-Zerfall gewöhnliche Chondrite extra- kohlige Chondrite CAIs basaltische Meteorite

ABBILDUNG 86 238U/235U-Verhältnisse irdischer und extraterrestrischer Proben[163]. Einige Ca–Al-reiche Einschlüsse aus Chondriten (CAIs) zeigen sehr niedrige Verhält- nisse, die einen Hinweis auf die Existenz von 247Cm (Halbwertszeit ≈15 Ma) im frühen Sonnensystem geben mögen, bei dessen Zerfall 235U entsteht. 234U tritt als intermediäres Zerfallsprodukt in der 238U-Reihe auf und ist infolge seiner beträchtlichen Halbwertszeit im natürlichen U noch mit immerhin ≈57ppm vertreten. Verglichen mit der Halbwertszeit der Mutternuklide, sind die Halbwertszeiten aller inter- mediären Tochternuklide vernachlässigbar klein. Die längstlebigen Zwischenprodukte tre- ten in der 238U-Zerfallsreihe auf mit 234U, 230Th (75000a) und 226Ra (1600a). Auf Grund die- ser Eigenschaft läßt sich auf die Zerfallsreihen das Gesetz des säkularen Gleichgewichts anwenden, das besagt, daß pro Zeiteinheit von jedem der intermediären Nuklide genauso- viele Atome gebildet werden wie Atome zerfallen und wie Atome des Mutternuklids zerfal- len, d.h. die Aktivitäten aller Nuklide sind gleich groß: λ λ λ N1 1 = N2 2 = … = Nn n [GL 103] In offenen Systemen, z.B. in Magmenkammern oder in den Ozeanen, kann es jedoch infolge der unterschiedlichen chemischen Natur der Zwischenprodukte und der Mutter- nuklide zu einer Störung dieses säkularen Gleichgewichts kommen, d.h.GL 103 gilt nicht mehr. Mit den damit verbundenen Problemen und Möglichkeiten beschäftigen sich die Ungleichgewichtsmethoden, für die man zur Messung der Isotopenverhältnisse lange Zeit α-Detektoren verwendet hat, inzwischen aber zur Massenspektrometrie übergegangen ist, die höhere Empfindlichkeiten gewährleitet. Minerale und Gesteine dagegen sollten – zumindest bei niedriger Temperatur – ähnlich geschlossene Systeme bilden wie für die

111 Die U,Th–Pb-Methoden

anderen Isotopensysteme, mit der Einschränkung, daß durch die Vielzahl der Zerfälle innerhalb der U- und Th-Zerfallsreihen in den betroffenen Kristallgittern vergleichsweise hohe Konzentrationen von Gitterstörungen geschaffen werden. Natürliches Pb besteht aus den vier stabilen Isotopen 204Pb, 206Pb, 207Pb und 208Pb mit im Mittel folgenden Häufigkeiten: 1.48%, 23.6%, 22.6% und 52.3%. Sie können von Gesteine zu Gestein oder Mineral zu Mineral jedoch extrem davon verschieden sein. Lediglich 204 Pb hat keinen Anteil, der aus einem natürlichen Zerfallsprozeß gebildet ist; es ist deshalb das einzige Isotop, das sich zur Normierung der Massenspektrometerdaten eignet. Leider fehlt beim Pb ein zweites natürliches Isotop, das nicht durch Zerfallsprozesse nachgebildet wird, so daß keine exakte Korrektur der Massenfraktionierung der Spektrometerdaten vorgenom- men werden kann. Zum Glück sind die Isotopenvariationen beim Pb wesentlich größer als beim Nd oder Hf, so daß dieser Nachteil meist keine entscheidende Einschränkung bedeu- tet. Abhilfe kann durch Hinzufügen eines künstlich hergestellten Pb-Isotops geschaffen werden (205Pb, Halbwertszeit ≈1.5×107a). Die Methode des Doppelspikes erlaubt die gleich- zeitige Korrektur der Massenfraktionierung und die Bestimmung der Pb-Konzentration durch Zugabe von 205Pb und von 202Pb (Halbwertszeit ≈5.25×104a). 12.1 Die U–Pb- und Th–Pb-Isochronenmethoden Für jede der 3 Zerfallsreihen kann eine eigene Zerfallsgleichung formuliert werden, die erwartungsgemäß die Form haben:

206 ⎛ 206 ⎞ 238 Pb Pb U λ t = ⎜ ⎟ + ()e 238 − 1 [GL 104] 204 ⎝ 204 ⎠ 204 Pb Pb initial Pb

207 ⎛ 207 ⎞ 235 Pb Pb U λ t = ⎜ ⎟ + ()e 235 − 1 [GL 105] 204 ⎝ 204 ⎠ 204 Pb Pb initial Pb

208 ⎛ 208 ⎞ 232 Pb Pb Th λ t = ⎜ ⎟ + ()e 232 − 1 [GL 106] 204 ⎝ 204 ⎠ 204 Pb Pb initial PPb Man kann daher im Prinzip aus einer massenspektrometrischen Bestimmung der Pb-Isoto- penverhältnisse und einer Konzentrationsbestimmung von Pb, Th und U drei voneinander unabhängige Altersdaten errechnen und hat auf diese Weise eine interne Kontrolle der Ergebnisse, wie sie keine der anderen Methoden zu bieten hat. Wenn die drei Alter inner- halb der Analysenfehler identisch sind, kann man sicher sein, irgendein geologisches Ereignis datiert zu haben. Früher hat man versucht, mit Hilfe dieser 3 Gleichungen Modellalter zu berechnen. Dazu eignen sich theoretisch U,Th-reiche, Pb-arme Minerale, insbes. Zirkon, aber auch Titanit, Monazit, Uraninit oder Apatit. Solche Minerale haben bei ihrer Entstehung nur sehr wenig Pb inkorporiert, so daß sie – wenn sie aus alten Gesteinen stammen – hohe 206Pb/204Pb-, 207Pb/204Pb- und 208Pb/204Pb-Verhältnisse haben. Wenn man davon ausgeht, daß diese Minerale bei ihrer Entstehung Pb mit einer „normalen“ irdischen Isotopenzusammenset- zung eingebaut haben, dann macht man durch Erraten der initialen 206Pb/204Pb-, 207Pb/ 204Pb- und 208Pb/204Pb-Verhältnisse keinen allzu großen Fehler. Tatsächlich zeigt sich aber , daß die nach dieser Methode berechneten Alter meist diskordant sind, also nicht überein- stimmen. Man muß daher annehmen, daß die Minerale im Lauf ihrer geologischen Geschichte keine geschlossenen Systeme waren oder eine komplexe Entstehungsge- schichte mit mehreren Wachstumsphasen hatten. Etwas sicherer ist die Methode der 206Pb/204Pb–207Pb/204Pb-Analyse, die bereits 1939 von A.O. Nier eingeführt wurde. Dabei werden GL 104 und GL 105 kombiniert:

112 A. Radiogene Isotopensysteme

207 Pb ⎛ 207 Pb⎞ − ⎜ ⎟ λ 204 Pb ⎝ 204 Pb⎠ 235 (()e 235 t − 1 initial = U 238 λ [GL 107] 206 ⎛ 206 ⎞ 238 t − Pb − Pb U ()e 1 204 ⎝⎜ 204 ⎠⎟ Pb Pb initial Auf der linken Seite dieser Gleichung steht das Verhältnis des radiogenen Anteils (207Pb/ 204 206 204 207 206 Pb)/( Pb/ Pb) = ( Pb/ Pb)rad., das man errechnen kann, wenn man von den gemessenen 207Pb/204Pb- und 206Pb/204Pb-Verhältnissen ein angenommenes initiales Ver- hältnis subtrahiert. Auf der rechten Seite der Gleichung steht mit dem heutigen Verhältnis 235U/238U eine Konstante für fast alle terrestrischen Proben (Ausnahmen: Proben, in denen in Naturreaktoren ein Abbrand des 235U erfolgte) und Meteorite (=1/137.88). D.h. man braucht zur Altersberechnung nach GL 107 weder die U-Isotopenzusammensetzung noch die Konzentrationen von U und Pb zu analysieren. Aber auch die derart berechneten Alter von Zirkonen etc. scheinen oft keine geologische Bedeutung zu haben, auch wenn meist t207/206 > t207 > t206 ist und damit näher am tatsächlichen Alter. Mit den Gleichungen GL 104 – GL 106 läßt sich natürlich auch nach der gewöhnlichen Isochronenmethode arbeiten. Jedoch zeigt sich selbst hier, daß das U–Pb-System in Gestei- nen wie Granitoiden oft gestört ist, vermutlich weil die Gesteine bereits bei einsetzender chemischer Verwitterung an der Erdoberfläche rasch U-Verluste erleiden. Ätzversuchen zufolge ist das U oft auf den Mineraloberflächen konzentriert und läßt sich leicht ablösen, wohl weil es meist sechswertig ist. Da das Th–Pb-System resistenter gegen solche Verwitte- rungseinflüsse ist, gelingen Datierungen nach dieser Methode des öfteren. Die Gründe für die häufigen Störungen der U–Pb- und Th–Pb-Systeme liegen sicherlich darin, daß der Zerfall von U bzw. Th nach Pb mit einer hohen Zerfallsenergie und vielen Einzelzerfällen verbunden ist, die eine hohe Konzentration an Gitterdefekten in den betroffenen Mineralen erzeugen und die Minerale dann anfällig gegenüber Elementverlust oder chemischen Austausch mit der Umgebung machen. In anderen isotopengeochemisch bedeutsamen Zerfallssystemen gibt es dagegen nur einen Zerfallsprozeß, der zudem wesentlich energieärmer ist. Darüber hinaus verhalten sich U und Th chemisch erheblich anders als Pb, so daß zudem noch sehr große Elementfraktionierungen in der Natur erzeugt werden können, ähnlich wie bei Rb und Sr zu beobachten. Auch die Pb–Pb-Isochronenmethode nach GL 107 hat sich des öfteren zur Datierung von Gesteinen als geeignet erwiesen. Da auf der linken Seite dieser Gleichung das Verhältnis 207 206 ( Pb/ Pb)rad. steht, das sich über lange geologische Zeit seit der Bildung des Gesteins ent- wickelt hat, wirken sich junge – z.B. durch die Verwitterung an der Erdoberfläche verur- sachte – U- oder Pb-Verluste hier nicht aus. Für das Alter t eines Gesteins ist die rechte Seite von GL 107 eine Konstante m:

λ 235 t − =×1 e 1 m λ [GL 108] 137. 88 e 238 t − 1 Dann wird

207 Pb ⎛ 207 Pb⎞ 206 Pb ⎛ 206 Pb⎞ − ⎜ ⎟ =×m −×m ⎜ ⎟ 204 ⎝ 204 ⎠ 2004 ⎝ 204 ⎠ Pb Pb initial Pb Pb initial

207 Pb 206 Pb ⎛ 207 Pb⎞ ⎛ 206 Pb⎞ =×m +⎜ ⎟ −×m ⎜ ⎟ 204 204 ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ Pb Pb Pb inittialPb initial

207 Pb 206 Pb =×m +C [GL 109] 204 Pb 204 Pb

113 Die U,Th–Pb-Methoden

Dies ist die Gleichung einer Geraden, wenn man die gemessenen Verhältnisse 207Pb/204 Pb und 206Pb/204Pb gegeneinander aufträgt. Aus der Steigung m der Geraden kann das Alter t des Gesteins nach einer Iterationsmethode ermittelt werden. Mit einem von 137.88 auf 137.818 korrigierten 238U/235U-Verhältnis verringert sich ein 207Pb/206Pb-Alter um rund 1 Ma bei einem Alter von 100 Ma und um ca. 0.7 Ma für ein Alter von 4 Ga. 12.1.1 Konkordia und Diskordia Die Pb–Pb-Methode hat ihre Grenzen dort, wo ein System bereits vor geologisch langer Zeit gestört wurde. Der klassische Fall ist der des magmatischen Gesteins, das irgendwann metamorph überprägt wurde. Da man bei den U- und Th-Zerfallsreihen aber auf 2 oder sogar 3 voneinander unabhängige Zerfallssysteme zurückgreifen kann, lassen sich auch Gesteine mit solchen Mehrstufenentwicklungen noch datieren. Dazu bedient man sich der in den Gesteinen vorkommenden U- und/oder Th-haltigen Akzessorien, wobei den Zirko- nen eine besondere Bedeutung zukommt. Zirkone finden sich in vielen Gesteinstypen magmatischer, metamorpher und sedimentärer Herkunft; sie kristallisieren bzw. wachsen vorzugsweise in sauren Magmatiten und Metamorphiten und finden sich in geringen Kon- zentrationen selbst in basischen Magmatiten, normalerweise jedoch nicht in Ultramafiten. Zr4+ hat mit 0.84Å für Achterkoordination einen Ionenradius, der gut 15% geringer ist als 4+ 4+ der von U und gut 20% niedriger als der von Th . ZrSiO4 ist zudem isotyp mit USiO4 und ThSiO4. U ist daher für die Zirkonstruktur noch halbwegs kompatibel, Th aber bereits weit weniger; und daher haben Zirkone i.a. hohe U/Th-Verhältnisse und oft hohe U-Gehalte von einigen 100ppm oder mehr. Pb dagegen ist erheblich zu groß für die Zirkonstruktur , und folglich haben Zirkone bei ihrer Kristallisation sehr niedrige Pb-Gehalte und sehr hohe U/Pb-Verhältnisse, was im Verlauf geologischer Zeiten zu sehr radiogenen Pb-Isotopenzu- sammensetzungen führt. Die Inkompatibilität des Pb macht den Zirkon dennoch nicht so anfällig für Pb-Mobilität bei Metamorphosen, wie das im folgenden dargestellte Konzept von Konkordia und Diskordia vermuten läßt. Wenn man zwei Zerfallssysteme benutzt, z.B. 238U–206Pb – 235U–207Pb, dann läßt sich nicht nur die Zeit eines –hypothetischen oder realen – Pb-Verlustes bestimmen, sondern auch noch ein früheres Alter, vorausgesetzt, der Pb-Verlust war nicht total. Mit Hilfe des von Wetherill* 1956 eingeführten Konkordia-Diagramms[165] lassen sich noch geologisch relevante Alter für Proben mit einer Zweistufenentwicklung berechnen. Zur Ableitung des Konkordia-Diagramms löst man GL 104 und GL 105 nach (eλt – 1) auf:

206Pb ⎛ 206 Pb⎞ − ⎜ ⎟ 206 206− 206 204 ⎝ 204 ⎠ Pbradiogen Pb Pb Pb Pb λ t = initial = initial = e 238 − 1 [GL 110] 238U 238U 238U 204 Pb

207Pb ⎛ 207 Pb⎞ − ⎜ ⎟ 207 207− 207 204 ⎝ 204 ⎠ Pbradiogen Pb Pb Pb Pb λ t = initial = initial = e 235 − 1 [GL 111] 235U 235U 235U 204 Pb

λ λ Trägt man GL 111 gegen GL 110 auf, indem man ()e 238 t − 1 und ()e 235 t − 1 berechnet, dann erhält man eine Kurve, die sogenannte Konkordia, deren Krümmung auf den unterschiedlichen Halbwertszeiten von 235U und 238U beruht. Proben mit einer Einstufen-

* George W. Wetherill (1925–2006), amerikanischer Physiker; er befaßte sich später vor allem mit dem Problem der Entstehung der erdähnlichen Planeten.

114 A. Radiogene Isotopensysteme

207 Pb 206 Pb entwicklung haben radiogen – radiogen -Verhältnisse, die auf die Konkordia fallen, 235U 238U von der man dann das Alter ablesen kann (siehe Abbildung 87). Wie verhält es sich nun mit einem Zirkon, der lange nach seinem magmatischen Wachs- tum noch eine Metamorphose erleidet? Wie bereits erwähnt, ist Pb für die Zirkonstruktur inkompatibel im Gegensatz zum Uran. Der Zirkon wird daher bei der Wiederaufheizung einen Pb-Verlust erleiden können. Das ist in Abbildung 88 illustriert. Trägt man die Anzahl der 206Pb-Atome gegen die Anzahl der 207Pb-Atome auf, dann möge Punkt A den Anfangs- punkt vor Pb-Verlust repräsentieren.

0.8

3.5 Konkordia

0.6 3.0

2.5 U 238

/ 0.4 2.0 rad. Pb

206 1.5

0.2 1.0 Die Zahlen auf der Konkordia geben das Alter in Ga an.

0.0 0.0

0 5 10 15 20 25 30 207 235 Pbrad./ U

ABBILDUNG 87 Auf der Konkordia liegen die Pb-Isotopien aller Proben mit einer Einstufen- entwicklung. Jedem Punkt auf der Konkordia entspricht exakt ein Alter, das sich durch die aufgetragenen Exponentialfunktionen ergibt. Da man wohl davon ausgehen kann, daß 206Pb und 207Pb nicht fraktionieren, wird dur ch den Pb-Verlust das Verhältnis 206Pb/207Pb nicht geändert, d.h. der Pb-Verlust vollzieht sich entlang der Geraden durch A und den Koordinatenursprung. Punkt B repräsentiert dann 1 eine Probe, die /4, Punkt C eine Probe, welche die Hälfte ihres Bleis verloren hat. Division von 206Pb durch 238U und von 207Pb durch 235U (Dies sind die Achsen des Konkordia-Dia- gramms!) führt zu einer Ähnlichkeitstransformation der Abbildung (238U/235U = konstant auf der Erde zu jeder gegebenen Zeit), d.h. die Gerade durch A, B und C geht in eine neue Gerade durch A', B' und C' über. Das bedeutet, daß rezenter Bleiverlust (ohne Isotopenfrak- tionierung) im Konkordia-Diagramm entlang einer durch den Koordinatenursprung gehenden Geraden in Richtung Ursprung verläuft.

115 Die U,Th–Pb-Methoden

A' U Pb 238 206 A B' Pb/

B 206

C' C

207Pb 207Pb/235U

ABBILDUNG 88 Pb-Verlust vollzieht sich entlang einer Geraden; die Pb/U-Verhältnisse fallen in ähnlicher Weise auf eine transformierte Gerade.

0.5 2.5 A

0.4 2.0 U B 238

/ 0.3

rad. 1.5 Pb

206 0.2 1.0

0.1 0.5

0.0 C

0 2 468 10 12 207 235 Pbrad./ U

ABBILDUNG 89 Zur Zeit eines Pb-Verlustes liegen Proben mit unterschiedlichen Anteilen an Pb-Verlust auf einer Diskordia, die durch den Ursprung des Koordinaten- systems geht. Das ist in der Abbildung 89 dargestellt. Punkt A repräsentiert darin eine Probe ohne Blei- 1 verlust; Punkt B stellt eine Probe dar, die /3 ihres Bleis verloren hat und Punkt C eine Probe, die ihr Blei vollständig verloren hat. Der obere Schnittpunkt der Geraden mit der Konkordia – in diesem Fall identisch mit Punkt A – gibt das Alter des Systems an (in diesem Beispiel 2.5 Ga), der untere Schnittpunkt – in diesem Fall identisch mit Punkt C – das Alter des Bleiverlusts (hier: 0 Ga). Da alle potentiellen Proben auf der Geraden (mit Ausnahme

116 A. Radiogene Isotopensysteme

von A und C) diskordante Alter haben, nennt man die Gerade Diskordia. Im Normalfall wird der Bleiverlust sicherlich nicht rezent stattfinden, sondern irgendwann in der geolo- gischen Vergangenheit durch eine Metamorphose verursacht worden sein. Wandelt man das obige Beispiel derart ab, daß das „Alter“ des Systems 3.5 Ga beträgt und der Bleiverlust vor 1 Ga stattfand – als das System also 2.5 Ga alt war – dann werden in der letzten Milli- 206 238 207 235 arde Jahre die Verhältnisse Pbrad/ U und Pbrad/ U in allen Proben wieder ange- wachsen sein; die Proben A (kein Bleiverlust) und C (totaler Bleiverlust) bewegen sich dann weiter entlang der Konkordia nach A' und C', Punkt B (ein Drittel Bleiverlust) auf einer Kurve unterhalb der Konkordia nach B'. Die Daten aller dieser Proben liegen heute auf einer Geraden, welche die Konkordia bei t=1 Ga und t=3.5 Ga schneidet, d.h. beide Alter sind datierbar. Das ist schematisch in Abbildung 90 dargestellt. Aus diesem Diagramm läßt sich der Anteil des radiogenen Bleis, der bei der Metamorphose zum Zeitpunkt t' nicht ver- loren gegangen ist, als das Verhältnis F der Strecken B,C/A,C berechnen, was identisch ist mit dem Verhältnis der Strecken B'C'/A'C'. Der Bruchteil des bei der Metamorphose verlo- ren gegangenen Bleis läßt sich entsprechend berechnen als das Verhältnis (1–F)= A,B/A,C oder A'B'/A'C'.

0.8

3.5 Konkordia – Diskordia A'

0.6 3.0 ia ord nk B' Ko

2.5

A

/²³⁸U

0.4 rad. 2.0 Diskordia

²⁰⁶Pb B 1.5

0.2 1.0 C' Die Zahlen auf der Konkordia geben das Alter in Ga an.

0.5

0.0 C 0 5 10 15 20 25 30 ²⁰⁷Pbrad./²³⁵U

ABBILDUNG 90 Wenn das Ereignisses des Pb-Verlustes geologische Zeit zurückliegt, liegen die betroffenen Proben auf einer neuen Diskordia, deren unterer Schnitt- punkt mit der Konkordia das Alter des Pb-Verlustes angibt. Während exakt eine Konkordia existiert, gibt es beliebig viele Konkordias für unterschiedli- che Zirkone aus unterschiedlichen Gesteinen. Im folgenden soll eine mathematische Betrachtung der Diskordia-Entwicklung durchge- führt werden in Anlehnung an die obigen Beispiele, d.h. „Alter“ des Systems t=3.5 Ga, Blei- 1 verlust vor t'=1 Ga, t"=heute, Probe A kein Bleiverlust, Probe B = /3 Bleiverlust, Probe C tota- ler Bleiverlust. Mit f werde das Verhältnis (Atome Pb nach Verlust/Atome Pb vor Verlust ) bezeichnet. Der Bleiverlust möge sich innerhalb einer geologisch vernachlässigbar kurzen Δ Zeitspanne tM vollziehen. Betrachten wir die Isotopenentwicklung zum Zeitpunkt t', unmittelbar vor dem Bleiverlust. Dann ist:

117 Die U,Th–Pb-Methoden

λ ()− 206=× 238 ⎡ 238 tt' −⎤ (v = vorher) Pbvv U⎣ e 1⎦ [GL 112]

λ ()− 207=× 235 ⎡ 235 tt' −⎤ Pbvv U⎣ e 1⎦ [GL 113] Unmittelbar nach dem Bleiverlust ergibt sich (n = nachher):

206=× 206 Pbnv f Pb [GL 114]

207=× 207 Pbnv f Pb [GL 115] In der letzten Milliarde Jahre sind an radiogenem Blei neu hinzugekommen (h = heute):

λ ()− 206=− 238 ⎡ 238 tt'" ⎤ Pbnh− U h⎣ e 1⎦ [GL 116]

λ ()− 207=− 235 ⎡ 235 tt'" ⎤ Pbnh− U h⎣ e 1⎦ [GL 117] Die heute in den Proben vorhandenen Mengen an Pb ergeben sich aus der Summierung von GL 114 und GL 116 bzw. GL 115 und GL 117: 206=+ 206 206 =×+ 206 206 Pbhnnhvnh Pb Pb−− f Pb Pb

λλ()− ()− 206=× 238 ×⎡ 238tt' −⎤ + 238 ⎡ 238 ttt'"− ⎤ Pbhv f U⎣ e1⎦ Uh ⎣ e 1⎦ [GL 118]

λλ()− ()− 207=× 235 ×⎡ 235tt' −⎤ + 235 ⎡ 235 ttt'"− ⎤ Pbhv f U⎣ e1⎦ Uh ⎣ e 1⎦ [GL 119] Da man bei diesem Modell davon ausgeht, daß während der Phase des Bleiverlustes das U immobil bleibt, läßt sich Uv berechnen zu:

=×λ()tt'''− UUevh [GL 120] Damit wird GL 118:

λλ()− ()− λ ()− 206=× 238 ×238tt''' ×⎡ 238 tt ' −⎤ +−238 ⎡ 238 tt'" ⎤ Pbhh f U e⎣ e 1⎦ Ueh ⎣ 1⎦

λλ()− ()− λ ()− 206Pb=× 238 U{} f e238tt''' ×⎡ e 238 tt ' −1⎤ +−⎡e 238 tt'" 1⎤ hh ⎣ ⎦ ⎣ ⎦

λ ⎡()tt'''− +−() tt '⎤ λ ()− λ ()− 206=× 238 {}⎣⎡ 238 ⎣ ⎦ −238 tt'''⎦⎤ +−[] 238 tt '" Pbhh U f e e e 1

λλ()− ()− λ ()− 206=× 238 {}[]238tt'' − 238 t ' t '' +[]238 tt'"− Pbhh U f e e e 1

⎛ 206 ⎞ Pb ⎡ λλ()tt− ''(() t '− t '' ⎤ ⎡ λ ()tt'"− ⎤ ⎜ ⎟ =×fe238 − e 238 +−e 238 1 [GL 121] ⎝ 238 ⎠ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ U h

⎛ 207 ⎞ Pb ⎡ λλ()tt− ''(() t '− t '' ⎤ ⎡ λ ()tt'"− ⎤ und analog: ⎜ ⎟ =×fe235 − e 235 +−e 235 1 [GL 122] ⎝ 235 ⎠ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ U h Für das konkrete Beispiel gilt also:

118 A. Radiogene Isotopensysteme

⎛ 206 ⎞ Pb ⎡ λλ()35. Ga () 1 Ga ⎤ ⎡ λ ()1Ga ⎤ ⎜ ⎟ =×fe238 − e 238 +−e 238 1 ⎝ 238 ⎠ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ U h

⎛ 207 Pb⎞ [und analog für ⎜ ⎟ ] ⎝ 235 ⎠ U h Mit Hilfe der Gleichungen GL 121 und GL 122 läßt sich also die heutige Lage der Daten- punkte im Konkordia-/Diskordia-Diagramm berechnen, was für die Punkte A', B' und C' nun geschehen soll: 1. Probe A, die kein Pb verloren hat und sich entlang der Konkordia nach A' in der letzten Milliarde Jahre entwickelt hat: f = 1 ⇒

206 ⎛ Pb⎞ λλ()− ()− λ ()− ⎜ ⎟ =−ee238tt'' 238 t ' t '' ++−e 238 tt'" 1 ⎝ 238 ⎠ U h

⎛ 206 ⎞ Pb λ ()− λ ⎜ ⎟ =−=−ee238 tt'' 11238 t (daa"=)t 0 ⎝ 238 ⎠ U h

⎛ 207 ⎞ Pb λ ()− λ und analog: ⎜ ⎟ =−=−ee235 tt'' 11235 t ⎝ 235 ⎠ U h 2. Probe C, die einen vollständigen Pb-Verlust erlitten hat und sich entlang der Konkor- dia von C nach C' in den vergangenen 109a entwickelt hat: f = 0 ⇒

⎛ 206 ⎞ Pb λ ()− λ ⎜ ⎟ =−=−ee238 tt'" 11238 t ' (ddat "=0 ) ⎝ 238 ⎠ U h

⎛ 207 ⎞ Pb λ ()− λ ⎜ ⎟ =−=−ee235 tt'" 11235 t ' ⎝ 235 ⎠ U h 1 9 3. Probe B, die /3 ihres Bleis verloren hat und sich in den vergangenen 10 a nach B' ent- wickelt hat: Man löst GL 122 nach f auf:

⎛ 207 ⎞ Pb ⎡ λ ()tt'"− ⎤ ⎜ ⎟ −−⎣e 235 1⎦ ⎝ 235U ⎠ = h f λ ()− λ ()− e 235 t ttt''− e 235 ' '' setzt in GL 121 ein:

⎛ 207 ⎞ Pb ⎡ λ ()tt'− " ⎤ ⎜ ⎟ − e 235 − 1 206 ⎝ 235 ⎠ ⎣ ⎦ ⎛ Pb⎞ U λ ()− λλ()− ()− = h × ⎡ 238 t ttttt''− 238 ' ''⎤ +−⎡ 238 ' " ⎤ ⎜ 238 ⎟ λλ()− ()− ⎣e ee⎦ ⎣ 1⎦ ⎝ ⎠ 235tt''− 235 t ' t '' U h ee

⎛ 207 ⎞ Pb ⎡ λ ()tt− '''λλ()tt '− ''⎤ ⎡ () tt '− " ⎤ ⎡ λλλ()tt− ''() t '− t '' ⎤ ⎜ ⎟ × e 238 − ee238−− 235 1 × e238− e 238 206 ⎝ 235 ⎠ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎛ Pb⎞ U λ ()− = h +−⎡ 238 tt'" ⎤ ⎜ 238 ⎟ λ ()− λ ()− ⎣e 1⎦ ⎝ ⎠ 235 tt'' − 235 tt''' U h e e

119 Die U,Th–Pb-Methoden

λλλ()tt'"− () tt− ''() t '−t '' 206 207 λ ()tt− '''λ ()tt '− '' ⎡ 235− ⎤ ×−⎡ 238 238 ⎤ ⎛ Pb⎞ ⎛ Pb⎞ e 238 − e 238 ⎣eee1⎦ ⎣ ⎦ λ ()− = × − + ⎡ 238 t ''t " − ⎤ ⎜ 238 ⎟ ⎜ 235 ⎟ λλ()− ( − ) λλ()− ()− ⎣e 1⎦ ⎝ U ⎠ ⎝ U ⎠ ee235tt''− 235 t ' t '' ee235tt''− 235 t ' t '' hh bzw. wegen t" = 0:

λλλ λλ 235tt' 238 2338 t ' ⎛ 206 ⎞ ⎛ 207 ⎞ 238 t 2238 t ' − ×− Pb Pb ee− ()eee1 ()λ = × − +−238 t ' ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ λλ λλ ()e 1 [GL 123] ⎝ 238 ⎠ ⎝ 235 ⎠ 235tt− 235 ' 235tt− 235 ' U hhU ee ee Für festes t und t' ist dies aber wieder die Gleichung einer Geraden der Form:

⎛ 206 Pb⎞ ⎛ 207 Pb⎞ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ ×+mb ⎝ 238 ⎠ ⎝ 235 ⎠ U hhU D.h. verschiedene Proben mit variablen Bleiverlusten zur selben Zeit t' liegen heute auf einer Geraden im Konkordia-/Diskordia-Diagramm. Da die heutigen Pb/U-Verhält- nisse meßbar sind, bleiben t und t' als einzige Unbekannte in GL 123. Man benötigt daher mindestens 2 Proben, um diese beiden Schnittpunktsalter zu ermitteln. Diese Ableitung gilt auch, wenn nicht nur Blei, sondern auch Uran mobil ist. Definiert man g als das Verhältnis der Uranatome nach zu vor dem (metamorphen) Ereignis, dann ist =× UgUnv

=×λ()tt'''− Damit wird GL 120: UgUnh e g und folglich GL 121:

⎛ 206 ⎞ Pb f ⎡ λλ()tt− ''() t ''''− t ⎤ ⎡ λ ()tt '"− ⎤ ⎜ ⎟ =×⎣ee238 − 238 ⎦ +−⎣e 238 1⎦ ⎝ 238 ⎠ g U h Durch Auflösen der analogen Gleichung für 207Pb/235U nach f/g und Einsetzen in die obige Gleichung läßt sich dann wieder zeigen, daß bei Auftragung von 207Pb/235U ge- gen 206Pb/238U eine Gerade resultiert. Die Bedingung, daß eine Probenserie bei einer Metamorphose z.T. ihr Pb vollständig behält, z.T. vollständig verliert, ist in der Praxis sicherlich eher die Ausnahme denn die Regel. Glücklicherweise erfahren Zirkone aus demselben Gestein und unter den gleichen p,T-Bedingungen jedoch (scheinbar) variable Pb-Verluste, so daß die Konstruktion der Dis- kordia und damit die Berechnung sowohl des Metamorphose- als auch des magmatischen Alters ermöglicht wird. In dem (seltenen) Fall, daß die Zirkone ihr Pb bei der Metamor- phose vollständig verlieren, wäre jede Erinnerung an das magmatische Alter ausgelöscht. Das Ausmaß des Pb-Verlustes scheint von solchen Faktoren wie Korngröße, U-Gehalt oder Anzahl der Gitterstörungen infolge der radioaktiven Strahlung abzuhängen. Je höher der Gehalt an radioaktiven Elementen und je älter der Zirkon, desto stärker wird das Gitter gestört; aus derart gestörten Bereichen geht das Uran dem Zirkon bevorzugt verloren. Es sei daran erinnert, daß Diffusion allein kein effektiver Mechanismus ist, um Ionen aus einem Kristall an die Kornoberfläche zu transportieren, solange sie nicht von Rekristallisation begleitet wird (Seite 35 und folgende). Mittels des Konkordia-/Diskordia-Diagramms kann nicht unterschieden werden zwischen Pb-Verlust und U-Gewinn. Beides würde zu einer Erniedrigung des Pbrad/U-Verhältnisses führen. Da Pb in den Zirkonen jedoch wesentlich inkompatibler ist als U, wird man davon ausgehen dürfen, daß die Vorstellung eines bevorzugten Pb-Verlustes korrekt ist. Manch- mal fallen Mineraldaten auch über die Konkordia. Das kann bei Monazit passieren, obwohl dieses Mineral in der Regel wenig diskordant ist oder unter die Konkordia fällt (z.B. [39] , [167]). Solch außergewöhnliches Verhalten kann dadurch erklärt werden, daß Th für Monazit wesentlich kompatibler ist als U (Th-Gehalte von Monazit sind leicht eine Grö- ßenordnung höher als die U-Gehalte). Dann wird der Monazit bei seinem Wachstum das

120 A. Radiogene Isotopensysteme aus dem 238U-Zerfall stammende 230Th (sofern es z.B. in einer zirkulierenden fluiden Phase zur Verfügung steht) erheblich bevorzugt über den das säkulare Gleichgewicht der 238U- Zerfallskette repräsentierenden Anteil einbauen. Als Folge erwirbt der Monazit einen höhe- ren Gehalt an 206Pb, als es seinem U-Gehalt entspricht (R. Romer, persönliche Mitteilung, 2001). Im radioaktiven Gleichgewicht ergibt sich 230Th/238U aus dem Verhältnis der beiden Zerfallskonstanten zu 1.68×10-5. Dieser Effekt wird daher nur bei geologisch jungen Mon- aziten ausgeprägt sein können, bei denen das gesamte überschüssige 230Th (Halbwertszeit ca. 7.52×104a) bereits in 206Pb zerfallen ist, während der Zerfall von 238U noch keine großen Mengen an radiogenem Pb nachgeliefert hat. 206 238 208 232 Konkordias lassen sich im Prinzip auch mit den Verhältnissen Pbrad/ U – Pbrad/ Th 207 235 208 232 bzw. Pbrad/ U – Pbrad/ Th darstellen. Im ersten Fall hätte die Konkordia jedoch eine geringere Krümmung als im gewöhnlichen Diagramm, weil sich die Halbwertszeiten von 238U und 232Th weniger unterscheiden als die von 235U und 238U; im zweiten Fall wäre die Krümmung sogar größer. Der Nachteil bei dieser Art von Auftragung ergibt sich jedoch dar- aus, daß mit U und Th zwei Elemente beteiligt sind, die sich in den Mineralstrukturen nicht gegenseitig vollständig ersetzen können und evtl. sogar verschiedene Gitterpositio- nen einnehmen, so daß nicht angenommen werden kann, daß sie sich bei Metamorpho- sen gleich mobil oder immobil verhalten. Ein größeres Problem bei der Bestimmung der Diskordia-Alter von Zirkonen insbesondere aus Metamorphiten ergibt sich ausgerechnet daraus, daß Zirkone extrem resistente Mine- rale gegenüber der Verwitterung sind. Es ist intuitiv einsichtig, daß Sedimente Zirkon- populationen enthalten werden, die aus dem gesamten Liefergebiet stammen und daher natürlich ganz unterschiedliche Entstehungsalter haben können. Bei der Gesteinsmeta- morphose werden diese Zirkone weiterwachsen; außerdem werden sich unter Umständen neue Zirkone bilden. Auf Grund der Morphologie (Tracht und Habitus) und der inneren Struktur (Anwachssäume, Zonierungen) lassen sich oft die verschiedenen Zirkontypen aus Metamorphiten unterscheiden. Zonierungen sind gut mit der Methode der Kathodo- lumineszenz* erkennbar. Fraglich ist allerdings, ob man in Körnerseparaten, die aufgelöst und analysiert werden, die verschiedenen Generationen von Zirkonen strikt auseinander- halten kann. Während der untere Schnittpunkt zwischen Konkordia und Diskordia von Zirkonen aus solchen Metamorphiten auch dann mit dem Metamorphosealter in der Regel ein geologisches Ereignis datieren wird, stellt der obere Schnittpunkt in solchen Fällen ein bloßes Mischalter dar. Diese Schwierigkeiten versucht man, durch Analyse einzelner Zirkonkörner zu umgehen. Es ist aus vielen derartigen Analysen klar geworden, daß die verschiedenen Domänen zonierter Zirkone (siehe z.B. [168]) und auch zonierter Monazite (z.B. [39]) scharfen Alters- sprüngen entsprechen, was die Notwendigkeit unterstreicht, Punktanalysen einzelner Kör- ner zu machen. Die neuen Daten zeigen zudem, daß Zirkone und andere Minerale seltener in hohem Maß diskordant sind, als aus der Analyse von Körnerseparaten abgeleitet; der dis- kordante Charakter solcher Separate ergibt sich vielmehr aus der Gesamtanalyse zonierter Minerale und/oder von Mineralen, die verschiedenen Ursprungs sind. Stark diskordante Zirkone sind allerdings auch bekannt, überraschenderweise sogar aus niedrigst-metamor- phen Gesteinen[169]. In dem zitierten Beispiel wurde ihr Pb-Verlust bei Temperaturen von nur 150 bis 200 °C der Zirkulation von stark salzhaltigen Lösungen zugeschrieben, dur ch welche das Pb aus den metamikten† Zonen der Zirkone herausgelöst wurde.

* Dabei wird die Probe (polierter Dünnschliff) durch Elektronenbestrahlung zum Leuchten angeregt. Die Lumineszenz ist abhängig von Materialeigenschaften wie Chemismus, Kristallbau und Kristall- baufehlern. † Zirkone und einige andere Minerale, die U und Th in größeren Mengen einbauen können, erfahren abhängig von der Konzentration der radioaktiven Elemente und ihrem Alter eine teilweise bis voll- ständige Zerstörung des Kristallgitters; dabei erwirbt der Zirkon eine ausgeprägte dunkle Farbe. Sol- che metamikten Zirkone sind viel leichter im Labor aufzulösen als farblose Zirkone.

121 Die U,Th–Pb-Methoden

Nach einer – nicht idealen, aber keinen zusätzlichen hohen apparativen Aufwand erfor- dernden – Methode der Einzelkornanalyse werden die Körner in ein Bändchen eines Dop- pelfilamentes eingewickelt[166]. Bei der sukzessiven Ausheizung dampft zunächst das am lockersten gebundene (vielleicht von den Kornrändern und Störzonen) Blei ab, zum Schluß das am stärksten gebundene Blei. Ähnlich wie bei der Ar–Ar-Methode erhält man idealerweise ein Altersplateau, das dem „wahren“ Alter des Zirkons entsprechen wird. Ein erheblicher Nachteil des Verfahrens ist, daß man keine Informationen über die U- und Th- Gehalte des Zirkons und damit die U,Th/Pb-Verhältnisse erhält; die Altersinformation resultiert dann aus 207Pb/206Pb-Verhältnissen.

Quadrupollinse

Austritts- Energie- Primärionen- Magnet- spalt analysator massen- Duoplasmatron analysator spektrometer (Primärionenquelle)

Blende

Hohl- O -Gas sekundärer Ionenstrahl 2 kathode Faraday-Becher „Source“-Schlitz elektrostatische Kondensorlinse

primärer Extraktionslinsen für Ionenstrahl Sekundärionen elektrostatische

Objektivlinse ׌

optisches Mikroskop Probe

ABBILDUNG 91 Funktionsprinzip einer Ionensonde Ein wesentlich eleganteres, aber auch viel kostspieligeres Verfahren ist die Verwendung einer Ionensonde, die zur Gruppe der Sekundärionen-Massenspektrometer gehört. Die vor- stehende Skizze zeigt den schematischen Aufbau eines solchen Großgerätes[170]. Dabei wird die Probe mit einem Strahl möglichst monoisotopischer Ionen (z.B. 16O–) beschossen. Die Ionen werden in einem „Duoplasmatron“ erzeugt, einem Gerät, in welches das Gas bei niedrigem Druck (z.B. 0.1 Torr) in eine Hohlkathode eingelassen wird. In der Hohlkathode wird eine Bogenentladung erzeugt, die das Gas ionisiert. Die Ionen werden auf ≈15 – 30kV beschleunigt und in ein Massenspektrometer mit niedriger Auflösung geführt, um den monoisotopischen Ionenstrahl zu separieren. Die Probe wird mit Strahlströmen von typi- scherweise einigen 10nA beschossen (Strahldurchmesser einige μm). Dabei wird ein kleiner Teil der Probe verdampft, und es entsteht lokal ein Plasma aus einer Vielzahl von Ionen, Moleküloxiden und Molekülionen. Die gewünschte Spezies wird in einem hoch auflösen- den doppelfokussierenden Massenspektrometer (Kombination aus elektrischem und magnetischem Sektorfeld) ausgeblendet und registriert. Bei der Analyse von Zirkonen 94,96 176 176 28 ergibt sich eine Vielzahl von Masseninterferenzen (z.B. Zr2O, HfO2, Zr2Si, Hf Si). 176 × so beträgt z.B. die Masse von HfO2 175.9417 + 2 15.9949 = 207.9315; demgegenüber liegt die Masse von 208Pb bei 207.9766. Daher sind extrem hohe Auflösungen des Massen- spektrometers erforderlich, um die Pb-Isotope exakt zu messen. Derzeit sind vor allen Din- gen die Ionensonde SHRIMP* und ihre Nachfolgemodelle leistungsfähig genug dazu. Die SHRIMP wurde an der Australian National University gebaut und betrieben[171], typischer- weise mit einer Massenauflösung M/ΔM von 6500 (M = Masse, ΔM = Breite des Massenpeaks des Ions bei ca. 10% der Höhe). Abbildung 92 zeigt die kommerziell vertriebene SHRIMP II.

* Sensitive High-Resolution Ion MicroProbe

122 A. Radiogene Isotopensysteme

Die Laserablation entwickelt sich derzeit allerdings rasch zu einem vergleichbar leistungs- fähigen Gerät, das den Ionensonden für die U–Pb-Datierung erhebliche Konkurrenz macht. Dabei wird ein kleines Volumen der Probe durch Beschuß mit einem Laserstrahl (Durchmesser einige 10 μm, das ist größer als bei der Ionensonde) verdampft und in die Plasmafackel eines ICP-Massenspektrometers geleitet[172].

ABBILDUNG 92 Die Ionensonde SHRIMP der Australian National University eignet sich zur Analyse der Pb-Isotopenzusammensetzung von Zirkonen. Mit ihrer Hilfe und den nachfolgenden Geräten wurden wichtige Beiträge zur Geochronologie vor allem des Archaikums geleistet. Zur Datierung von Th- oder U-reichen Mineralen, die bei ihrer Kristallisation keine nen- nenswerten Mengen an Pb aufnehmen, genügt im Prinzip bereits die Bestimmung der Kon- zentrationen von U, Th und Pb. Gute Erfahrungen wurden mit Monazit gesammelt, der sich mit der Elektronenstrahlmikrosonde bequem analysieren läßt[173],[174],[176]. Andere geeignete, aber seltenere Minerale sind Xenotim (YPO4), Baddeleyit (ZrO2) und Thorianit [177] (ThO2) . Monazit enthält typischweise einige Prozent Th bei einem höheren Verhältnis von Th/U als das Gestein, in dem er kristallisiert ist. In polymetamorphen Gesteinen lassen sich damit Informationen über die Phasen des Wachstums dieses Minerals machen. Die Präzi- sion der Daten erreicht zwar nicht diejenige der Isotopenmethoden, ist aber für Übersichts- aufnahmen ausreichend. Ein Vorteil der Mikrosondenanalytik besteht – neben der weiten Verfügbarkeit der Geräte – in der hohen Ortsauflösung (1–2 μm Durchmesser des Elektro- nenstrahls), die eine detaillierte Kartierung einzelner Körner ermöglicht, und auch in der Schnelligkeit. Monazite aus polymetamorphen Gesteinen erweisen sich oft als chemisch und hinsichtlich ihres Alters zoniert[176],[178], wobei die Zonierung außerordentlich kom- plex und folglich schwer zu deuten sein kann (Abbildung 93). Monazit ist ein in Gneisen und Glimmerschiefern sowie in Granitoiden weit verbreitetes akzessorisches Mineral, so daß die Methode prinzipiell eine breite Anwendung finden könnte. Einschränkend ist jedoch zu bemerken, daß man mit der Elektronenstrahlmikrosonde keinerlei Möglichkeit hat zu verifizieren, daß das Mineral bei seiner Bildung tatsächlich kein Pb enthalten hat. Das Alter erhält man durch iteratives Lösen der kombinierten Zerfallsgleichungen von Th und U:

λ λλ ≈++208 207 206 = 232 2332ttt− +−235 235+− 238 238 Pbtotal Pb rad Pb rad Pb rad Th() e 111Ue() Ue()[GL 124] Dazu sind die Th-, U- und Pb-Gehalte (Gewichtsprozent) aus der Mikrosondenanalyse in atomare Anteile umzurechnen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Atomgewicht von Pb eine Funktion der Th- und U-Gehalte sowie des Alters der Probe ist. Bei der iterativen Lösung von GL 124 erhält man jedoch rasch eine beliebig gute Übereinstimmung zwischen

123 Die U,Th–Pb-Methoden

vorgegebenem Alter (mit dessen Hilfe das Atomgewicht berechnet wird) und iterativ ermit- teltem Alter. Eine gleichwertige, von Kenntnis des Atomgewichts von Pb unabhängige For- mulierung erhält man[174],[175], wenn man bedenkt, daß sich die einzelnen atomaren Anteile des Pb berechnen lassen zu

2726±22 Ma (n = 34)

2032±18 Ma (n = 98) 2023±27 Ma <1965 Ma (n = 26) 1966–2119 Ma 2715±26 Ma 2120–2622 Ma (n = 22) 2623–2759 Ma >2760 Ma

ABBILDUNG 93 Th–U–Pb-Alter in einem Monazitkorn (großer Durchmesser ca. 0.45 mm) aus einem migmatischen Gneis von der Elfenbeinküste[176]. Jeder Punkt entspricht einer Mikrosondenanalyse. Das Korn ist offensichtlich alters– zoniert, wobei die Kerne höhere Alter haben als die Ränder.

⎡ 206 ⎤ ⎣ Pb⎦ 206 = = Pbrad (Atomgewicht)A A206 usw. (Konzentrationen in eckigen Klammern). Der atomare Anteil an 238U ergibt sich aus 238 dem U-Gehalt und der Isotopenhäufigkeit von U (f238) zu [] 238 =×=×U Uf238 Uf 238 AU Damit läßt sich z.B. der Term für 206Pb in GL 124 umschreiben als

⎡ 206 ⎤ ⎣ Pb⎦ []U λ 206 = =××−238 t Pbrad f238 (e 1) A206 AU und GL 124 wird zu

≈ ⎡ 208⎤ + ⎡ 207⎤ + ⎡ 206 ⎤ []Pbtotal⎣ Pb rad⎦ ⎣ Pb rad⎦ ⎣ Pb rad ⎦

ATh× []λ AU× [] λλAU× [] [GL 125] = 208 232 t − +×207 235t − +×206 238 t − ()ef1 235 ()ef11238 ()e ATh AU AU

124 A. Radiogene Isotopensysteme

12.2 Die Pb–Pb-Methoden („gewöhnliches Blei“ oder „common lead“) Die bisherigen Methoden beschäftigten sich mit der U,Th–Pb-Datierung von Proben mit hohem U/Pb-Verhältnis, d.h. Proben mit sehr radiogener Pb-Isotopenzusammensetzung. Es lassen sich jedoch auch Altersinformationen aus Proben mit U/Pb≈0 gewinnen, vor allem Pb-haltigen Sulfiden. In derartigen Proben ist die Pb-Isotopie „eingefroren“, und die Alter haben lediglich den Charakter von – zuweilen geologisch sinnvollen – Modellaltern. Die Pb-Isotopenzusammensetzung von magmatischen und metamorphen Gesteinen kann zudem als geochemischer Tracer nützlich sein. Bereits A.O. Nier berichtete 1938, daß das Atomgewicht des Pb aus Bleiglanzen verschiede- ner Herkunft verschiedene Isotopenzusammensetzungen hat[179]. 1941 schlugen Nier, R.W . Thompson & B.F. Murphey vor, daß die Ursache dieser Isotopenvariationen darin liegt, daß das Pb in den Bleiglanzen eine Mischung aus „Urblei“ darstellt, wie es bei der Kondensa- tion der Erde vorlag, und radiogenem Blei[180]. Dieser Vorschlag hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und führte unmittelbar zu Versuchen, über die Pb-Isotopenzusammensetzung das Alter der Meteorite und der Erde zu ermitteln. Der mathematische Formalismus ist als Hol- mes-Houtermans-Modell bekannt, das unabhängig voneinander von Holmes*[181] und F.G. Houtermans[182] 1946 formuliert wurde. Das Holmes-Houtermans-Modell basiert auf der Voraussetzung, daß die Erde bei ihrer Bildung homogen zusammengesetzt war, d.h. U, Th und Pb hatten überall die gleichen Häufigkeiten, und die Pb-Isotopenzusammensetzung war überall gleich. Anschließend änderten sich die Verhältnisse Pb/U und Pb/Th durch Dif- ferentiationsprozesse innerhalb kurzer Zeit, so daß sich mehrere Reservoire ausbildeten. In diesen aber änderten sich diese Verhältnisse nur noch infolge des radioaktiven Zerfalls, nicht aber durch weitere Fraktionierungen in neue Reservoirs. Schließlich wurden bei Erz- bildungsprozessen Pb einerseits und U–Th andererseits vollständig voneinander getrennt, und die Pb-Isotopie hat sich in den Pb-Mineralen seitdem nicht mehr geändert. Diese Vor- aussetzungen scheinen für die Erde nicht sehr realistisch gewählt zu sein. Dennoch hat das Holmes–Houtermans-Modell in den 1950er und 1960er Jahren weite Anwendung gefun- den. Bezeichnet man das Alter der Erde mit t0, dann ergibt sich die bekannte Zerfallsglei- chung in der Formulierung für die Evolutionskurve der Erde:

⎛ 206 ⎞ ⎛ 206 ⎞ ⎛ 238 ⎞ Pb Pb U λ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ()e 238t 0 − 1 [GL 126] ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ Pb heutePb initiaalPb heute

⎛ 206 Pb⎞ ⎛ 238U ⎞ wobei ⎜ ⎟ die Isotopie des Urbleis ist und ⎜ ⎟ das Verhältnis in der Erde. ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 Pb⎠ Pb initial heute Wenn einem solchen Reservoir in der Erde zur Zeit t durch einen Erzbildungsprozeß Pb ent- zogen und in ein Teilreservoir überführt wird, nicht aber U und Th, dann hat sich in die- sem Erz die Pb-Isotopie seit der Zeit t nicht mehr geändert, und von obiger Gleichung muß ⎛ 238 ⎞ 206 U λ Pb der Anteil ⎜ ⎟ ()e 238 t − 1 subtrahiert werden, der dem Anteil entspricht, der ⎝ 204 ⎠ 204 Pb heute Pb von t bis heute entstanden wäre, wenn die Trennung von Pb und U+Th nicht stattgefun- 206 204 206 204 den hätte (im Erz ist Pb/ Pb)heute = Pb/ Pb)t):

⎛ 206 ⎞ ⎛ 206 ⎞ ⎛ 2338 ⎞ ⎛ 238 ⎞ Pb Pb U λ U λ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ()e 238t 0 − 1 − ⎜ ⎟ ()e 238 t − 1 ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ Pb tinitialPb Pb heute Pb heute

* Arthur Holmes (1890–1965) englischer Geologe in Durham und Edinburgh; Holmes schlug auch Konvektionsströmungen in der tiefen Erde als Ursache von A. Wegeners Kontinentverschiebungen vor.

125 Die U,Th–Pb-Methoden

⎛ 206 ⎞ ⎛ 206 ⎞ ⎛ 2338 ⎞ Pb Pb U λλ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ()ee238tt 0− 238 [GL 127] ⎝ 204 Pb ⎠ ⎝ 204 Pb ⎠ ⎝ 204 Pb⎠ tinitialheute 238 204 Das Verhältnis ( U/ Pb)heute ist darin natürlich nicht das Verhältnis im Erz (das ist ja 0), sondern dasjenige im ursprünglichen Reservoir, dem das Pb entzogen wurde – insbeson- dere also das Verhältnis der Erde. GL 126 ist lediglich ein Spezialfall dieser Gleichung, wenn die Separation des Bleis „heute“ (t = 0) stattgefunden hat.

Analoge Gleichungen können für 207Pb 204 Pb und 208Pb 204 Pb formuliert werden. Für die Isotopenverhältnisse und die heutigen Elementverhältnisse werden früher die folgen- den – im Zeitalter des Computers weitgehend verschwundenen – Abkürzungen benutzt:

⎛ 206 Pb⎞ „Urblei“: ⎜ ⎟ = α (odera ) ⎝ 204 ⎠ 00 Pb initial

⎛ 207 Pb⎞ ⎜ ⎟ = β (oderb ) ⎝ 204 ⎠ 00 Pb initial

⎛ 208 Pb⎞ ⎜ ⎟ = γ (oderc ) ⎝ 204 ⎠ 00 Pb initial

′ ⎛ 20 6 Pb⎞ Verhältnisse zur Zeit t: ⎜ ⎟ = α (odera ) ⎝ 204 ⎠ Pb t

⎛ 207 Pb⎞ ⎜ ⎟ = β (oderb ) ⎝ 204 ⎠ Pb t

⎛ 208 Pb⎞ ⎜ ⎟ = γ (oderc ) ⎝ 204 ⎠ Pb t heutige Verhältnisse:

⎛ 238U ⎞ ⎛ 232Th⎞ ⎛ 232Th⎞ ⎜ ⎟ = μ ⎜ ⎟ = ω ⎜ ⎟ = κ ⎝ 204 ⎠ ⎝ 204 ⎠ ⎝ 238 ⎠ Pb heute Pb heute U heute Damit lassen sich die Gleichungen schreiben als:

λλ ααμ=+238tt 0 − 238 t 0 ()ee [GL 128]

μ λλ ββ=+()ee235tt 0 − 235 [GL 129] t 0 137. 88

λλ λλ γγω=+232tt 0 − 232=+ γμκ 232 tt 0 − 232 t 00()ee(() ee [GL 130] α β γ Die Werte 0, 0 und 0 („Urblei“) wurden aus der Analyse von Troilit (FeS) aus dem Eisen- meteoriten Canyon Diablo ermittelt[183]. Troilit ist praktisch U- und Th-frei, enthält jedoch etwas Pb, dessen Isotopenzusammensetzung praktisch eingefroren ist. Als beste Initial- werte für das Sonnensystem zur Zeit seiner Bildung gelten heute[184]: α β γ 0 = 9.3066 0 = 10.293 0 = 29.475.

126 A. Radiogene Isotopensysteme

Der μ-Wert läßt sich durch die Kombination von GL 128 und GL 129 eliminieren:

λλ ββ− ()ee235tt 0− 235 t 0 = 1 λ λ [GL 131] αα− 238t 0 238 t t 0 137. 88 ()ee−

Für t=0, d.h. rezente Trennung von 40 Pb und U, ist dies vergleichbar mit Das Alter der Meteorite (C. Patterson, 1956) GL 107 (in der t0 durch t ersetzt war), 35 Nuevo Laredo und in jener Form wurde sie von C. C. Patterson* zur Ermittlung des Alters der Meteorite benutzt dur ch 30 a)

Analyse von 3 Stein- und 2 Eisenme- Pb [185] 25 teoriten (siehe Abbildung 94 ). 204

Die Gleichung läßt sich dann Pb/ umschreiben zu 207 20 Geochrone (t = 4.5560.05G

Modoc βααβ=−+ Meeressediment ttmm00 15 Forest City =+α [GL 132] Canyon mCt Diablo 10 Henbury Dies ist die Gleichung einer Geraden α β in den Koordinaten t und t; aus 10 15 20 25 30 35 40 45 50 ihrer Steigung 206Pb/204Pb

λλ ()ee235tt 0− 235 ABBILDUNG 94 Der 1995 verstorbene C. Patterson be- = 1 m λλ stimmte das Alter der Meteorite und, in Analogie, das 137. 88 ()ee238tt 0− 238 Alter der Erde. läßt sich dann das Alter errechnen, und C ist eine Konstante. Patterson erhielt dabei ein Alter von 4.55±0.05 Ga, das bis heute Gültigkeit hat und durch andere Methoden bestätigt wurde. Patterson vermutete außerdem, daß die Erde dasselbe Alter hat wie die Meteorite. Um diese Hypothese zu testen, analysierte er die Pb-Isotopenzusammensetzung einer Probe eines rezenten ozeanischen Sediments, von dem er annahm, daß es einen halbwegs repräsentativen Durchschnitt für terrestrisches Blei darstellt. Er fand, daß es ebenfalls auf die Isochrone der Meteorite fällt und sah dadurch seine Hypothese bestätigt. Obwohl auch diese Meinung heute nicht mehr bezweifelt wird, hatte Patterson mit seiner Wahl des Sedi- mentes jedoch auch einiges Glück, denn längst nicht alle ozeanischen Sedimente haben ein Modellalter von ≈4.55 Ga. Diese Gerade heißt Geochrone, weil alle terrestrischen und Meteoritenproben mit t=0, deren Pb-Isotopie sich durch ein Einstufenmodell beschreiben läßt, auf diese Isochrone plotten. Je höher das U/Pb-Verhältnis einer Probe, desto radioge- ner sind natürlich ihre 206Pb/204Pb- und 207Pb/204Pb-Verhältnisse. Die Gleichungen GL 128 und GL 129 können benutzt werden, um 206Pb/204Pb und 207Pb/ 204Pb bei gegebenem U/Pb-Verhältnis für beliebige Zeit t der Trennung einer Pb-Probe von U zu berechnen. Abbildung 95 zeigt dies an Hand der fest gewählten Werte μ = 5 – 10; die meisten terrestrischen Einstufenbleie liegen zwischen den Kurven für μ = 8 und μ = 10. Es α β ergeben sich Kurven, die vom Punkt ( 0, 0) des Urbleis ausgehen. Zur Orientierung ist auch noch die Geochrone in dieses Bild eingetragen.

* Clair C. Patterson (1922–1995) US-amerikanischer Geochemiker an der University of Chicago und dem California Institute of Technology. Er bestimmte 1953 das Alter der Meteorite (und der Erde) zu 4.55 Ga. Die Daten wurden aber erst drei Jahre später veröffentlicht. Ab ca. 1965 machte er auf die Verschmutzung der Umwelt durch Blei als Folge von dessen Verwendung als Additiv in Benzin aufmerksam.

127 Die U,Th–Pb-Methoden

Holmes-Houtermans-Modell für verschiedene μ-Werte μ=10

16 μ=9

μ=8

μ=7

μ=6 14 ⁴Pb

²⁰ μ=5 ⁷Pb/ ²⁰

Geochrone

12 Die Punkte auf den Kurven für die verschiedenen μ-Werte geben die berechnenten Isotopenverhältnisse in Abständen von jeweils 0.5 Ga an.

Urblei 10 8 10 12 14 16 18 20 ²⁰⁶Pb/²⁰⁴Pb

ABBILDUNG 95 Die Pb-Isotopenentwicklung der Erde nach dem Modell von Holmes und Houtermans für verschiedene Verhältnisse von U/Pb. Die Pb-Isotopen- zusammensetzung von Lagerstätten darf nach diesem Modell nicht rechts der Geochronen liegen. Auf der Geochronen läge Pb, das heute vom U ab- getrennt wurde. Nun kann man im nächsten Schritt hingehen und die Zeit t der Separation von Pb und U konstant lassen und (206Pb/204Pb)t und (207Pb/204Pb)t nach GL 128 und GL 129 durch Varia- tion von μ berechnen. Für t =1, 2 bzw. 3 Ga ergeben sich Isochronen, die ebenfalls vom Urblei-Punkt ausgehen und welche die Kurven mit den unterschiedlichen μ-Werten schneiden (Abbildung 96). Es ergibt sich auf diese Weise ein Netz, aus dem sich das Pb–Pb- Modellalter einer Probe aus deren 207Pb/204Pb- und 206Pb/207Pb-Werten ablesen läßt, die in günstigen Fällen (wenn die Annahme des Einstufenmodells zutrifft) dem tatsächlichen Alter des Pb-Minerals entspricht. Wenn das Alter t derart bestimmt ist, können mit Hilfe 232 204 ω 232 238 κ von Gleichung GL 130 das scheinbare ( Th/ Pb)t = und das Verhältnis Th/ U = der Quellregion des Pb-Minerals (für t=0 heute) errechnet werden. Da die μ-Werte der mei- sten Einstufenbleiproben zwischen ≈8 und 10 liegen und ω typischerweise zwischen ≈30 und 40, erhält man Th/U-Verhältnisse zwischen ≈2.9 und 4.85, Werte also, die um das ter- restrische Th/U ≈ 4 in relativ engem Bereich streuen.

128 A. Radiogene Isotopensysteme

1Ga Holmes-Houtermans-Modell μ=10 für verschiedene μ-Werte 2Ga und verschiedene Alter t 16 μ=9

3Ga μ=8

μ=7 ⁴Pb

²⁰ 14 μ=6

⁷Pb/ μ=5 ²⁰ 4Ga

Geochrone (t=0 Ga) 12

Urblei 10 8 10 12 14 16 18 20 ²⁰⁶Pb/²⁰⁴Pb

ABBILDUNG 96 Pb-Isotopenentwicklung der Erde nach dem Holmes-Houtermans-Modell für verschiedene U/Pb-Verhältnisse und für verschiedene Zeiten des vollständi- gen Pb-Verlustes dargestellt.

1Ga Stacey-Kramers-Modell der Pb- μ=10 Isotopenentwicklung der Erde 2Ga 16 [zum Vergleich ist das Holmes-Houter- μ=9 mans-Modell ebenfalls eingetragen] 3Ga μ=8

μ=7

Stacey-Kramers- 14 μ=6 ⁴Pb Entwicklung ²⁰ μ=5

4Ga ⁷Pb/ ²⁰

Geochrone (t=0 Ga) 12

t=3.7 Ga (Zeit der Erhöhung von μ)

Urblei 10 8 10 12 14 16 18 20 ²⁰⁶Pb/²⁰⁴Pb

ABBILDUNG 97 Das Modell von J. Stacey und J. Kramers kann radiogenere Pb-Isotopien von Pb-Lagerstätten erklären als das von Holmes und Houtermans.

129 Die U,Th–Pb-Methoden

Die Annahme einer Einstufenentwicklung des terrestrischen Bleis (also konstantes U/Pb zwischen t0 und t, dann vollständige Trennung des Bleis von Uran (und Th) ist nur in sel- tenen Fällen gegeben, und das Pb vieler Lagerstätten ist radiogener als es dem Einstufen- modell entspricht. Das heißt nichts anderes, als daß deren Pb–Pb-Modellalter in der Zukunft liegen, denn Isotopenzusammensetzungen rechts der Geochronen sind mit dem Holmes–Houtermans-Modell nicht erklärbar. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, auch die Isotopie von Lagerstätten-Pb mit offensichtlicher Mehrstufenentwicklung zu datieren. Ein bekanntes Modell ist das von Stacey & Kramers (1975). Danach entwickelte sich das Pb in der Erde zwischen 4.57 Ga und 3.7 Ga* mit einem μ von 7.192 und ω = 32.208. Durch geo- chemische Prozesse wurden diese Verhältnisse vor 3.7 Ga in den Reservoiren, aus denen die uns heute zugänglichen Gesteine stammen, auf 9.735 bzw. 36.837 erhöht, und, bestimmt durch diese Verhältnisse, entwickelten sich die Pb-Isotope bis heute ohne weitere Störung. d.h. Pb, das zu einer beliebigen Zeit t zwischen 3.7 Ga und 0 von U und Th getrennt wurde, stammt aus einem solchen Reservoir. Dieses Reservoir mit μ = 9.735 und ω = 36.837 hat heute die Isotopenzusammensetzung 206Pb/204Pb =18.700, 207Pb/204Pb = 15.628 und 208Pb/204Pb =38.63. t läßt sich dann analog GL 131 berechnen:

λλ’ 235tt 0− 235 ββ− ’ 1 ()ee t 0 = [GL 133] αα− ’ λ t’ λ t t 0 137. 88 ()e 238 0 − e 238

λλtt’ γγ− ’ ()ee232 0− 232 t 0 = κ [GL 134] αα− ’ λλt’ t t 0 ()ee238 0− 2338

’ α ’ β’ γ ’ κ mit t0 =3.7 Ga, 0 = 11.152, 0 = 12.998 und 0 = 31.230. kann berechnet werden, nachdem t aus GL 133 ermittelt wurde. Für Proben konstanten Alters erhält man in einem 207Pb/204Pb – 206Pb/204Pb oder 208Pb/204Pb – 206Pb/204Pb –Plot eine Gerade, welche die nach ’ Stacey & Kramers spezifizierte terrestrische Pb-Entwicklungskurve bei t0 = 3.7 Ga und dem Modellalter t der Proben schneidet (siehe Abbildung 97). Der Befund, daß viele Proben krustalen Bleis† radiogener sind, als es durch das Holmes- Houtermans- oder Stacey-Kramers-Modell beschrieben wird, hatte früher zu der Ver- mutung geführt, daß das komplementäre Reservoir zu der Erdkruste – also ein Reservoir , das links der Geochrone liegt – der Erdmantel ist, vorausgesetzt, der darstellende Punkt der Erde liegt auf der Geochrone. Wie Abbildung 98 zeigt, kann das jedoch nicht sein, denn auch ozeanische Basalte liegen fast ausnahmslos rechts der Geochrone, haben also radio- genere Bleiisotopenzusammensetzungen als für die bulk-earth angenommen. Das wird als das Pb-Paradox bezeichnet. Danach bleiben als potentielle komplementäre Reservoire noch übrig der Erdkern (über dessen Pb-Gehalt sich sinnvoll wohl nichts sagen läßt) oder die kontinentale Unterkruste (Granulite), die oft niedrige Konzentrationen an U und Th aufweist. Die Unterkruste scheint jedoch, soweit das aus Xenolithen erschließbar ist, nur in Ausnahmefällen unradiogene 206Pb/204Pb-Isotopien zu haben (z.B. [189], [190], [191]) mit Ausnahme von Xenolithen in Vulkaniten, die durch alte Kratongebiete eruptieren[192], wie Abbildung 99 erkennen läßt. In der Massenbilanz mag die Unterkruste eine Pb-Isotopie haben, die tatsächlich links der Geochronen liegt; ob das allerdings ausreicht, das Pb-Para- dox aufzulösen, ist eher unwahrscheinlich; Rudnick & Goldstein (1990) haben für die Gesamtkruste eine Zusammensetzung errechnet, die etwas rechts der Geochrone liegt.

* Das entspricht dem Rb–Sr-Alter der Isua Supracrustals an der Westküste von Grönland, den damals ältesten bekannten Gesteinen der Erde. † Das sind dann in der Regel Proben aus der kontinentalen Oberkruste.

130 A. Radiogene Isotopensysteme

41.0 Tubuai 40.5

40.0 Samoa Tristan da St. Helena 39.5 Cunha Komoren

Pb Azoren 39.0 Kerguelen 204

Pb/ 38.5 MORB des

208 Indischen Gesellschaftsinseln 38.0 Ozeans

37.5 Galapagos Hawaii 37.0 atlant. und pazif. MORB 36.5 17 17.5 18 18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5 22

St. Helena [Südatlantik] 15.8

Geochrone Gesellschaftsinseln [Franz. Polynesien] Tubuai [Franz. 15.7 Samoa Polynesien] Pb [SW-Pazifik]

204 Kerguelen Komoren [Indik] [Südindik] Azoren [Atlantik]

Pb/ 15.6

207 MORB des Indischen 15.5 Ozeans Galapagos [Ostpazifik] Tristan da Cunha [Südatlantik] Hawaii 15.4 atlant. und pazif. MORB

17 17.5 18 18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5 22 206Pb/204Pb

ABBILDUNG 98 Pb-Isotopenzusammensetzungen von Basalten ozeanischer Spreizungs- zentren und von Ozeaninseln (zusammengestellt nach Literaturangaben in [186], [187] und [188])

131 Die U,Th–Pb-Methoden

16.0

9 a) μ= Massif Central 15.8 57G Eifel

chrone (4.

15.6 Lesotho Pb MORB Geo

204 Lashaine (Tanzania)

Pb/ Arizona 15.4 207

8 Nordostaustralien μ= Kilbourne Hole (New Mexico) 15.2 Pb-Isotopenzusammensetzung von Granulitxenolithen der kontinentalen Unterkruste μ=238U/204Pb 15.0 15 16 17 18 19 20 206Pb/204Pb

ABBILDUNG 99 Die Pb-Isotopenzusammensetzung der kontinentalen Unterkruste; das Feld von MOR-Basalten ist zum Vergleich eingetragen.

0.5134 40 pazifischer Tonga- 0.5132 MORB Inselbogen Tonga-Inselbogen 208 39 Nd indischer 0.5130 Pb/ MORB 144 204

Nd/ 0.5128 38 Pb

143 indischer 0.5126 MORB Sr-Nd-Pb-Isotopenzusammensetzung pazifischer einiger ozeanischer Basalttypen MORB 0.705 37 Tonga- Tonga-Inselbogen Inselbogen 207 15.6 Pb/

Sr 0.704 86 204 Sr/ indischer indischer 15.5 Pb 87 MORB MORB 0.703 pazifischer 15.4 pazifischer MORB MORB 0.702 15.3 17 18 19 17 18 19 206Pb/204Pb

ABBILDUNG 100 Die Sr-, Nd- und Pb-Isotopenzusammensetzung ozeanischer Basalte

132 A. Radiogene Isotopensysteme

Die Isotopendaten für Basalte der mittelozeanischen Rücken, die bis Anfang der 1980er Jahre vorhanden waren, ließen einige lokale Besonderheiten erkennen, nämlich das Vor- handensein relativ radiogener Pb- und Sr-Isotopien von Basalten des Indischen und des südwestlichen Pazifischen Ozeans (Abbildung 100[193], Abbildung 98). Zunächst glaubte man, diese „Dupal-Anomalien“* seien Merkmale der ozeanischen Basalte der südlichen Hemisphäre. Es scheint aber so, daß die Anomalie tatsächlich auf den Indischen Ozean und die westliche Umrandung des Pazifiks beschränkt ist, während Basalte vom Mittel- atlantischen Rücken und East Pacific Rise in ihrer Isotopie nicht zu unterscheiden sind. Man darf daher annehmen, daß diese Anomalie ein Charakteristikum der Mantelkonvekti- onszelle unter dem Indischen Ozean ist, die erst durch die Subduktionszonen im westli- chen Pazifik begrenzt wird[193]. Die Ursache der anomalen Isotopenzusammensetzungen ist nicht klar, könnte aber wohl in einer Beimischung von Material alter kontinentaler Litho- sphäre zur Quellregion der Basalte liegen[187], z.B. von Sedimenten†. Das Material (oder die Zumischung) muß geologisch alt sein, weil das 207Pb/204Pb im Indik höher ist als in den beiden anderen Ozeanen. Das 207Pb stammt aus dem Zerfall von 235U, von dem infolge sei- ner gegenüber 238U erheblich geringeren Halbwertszeit heute nur noch geringe Mengen vorhanden sind. Zur Verdeutlichung mag man sich die Krümmung der Kurven für ver- schiedene μ-Werte über den Verlauf der Zeit in Abbildung 95, Seite 128, ansehen; eine geo- logisch junge Erhöhung von μ produziert im Lauf der Zeit nur noch eine vergleichsweise geringe Erhöhung von 207Pb/204Pb.

Die weite Pb-Isotopenvariation .708 von OIB (Abbildung 98) ist EM1 sehr markant. Zusammen mit EM2 Variationen bezüglich der Sr- .707 und Nd-Isotopie (Abbildungen 101 und 102) hat sie Anlaß zur Gesellschaftsinseln Definition von drei Endglie- .706 dern gegeben, die als EM1 (enriched mantle I), EM2 (enri- Sr 86 .705 Kerguelen ched mantle II) und HIMU (high μ) bezeichnet wer- Sr/ [196] 87 den . EM1 ist durch eine .704 Hawaii niedrige Nd-Isotopie ausgewie- PREMA sen, gekoppelt mit relativ St. Helena 206 204 unradiogenem Pb/ Pb und .703 einem hohen Anteil von radio- MORB HIMU genem 208Pb zu 206Pb[187]. Bei- DMM spiele neben Kerguelen im süd- lichen Indik sind Pitcairn im 17 17.5 18 18.5 19 19.5 20 20.5 21 21.5 22 206 204 Südpazifik und Tristan da Pb/ Pb Cunha im Südatlantik. EM2 87 86 hat das höchste Sr/ Sr, ABBILDUNG 101 Sr-Pb-Isotopenvariation der Basalte einiger gekoppelt mit relativ hohem Ozeaninseln, die vermeintliche oder tatsächliche Endglieder 207Pb/206Pb. Als Beispiel kann definieren. Die Isotopien dieser Basalte scheinen zusammen neben den französischen mit denen der MOR-Basalte in das PREMA (prevalent mantle) Gesellschaftsinseln im zentra- genannte Feld zu konvergieren[196]. DMM steht für depleted len Südpazifik noch Samoa MORB mantle. genannt werden. HIMU- Ozeaninseln wie St. Helena, die Austral-Inseln (Tubuai und andere) Französisch Polynesi-

* Akronym für B. Dupré & C. J. Allègre, die darauf zuerst aufmerksam machten[194] † Feinkörnige klastische Sedimente haben sehr viel höhere Pb-Gehalte als Basalte und meist sehr un- terschiedliche Isotopien; die Pb-Isotopien sind daher gut geeignet, um in Subduktionszonenmag- men Kontaminationen durch (subduzierte) Sedimente aufzuzeigen, z.B. in den Antillen[195].

133 Die U,Th–Pb-Methoden

ens oder mit Einschränkung die Azoren schließlich sind durch das zeitintegriert höchste 238U/204Pb und das niedrigste 87Sr/86Sr ausgewiesen. In erweiterten REE-Diagrammen (siehe auch im REE-Skript Kapitel 6.2.3, Seite 145) werden U und Th bei den inkompatibelsten Elementen neben Nb aufgetragen, das Pb aber als deutlich weniger inkompatibles Element bei den leichten REE, entsprechend der Reihenfolge für die partielle Aufschmelzung des Erdmantels. In solchen Diagrammen zeigen sowohl MORB als auch OIB negative Pb-Ano- malien, während Gesteine der kontinentalen Kruste eine positive Pb-Anomalie aufweisen; beide Reservoire können daher als in erster Näherung komplementär für den Pb-Gehalt, bezogen auf primitiven Erdmantel, angesehen werden, nicht aber für die Pb-Isotopie. In MORB, EM1, EM2 und der kontinentalen Kruste sind die normierten Th,U/Pb-Verhältnisse nahe 1; nur in HIMU liegen sie wesentlich darüber. Per Saldo haben demnach Th, U und Pb in der Summe ungefähr identische „Verteilungskoeffizienten“ für die Kruste–Erdman- tel-Differenzierung. Als Folge weisen Kruste (zumindest die kontinentale Oberkruste) und Mantel (und seine Partialschmelzen) ähnliche Pb-Isotopien auf. Eine mögliche Lösung für dieses Pb-Paradox wurde von A. W. Hofmann[187] vorgeschlagen. Danach werden zunächst U, Th und Pb bei der Partialschmelzenbildung im Erdmantel ent- sprechend ihren experimentell einigermaßen bekannten Verteilungskoeffizienten in die Basaltmagmen übertreten, d.h. Pb weniger stark als U und Th. Zusätzliches Pb (sicherlich auch neben kleineren Mengen an U und Th) wird aber sekundär aus den Basalten dur ch hydrothermale Prozesse an mittelozeanischen Rücken und bei der Subduktion herausge- löst. Dieses Pb verbleibt letztlich in der kontinentalen Erdkruste. Der Mehrstufenprozeß der Fraktionierung bewirkt, daß zufällig die „Verteilungskoeffizienten“ von U, Th und Pb zwischen Kruste und Mantel ähnlich groß sind.

Man wird vermutlich anneh- 12 men dürfen, daß Zwei- oder DMM Mehrkomponentenmischun- 10 MORB gen die plausibelste Erklärung für die Isotopenvariationen 8 der ozeanischen Basalte sind. Eine Kontamination dur ch 6 PREMA kontinentale Kruste ist dabei Hawaii nur für den EM2-Typ zulässig; 4 St. Helena Gesellschaf

dies ergibt sich aus den Isoto- Nd HIMU

ε tsinseln pendaten in Kombination mit 2 einer negativen Nb-Anomalie dieses OIB-Typs[187]. Extrem 0 87 86 Kerguelen radiogene Sr/ Sr-Verhält- EM2 nisse (bis ≈0.720) und niedrige -2 143Nd/144Nd-Verhältisse (bis -7ε) in Trachyandesit und -4 Trachybasalt aus Westsamoa EM1 werden als starkes Indiz für .702 .703 .704 .705 .706 .707 .708 subduzierte kontinentale Kru- 87Sr/86Sr ste in der Quellregion gewer- tet; Isotopien und Spurenele- mentmuster lassen sich dur ch ABBILDUNG 102 Nd-Sr-Isotopenvariation der Basalte einiger 5–6% Beimischung alter Sedi- Ozeaninseln und von MORB mit Bezeichnung der Lage der [196] mente (= Oberkruste) model- Endglieder . Das EM2-Endglied mag erheblich höhere Sr- lieren[197],[198]. Isotopien aufweisen.

134 A. Radiogene Isotopensysteme

Hart et al. (1992)[199] haben EM 1 die Isotopendaten ozeani- Sr scher Basalte einer statisti- EM 2 schen Analyse unterzogen und festgestellt, daß sich der Samoa weitaus größte Anteil der Pitcairn Tristan da Cunha Variation (97.5%) durch die drei Verhältnisse 87Sr/86 Sr, Walvis 143Nd/144Nd und 206Pb/204 Pb Nd Pb Kapverden beschreiben läßt. Zudem beobachteten sie, daß in Kamerun-Linie Gesellschafts- Hawaii einer Prismendarstellung mit Azoren St. Helena den Ecken DMM – HIMU – inseln EM1 – EM2 viele Trends für Mangaia individuelle Suiten in Rich- MORB (Franz. Polynesien) tung die Basis des Prismas FOZO weisen zwischen DMM und DMM HIMU HIMU (Abbildung 103). Auf Grund dieses Befundes defi- ABBILDUNG 103 Prismendarstellung der 87Sr/86Sr-, 143Nd/ nierten sie eine neue Kompo- 144Nd- und 206Pb/204Pb-Zusammensetzung von OIB und nente namens FOZO (focal MORB[199],[188] zone) mit 87Sr/86Sr = 0.7025, ε 206 204 Nd um +9 und Pb/ Pb um 19.5, welche sie im unteren Erdmantel ansiedeln wollen. Von der Kern/Mantel-Grenze aufsteigende Plumes, die gerne als Quelle der OIB angesehen werden, könnten bei ihrem Aufstieg solches Material inkorporieren. Es ist allerdings nicht klar, ob eine solche Komponente für die Massenbilanz der Erde erforderlich oder zumin- dest zulässig ist. Der Befund, daß viele Gesteine Pb-Isotopien rechts der Geochrone haben, bedeutet, daß das Pb – wie bereits gezeigt – eine Mehrstufenentwicklung erlebt hat. Im folgenden wird für eine Zweistufenentwicklung die mathematische Behandlung beschrieben. Das Blei möge sich zwischen t0, dem Alter der Erde, und t1 in der Quellregion (Erdmantel) dem Holmes- Houtermans-Modell entsprechend mit einem Wert µ1 entwickeln. Zur Zeit t1 soll dur ch eine Teilaufschmelzung ein Teil des U, Th und Pb in ein neues System (Erdkruste) extra- hiert werden, welches einen anderen µ-Wert aufweist; wir schließen allerdings die Zumi- schung eines Pb mit einer anderen Isotopenzusammensetzung aus. Zwischen t1 und t2 wächst die Pb-Isotopie dann mit dem neuen µ2-Wert weiter an; bei t2 kann ein neues Ereig- nis stattfinden (siehe Abbildung 104). Zum Zeitpunkt t1 hätte die Quellregion dann die fol- gende Pb-Isotopie gehabt:

λλ ααμ=+()ee238tt 0 − 238 1 t1 01 238 204 wobei µ1 das U/ Pb-Verhältnis in der – undifferenzierten – Quelle heute wäre. Von t1 bis t ist das 206Pb/204Pb dann im neuen System angewachsen auf α : 2 t2

λλ λλ ααμ=+()ee238tt 0 − 238 1+− μ() ee 238 tt 1 238 2 t2 01 2 238 204 mit µ2 = U/ Pb der Quelle heute (ohne Berücksichtigung der Trennung des U+Th von Pb); verkürzt geschrieben:

λλtt ααμ=+×()ee238 1 − 238 2 [GL 135] tt212 und analog für 207Pb/204Pb:

μμλλ λλ ββ=+12()ee235tt 0 − 235 1 + () e2235tt 1− e 235 2 t2 0 137.. 88 137 88

135 Die U,Th–Pb-Methoden

μ λλtt ββ=+2 ()ee235 1 − 235 2 [GL 136] tt21137. 88 Durch Kombination von GL 135 und GL 136 erhält man:

λλ ββ− ()235tt 1− 235 2 tt 1 ee 21= λ λ [GL 137] αα− 137. 88 ()238 tt 1− 238 2 tt21 e e

Dies ist aber wieder die Gleichung einer Geraden in den Koordinaten von 206Pb/204Pb ()α t2 und 207Pb/204Pb ()β mit der Steigung t2

λλ ()ee235tt 1− 235 2 = 1 m λλ 137. 88 ()ee238tt 1− 238 2

also βααβ=−+mm . tttt2211

17

16 μ3

(μ2/137,88)×eλ235t2 t2 15 βt2 μ2 λ235t1 14 (μ1/137,88)×e λ235t1 λ235t2 (μ2/137,88)×(e – e ) 4Pb 0 t1 (μ2/137,88)×eλ235t1

7Pb/² 13 β 0 t1 ²

12 μ1 λ235t0 λ235t1 (μ1/137,88)×(e – e )

11 (μ1/137,88)×eλ235t0 β0 10 9 10111213141516171819 ²06Pb/²04Pb

ABBILDUNG 104 Illustration eines Mehrstufenmodells wie oben beschrieben

Eine Serie kogenetischer Proben, die sich nur in ihren µ2-Werten unterscheidet, hat dann Pb-Isotopenzusammensetzungen, die auf eine Gerade fallen, die für µ2 = 0 durch den Punkt ( α , β ) auf der Wachstumskurve mit dem früheren µ -Wert geht. Eine solche Gerade ist t1 t1 1 eine sekundäre Isochrone. Letztlich kommt es nicht darauf an, wie oft dem System U und Th zu- oder abgeführt oder Pb abgeführt wird; datierbar ist das jeweils letzte Ereignis, das

136 A. Radiogene Isotopensysteme

zur Homogenisierung der Pb-Isotope kogenetischer Gesteine geführt hat. Werden solche U,Th-haltigen Proben heute untersucht, dann ist t2 = 0 und die Gleichung reduziert sich zu

λ ββ− ()235t 1 − tt 1 e 1 21= λ [GL 138] αα− 137. 88 ( 238t 1 − ) tt21 e 1

Modell einer zweistufigen Entwicklung der Pb-Isotope

16 μ=16

μ=12 10 = μ

8 μ= Pb t=2Ga t=1Ga Zweistufenblei 204 14 6 μ= Pb/

207 a)

12 Geochrone (t=0 G

10 8 10 12 14 16 18 20 22 206Pb/204Pb

ABBILDUNG 105 Modell einer zweistufigen Pb-Isotopenentwicklung zur Erklärung von radio- generen Pb-Isotopien in Gesteinen, als es dem Holmes-Houtermans-Modell entspricht. In der Zeichnung ist angenommen, daß sich ein System 1 zwi- schen 4.57 Ga und 2 Ga mit einem µ-Wert von 8 nach dem Holmes-Houter- mans-Modell entwickelt. Durch Teilaufschmelzung spaltet sich daraus ein System 2 mit einem µ-Wert von 12 bzw. 16 ab. Mit diesen Werten wachsen die Pb-Isotopenverhältnisse in den Proben bis heute weiter an. In den Abbildungen 105 und 106 ist ein solches Modell dargestellt, um die Pb-Isotopie von Proben zu erklären, die radiogener sind, als es der Geochrone entspricht. Aufgetragen sind in Abbildung 105 drei Pb–Pb-Entwicklungskurven mit µ = 6, 8 und 10, die dem Holmes- Houtermans-Modell gehorchen. Vor 2 Ga soll die Quelle, die sich bis dahin mit µ = 8 ent- wickelte, eine Teilaufschmelzung erfahren haben. In der Teilschmelze, die in der Kruste kri- stallisiert, soll µ auf 12 bzw. 16 erhöht worden sein. Gesteine dieses neuen Systems hätten dann heute eine 206Pb/204Pb-Isotopie entwickelt, die weit rechts der Geochrone liegt. Abbil- dung 106 zeigt zwei sekundäre Isochronen, eine, für welche die Trennung von U und Pb heute stattgefunden hat, und eine mit einer U–Pb-Trennung vor 1 Ga. Beide Isochronen schneiden die Kurve der Holmes-Houtermans-Entwicklung für µ = 8 in einem Punkt, der die initiale Pb-Isotopenzusammensetzung des Systems angibt. Die Pb-Isotopie ausgewähl-

137 Die U,Th–Pb-Methoden

ter MOR-Basalte streut in einem solchen Pb–Pb-Diagramm um eine Gerade mit einer Stei- gung 0.121, was einem Alter von ≈2 Ga entspricht, wenn die Gerade als sekundäre Isoch- rone und nicht als Mischungslinie interpretiert wird, was genauso möglich wäre[200].

16.0

Modell einer zweistufigen Entwicklung der Pb-Isotope t=0 15.8 μ=16

1Ga μ=12 t= 0 15.6 Pb

204 RB-Feld 1Ga MO Pb/ t=0

207 15.4 1Ga

Holmes- Houtermans- 15.2 Entwicklung mit μ=8

2Ga sekundäre Pb-Pb-Isochronen Geochrone (t=0 Ga) 15.0 14 15 16 17 18 19 20 21 206Pb/204Pb

ABBILDUNG 106 Die Pb-Isotopie von MOR-Basalten läßt sich durch eine mehrstufige Entwick- lung erklären. Dies ist ein Ausschnitt aus Abbildung 105, in den zum Ver- gleich das Feld der MORB eingetragen ist.

Um die Pb-Isotopenzusammensetzung bleiarmer Proben zu messen (z.B. ozeanische Basalte), muß man sehr hohe Vorsichtsmaßnahmen im Labor treffen. Das betrifft sowohl die Probenaufbereitung als auch die chemischen Separationen. Das hat seine Ursache darin, daß Pb ein allgegenwärtiges Element ist. Seit 1923 wird Pb-Tetraethyl als Antiklopf- mittel dem Benzin zugesetzt, und bis 1965 waren dadurch bereits 2.6×106t weltweit in die Atmosphäre geblasen worden, was einer Menge von ≈5mg Pb pro m2 Erdoberfläche ent- spricht. Diese anthropogene Belastung durch das toxische Schwermetall erstreckt sich auf alle Kontinente und die obersten Schichten der Ozeane (bis einige 100m). Es ist u.a. der Beharrlichkeit des schon erwähnten C. Patterson am Caltech zu verdanken, daß in den USA bereits in den 1970er Jahren mit der Einführung von Katalysatoren begonnen wurde, die den Zusatz von Pb zum Benzin überflüssig gemacht haben.

138 A. Radiogene Isotopensysteme

13.0 Die Fission-Track-Methode

Bei Beobachtung einer Mit Neutronen bestrahlten Probe unter dem Elektronenmikroskop beobachteten E.C.H. Silk & R.S. Barnes[201] 1959 Spuren, die durch den Rückstoß der Spalt- kerne entstanden waren. Dabei bewegen sich diese Spaltkerne einige μm durch den Kristall und verursachen Gitterstörungen. P.B. Price & R.M. Walker[202],[203] fanden dann 1962, daß die Spuren durch Ätzung des Materials mit geeigneten Chemikalien soweit vergrößert wer- den können, daß sie unter dem Lichtmikroskop als Kanäle sichtbar werden. Price & Walker beobachteten solche „Fission-Tracks“ auch in natürlichem Glimmer und erkannten, daß diese Spuren fast ausschließlich durch die Spontanspaltung von 238U entstehen. Dabei wer- den pro U-Atom Energien von ≈200 MeV frei, von denen sich ein beträchtlicher Teil auf die beiden Spaltproduktkerne verteilt, die infolge ihres Rückstoßes Gitterdefekte von ca. 10μm Länge erzeugen. Price & Walker (1963) berichteten, daß man auf Grund der Dichte der Spaltspuren in einem Material dessen Alter bestimmen kann, wenn man zusätzlich den U- Gehalt mißt[204]. Dieser Vorschlag wurde sofort aufgegriffen und hat zur Entwicklung der Spaltspurenmethode als Verfahren der Altersbestimmung geführt. Sie hat ihre Stärken v.a. in der Meteoritik und bei der Altersbestimmung von Mondproben gezeigt, ist aber auch für einige Fragestellungen zur Datierung irdischer Gesteine geeignet. 238U erleidet außer dem α-Zerfall noch eine Spontanspal- tung, für welche die Zerfallskonstante an Hand von Proben bekannten Alters (Minerale, künstliche U-haltige Gläser) bestimmt wurde. Als bester Wert gilt heute λ f =(8.46±0.06) ×10-17a-1. Sie ist ver- nachlässigbar klein gegenüber der α-Zer- fallskonstanten des 238 λ λ ≈ × -7 U ( f/ a 5 10 ). Auch 235U und 232 Th erleiden eine Spon- tanspaltung; außer- dem können sie Neu- tronen einfangen, die bei der Spontan- ABBILDUNG 107 Spaltspuren in Titanit aus einem Syenit aus Burundi. spaltung des 238U frei Die Ätzung erfolgte 15 Minuten bei 25°C in einer Mischung aus HF, werden. Alle diese HCl, HNO3 und H2O. Die schräg von oben nach unten verlaufende Li- Beiträge sind jedoch nie ist eine Zwillingsgrenze. gegenüber der 238U- Spontanspaltung völlig vernachlässigbar (falls es sich nicht gerade um ein U-Erz handelt); und man kann daher, zumindest in irdischen Proben, alle Spaltspuren dem Spontanzerfall des 238U zuordnen. Das Fission-Track-Alter einer Probe läßt sich folgendermaßen bestimmen: Man zerschnei- det oder zersägt das Material und legt damit eine innere Oberfläche im Zentrum des Mine- rals oder Glases frei, in der sich Spaltspuren finden sollten, die durch 238U-Zerfall innerhalb eines kleinen Volumens symmetrisch in beiden Seiten der Schnittfläche entstanden sind (4π-Geometrie). Eine der Schnittflächen wird poliert; kleine Proben können z.B. in Epoxy-

139 Die Fission-Track-Methode

Harz eingebettet und dann heruntergeschliffen werden. Dann erfolgt die Ätzung, bei Apa- [211] tit z.B. mit HNO3, bei Titanit (siehe Abbildung 107 ) mit HF, bei Zirkon mit NaOH. Nun wird auf der geätzten Fläche eine statistisch ausreichende Zahl von Spaltspuren auf einer bestimmten Fläche ausgezählt. Schließlich mißt man noch die U-Konzentration mit einer geeigneten Methode, z.B. nach einer Reaktorbestrahlung oder mit einem mikroanalyti- schen Verfahren wie Ionensonde oder Laserablations-ICP-MS. Beim erstgenannten Verfah- ren erleidet das 235U eine Spaltung durch Neutroneneinfang und erzeugt seinerseits Tracks, die ausgezählt werden können. Will man dessen Spaltspuren ebenfalls im Mineral oder Glas messen, müssen die 238U-Spuren durch Erhitzen und Tempern des Materials vor der Reaktorbestrahlung durch Verheilen entfernt werden. Sonst wäre eine Unterscheidung zwi- schen 238U- und 235U-Fission-Tracks nicht möglich. Nach der Reaktorbestrahlung wird die Probe dann weiter abgeschliffen und eine neue Oberfläche poliert, auf der die induzierten Spaltspuren ausgezählt werden. Eine Alternative ist, daß man die polierte Oberfläche des untersuchten Materials mit einer empfindlichen Folie abdeckt (U-freier Muskovit oder Kunststoff) und dann im Reaktor bestrahlt. Die Folie dient dabei als externer Monitor , in der Tracks erzeugt werden, die sich anschließend auszählen lassen. Diese Tracks stammen jedoch nur aus der Spaltung des 235U, das sich an und nahe der Oberfläche des zu untersu- chenden Materials befindet, also nur auf einer Seite (2π-Geometrie). Dafür ist eine Korrek- tur mit Hilfe eines Geometriefaktors vorzunehmen. Die Berechnung des Alters der Probe kann jetzt folgendermaßen erfolgen: Die Anzahl der Zerfälle D von 238U (betrachtet wird also nur der Zerfall von U, nicht die Bildung des stabi- len Endprodukts Pb) in einem cm3 Probenvolumen innerhalb einer Zeit t ergibt sich aus der bekannten Zerfallsgleichung zu:

238 λα t DUe=−()1 [GL 139]

wobei 238U die Anzahl der heute noch vorhandenen Atome pro cm3 Probe ist. Der Zerfall durch Spontanspaltung kann in Relation zum α-Zerfall vernachlässigt werden. Der Anteil 238 fs von U, der durch Spontanspaltung zerfällt, ergibt sich durch Multiplikation von D mit λ λ dem Verhältnis f/ α:

λ λ =−f 238 α t fUes ()1 [GL 140] λα Ein kleiner Anteil ϕ der Spuren wird die polierte Oberfläche kreuzen und kann ausgezählt werden. Die Flächendichte (Tracks pro cm2) der durch die Spontanspaltung hervorgerufe- nen Spuren auf dieser Oberfläche ist dann gegeben durch:

λ ρϕλλ== 238 α t − ϕ ssfUe() fα ()1 [GL 141]

235 Eine ähnliche Betrachtung ist noch für das U anzustellen. Die Anzahl fi der durch die Neutronenbestrahlung im Reaktor verursachten 235U-Spaltungen je cm3 Probe ergibt sich zu:

235 σ Φ fi = U [GL 142] wobei 235U die heutige Anzahl der Atome je cm3 Probe ist, σ ist der Spaltwirkungsquer- schnitt des 235U für thermische Neutronen (580.2 barn); und Φ ist die Neutronendosis, wel- che die Probe je cm2 erhält. Der Anteil der entstandenen Spuren, die eine neue dur ch Abschleifen freizulegende Materialoberfläche kreuzen, ergibt sich durch Multiplikation von GL 142 mit demselben Faktor ϕ wie in GL 141:

ρϕ==235 σϕΦ iifU [GL 143] Durch Division von GL 141 und GL 143 läßt sich der Faktor ϕ eliminieren:

140 A. Radiogene Isotopensysteme

λ λ 238 ()α t − ρ f U e 1 s = [GL 144] ρ λσ235 Φ i α U Dies, nach t aufgelöst, ergibt:

⎛ 235 ⎞ 1 ρ λα U t =××+ln ⎜ s σ Φ 1⎟ [GL 145] λ ρ λ 238 α ⎝ if U ⎠ λ × -10 -1 λ × -17 -1 σ 235 238 wobei α = 1.55125 10 a , f = (8.46±0.06) 10 a , = 580.2 barn und U/ U= 1/ 137.88. Die Neutronendosis Φ wird mit Hilfe eines Flußmonitors (z.B. Metallfolie aus Co ρ ρ ρ ρ ≈ oder Au) bestimmt. s und i werden ausgezählt. Wünschenswert ist ein Verhältnis s/ i 1, was sich durch Variation der Neutronendosis F erreichen läßt. t ist ein Alter unter den Voraussetzungen, daß a) die Spaltspuren des 238U seit ihrer Bildung stabil geblieben, d.h. nicht partiell ausgeheilt sind; b) die untersuchten Minerale oder Gläser genügend klar und einschlußfrei sind, um ein sicheres Auszählen der Spuren zu erlauben; c) das U in den Materialien völlig homogen verteilt ist; d) sich das Ätzverfahren genau reproduzieren läßt zum Auszählen der Tracks von 238U und 235U; nur wenn c) und d) gegeben sind, ist der Faktor ϕ in GL 141 und GL 145 identisch; e) die U-Konzentration in den Mineralen oder Gläsern hoch genug ist, um eine statistisch signifikante Anzahl von Spaltspuren auszuzählen. In Anbetracht der vielen Variablen, die in GL 145 eingehen, ist es nicht verwunderlich, daß Alter, die auf diese Weise erhalten werden, eine Genauigkeit von nur ±5 – ±10% haben. Am Φ λ schwierigsten ist die Neutronendosis zu bestimmen, aber selbst f ist wesentlich schlech- [215],[216] ter bekannt als λα. Nach einem Vorschlag von Hurford & Green (1982+1983) benutzt man daher heute oft Mineralstandards, die man zusammen mit der Probe im Reaktor bestrahlt. Das Alter der Mineralstandards muß durch andere Methoden gut bekannt sein. Außerdem muß gewährleistet sein, daß die Gesteine, aus dem diese Mineralstandards stam- men, sehr rasch abgekühlt ist und später nie wieder über die Ausheiltemperaturen der Spaltspuren aufgeheizt wurde. Diese Voraussetzungen werden nur durch Vulkanite erfüllt, und es sind hauptsächlich Zirkone, die infolge ihrer relativ hohen Temperatur für die Aus- heilung der Spuren als Standards Verwendung finden. Bei diesem Verfahren wird aus GL 145 ein sogenannter ζ-Parameter mit Hilfe der Standards herausgelöst, der die am schlech- testen absolut bestimmbaren sowie konstante Größen beinhaltet:

σ Φ 235U ζ = [GL 146] λ 238 f U Aus GL 145 wird damit:

1 ⎛ ρ ⎞ t =+ln s λζ 1 [GL 147] λ ⎝⎜ ρ α ⎠⎟ α i λ ζ Insbesondere ist diese Gleichung unabhängig von f, das nicht sehr genau bekannt ist. wird mit Hilfe des Standards bestimmt, d.h. bei jeder Reaktorbestrahlung werden Standards zusammen mit den Proben unbekannten Alters bestrahlt und ζ nach GL 144 errechnet:

141 Die Fission-Track-Methode

λ e α t − 1 ⎛ ρ ⎞ ζ = ⎜ i ⎟ [GL 148] λα ⎝ ρ ⎠ s Standard worin t das bekannte Alter des Standards ist. Diesen Wert für ζ setzt man dann in GL 147 ein, um das unbekannte Alter der Proben zu ermitteln. Diese Prozedur erinnert stark an das bei der 40Ar/39Ar-Analyse angewandte Verfahren. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, daß die Homogenität der verfügbaren Mineralstandards naturgemäß nicht gewährleistet werden kann; auch sind solche Minerale nur in geringen Mengen verfügbar. Alternativ werden daher synthetische U-haltige Gläser als Standards verwandt.

Mit der Fission-Track-Me- 500400 300 200 100 50 °C thode können also geologi- 1000000 sche Alter bestimmt werden, genauso wie mit anderen ra- diometrischen Verfahren. Titanit Apatit Beim Vergleich der Fission- 10000 Track-Alter mit z.B. K–Ar-, Rb– Sr- oder Sm–Nd-Altern wird 0% 0% besonders augenfällig, daß Al- 100 100% 100% ter nicht gleich Alter ist. Bei Metamorphiten und Plutoni- ten sind die Spaltspurenalter stets erheblich jünger als die 1

der anderen Methoden. Das Jahre liegt daran, daß die Fission- Tracks in den meisten Minera- 0.01 len im Lauf geologischer Zeit bereits bei sehr niedrigen Temperaturen kürzer werden und schließlich verschwinden 0.0001 – die Fission-Track-Uhr wird auf Null zurückgestellt. Die Geschwindigkeit, mit der 0.000001 diese Gitterdefekte bei gege- 1 1.5 2 2.5 3 3.5 bener Temperatur ausheilen, 1000/T [K] variiert von Mineral zu Mine- ral, so daß verschiedene Mi- nerale aus einem Metamor- ABBILDUNG 108 Ausheilung von Fission Tracks in Apatit und phit oder Plutonit völlig Titanit. Gezeigt sind Ausheilkurven (durchgezogene Teile: ge- verschiedene Fission-Track- messen, gestrichelt: extrapoliert), oberhalb (hinsichtlich der Alter haben können. Es Temperatur) derer 100% der Spuren ausheilen bzw. unterhalb kommt noch hinzu, daß die derer alle Spuren erhalten bleiben. So heilen z.B. alle Tracks in Geschwindigkeit des Aushei- Apatit schon aus, wenn dieses Mineral 1Ma auf Temperaturen ≈ lens der Spuren von ihrer kri- oberhalb 175°C erhitzt wird, während beim Titanit dafür stallographischen Orientie- schon mehr als 400°C erforderlich sind. rung im Kristall abhängen kann. So heilen in Apatit die Spuren senkrecht der c-Achse rascher aus als parallel dazu[217],[218],[219]. Auch die chemische Zusammensetzung der Minerale kann einen Einfl uß ausüben. In Fluorapatit heilen die Spuren rascher aus als in Chlorapatit, was durchaus ei- nige Zehner Grade ausmachen kann[220]. Wenn man die Ausheiltemperaturen für verschiedene Minerale bei verschiedenen Abkühlgeschwindigkeiten kennt, läßt sich damit etwas über die Abkühlgeschichte eines Gesteinskomplexes ablesen. Als thermisch aktivierter Prozeß kann man die Gitteraushei- lung durch eine Art von Arrhenius-Gleichung beschreiben:

142 A. Radiogene Isotopensysteme

UkT tAe= [GL 149] wobei t die Ausheilzeit ist, A eine Konstante, U die Aktivierungsenergie [z.B. in eV], k die Boltzmann-Konstante [8.6171 × 10-5 eV/Kelvin] und T die absolute Temperatur. In logarith- mierter Form

ln(t) = ln(A) + U/kT [GL 150] ist dies die Gleichung einer Geraden, 400 wenn man ln(t) gegen 1/T aufträgt. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 350 108 für Apatit und Titanit gezeigt. Titanit 6 Wird Titanit demnach für 10 a auf Granat ]

250°C aufgeheizt, so überleben die C 300 ° Fission Tracks alle noch; bei Aufhei- Epidot Zirkon Epidot ≈ zung auf 420°C sind jedoch alle 250 Tracks in derselben Zeit verschwun- Titanit den. Für Apatit liegen die entspre- Allanit chenden Temperaturmarken erheb- 200 Allanit lich niedriger, nämlich bei ≈50 bzw . Muskovit gut 150°C. Die Spaltspuren in Titani- [ ungstemperatur 150 ß

ten können also eine niedriggradige e Hornblende Phlogopit i Metamorphose in Grünschiefer- patit 100 A fazies noch überleben, während die Schl Tracks im Apatit schon bei der Dia- Biotit genese ausheilen bzw. das End- 50 stadium der Abkühlung nach einer Metamorphose markieren. 0 Ähnlich wie bei anderen radiogenen 0.1 1 10 100 Isotopensystemen kann man auch Abkühlgeschwindigkeit [°C/Ma] bei der Fission-Track-Methode von einer Schließungstemperatur reden, ABBILDUNG 109 Abhängigkeit der „Schließungstem- die wiederum von der Abkühlge- peratur“ (Erhaltung von 100% aller Tracks) von der Ab- schwindigkeit eines Gesteinskom- kühlrate für verschiedene Minerale. Für einige Minerale plexes abhängt. Auch dabei wird das existieren sehr unterschiedliche Daten von diversen sehr unterschiedliche Ausheilver- Autoren, vornehmlich wohl, weil unterschiedliche Ätz- mögen der Tracks in verschiedenen verfahren angewendet wurden, mit denen teilweise Mineralen deutlich. Leider sind, wie verheilte Spuren sichtbar gemacht werden können Abbildung 109 zeigt, die Literaturda- oder nicht. ten nicht immer konsistent. Das mag daran liegen, daß zur Bestimmung dieser auf experimentellen Daten beruhenden Kur- ven unterschiedliche Verfahren angewandt wurden, um die Tracks anzuätzen und so die Ausheilrate zu messen. Außerdem stellen diese Daten natürlich Extrapolationen der Labor- daten auf die Abkühlgeschwindigkeiten in der Natur dar. Die Abbildung zeigt auf jeden Fall, daß Titanit, Zirkon, Granat und Epidot hohe Ausheiltemperaturen für die Spaltspuren haben, Apatit und Biotit außerordentlich niedrige. Systematische Untersuchungen an natürlichem Zirkon[221] erweisen die Spaltspuren sogar als noch stabiler als zuvor geglaubt, nämlich bis ca. 350 °C. Diese Schließungstemperaturen können, zusammen mit entsprechenden Daten für andere Isotopensysteme und Abschätzungen geothermischer Gradienten, verwandt werden, um die Heraushebungsgeschwindigkeiten von Gesteinskomplexen nach tektonischen Ereig- nissen und Metamorphosen zu rekonstruieren. So wurde z.B. für das Gotthardt-Massif in den Alpen eine durchschnittliche Heraushebung um ≈500m pro 106a für die letzten ≈10 Ma errechnet[222], für die Nanga Parbat-Region im Himalaya um ≈800m pro 106a[223] , für die Walliser Alpen um 400 – 700m je 106a[224].

143 Die Fission-Track-Methode

Generell läßt sich feststellen, daß die Fission-Track-Methode (neben der hier nicht näher erläuterten (U,Th)–He-Methode) die letzten Punkte auf der Abkühlkurve eines Gesteins- komplexes definiert. Geologische Ereignisse, also z.B. der Höchststand einer Metamor- phose oder die Kristallisation eines Magmatits, können auf diese Weise nicht bestimmt werden mit der Ausnahme der Erstarrung von Vulkaniten. Der praktische Nutzen der Methode für die Geowissenschaften liegt daher – wie schon erwähnt – nicht in der Bestim- mung exakter Alter, sondern in der Rekonstruktion langsamer Vorgänge nahe der Erdober- fläche; rasche Phasen von Heraushebung lassen sich allerdings aus Tiefenprofilen ableiten. Sinnvoll ist auch die Kombination mit anderen Methoden, bei denen die Minerale eben- falls niedrige Schließungstemperaturen aufweisen, z.B. (U–Th)/He[205],[206],[207], 40Ar/ 39Ar[208],[209]). Als Oberbegriff für solche Methoden wurde derjenige der Thermochronologie eingeführt; der Begriff bedeutet, daß es hier um die Kombination von Temperaturen und Altern geht und damit um Geschwindigkeiten von Exhumierung von Krustensegmenten und Abtragung an der Erdoberfläche.

TABELLE 12: Häufig verwendete Thermochronometer[210] Reproduzierbar- Schließungstem- Aktivierungsener- Zerfallssystem Mineral keit (%, 1σ) peratur (°C) gie (kJ/mol) (U,Th)–Pb Zirkon 1–2 >900 °C 550 Titanit 1–2 550–650 330 Monazit 1–2 ≈700 590 Apatit 1–2 425–500 230 40Ar/39Ar Hornblende 1 400–600 270 Biotit 1–2 350–400 210 Muskovit 1–2 300–350 180 Kalifeldspat 1–2 150–350 170–210 Fission Tracks Titanit 6 240–300, 380–420 440–480 Zirkon, nicht geschädigt 6 330–350 300–350 Zirkon, natürlich 6 230 210 Apatit 8 90–120 190 (U,Th)–He Titanit 3–4 160–220 170–210 Zirkon 3–4 160–200 170 Apatit 3–4 55–80 140

144 A. Radiogene Isotopensysteme

Abbildung 110 zeigt die Alter [Ma] Altersverteilung in der 10 20 30 40 50 60 70 80 Vorbohrung des Konti- nentalen Tiefbohrpro- gramms in der Ober- [211],[212] pfalz . Danach 500 hat die Auswertung der Längen der Spaltspuren 0.3mm/a in Apatiten, kombiniert 1000 mit ihrer Konzentration, ergeben, daß die Alters- daten der obersten ca. 1500 2000 m des Profils als Abkühlung innerhalb der letzten ≈65 Ma mit 2000 60°C

einer Heraushebungsrate [m] Tiefe von etwa 300 m pro Ma gedeutet werden kön- 2500 nen. Der steile Abfall der Alter unterhalb 2000 m Tiefe ist auf eine teil- 3000 weise Ausheilung der Spaltspuren oberhalb 100°C ≈60 °C der „Schließungs- 3500 temperatur“ des Apatits zu deuten. An der Basis des Bohrkerns der Vor- 4000 bohrung bei knapp 4000 m liegt das Spalt- ABBILDUNG 110 Fission-Track-Alter in Gesteinen der Vorbohrung spurenalter bei nur noch der KTB etwa 6 Ma! Für die gesamte Tiefe der Hauptbohrung der KTB liegen Spaltspurenalter von Titanit[213] und (U,Th)–He-Alter von Zirkon vor[214] (Abbildung 111). Es ist zu erkennen, daß die Zir- kon- und Apatitalter in den obersten ≈5000 m konstant sind und oberkretazische bzw. tria- dische Alter angeben. Das wird von den Autoren als Hinweis auf rasche Heraushebung zu diesen Zeiten bzw. kurz vorher interpretiert, da andernfalls die Alter mit abnehmender Tiefe kontinuierlich steigen sollten, da die Temperaturen in diesem Bereich unterhalb der Schließungstemperaturen liegen. Die (U,Th)–He-Alter für Zirkon gehen bei einer Tempera- tur von ca. 200 °C auf 0 zurück, in Übereinstimmung mit den Angaben in Tabelle 12. Ein Anstieg der Spaltspurenalter für Titanit unterhalb von ≈6500 m wird der Störungszone der Fränkischen Linie zugeschrieben, in deren Bereich die Bohrung in dieser Tiefe vordrang. Selbst an der Basis der Bohrung, entsprechend einer Temperatur von 265 °C, sind die Tita- nitalter noch nicht auf 0 zurückgegangen, was anzeigt, dass diese Temperatur noch deut- lich unterhalb der Schließungstemperatur liegt. Die mittlere Länge der Spaltspuren beträgt in den Proben aus der größten Tiefe immer noch 11.1 μm im Vergleich zu 12.8 μm für die durch Reaktorbestrahlung induzierten Spuren; das läßt darauf schließen, daß auch das Temperaturintervall, innerhalb dessen die Spaltspuren allmählich ausheilen, noch nicht erreicht war.

145 Die Fission-Track-Methode

0

Spaltspuren 20 1000 Apatit 40

60 2000

80 3000

100 ] C ° ] 4000 120

140 efe [m i 5000 T 160 Temperatur [ 6000 180

Störungszone der 200 7000 Fränkischen Linie (U,Th)/He Zirkon 220

8000 240 Spaltspuren Titanit 260 9000 0 50 100 150 200 250 Alter [Ma]

ABBILDUNG 111 Spaltspurenalter für Apatit der KTB-Vorbohrung (entsprechend Abbildung 110[211],[212]) sowie Spaltspurenalter für Titanit[213] und (U,Th)–He-Alter für Zirkon[214] aus Proben der KTB-Hauptbohrung

146 A. Radiogene Isotopensysteme

14.0 Die Ungleichgewichtsmethoden

Beim Zerfall von U und Th in Pb tritt eine ganze Reihe von Zerfallsprodukten auf, die Nuklide anderer Elemente sind. Wenn die Systeme geschlossen sind, stellt sich nach eini- gen Halbwertszeiten des längstlebigen Zwischenprodukts das sogenannte „säkulare Gleich- λ gewicht“ in, bei dem die Aktivitäten Ai = iNi aller Nuklide gleich sind. Im festen Zustand und bei niedrigen Temperaturen sind die Voraussetzungen für geschlossene Systeme sicherlich in der Regel erfüllt. Wenn sich Th und U und ihre Folgeprodukte jedoch in Lösung befinden, kann es wegen der unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der Zer- fallsprodukte zu Fraktionierungen kommen, vor allem natürlich dann, wenn die Halb- wertszeiten der Zwischenprodukte mindestens im Bereich der Dauer der (geo)chemischen Prozesse liegen, denen sie unterworfen sind. Das sind in den drei natürlichen Zerfalls- reihen nur vier Isotope, die in der Tabelle aufgeführt sind. Drei dieser Isotope kommen in der 238U-Zerfallsreihe vor, eines in der 235U-Reihe, keines in der Th-Reihe. In die Tabelle wurde noch das 210Pb aufgenommen, das infolge seiner niedrigen Halbwertszeit Anwen- dungen bei der Datierung von Schnee und Eis sowie von rezenten Sedimentablagerungen findet. Die für die Geochemie wichtigsten der Ungleichgewichtsdatierungen beruhen auf der Trennung von U und Th in der Natur. Diese Methoden werden vorwiegend bei der Datierung von chemischen (Karbonaten), seltener von klastischen Sedimenten angewandt und als Tracer für die Aufklärung von Magmenbildungsprozessen. Ein Überblick über die Anwendung der Ungleichgewichtsmethoden findet sich in [225]. Die Lebensdauer der Ungleichgewichte beschränkt die Einsetzbarkeit der Verfahren auf das Quartär, einen Zeitbereich also, in dem die meisten anderen Isotopenmethoden (Rb–Sr , Sm–Nd, U,Th–Pb) versagen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ungleichgewichts- methoden ist, daß ein ehemals bestehendes Ungleichgewicht in einer flüssigen (wäßrige Lösungen) oder Schmelzphase bei der Bildung von Gesteinen und Mineralen in diese über- nommen wurde und sich anschließend im nun geschlossenen System in Richtung auf ein neues säkulares Gleichgewicht zu entwickeln begann.

Nuklid Halbwertszeit [a] [a-1] 234U[226] (2.4525±0.0049)×105 2.826×10-6 230Th[226] (7.569±0.023)×104 9.158×10-6 226Ra[225] 1599±4 4.335×10-4 231Pa[225] (3.276±0.022)×104 2.116×10-5 210Pb[225] 22.6±0.1 3.07×10-2

Durch Kernwaffenversuche und die Tschernobyl-Katastrophe in die Umwelt gelangt, sind die Radionuklide 90Sr (Halbwertszeit 28.64a) und 137Cs (Halbwertszeit 30.17a), die mit hohen Isobarenausbeuten von rund 6% bei der Spaltung von 235U mit thermischen Neu- tronen entstehen und selektiv in der Biosphäre angereichert werden, indem sich Cs ähn- lich wie K und Sr ähnlich wie Ca verhält. Auf Lebewesen üben sie durch hochenergetische ß--Zerfälle eine gewebeschädigende Wirkung aus. In den Umweltwissenschaften liefern sie Zeitmarker für den Beginn des Atomzeitalters. Zudem lassen sich über ihre Ausbreitung die atmosphärische und marine Zirkulation verfolgen. Für die Datierung mittels der Ungleichgewichtsmethoden bedarf es im Prinzip keines Mas- senspektrometers. Man begnügte sich lange mit der Messung der Aktivitäten mit einem α- Detektor. Die quantitative Messung von α-Strahlung ist allerdings infolge der extremen Absorptionseffekte nicht einfach (α-Strahlen werden bereits durch ein Blatt Papier quanti- tativ absorbiert.). Zudem sind die Zählraten durchweg niedrig, was lange Meßzeiten erfor- dert. Das führt dazu, daß die Meßdaten mit größeren statistischen Fehlern behaftet sind als massenspektrometrische Daten. Seit den späten 1980er Jahren werden Datierungen mittels der Ungleichgewichtsmethoden zunehmend mit Massenspektrometern (TIMS und ICP- MS) durchgeführt[227]; diese Technik dominiert seit Mitte der 1990er Jahre und hat die α-

147 Die Ungleichgewichtsmethoden

Spektroskopie im neuen Jahrhundert völlständig abgelöst. Eine Problem bei der Massen- spektrometrie besteht darin, daß man sehr große Isotopenverhältnisse bestimmen muß. Z.B. entspricht einem 230Th/238U-Aktivitätsverhältnis von 1 ein Isotopenverhältnis von λ λ ⇒ 230 238 × -10 -1 × -6 -1 × -5 1N1 = 2N2 Th/ U = [1.55125 10 a /9.158 10 a ] = 1.7 10 , was eine Messung mit verschiedenen Detektoren nötig macht (Faraday für intensive Signale, Photomultiplier als Ionenzähler für kleine Signale; dabei ist die Linearität des Multipliers kritisch – dies ist die Proportionalität zwischen der Anzahl an Ionen, die auf den Detektor treffen, zur Anzahl an registrierten Ionen). Die Verwendung eines Spikes, z.B. von 229Th (Halbwertszeit 7880a) für die 230Th–238U-Ungleichgewichtsbestimmung kann evtl. das Problem entschär- fen. Darüber hinaus kann man sich zunutze machen, daß das Verhältnis 235U/238U kon- stant ist (heute 1/137.88), so daß die Analyse von238U durch diejenige von 235U ersetzt wer- den kann[227]. Andererseits weisen die α-spektrometrischen Analysen eine Ungenauigkeit von immerhin einigen Prozent auf. Die massenspektrometrische Analyse hat gegenüber der α-Spektrometrie eine Steigerung in der Präzision (Reproduzierbarkeit) der Analyse um etwa eine Zehnerpotenz gebracht (auf ±1–2‰[229]) bei einer ebenfalls ca. zehnfachen Redu- zierung der Probenmengen. Mit Hilfe der Datierung von Korallen und Höhlensintern hat man auf diese Weise die Klimageschichte des Tertiärs wesentlich besser auflösen können, als dies zuvor der Fall war[228]. Eine Gegenüberstellung der Genauigkeiten von massenspek- trometrischen und α-spektrometrischen Analysen ist in [230] zu finden. Die folgende Darstellung ist weitgehend auf die α-spektrometrischen Methoden beschränkt; die praktische Durchführung einer solchen Datierung durch eine der Ungleichgewichtsmethoden gestaltet sich dabei kurz folgendermaßen[231]: • Die zu untersuchende Probe wird in geeigneter Weise aufgeschlossen. • Um die chemische Ausbeute des Trennverfahrens kontrollieren zu können, werden der Lösung Isotopenspikes zugefügt, bei der Datierung nach dem 230Th/234U-Verfahren z.B. Spikes von 232U und 228Th. • Mit Ionenaustausch- und Extraktionsverfahren werden U einerseits und Th andererseits chemisch so rein wie möglich abgetrennt. • U und Th werden dann separat auf Edelstahlscheiben elektrolytisch abgeschieden; die chemischen Ausbeuten dieses Trennverfahrens liegen für U zwischen 50 – 80%, für Th bei ≈30 – 60%. • Die Messung wird mit einem α-Spektrometer vorgenommen, das ähnlich aufgebaut ist wie ein γ-Meßplatz. Als Detektor wird ein Silizium-Oberflächengrenzschichtzähler ver- wandt; das ist eine dünne Scheibe eines N-dotierten (elektronenverarmten) hochohmi- gen Reinstsiliziumkristalls, auf der auf der Oberseite eine äußerst dünne Au-Schicht aufgedampft wurde, auf der Rückseite eine Al-Schicht. Da ein Teil der Elektronen aus dem Au in das Si wandert, bildet sich an der Kontaktfläche beider Elemente ein geringes Potential aus, das der Sperrschicht einer Diode entspricht. Die Schichtdicke dieser Ober- flächensperrschicht läßt sich erheblich vergrößern, wenn man an die Au-Schicht ein ne- gatives Potential anlegt. Die mit Al bedampfte Rückseite des Detektors liegt an Masse. Ein α-Teilchen, das in die Oberflächensperrschicht eintritt, verliert seine Energie vor- wiegend durch Ionisation des Siliziums, also durch Erzeugung von Elektronen und Elek- tronenlöchern. Bei Raumtemperatur sind zur Erzeugung eines Elektronen/ Elektronenloch-Paares im Si 3.62eV nötig, so daß pro α-Teilchen von 4 – 4.5MeV Ener- gie ≈106 Elektronen/Loch-Paare gebildet werden. Die Messung muß natürlich im Vakuum erfolgen, da die α-Teilchen in Luft sehr rasch gebremst würden. Abbildung 112 zeigt Beispiele für α-Spektren von U und Th. Infolge der chemischen Rein- heit der Fraktionen können die für die Altersbestimmung nötigen Nuklide anhand ihrer α- Maximalenergien leicht identifiziert werden.

148 A. Radiogene Isotopensysteme

14.1 Geschichtliche Anmerkungen

Die Entdeckung des radioaktiven 100 200 300 Kanal Ungleichgewichts zwischen Uran und einem langlebigen Tochterpro- 300 232U dukt in der Natur geht auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, 234U als Joly fand, daß Tiefseesedimente ungewöhnlich hohe Gehalte an 238U 226Ra aufweisen, dessen Ursache spä- 200 ter einem Überschuß an 230 Th („Ionium“) durch dessen „Sedimen-

tation“ am Meeresboden zugeschrie- Impulse ben wurde, ohne daß man diesen rei- nen α-Strahler direkt messen 100 konnte[232]. Dabei zeigte sich auch, daß diese Anomalie auf die oberflä- 224Ra chennahen – also jüngsten – Sedi- mentschichten beschränkt ist und daß bereits in einigen Metern T iefe 0 der Sedimentkerne wieder radioakti- 228Th ves Gleichgewicht zwischen 238 U 230 und Th besteht. Diese frühen Mes- 224Ra sungen von Ra wurden durch Regi- strierung der β– und γ-Strahlung 230Th gemacht. 400 Leistungsfähige α-Spektrometer, mit denen es gelang, das Ionium direkt zu bestimmen, wurden erst in den Impulse 1950er Jahren konstruiert. Dies führte dann rasch zur Entwicklung 200 der Datierung von ozeanischen Sedi- menten nach der Ioniummethode, bei der ein Alter aus dem Überschuß von 230Th über 238U errechnet wird[233]. 0 Komplementär dazu gibt es die Kanal 230Th–238U- und die 230Th–234U-Me- 100 200 300 (Energie) thoden, bei denen das Alter eines Materials aus einem Unterschuß an ABBILDUNG 112 α-Spektrum der U-Isotope (oberes 230Th errechnet wird. Analog funk- Diagramm) bzw. der Th-Isotope (unteres Diagramm) tioniert eine 231Pa–235U-Methode[234] . eines Sinterkalkes aus der Petralona-Höhle in Grie- Sie hat gegenüber den zuvor genann- chenland; Aus 166.3g Sinterkalk wurden U und Th ten den großen Nachteil, daß infolge chemisch abgetrennt und 23.5h bzw. 26.6h mit ei- der geringen Häufigkeit von 235U die nem α-Spektrometer gemessen. Die chemische Aus- Aktivitäten dieser Nuklide wesent- beute der Trennung betrug in beiden Fällen ca. 50%. lich niedriger sind als die von 238 U Das 234U/238U-Aktivitätsverhältnis wurde zu und seinen Zerfallsprodukten. Die 1.134±0.033 bestimmt, das Aktivitätsverhältnis von 210Pb-Methode[235] schließlich eignet 230Th/234U zu 0.930±0.045 und die α-Aktivität von sich wegen der niedrigen Halbwerts- 230Th zu 6.59±0.23 Zerfälle pro Gramm und Stunde zeit von ≈22a nur für die Datierung (umgezeichnet nach Hennig, Diss. Köln 1979) von sehr jungen Prozessen. Im folgenden werden die Methoden im einzelnen besprochen. Eckige Klammern [ ] oder der Buchstabe A mit einer tiefgestellten Zahl kennzeichnen dabei die Aktivitäten der betrachteten Proben.

149 Die Ungleichgewichtsmethoden

14.2 Die 210Pb-Überschußmethode In der 238U-Zerfallsreihe entsteht intermediär das Edelgas 222Rn. Infolge seiner vergleichs- weise langen Halbwertszeit von ≈3.8d entweicht es aus Gesteinen und Gewässern in die Atmosphäre mit einer mittleren Geschwindigkeit von ≈45 Atomen pro Minute und cm2 Landoberfläche. Es zerfällt über eine Serie von kurzlebigen Zwischenprodukten in 210 Pb, das wiederum mit einer mittleren Verweildauer von ≈10d durch Regen und Schnee aus der Atmosphäre ausgeschieden wird und sich dann im Eis von Gletschern, in Seen und den Oberflächenschichten der Ozeane wiederfindet und natürlich auch in lebende Materie ein- gebaut werden kann. Sofern sich in den Materialien, in die es eingebaut wird, kein Uran befindet, klingt es dann mit seiner Halbwertszeit von 22.6a ab und erlaubt die Datierung 0 mancher Materialien, vorausgesetzt die Anfangsaktivität A 210 ist bekannt oder kann aus einer Serie von zusammengehörenden Proben errechnet werden. Da 210Pb nur einen β-Zer- fall (zum 210Bi) mit einer Maximalenergie von 20KeV macht, benutzt man zur Messung die 1.2MeV-Linie von 210Bi. Die Basis der Altersbestimmung nach dieser Methode ist wieder das Zerfallsgesetz, diesmal als Aktivität geschrieben:

=×0 −λt AAe210 210 [GL 151] 210 mit A210 = Aktivität von Pb 1000 0 210Pb-Aktivität in pro Gewichtseinheit und A 210 = Aktivität zur Zeit der Ablage- Schnee der Antarktis rung der Probe. Bei der Datie- rung von Schnee und Eis Base Roi nimmt man an, daß sich im 100 Zeitraum der Anwendbarkeit Baudouin dieser Methode (≈100a) an a = 45±3 cm/Jahr (70°26'S, einem gegebenen Ort die mitt- 24°19'O) lere jährliche Niederschlags- menge nicht geändert hat und 210 der mittlere Eintrag von Pb 10 gleich geblieben ist. Dann läßt Pb-Aktivität [dph/kg] sich in einem Schnee- oder Eis- 210 a = 6±1 cm/Jahr kern der Initialwert A0 210 Südpolstation durch A210 an der Oberfläche des Kerns annähern. Aus der 1 Annahme einer konstanten 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 Niederschlagsrate Tiefe in cm (umgerechnet auf Wasser)

a = h/t [GL 152] ABBILDUNG 113 Aus der Aktivität von 210Pb in Niederschlag (h = Länge des Bohrkerns, läßt sich die Niederschlagsmenge errechnen. h = 0 ist die rezente Oberfläche des Eis- oder Schneekerns; t = Alter) läßt sich GL 151 dann umformulieren zu:

=−0 λ lnAAha210 ln 210 / [GL 153] λ Dies ist eine Geradengleichung in den Koordinaten ln (A210) und h mit der Steigung - /a. Wenn die obigen Voraussetzungen erfüllt sind (Konstanz der Niederschlagsmenge und damit konstante A210-Einbringung ins Eis), werden die Daten für einen Bohrkern tatsäch- 0 lich auf eine Gerade plotten, aus der man dann A210 als Achsenabschnitt für h = 0 und über die Steigung das Alter der jeweiligen Partie des Bohrkerns ermitteln kann. Die 210Pb-

150 A. Radiogene Isotopensysteme

Methode wurde z.B. verwendet, um die mittleren jährlichen Niederschlagsmengen in der Antarktis zu bestimmen. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 113 gezeigt[238]. Basierend auf dem Befund, daß 210Pb aus Süß- und Meerwasser rasch (mit einer mittleren Residenzzeit in der Größenordnung von 1a) durch bio- und geochemische Prozesse ent- fernt wird, hat man auch versucht, rezente Sedimentbildungen mit dieser Methode zu datieren, jedoch zunächst mit relativ bescheidenem Erfolg[235]. Das Problem besteht darin, daß nicht nur 210Pb aus der Atmosphäre in das Wasser eingebracht wird, sondern ein Teil zusätzlich – im Wasser und im Sediment – aus dem Zerfall von 226Ra entsteht. In einer 0 „kogenetischen“ Serie von Sedimenten (gleiches A 210 ) kann dieser Anteil jedoch dur ch Messung von 226Ra ermittelt werden (z.B. [236], [237]). 14.3 Die Ionium-Überschußmethode

Bei den Prozessen der Verwitterung wird das 234 Uran im oxidierenden Milieu in den sechs- 238U U 2.48×105 wertigen Zustand überführt und liegt dann 4.51×109a a 2+ β- meist als Uranylion UO 2 (im Meerwasser 234 wahrscheinlich als Uranylkarbonatkom- Pa 1.18min plex) vor, während Th nur vierwertig in der α β- Natur auftritt. Das hat zur Folge, daß das Th α ziemlich immobil bleibt und rasch wieder - β 234 aus dem Wasser entfernt wird, indem es in Pa sekundäre Minerale eingebaut oder an aut- 6.7h higene Minerale adsorbiert wird. Uran hin- 234Th 230Th gegen gelangt in die Ozeane und bleibt über 24.1d 7.52×104a lange Zeit in gelöster Form. Das drückt sich 5 in seiner langen Residenzzeit von ≈>3×10 a α im Ozeanwasser aus, während die des Thori- ums bei nur ≈300a liegt, d.h. ein Th-Ion wird im Mittel nach 300a aus dem Wasser 226Ra ausgeschieden und in eine feste Phase einge- 1622a baut, ein U-Ion erst nach einigen hundert- - tausend Jahren. Daher ist im Meerwasser 5α, 4β relativ viel U gelöst (≈3ppb) und nur sehr 232 wenig Th (<0.0015ppb), was einem Th/ 206 238U-Verhältnis von ≈0.0005 entspricht, Pb

während das Verhältnis in den Gesteinen 238 der Erdkruste im Durchschnitt bei knapp 4 ABBILDUNG 114 Zerfallsschema von U liegt[58]. Durch den Zerfall von 238U entstehen im Meerwasser die relativ langlebigen Iso- tope 234U und 230Th (Ionium), nach dem in Abbildung 114 gezeigten Schema[239]. Aus dem 230 232 ≈1 Th/ Th-Verhältnis der Ozeane läßt sich abschätzen, daß /4 des Ioniums dem Meer- wasser direkt vom Land über Flüsse zugeleitet wird. Das so entstandene oder eingebrachte Ionium wird dann rasch aus dem Meerwasser entfernt und am Meeresboden in authigene Minerale (Zeolithe, Baryt, nicht aber Calcit) eingebaut oder an Detritus adsorbiert. Seine Aktivität klingt dann mit der Halbwertszeit von ≈75690a ab, vorausgesetzt die Menge des in diese Minerale eingebauten oder adsorbierten Urans ist vernachlässigbar gering. Das Alter der Ablagerung eines marinen Sediments läßt sich mittels des Aktivitätsverhältnisses der Th-Isotope A230/A232 der Mineralneubildungen errechnen. Voraussetzung dafür ist, daß beide Th-Isotope als selbe chemische Spezies im Wasser vorliegen und in gleichen Verhält- nissen in die Minerale eingebaut werden, in denen sie im Wasser vorliegen. Außerdem muß man von einem lokal konstanten 230Th/232Th-Verhältnis des Meerwassers über meh- rere 105a, der Anwendbarkeit des Verfahrens, ausgehen. Schließlich darf das Th im Sedi- ment nicht mobil sein. Davon kann in der Regel ausgegangen werden; es wurde jedoch gefunden, daß das Mutternuklid des Ioniums, 234U, im Sediment unter bestimmten

151 Die Ungleichgewichtsmethoden

Umständen mobil sein kann[240]. Eine Schwierigkeit der analytischen Praxis ist, daß man zwei Th-Komponenten voneinander trennen muß, nämlich den kleinen Teil, der aus dem Meerwasser entfernt wurde und den großen Teil, der im Detritus (Feldspäte, Tonminerale) von den Kontinenten in die Ozeane gelangt ist. Das macht man, indem das Sediment mit heißer HCl behandelt wird in der Hoffnung, so nur das adsorptiv gebundene Th oder Th in Mineralneubildungen herauszulösen[241]; darin liegt sicherlich ein großer Schwachpunkt. Wenn Th, aber kein U aus dem Meerwasser in authigene Minerale eingebaut oder an Detri- tus adsorbiert wird, klingt die Aktivität des Ioniums nach der einfachen Zerfallsgleichung ab:

−λ =×0 230t AAe 230 230 [GL 154] Als Referenzisotop benutzt man bei der Aktivitätsmessung 232Th, das innerhalb der Anwendbarkeit der Ioniumme- thode als stabil angesehen werden kann[242]: A A ⎡ A ⎤ −λ 230 = 230 × 230t

⎢ ⎥ e [GL 155] Th) A A 232 ⎣ 232 ⎦0 232

Ähnlich wie bei einem Eiskern bei der Th/ 210

Pb-Methode sollte man in einem 230 Sedimentkern an der Sedimentoberflä- che das höchste Aktivitätsverhältnis log( messen ([A230/A232]0), das nach der Tiefe zu kontinuierlich abnimmt. Defi- niert man die Sedimentationsge- schwindigkeit a wiederum als a = h/t Tiefe im Bohrkern (h = Tiefe unter der Sediment-Wasser- Grenzfläche), erhält man als Geraden- ABBILDUNG 115 Variabilität der 230Th/232Th-Aktivi- gleichung: tätsverhältnisse mit der Tiefe von Sedimentbohrker- nen. Typ ist das normale Muster, das einer kon- ⎡ A ⎤ ⎡ A ⎤ λh stanten Sedimentationsrate entspricht. Typ ist ein ln⎢ 230 ⎥ = ln ⎢ 230 ⎥ − [GL 156] normales Muster mit einer Änderung der Sedimen- ⎣ A232 ⎦ ⎣ A232 ⎦ a 0 tationsgeschwindigkeit. Das konstante Aktivitätsver- Wenn das hier gemachte einfache hältnis von Typ im oberen Teil des Profils wird Modell gültig ist, sollten die Meß- durch grabende Organismen am Meeresboden er- punkte eines Sedimentkerns in einem zeugt, was eine Durchmischung der oberen cm be- 230 Diagramm ln[A230/A232] – h auf eine wirkt. Typ schließlich zeigt an, daß Th durch Gerade fallen, d.h. ln[A230/A232] linear den Zerfall von U nachgebildet wird, bis sich das ra- mit der Tiefe abnehmen. Das ist nach dioaktive Gleichgewicht der Zerfallskette eingestellt [241] Goldberg & Koide tatsächlich oft hat. der Fall und als Fall in Abbildung 115 gezeigt. Darüber hinaus gibt es jedoch Fälle, in denen genau das gegenteilige Verhalten beobachtet wird (Fall ). Das ist darauf zurückzuführen, daß hier Ionium durch Zerfall aus 234U in den Sedimenten entsteht. GL 154 gilt dann offensichtlich nicht. Die Gesamtaktivität des Ioni- ums in der HCl-lösbaren Form setzt sich dann aus zwei Komponenten zusammen:

total =+unsupported supported AA230 230 A 230 [GL 157]

152 A. Radiogene Isotopensysteme

unsupported Hierin gibt A 230 die Aktivität des überschüssigen Ioniums an, d.h. die nach GL 154 supported 234 berechnete Komponente, und A 230 den Anteil, der in situ aus U entsteht. Die zweite Komponente von GL 157 läßt sich aus einer vereinfachten Bateman*-Gleichung für eine „Dreierkette“ errechnen Aus der allgemeinen Formulierung der Bateman-Gleichungen GL 169, Seite 156 ergibt sich:

−−−λλλ −− λλ =++238ttt 234 230++ 234 tt 230 NCeCeCeCeCe230() 238 234 230() 234 230 Hierin beschreibt der erste Klammerausdruck die Bildung von 230Th aus ursprünglich (t = 0) vorhandenem 238U und den Zerfall des daraus entstandenen 230Th (bis t = heute); der zweite Klammerausdruck beschreibt dementsprechend die Bildung von 230Th aus ursprünglich vorhandenem 234U und den Zerfall des daraus gebildeten 230Th. Durch Einset- zen der Komponenten Ci ergibt sich:

⎡ 0 0 λλN −−λλλλN N = ⎢ 238 234 238 e 238tt+ 238 234 238 e 234 230 λλλλ− − λλλλ− − ⎣⎢()234 238() 230 238 ()238 234() 230 234 0 ⎤ ⎡ 0 0 ⎤ λλN −−λλλ N λ N −λ + 238 234 238 e 230tt⎥ + ⎢ 234 234 e 234 + 234 234 e 230t ⎥ λλλλ− − λλ− λλ− ()238 230() 234 230 ⎦⎥ ⎣⎢()230 234 ()234 230 ⎦⎥

N ersetzt man hier durch A/λ:

⎡ 0 0 λλλA −−λλλλλA A = ⎢ 238 234 230 238 e 238tt+ 238 234 230 238 e 234 230 λλ− λ λ− λ λλ− λ λ− λ ⎣⎢ 238() 234 238() 230 238 238() 238 234() 230 234 0 ⎤ ⎡ 0 0 ⎤ λλλA −λ λλA −−λλλλA + 238 234 230 238 e 230t⎥ + ⎢ 234 230 234 e 234tt+ 234 230 234 e 230 ⎥ λλ− λ λ− λ λ λλλ− λλ− λ 238() 238 230() 234 230 ⎦⎥ ⎣⎢ 234 ()230 234 234() 234 230 ⎦⎥

λ λ 238 bzw. 234 lassen sich kürzen:

⎡ 0 0 λλA −−λλλλA A = ⎢ 234 230 238 e 238tt+ 234 230 238 e 234 230 λλλλ− − λλλλ− − ⎣⎢()234 238() 230 238 ()238 234() 230 234 0 ⎤ ⎡ 0 0 ⎤ λλA −−λλλ A λ A −λ + 234 230 238 e 230tt⎥ + ⎢ 230 234 e 234 + 230 234 e 230t ⎥ λλλλ− − λλ− λλ− ()238 230() 234 230 ⎦⎥ ⎣⎢()230 234 ()234 230 ⎦⎥

Diese Gleichung läßt sich weiter vereinfachen, wenn man bedenkt, daß im Rahmen des λ λ Anwendungsbereiches der Ungleichgewichtsmethoden 238 klein ist gegenüber 234 und λ 230:

⎡ 0 0 λλA −−λλλλA A ≈+⎢ 234 230 238 e 238tt234 230 238 e 234 230 λλ −−λλ λ ⎣⎢ 234 230 234() 230 234 0 ⎤ ⎡ 0 0 ⎤ λλA −−−λλλλ A λ A + 234 230 238 e 230ttt⎥ + ⎢ 230 234 e 234+ 230 234 e 230 ⎥ −−λλ λ λλ− λλ− 230() 234 230 ⎦⎥ ⎣⎢()230 234 ()234 230 ⎦⎥

Daraus ergibt sich durch weiteres Kürzen und Ausklammern:

⎡ ⎤ −−−λλλλ λ λ −− λλ AAe≈−0 ⎢ 238ttt230 e 234− 234 e 230⎥ + A0 230 [] e 234 tt− e 230 230 238 ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ 234 ()λλ− ⎣ 230 234 234 230 ⎦ 230 234

* Harry Bateman (1882 – 1946), englisch-amerikanischer Mathematiker, seit 1917 am California In- stitute of Technology

153 Die Ungleichgewichtsmethoden

−λ λ 238t 238 Da t klein ist gegen 1/ 238, geht e gegen 1; außerdem bleibt die Aktivität von U kon- stant. Damit erhält man:

⎡ λ λ ⎤ λ −λ t −−λ t 0 λλλtt− AA≈−⎢1 230 e234 + 234 eA230 ⎥ + 230 () e234− e 230 [GL 158] 230 238 ()λλ− ()λ − λ 234 ()λλ− ⎣ 230 234 230 234 ⎦ 230 234 Wenn man davon ausgeht, daß sich 234U und 238U im Meerwasser gleich verhalten und in denselben Mengenverhältnissen in die Mineralneubildungen eingebaut werden bzw. an Detritus adsorbiert werden, dann befindet sich 234U an oder in diesen Feststoffen im säku- 238 0 laren Gleichgewicht mit U, d.h. A238 = A 234 . Damit vereinfacht sich die Gleichung wesentlich:

⎡ ⎤ λ −−−−λλλλλ λ λ AAeeee≈−⎢1 230 234tttt+ 234 230+ 230 234− 230 230 ⎥ 230 238 ⎢ ()λλ− ()λλ− ()λλ− ()λλ− ⎥ ⎣ 230 234 230 234 230 234 230 234 ⎦ ⎡ ⎤ λ −−λλλ AA≈+⎢1 234 e230tt− 230 e 230 ⎥ 230 238 ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ ⎣ 230 234 230 234 ⎦

⎡ −λ t ⎤ e 230 AA≈+⎢1 ()λλ− ⎥ 230 238 ⎢ ()λλ− 234 230 ⎥ ⎣ 230 234 ⎦

supported −λ t AAe≈−()1 230 [GL 159] 230 238 Dies, in GL 157 eingesetzt, ergibt:

unsupported −λ AAtotal ≈+− A()1 e230t . 230 230 238 unsupported Der Anteil A 230 entspricht GL 154, und es resultiert:

−−λλ total≈+− unsupported0 230 t 230 t AAeAe230 230 238()1 [GL 160] und bei Normierung auf 232Th:

⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 ⎛ ⎞ A A −−λλttA ⎜ 230 ⎟ ≈ ⎜ 230 ⎟ e 230+ ⎜ 238 ⎟()1 − e 230 [GL 161] ⎝ A ⎠ ⎝ A ⎠ ⎝ A ⎠ 232 total232 unsupported 232 Der erste Term in dieser Gleichung beschreibt das Abklingen des überschüssigen Ioniums im Sediment, der zweite das Anwachsen des Ioniums, das aus dem Zerfall von 234U bzw . letztlich aus 238U resultiert. Je jünger das Sediment, desto größer ist der Beitrag des ersten Terms zur Gesamtaktivität. Sedimente mit einem Alter bis zu einigen 105a lassen sich mit dieser Methode datieren. Die Ionium-Methode hat insbesondere in den 1960er Jahren weite Verbreitung gefunden, um Sedimentationsraten in den Ozeanen zu bestimmen. 14.4 Die 234U-Überschußmethode 238U zerfällt über die beiden kurzlebigen Zwischenprodukte 234Th und 234Pa in 234U. Man sollte erwarten, daß wegen der Kürze dieser Zeit keine Trennung der beiden U-Isotope erfolgt, d.h. daß sie stets im säkularen Gleichgewicht vorliegen. Tatsächlich tritt im sedi- mentären Bildungsbereich häufig eine Trennung auf. Normalerweise ist das Verhältnis A234/A238 von Süß- und Meerwasser sowie von sekundären U-haltigen Mineralen >1. Es muß also bei der Verwitterung von Gesteinen Bedingungen geben, die in der Lage sind, vorzugsweise 234U aus den primären (magmatischen oder metamorphen) Mineralen her-

154 A. Radiogene Isotopensysteme

auszulösen. Zur Erklärung dieses Phänomens gibt es drei durch Experimente erhärtete Modelle, die in Abbildung 116 zusammengestellt sind (nach [231]). Das chemische Modell geht davon aus, daß die primären Minerale Uran in seiner vierwertigen Form enthalten. Beim α-Zerfall erleidet der 234Th-Kern einen Rückstoß, der zu einem teilweisen Abstreifen der Elektronenhülle führt. Dadurch kann es zu einer Oxidation kommen, und nach dem Zerfall von 234Pa liegt das Uran als 234U6+ vor, das durch Wasser bevorzugt aus dem Mineral als Uranylion herausgelöst werden kann[243]. Nach einer zweiten Vorstellung wird das 234Th durch den α-Rückstoß aus dem Kristall herausgeschossen und kann durch zirkulie- rende Wässer als 234Th, 234Pa oder 234U von den Mineraloberflächen gelöst werden[244] . Es versteht sich von selbst, daß dieser Effekt auf Grund der geringen Reichweiten des Rücksto- ßes nur für Mineralpartien sehr nahe der Oberfläche Bedeutung haben kann und demnach für Gesteine mit sehr geringen Korngrößen einen erheblich größeren Beitrag liefern kann als für grobkörnige Gesteine. Das trifft analog für das dritte Modell zu. Danach können durch einen α-Zerfall von 239Pu, das eine unwesentlich höhere Zerfallsenergie hat als 238 U, bis zu 104 Atome aus einem Kristallgitter „herausgesprengt“ und von zirkulierenden Wäs- sern aufgenommen werden[245]. Eine Ätzung der α-Spuren durch Wasser[244] scheint dage- gen keine Rolle zu spielen. Als Konsequenz dieser Effekte gelangt also 234U bevorzugt über 238U ins Wasser der Flüsse und Seen und dann letztlich in die Ozeane. Aus dem Meerwasser wird das Uran wesentlich langsamer entfernt als das Th (siehe voriges Kapitel). Das Uran wird an Detritus adsorbiert und in neue Minerale – vor allem Karbonate – eingebaut. In den Sedimenten klingt dann die überschüssige Aktivität des 234U mit seiner Halbwertszeit von ≈2.45×105a ab, so daß sich bei der Alterung der Sedimente nach einigen 106a wieder radioaktives Gleichgewicht einstellt.

α-Rückstoß in die Lösung aus α- „Rückstoßoxidation“ wäßrige Phase Rückstoßspuren

²³⁸U4+

α ²³⁴U6+

ABBILDUNG 116 Modelle zur Erklärung der Trennung von 234U und 238U

Das Verhältnis A234/A238 kann benutzt werden, um marine Karbonate zu datieren. Süßwas- serkarbonate sind ungeeignet, weil in Süßwasser im Gegensatz zum Meerwasser sehr große lokale Variationen im A234/A238 beobachtet werden; das Aktivitätsverhältnis zur Zeit der Bildung eines Minerals ist daher unbekannt. Probleme bei der Datierung mariner Karbo- nate liegen darin, daß feinkörnige Karbonatschlämme nicht unbedingt geschlossene Systeme darstellen; Schalen von Mollusken können auch nach ihrer Ablagerung Uran mit der Umgebung austauschen[247]. Besser scheinen sich Korallen zu eignen[246]. Die Gesamtaktivität des 234U eines solchen Karbonats setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

total =+supported unsupported AA 234 234 A 234 [GL 162] supported 234 In dieser Gleichung steht A 234 für die Aktivität des U im säkularen Gleichgewicht 238 unsupported mit U, und A234 ist der gemessene überschüssige Anteil, dessen Aktivität natürlich nach dem einfachen Zerfallsgesetz

−λ unsupported = unsupported0 234 t AAe234 234 [GL 163]

155 Die Ungleichgewichtsmethoden

unsupported 0 abklingt. Die initiale Aktivität beim Einbau in das betrachtete Mineral A234 berechnet sich nach:

unsupported0 =− total0 supported 0 AA234 234 A234 [GL 164] wobei wegen der Voraussetzung des säkularen Gleichgewichtes

supported 0 ==supported AA234 234 A238 [GL 165] ist. Mit GL 165 in GL 164 eingesetzt, erhält man:

unsupported0 =− total 0 AAA234 234 238 , und dies in GL 163 eingesetzt ergibt:

unsupported total0 −λ t AAAe=−()234 [GL 166] 234 234 238 Mit GL 165 und GL 166 in GL 162 eingesetzt ergibt sich schließlich:

−λ total=+ total0 − 234 t AA234 238() AAe 234 238 [GL 167]

Schließlich dividiert man beide Seiten noch durch A238 und erhält:

total total 0 − A ()AA234 238 −λ 234 =+1 e 234t A238 A238

total⎛ total 0 ⎞ A A −λ t bzw. 234 =+11⎜ 234 −⎟ e 234 [GL 168] A ⎝ A ⎠ 238 238 Aus der Gleichung liest man ab, daß man zur Datierung nach dieser 234U/238U-Methode die 234 total 0 initiale totale Aktivität von U benötigt bzw. das Verhältnis AA234 238 . Die Grenzen der Anwendbarkeit der Methode liegen mit massenspektrometrischen Analysen bei ≈1 Ma. 14.5 Die 230Th/234U- und 234U/238U-Methoden Verläßlicher als die 234U/238U-Methode der Datierung ist die 230Th/234U-Methode. Die Ionium-Methode gründet sich auf den Aktivitätsüberschuß von 230Th in detritischen Sedi- menten und Mineralneubildungen wie Zeolithen oder Baryt am Meeresboden. Komple- mentär dazu findet man in marinen, aber auch vielen kontinentalen Kalken ein 230Th-Defi- zit. Karbonate, die aus Wasser gefällt werden, sind bei ihrer Bildung oft praktisch frei von 230Th, können jedoch einige ppm U enthalten. Bei ihrer Alterung baut sich dann die Akti- vität von 230Th auf, bis nach wenigen 106a das säkulare Gleichgewicht hergestellt ist. Für Alter bis ≈106a lassen sich dann Karbonate nach der 230Th/234U-Methode datieren. Die zur Altersbestimmung notwendigen Gleichungen lassen sich aus den Bateman-Glei- chungen ableiten, die den radioaktiven Zerfall im Ungleichgewicht beschreiben. Die allge- meine Form der Bateman-Gleichung lautet:

−−λλ − λ =++…+12tt nt NCeCen 12 Cen [GL 169]

0 0 λλ… λ− N λλ… λ− N mit C = 12n 1 1 und C = 12n 1 1 1 λλλλ− − …− λλ 2 λλλλ− − …− λλ ()2131()()n 1 ()1232()()n 2 0 usw. Hierin ist N1 die Zahl der Atome des Ausgangsnuklids der Zerfallskette (in unserem 238 Fall von U) zur Zeit der Bildung des Minerals oder Gesteins. Nn ist das letzte betrachtete Nuklid der Zerfallskette (in unserem Fall 230Th) zur Zeit der Messung, die λ’s sind die ent-

156 A. Radiogene Isotopensysteme sprechenden Zerfallskonstanten und t das Alter des Minerals oder Gesteins. Bei t = 0 sind 0 0 0 238 ⇒ 234 ⇒ 230 N 2 , N 3 , … N n = 0. Für die Zerfallskette von U U Th können die kurzlebigen Zerfallsprodukte 234Th und 234Pa aus der Betrachtung herausgelassen werden, weil ihre Aktivität stets im säkularen Gleichgewicht mit derjenigen von 238U steht. Für die Zahl der zur betrachteten Zeit t vorhandenen Atome von 234U, die aus 238U seit der Bildung des Minerals oder Gesteins entstanden sind, gilt dann:

238 238 λ UU−−λλλ 234 = 238 0 238tt+ 238 0 234 U λλ− eeλλ− [GL 170] 234 238 238 234 und daraus:

238 λ U −−λλ 234 = 238 0 ()238tt− 234 U λλ− ee [GL 171] 234 238 War zur Bildungszeit (t =0) bereits „initiales“ 234U vorhanden, klingt dies nach der gewöhn- lichen Zerfallsgleichung ab:

unsupported −λ 234initial==× 234 unsupported 234 234t UU U0 e [GL 172] und die Gesamtzahl der Atome 234U zur Zeit der Messung ergibt sich aus der Summe der beiden letzten Gleichungen:

234total=+ 234 unsupported 234 supported UU U

⎡ 238 ⎤ unsupported −−−λλλλ U 234total =×() 234 234ttt+ ⎢ 238 0 () 238− 234 ⎥ UU0 eeeλλ− [GL 173] ⎣ 234 238 ⎦ Führt man Aktivitäten A = λN anstelle der Zahlen von Atomen ein, dann wird daraus:

234 total ⎛ 234 unsupported ⎞ ⎡ 238 ⎤ AA −−−λλλA =×0 234ttt+ ⎢ 0 () 238− 234 ⎥ λλ⎜ e ⎟ λλ− ee 234 ⎝ 234 ⎠ ⎣ 234 238 ⎦ λ λ 238 ist klein gegenüber 234 und kann somit entfallen; im Zeitraum der Anwendbarkeit der −λ ≈ 6 238t 0 238 238 Methode ( 10 a) geht e gegen e =1 und A0 = A (konstant):

234 total ⎛ 234 unsupported ⎞ ⎡ 238 ⎤ AA −−λλA ≈×⎜ 0 e 234tt⎟ +−⎢ 0 ()1 e 234 ⎥ λλ⎝ ⎠ ⎣ λ ⎦ 234 234 234

234total 234 unsupported −−λλtt238 AA≈×+×− e234 Ae()1 234 [GL 174] 0 0 Aus GL 169 folgt für die Zahl der zur betrachteten Zeit t vorhandenen Atome von 230Th, die aus 238U seit der Bildung des Minerals oder Gesteins entstanden sind:

238 238 λλ UU−−λλλλ 230 238 234 0 238tt238 234 0 234 Th 238 = ee+ (aus U) ()λλλλ− ()− ()λλλλ− ()− 234 238 230 238 238 234 230 234 [GL 175] 238 λλ U −λ + 238 234 0 e 230t ()λλλλ− ()− 238 230 234 230 daraus:

157 Die Ungleichgewichtsmethoden

−−λλ ⎡ 238tt 234 230 238 ee Th238 = λλ U ⎢ + (aus U) 238 234 0 ()λλλλ− ()− () λλλλ− ()− ⎣⎢ 234 238 230 238 238 234 230 234 [GL 176] −λ e 230t ⎤ + ⎥ ()λλλλ− ()− ⎥ 238 230 234 230 ⎦ Lag zur Zeit der Bildung der Minerale oder Gesteine auch bereits 234U vor, so ergibt sich für dessen Berechnung zur Zeit t eine GL 171 analoge Formel:

234 λ U −−λλ 230 234 = 234 0 ()234tt− 230 Th (aus Uunsupported) λλ− ee [GL 177] 230 234 Lag auch noch eine Anfangsmenge an 230Th vor, so klingt diese nach einer GL 172 analo- gen Formel ab:

unsupported −λ 230unsupported =× 230 230t Th Th0 e [GL 178] Die Gesamtzahl der zur Meßzeit vorhandenen Atome von 230Th erhält man dann aus der Summation von GL 176, GL 177 und GL 178:

230total230 230 230 unsupported Th=++ Th238 Th 234 Th [GL 179] (aus U))(aus U also:

−−λλ ⎡ ee238tt 234 230 Thtotal = λλ 238 U ⎢ + 238 234 0 ()λλλλ− ()− () λλλλ− ()− ⎣⎢ 234 238 230 238 238 234 230 234 [GL 180] −λ 230t ⎤ 234 e λ U −−λλunsupported − λ + ⎥ + 234 0 ()ee234tt− 230+×230Th e 230t ()λλλλ− ()− ⎥ λλ− 0 238 230 234 230 ⎦ 230 234 Auch hier lassen sich wieder die Aktivitäten A = λN einführen:

−−λλ 230 Atotal⎡ ee238 t 234 t = λ 238A ⎢ + λ 234 0 ()λλλλ− ()− () λλλλ− ()− 230 ⎣⎢ 234 238 230 238 238 234 230 234 −λ t ⎤ 234 230 unsupported eA230 −−λλA − λ + ⎥ + 0 ()ee234tt− 230+×0 e 230t ()λλλλ− ()− ⎥ λλ− λ 238 230 234 230 ⎦ 230 234 230 λ und durch Multiplikation mit 230:

−−λλ ⎡ ee238tt 234 230 AAtotal = λλ 238 ⎢ + 230 234 0 ()λλλλ− ()− () λλλλ− ()− ⎣⎢ 234 238 230 238 238 234 230 234 −λ . 230t ⎤ 234 eAλ −−λλunsupported − λ + ⎥ + 230 0 ()ee234tt− 230+×230 A e 230t ()λλλλ− ()− ⎥ λλ− 0 238 230 234 230 ⎦ 230 234 Auch in diesem Fall lassen sich wieder Vereinfachungen vornehmen, weil λ <<λ , λ −λ 238 234 230 sowie e 238t ≈1:

−−λλ ⎡ 1 ee234tt 230 ⎤ 230 AAtotal ≈+λλ 238 ⎢ + ⎥ 230 234 0 λλ ()−λλ()− λ()− λλ()− λ ⎣⎢ 234 230 234 230 234 230 234 230 ⎦⎥ 234 λ A −−λλunsupported − λ + 230 0 ()234tt− 230+×230 230t λλ− ee A0 e 230 234 und daraus durch weiteres Ausmultiplizieren:

158 A. Radiogene Isotopensysteme

−−λλ ⎡ λ ee234ttλ 230 ⎤ 230 AAtotal ≈−238 ⎢1 230 + 234 ⎥ 0 ()λλ− ()λλ− ⎣⎢ 230 234 230 234 ⎦⎥ [GL 181] 234 λ A −−λλunsupported − λ + 230 0 ()234tt− 230+×230 230t λλ− ee A0 e 230 234 Im Fall der Datierung von Karbonaten ist der letzte Term dieser Gleichung oft vernachläs- sigbar klein (kein 230Th zur Zeit ihrer Bildung); damit erhält man vereinfacht:

−−λλ ⎡ λ 234ttλ 230 ⎤ λ 234 230 total 238 ee A−−λλtt AA≈−⎢1 230 + 234 ⎥ + 230 0 ()ee234− 230 [GL 182] 0 ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ λλ− ⎣ 230 234 230 234 ⎦ 230 234 Das 230Th/234U-Aktivitätsverhältnis ergibt sich aus der Division von GL 182 und GL 174:

⎡ −−λλtt⎤ 234 λ ee234λ 230 λ A−−λλ 238A ⎢1 − 230 + 234 ⎥ + 230 0 ()ee234tt− 230 230 total 0 ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ λλ− A ≈ ⎣ 230 234 230 234 ⎦ 230 234 234 total unsupported −−λλ A 234 AeAe×+×−234tt238 ()1 234 0 0 Schließlich dividiert man noch Zähler und Nenner auf der rechten Seite der Gleichung 238 ≡ 238 durch A0 A:

234 λ A0 ⎡ −−λλtt⎤ 230 238 λ ee234λ 230 A −−λλ ⎢1 − 230 + 234 ⎥ + 0 ()ee234tt− 230 230 total ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ λλ− A ≈ ⎣ 230 234 230 234 ⎦ 230 234 234 total 234 [GL 183] A A −−λλ 0 ×+−234tt() 234 238 ee1 A0 234 238 Ein Spezialfall ergibt sich, wenn A0/ A0 = 1 ist:

⎡ −−λλtt⎤ λ ee234λ 230 λ −−λλ ⎢1 − 230 + 234 ⎥ + 230 ()ee234tt− 230 230 total ⎢ ()λλ− ()λλ− ⎥ λλ− A ≈ ⎣ 230 234 230 234 ⎦ 230 234 234 total −−λλ A ee234tt+−()1 234

−−λλ −− λλ 230 Atotal ⎡ λ ee234ttλ 230⎤ ⎛ λ ee 234 ttλ 230 ⎞ ≈−⎢1 230 + 234 ⎥ + ⎜ 230 − 230 ⎟ 234 total ()λλ− ()λλ− λλ− λλ− A ⎣⎢ 230 234 230 234 ⎦⎥ ⎝ 230 234 230 234 ⎠

−−λλ 230 Atotal λ ee230ttλ 230 ≈+1 234 − 230 234 total λλ− λλ− A 230 234 230 234 −λ 230 Atotal e 230t ≈+1 ()λλ− 234 total λλ− 234 230 A 230 234

230 total 230 total A A −λ t =≈−1 e 230 [GL 184] 234 Atotal 238Atotal Diese Gleichung entspricht GL 159, Seite 154 und gibt das Aktivitätsverhältnis von 230A/ 238A für den Fall an, daß 234U mit 238U zur Zeit des Einbaus in ein Mineral im säkularen Gleichgewicht stand, während kein 230Th eingebaut wurde.

Die Auswertung von GL 183 erfolgt am einfachsten graphisch. In Abbildung 117 ist A230/ 234 A234 gegen das Alter der betrachteten Probe für verschiedene initiale Verhältnisse A0/ 238 234 238 A0 aufgetragen. In marinen und kontinentalen Karbonaten treten nur A0/ A0-Ver- hältnisse ≥1 auf. Damit besteht bis zu einem Alter von ≈105a fast kein Unterschied zwi-

159 Die Ungleichgewichtsmethoden

234 238 schen den Kurven mit A0/ A0 = 1 – 3, und die Auswertung kann mit guter Näherung nach GL 184 erfolgen. Die Altersbestimmung nach GL 183 erfordert zudem eine Abschät- 234 238 234 238 zung des A0/ A0-Verhältnisses. Dazu löst man GL 174, Seite 157 nach A0/ A auf und setzt ein Alter ein, das man nach GL 184 berechnet. Damit läßt sich aus GL 184 ein verbesserter Alterswert berechnen. Durch weitere Iteration erhält man bereits einen Alters- wert mit einer Genauigkeit von ±1%, was wesentlich besser ist als die analytische Präzi- sion[231]. Die Erfolge dieser 230Th/234U (und der hier nicht eigens behandelten 230Th/238U-Methode liegen in Beiträgen zur Klimageschichte des Quartärs, abgeleitet aus marinen Karbonaten (insbes. Korallen[227],[248],[249]) und terrestrischen Kalken (v.a. Sinter[231],[250]).

1.2 3.0 2.0

1.0 1.5

1.0 0.8

U 0.5

234 0.6 Th/ 230

0.4

Die Zahlen geben die initialen Verhältnisse 0.2 234U/238U an.

0.0 2 3 4 5 6 7 8 9 2 3 4 5 6 7 8 9 104 105 106 t [a]

ABBILDUNG 117 Auftragung von GL 183 gegen die Zeit für verschiedene Verhältnisse von 234U/238U

160 A. Radiogene Isotopensysteme

14.6 238U–230Th-Ungleichgewichte in Vulkaniten In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre fand man heraus, daß in jungen Vulkaniten die Zer- fallsprodukte von 238U (ab 230Th) oft nicht im säkularen Gleichgewicht mit ihrem Mutter- nuklid stehen[251],[252]. Die Ursache dieser Ungleichgewichte ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Eine Schule schreibt sie Fraktionierungsprozessen bei der partiellen Auf- schmelzung oder Kristallisation zu, die auf einer unterschiedlichen Inkompatibilität von Th und U beruhen. Eine andere Schule sieht in den Ungleichgewichten vornehmlich An- zeichen sekundärer Veränderungen, z.B. durch Isotopenaustausch mit Seewasser oder durch Assimilation von Fremdgestein bei der Magmenentwicklung. Junge Vulkanite wei- sen typischerweise Aktivitätsverhältnisse von 230Th/238U, 226Ra/238U oder sogar 210Pb/238 U ≥1 auf. Der Aktivitätsüberschuß an 210Pb scheint sich jedoch stets auf Aufnahme dieses kurzlebigen Isotops aus See- oder Grundwasser zurückführen zu lassen[253]. Von besonderer Bedeutung ist das Aktivitätsverhältnis von 230Th zu 238U, das man versucht zu benutzen, um Prozesse der Bildung und Entwicklung von sich aus dem Erdmantel ableitenden Mag- men zu verfolgen. Außerdem eröffnet dieses Ungleichgewicht die Möglichkeit, junge Vul- kanite zu datieren oder die Zeit zwischen Magmenbildung und Extrusion zu ermitteln. Grundlage dafür ist Gleichung GL 161, die bei der Besprechung der Ionium-Methode abge- leitet wurde:

0 ⎛ A ⎞ ⎛ A ⎞ −−λλ⎛ A ⎞ ⎜ 230 ⎟ ≈ ⎜ 230 ⎟ e 230tt+ ⎜ 238 ⎟ ()1 − e 230 [GL 161] ⎝ A ⎠ ⎝ A ⎠ ⎝ A ⎠ 232 total232 unsupported 232

Hierin beschreibt der erste Th / U: 43 21.5 Term den Zerfall des über- 2 schüssigen (= bei t =0 vor- 230 handenen) Th, der zweite ∞) „Equiline“→ Term die Nachbildung von (t 230Th aus dem Zerfall von 238U. Th 1.5 Mineral 2 Allègre[254] (1968) hat dar- 232

auf aufmerksam gemacht, Th/ t 1

daß diese Gleichung analog 230 Gesamtgestein Mineral 1 t der Isochronengleichung initiales Anfang bei anderen Isotopensyste- 230Th/232Th 1 men benutzt werden kann,

um das Alter einer kogeneti- „Equipoint“ Mineral 3 schen Suite von Vulkaniten oder durch eine interne (= Mineral-) Isochrone das Eruptionsalter eines Vulka- 0.5 0.5 1 1.5 2 nits zu bestimmen, wenn 238U/232Th man A230/A232 (y) gegen A238/A232 (x) aufträgt. Vor- ABBILDUNG 118 Prinzip der Datierung junger Vulkanite nach ausgesetzt muß bei der der 238U–230Th-Ungleichgewichtsmethode Anwendung dieser Glei- chung werden, daß bei t=0 die beiden Th-Isotope im Magma im chemischen Gleichge- wicht gewesen sind, d.h. daß alle Vulkanite einer Suite oder alle Minerale eines Vulkanits dasselbe initiale 230Th/232Th-Verhältnis hatten. Außerdem muß bei t = 0 säkulares Gleich- gewicht zwischen 234U und 238U vorgelegen haben. Diese Voraussetzung läßt sich leicht

durch Messung von A234/A238 überprüfen. Obwohl es als ziemlich wahrscheinlich gilt, daß bei der Magmenbildung die beiden U-Isotope im säkularen Gleichgewicht vorlagen, findet ≈ man bei ozeanischen Basalten oft Werte von A234/A238 zwischen 1.00 und 1.15. Das gilt als

161 Die Ungleichgewichtsmethoden

Anzeichen für eine Reaktion dieser Basalte mit Seewasser, das ja global ein A234/A238 von ≈1.15 aufweist. Frische Gläser ozeanischer Basalte zeigen dagegen keine Anzeichen sekun-

därer Veränderung und eignen sich deshalb für A230/A238-Ungleichgewichtsuntersuchun- gen besonders gut. Über den Zeitraum der Anwendbarkeit dieser Methode (einige 10 5a) 238 232 können U und Th wieder als stabil betrachtet werden. Im A230/A232 – A238/A232-Isoch- ronendiagramm hatten also zur Zeit der Bildung (t = 0) eines Vulkanits alle seine Minerale

dasselbe A230/A232, aber, als Folge der geringfügig unterschiedlichen Geochemie, verschie- [239] −λ t dene U/Th-Verhältnisse (siehe Abbildung 118 ). Für t =0 wird e 230 = 1 und −λ ()1 − e 230t = 0, also

A230/A232 = (A230/A232)0. Bei der Alterung des Gesteins

ändern sich dann die A230/ 2.0 A232-Verhältnisse seiner Kom- Andesit CA2 Magnetit ponenten; bei niedrigem U/ (Costa Rica) Th-Verhältnis überwiegt in GL 161 die erste Komponente, 230 1.5 also der Zerfall von Th, als t = 110±16 Ka dessen Folge A /A sinkt; 230 232 Gesamtgestein bei Komponenten mit hohen Th Plagioklas U/Th-Verhältnissen über- 232 1.0

wiegt die Nachbildung von Th/ Hypersthen 230 238 Augit Th aus U und führt zu 230 einer Erhöhung des Verhält- nisses A230/A232. Mit zuneh- 0.5 mendem Alter rotiert die Isochrone dabei um einen Punkt, den sogenannten „Equiline“ equipoint. Bei einem Alter des 0 Gesteins von ≈106a hat die 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Isochrone ihre Endposition 238U/232Th erreicht mit einer Steigung von 1, d.h. 230Th und 238 U ABBILDUNG 119 Beispiel einer Ungleichgewichtsdatierung sind wieder im säkularen eines Vulkanits −λ −λ Gleichgewicht. Für t≥106a geht e 230t gegen 0 bzw. ()1 − e 230t gegen 1; damit ergibt sich:

⇒ A230/A232 = A238/A232 A230 = A238. →∞ Diese Gerade für t , auf der also A230/A232 = A238/A232 ist, nennt man equiline. Das Gesamtgestein braucht keinesfalls mit dem equipoint zusammenzufallen. Dieses Isochro- nensystem verhält sich also völlig anders als Isochronen in anderen Isotopensystemen, in denen das auf der Ordinate aufgetragene Verhältnis (z.B. 87Sr/86Sr) in allen Komponenten des Gesteins anwächst. Im 230Th/238U-System läßt sich aus der Steigung der Isochronen das Alter des Gesteins ebenso errechnen wie bei den übrigen Systemen; die Steigung entspricht dem Ausdruck −λ − 230t × ()1 e . Der Schnittpunkt der Isochronen mit der Ordinate entspricht (A230/A232)0 −λ 230t e . Nachdem t aus der Steigung errechnet wurde, läßt sich daher das initiale A230/A232 errechnen. Abbildung 119 zeigt das Beispiel einer solchen Isochrone für einen Andesit- strom und dessen Minerale aus Costa Rica, für den sich ein Alter von 110Ka ergibt[255].

162 A. Radiogene Isotopensysteme

Wie bereits eingangs erwähnt, findet das 230Th/238U-System, ähnlich wie z.B. Rb-Sr oder 1.4 Sm-Nd, Anwendung als geo- MAR, 30°N chemischer Tracer zur Verfol- FAMOUS gung der Magmenevolution. 1.2 So fanden Allègre und Mitar- Afar beiter Anhaltspunkte für eine Island

Korrelation zwischen A230/ Th 87 86 A232 und Sr/ Sr für ozeani- 232 1.0 sche und kontinentale Basalte Réunion (Abbildung 120, umgezeich- Th/ net nach Daten in[239]), die un- 230 gefähr der zwischen den Nd- 0.8 und Sr-Isotopen entspricht. Tristan da Cunha Hohes A230/A232 ist dabei mit niedrigem 87Sr/86Sr gekoppelt. Die wahrscheinlichste Erklä- 0.6 rung für diese negative Korre- lation ist, daß die Quellregio- nen der Basalte im Erdmantel 0.703 0.704 0.705 87 86 im radioaktiven Gleichge- Sr/ Sr wicht sind, d.h. daß das Ver- hältnis A230/A232 das Aktivi- ABBILDUNG 120 Korrelation zwischen Th- und Sr-Isotopen in tätsverhältnis 238U/232Th, also ozeanischen Basalten auch das Elementverhältnis U/ Th widerspiegelt. Daraus ergibt sich eine Verweilzeit der Magmen im flüssigen Zustand zwi- schen partieller Aufschmelzung und Extrusion, die klein ist gegen die Halbwertszeit von 230Th (maximal einige 103a). Damit folgt aus der negativen Korrelation zwischen Th- und Sr-Isotopen auch eine negative Korrelation von U/Th und Rb/Sr in den Quellregionen. Nach kristallchemischen Erwägungen sollte Th4+ für Minerale in basischen und ultrabasi- schen Gesteinen inkompatibler sein als U4+. Diese Überlegung wird durch die Antikorrela- tion von Th- und Sr-Isotopen bestätigt. Wenn man in obigem Diagramm den Schnittpunkt zwischen Korrelationslinie und bulk-earth-87Sr/86Sr auf die Ordinate projiziert, ergibt sich ein A230/A232 von 0.86. Weil geschlossen wurde, daß im Erdmantel säkulares Gleichgewicht für die 238U-Zerfallskette herrscht, gilt ⇒ A230 = A238 A230/A232 = A238/A232 λ A230 =×N238 238 λ A232 N232 232 λ N232 =×A232 238 λ N238 A230 232

− N 1 1. 55125× 10 10 232 =× = 365. × −11 N 238 086. 4. 9475 10 Dies entspricht also einem Wert, den man auch für die Erde annimmt.

163 Die Ungleichgewichtsmethoden

Die Analyse von Basalten akti- 1.6 ver Zentren ozeanischer bei 20°S Rücken (d.h. Basalte mit Alter Basalte vom East 20–23°N (Basaltgläser) 230 238 Pacific Rise: t = 0) hat z.T. ein Th/ U- 1.5 20–23°N (sonstige Ungleichgewicht, z.T. aber Basalte) auch ein Gleichgewicht erge- ben und damit für eine kon- 1.4 troverse Diskussion darüber

gesorgt, wie sich solche Th Ungleichgewichte wohl erklä- 232 ren lassen. So haben Newman 1.3 et al.[256] für frische Basaltglä- Th/ ser des East Pacific Rise, von 230 denen sie sekundäre Verände- 1.2 rungen glaubten, ausschlie- ßen zu können, Daten erhal- ten, die links neben die 1.1

equiline plotten, für die also „Equiline“ A230/A238>1 ist (Abbildung 121). Wenn dieses Ungleich- 1.0 gewicht nicht auf sekundäre 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 Veränderungen der Basalte 238U/232Th zurückzuführen ist und wenn im Erdmantel säkulares ABBILDUNG 121 Th-U-Isotopen(un)gleichgewichte in Basal- Gleichgewicht der 238U-Zer- ten des East Pacific Rise fallskette herrscht, dann heißt das, daß sich bei der partiellen Aufschmelzung des Erdmantels Th inkompatibler verhielt als U, so daß 230Th über seine Gleichgewichtsaktivität mit 238U in die Schmelze eintrat. Dies stimmt mit experimentellen Daten überein, wonach Ca-arme Klinopyroxene, die nahe des Peridotitsolidus stabil sind, trotz niedriger Verteilungskoeffizienten für U und Th [257] tatsächlich A230/A238-Verhältnisse von bis ca. 1.35 erzeugen können , Werte, die mit dem beobachteten maximalen 230Th-Überschuß von MORB gut übereinstimmen (Abbil- dung 122[258]). Durch ein Modell des dynamischen Aufschmelzens, bei dem die Aufschmel- zung sich über einen beträchtlichen Tiefenbereich beim Aufstieg von Erdmantel vollzieht, lassen sich diese Ungleichgewichte trotz großer Schmelzgrade modellieren, und der gesamte Aufschmelzvorgang kann sich im Stabilitätsbereich von Spinellperidotit vollzie- hen[257]; Granat scheint dagegen nicht unbedingt notwendig zu sein, im Gegensatz wie zunächst angenommen[258]. Bourdon et al. (1996)[258] beobachteten, daß der Überschuß an 230Th über die Gleichgewichtsaktivität mit abnehmender Tiefe der mittelozeanischen Rücken steigt (Abbildung 122). Ein flach liegender Rücken bedeutet große Magmenproduk- tionsraten und einen entsprechend heißen Mantel, so daß große 230Th-Überschüsse mit einem tiefen Beginn der Aufschmelzung gekoppelt sind.

164 A. Radiogene Isotopensysteme

1.4 1.4 AAD a b EPR 9–10°N 1.3 1.3 MAR 37°–40°N Gorda

U Juan de Fuca 1.2 1.2 238 MAR bei 30°N Tamayo-Rift Th/ 1.1 1.1 Tamayo-Swell 230

A α-spektro- metrische Daten: 1.0 1.0 EPR N-MAR 0.9 0.9 Island 0 1000 2000 3000 4000 5000 0 1000 2000 3000 4000 5000 Osterinsel- axiale Tiefe [m] axiale Tiefe [m] Mikroplatte

ABBILDUNG 122 Aktivitätsverhältnisse 230Th/238U von ozeanischen Rückenbasalten[258], links einzelne Daten, rechts über Rückensegmente gemittelt als Funktion der Tie- fe der Rücken unter dem Meeresspiegel. Die Kurve in der rechten Abbildung entspricht einem Modell aufsteigenden Mantels mit einer Aufstiegsge- schwindigkeit von 2cm/a, einer Matrixporosität von 0.1% und einer Auf- schmelzrate von 0.9% pro kbar. Als Verteilungskoeffizienten Peridotit/ Schmelze wurden Werte von 2.6×10-3 und 1.4×10-3 für U und Th in Granat- peridotit angenommen bzw. 1.0×10-4 und 1.5×10-4 für Spinellperidotit. AAD = australisch–antarktische Diskordanz, EPR = ostpazifischer Rücken, MAR = mittelatlantischer Rücken. Während MOR-Basalte auf der linken Seite (oder oberhalb) der equiline liegen, fallen die meisten Subduktionszonenbasalte rechts (oder unterhalb) der equiline (siehe Abbildung 123[193]). Das deutet darauf hin, daß bei der Entstehung der letzteren sich das U inkompa- tibler verhält als Th. Residuale Minerale, die Th relativ zu U zurückhalten oder sechswertig vorliegendes U mögen Gründe dafür sein.

2.5 230 2.0 1.5 Th/ MORB 232 Th Th

232 2.0 1.5 Mantelquelle Th/ Subduktionszonenbasalte 230 2.5

1.0 3.0 Ozeaninselbasalte 3.5 4.0

0.5 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 238U/232Th

ABBILDUNG 123 Th-U-Isotopien verschiedener Typen ozeanischer Basalte

165 Die Ungleichgewichtsmethoden

Eine interessante Beobachtung 1.6 [253] von Krishnaswami et al. Basaltströme auf Hawaii bezieht sich schließlich auf die Basalte des Mouna Loa auf 1.5 Hawaii, für die sie einen Mauna Loa Anstieg des A230/A232-Verhält- Kilauea 230 238 nisses – aber Th/ U- 1.4 Gleichgewicht – mit dem Erup- tionsalter fanden (siehe Abbil- Th

dung 124). Zur Erklärung 232 1.3 schlagen die Autoren vor, die Th/ verschiedenen Basaltflüsse soll- 230 ten aus verschiedenen Mag- 1.2 menkammern abzuleiten sein.

1.1

1.0 1850 19001950 2000 Eruptionsjahr

ABBILDUNG 124 Mouna Loa: Korrelation zwischen 230Th/ 232Th und dem Eruptionsjahr

166 A. Radiogene Isotopensysteme

15.0 Kosmogene Radionuklide

Kosmogene Radionuklide entstehen dur ch 1 Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit 10 Materie. Die kosmische Strahlung setzt sich aus s 0 o l 2 Komponenten zusammen. Ihr Energiespek- 10 a r 15 e ≈ trum reicht von einigen MeV bis 10 MeV k o [259] s (siehe Abbildung 125 ). Der solare Anteil -1 m 10 i s c besteht vorwiegend aus Protonen, daneben aus h e

α S geringen und wechselnden Mengen an -Teil- t -2 r 10 a chen sowie wenigen schwereren Teilchen. Die h l u ×s×MeV) n 2 maximale Energie dieses Anteil liegt um 1 GeV g

-3 m pro Nukleon. Seine Intensität ist Schwankun- 10 in im gen unterworfen, d.h. von der Sonnenaktivität m a ax l im e abhängig (z.B. dem ≈11jährigen Rhythmus, der -4 S 10 a o le n S n sich in der Zahl der Sonnenflecken äußert und o e n n n a Protonen/(cm e der damit verbundenen Änderung des Magnet- n k -5 t galaktische a i 10 k v feldes der Sonne). Der galaktische Anteil der kos- t i i t kosmische v ä i t ≈ t mischen Strahlung besteht zu 90% aus Proto- ä t Strahlung nen, 9% α-Teilchen und ≈1% schwereren 10-6 Teilchen mit einer mittleren Energie von ≈3 GeV pro Nukleon. 80% dieses Anteil liegt unter 10-7 4 GeV/Nukleon; die wahrscheinlichste Energie 1 2 3 4 5 der galaktischen Strahlung liegt zwischen 400 10 10 10 10 10 und 600 MeV/Nukleon. Die Intensität des Protonenenergie [MeV] galaktischen Anteils schwankt zeitlich kaum, ist jedoch dem Modulationseffekt durch das ABBILDUNG 125 Energieverteilung der Magnetfeld der Sonne unterworfen. Die durch- kosmischen Strahlung im Erdabstand von schnittliche Intensität der kosmischen Strah- der Sonne lung beträgt im Erdabstand von der Sonne ≈ 1.7 Teilchen (bzw. 3.1 Nukleonen) pro cm2 und sec (4π-Geometrie).

TABELLE 13: kosmogene Radionuklide mit längeren Halbwertszeiten -1 -1 Nuklid t1/2 [a] [a ] Nuklid t1/2 [a] [a ] 10Be 1.5×106 0.462×10-6 53Mn 3.7×106 0.187×10-6 14C 5730 0.1209×10-3 59Ni 8×104 0.86×10-5 26Al 0.716×106 0.968×10-6 81Kr 0.213×106 3.25×10-6 36Cl 0.308×106 2.25×10-6

Infolge der hohen Energie der kosmischen Strahlung treten bei ihrer Wechselwirkung mit der irdischen Atmosphäre und natürlich auch mit fester Materie im All wie Meteoriten die verschiedensten Spallationsreaktionen auf, d.h. die hochenergetischen Primärteilchen übertragen einem getroffenen Targetkern soviel Energie, daß das Target – also O, N oder Ar – zerstört wird. Die Targets verlieren dabei meist mehrere Nukleonen, wodurch Kerne nied- rigeren Atomgewichts entstehen. Unter den Nukleonen finden sich Neutronen, die ihrer- seits von Atomen eingefangen werden können. Einige dieser Reaktionsprodukte sind radioaktiv und haben Halbwertszeiten in der Größenordnung von 100 bis >106a. Bei ihrer Entfernung aus der Atmosphäre und Eintritt in den biologischen, hydrologischen oder Gesteinskreislauf oder mit dem Fall eines Meteoriten auf die Erde endet die Produktion die- ser Nuklide, und ihre Aktivität klingt mit ihrer Halbwertszeit ab. Wenn man die Anfangs- aktivität A0 kennt, lassen sich „Alter“ von biologischen, geologischen oder Meteoritenpro- ben bestimmen oder auch geologische Prozesse verfolgen. Bei den Spallationsreaktionen in der Atmosphäre werden auch andere Partikel erzeugt wie Protonen, Neutronen und Myo-

167 Kosmogene Radionuklide

nen (kurzlebige Partikel, die mit Elektronen verwandt sind, aber eine ca. 200fache Ruhe- masse der letzteren haben). Protonen sind an der Erdoberfläche selten, und so werden vor allem durch Neutronen und Myonen Kernreaktionen mit dem Material an der Erdoberflä- che ausgelöst; dadurch können kosmogene Radionuklide in Mineralen gebildet werden, deren Analyse ebenfalls wichtige geologische Informationen zu liefern vermag[260]. Von den in Tabelle 13 aufgeführten Nukliden hat 14C erhebliche Bedeutung für die Archäo- logie, während 53Mn und 59Ni nur für die Meteoritik wichtig sind. Für die Geowissenschaf- ten sind vor allen Dingen 10Be und 26Al von Interesse. 15.1 Die 14C-Methode Obwohl diese Methode für die Geowissenschaften von nur untergeordneter Bedeutung ist, soll sie besprochen werden. Dies ist die einzige Datierungsmethode, für die ihrem Erfinder , W.F. Libby*, ein Nobelpreis verliehen wurde (für Chemie, 1960). Trotz einiger Unzuläng- lichkeiten bietet diese Methode den Archäologen die sicherste Absolutdatierungsmethode der Altersbestimmung für die Zeit vor der Erfindung der Schrift oder ohne bekannte Korre- lation mit unserem Kalender oder zur Dendrochronologie (Altersbestimmung mit Hilfe der Jahresringe von Bäumen). 14C wird in der hohen Atmosphäre durch eine ganze Reihe von Reaktionen gebildet, von denen die bei weitem wichtigste die Reaktion von Stickstoff mit sekundären langsamen Neutronen ist, die bei Spallationsprozessen frei werden: 14N(n,p)14C (σ = 1.81b). 14 C zerfällt dann wieder mit 18 einer Halbwertszeit von 5730a unter β–-Emission in 14N. Die β- Maximalenergie beträgt nur 156 16 KeV, was die Messung der Strah- 15.3±0.3 lung nicht gerade vereinfacht. 14 Die Messung wurde früher mit „Schirmgitterzählern“ (screen- C und Gramm wall counter) durchgeführt, die Zerfälle Minute pro 12 °S60 40 20 0 20 40 60 °N ähnlich aufgebaut sind wie Gei- geomagnetischer Breitengrad ger-Müller-Zählrohre; hierbei wird die Probe (elementarer Koh- ABBILDUNG 126 Messung der spezifischen Aktivität von lenstoff) auf der inneren Oberflä- 14 che eines Zylinders aufgetragen, C in heutigen Pflanzen als Funktion des geomagneti- der in das Zählrohr geschoben schen Breitengrades der Erde. Diese Daten wurden ur- wird[261]. Andere Gruppen sprünglich benutzt, um die Konstanz der spezifischen Akti- benutzten Geiger-Müller- oder vität zu belegen. Proportionalzählrohre und zählten die Aktivität des Kohlenstoffs nach Überführen in Ace- [262] tylen (Die Messung von CO2 hat sich als nicht sinnvoll erwiesen, weil es nicht genü- gend von Fremdgasen zu reinigen ist, die als Löschgase in den Zählrohren wirken. Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre versucht man erfolgreich, 14C-Datierungen (und Datierun- gen mit anderen kosmogenen Radionukliden) mit Beschleuniger-Massenspektrometern durchzuführen[263], was den großen Vorteil hat, daß anstatt einiger Gramm Kohlenstoff nur noch mg-Mengen erforderlich sind. Inzwischen gibt es mehrere 14C-Labors, die kom- merziell Analysen mittels Beschleuniger-Massenspektrometrie anbieten; in Deutschland das Leibniz-Labor der Universität Kiel in dieser Richtung aktiv (http://www.uni-kiel.de/ leibniz/).

* Willard Frank Libby (1908–1980), amerikanischer Chemiker an der University of Chicago und der University of California in Berkeley; Libby und Mitarbeiter entwickelten 1947 die 14C-Methode.

168 A. Radiogene Isotopensysteme

14 Durch Reaktion mit Sauerstoff oder Austauschreaktionen mit CO2 tritt C in den CO2- Kreislauf der Natur ein. Die Durchmischung der Atmosphäre ist sehr rasch im Vergleich zur 14 Halbwertszeit, so daß man global dieselbe CO2-Konzentration in der Atmosphäre findet. Durch die Photosynthese (± durch Aufnahme über die Wurzeln) wird 14C in Pflanzen ein- gebaut. Von dort gelangt es direkt oder indirekt in Tiere und den Menschen, wodurch sich in aller lebenden Materie (fast) dieselbe 14C-Aktivität findet. Mit dem Tod des Organismus endet der 14C-Einbau jedoch, und das Nuklid klingt mit seiner Halbwertszeit ab. Man braucht daher „nur“ die 14C-Aktivität beim Absterben des Organismus zu kennen, dann läßt sich aus der heute gemessenen Radioaktivität das 14C-Alter berechnen, also:

⎛ ⎞ −λt 11A ⎛ A ⎞ AAe=⇒=− t ln⎜ ⎟ = ln⎜ 0 ⎟ [GL 185] 0 λλ⎝ A ⎠ ⎝ A ⎠ 0

Als bester Wert für die initiale oder Sättigungsaktivität A0 eines lebenden Organismus im C-Austauschgleichgewicht mit der Atmosphäre gilt 13.56±0.07dpm/g Kohlenstoff. Die Geschichte der 14C-Methode beginnt 1946 mit der Abschätzung von Libby, daß die 14C-Produktionsrate in der Atmosphäre hoch genug sein sollte, um es in biologischen Pro- ben nachzuweisen. 1949 zeigten Arnold & Libby[264] durch Analyse archäologischer Proben bekannten Alters, daß deren Datierung mit 14C möglich ist. 1951 wiesen Anderson & Li- bby[265] nach, daß die spezifische Aktivität von 14C in organischen Proben global nahezu konstant ist (siehe Abbildung 126). Das führte zu der Ableitung eines globalen Wertes für ≈ A0 von 15.3±0.5 dpm/g C. Dieser Wert wurde dann im Verlauf der folgenden 10a auf den oben angegebenen Wert herunterkorrigiert, z.T. zumindest als Folge einer besseren Ab- schirmung der Meßapparatur von Untergrundstrahlung. 14 Die Datierungsgrenze für die C- 30 10 km Höhe Methode liegt, optimistisch 1000 geschätzt, bei ≈105a, also ca. 17 Höhenabhängigkeit der Neutronen- Halbwertszeiten. Es lassen sich so dichte in der freien Atmosphäre bei unterschiedliche Materialien wie Princeton, N.J. (8. 1. 1949) Holz und Holzkohle, Saatgut, 100 Papier, Tuch, Knochen, Geweih, Karbonatschalen und -skelette von Organismen oder auch Töp- ferwaren datieren. Große Pro- 10

bleme bereiten Verunreinigun- Minute) pro (Counts Neutronenintensität gen, welche die Proben dur ch zirkulierende Wässer erfahren, die z.B., Huminsäuren enthalten kön- 1 nen. Knochenkollagen muß 10 20 30 40 50 60 70 daher aufwendig gereinigt wer- Druck (cm Hg-Säule) den[266]. ABBILDUNG 127 Durch die Wechselwirkung der kosmi- Im Verlauf der 1950er Jahre wur- schen Strahlung mit der Atmosphäre entstehen Neutro- den aber auch die Tücken des Ver- nen, deren Konzentration in der hohen Atmosphäre be- fahrens klar und die anfänglichen sonders hoch ist. Annahmen eines global und zeit- 14 lich konstanten A0 mußten z.T. modifiziert werden. Die Produktionsrate von C hängt i.w. von dem durch die kosmische Strahlung erzeugten Neutronenfluß ab. Dieser ändert sich natürlich mit der Höhe (siehe Abbildung 127) und erreicht ein Maximum zwischen ≈12 und 15 km über Meeresspiegel. Außerdem ist er an Nord- und Südpol wegen der dort feh- lenden bzw. stark verringerten Abschirmung durch das irdische Magnetfeld ≈4-mal so hoch wie am Äquator (siehe Abbildung 128–links, beide Diagramme aus [261]). Infolge der ra- schen Durchmischung der Atmosphäre gleichen sich die als Konsequenz des unterschied- lichen Neutronenflusses produzierten unterschiedlichen 14C-Mengen global rasch aus. An- dererseits ändert sich der lokale Neutronenfluß infolge von Schwankungen in der solaren

169 Kosmogene Radionuklide

Komponente der kosmischen Strahlung und von Änderungen der Intensität des Magnet- feldes der Erde. Das findet seine Entsprechung natürlich in einer zeitlichen Variation der 14 * C-Produktion. Darüber hinaus war es Mitte der 1950er Jahre Suess klar, daß A0 von Holz von im 20. Jahrhundert gewachsenen Bäumen um ≈2% niedriger ist als das Holz früherer Zeiten, was er auf den Ausstoß von fossilem CO2 durch die Verfeuerung fossiler Brennstoffe in den letzten ≈100a zurückführte[267]. In den 1950er und 1960er Jahren wurden dann aber erhebliche 14C-Mengen durch die Kernwaffenexplosionen in der Atmosphäre erzeugt. De [268] ≈ Vries beobachtete andererseits, daß A0 um 1500 und um 1700 2% über dem „Normal- wert“ (den man für ca. 1850 definiert) lag – eine Beobachtung, deren Ursache unerklärlich blieb. Als Folge all dieser Unwägbarkeiten hat man seit den 1960er Jahren die 14C-Skala mit Hilfe der Dendrochronologie im Südwesten der USA geeicht und für die letzten ≈8000a Korrekturen der 14C-Alter eingeführt, die bis zu 10% ausmachen (siehe Abbildung 128– rechts). Abschwächungen der Erdmagnetfeldes vor ca. 28 000a und 41 000a führten zu je- nen Zeiten zu einer erhöhten Produktionsrate von 14C, was zusätzliche Korrekturen erfor- dert. Aus der Kalibrierung in Abbildung 129 ist ersichtlich, daß die gemessenen 14C-Alter durchweg geringer sind als die tatsächlichen Alter mit Ausnahme vielleicht der Zeit vor 14 mehr als 40 000 Jahren. Das C-Alter für ein Rhinozeros aus der berühmten Grotte Chau- vet im Tal der Ardèche in Südfrankreich, das vorher mit ca. 31 000 Jahren angegeben wurde, erhöht sich mit der in Abbildung 129 angegebenen Korrektur auf rund 36 000 Jahre[270]. Die Ausbreitung des modernen Menschen von Israel und dem Libanon bis nach Frankreich und Spanien vollzog sich nach der neuen Kalibrierung erheblich rascher (ca. 6000a zwischen 47 000 und 41 000a) als nach der alten (mehr als 10 000a); moderner Mensch und Neandertaler haben daher in Mittel- und Westeuropa wahrscheinlich über eine kürzere Zeit koexistiert als zuvor geglaubt[266].

1000 Neutronenintensität in Abhängigkeit 800 t von der geomagnetischen Breite ä ] t

i 800 in 10 km Höhe nute) i 600 tur [a ntens k i 600 orre

400 k 400 (Counts pro M pro (Counts Neutronen 200

200 che Alters i

0 0 10 20 30 40 50 60 70 Grad geomagnetische Breite erforderl -200 2000 1000 0 10002000 3000 4000 (heute) 14C-Alter von Hölzern

ABBILDUNG 128 Links: Infolge variabler Abschirmung der Erde durch ihr Magnetfeld ist die Menge produzierter Neutronen vom Breitengrad abhängig. Rechts: Dur ch den Vergleich mit Ergebnissen der Dendrochronologie im Südwesten der U.S.A. hat man festgestellt, daß Korrekturen an 14C-Daten anzubringen sind, die wohl Schwankungen im atmosphärischen Gehalt an Radiokohlenstoff zuzuschreiben sind. Eine große Herausforderung ist es, diese Korrekturen für ständig höhere Alter zu quantifizieren (Abbildung 129).

* Hans Eduard Suess (1909–1993), österreichisch-amerikanischer Kosmo- und Geochemiker, Enkel des Alpengeologen Eduard Suess; H. Suess hat auch wichtige Arbeiten zum Schalenmodell des Atomkerns und zur Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem verfaßt.

170 A. Radiogene Isotopensysteme

50 000

40 000 or heute)

v 30 000 C-Alter ( C-Alter 14

20 000

10 000

10 000 20 000 30 000 40 000 50 000 Kalenderjahre (vor heute)

14 ABBILDUNG 129 Umrechnung von C-Jahren in Kalenderjahre für die Zeit von 50 000 bis [269] 14 10 000 Jahren vor heute . Blaue Punkte entsprechen C-Jahren, be- stimmt an Sedimenten aus ODP-Bohrkernen im Cariaco-Becken vor Vene- zuela, geeicht gegen Kalenderjahre aus einem Eiskern Grönlands; das hellblaue Feld stellt die Fehlergrenzen dieser Eichung in Rechnung. Rote Quadrate stehen für gemeinsame 14C–U/Th-Alter von Korallen. Durch offe- ne Kreise dargestellte Alter sind aus Warven in einem japanischen See abge- leitet; Rauten stehen für Sinterkalke der Bahamas und Dreiecke für Bohrkerne aus dem Nordatlantik, verifiziert durch U/Th-Alter bzw. durch Al- ter eines Grönlandeiskerns. 15.2 Das 10Be Natürliches Be verfügt mit 9Be nur über ein einziges stabiles Isotop. Daneben kommen noch winzige Mengen der beiden Radioisotope 7Be und 10Be vor, die beide durch Spallati- onsprozesse aus Stickstoff und Sauerstoff in der hohen Atmosphäre gebildet werden und in wesentlich geringerer Menge in Materialien an der Erdoberfläche. 7Be zerfällt unter Elektro- neneinfang mit einer Halbwertszeit von ≈53 Tagen in 7Li. Auf Grund der geringen Halb- wertszeit ist es allenfalls für die Meteorologie interessant. 10Be erfährt einen β–-Zerfall mit einer Halbwertszeit von 1.387 Ma[271] nach 10B und eignet sich daher prinzipiell sowohl zur Datierung als auch als Tracer über den Zeitraum Jungtertiär bis rezent. Seine globale Pro- duktionsrate liegt wahrscheinlich bei ≈0.015 – 0.03 Atomen 10Be pro cm2 und sec[272] bzw . bei ≈106 Atomen 10Be pro cm2 und Jahr[273]. Meist vernachlässigbar geringe Mengen wer- den zusätzlich noch in U-reichen Gesteinen gebildet durch Reaktionen wie 7Li(α,p)10 Be, 9Be(n,γ)10Be oder 10B(n,p)10Be[274]. Aus der Atmosphäre wird das kosmogene 10Be rasch ent- fernt und gelangt über den Niederschlag auf die feste Erdoberfläche oder in die Gewässer . In wäßriger Lösung verhält sich Be chemisch bekanntlich ähnlich wie Al (26Al wird auf die- selbe Weise gebildet – allerdings in noch niedrigeren Konzentrationen – und wird dann zusammen mit 10Be ausgeschieden.). Seine Residenzzeit in Meerwasser beträgt einige 100a[275], und es gelangt schließlich durch Adsorption und Einbau in anorganische und organische Partikel in die Sedimente am Meeresboden, in denen es mit seiner Halbwerts- zeit abklingt. Seine Konzentration in jungen marinen Sedimenten kann dann dazu benutzt

171 Kosmogene Radionuklide

werden, die zeitliche und örtliche Variation seiner Produktionsrate zu bestimmen oder das Alter von Sedimenten zu berechnen. Peters[276] schloß Mitte der 1950er Jahre auf Grund von theoretischen Überlegungen, daß sich 10Be in der Natur finden müsse, und er sowie Arnold[277] erkannten, daß mit Hilfe von 10Be marine Sedimente datierbar sein müßten. Versuche damit begannen bereits 1957[278] . In der einfachsten Form lassen sich Sedimentationsraten mit dieser Methode analog zur Ionium-Überschußmethode bestimmen:

λh 10=− 10 lnBe ln Be0 [GL 186] a wobei a = h/t die Sedimentationsrate ist (h = Tiefe des Sediments unter Meeresboden). Wegen der niedrigen 10Be-Konzentrationen blieben solche Versuche jedoch spärlich und auf Materialien mit relativ hohen Be-Konzentrationen beschränkt. Selbst das Wachstum von Mn-Knollen hat man versucht, durch 10Be zu datieren, z.B. wie Abbildung 130 zeigt, auch durch eine Kombination von 10Be mit 26Al[279] nach der Gleichung:

26⎛ 26 ⎞ Al Al −−()λλt = ⎜ ⎟ e Al Be [GL 187] 10Be ⎝ 10 Be⎠ 0 λλ−= ×−−66 − × = × − 6 Al Be 0.. 968 10 0 462 10 0 . 506 10

26⎛ 26 ⎞ Al Al −×−6 = ⎜ ⎟ e 0. 506 10 t 10Be ⎝ 10 Be⎠ 0

4

-4 2 ¹⁰Be -6 0 Be) ¹⁰

Al/ -8 -2 ²⁶ ²⁶Al ln( -10 -4 0 5 10 15 20 25

ln(Zerfälle je Minute und kg Mn-Knolle) ln(Zerfälle und kg je Minute -6 Tiefe in mm 0 5 10 15 20 25 Tiefe in mm

ABBILDUNG 130 Linkes Diagramm: Zerfallsrate von kosmogenem 10Be und 26Al in einer Man- ganknolle aus dem Tuamotu-Archipel im Pazifik. Aus den Steigungen der Abklingkurven errechnen sich Wachstumsgeschwindigkeiten von 2.8±0.6mm/Ma (10Be) bzw. 2.3±1.0mm/Ma (26Al). Rechtes Diagramm: Hypothetische Abklingkurve für das Verhältnis 10Be/26Al in derselben Man- ganknolle. Aus der Steigung errechnet sich eine Wachstumsrate von ≈2mm pro Ma

Diese Kopplung zweier kosmogener Radionuklide hat den Vorteil, daß Fluktuationen ihrer Produktionsraten – die einander parallel verlaufen sollten – eliminiert werden. 26Al wird in der Atmosphäre durch Spallation von Ar gebildet. Da Ar in der Atmosphäre viel seltener ist 26 10 als N2 und O2, liegt die Produktionsrate von Al auch erheblich unter derjenigen von Be, nämlich bei nur ≈4×10-3. Führt man in diese Gleichung wieder die Beziehung a = h/t ein und logarithmiert, dann ergibt sich:

172 A. Radiogene Isotopensysteme

− ⎛ 26Al ⎞ ⎛ 26Al ⎞ 0. 506×× 10 6 h ln⎜ ⎟ = ln⎜ ⎟ − [GL 188] ⎝ 10Be⎠ ⎝ 10 Be⎠ a 0 Aus der Steigung läßt sich dann eine Wachstumsrate von ≈2 mm/Ma errechnen mit einem 26 10 initialen ( Al/ Be)0-Verhältnis von 0.0115, während die Einzelauswertungen Wachstums- raten von ≈2.8±0.6 (10Be) bzw. 2.3±1.0 (26Al) mm pro Ma ergaben. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde die Methode der Beschleuniger-Massenspek- trometrie entwickelt (z.B. Übersichtsartikel [280]), mit der inzwischen noch Mengen von 106 Atomen 10Be bei Verhältnissen von 10Be/9Be≈10-14 gemessen werden können[274]. Aller- dings hält diese Methode in Bezug auf ihre Genauigkeit keinen Vergleich mit konventio- neller Massenspektrometrie aus (mit der man 10Be/9Be-Verhältnisse jedoch gar nicht mes- sen könnte). Bei den niedrigen 10Be-Gehalten von Vulkaniten sind allenfalls Werte zu erhalten, die auf ±10% genau sind.

Subduktionszonen ohne 10Be

Halmahera diverse Basalte ohne 10Be Marianen Sunda MORB Ozeaninsel- basalte Flutbasalte (Columbia River)

0123 0123 ×106 Atome 10Be ×106 Atome 10Be pro g Gestein pro g Gestein

ABBILDUNG 131 Subduktionszonenvulkanite und verschiedene Basalttypen ohne 10Be Mit Hilfe dieser Technik sind seit den 1980er Jahren Sedimente und Magmatite intensiv analysiert worden. Rezente Tiefseesedimente scheinen nach diesen Untersuchungen mitt- lere 10Be-Konzentrationen von (5.7±3.2)×109 Atomen pro Gramm Gestein aufzuweisen[281] , etwa eine Zehnerpotenz mehr als fluviatile Sedimente oder Böden, was sicherlich auf die

173 Kosmogene Radionuklide

langsame Sedimentationsgeschwindigkeit in der Tiefsee zurückzuführen ist und damit die Möglichkeit, 10Be aus dem Seewasser zu extrahieren und adsorbieren oder einzubauen. Basaltgläsern mittelozeanischer Rücken fehlen signifikante Mengen an 10Be; dadurch kann ausgeschlossen werden, daß die Basaltschmelzen bei ihrer Extrusion am Meeresboden grö- ßere Mengen an Sedimenten assimiliert haben[282].

Alëuten Mittelamerika Subduktionszonen mit 10Be Japan Peru

0 5 10 15 23 25 ×106 Atome 10Be pro g Gestein

ABBILDUNG 132 Subduktionszonenvulkanite mit 10Be

Aufsehen erregt haben 24 seit den frühen 1980er Be in Laven von Bogoslof (Alëuten) Jahren 10Be-Untersu- chungen von Vulkani- 20 n) ten in Subduktionszo- i Eruption von 1796 1796–Hbl nen. In Abbildungen Eruption von 1927 131 und 132 sind die Er- 16 gebnisse solcher Unter- 1796–Cpx 1796–Grundmasse suchungen an Vulkani- 12 ten unterschiedlicher 1796–Gesamt geotektonischer Stellung 1796–Pl Atome pro g Geste pro Atome

6 1927–Gesamt 1 in Histogrammform auf- 8 [274] 1927–Grundmasse getragen . Danach er- 1927–Gesamt 2

gibt sich, daß Basalte der Be (10 10 mittelozeanischen 4 1927–Pl 1927–Cpx Rücken, Ozeaninseln 1796–Mt und kontinentale Flut- 1927–Mt 0 basalte 10Be-Konzentra- 6 0123 tionen von <10 Ato- 9Be [ppm] men/g Gestein aufweisen. Ähnlich ABBILDUNG 133 Korrelation zwischen natürlichem Be und kosmo- niedrige Gehalte wurden genem 10Be in Laven der Alëuteninsel Bogoslof auch in Subduktionszo- nenbasalten hinter dem Sunda-Graben oder Marianengraben gemessen. Andererseits gibt es in den Alëuten und in Mittelamerika zahlreiche Basalte und Andesite mit 10Be-Gehalten, die um eine Größenordnung oder mehr darüber liegen. – Woran liegt das? Eine in-situ-Pro- duktion von 10Be durch freie Neutronen oder α-Partikel durch Reaktionen wie einleitend erwähnt, ist sicherlich auszuschließen. Auch Abhängigkeiten vom Alterationsgrad der Vul-

174 A. Radiogene Isotopensysteme

kanite, die durch Aufnahme von 10Be aus Seewasser oder Regen hätten erklärt werden kön- nen, waren nicht zu erkennen. Daher bleibt nur eine Möglichkeit übrig, um das 10Be zu be- ziehen, nämlich marine Sedimente, da nur sie dieses Nuklid in ausreichend hohen Konzentrationen enthalten. Fraglich ist allerdings der Zeitpunkt der Inkorporation von Se- diment; zum einen könnten Sedimente in den Subduktionsprozeß mit einbezogen werden, zum anderen Sedimente beim Aufstieg der Magmen in die Magmenkammern geraten und aufgeschmolzen werden. Aus Subduktionszonenvulkaniten analysierte Einsprenglinge wiesen ebensolche Überschüsse an 10Be auf wie die Vulkanite selbst[274]; wenn 10Be wäh- rend des Magmenaufstiegs in die Magmenkammern geraten ist, muß dies während eines Stadiums vor der Kristallisation der Einsprenglinge geschehen sein, was zwar nicht auszu- schließen ist, andererseits aber auch nicht übermäßig plausibel erscheint. Außerdem wurde in einem detailliert analysierten Vulkanit gefunden, daß in Gesamtgestein und Einspreng- lingen eine gute Korrelation zwischen 10Be und 9Be besteht, was anzeigt, daß beide Isotope gut durchmischt sind, so daß das 10Be nicht erst nach der Kristallisation der Einsprenglinge in das Magma geraten sein kann[283] (siehe Abbildung 133). Die bevorzugte Vorstellung ist daher die, daß das 10Be aus subduzierten Sedimenten stammt, auch wenn Assimilation von Sedimenten in Magmenkammern nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Diese Erkenntnis hat den Streit (fast) entschieden, ob Sedimente subduzierbar sind oder nicht (Abbildung 134[284]). Auf Grund ihrer geringen Dichte schien das nicht wahr- scheinlich, zumal nicht für die oberste Schicht, die auf Grund ihres jungen Alters als 10Be- Quelle erforderlich ist, sondern es schien wahrscheinlicher, daß sie von der subduzierten Platte „abgekratzt“ wird. Andererseits haben Subduktionszonenvulkanite oft einige Cha- rakteristika, die sich ohne Sedimentbeimischung nur schlecht erklären lassen; dazu gehö- ren vor allem hohe Ba/La-Verhältnisse und radiogene Pb- und Sr-Isotopenzusammenset- zungen; sie sind jedoch in verschiedenen Subduktionszonen unterschiedlich ausgeprägt.

Alëuten- Bogoslof graben

260 Lithosphäre km 6.5 cm/a 100km 1.5–3 cm/a

Asthenosphäre

200km Eklogit Asthenosphäre

300km

ABBILDUNG 134 Die pazifische Platte wird unter den Alëutenbogen subduziert. Dabei wer- den Sedimente in die Subduktion mit einbezogen. Wenn das 10Be tatsächlich aus subduzierten Sedimenten stammt, dann ergeben sich wich- tige Implikationen nicht nur für die geochemische Entwicklung von Kruste und Erdman- tel, sondern auch für die Dynamik der Subduktion. Marine Sedimente haben 10Be-Gehalte ≈103-mal so hoch wie Subduktionszonenmagmen der Alëuten oder Zentralamerikas. Wenn man einen Sedimentkomponente von <10% in den Basalten und Andesiten annimmt, dann verbleibt als Zeitspanne zwischen Subduktion und Magmenförderung ein Zeitraum

175 Kosmogene Radionuklide

von nicht mehr als ≈107a. Realistische Modellrechnungen haben gezeigt, daß der Sedi- mentanteil in Vulkaniten der Alëuten sehr gering sein kann (<1%), um die gemessenen Konzentrationen an 10Be zu erklären[285]. Dabei hat sich auch – überraschenderweise – gezeigt, daß Be sich bei Prozessen der partiellen Aufschmelzung von Erdmantel und der Fraktionierung basischer Schmelzen als inkompatibles Element verhält, das stark dem Ver- halten des Nd ähnelt. Seit ca. 1990 wird 10Be, das in situ in Mineralen am Erdboden durch Neutronen und Myo- nen erzeugt wird, mit Erfolg benutzt, um geomorphologische Prozesse (die Gestaltung der Erdoberfläche durch Abtragung) quantitativ zu verstehen[260]. Zusammen mit der Anwen- dung der Spaltspurenchronologie und anderer Methoden der Tieftemperaturthermochro- nologie zur Aufklärung der Exhumierung von Gebirgen bietet sich hier Geowissenschaft- lern ein reiches Betätigungsfeld, beschränkt jedoch durch die aufwendige analytische Methodik der Beschleuniger-Massenspektrometrie[273] (siehe auch Kapitel 15.4, Seite 185 ). Als am besten geeignetes Mineral für derartige Untersuchungen hat sich Quarz erwiesen wegen seiner Beständigkeit gegenüber der Verwitterung, seiner weiten Verbreitung, seiner einfachen chemischen Zusammensetzung und Reinheit sowie seines guten Speicherver- mögens für die in ihm gebildeten kosmogenen Radionuklide, oft in Kombination mit 26Al[287]. Die in situ an der Erdoberfläche gebildete Menge an 10Be ist sehr gering (≈ 5 – 5.5 Atome pro Jahr und Gramm Quarz auf Meereshöhe, aber etwa das Zehnfache in 3 km Höhe[288]) im Vergleich zum in der Atmosphäre gebildeten 10Be (≈106 Atome pro cm2 und Jahr, die aus der Atmosphäre an die Erdoberfläche gelangen können[273]). Oft liegen für eine Analyse nur einige 1000 Atome an in situ gebildetem 10Be und ≈104 Atom 26Al je Gramm Quarz vor, so daß große Mengen (10er Gramm) verwendet werden müssen, die sehr sorgfältig durch Ätzen von dem in der Atmosphäre entstandenen 10Be und 26Al zu trennen sind, das oberflächlich am Quarz oder an Rissen adsorbiert ist[287]. Die Strahlungsdichte der hochenergetischen sekundären Partikel der kosmischen Strah- lung verringert sich durch die Wechselwirkung mit Materie an der Erdoberfläche exponen- tiell mit der Tiefe. Die Neutronendichte geht schon nach ca. 4m auf vernachlässigbar geringe Werte zurück*; in Tiefen unterhalb von ca. 3m dominiert beim 10Be die Produktion durch Myonen, die wesentlich weniger stark mit Materie wechselwirken als Nukleonen (Neutronen und Protonen); die gesamte 10Be-Produktionsrate ist hier bereits auf wenige Prozent der Oberflächenproduktionsrate gesunken[287]. In einem Target (Mineral, Gestein) wird die durch Nukleonen ausgelöste Produktionsrate P(x) [Atome pro Gramm und Jahr] eines kosmogenen Radionuklids mit der Tiefe exponentiell sinken[260]

-ρx/Λ P(x) = P(0) × e [GL 189] Darin steht x für die Tiefe [cm], ρ für die Dichte des Materials [g/cm3] und Λ für die mittlere freie Weglänge des Nukleons [g/cm2] und P(0) für die Produktionsrate an der Oberfläche. Für Gesteine liegt Λ bei Werten von 150 g/cm2 (ähnlich wie für die Atmosphäre). In einem Gestein der Dichte 2.5 g/cm3 würde demnach die Produktionsrate in einer Tiefe von 60 cm auf einen Wert von 0.368 (1/e) sinken, in 120 cm Tiefe auf 0.135 (1/e 2). Bei der Rekonstruk- tion der Landschaftsgeschichte geht man im einfachsten Fall davon aus, daß sich die Denudation (Abtragung durch physikalische und chemische Verwitterung) mit konstanter Geschwindigkeit über lange Zeit vollzieht. Gesteine, die ursprünglich in der Tiefe lagen und damit dem Einfluß der kosmischen Strahlung entzogen, geraten ständig näher zur Oberfläche; dabei nimmt die Intensität der Partikelstrahlung kontinuierlich zu und damit die Produktionsrate kosmogener Radionuklide. Die Gleichgewichtskonzentration eines kosmogenen Radionuklids an der Oberfläche N(0) [Atome/g] berechnet sich zu

* Das gilt nur für die schnellen Neutronen. Die Absorption von thermischen Neutronen, die von Atomkernen eingefangen werden, ist komplizierter.

176 A. Radiogene Isotopensysteme

P()0 N()0 = [GL 190] λρε+ / Λ mit λ = Zerfallskonstante des kosmogenen Radionuklids [a-1] und ε = Denudationsrate [cm/ a]. Sie wird also bestimmt durch die Produktion durch kosmische Strahlung und den Ver- lust durch radioaktiven Zerfall und Denudation an der Erdoberfläche. Der Quotient Λ/ρ ist ein Maß für die Absorptionstiefe der Nukleonen im Target (Tiefe, in welcher die Produkti- onsrate auf 1/e gesunken ist. Bei bekannten Produktionsraten P(0) kann GL 190 zur Abschätzung der Denudationsgeschwindigkeit ε benutzt werden, nachdem N(0) gemes- sen worden ist. Wenn eine Landoberfläche vor relativ kurzer Zeit t rasch freigelegt wurde (z.B. durch einen Bergsturz[289], den Rückzug eines Gletschers[290] oder den Impakt eines Meteoriten[291]), ist das Gleichgewicht von Produktion und Zerfall des kosmogenen Radio- nuklids, das durch GL 190 beschrieben wird, noch nicht erreicht, und die Gleichung ist zu modifizieren:

P()0 ⎛ −+()λρε/Λ t ⎞ N()0 = ⎜1− e ⎟ [GL 191] λρε+ / Λ ⎝ ⎠ Wenn t in der Größenordnung der Halbwertszeit des kosmogenen Radionuklids liegt (bei hohen Denudationsraten, das sind mindestens einige Zentimeter pro 1000 Jahre, auch bereits erheblich darunter), wird e-(λ+ρε/Λ)t typischerweise klein, und GL 191 geht gegen GL 190. Solange t unbekannt ist, hat man in GL 191 mit t und ε zwei Unbekannte. In diesem Fall führt die Kombination von zwei kosmogenen Radionukliden zu einem besseren Ergeb- nis. Außerdem ist das Verhältnis zweier kosmogener Radionuklide nicht abhängig von der Höhe über dem Meeresspiegel und der geographischen Breite, die beide die Intensität der kosmischen Strahlung bestimmen. In der Regel wird 26Al als zweites Nuklid verwandt, wie bereits früher in diesem Kapitel beschrieben:

⎛ −+()λρε/Λ t ⎞ − 26 ()λρε+ Λ ⎝⎜1 e ⎠⎟ N()0 P()0 26 10 / 26 = [GL 192] (()λρε+ Λ ⎛ −+()λρε/Λ t ⎞ N()0 10 P()0 10 26 / − 10 ⎝⎜1 e ⎠⎟

Für große Bestrahlungsalter t vereinfacht sich diese Gleichung analog GL 190 zu:

P()0 ()λρε+ /Λ N()0 26 = 26 10 (()λρε+ Λ [GL 193] N()0 10 P()0 10 26 / Für große Denudationsraten ε wird λ klein gegen ρε/Λ, und das Verhältnis der beiden kos- mogenen Radionuklide an der Oberfläche entspricht ihrem Produktionsverhältnis, für wel- ches ein Wert von 6.1 abgeleitet wurde[290]:

N()0 P()0 26 = 26 [GL 194] N()0 10 P()0 10 Der andere Extremfall ergibt sich aus GL 192, wenn die Denudationsrate ε gegen 0 geht:

−λ − 26t N ()0 P()0 λ ()1 e 26 = 26 10 [GL 195] λ −λ t N ()0 10 P()0 10 26 ()1− e 10

Wenn dann noch die Bestrahlungsdauer t einige Halbwertszeiten des 10Be groß ist, verein- facht sich diese Gleichung weiter:

177 Kosmogene Radionuklide

λ N()0 26 = P()0 26 10 λ [GL 196] N()0 10 P()0 10 26

Mit der Produktionsrate P(0)26/P(0)10 = 6.1 errechnet man daraus ein minimal mögliches Verhältnis von ≈2.9. Ergebnisse von Modellrechnungen der Variation des 26Al/10Be-Ver- hältnisses als Funktion von 10Be sind in Abbildung 135 dargestellt.

7 105 a t = 102 a103 a104 a 106 a, 107 a 105 a 6 6 -1 10 a ε = 10 cm/a 10-2 cm/a -3 10 cm/a 107 a 106 a 5 106 a 10-4 cm/a Be-10 /N

Al-26 4 N 107 a 10-5 cm/a ε = 0.001 cm/a 107 a 3 10-6 cm/a ε = 0.0001 cm/a

ε = 0.00001 cm/a

2 102 103 104 105 106 107 108 NBe-10

ABBILDUNG 135 Produktionsverhältnis von 26Al/10Be als Funktion des auf Meereshöhe und 10 [288] hohe Breiten normierten Be-Gehaltes ; für P(0)10 wurde 6 angesetzt, für P(0)26/P(0)10 ein Wert von 6.1. Die untere begrenzende Kurve entspricht dem Fall großer Bestrahlungsalter (GL 193), die obere Kurve dem Fall einer Denudationsrate von 0 (GL 195). Das maximal mögliche Verhältnis von 26Al/ 10Be wird aus GL 194 zu 6.1 errechnet, das minimale aus GL 196 zu 2.88. Außerdem sind nach GL 192 drei Kurven aufgetragen für Denudationsraten ε von 0.00001, 0.0001 und 0.001 cm/a). Man erkennt, daß diese Kur ven auf der Kurve für große Bestrahlungsalter beginnen und auf derjenigen für eine Denudationsrate von 0 enden. Datenpaare, die ins Feld unterhalb oder links der Begrenzungskurve für große Bestrahlungsalter fallen, deuten darauf hin, daß die Bedingungen der Modellrechnung nicht gegeben waren, insbe- sondere auf eine zusätzliche zweitweise Abschirmung der Probenoberfläche, z.B. durch Eis. Datenpaare oberhalb oder rechts der oberen begrenzenden Kurve sind schwer interpretierbar und sollten nicht auftreten. Wegen der starken Abhängigkeit der Produktionsraten von der Höhe und der nicht ver- nachlässigbaren Abhängigkeit von der geographischen Breite werden die gemessenen Kon- zentrationen an kosmischen Radionukliden auf Meeresniveau und hohe Breitengrade (≥60°) normiert, um sie vergleichbar zu machen. Die Höhenabhängigkeit des Luftdrucks p(z) kann berechnet werden nach[292]:

178 A. Radiogene Isotopensysteme

⎧ gM ⎫ pz()=− p exp⎨ ⎣⎡ lnTTz −− ln()ξ ⎦⎤⎬ [GL 197] sss⎩ R ξ ⎭

Darin steht z für die Höhe über dem Meeresspiegel [m], ps für den Luftdruck in Meereshöhe -2 ξ [1013.25 hPa = 1033.2 g/cm ], Ts für die Temperatur in Meeresniveau [288.15 K]; korri- giert die adiabatische Temperaturzunahme mit (abnehmender) Höhe. M steht für das Mol- gewicht von Luft, g für die (mittlere) Schwerebeschleunigung und R für die Gaskonstante. Das ergibt für (gM/R)

⎡ ⎤ ⎢ ⎥ × ()m/s2 × (() kg/Mol gM = 9.. 81 0 02896 = ⎢ = K ⎥ 0. 03417 ⎢ 2 ⎥ R 8. 3145 ⎢ kg m m ⎥ ⎣⎢ sKMol2 ⎦⎥ In der Antarktis sind die Drücke in Meereshöhe um 20 – 40 hPa niedriger als anderswo; hier gilt näherungsweise[292]: × pAnt(z) = 989.1 exp(-z/7588) [GL 198] Die Umrechnung der Konzentration an kosmogenen Radionukliden, die durch Nukleo- nenbestrahlung produziert werden (Spallation), auf Meeresniveau und hohe Breiten ergibt sich durch Division der gemessenen Konzentration durch Sφ(P), wobei φ für den Breiten- grad steht (oder durch Multiplikation der Produktionsrate für Meereshöhe und hohe Brei- ten mit Sφ(P)):

23 Spφ ()=+ ab exp() − p /150 ++ cpdpep + [GL 199]

mit den in Tabelle 14 angegebenen Koeffizienten a, b, c, d und e. Für p ist der nach GL 197 aus der Höhe errechnete Druck p(z) einzusetzen. Diese Gleichung ist bis in ca. 6000m Höhe gültig. Für die Variation der Produktionsraten in Abhängigkeit von der Breite errechnet man Unterschiede zwischen knapp einem Faktor 2 (auf Meeresniveau) und einem Faktor 3 (in 6000m Höhe). Der Unterschied in den Produktionsraten auf Meereshöhe und in 6000m Höhe macht rund das 30fache (am Äquator) bzw. das 50fache (in hohen Breiten) aus.

TABELLE 14: Koeffizienten für GL 199 als Funktion der geographischen Breite[292]

Breite a b c d e M,1013.25 0 31.8518 250.3193 -0.083393 7.4260E-05 -2.2397E-08 0.587 10 34.3699 258.4759 -0.089807 7.9457E-05 -2.3697E-08 0.600 20 40.3153 308.9894 -0.106248 9.4508E-05 -2.8234E-08 0.678 30 42.0983 512.6857 -0.120551 1.1752E-04 -3.8809E-08 0.833 40 56.7733 649.1343 -0.160859 1.5463E-04 -5.0330E-08 0.933 50 69.0720 832.4566 -0.199252 1.9391E-04 -6.3653E-08 1.000 ≥60 71.8733 863.1927 -0.207069 2.0127E-04 -6.6043E-08 1.000

Die Produktionsraten an kosmogenen Radionukliden, die durch negative Myonen verur- sacht werden, sind weniger höhenabhängig (≈ eine Zehnerpotenz zwischen 0 und 6000m):

=− Mpφφ() M,.1013 25 exp([]1013 . 25 p )/ 242 [GL 200]

mit Mφ,1013.25 wie in der letzten Spalte von Tabelle 14 angegeben. Die Gesamtmenge an kos- mogenen Radionukliden wird durch Spallation und durch Myoneneinfang erzeugt:

179 Kosmogene Radionuklide

=+− Fpφφ() fSpsp ()()1 f sp M φ () p [GL 201]

10 wobei fsp für den relativen Anteil steht, der durch Spallation gebildet wird. Für Be und 26Al in Quarz können die Werte 0.844 bzw. 0.826 verwendet werden[292]. Andere Autoren gelangen allerdings zu etwas höheren Anteilen für die Produktion durch Myonen[293]. GL 190 und GL 193 können zur Abschätzung der Denudationsrate durch Analyse von Sedi- menten in Ablagerungsgebieten verwendet werden[287]. Im günstigsten Fall – z.B. wenn die Denudationsrate im Einzugsgebiet zeitlich und räumlich uniform ist, wenn das Sedimen- tationsalter klein ist gegen die Dauer der Denudation, und wenn ρε/Λ > λ – erhält man dadurch einen Mittelwert für das ganze Einzugsgebiet, aus dem diese Sedimente stammen. Auf diese Weise konnten für das Einzugsgebiet der Wutach im Südschwarzwald z.B. Denu- dationsraten von einigen Zentimetern pro Jahrtausend abgeleitet werden[294]; in jungen Hochgebirgen können die Werte dagegen eine Zehnerpotenz höher sein[287]. 15.3 Kosmogene Radionuklide in der Kosmochemie Die Hauptanwendung der kosmogenen Radionuklide in der Kosmochemie ist die der Bestimmung von „Bestrahlungsaltern“ von Meteoriten (oder der Mondoberfläche). Die Meteorite werden als Bruchstücke größerer Körper interpretiert, insbes. der Asteroide im Asteroidengürtel unseres Sonnensystems. Einige Meteorite stammen sehr wahrscheinlich vom Mond; für andere (die SNC-Meteorite) wird sogar eine Herkunft vom Mars diskutiert. Bevor die Meteoroide als Meteorite auf die Erde fielen, waren sie unterschiedlich lange Zei- ten dem ungeschützten Bombardement durch die kosmische Strahlung ausgesetzt, weil sie weder über eine abschirmende Atmosphäre noch über ein Magnetfeld verfügen. Beim Durchfallen der Atmosphäre können die Meteorite durch Ablation einen wesentlichen Teil ihrer Masse einbüßen – mehrere Dezimeter große Körper typischerweise einige Zentimeter . Die kosmogenen Radionuklide, die man in dem auf die Erdoberfläche auftreffenden Kör- per, also dem Meteoriten, findet, stammen daher aus dem Innern des Meteoroiden und sind vor allem durch den hochenergetischen Teil der kosmischen Strahlung, also die galak- tische Komponente, erzeugt worden. Als grobes Maß für die Eindringtiefe der Nukleonen der kosmischen Strahlung in einen Meteoroiden kann man sich 1 – 2m merken. Durch Messung der Gehalte an kosmogenen Radionukliden lassen sich zwei Arten von Altern bestimmen, nämlich das Bestrahlungsalter, also die Zeit zwischen der Loslösung der Meteoroide von ihrem Mutterkörper und dem Fall auf die Erde, sowie das terrestrische Alter, also die Zeit zwischen ihrem Fall und dem Fund bzw. der Analyse.

Die Produktionsrate Ps eines Spallationsnuklids läßt sich unter Annahme einer kugelförmi- gen Gestalt des Meteoriten aus der Aktivierungsgleichung errechnen (übernommen aus [295]):

∞ PRd(),,,= ∑∑∫ Nσ () EΦ ( ERddE ) [GL 202] sE=0 i ij j i j mit i = Targetnuklid j = Teilchenart

Ni = Anzahl der Targetnuklide σ ij = Wirkungsquerschnitt der Reaktion Φ j = Teilchenfluß am Probenort E = Teilchenenergie R = Radius des Meteoriten d = Abschirmtiefe (unter Meteoritenoberfläche) des Targetnuklids.

180 A. Radiogene Isotopensysteme

Die Summierung über i erfolgt, weil ein Radionuklid aus mehreren Targetkernen entstehen kann, und die Summierung über j, weil mehrere Teilchenarten das Radionuklid produzie- ren können. Aus dieser Formel geht hervor, daß die Produktionsraten von einer Reihe von Faktoren abhängen, z.B. von der Art und Energieverteilung des erzeugenden Teilchens der kosmischen Strahlung, der Zusammensetzung des Meteoriten, von der Intensität der kos- mischen Strahlung am Ort der Meteoroidenflugbahn oder der Bestrahlungsgeometrie. Die Intensität der kosmischen Strahlung scheint in den letzten ≈109a innerhalb eines Fak- tors 2 konstant gewesen zu sein (zitiert bei [259]). Die Bestrahlungsalter der Meteorite machen jedoch nur einen Bruchteil dieser Zeitspanne aus. Nimmt man daher konstante Bestrahlungsbedingungen für die Meteoroide an, dann läßt sich die induzierte Aktivität A eines kosmogenen Radionuklids berechnen nach trad

−λt ARdARd(),,= ()×−()1 erad [GL 203] trad sat

wobei trad das Bestrahlungsalter ist und Asat die Sättigungsaktivität, die sich einstellt, wenn der Meteoroid einige Halbwertszeiten des betrachteten kosmogenen Radionuklids lang der kosmischen Strahlung ausgesetzt war. In diesem letztgenannten Fall läßt sich natürlich kein Bestrahlungsalter mehr berechnen. Prinzipiell ist Asat bei bekannter Produktionsrate zu errechnen. Wenn das Bestrahlungsalter in der Größenordnung der Halbwertszeit des kosmogenen Radionuklids liegt, läßt es sich aus der obigen Gleichung leicht ermitteln zu

⎛ ⎞ 1 At t =−ln⎜1 − rad ⎟ rad λ ⎝ A ⎠ sat

ein Quadrat repräsentiert jeweils einen Meteoriten

0 250 500 750 53Mn-Sättigungsaktivität [dpm/kg Fe] von Steinmeteoriten

ABBILDUNG 136 Die 53Mn-Sättigungsaktivitäten von Steinmeteoriten geben Hinweise auf ihr Bestrahlungsalter. Die Bestrahlungsalter werden in der Regel mit Hilfe langlebiger kosmogener Radionuklide errechnet, z.B. 10Be, 26Al oder 53Mn. Auch die Kombination von 2 Radionukliden, z.B. 53 Mn und 26Al ist vorteilhaft anwendbar. Dafür ergibt sich die Bestimmungsgleichung:

181 Kosmogene Radionuklide

−λ ⎛ 53 ⎞ ⎛ 53 ⎞ − 53 trad Mn = Mn × 1 e ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ −λ [GL 204] ⎝ 26 ⎠ ⎝ 26 ⎠ − 26 trad Al radAl sat 1 e Da hier das Verhältnis zweier kosmogener Radio- 1.0 nuklide eingeht, ist diese -λtrad Gleichung nur wenig emp- 1 – e findlich gegenüber tiefen- 0.8 abhängigen Variationen der Produktionsraten.

sat 0.6 53Mn wird fast ausschließ-

lich durch Spallation von A/A Fe gebildet, 26Al aus Al und 0.4 Si[295] und 10Be aus O und/ -λt oder Mg und/oder Si[295] . e ter Da verschiedene Meteorite 0.2 aus ein- und derselben Klasse sich in ihrem Che- 0 mismus meist nur wenig 0 2 4 6 8 10 unterscheiden, hat man für trad/t1/2 bzw. tter/t1/2 diese Klassen Sättigungsak- tivitäten für einige kosmo- ABBILDUNG 137 Exponentialfunktionen zur Beschreibung des gene Radionuklide ableiten Anstiegs der Aktivität mit der Bestrahlungszeit und ihres Abklin- können. Abbildung 136 gens mit der Verweilzeit auf der Erde zeigt 53Mn-Sättigungsakti- vitäten für eine ganze Reihe von Steinmeteoriten (zusammengestellt von [295]). Selbst innerhalb dieser diversen Gruppe schwanken die Asat-Werte nur relativ wenig; und selbst ohne weitere Aufgliederung in Klassen sollte man mit Hilfe eines aus dem Histogramm abgeleiteten Mittelwertes das 53Mn-Bestrahlungsalter auf einen Faktor ≈2 genau bestim- men können. Unwägbarkeiten der Bestimmung ergeben sich aus der Variation der solaren Komponente der kosmischen Strahlung entlang der Umlaufbahn des Meteoroiden. V on ihr hängen die Produktionsraten der kosmischen Radionuklide zum Glück nicht entschei- dend ab, weil ihre Eindringtiefe in den Körper infolge ihrer vergleichsweise niedrigen Ener- gie gering ist. Daneben gibt es auch die Mög- lichkeit, Bestrahlungsalter mit- 30 tels stabiler kosmogen entstan- dener Nuklide zu ermitteln.

Wichtig dabei ist, daß es sich ] onsrate

g 20 i t dabei um Nuklide von k k Elementen (mit mehreren sta- Korrelation zwischen bilen Isotopen) handelt, die in [dpm/ den Meteoriten nur in sehr 10 10Be- Produktionsraten und niedrigen Konzentrationen Be-Produ 21Ne- Bestrahlungsaltern 10 vorliegen, so daß sich massen- für L- und H-Chondrite spektrometrisch große Ver- schiebungen der Isotopenzu- 10 20 30 40 50 sammensetzung messen 21Ne-Bestrahlungsalter [106a] lassen. Solche Elemente sind vor allen Dingen die Edelgase ABBILDUNG 138 Da die Bestrahlungsalter der meisten Me- 3 mit den Nukliden He (natürli- teorite einige Millionen Jahre betragen, liegt die Aktivität von che Häufigkeit 0.000137%), 10Be in der Sättigungsaktivität. 21Ne (0.257% – entsteht dur ch

182 A. Radiogene Isotopensysteme

Spallation aus Mg, Si, Al und Na) und 38Ar (0.063%). Die Konzentration c solcher stabiler kosmogener Nuklide steigt in den Meteoroiden linear mit der Bestrahlungsdauer an: × c = Ps trad [GL 205]

40

30

20 H-Chondrite Anzahl

10

0 0 102030405060 Bestrahlungsalter [Ma]

ABBILDUNG 139 Verteilung der Bestrahlungsalter (vorwiegend 22Ne/21Ne) von H-Chondriten Mit dem Fall des Meteoriten auf die Erde endet die Produktion, und die Isotopenverhält- nisse von z.B. 22Ne/21Ne ändern sich nicht mehr. Demgegenüber klingt die induzierte Akti- vität der kosmogenen Radionuklide aber nach dem Fall der Meteorite ab. Die terrestrischen Alter tter der Meteorite lassen sich daher prinzipiell ebenfalls errechnen, und zwar als:

⎛ ⎞ −λt 1 A =×ter ⇒=⎜ sat ⎟ AAetsat tter ln [GL 206] ter λ ⎝⎜ A ⎠⎟ tter Zu ihrer Berechnung eignen sich auch kurzlebige kosmogene Radionuklide wie 14C oder 59Ni, da in den meisten Fällen die terrestrischen Alter der Meteorite klein sind gegenüber ihren Bestrahlungsaltern. In Abbildung 137 sind AAt sat und AAt sat gegen den Fak- rad ter ≈ tor t/t1/2 aufgetragen. Bei der Bestrahlung ist die Sättigungsaktivität bereits nach 5 Halb- wertszeiten erreicht. Abbildung 138 zeigt die Ergebnisse einer Korrelation von 10Be-Produk- tionsraten mit 21Ne-Bestrahlungsaltern[296]. Wie sich erkennen läßt – und wie wohl auch zu erwarten war, liegt in Meteoriten mit Ne-Bestrahlungsaltern >10 Ma das 10Be in der Sätti- gungsaktivität vor. Abbildung 139 und Abbildung 140 zeigen Bestrahlungsalter von Edelgasen, vorwiegend auf der Basis von 22Ne/21Ne berechnet (nach Angaben in[259]). Auffallend ist das Maximum für die H-Chondrite, eine Klasse reduzierter (hohes Fe0/∑Fe) Chondrite, bei ≈5 Ma, was als Auseinanderbrechen ihres Mutterkörpers zu jener Zeit interpretiert wird. Die übrigen Typen zeigen nur schwach ausgebildete oder gar keine Maxima.

183 Kosmogene Radionuklide

Die terrestrischen Alter kön- 12 nen z.T. recht hoch sein in 10 Klimaten, in denen die Ver- L-Chondrite witterungsvorgänge langsam 5 ablaufen. Z.B. können sie in den antarktischen Eisfeldern Anzahl einige 105a betragen, wäh- 0 rend Steinmeteorite in unse- 0 10203040 rem Klima bereits nach LL-Chondrite ≈102 – 103a zerfallen und 4 dann nicht mehr als Meteo- 0

rite zu erkennen sein wer- Anzahl den. Eisenmeteorite halten 0 10203040 6 sich auch in unserem Klima C-Chondrite länger, da sie an der Oberflä- che eine Art Passivierungs- 0 schicht ausbilden. 0 10203040 Ein etwas überraschender 10 Befund ergibt sich, wenn Achondrite man Tiefenprofile der kos- mogenen Nuklide mißt, d.h. ihre Produktionsraten in Anzahl Anzahl 0 Abhängigkeit von der Posi- tion im Meteoriten. Ein Bei- 0 25 50 75 100 spiel dafür ist in Abbildung Bestrahlungsalter [Ma] 141 gegeben für 10Be im L5- Chondriten Knyahinya[296]. ABBILDUNG 140 Verteilung von Bestrahlungsaltern (vorwie- gend 22Ne/21Ne) von anderen Chondrittypen sowie von Achondriten 10 Danach steigt die Be-Produktion 30 von der Oberfläche des Meteoriten bis ≈30cm tief ins Innere hin an, obwohl die Intensität der kosmischen 28 ]

Strahlung in dieser Richtung infolge g k zunehmender Abschirmung natür- lich stark sinkt. Die Ursache dieses 26 Anstiegs ist darin zu sehen, daß in den obersten Schichten eines Meteo- roiden die Produktion an energierei- 24 onsrate [dpm/ onsrate i chen Sekundärteilchen durch die kos- t k mische Strahlung zunimmt und deren Abfall überkompensiert und in 22 einer Tiefe von ≈30 – 40 cm in Stein- Be-Produ ⁰

meteoriten ein Maximum erreicht. ¹ 20 Da diese Sekundärteilchen aber auch Tiefenprofil für ¹⁰Be im zur Bildung der kosmogenen Radio- L5-Chondriten Knyahinya nuklide beitragen, beobachtet man 18 von der Oberfläche bis in Tiefen von 0 10203040 30 – 40 cm charakteristischerweise Abstand vom Zentrum des Meteoriten [cm] einen Anstieg der Produktionsraten und erst anschließend ein Abfallen. ABBILDUNG 141 Vielfältig sind die Effekte, die zu den Tiefenprofilen der Produktionsraten von kosmogenen Radionukliden in Meteoriten beitragen.

184 A. Radiogene Isotopensysteme

15.4 Die Beschleuniger-Massenspektrometrie Wegen der Bedeutung der Beschleuniger-Massenspektrometrie für die Analyse der kosmo- genen Radionuklide sei sie hier abschließend kurz skizziert (nach Angaben in [295],[297]; für einen ausführlichen Review siehe[298],[299]). Abbildung 142 zeigt die Anordnung an der Rut- gers University/New Brunswick (New Jersey). Ein Strahl positiv geladener Ionen (insbes. von Cs+) erzeugt durch Oberflächenzerstäubung („sputtering“) negative Ionen, z.B. von BeO– oder von Al–. Diese werden mittels einer Zugspannung (z.B. 30 – 50KeV) aus der Ionenquelle extrahiert und auf einen ersten Elektromagneten fokussiert, der die Ionen so ablenkt, daß nur noch die gewünschten Spezies in den Tandem van de Graaff-Beschleuni- ger gelangen. Dort werden die Ionen zunächst auf das in der Mitte des Tanks gelegene „Ter- minal“ hin beschleunigt, das z.B. für BeO–-Messungen auf +4 – +6MV geladen ist. Hier befindet sich ein sogenannter „stripper“ – entweder eine gasgefüllte Zelle oder eine wenige μm dünne C-Folie. Dieser stripper dient dazu, von den mit hoher Energie anfliegenden Ionen (+4 – 6MeV) Elektronen abzustreifen und sie zu positiven Ionen umzuladen. V iele molekulare Isobare werden dabei zerstört. Die positiven Ionen werden dann auf das auf Erdpotential liegende Ende des Tandems beschleunigt, wobei sie je nach Ladungszustand Energien bis zu 30MeV erreichen können (z.B. 22MeV im Fall von Be3+). Anschließend selektiert ein elektrostatischer Analysator Ionen des gewünschten Ladungs- und Energiezu- standes. Die Ionen werden dann im Feld eines zweiten Elektromagneten mit einer Auflö- sung von M/ΔM≈500 nach ihren Massen getrennt und noch störende Ionen durch Aufpral- len auf Schlitze herausgefiltert. Ein „post stripper“ wandelt den größten Teil der Be3+-Ionen in Be4+-Ionen um, aber nur einen kleinen Teil des mit 10Be isobaren 10B3+. Dadurch kann anschließend das störende B abgetrennt werden. In einem abschließenden Detektorsystem werden die Ionen des Radionuklids in einem Teilchendetektor nachgewiesen, der den linearen Energieverlust ΔE und die Restenergie E der eintretenden Ionen mißt. Die im Ver- gleich dazu hohen Ströme der stabilen Isotope werden mit einem gewöhnlichen Faraday- Auffänger gemessen.

Magnetic Tandem van de Graaff Inflection Wien Analyzing Spectrograph Filter Magnet (20°) O2 gas stripper Magnet (90°) Mylar Foil – Be3+ BeO Slits ΔE–E–xE Negative Carbon foil post-stripper Detector Detector Ion Source Removable slant Au foil Be4+ Switching Magnet (65°) Switching Magnet (55°)

ABBILDUNG 142 Skizze der Funktionsweise eines Beschleuniger-Massenspektrometers

185 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

16.0 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

Die Edelgase beziehen ihre Bedeutung aus ihrer geringen Häufigkeit in der Erde und ihrem inerten Charakter. Da verschiedene Isotope der Edelgase verschiedenen nuklearen Ursprungs sind, lassen sich mit ihrer Hilfe sowohl Prozesse im frühen Sonnensystem ver- folgen als auch z.B. die Entgasungsgeschichte der Erde einschließlich der Bildung der Atmosphäre. Ausgestorbene Radionuklide sind solche, die im frühen Sonnensystem vor- handen waren, aber infolge ihrer kurzen Halbwertszeiten längst vollständig zerfallen sind. Hinweise auf ihre frühere Existenz liefern Isotopenanomalien des Elementes, dem das Tochternuklid angehört. Ursprünglich eventuell vorhandene Isotopenanomalien sind auf der Erde infolge ihrer komplexen thermischen Geschichte längst verschwunden mit der möglichen Ausnahme der Xe-Isotope, so daß die Beschäftigung mit ausgestorbenen Radio- nukliden weitgehend eine Domäne der Kosmochemiker ist, während alle Edelgase sowohl geo- als auch kosmochemisch von Interesse sind. 16.1 3He/4He primordiales He Die terrestrische Variation 10-4 des Verhältnisses der beiden stabilen He-Isotope 3He und verarmter Mantel 4He macht gut 4 Zehnerpo- tenzen aus und liegt zwi- 10-5 MORB schen ≈10-9 in U-Mineralen und 5×10-5 in Basaltlaven von Hot Spots. Das niedrige 10-6 Verhältnis im erstgenannten Fall ist auf den α-Zerfall des gemessen Urans zurückzuführen. Läßt

He) -7 man solche Uranminerale 4 10

fort, dann macht die Varia- He/ 3 tion aber immer noch 3 Grö- ( ßenordnungen aus und 10-8 Gesteinsarten: kann dann, mit wenigen saure Ausnahmen, dur ch intermediäre Mischung von 3 Endkompo- nenten erklärt werden, näm- 10-9 basische lich von atmosphärischem He Li-Minerale mit 3He/4He ≈1.4×10-6, radio- U-Minerale ≈ -7 genem He ( 10 ) und Erd- 10-10 ≈ -5 mantel-He ( 10 ). Die Isoto- 10-10 10-9 10-8 10-7 10-6 10-5 penfraktionierung infolge (3He/4He) von thermischer Diffusion berechnet sollte bei beiden Isotopen naturgemäß hoch sein; sie ABBILDUNG 143 Variation der He-Isotopien in Gesteinen und sinkt jedoch mit steigender Mineralen Temperatur und spielt bei Tieftemperaturprozessen sicherlich eine Rolle. Zur Erklärung der terrestrischen He-Isotopenvariation reichen solche Effekte aber nicht aus. In der Erdatmosphäre ist He mit einer Häufigkeit von 5.24 Vol.ppm vorhanden bei einem 3He/4He-Verhältnis von (1.39±0.01) ×10-6. Als Folge der raschen Durchmischung der Atmo- sphäre (≈10a) ist dieses Isotopenverhältnis global recht konstant, und die Atmosphäre wird daher als bequemer He-Isotopenstandard verwandt und mit RA bezeichnet. Die Residenz- zeit des He in der Erdatmosphäre liegt bei ≈106a, d.h. ein He-Atom entweicht innerhalb dieser Zeit im Durchschnitt in den Weltraum, 3He erheblich rascher als 4He.

186 A. Radiogene Isotopensysteme

Die radiogene Komponente hat ihren Ursprung in U-und Th-reicher Umgebung, d.h. vor allen Dingen in der kontinentalen Erdkruste. Typische R/RA-Verhältnisse liegen bei 0.1 – 0.01 (R = 3He/4He im betrachteten Reservoir). Das 3He dieser Komponente wird auf die 6 α 3 →3 ≈ Kernreaktion Li(n, ) H He zurückgeführt. R/RA-Verhältnisse bis zu 9 sind in Spodu- men gefunden worden und Verhältnisse um 10-3 in U-Mineralen. In Abbildung 143 sind berechnete gegen gemessene 3He/4He-Verhältnisse aufgetragen. Die Gerade mit positiver Steigung verbindet 3He/4He-Verhältnisse von U-reichen Mineralen mit Li-reichen[300] (etwas U muß natürlich zur Produktion von Neutronen vorhanden sein) Mineralen.

Helium mit R/RA>1 (bis >30) findet sich in Basaltgläsern verschiedener geotektonischer Umgebung (MORB, Subduktionszonen, Ozeaninseln) und auch in geothermisch aktiven Gebieten oder kontinentalen Hot Spots. Hohes R/RA scheint daher eine Signatur des Erd- mantels zu sein, der arm an den α-Strahlern U und Th ist. Das 3He dieser Komponente wird meist als primordiale Komponente angesehen, welche bei der Akkretion der Erde eingebaut wurde. Alternativ könnte es sich um alte (archaische) subduzierte Ozeankruste handeln, deren hohes 3He/4He geringen U- und Th-Gehalten zuzuschreiben ist, durch welche die He-Isotope nahezu eingefroren bleibt[301].

10-2 Sonnen- primordiale wind 103 Verhältnisse aus (relat -3 10 Meteoriten iv zum atmosph Mischungslinien 102 10-4 zwischen Luft und Hot Spots Komponenten mit 3 He/ R/RA = 10 1 He 10

4 -5 4

10 ä He r

MORB i schen Verh He/ 3 Luft 1 100 10-6

Kruste ä 0.1 ltn -1

10 i 10-7 s)

0.01 10-2 10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 3He/Ne

ABBILDUNG 144 He-Isotope und 3He/Ne-Verhältnisse terrestrischer und anderer Materialien [302] ≈ Wie Abbildung 144 zeigt , haben MORB ein ziemlich konstantes R/RA von 8 – 9 (bei weiter 3He/Ne-Variation), während ozeanische Hot Spots wie Hawaii ein noch höheres R/ RA aufweisen (aber auch eine größere Variation, die in der Skizze nicht voll erfaßt ist), was damit erklärt wird, daß sie tiefere Mantelniveaus beproben als MORB. Island, das auf dem Mittelatlantischen Rücken und zugleich über einem Hotspot sitzt, zeigt in seinen Basalten ≈ R/RA-Werte, die von MORB-Verhältnissen bis zu typischen Plume-Werten von 30 rei- chen[303]. Reines primordiales He mag durch den Sonnenwind oder die primordialen Edel- gase in Meteoriten gegeben sein. Das zeigt an, daß auch der Erdmantel nur noch eine geringe primordiale He-Signatur aufweist. Die Konzentration der beiden He-Isotope in der Atmosphäre wird durch eine dynamische Balance zwischen Gewinn durch Diffusion aus der festen Erde plus kosmische Strahlung einerseits und Verlust in den Weltraum andererseits eingestellt. Da die diversen He-Quellen

187 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

unterschiedliche Isotopenzusammensetzungen haben und beim Diffusionsverlust in den Weltraum das 3He bevorzugt wird, ist damit zu rechnen, daß im Lauf der geologischen Geschichte die atmosphärische He-Zusammensetzung nicht konstant war. Tabelle 15 ver- mittelt einen ungefähren Überblick über die irdische Gewinn- und Verlustrechnung für die beiden He-Isotope.

TABELLE 15: Abschätzungen der irdischen He-Bilanz (nach J.E. Lupton) 3He-Fluß 4He-Fluß (Atome/(cm2 s1) (106 Atome/(cm2 s1) Quellen: Sonnenwind ≈5 – (?) interstellares Gas ≈5 – primordialer Fluß (Ozeane) 4 – 5 – primordialer Fluß (Land) 1 – 10? – galaktische Strahlung ≈1 – kosmischer Staub + Meteorite <1 – Wechselwirkung der galaktischen Strah- ≈0.6 – lung mit Materie radiogen: kontinentale Kruste ≈0.1 3 radiogen: ozeanische Kruste – ≈0.3 ∑ 16? ≈3 Verluste: thermisches Entweichen 6 0.1? nicht-thermisches Entweichen 1 2 – 8 ∑ 7 2 – 8

Die Erkenntnis, daß R/RA von aus dem Erdmantel Oahu stammenden Gesteinen wesentlich höher als das Maui der Atmosphäre ist, hat Salt Lake Haleakala: seit Mitte der 1970er Jahre Crater: 17–37 zu einer intensiven Unter- 7.5–8.1 Hawaii suchung solcher Gesteine und der Fahndung nach Hualalai: 9–13 primordialem Helium in 8.2; 10.6 der Erde geführt (z.B. Kilauea: 3 4 3 4 [304]). Der Befund, daß [ He/ He]Probe/[ He/ He]Luft- 14–18 MORB ein relativ konstan- Verhältnisse für Proben der tes R/RA um 8 – 9 haben, Hawaii-Inseln und des Loihi- Loihi Sea- war überraschend, und er Seamounts mount: 20–32 wurde dahingehend inter- pretiert, daß das He im Erdmantel gut durch- ABBILDUNG 145 He-Isotopien verschiedener Basalte auf Hawaii mischt ist, während andere Isotopensysteme das Gegenteil anzeigen. Es kommt noch hinzu, daß 3He im Mantel primordial, 4He aber größtenteils aus Th und U entstanden ist, so daß die Konstanz der He- Isotopenzusammensetzung letztlich ein ziemlich konstantes (Th+U)/He des Mantels nahe- legt. Helium mit Mantelisotopie findet man nur in Basaltgläsern, also den abgeschreckten Rän- dern von Pillows, während deren Inneres infolge von Diffusion entlang Korngrenzen die

188 A. Radiogene Isotopensysteme

He-Isotopie des Meerwassers angenommen hat, woraus sich auch schließen läßt, daß die kristallinen Phasen bei der Kristallisation ihr He weitgehend verlieren. Andererseits wird auch argumentiert, daß Olivine He-reiche Gasblasen bei raschem Wachstum umschlie- ßen[305] und daß solche Olivine wegen des niedrigen (U+Th)/He der Gasblasen die Heimat einer Komponente mit hohem R/RA sind, während außerhalb der Olivine in den Basalten [306] hohe (U+Th)/He-Verhältnisse vorliegen, die rasch ein niedriges R/RA entwickeln . Anders als die He-Isotopie variieren die He-Gehalte in ozeanischen Basaltgläsern erheblich um mehr als das 100-fache. Inwieweit He im Lauf der Zeit durch Diffusion aus den Gläsern verloren geht, ist unklar. Wenn es das tut, wird man einen bevorzugten Verlust des leichten ≈ Isotops erwarten. Werte von R/RA bis herab 3, kombiniert mit niedrigen He-Konzentratio- nen sind in 4 – 10 Ma alten Basaltgläsern gemessen worden[304],[307], was für einen Diffusi- onsverlust spricht. Unter den Hot Spots ist Hawaii der best untersuchte und auch der, der das höchste gesi- cherte terrestrische R/RA geliefert hat. Abbildung 145 zeigt einige dieser Meßwerte. Der höchste Wert wurde auf der Insel Maui gemessen. Der Hot Spot sollte sich heute ungefähr unter dem Loihi-Seamount befinden, dem südöstlichsten aktiven Vulkan der Hawaii- Emperor-Kette. Warum auf der Hauptinsel Hawaii niedrigere R/RA-Werte gefunden werden als auf Maui nordwestlich und Loihi südöstlich, ist unbekannt.

Maui

30 Loihi

s Seamount i ltn ä

Island 20 schen Verh i r He ä 4 Samoa Kilauea

He/ Reykjanes- 3 Rücken Réunion Macdonald Seamount RB Guadalupe zum atmosph 10 MO iv Tahiti Gough relat Jan Mayen Tristan da Cunha MAR 33-35°N Azoren Osterinsel

0 0.702 0.703 0.704 0.705 0.706 87Sr/86Sr

ABBILDUNG 146 Variation von He- und Sr-Isotopen in Ozeaninselbasalten und in MORB

Kontinentale Hot Spots haben niedrigere R/RA-Verhältnisse, wohl weil das He hier in der kontinentalen Kruste kontaminiert wird. Vulkanite der Subduktionszonen haben niedri- gere R/RA-Werte als MORB, was anzeigt, daß Anteile aus einer subduzierten Komponente stammen können. Zum Beispiel variiert R/RA in Olivinen von Vulkaniten auf den Antillen zwischen 8.4 – 6.8 auf den nördlichen Inseln (Saba bis Dominica) und 7.6 – 3.6 im Süden (Martinique bis Grenada)[308]. Das stimmt mit den Ergebnissen der Pb-Isotopien überein, die dahingehend interpretiert wurden, daß im Süden des Antillenbogens subduzierte Sedi- mente in der Magmenquellregion vorhanden sind, im Norden dagegen nicht[195].

189 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

Zwar nicht mit Hilfe der He-Isotopie allein, aber unter Hinzunahme der Sr-Isotope läßt sich noch eine weitere Mantelkomponente abtrennen, die als die Tristan-Komponente bezeich- ≈ 87 86 ≈ net und auf Inseln des Südatlantiks gefunden wird; sie hat R/RA 6 – 7 und Sr/ Sr 0.704 – 0.705 und könnte Mantel mit einer subduzierten zugemischten Komponente sein. In einem He-Sr-Diagramm (Abbildung 146) unten sind diese Komponenten mit Ausnahme der Subduktionszonenvulkanite dargestellt (Endglieder: MORB – Hawaii – Tristan da Cunha / Gough). Eine interessante Ergänzung zum 3He/4He stellt das Verhältnis 40Ar/36Ar dar. 40Ar entsteht durch radioaktiven Zerfall von 40K, während 36Ar nur sehr untergeordnet durch Kern- prozesse gebildet werden kann und daher weitgehend primordialen Ursprungs ist (Hier zeigt sich auch die Inkonsequenz der Isotopengeochemiker, da im einen Fall das primor- diale Nuklid im Zähler steht [3He], das andere mal im Nenner [36Ar]). Wie Abbildung 147 erkennen läßt, kann die wesentliche Variation der He- und Ar-Isotope in MORB und Ozeaninselbasalten als Mischung zwischen 3 Endgliedern interpretiert werden, von denen ≈ 40 36 ≈ das eine verarmter Erdmantel ist (D: R/RA 9, Ar/ Ar 16000), dessen Isotopien von den MOR-Basalten nicht ganz erreicht wird, ferner eine Plume-Komponente, die dur ch ≈ 40 36 ≈ Ozeaninseln am besten repräsentiert wird (primitiver Mantel mit R/RA 40, Ar/ Ar 400) 40 36 sowie die Atmosphäre mit R/RA=1 und Ar/ Ar =295.5).

100 10-4 primitiver Mantel relat iv zum atmosph

verarmter 10 10-6 MO RB-Feld Mantel 3 He/ He 4 4 ä He r i schen Verh He/ 3 Luft 1 10-5 Hawaii-Basalte Peridotitxenolithe, ä Hawaii ltn i Diamanten s Peridotitxenolithe, Südafrika 0.1 10-7 102 103 104 105 40Ar/36Ar

ABBILDUNG 147 Relation zwischen He- und Ar-Isotopen für Erdmantelproben[302]. Die Pfeile stellen Obergrenzen der He-Isotopie dar. Ein Modell zur Erklärung dieser Systematik wurde von Hart et al.[309] (1985) entwickelt und ist in Form eines „Kastenmodells“ in Abbildung 148 dargestellt. Die Autoren stellen sich vor, daß der tiefe Mantel (>670km) separat vom oberen Mantel konvektiert. Ein Material- kreislauf zwischen tiefem und oberem Mantel findet nicht statt. Daher hat der tiefe Mantel seine primordiale He- und Ar-Isotopenintegrität behalten. Aufstieg von Plumes vom tiefen in den oberen Erdmantel ist jedoch in dem Modell erlaubt und ist auch mit Daten anderer Isotopensysteme kompatibel. Der obere Mantel bildet zusammen mit Erdkruste und Atmo- sphäre ein weitgehend geschlossenes System. Der Gehalt an 36Ar von oberem Erdmantel + Erdkruste ist klein gegen den atmosphärischen 36Ar-Gehalt. Der Unterschied im 40Ar/ 36 Ar zwischen oberem Mantel und Atmosphäre ist daher durch den unterschiedlichen 40Ar-

190 A. Radiogene Isotopensysteme

Gehalt bestimmt, das in den Gesteinen der Kruste und des oberen Mantels durch 40K fort- während nachgebildet wird. Das hat außerdem zur Folge, daß 40Ar/36Ar im tiefen Mantel und der Atmosphäre nahezu identisch sind (40Ar/36Ar von oberem Erdmantel, Kruste und Atmosphäre sollten identisch mit 40Ar/36Ar des tiefen Mantels sein). 3He/4He ist im unteren Erdmantel am höchsten und in der Atmosphäre am niedrigsten, weil He infolge seines niedrigen Atomgewichts – im Gegensatz zum Ar – in den Weltraum diffundiert, und zwar 3He erheblich rascher als 4He. Inwieweit die Vorstellung, daß der tiefe Mantel ein geschlos- senes System ist, richtig ist, ist schwer zu beurteilen. Eine Reihe von Geophysikern und Petrologen geht davon aus, daß in steil stehenden Subduktionszonen Material in diesen tiefen Mantel gelangt. Ob das die Massenbilanz der Edelgase stört, hängt vor allem davon ab, bis in welche Tiefe in Subduktionszonen Minerale stabil sind, die K sowie U und Th ein- zubauen vermögen.

Die He-Entgasung der ozeanischen He-Verlust Kruste und des darunterliegenden Mantels ist durch Untersuchungen der He-Gehalte der Ozeane ziem- 40 36 Ar, He lich genau bekannt. So hat man Atmosphäre Ar/ Ar ≈ 295 festgestellt, daß über aktiven Teilen 3He/4He ≈ 1.4×10-6 Kruste der mittelozeanischen Rücken regelrechte He-Plumes bestehen, oberer 40Ar/36Ar ≈ 24500 K, U wie z.B. in Abbildung 149 darge- Mantel 3He/4He ≈ 12.6×10-6 stellt. Da Seewasser einen erhebli- chen Teil an atmosphärischem He Plume enthält, sind die Effekte relativ klein und werden daher meist als prozentuale Abweichung δ angege- 40 36 unterer Mantel Ar/ Ar ≈ 400 ben, die definiert ist als 3He/4He ≈ 52×10-6

3 δ()He =−100()RR 1 [GL 207] A 3 Anreicherung von δ( He) bis ≈50% ABBILDUNG 148 Modell zur Erklärung der He- und Ar- über den normalen Seewasserwert Isotopensystematik in verschiedenen Materialien der sind z.B. über dem East Pacific Rise Erde bei 15°S gemessen worden. Die Isotope 238U, 235U, 232Th und 40K sind nicht nur die Tochternuklide von radiogenem He bzw. Ar, sondern auch die Hauptproduzenten der radiogenen Wärme in der Erde. Als Kon- sequenz dessen sind Edelgasproduktion und Wärmeproduktion in der Erde räumlich und zeitlich miteinander gekoppelt. Gegenwärtig werden ≈ 1012 Atome 4He und 2×1011 Atome 40Ar je Joule Wärme gebildet bei „bulk-earth“ K/U- und Th/U-Verhältnissen von 1.3×104 bzw. 3.8. Da die kontinentale Kruste ähnliche Elementverhältnisse hat, sollte obiges Pro- duktionsverhältnis auch für die Kruste gelten. Im oberen Mantel wird dieses Produktions- verhältnis etwas niedriger sein, da das Th/U-Verhältnis hier wohl bei nur ≈2.5±0.2 liegt. Wie bereits eingangs erwähnt, wird ein Teil des 3He durch eine (n,α)-Reaktion aus 6Li gebil- det, wobei die Neutronen aus dem Zerfall von U und Th stammen. Für typische Erdmantel- und Erdkrustenzusammensetzungen dürfte das radiogene Produktionsverhältnis 3He/4He ≤ 5×10-8 betragen[310]. Eine Bildung von 3He durch Zerfall von Tritium, das durch die atmo- sphärischen Kernwaffenexplosionen in den 1950er und 1960er Jahren produziert wurde, wirkt sich zwar in der Atmosphäre und den Ozeanen noch aus, kann aber im folgenden vernachlässigt werden.

191 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

He-Isotopenanomalien im Ozeanwasser entlang des EPR bei 15°S

5 10 1 15 20 25 2 30 35 40 45 Die Zahlen geben Konturen 30 3 von δ3He (%) an. 25

Tiefe [km] Tiefe 20 4 East Pacific Rise 5 1000km0 1000km

130° 120° 110° 100° 90° westliche Länge

ABBILDUNG 149 Konturen von δ3He über und um den East Pacific Rise. Ein riesiger He-Plume markiert die Rückenachse infolge der Entgasung von Basalt und breitet sich mit den Strömungen in mittleren Wassertiefen nach Westen aus.

N o r

d

s Mantelhelium vorhanden e

e

g nur radiogenes Helium

r a

b

e n sy st e m

Eger- graben Pannonisches

Rhein-

graben Becken

Massif Central

3 4 3 4 ABBILDUNG 150 ( He/ He)Probe /( He/ He)Luft -Verhältnisse in der Kruste Mitteleuropas. Ther- malwässer mit R/RA > 0.08 werden als Mantelhelium enthaltend angesehen. Es ist naheliegend, daß eine Mantelkomponente vor allem dort zu identifi- zieren ist, wo es jungen Vulkanismus gibt[310].

192 A. Radiogene Isotopensysteme

Bis zu 50% des Urans und Thoriums der 3 4 Erde finden sich in der kontinentalen Kru- He/ He ste. Nimmt man an, daß im Schnitt die- 10-8 10-7 10-6 10-5 selbe Menge an He aus der Kruste in die Atmosphäre entgast wie in der Kruste Ozeanrücken durch Zerfallsprozesse entsteht, dann ent- spricht dies einem Gleichgewichtsfl uß Sizilien 10 2 [311] von 2.8×10 Atomen/(m ×s) . Nimmt Egergraben man darüber hinaus einen He-Fluß vom Erdmantel in die kontinentale Kruste an, Massif Central der genauso groß ist wie der unter den Oberpfalz Ozeanen, nämlich 5×109 Atome/(m2 × s) bei einem Verhältnis R/RA = 8, dann sollte Pannonisches Becken das Misch-He, das auf den Kontinenten entgast, ein mittleres 3He/4He-Verhältnis Larderello von 1.8×10-6 aufweisen. Da der Unter- Rheingraben schied zwischen primordialem und radio- genem 3He/4He rund 4 Größenordnungen Griechenland beträgt, lassen sich noch Beimischungen Molassebecken von weniger als 1% primordialem in radiogenem He erkennen. Abweichungen Großbritannien werden in beide Richtungen beobachtet. primor- Abbildung 150 und Abbildung 151 zeigen radiogen dial die Ergebnisse von He-Messungen in Europa[310]. Auf den Britischen Inseln wer- 0.01 0.1 110 den ziemlich einheitliche 3He/4He-Ver- R/RA hältnisse beobachtet, die um den Wert des berechneten krustalen Produktionsver- ABBILDUNG 151 Variation der He-Isotopien in ei- ≤ hältnisses schwanken (Mantel-He 0.5% nigen Vulkangebieten in Europa des totalen He). Im Pannonischen Becken, Im Egergraben, im Rheintalgraben und im Massif Central werden wesentlich höhere Ver- hältnisse gemessen, die z.T. typische Mantelheliumwerte erreichen. Generell läßt sich sagen, daß eine Mantel-He-Komponente überall dort vorhanden ist, in der es junge vulka- nische Aktivität gibt bzw. in Gegenden mit Krustenextension. Für unerwartet niedrige 3He/ 4He-Verhältnisse, die man vielerorts in Europa findet, gibt es mehrere Erklärungsmöglich- keiten. Z.B. könnte der aus dem Mantel kommende He-Fluß unter den Kontinenten eine oder zwei Größenordnungen unter dem ozeanischen Mantel-He-Fluß liegen; daneben könnte die krustale Radioaktivität in diesen Gebieten wesentlich höher sein als erwartet; schließlich könnten auch Abweichungen vom Gleichgewichtszustand zwischen krustaler He-Produktion und Entgasung extrem groß sein. Das könnte aber für hohe 3He/4He-Ver- hältnisse umgekehrt auch heißen, daß die krustale Radioaktivität in solchen Gebieten ano- mal niedrig ist oder daß der He-Fluß aus dem Mantel höher ist als erwartet. Der Fluß von He und Wärme aus dem Erdmantel ist für den ozeanischen Bereich ziemlich gut bekannt. Der Wärmefluß liegt bei ≈100mW/m2 und der 4He-Fluß ist wahrscheinlich kaum höher als 4×109 Atome/(m2×s). Mit diesen Werten haben O’Nions & Oxburgh errech- net, daß aus den Mengen an U, Th und K (errechnet aus K/U≈10000), die erforderlich sind, um die radiogene Komponente des Mantel-He-Flusses zu erklären, nur ein kleiner Teil des beobachteten Wärmeflusses stammen kann. Das beobachtete Verhältnis von 4He zu Wärme liegt bei 4×1010 Atomen pro Joule, das erwartete Verhältnis bei ≈1012, wie bereits früher erwähnt. Der gemessene He-Fluß des Mantels erklärt also paradoxerweise nur knapp 5% des Wärmeflusses. Auch wenn Wärmefluß und He-Entgasung keine Schlüsse über die Verteilung von U und Th im Mantel erlauben, läßt sich abschätzen, daß dieses He aus einer Konzentration von ≈5ppb U und einer äquivalenten Menge Th im oberen Erdmantel stam- men kann (Ähnliche Überlegungen sollten sich auch mittels 40Ar anstellen lassen; genaue Messungen des Ar-Flusses sind jedoch sehr schwierig wegen seiner hohen Konzentration in

193 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

der Luft). Diese Überlegungen werden auch durch neuere Abschätzungen bestätigt, die für Mantel + Kruste zu einem U-Gehalt von ≈20ppb gelangen, woraus man errechnen kann, daß der gemessene He-Fluß aus dem Mantel lediglich ≈10% des produzierten He ent- spricht. Mit anderen Worten: Es kommt erheblich weniger He aus dem Erdmantel als dort durch den Zerfall von U und Th gebildet werden sollte. Dieses Paradox läßt sich auflösen, wenn es irgendwo im Mantel eine Grenze gibt, über die hinweg der Transport von Wärme größer ist als die Diffusion des He. Andernfalls sind die Modelle, welche die chemische und thermische Entwicklung unseres Planeten beschreiben sollen, grundlegend falsch. Für die Kontinente ist ein Ver- 3.5 gleich von He- und Wärme- 1 2 3 18 fluß erheblich schwieriger als 2 2 8 14 für die Ozeane, weil sich der 3.0 kontinentale He-Fluß kaum 2 2353 1 messen läßt. Sowohl für konti- 2.5 6 2121 6 5

nentales als auch für ozeani- 6 sches Milieu glauben Polyak & 115545 Tolstikhin eine in erster Nähe- 2.0 He)310 7 212 8 4 rung lineare Beziehung zwi- 4

He/ 6 4 356 3 1 schen der He-Isotopie und 3 1.5 4 4 7 2 3 2

dem Wärmefluß q (in HFU, 1 log( HFU = 10- 6 cal s - 1 cm- 2 = 5 7914 7 2 41.868mW/m2) beobachten 1.0 zu können. Ihr Plot ist in 7 17 12 16 3 1 Abbildung 152 wiedergege- 0.5 11 6 19 10 6 ben. Ein Trend ist zwar nicht zu leugnen; bei gegebenem q 11 4 5 3 kann das beobachtete 3He/ 4He 0.0 6 jedoch bis zu mehr als eine Zehnerpotenz von der Korrela- 1.0 1.5 2.0 2.5 tionsgeraden abweichen, was q [HFU] diese Datenauftragung im ein- zelnen nicht sehr nützlich ABBILDUNG 152 „Korrelation“ zwischen He-Isotopie und erscheinen läßt. So variiert q Wärmefluß. Die Regressionsgerade ist als durchgezogene Li- z.B. auf den Britischen Inseln nie dargestellt. Die Zahlen in den Quadraten entsprechen der bei ziemlich konstanter He- jeweiligen Anzahl von Meßdaten[300] Isotopie von 5×10-8 um das Zweieinhalbfache von ≈50 – 125mW/m2, eine Variation, die im Diagramm einer Änderung von 3He/4He um zwei Zehnerpotenzen entsprechen sollte. Nach einem von dem Geophysiker BIRCH gefundenen empirischen Zusammenhang besteht für die kontinentale Kruste der folgende Zusammenhang zwischen Wärmefluß q und Wärmeproduktion A (mW/cm3):

=+() =+ qq mmc Ahq q [GL 208] Dieser Zusammenhang nimmt an, daß die Wärme produzierenden Elemente U, Th und K in der obersten Hälfte der Kruste erheblich angereichert sind, so daß A die Wärmeproduk- tion nur dieser Schicht ergibt; h ist dann die Mächtigkeit dieser Schicht. Der Achsenab- schnitt qm („reduzierter Wärmefluß“) ist der Wärmefluß, der aus größerer Tiefe kommt. Meist wird unterstellt, daß dies der aus dem Mantel stammende Wärmefluß ist, Ah also der aus der Kruste kommende Wärmefluß (qc). Nimmt man an, daß der He-Fluß ebenfalls aus 2 Komponenten zusammengesetzt ist, einen Teil jm aus dem Mantel und einen Fluß jc aus der kontinentalen Kruste und beide Teile mit verschiedener Isotopie, dann wird das an der 3 4 Erdoberfläche gemessene He/ He bei festem qm und jm/qm mit wachsendem q (wachsen- dem Anteil der krustalen Wärmeproduktion) sinken. Umgekehrt wird 3He/4He mit zuneh-

194 A. Radiogene Isotopensysteme

mendem q steigen, wenn jm ansteigt bei festem jm/qm und Ah (wachsender Anteil des Wärmeflusses aus dem Mantel). Es scheint plausibel, daß beide Fälle in der Natur auftreten, und deswegen ist eine strenge Linearität zwischen q und 3He/4He nicht zu erwarten. ≈ × 10 Das Verhältnis jm/qm, das für die Ozeangebiete bei 4 10 Atomen He pro Joule liegt, ist unter alten Kratonen wohl ≤5×109 Atome/Joule. Andererseits ist im südlichen Rheingraben jm/qm mindestens eine Größenordnung höher als in den Kratonen, obwohl qm wahrschein- lich kaum mehr als 50% über den Werten für Kratone liegt. Alles in allem scheint es daher , als wären He- und Wärmefluß in der kontinentalen Lithosphäre, abhängig von ihrem jeweiligen Transportmechanismus, allenfalls locker aneinander gekoppelt. In den kühlen Kratongebieten der Erde, in denen die Wärme sich nur durch Strahlung ausbreitet und das He durch Diffusion, muß das thermische Diffusionsvermögen (Wärme) größer sein als das chemische Diffusionsvermögen (He). Die primordiale He-Komponente in jungen tekto- nisch aktiven kontinentalen Gebieten zeigt dagegen einen anderen Transportmechanis- mus für das He an, wahrscheinlich durch Aufdringen von Mantelschmelzen in die tiefe Kruste (crustal underplating) und deren Entgasung, während wohl auch hier Strahlung weiterhin der Haupttransportmechanismus der Wärme bleibt. 16.2 Xenon Xenon hat 9 stabile Isotope mit Massenzahlen zwischen 124 und 136. In extraterrestri- schen Proben können die Häufigkeiten der Xe-Isotope mit den Massenzahlen 129, 131, 132, 134 und 136 als Folge von Zerfallsprozessen variieren. Für die 4 schwersten Xe-Isotope kommen zwei Quellen in Frage, die nach der Nukleosynthese zur Bildung der Isotope 131Xe, 132Xe, 134Xe und 136Xe beitragen konnten, nämlich die Spontanspaltung von 238 U und von 244Pu (Abbildung 153). 244Pu hat eine Halbwertszeit von nur 82Ma und kann daher heute nicht mehr in den Natur auftreten. Es muß jedoch in der Frühzeit der Entwicklung des Planetensystems vorhanden gewesen sein, denn allein durch die Spontan- spaltung von 238U lassen sich die Xe-Isotopenanomalien mancher Meteorite nicht erklä- ren. 129Xe-Anomalien werden auf den Zerfall von 129I zurückgeführt, das eine Halbwerts- zeit von ≈17Ma hat und ebenfalls nur in der Frühzeit des Sonnensystems vorhanden war . Insbesondere mit 129I/129Xe-Methode haben Kosmochemiker versucht, frühe Prozesse in der Entwicklung der Meteorite bzw. damit unseres Sonnensystems zu datieren[312].

ausgestorbene 129 244 Radionuklide: I Pu

132 134 124 126 128 129 130 131 136

noch vorhandenes Radionuklid: 238U

ABBILDUNG 153 Fünf der neun Xe-Isotope können Beiträge von kurz- und langlebigen Radio- nukliden enthalten. Auf der Erde wird man heute Xe-Isotopenvariationen durch Zerfall der kurzlebigen Nuklide 129I und 244Pu nicht unbedingt erwarten, da ursprünglich vorhandene Anomalien dur ch tektonische Prozesse auf der Erde in den uns zugänglichen Gesteinen homogenisiert wer- den sollten. Staudacher & Allègre[313] haben dennoch versucht, terrestrische Xe-Variatio- nen in Materialien des Erdmantels und der Erdkruste aufzuspüren. Die Ergebnisse sind in Abbildung 154 und Abbildung 155 aufgeführt. Als Referenzen dienen die Isotopien des Sonnenwindes und der kohligen Chondrite sowie der irdischen Atmosphäre. Alle terrestri- schen Proben weisen 134Xe/ 130Xe-Verhältnisse (und ebenso 131Xe/130Xe, 132Xe/130Xe und 136Xe/ 130Xe) auf, die größer sind als die der Chondrite oder des Sonnenwindes, während

195 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

129Xe/130Xe höher sein kann, aber nicht sein muß. MORB-Gläser zeichnen sich jedoch dadurch aus, daß ihr 129Xe/130Xe höher ist als das der Atmosphäre, während ihr 134Xe/130 Xe nur unwesentlich das der Atmosphäre übersteigt. Die einzige Möglichkeit, das erhöhte 129Xe/130Xe zu erklären, ist durch Zerfall von 129I in der Frühzeit der Entwicklung der Erde. Es ist daher auch plausibel, das erhöhte 134Xe/130Xe der MORB zumindest teilweise dem Zerfall von 244Pu zuzuschreiben.

Phanerozoische krustale 3.8 Gesteine (Granitoide) zeigen demgegenüber dasselbe 129Xe/ 130Xe-Verhältnis wie die Atmo- sphäre, aber ein höheres und 134 130 sehr variables Xe/ Xe. Da es MORB sich hierbei um junge, zumin- 3.4 OIB dest überwiegend durch inner- krustales Schmelzen gebildete Dazite Gesteine handelt, darf man Granitoide davon ausgehen, daß diese Karbonatite Variationen auf der Spontanspal- Xe 238 tung von U beruhen, zumal 130 3.0 solche Gesteine sich durch ein Xe/ hohes U/Xe-Verhältnis auszeich- nen. Lediglich der proterozoi- 134 sche Granitoid des Pikes Peak in Colorado zeigt auch Anzeichen Entwicklungslinie Kruste der kontinentalen 129 130 eines erhöhten Xe/ Xe, das 2.6 MORB wieder 129I zugeschrieben wer- Atmosphäre den muß. Zwischen der Entwick- lungslinie der kontinentalen Kruste und der des MORB-Man- kohlige Chondrite tels oder des hypothetischen tie- Sonnenwind fen Mantels sind alle Mischisoto- 2.2 pien denkbar. In diesem Sinn 6.2 6.4 6.6 6.8 7 kann die Isotopie des Pikes-Peak 129Xe/130Xe Batholiths als die eines krustalen Gesteins mit einer beträchtli- ABBILDUNG 154 Variation der Xe-Isotope auf der Erde chen aus dem Erdmantel abge- leiteten Komponente erklärt werden. Die Bedeutung der 238U-Spontanspaltung auf die Entwicklung der Xe-Isotope in verschie- denen Reservoirs der Erdkruste kann man mit Hilfe der Zerfallsgleichung abzuschätzen:

134 ⎛ 134 ⎞ 238 λ Xe Xe U λ = +×××−f ϕ ()αt 130 ⎜ 130 ⎟ 130 e 1 [GL 209] Xe ⎝ Xe ⎠ Xe λα 0 λ 238 × -17 -1 λ mit f = Zerfallskonstante für Spontanspaltung des U = 8.46 10 a , α = 1.55125 ×10-10a-1, ϕ = Isobarenausbeute für Masse 134 bei der 238U-Spaltung = 0.0552. Die mittlere U-Konzentration in Granitoiden liegt bei 3.7ppm, das sind

−6 37. × 10 [g / g] − ×=×0.. 9927 1 543 10 8 [mol 238 U / g Gestein] 238.03 [g / mol] Typische Gehalte an 130Xe liegen bei 10-11 – 10-12 cm3/g, also z.B. für 10-11cm3/g:

−11 3 10 [cm / g] =×−16 3 4. 464 10 [mol / g Gestein] , 22400 [cm / mol]

196 A. Radiogene Isotopensysteme und daraus: 238U/130Xe = 3.46×107. Für ein Gesteins- oder Reservoiralter von t = 2 Ga erhält man für den zweiten Summanden der rechten Seite von GL 209:

− ⎡ × 17 − ⎤ ××7 846. 10 ××1. 55125××× 1010 2 10 9 − 346. 10 ⎢ − 0. 0552()e 1 ⎥ ⎣1. 55125× 10 10 ⎦ − =××3.. 46 1078() 1 095 × 10= 0 . 379

Bezogen auf einen Wert von 134Xe/130Xe ≈ 2.55 für die Atmosphäre oder den oberen Erd- mantel entspricht das einer Änderung auf 134Xe/130Xe = 2.93 oder (0.379/2.55) ×100 = 14.8%. D.h. die beobachteten krustalen Variationen des 134Xe/130Xe-Verhältnisses lassen sich leicht als Folge des in-situ-Zerfalls (Spaltung) von 238U erklären.

Analog ergibt sich für den Erdman- 3.8 tel eine Abschätzung unter Annahme eines U-Gehaltes von 6ppb ⇒ (6×10-9/238.03)×0.9927 = 2.50×10-11 mol/g und eines 130Xe- 3.4 Gehaltes von 1.5×10-12 cm3/g ⇒ 1.5×10-12/22400 = 6.70×10-17 mol/g 238 130 × 5 ein U/ Xe = 3.74 10 . Das ent- Xe Mischungstrend spricht innerhalb von 2 Ga einem 130 3 Wachstum des 134Xe/130Xe von nur 5 -8 Xe/ A 3.74×10 × 1.095×10 = 0.0041 tmosphäre unterer Mantel? unterer × 134 oder (0.0041/2.55) 100 = 0.16%, Entwicklungslinie der kontinentalen Kruste also rund 2 Zehnerpotenzen weni- ger als in Graniten. Ein derartiger 2.6 Wert ist erheblich zu niedrig, um MORB meßbare Variationen im 134Xe/ 130Xe des Mantels zu verursachen. kohlige Chondrite 2.2 Schließlich läßt sich für die „bulk- 6.2 6.4 6.6 6.8 7 earth“ bei einem U-Gehalt von 129 130 ≈20ppb und unter der (falschen) Xe/ Xe Annahme, das gesamte terrestri- sche Xe befinde sich in der Atmo- ABBILDUNG 155 Die Xe-Isotopensystematik irdischer sphäre, ein minimales 238U/130 Xe Gesteine kann erklärt werden durch Prozesse in der frü- 129 von ≈5.4×105 abschätzen, also hen Geschichte des Sonnensystems (Variation im Xe/ 130 kaum höher als für den MORB- Xe, möglicherweise auch ein Beitrag zur Variation von 134 130 Mantel. Das heißt, daß die hohen Xe/ Xe), durch den Zerfall von U über den Lauf der 134 130 134Xe/130Xe-Verhältnisse sowohl Erdgeschichte ( Xe/ Xe) und durch Mischungspro- von MORB als auch der Atmo- zesse zwischen verschiedenen Reservoiren. sphäre gegenüber dem Wert für Chondrite nicht oder zumindest überwiegend nicht auf dem 238U-Zerfall beruhen können, sondern eher der Spontanspaltung von 244Pu zuge- schrieben werden müssen. Staudacher & Allègre erklären die 129Xe- und 134Xe-Überschüsse des Erdmantels gegenüber der Atmosphäre mit dem Modell eines sehr frühen Entgasens der Erde, während der das Xe in die Atmosphäre gelangte, wohingegen I und Pu in der festen oder flüssigen Erde verblie- ben. Der vollständige Zerfall von 129I und 244Pu erzeugte dann die Xe-Isotopenanomalien im Erdmantel. Für den unteren Erdmantel nehmen Staudacher & Allègre ein höheres 134Xe/130Xe an als für den oberen Erdmantel (Siehe Abbildung 154, Abbildung 155), weil in den oberen Erdmantel durch Subduktion von Sedimenten atmosphärisches Xe gelangt,

197 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

während die ursprüngliche Xe-Isotopie der festen Erde im tiefen Mantel wohl weitgehend konserviert wurde. Aus dem 129Xe-Überschuß der Atmosphäre über den Wert von Chondriten schätzten Stau- dacher & Allègre ein Bildungs- (Entgasungs-)Alter der Atmosphäre von ≈25 – 10Ma nach der Bildung der Erde ab und aus den Daten für die Gesamterde eine Bildung der Erde (was auch immer „Bildung“ hier bedeutet) von ≈50 – 70Ma nach den Meteoriten. Wenn man als Bildungsalter der Meteorite ≈4.55 Ga annimmt, läge demnach das Bildungsalter der Erde bei ≈4.48 – 4.50 Ga; die Entgasung der primitiven Erde hätte nochmals 10 – 25 Ma später stattgefunden. Abbildung 156[314] zeigt modellhaft die Entgasungsgeschichte des Erdmantels und die Ent- wicklung der Atmosphäre für die Isotopenverhältnisse 4He/3He (also nicht aufgetragen als 3He/4He), 40Ar/36Ar und 129Xe/130Xe. Infolge der kurzen Halbwertszeiten von 129I (und 244Pu) steigt die Xe-Isotopie nur während ≈10 Halbwertszeiten dieser Nuklide an und wird im Mantel seitdem als konstant angenommen. Im Gegensatz dazu werden 4He und 40 Ar durch den Zerfall von U, Th und K fortwährend nachgebildet, so daß sich kein Endwert für die Isotopenverhältnisse von 4He/3He und 40Ar/36Ar einstellen konnte. Die He-Isotopie der Atmosphäre ist gerechnet für einen Fall ohne He-Diffusion in den interplanetaren Raum, was in einem gut 6-mal höheren Wert resultiert als es dem gemessenen entspricht.

11000 507000 407000 10000 7100 He 3 307000 9000

He/ 207000

4 8000 7000 107000 4.55 4.504.45 Ga 7000 7000 43210Ga 43210Ga

300

20000 10

Ar 200

36 5 10000 Ar/ 100

40 0 4.55 4.504.45 Ga 0 0 43210Ga 43210Ga

6.45 7.00 Xe

130 6.75 6.40 Xe/ in der 6.50 im Erdmantel 129 Atmosphäre 6.34 6.34 43210Ga 43210Ga

ABBILDUNG 156 Modell der Entwicklung der Isotopien der Edelgase über den Verlauf der Erd- geschichte

198 A. Radiogene Isotopensysteme

16.3 182Hf-182W-Chronometer Mit kurzlebigen bei der Nukleosynthese (siehe Kapitel 2.4, Seite 9) gebildeten Radionukli- den einiger Elemente lassen sich Differentiationsprozesse in kleinen und großen Körpern des Sonnensystems verfolgen. Über die Zeit der Nukleosynthese steigt die Konzentration solcher Nuklide langsam (s-Prozeß) oder sehr rasch (r-Prozeß) an. Wenn ein (dem heutigen Sonnensystem) naher Stern, der in einer Supernova-Explosion geendet ist, für die Entste- hung aller radioaktiven r- und p-Prozeß-Nuklide verantwortlich ist, ist die Zeit dieser Nukleosynthese extrem kurz. Nach deren Ende zerfallen die Radionuklide mit ihrer charak- teristischen Halbwertszeit. Dies ist in Abbildung 157 für einige wichtige kurzlebige Nuklide dargestellt. Es ist offensichtlich, daß mit solchen Nukliden nur Prozesse verfolgt werden können, die in der frühesten Geschichte des Sonnensystems abliefen, und nur in Körpern, die früh erkaltet sind. Auf der Erde sind die stabilen Tochernuklide – mit der Ausnahme von aus 146Sm entstandenem 142Nd in den ältesten Gesteinen – homogen durchmischt.

1.0 238U 40K

235U 0.8

0.6 Element- Element- bildung zerfall

0.4

relative Häufigkeit relative 182Hf, 53Mn, 26 Al 182

Hf 0.2 K 40

26 53

U, Al Mn

235

U,

238 0.0 keine Zeitskala 0.00 0.05 0.10 0.15 Zeit seit Ende der Nukleosynthese [Ga]

ABBILDUNG 157 Schematische Darstellung von Bildung und Zerfall nukleosynthetisch gebil- deter Radionuklide. Bei t = 0 endet die Nukleosynthese. Kurzlebige Radionu- klide wie 182Hf oder 53Mn sind nach 50 Ma oder rascher weitgehend zerfallen. Der Zerfall der langlebigen U-Isotope und des 40K über 150 Ma sind zum Vergleich dargestellt. 26Al und 53Mn mögen in der Frühzeit des Sonnensystems in solch hohen Gehalten vorhanden gewesen sein, daß sie eine erhebliche Wärmequelle in den inneren Planeten darstellten. Kurzlebige neutronenarme radioaktive Nuklide wie 26Al, 41Ca und 36Cl könnten zum Teil auch in der T Tauri-Phase der Sonne durch Spallationsreaktionen mit hoch energetischen Protonen gebildet worden sein[315],[316] – und natür- lich auch mit Partikeln des galaktischen Anteils der kosmischen Strahlung. Die T Tauri-Phase ist die Phase, in der ein sehr junger Stern – noch vor Zün- den der Kernfusion in seinem Innern – durch einen intensiven solaren W ind die Reste der Staubwolke „wegbläst“, aus der er gebildet wurde – eventuell

199 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

der Beginn der Entstehung von Planeten. Hoch energetische Protonen wer- den heute in der Sonne bei relativ seltenen starken magnetischen Ausbrü- chen beobachtet. Solche Ausbrüche sind in den jungen Sternen, die rezent im Orion-Nebel gebildet werden, um zwei Zehnerpotenzen häufiger und um denselben Faktor stärker.10Be, dessen Existenz in Ca–Al-reichen Ein- schlüssen des Chondriten Allende durch Isotopenvariationen des Elementes B belegt ist, wird nicht bei der Nukleosynthese in Sternen gebildet; für seine Bildung werden Spallationsreaktionen im frühen Sonnensystem verantwort- lich gemacht[317]. Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über die wichtigsten kurzlebigen Radionuklide, die in der Kosmochemie Verwendung finden.

TABELLE 16: Kurzlebige Radionuklide im frühen Sonnensystem[318],[319]

Radionuklid Tochter t1/2 [Ma] Verhältnis bei t=0 Ursprung 41Ca 41K 0.103 41Ca/40Ca = 1.5×10-8 Sterne, Bestrahlung 36Cl 36Ar, 36S 0.301 36Cl/38Cl = 5×10-6 Bestrahlung, Sterne 26Al 26Mg 0.717 26Al/27Al = 5×10-5 Sterne, Bestrahlung 10Be 10B 1.5 10Be/9Be = 1×10-3 Bestrahlung 60Fe 60Ni 1.5 60Fe/56Fe = (5–10)×10-7 Sterne 53Mn 53Cr 3.74 53Mn/55Mn = 9.1×10-6 Sterne, galakt. Untergrund 107Pd 107Ag 6.5 107Pd/108Pd = 5.9×10-5 Sterne, galakt. Untergrund 182Hf 182W 8.9 182Hf/180Hf = 1×10-4 Sterne, galakt. Untergrund 129I 129Xe 16.3 129I/127I = 1×10-4 Sterne, galakt. Untergrund 244Pu Spalt-Xe 80 244Pu/232Th = 3×10-3 Sterne, galakt. Untergrund 146Sm 142Nd 103 146Sm/144Sm = 8×10-3 Sterne, galakt. Untergrund

Das r-Prozeß-Nuklid 182Hf zerfällt mit einer Halbwertszeit von 8.9 Ma in 182W und kann meßbare Isotopenanomalien des Wolframs innerhalb der ersten ≈50 Ma des Sonnensy- stems erzeugt haben. Als sehr schwer flüchtiges Element läßt sich W nur schwierig mittels Thermionenmassenspektrometrie bestimmen (negativ geladene Ionen), und es ist erst der Entwicklung von doppelfokussierenden ICP-Massenspektrometern mit Multikollektoren als Auffänger zu verdanken, daß sich die Isotopenzusammensetzung von W inzwischen präzise bestimmen läßt[29]. Hf verhält sich lithophil, W dagegen mäßig siderophil. Daher wird bei Silikat–Metall-Segregationen eine starke Fraktionierung dieser Elemente erwartet. In der Metallphase wird sich die Isotopenzusammensetzung von W infolge eines sehr klei- nen Hf/W-Verhältnisses im Vergleich zur Silikatphase nicht oder kaum noch verändert haben. Ein Isotopensystem mit einem ausgestorbenen Radionuklid muß – anders als ein konven- tionelles Mutter–Tochtersystem – mit noch vorhandenem radioaktivem Mutternuklid beschrieben werden. Für das Hf–W-System ergibt sich die Anzahl an heute vorhandenen Atomen 182W als Summe der zur Zeit t=0 (Ende der Nukleosynthese oder – sinnvollerweise 182 – Alter des Sonnensystems) vorhandenen Atome W0 plus dem Anteil, der durch den vollständigen Zerfall von ursprünglich vorhandenem 182Hf dazugekommen ist, also:

182 182 182 W = W0 + Hf [GL 210] Diese Gleichung wird auf das Isotop 184W normiert, das nicht durch einen Zerfallsprozeß nachgebildet wurde:

182W ⎛ 182W ⎞ 182Hf = ⎜ ⎟ + 184 W ⎝ 184 W ⎠ 184 W 0

200 A. Radiogene Isotopensysteme

Das Verhältnis auf der linken Seite dieser Gleichung kann man an einer Probe messen; die beiden Verhältnisse auf der rechten Seite sind dagegen unbekannt. Multipliziert man das zweite Verhältnis auf der rechten Seite mit dem Verhältnis eines stabilen Hf-Isotops, z.B. 180Hf/180Hf, dann ergibt sich:

182W ⎛ 182W ⎞ 182Hf 180 Hf = ⎜ ⎟ +× [GL 211] 184 W ⎝ 184 W ⎠ 180 Hf 184 W 0

32

28 Erde C1-Chondrite 24 gewöhnliche Chondrite Eisenmeteorite 20 SNC-Meteorite 12 Eukrite

10

8 W ε 6

4

2

0 Erde

-2

-4

-6

ABBILDUNG 158 W-Isotopenvariation in verschiedenen Typen von Meteoriten (gefüllte Sym- bole: [320], [321]; offene Symbole: [322]). Der ε-Wert (Erläuterung auf Seite 59) ist relativ zu Proben der silikatischen Erde definiert, die als in dieser Hinsicht homogen gilt. Da verschiedene Laboratorien trotz fast gleicher Normierung zu verschiedenen Werten für das 182W/184W der irdischen Pro- ben gelangen (0.86500[320], 0.864696[322], 0.864778[325]), wurde auf die Angabe der Absolutwerte verzichtet. Die Daten für die gewöhnlichen Chon- drite beziehen sich auf Konzentrate von Metallphasen. Eine lunare Probe (hier nicht dargestellt, hat ein 182W/184W, das von dem der Erde nicht unter- scheidbar ist[326]. Die alten Daten für die C-Chondrite (gefüllte Dreiecke[320] ) sollten als inkorrekt angesehen werden.

201 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

Der letzte Term auf der rechten Seite ist ebenfalls an einer Probe meßbar; er ist proportional dem Hf/W-Verhältnis. GL 211 ist für eine kogenetische Serie von Proben, insbesondere Minerale aus Meteoriten, eine Geradengleichung in den Koordinaten von 182W/184W (y) und 180Hf/184W (x). Der Achsenabschnitt entspricht dem initialen 182W/184W und die Stei- gung dem initialen 182Hf/180Hf. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Isochronengleichung ist ein Alter aus dieser Beziehung aber nicht ableitbar. Die W-Isotopenvariation von Meteo- riten ist in Abbildung 158 dargestellt[320],[321],[322]. Die niedrigsten 182W/184W-Verhältnisse haben demnach die Eisenmeteorite, gefolgt von den gewöhnlichen Chondriten. Es exi- stiert eine Diskrepanz zwischen den frühen Daten[320],[321] und neueren Daten für die koh- ligen Chondrite[322],[324],[325], über deren Ursache nur spekuliert werden kann[325] (nicht korrekt korrigierte Masseninterferenzen, Kontamination durch irdisches W, unvollständige Auflösung der Proben bei der Erzeugung der älteren Daten). Im Vergleich zu den neuen Chondritdaten weist die Silikatfraktion der Erde – der Erdkern ist naturgemäß nicht zugänglich – höhere W-Isotopien auf. Noch höhere Werte zeigen die SNC-Meteorite, die wohl vom Mars stammen, und insbesondere die beiden Eukrite Juvinas und ALHA78132 . ε Die negativen W-Werte der Eisenmeteorite relativ zu den kohligen Chondriten zeigen an, daß sich die Eisenmeteorite aus Mutterkörpern herleiten, die sehr früh im Sonnensystem differenziert sind zu einer Zeit, als noch 182Hf existierte. Ihre 182W/184W-Isotopien stellen eine gute Näherung an den Initialwert des Sonnensystems dar, der aber immer noch eine Obergrenze sein muß. Auch der Mutterkörper der Eukrite, Mars und Erde haben eine Metall/Silikat-Fraktionierung erfahren, als noch eine beträchtliche Menge an 182Hf vorhan- den war. Die unterschiedlichen W-Isotopien verschiedener Typen von Meteoriten haben grobe Informationen über das Alter der Differenzierung relativ zum Alter der Eisenmeteorite oder relativ zu den ältesten Objekten des Sonnensystems aufgezeichnet. Die Anzahl an Atomen des zu einer bestimmten Zeit t nach der Bildung der ältesten Objekte noch vorhandenen 182Hf ergibt sich aus der Differenz der zur Zeit t = 0 vorhandenen Menge und des radiogen entstandenen 182W:

182 182 182 Hft = Hf0 – Wrad 182 Ersetzt man Hft durch die Definition der Zerfallsgleichung, wird daraus: 182 × -λt 182 182 Hf0 e = Hf0 – Wrad Umgeformt und normiert auf 184W erhält man:

⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ W Hf −λ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ ×−()1 e t ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ rad 0 und für das gesamte 182W/184W:

⎛ 182W ⎞ ⎛ 182W ⎞ ⎛ 182W ⎞ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ gesamt0 rad

⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ W W Hf −λ ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ×−()1 e t ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ gesamt 00 182 184 180 180 und schließlich durch Multiplizieren von ( Hf/ W)0 mit Hf/ Hf:

⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ 180 W W Hf Hf −λt ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ××−()1 e [GL 212] ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 184 W ⎠ ⎝ 180 Hf ⎠ 184 W gesamt 00 Für im Vergleich zur Halbwertszeit große Zeiten t entspricht diese Gleichung der GL 211.

202 A. Radiogene Isotopensysteme

Interne Hf–W-Isochronen mit präzise bestimmten Bildungsaltern bieten sich an, um das initiale 182Hf/180Hf des Sonnensystems abzuschätzen. Kleine et al.[322] wählten dazu zwei H- Chondrite. Für einen davon sind die Daten in Abbildung 159 reproduziert. Die Daten für eine magnetische und drei verschiedene nicht magnetische Fraktionen liegen auf einer Geraden, deren Steigung direkt dem 182Hf/180Hf-Verhältnis zur Zeit der Schließung dieses Systems entspricht. Das Alter des H-Chondrits ist auf Grund von hoch präzisen U–Pb- Datierungen an Phosphaten mit 4.5627±0.0006 Ga bekannt[327]. Da die Mutterkörper der Meteorite wegen ihrer geringen Größe vergleichweise rasch abgekühlt sind, wird man die- ses Alter auch für dasjenige der Schließung des Hf–W-Systems ansetzen dürfen. Für das Alter des Sonnensystems setzen Kleine et al.[322] dasjenige der Ca-Al-reichen Einschlüsse (CAIs) in Chondriten an, das zu 4.566±0.002 Ga bestimmt wurde[328]; die CAIs gelten als älteste Aggregate des Sonnensystems. Damit ergibt sich für die initiale Hf-Isotopie

⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ Hf Hf λ Δ − λ()− × 9 − ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ ×=××eet 0.. 85 104 4.. 566 4 5627 10 =× 1 09 10 4 ⎝ 180 Hf ⎠ ⎝ 180 Hf ⎠ 4.. 566Ga 4 5627 Ga mit einem Fehler von ±0.09×10 - 4 . Cameron glaubt H-Chondrit Ste. Marguerite dagegen, daß die 0.8655 CAIs älter sind als NM–1 das Sonnensystem und bereits in der Explosionshülle NM–2 W einer Supernova entstanden[329] ; 184 0.8650 W/ damit wäre der NM–3 obige Wert für das 182 Sonnensystem etwas zu hoch angesetzt. 0.8645 Für differenzierte M Körper des Sonnen- systems mit hohem M = magnetische Fraktion NM = nicht magnetische Fraktion Hf/W-Verhältnis läßt sich aus den 0.8640 Hf–W-Isotopien die 0 2 4 6 8 10 12 14 Zeit ihrer Differen- 180Hf/184W zierung relativ zum „Bildungsalter des ABBILDUNG 159 Interne Hf–W-Isochrone eines H-Chondrits[322]. Die Sonnensystems“ Steigung entspricht nach GL 211 einem Wert von (0.85±0.05)×10-4. vor 4.566 Ga abschätzen[322]. Eukrite sind basaltische (also differenzierte) Meteorite, deren Mutterkörper der Asteroid Vesta sein könnte. Eine interne Hf–W-Isochrone[330] lieferte ein initiales 182Hf/ 180Hf von ≈8×10-5. Daraus läßt sich ein Alter von

⎛ 182 ⎞ ⎛ 182 ⎞ ()182Hf 180 Hf ⎛ × −4 ⎞ Hf = Hf ×⇒=−λt 110 = 109. 10 ≈ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ etln − ln⎜ − ⎟ 4 Ma ⎝ 180 Hf ⎠ ⎝ 180 Hf ⎠ λ ()182Hf 180 Hf 77. × 10 8 ⎝ 810× 5 ⎠ t 0 t nach dem Bildungsalter des Sonnensystems vor 4.566 Ga für die Bildung der Eukrite er- rechnen[322], d.h. für die Differenzierung ihres Mutterkörpers in einen silikatischen und ei- nen metallischen Teil – in guter Übereinstimmung mit der Chronologie, wie sie sich aus den Chronometern 53Mn–53Cr- und 60Fe–60Ni ergibt[331],[332].

203 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

40

30

C-Chondrite Eukrite

bei t=0) Mars (Silikatanteil) ε Erde (Silikatanteil) 20

Beginn des Sonnensystems (t=0): 4566 Ma εW zu Beginn des Sonnensystems = 0 (relativ zu (relativ W ' ε 10

0 0 20 40 60 80 Ma nach Beginn des Sonnensystems

ABBILDUNG 160 Abschätzung der Zeit der Differenzierung der Erde, des Mars und des Mut- terkörpers der Eukrite in metallischen Kern und silikatischen Mantel. Der Ein- ε fachheit halber ist W = 0 als Wert zur Zeit der Entstehung des Sonnensystems definiert (entsprechend 182W/184W ≈ 0.86436). Nach ca. 10 Halbwertszeiten (90 Ma) ist praktisch alles 182Hf zerfallen. GL 212 eignet sich ebenfalls für Abschätzungen des Differenzierungsalters[322]. In Abbil- 182 184 182 184 dung 160 ist dazu der radiogen entstandene Teil des W/ W [= ( W/ W)gesamt – 182 184 ε ε ( W/ W)0] als W aufgetragen. Im Gegensatz zur üblichen Definition des -Wertes (Seite 59) wird hier der Einfachheit halber nur der Initialwert des Sonnensystems als 0 defi- 182 184 ≈ ε niert (entsprechend ( W/ W)0 0.86436). Der heutige Unterschied von ca. 37 W-Ein- heiten der Eukrite über die Chondrite läßt sich bei einem Hf/W-Verhältnis der Eukrite von ≈35 (entsprechend 180Hf/184W = Hf/W×1.18 ≈41) und einem Hf/W der C-Chondrite von 1.33 erklären, wenn die Differenzierung des Mutterkörpers der Eukrite in einen metalli- schen Mantel und einen silikatischen Kern 4 Ma nach dem Beginn des Sonnensystems stattgefunden hat, in exzellenter Übereinstimmung mit dem Wert, der aus der internen Hf–W-Isochrone erhalten wurde[330]. Bei einem Hf/W-Verhältnis von 17.7 für den primiti- ε ven Erdmantel ergibt sich der heutige Unterschied von knapp 2 W zwischen Chondriten und Erde, wenn die Differenzierung der Erde in metallischen Kern und silikatischen Man- tel ca. 34 Ma nach dem Beginn des Sonnensystems stattfand – sofern dies ein Ereignis und kein kontinuierlicher Vorgang in der Frühgeschichte der Erde gewesen ist. Für den Mars ε erhält man mit Hf/W = 5.1 für den Silikatanteil und einem Unterschied von knapp 2.5 W zu den C-Chondriten ein Kern–Mantel-Differenzierungsalter von rund 14 Ma nach dem Beginn des Sonnensystems. Voraussetzung dafür, daß diese Abschätzungen sinnvoll sind, sind homogene W-Isotopenzusammensetzungen der Silikatanteile dieser Körper. Yin et al.[325] sind unabhängig von Kleine et al.[322] zu einer sehr ähnlichen Hf–W-Chronologie des Sonnensystems gelangt.

204 A. Radiogene Isotopensysteme

Ein potentielles (und wohl auch ursprünglich unterschätz- Touboul et al. (2007) tes) Problem der Anwendung des Hf–W-Chronometers liegt Lee et al. (2002) Kleine et al. (2005) darin, daß in Gesteinen, die lange Zeit dem Beschuß dur ch korrigierte Daten 182 die kosmische Strahlung ausgesetzt waren, W in nicht zu -2 -1012345 vernachlässigender Menge durch Neutroneneinfang von Probe: 181Ta und anschließenden β--Zerfall des 182Ta entsteht[323] . 68115 68815 Besonders gravierend ist dieses Problem für die Gesteine 14310 KREEP-reiche der Oberfläche des Mondes, die während der Apollo-Mis- 15445 Proben sionen aufgesammelt wurden und die Bestrahlungsalter 62235 65015 von mehreren 100 Ma haben können. Kleine et al.[333] und Touboul et al. (Abbildung 161[334]) umgingen dieses Pro- blem durch Analyse von Metall, das in geringer Menge in 12004 den meisten Mondgesteinen enthalten ist. Solche Metall- 15058 phasen sind reich an Wolfram und enthalten keine nen- 15499 Ti-arme 15556 nenswerten Mengen an Tantal – sofern sie frei von Oxid- Mare-Basalte oder Silikateinschlüssen sind. In Metallen aus KREEP-Basal- 15475 15555 (WR) ten (Basalte, reich an inkompatiblen Elementen, die als 15555 Restschmelzen der Kristallisation eines Magmenozeans angesehen werden), Ti-armen sowie Ti-reichen Basalten der Mare fanden sie identische W-Isotopien – Indiz dafür, daß 70017 74255 in den unterschiedlichen Quellregionen dieser Basalte im 74275 Mondmantel zur Zeit ihrer Entstehung (als Kumulate eines 75035 Ti-reiche lunaren Magmenozeans) keine nennenswerte Menge an 70035 Mare-Basalte 182 70035 Hf mehr vorhanden war. Daraus kann man ein Alter von 77516 mindestens 60–50 Ma nach dem „Beginn des Sonnensy- 75075 stems“ (= Alter der CAIs) für die Bildung dieser Kumulate 72155 79155 ableiten. Die W-Isotopien der Mondbasalte sind zudem nicht unterscheidbar von denjenigen irdischer Gesteine. -2 -1 0 1 2 3 45 ε Da die Kristallisation des lunaren Magmenozeans sehr bald 182W nach der Entstehung des Mondes eingesetzt haben wird – ε für die Entstehung des Mondes gilt eine Kollision der frü- ABBILDUNG 161 W-Werte für hen Erde mit einem Körper von der Größe des Mars als Metalle aus basaltischen Ge- [334] wahrscheinlich – dürfte dieses Alter dem höchstmöglichen steinen des Mondes mit Alter des Mondes entsprechen und gleichbedeutend dem Daten aus [334], [333] und Ende der Hauptphase der Akkretion des Planeten Erde sein. [335]. Das gelbe Feld steht für ε Das Mindestalter des Mondes wird durch die Alter der älte- den Durchschnittswert von W sten bekannten Gesteine seiner Hochländer definiert = 0.09±0.10. Einige Werte der (4.456±0.040 Ga). älteren Studien wurden um einen Beitrag von kosmogen Überraschenderweise sind für ca. 3.8 Ga alte archaische entstandenem 182W korri- ε Metasedimente variable und z.T. negative W-Werte um -1 giert. gefunden worden[324]. Diese Daten werden im Sinn eines späten intensiven Bombardements der Erde durch Meteo- rite interpretiert, wie es auch aus der Kratergeschichte des Mondes bekannt ist. Die W-Iso- topien scheinen eine Mischungslinie hin zu Meteoriten zu bilden (Abbildung 162), wobei aber nicht zwischen verschiedenen Typen von Chondriten und Eisenmeteoriten unter- schieden werden kann. Es wird vorgeschlagen, daß die Sedimente in Wasser abgelagert wurden, wobei sowohl terrestrische Gesteine als auch meteoritisches Material das Lieferge- biet der Sedimente bildeten. Unter der Annahme einer Zeitdauer von 108a für das intensive Bombardement hätte je Quadratmeter Erdoberfläche im Durchschnitt eine Menge in der Größenordnung von 102 Tonnen niedergehen können, entsprechend einer mehrere Zeh- ner Meter hohen Schicht. Es ist dann anzunehmen, daß sich dieser späte meteoritische Eintrag auch in erhöhten Gehalten der Elemente der Platingruppe niedergeschlagen hat, wofür es vage Hinweise in den Gesteinen von Isua gibt.

205 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

Es sei noch erwähnt, daß sich durch ausge- +1 storbene Radionuklide erzeugte Isotopenan- archaische Sedimente Ø Enstatitchondrite 0 omalien auch zu anderen Zwecken eignen: CV3-Chondrit Allende Shukolyukov und Lugmair[154] haben in Pro- Ø Eisenmeteorite -1 ben von der Kreide/Tertiär-Grenze in Däne- ε mark und in Spanien eine kleine negative W -2 Anomalie im 53Cr/52Cr relativ zur Erde von ca. ε -0.3 bis -0.4 -Einheiten festgestellt. Ein gerin- -3 ger Teil des heutigen 53Cr ist durch Zerfall von 53 Mn im frühen Sonnensystem entstanden. -4 0.001 0.01 0.1 1 10 100 Auf der Erde sind die Cr-Isotopien in allen Cr/Ti Gesteinen identisch, während verschiedene Meteorite unterschiedlich große Anomalien ABBILDUNG 162 W-Isotopie von archaischen konserviert haben. Die Cr-Anomalie an der K/ Metasedimenten aus Isua (Westgrönland) T-Grenze läßt sich durch den Einschlag eines und Labrador (Kanada) im Vergleich zu Da- kohligen Chondriten deuten. Noch wesent- ten für verschiedene Typen von Meteori- lich größere Cr-Isotopenanomalien, entspre- ten[324]. Gestrichelt eingezeichnet ist eine Re- chend einem höheren Anteil an chondriti- gressionsgerade durch die Daten der schem meteoritischem Material, wurden in Metasedimente. archaischen Gesteinen aus dem Barberton Mountain Greenstone-Gürtel Südafrikas gefunden[156]. Die 53Cr-Anomalien an der K/T- Grenze korrelieren positiv mit Anomalien des 54Cr (bis +1ε-Einheit[336]). Dieses Cr-Isotop weist aber keinen Beitrag von einem ausgestorbenen Radionuklid auf; die Anomalien sind unmittelbar Ergebnis nukleosynthetischer Prozesse (Orte variabler Neutronendichten im Inneren massereicher Sterne). 16.4 146Sm–142Nd-Chronometer 146Sm zerfällt mit einer Halbwertszeit von 103 Ma in 142Nd*. Die Suche nach ausgestorbe- nem 146Sm in Meteoriten stand am Beginn der Nutzung des 147Sm–143Nd-Zerfallssystems in Kosmo- und Geochemie[66]. Wegen der im Vergleich zu anderen ausgestorbenen Radio- nukliden langen Halbwertszeit des 146Sm wurde später vermutet, das 146Sm–142Nd-System könne zur Aufklärung von Differenzierungsereignissen in der frühesten Zeit der Erdge- schichte dienen; meßbare Mengen an 146Sm (im Zerfallsprodukt 142Nd) sollten innerhalb der ersten wenige 100 Ma der Geschichte der Erde vorhanden gewesen sein. Infolgedessen wurden vor allem die ältesten krustalen Gesteine der Erde analysiert. In den meisten Arbei- ten konnten Isotopenvariationen aber nur ungenügend aufgelöst werden, weil die analyti- sche Präzision der Massenspektrometer nicht ausreichte[338],[339],[340], so daß die Ergebnisse eher zweideutig ausfielen Wesentlich präzisere Messungen[341],[342] haben inzwischen zu der Erkenntnis geführt, daß 3.6 – 3.8 Ga alte Gesteine der Isua Supracrustals in Westgrön- land (Metabasalte, Orthogneise, Metapelite) positive Abweichungen im 142Nd/144Nd von 8 – 15 ppm (0.08 – 0.15ε-Einheiten) relativ zu einem Laborstandard aufweisen, während andere archaische Gesteine (Acasta-Gneise in Nordkanada, Komatiite aus dem Barberton Grünstein-Gürtel in Südafrika) keine Abweichungen vom Standardwert zeigen[342] (Abbil- dung 163–links).

* Inzwischen wird auf Grund von neuen Messungen der α-Aktivität eine erheblich geringere Halb- wertszeit von 68±7 Ma angegeben[337]. Die in diesem Kapitel beschriebene relative Chronologie wäre dann entsprechend zu modifizieren.

206 A. Radiogene Isotopensysteme

La Jolla Nd-Standard

}Terrestrischer Gabbro JG-2 (Granit) {

BHVO-2 (Basalt) { weithin beprobbarer Erdmantel } ⎫ MORB Metasedimente ⎪ } Island-Plume ⎪ Ozeaninselbasalte{ ⎪ } Dekkan-Flutbasalte (66 Ma) ⎪ nland) ⎫

Orthogneise ö ⎬ ⎬ Kimberlite ⎪ ⎭ (<600 Ma) ⎪ Metabasalte ⎫ ⎪ ⎪ Amphibolit- ⎪ ⎪ Khariar alkaline Enklaven ⎭ Isua (Gr ⎬ Gesteine (Indien) ⎪ (1.48 Ga) Acasta (Kanada) ⎪ ⎭ Barberton (Südafrika) ⎫ Kostomuksha- und ⎬ Belingwe-Komatiite ⎭ (Russland, Simbabwe) Pitcairn (EM I) Grönland-Karbonatit { (2.7–2.8 Ga) (3.0 Ga) Gesellschaftsinseln (EM II) }Barberton-Komatiit (Südafrika) (3.5 Ga) MORB ⎧ ⎪ Isua (Grönland) ⎨ (3.85–3.6 Ga) ⎪ ⎩ -0.050.000.05 0.10 0.15 0.20 0.25 ⎫ ⎬Nuvvuagittuq (Québec) ε¹⁴²Nd ⎭(4.28 Ga) ? -0.45-0.30 -0.15 0.00 0.15 0.30 0.45 ε¹⁴²Nd

ABBILDUNG 163 Links: 142Nd/144Nd-Variationen in archaischen Gesteinen[342]. ε steht für die relative Abweichung von einem Laborstandard (La Jolla Nd-Standard) in Ein- 1 heiten von /10000. Das grüne Feld entspricht der externen Präzision einer Messung (±2 ppm vom Mittelwert). Rechts: Ähnliches Diagramm wie links, aber mit weiteren Daten ergänzt[344]. Inzwischen sind auch Gesteine mit negativen Abweichungen vom irdischen Nd-Standard bekannt, darunter archaische Amphibolite aus Québec/Kanada, die intern Hinweise auf Differenzierung im Hadäikum zeigen (4.28 Ga)[343] und sogar für mittelproterozoische alka- line Gesteine aus Indien[344] (Abbildung 163–rechts), die vielleicht Indiz für die Existenz von an inkompatiblen Elementen angereicherten alten Reservoiren an der Basis der stabi- len Kratone darstellen. Für die Isua Supracrustals bedeutet dies, daß ihre Quellregion innerhalb weniger 100 Ma nach der Entstehung der Erde eine Differenzierung erlebt haben muß, denn die Anfangs- menge an radioaktivem 146Sm war nur klein (initiales 146Sm/144Sm ≈ 0.008[346],[347],[342],[349] ). ε ε Darauf deuten auch positive 143Nd-Werte von im Mittel +2 hin; negative 143Nd-Werte sind dagegen für früharchaische Gesteine nicht sehr häufig gemessen worden. Sowohl das 146Sm–142Nd- als auch das 147Sm–143Nd-System zeigen damit an, daß die Isua-Gesteine aus einem Erdmantel stammen, der bereits in der frühesten Geschichte der Erde, dem Hadäi- kum, an inkompatiblen Elementen relativ zu einem chondritischen Reservoir verarmte (an Nd relativ zu Sm). Durch Kombination der beiden Isotopensysteme von Sm und Nd läßt sich das Alter der frühen Differenzierung des Erdmantels einengen, weil 147Sm und 146 Sm sehr große Unterschiede in ihren Halbwertszeiten aufweisen (ca. drei Größenordnungen). Der ursprüngliche Erdmantel könnte eine Differenzierung ca. 30–75 Ma nach der Bildung

207 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

der ältesten Komponenten des Sonnensystems vor 4.567 Ga erfahren haben[345] – falls er tatsächlich hinsichtlich Sm/Nd, 143Nd/144Nd und 142Nd/144Nd chondritisch war.

60 0.24 0.25

50 4.567 Ga 4.53 Ga 0.23

40 4.50 Ga 147Sm/144Nd 0.22 30 4.45 Ga

4.40 Ga 20 0.21

4.30 Ga Nd-Abweichung von Chondriten 10 144 Nd/ 0 0.175

142 3.85 Ga-alte Gesteine Chondrite = Initialwert der Gesamterde aus Südwestgrönland

ppm -10 -1.0 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0

ε143Nd vor 3.85 Ga

ABBILDUNG 164 Modell der Nd-Isotopenentwicklung des Erdmantels, ausgehend von einem chondritischen Reservoir vor 4.567 Ga[345]. Die Geraden entsprechen Pro- ben der angegebenen Alter für verschiedene 147Sm/144Nd-Verhältnisse, wel- che auf den roten Kurven abgelesen werden können. Isua-Tonalite und -Amphibolite (offene Kreise; Raute ist Mittelwert) könnten danach aus einem Mantel stammen, der vor ca. 4.50 Ga eine Differenzierung erlebt hat, wobei die Isua-Krustengesteine aus dem an inkompatiblen Elementen verarmten Mantelteil extrahiert wurden. – Vergleich auch Erläuterung in den folgenden Abschnitten. Frühe Analysen von Meteoriten stärkten die Erwartung, daß Chondrite und Gesteine der Erde nicht unterscheidbare 142Nd/144Nd-Verhältnisse haben[348], in Übereinstimmung mit der Hypothese, daß in der Erde viele refraktäre Elemente in chondritischen Verhältnissen vorliegen. Präzisere Analysen haben für Chondrite (und basaltische Achondrite) inzwi- schen jedoch im Durchschnitt um ca. 20 ppm niedrigere 142Nd/144Nd-Verhältnisse erge- ben[349],[350] (Abbildung 165). Das bedeutet, daß die (silikatische) Erde entweder kein chon- dritisches Sm/Nd-Verhältnis aufweist, oder daß sie in der frühesten Geschichte unseres Planeten in zwei Reservoire differenzierte, eines mit überchondritischem Sm/Nd, aus wel- chem alle uns zugänglichen Gesteine stammen (inklusive derjenigen von Isua) und ein komplementäres mit unterchondritischem Sm/Nd, das an Magmenbildungsprozessen nicht teilnimmt. Sm und Nd sind beide refraktäre Elemente, und die Sm/Nd-Variation von Chondriten ist gering; Boyet und Carlson neigen daher der ersten Alternative zu[349]. Sie schlugen vor, das Reservoir mit niedriger als chondritischem Sm/Nd könne im tiefen Erd- mantel verborgen sein und insbesondere die D''-Schicht aufbauen. Inwieweit Plume-Vulka- nismus 142Nd-Signaturen der D''-Schicht zeigt, ist nicht klar.; bislang analysierte Ozeanin- selbasalte zeigen allerdings normale terrestrische 142Nd/144Nd-Verhältnisse (Abbildung 163).

208 A. Radiogene Isotopensysteme

Moore County Kumulate Moore County Moama Binda Pasamonte Pasamonte Achondrite Nuevo Laredo Nuevo Laredo basaltische A. Nuevo Laredo Béréba Abee Sharp Sharp Sharp Richardton Richardton Chondrite Dhajala Bruderheim Allende Allende Allende Allende

-0.60 -0.40 -0.20 0.00 0.20 0.40 0.60 ε142Nd

ABBILDUNG 165 142Nd/144Nd-Analysendaten von Chondriten und Achondriten relativ zu ei- [349] ε nem terrestrischen Nd-Standard ( 142Nd = 0). Fast alle bislang analysier- ten irdischen Gesteine weisen Zusammensetzungen innerhalb des gelben Feldes auf. Unterstellt man, daß die (silikatische) Erde ein chondritisches Sm/Nd hat, dann läßt sich das Alter der Differenzierung in zwei Reservoire abschätzen. Das Sm/Nd-Verhältnis des Reservoirs, aus dem die uns zugänglichen Gesteine der Erde stammen, muß umso höher sein, je später die Differenzierung stattfand, d.h. je weniger 146Sm noch vorhanden war. Die Höhe des Sm/Nd bestimmt aber andererseits den Wert von 143Nd/144Nd dieses Reservoirs, ε das mit ca. 10 143Nd (heute) für diese Abschätzung ausreichend charakterisiert sein mag. Analog zu GL 212, Seite 202 formulieren wir für das 146Sm–142Nd-System:

⎛ 142 ⎞ ⎛ 142 ⎞ ⎛ 146 ⎞ 144 Nd Nd Sm Sm −λt ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ××−()1 e [GL 213] ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ 144 Nd gesamt Nd 0 Sm 0 Nd Diese Gleichung beschreibt das Wachstum von 142Nd/144Nd in einer Probe als Funktion des zur Zeit t = 0 vorhandenen 146Sm und der Zeit t.

Zur Zeit tD soll die (silikatische) Erde eine Differenzierung in ein Reservoir mit erhöhtem Sm/Nd und ein komplementäres mit erniedrigtem Sm/Nd erfahren haben. Von t = 0 (Alter 142 144 der ältesten Objekte im Sonnensystem) bis t = tD ist damit Nd/ Nd in der silikatischen Erde entsprechend dem Verhältnis in einem chondritischen Reservoir gewachsen. Nach dem Fraktionierungsereignis ist 142Nd/144Nd in dem uns zugänglichen Teil der Erde ent- sprechend dem erhöhten Sm/Nd gewachsen:

⎛ 142 ⎞ DM⎛ 142 ⎞ Chhondrite ⎛ 146 ⎞ ⎛ 144 ⎞ DM Nd Nd Sm Sm −λ t ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ × ⎜ ⎟ ×−()1 e D ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Sm⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ heute tD tD

209 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

Da seit dem Fraktionierungsereignis alles 146Sm zerfallen ist, geht der rechte Klammeraus- druck gegen 1. Das Verhältnis 146Sm/144Sm zur Zeit der Differenzierung errechnet sich durch Multiplikation des Initialwertes des Sonnensystems mit dem Abklingfaktor:

⎛ 142 ⎞ DM⎛ 142 ⎞ Chhondrite ⎛ 146 ⎞ ⎛ 144 ⎞ DM Nd Nd Sm −λ t Sm ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ××e D ⎜ ⎟ [GL 214] ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Sm⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ heute tD 0 DM möge für das an Nd relativ zu Sm verarmte Reservoir der silikatischen Erde stehen (depleted mantle). Das chondritische 142Nd/144Nd-Verhältnis ist im selben Zeitraum gestie- gen auf:

⎛ 142 ⎞ Chondrite ⎛ 142 ⎞ Chondrite ⎛ 146 ⎞ ⎛ 144 ⎞ Chondrite Nd Nd Sm −λ t Sm ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ + ⎜ ⎟ ××e D ⎜ ⎟ [GL 215] ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ ⎝ 144 Sm⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ heute tD 0 Außerdem ist bekannt, daß das heutige 142Nd/144Nd des DM-Reservoirs der Erde um ca. 20 ppm über dem chondritischen Wert liegt. Durch Kombination von GL 214 und GL 215 142 144 unter Eliminierung des chondritischen Nd/ Nd zur Zeit tD ergibt sich:

⎛ 142 ⎞ Chondrite ⎡⎛ 142 ⎞ Chondrite ⎛ 146 ⎞ ⎛ 144 ⎞ Chondrite ⎤ Nd Nd Sm −λ t Sm 1. 00002 ⎜ ⎟ = ⎢⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ××e D ⎜ ⎟ ⎥ ⎝ 144 ⎠ ⎢⎝ 1144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎥ Nd heute ⎣ Nd heute Sm 0 Nd ⎦

⎛ 1146 ⎞ ⎛ 144 ⎞ DM Sm −λ t Sm + ⎜ ⎟ ××e D ⎜ ⎟ ⎝ 144 Sm⎠ ⎝ 144 Nd ⎠ 0

⎛ 142 ⎞ Chondrite ⎛ 146 ⎞ ⎡⎛ 144 ⎞ DM ⎛ 144 ⎞ Chondrite ⎤ Nd Sm −λ t Sm Sm 0. 00002 ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ ××e D ⎢⎜ ⎟ − ⎜ ⎟ ⎥ ⎝ 144 ⎠ ⎝ 1144 ⎠ ⎢⎝ 144 ⎠ ⎝ 144 ⎠ ⎥ Nd heute Sm 0 ⎣ Nd Nd ⎦

Chondrite ⎛ 142 Nd ⎞ DM 0. 00002 ⎜ 144 ⎟ Chondrite ⎛ 144 Sm⎞ ⎝ Nd ⎠ ⎛ 144 Sm⎞ ⎜ ⎟ = heeute + ⎜ ⎟ [GL 216] 144 ⎛ 146 ⎞ 1144 ⎝ Nd ⎠ Sm −λ t ⎝ Nd ⎠ ⎜ ⎟ × e D ⎝ 144 ⎠ Sm 0

210 A. Radiogene Isotopensysteme

0.35

76.6

Nd 0.30 58.6 144 Sm/ 147

39.9

0.25 29.9 erforderliches

30.7

15.3 12.7 10.1 10.8 9.2 8.3 0.20 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Zeit der Differenzierung nach Entstehung der Erde [Ma]

ABBILDUNG 166 147Sm/144Nd-Verhältnis, das im Reservoir mit überchondritischem Sm/Nd nötig ist, um einen 20 ppm-Überschuß an 142Nd/144Nd über das chondriti- sche Verhältnis zu erzeugen als Funktion der Zeit der Differenzierung der si- likatischen Erde in zwei Reservoire. Das Alter der Erde wurde dem Alter der ältesten Objekte des Sonnensystems gleichgesetzt (4.567 Ga). Für das heu- tige 142Nd/144Nd der Chondrite wurde ein Wert von 1.1418 angenommen; die Ergebnisse hängen aber nicht sehr empfindlich vom exakten Wert ab. Das initiale 146Sm/144Sm des Sonnensystems (und damit der Erde) wurde mit 0.008 angesetzt. Das durchschnittliche Sm/Nd-Verhältnis der Chondrite beträgt 0.325; mit der Häufigkeit von 144Sm in natürlichem Sm (3.07%) und von 144Nd in natürlichem Nd (23.80) errechnet man daraus ein 144Sm/ 144Nd von 0.0419 für Chondrite. Die Zahlen an den blauen Datenpunkten ε 147 144 stehen für die heutigen 143Nd-Werte, die man aus den Sm/ Nd-Verhält- nissen des differenzierten Reservoirs errechnet.

142 144 Nd/ Nd des DM-Reservoirs der Erde läßt sich aus GL 216 durch Variation von tD abschätzen. Die Ergebnisse sind in Abbildung 166 aufgetragen. Mit dem errechneten 144Sm/144Nd des differenzierten Reservoirs mit überchondritischem Sm/Nd läßt sich das 143 144 ε heutige Nd/ Nd dieses Reservoirs (und der entsprechende 143Nd-Wert) ermitteln. Wenn dieses Reservoir dem heutigen MORB-Mantel gleichgesetzt wird, kann die Differen- zierung der silikatischen Erde in zwei Reservoire nicht später als ≈50 Ma nach Bildung der Erde stattgefunden haben, da sich andernfalls Nd-Isotopien im oberen Erdmantel hätten entwickeln müssen, die höher sind als in MOR-Basalten beobachtet wird. Boyet & Carl- son[349] halten 30 Ma nach der Entstehung der Erde für realistischer*. Über eine Massen- bilanzrechnung, ausgehend von einer chondritischen silikatischen Erde, modellieren sie zudem die Spurenelementzusammensetzung des komplementären Reservoirs mit unter- chondritischem Sm/Nd und finden, daß es ein recht flaches Elementverteilungsmuster haben sollte. Daraus schließen sie, daß Hochdruckfraktionierung (Ausscheidung von Pha- sen mit Perowskitstruktur in einem tiefen irdischen Magmenozean) das komplementäre Reservoir nicht erzeugt haben sollte. Sie sehen vielmehr eine Analogie zur Entstehung der

211 Edelgase und ausgestorbene Radionuklide

KREEP-Basalte auf dem Mond (vergleiche Seite 205) und schlagen vor, eine Fe- und Ti-rei- che Restschmelze könne infolge ihrer hohen Dichte tief in den Mantel gesunken sein. – Vielleicht werden künftige noch präzisere Analysen die Natur dieses fehlenden Reservoirs erhellen. Tolstikhin & Hofmann (2005[351]) sowie Tolstikhin et al. (2006[352]) gelangen über geochemische Massenbilanzrechnungen ebenfalls zum Schluß, daß es ein isoliertes altes Reservoir im tiefen Erdmantel geben müsse, das nicht in die Konvektion des Erdmantels einbezogen ist und das an inkompatiblen Elementen und Edelgasen angereichert sein müsse. Auch sie schlagen die D''-Schicht als dieses Reservoir vor. Seine Existenz erklären sie mit Subduktion (Absinken?) einer sehr frühen mafischen bis ultramafischen Protokruste, die durch Meteoritenimpakts mit (zum Teil) chondritischem Material angereichert wurde, dadurch eine gegenüber dem Magmenozean höhere Dichte erlangte (Eintrag von Metall über die Impakts) und absank.

0.8 Nahklite + Chassigny 0.6

0.4 eservoir R esta

chondritisches V Mond Shergotty-Meteorite Nd 0.2 142 ε

0 irdisches ε142Nd

-0.2 chondritisches Reservoir

-0.4 0.15 0.20 0.25 0.30 147 144 Sm/ NdQuelle

ABBILDUNG 167 ε142Nd–147Sm/144Nd-Diagramm für Mars-Meteorite, Eukrite (bzw. deren mutmaßlichen Mutterkörper Vesta) und Gesteine des Mondes[67]. Als 147Sm/ 144Nd-Verhältnis ist dasjenige der Mantelquelle aufgetragen, errechnet un- ter der Annahme eines Zweistufenmodells, wonach nach der zweiten Phase (Kruste/Mantel-Differenzierung) keine weitere Differenzierung mehr statt- fand. Der durch ein grünes Quadrat dargestellte Shergotty-Meteorit wurde bei der Konstruktion der Regressionsgeraden nicht berücksichtigt. Nahklite und der Chassigny-Meteorit, die ebenfalls als Mars-Meteorite interpretiert werden, fallen nicht auf dieselbe Gerade mit Shergotty-Meteoriten. Caro et al.[67] schlagen vor, daß dies ein Fraktionierungsereignis im Mars-Mantel re- präsentiert, nachdem das 146Sm bereits zerfallen war. Demgegenüber argumentieren Caro et al. (2008), daß der Unterschied im 142Nd/144Nd zwi- schen Chondriten und der Erde Folge unterschiedlicher Sm/Nd-Verhältnisse ist[67]. Auch für Mars-Meteorite vom Shergotty-Typ und für Gesteine des Mondes finden sie positive Abweichungen im 142Nd/144Nd gegenüber Chondriten (Abbildung 167). Während eine

* Dieses Modell der extrem frühen Differenzierung ist allerdings schwierig in Einklang mit den Im- plikationen der 182W/184W-Isotopien zu bringen, nach denen der Mond frühestens 50 Ma nach Bil- dung der ersten Objekte im Sonnensystem entstanden ist; erst zu diesem Zeitpunkt wäre die Akkretion der Erde weitgehend abgeschlossen gewesen und der irdische Magmenozean wäre als Folge der Kollision der Erde mit einem Mars-großen Körper entstanden[334]; siehe auch Seite 205.

212 A. Radiogene Isotopensysteme

Regressionsgerade durch die Daten der Eukrite, interpretiert als Isochrone, durch den chondritischen Punkt geht (im Schnittpunkt der beiden gestrichelten Geraden), die das für die Regressionsgeraden durch die Shergotty-Meteorite und Mondproben nicht der Fall. Die Autoren halten es für plausibel, daß Mond und Shergotty-Meteorite dasselbe initiale ε142 Nd = 0 haben wie die Erde. Unter dieser Voraussetzung leitet man aus dem Schnittpunkt der beiden Regressionsgeraden mit dem ε142Nd der Erde ein 147Sm/144Nd von 0.206±0.005 ab (grünes Feld in Abbildung 167), das als neuer Wert für die Silikatanteile von Mars, Erde und Mond vorgeschlagen wird. Caro et al.[67] machen darauf aufmerksam, daß ein Erdmantel mit einem solchen Sm/Nd heute ein ε143Nd um +5 hätte; dies sind Werte, welche für viele Ozeaninselbasalte gefunden werden. Eine Erde mit einem überchondritischen Sm/Nd eli- miniert zudem die Notwendigkeit der Postulierung einer sehr frühen Differenzierung des Erdmantels in ein Reservoir mit höher als chondritischem und eines mit niedriger als chondritischem Sm/Nd[349].

213 B. Stabile Isotope

17.0 Stabile Isotope • Allgemeines

In der Geochemie der stabilen Isotope untersucht man Variationen in den Häufigkeits- verhältnissen der leichten und/oder flüchtigen Elemente; das sind vor allem H, Li (für die- ses Element siehe z.B. [353], [354], [355]), B, C, N, O, (Si), S, Ca und Se (z.B. [356], [357] ). Mit fortschreitender Verbesserung der Präzision von massenspektrometrischen Analysen und Entwicklung neuer Meßtechniken – namentlich der ICP-MS-Technik (siehe Seite 28 ) – wurden weitere Elemente dieser Liste zugefügt, insbesondere Übergangsmetalle wie Fe (z.B. [358], [359]), Cu (z.B. [360]) und Zn[362],[361], Mo[363],[364],[365] und sogar Tl[90],[366] oder U[162],[163] (siehe auch Abbildung 86, Seite 111). Die relativen Massenunterschiede zwischen dem schwersten und dem leichtesten Isotop sind bei den leichten Elementen groß, z.B. 1.125 für 18O/16O, während der Unterschied für 205Tl/203Tl nur noch 1.010 beträgt. Am höchsten ist die Variation beim Wasserstoff mit ≈2, und daher beobachtet man für dieses Element Isotopenfraktionierungen, also selektive Anreicherungen des schweren Isotops Deuterium (2H oder D) oder leichten Isotops 1H, die um ca. eine Zehnerpotenz höher sind als die der übrigen Elemente. Viele der hier relevanten Elemente kommen in mehreren Oxidationsstufen vor; einige Elemente gehen in der Natur zudem Verbindungen ein, in denen sie fest, flüssig oder gasförmig vorliegen. Im Fall des Bors spielt die stark pH-abhän- gige Koordination in Komplexen eine Rolle. Gemeinsam ist vielen Elemente zudem, daß ihre chemischen Bindungen einen beträchtlichen kovalentem Anteil haben. Obwohl die Ca- und Mg-Isotope große Massenunterschiede aufweisen (1.20 für 48Ca/40Ca oder 1.083 für 26Mg/24Mg), fand man bei diesen Elementen in der Natur nur eine recht geringe Varia- tion der Isotopenverhältnisse. Diese Elemente weisen in ihren Bindungen überwiegend Ionencharakter auf und/oder kommen in ihren Mineralen meist gebunden an Sauerstoff vor, Mg z.B. in der Regel mit oktaedrischer Umgebung, so daß bei ihnen auch Gitterplatz- wechsel keine Triebfeder einer Isotopenfraktionierung sein kann. Aber auch hier beginnt sich die Situation zu ändern. So fand man in Tropfsteinen weltweiter Vorkommen Variatio- nen im 26Mg/24Mg von insgesamt gut 4‰, wobei die Unterschiede sowohl auf Variationen zwischen den Wässern als auch auf den Ausfällungsprozeß des Karbonats zurückzuführen sind[367]. Bei den schweren Elementen Fe, Cu und Zn wird die Fraktionierung sowohl bio- logischen als auch abiogenen Prozessen zugeschrieben, wobei die Mechanismen im einzel- nen jedoch längst nicht vollständig gedeutet werden können. Für Cr, Fe, Cu und Zn liegen die Isotopenvariationen – unabhängig von der Ursache – immerhin noch in der Größen- ordnung eines Promilles pro Masseneinheit. Überraschend große Isotopenvariationen wur- den selbst bei Tl gefunden. Die 205Tl/203Tl-Verhältnisse im marinen Milieu streuen um mehr als 2‰, wobei besonders große Unterschiede zwischen Meerwasser und bei niedriger Temperatur entstandenen hydrogenetischen Fe–Mn-Krusten gemessen wurden (bis +14ε gegenüber -8ε für Meerwasser)[90]. Es wird vermutet, daß der Adsorptionsprozeß diese Iso- topenfraktionierung verursacht hat, zumal die Unterschiede zwischen Meerwasser und dia- genetisch gebildeten Krusten (kleineres H2O-Reservoir in Form von Porenwasser) bzw . hydrothermalen Ablagerungen (höhere Bildungstemperatur) geringer sind. Die Isotopen- unterschiede können bei den Schwermetallen mit der ICP–MS-Technik am besten aufge- löst werden, weil bei der Thermionenmassenspektrometrie die geräteinterne Massen- fraktionierung nur mit hohem Aufwand zu korrigieren ist (siehe auch Kapitel 7.0 auf S. 77). Die Isotopenvariationen hängen sowohl vom Massenunterschied als auch von der Masse selbst ab. Für ein Element, z.B. den Sauerstoff, bedeutet dies, daß die Fraktionierung zwi- schen 17O und 16O oder zwischen 18O und 17O (fast genau) halb so groß ist die zwischen 18O und 16O. Mit steigender Masse der Elemente sinkt der relative Massenunterschied Δm/ m, und die Fraktionierung pro Masseneinheit wird geringer, wenn man sich chemisch ähn- lich verhaltende Elemente miteinander vergleicht. Abweichungen von dieser massenab-

214 B. Stabile Isotope hängigen Fraktionierung sind auf der Erde selten, aber z.B. aus Sulfatablagerungen bekannt[368],[369]. Die Anomalien werden dabei der Oxidation von Schwefel in der Atmo- sphäre zugeschrieben und der Ablagerung der Salze aus einer Gasphase. Die Geochemie der stabilen Isotope befaßt sich mit den Isotopenvariationen oder Isotopie- effekten (letztere sind die Unterschiede in den physikalischen und chemischen Eigenschaf- ten verschiedener Isotope eines Elementes, die auf deren unterschiedlicher Masse beru- hen), die entweder durch Isotopenaustauschreaktionen verursacht werden oder denen massenabhängige Fraktionierungen bei physikalischen und chemischen Vorgängen in der Natur zugrunde liegen. Die Ursachen der Isotopieeffekte liegen in der Quantenmechanik, sie lassen sich aber durch die Gesetze von Kinetik und Thermodynamik quantitativ beschreiben. Unterschieden werden kann zwischen kinetischen und Gleichgewichtsisotopieeffekten. Viele Fraktionierungsprozesse bestehen aus mehreren Schritten, und einfach meßbar ist nur die resultierende Komponente. Die kinetischen Isotopieeffekte lassen sich als Ungleichgewichtsreaktionen charakterisieren. Sobald ein kinetischer Fraktionierungspro- zeß allerdings ein Gleichgewicht erreicht haben sollte, läge auch hier ein Gleichgewichts- effekt vor und kein kinetischer mehr. Kinetische Isotopieeffekte stehen typischerweise im Zusammenhang mit schnellen, unvollständigen, in eine Richtung verlaufenden Vorgän- gen wie Verdampfung, Diffusion, Dissoziation. Die Effekte im Zusammenhang mit Diffu- sion und Verdampfung kann man durch die unterschiedlichen Translationsgeschwindig- keiten der verschiedenen Moleküle in einer Phase oder über eine Phasengrenze hinweg erklären. Bei gegebener Temperatur ist die kinetische Energie Ekin in idealen Gasen je Mole- kül gleich. Z.B. gilt für 12C16O und 12C18O:

==2 2 Emvmvkin 1211 12 22 [GL 217]

=== vv12 mm 2 1 30 28 1. 035 d.h. daß die durchschnittliche Geschwindigkeit von 12C16O ≈3.5% größer ist als die von 12C18O in demselben System. Daher können leichte Moleküle z.B. rascher aus einem System herausdiffundieren als schwere oder rascher aus einer flüssigen in die gasförmige Phase übertreten. Infolge eines solchen kinetischen Effekts liegt δ18O (Definition von δ siehe Seite 223) von Wasserdampf über den Ozeanen bei ≈ -13‰, während der Gleichge- wichtswert bei nur -9‰ liegen sollte. Mit – nicht verwirklichter – Annäherung des Wasser- dampfdruckes der Atmosphäre an seinen Gleichgewichtswert ginge der kinetische Anteil gegen Null, und der Gleichgewichtseffekt würde das δ18O im Wasserdampf zu -9‰ bestim- men. Im Gegensatz dazu läßt sich die Kondensation in den Wolken zu Regen weitgehend als Gleichgewichtseffekt beschreiben (siehe Kapitel 18.1 auf S. 226). Moleküle, die das schwere Isotop eines Elementes enthalten, sind stabiler und haben höhere Dissoziationsenergien als diejenigen, die das leichte Isotop desselben Elementes enthalten (siehe nächster Abschnitt). Daher brechen z.B. Bindungen wie 12C–H oder 32S–O leichter als 13C–H oder 34S–O. Kinetische Isotopieeffekte, die auf solchen Unterschieden in den Dissoziationsenergien beruhen, können vor allem bei biologischen – inklusive bakte- riellen – Reaktionen in der Natur außerordentlich groß sein, weil dabei die Reaktions- produkte kontinuierlich durch den Metabolismus der Lebewesen aus der Reaktionskette entfernt werden, so daß es nie zur Einstellung eines Gleichgewichts kommt. So erzeugt z.B. die Photosynthese der sogenannten C3-Pflanzen (zu denen ca. 90% der Landpflanzen und alle marinen Pflanzen gehören) eine Verarmung des schweren Kohlenstoffs 13C relativ zum 12 − leichten Isotop C in den Pflanzen gegenüber dem anorganischen CO2 oder HCO3 der * Luft oder des Wassers von 20 bis 30‰, die der C4-Pflanzen (Mais, Zuckerrohr) von 13‰ – jeweils kinetische und Gleichgewichtsfraktionierung insgesamt, wovon der letztere Anteil nur rund 5‰ bei den C3-Pflanzen ausmachen sollte. Generell werden bei biologischen Pro- zessen die leichten Isotope eines Elementes im Organismus angereichert.

215 Stabile Isotope • Allgemeines

Kinetische Isotopieeffekte 0 dissoziierte Atome sind vornehmlich bei Reak- tionen bei niedrigen Tempe- raturen (also an oder nahe der Erdoberfläche) von

Bedeutung, weil Reaktions- ] geschwindigkeiten expo- nentiell mit der Temperatur 104.0 cal/mol

steigen, so daß die Einstel- k 109.4 lung eines Gleichgewichts e [ i 105.3 harmonischer sehr viel länger dauern 103.2 würde als Zeit zur Verfü- Oszillator gung steht. Sie werden in elle Energ der Geochemie der stabilen i Isotope von metamorphen oder magmatischen Prozes- potent H-H sen daher meist nur am H-D Rande behandelt. Hier D-D beschäftigt man sich vor- Nullpunkts- nehmlich mit Gleichge- energie von D2 (4.1) wichtsisotopieeffekten . Diese haben ihre Ursache in interatomarer Abstand der Abhängigkeit der Bin- dungsenergie von der ABBILDUNG 168 Schematisches Diagramm der potentiellen En- Atommasse. Wenn in einem ergie des Wasserstoffmoleküls für die drei verschiedenen Spezi- Molekül ein leichtes Isotop es. Dargestellt sind die Schwingungsenergieniveaus für n = 0. durch ein schwereres ersetzt Die wichtigen Schwingungsfrequenzen liegen bei 4405 Wellen- wird, bleiben Kernladung -1 zahlen [cm ] für H2, 3817 Wellenzahlen für HD und 3119 Wel- und Elektronenverteilung lenzahlen für D2. Mit steigender Temperatur werden die und ebenso die Kurve des Schwingungen aller Moleküle zunehmend unharmonisch und Potentialenergieverlaufs die Unterschiede zwischen den einzelnen (hier nicht gezeigten) unverändert. Da schwerere Energieniveaus kleiner und kleiner, bis die Moleküle schließlich Isotope jedoch niedrigere dissoziieren. Alle Spezies des Wasserstoffs haben dieselbe spek- Schwingungsenergieni- troskopische Dissoziationsenergie [109.4 kcal/mol]; aber die veaus besetzen als leichte, chemischen Dissoziationsenergien und die Nullpunktsenergien ist ihre Bindungsenergie in unterscheiden sich um bis zu 2 kcal/mol. Die Moleküle mit dem einem Molekül etwas größer schwereren Isotop haben höhere Dissoziationsenergien und als die des Moleküls mit sind somit stabiler als die mit dem leichten Isotop. Die Isotopen- dem leichten Isotop. Das ist fraktionierung zwischen den Molekülen läßt sich durch Unter- für den Fall des Wasserstoff- schiede in ihren Nullpunktsenergien erklären. moleküls in Abbildung 168 dargestellt[370]. Beschreibt man ein zweiatomiges Molekül als harmonischen Oszillator , dann berechnen sich die Schwingungsenergieniveaus zu

1 ν Evibr = (n + /2) h [GL 218] mit n = 0, 1, 2, … h = Plancksches Wirkungsquantum (6.626×10-27 erg×sec = 6.626×10-34 J×sec)

* Die Namen C3 und C4 beziehen sich auf die Anzahl von C-Atomen in den beiden Kohlenhydraten, die bei der Photosynthese in diesen Pflanzen im ersten Schritt der C-Fixierung nach Reduktion von CO2 entstehen. Bei einer kleinen Gruppe von Pflanzen (CAM-Pflanzen (Crassulacean acid metabo- lism: Ananas, Kakteen und andere Sukkulenten) gleicht die chemische Reaktion derjenigen der C4- Pflanzen, Licht- und Dunkelreaktion sind jedoch nicht räumlich, sondern zeitlich getrennt; CAM- Pflanzen halten tagsüber die Spaltöffnungen geschlossen, um den H20-Verlust zu minimieren.

216 B. Stabile Isotope

ν = Schwingungsfrequenz (s-1). Am absoluten Nullpunkt (T = -273.15°C) ist n = 0, und damit ergibt sich die Energie des 1 ν Grundschwingungszustands zu E = /2 h . Die Schwingungsfrequenz berechnet sich für den idealen harmonischen Oszillator zu

1 k ν = [GL 219] 2πμ

⎡ 2 ⎤ ⎢ kg m s ⎥ ⎢ Nm −1 ⎥ ==m s ⎢ kg kg ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ Darin stehen k für die Kraftkonstante und µ für die sogenannte reduzierte Masse, die sich für ein zweiatomiges Molekül berechnet zu (m1, m2 = Massen der Moleküle M1 und M2):

mm 1 μ = 12= [GL 220] + 11 mm12 + mm21 Aus dieser Gleichung erkennt man, daß µ mit steigender Masse m steigt und ν folglich sinkt. Damit besetzt beispielsweise das Molekül D–D niedrigere Schwingungszustände als 1H–D oder gar 1H–1H. Die relativen Unterschiede der reduzierten Massen für verschiedene Moleküle sind bei schweren Elementen kleiner als bei den leichten, so daß die Energie- niveaus verschiedener Moleküle bei schwereren Elementen relativ näher beieinander lie- gen; die Fraktionierung der Isotope ist damit bei schwereren Elementen in der Natur klei- ner als bei leichten.

Die Grundschwingungszustände sind in Abbildung 168 für die Moleküle D2, DH und H2 schematisch angegeben. Das Molekül des schweren Wasserstoffs besitzt demnach eine Nullpunktsenergie, die um knapp 2 kcal/mol niedriger ist als die von H2. Bei T>>0 K wer- den die Molekülschwingungen zunehmend unharmonisch und die Abstände zwischen den einzelnen Schwingungsenergieniveaus kleiner und kleiner, bis das Molekül schließlich dissoziiert. Die Dissoziationsenergie für D2 liegt um denselben Betrag von knapp 2 kcal/ mol über der für H2, d.h. die Bindung von D2 ist etwas stärker als die von HD oder H2. Die freie Energie, die bei Isotopenaustauschreaktionen in Erscheinung tritt, ist um Größen- ordnungen niedriger als Bindungsenergien oder Reaktionswärmen. Sie ergibt sich für T = 0 K z.B. als Differenz der Nullpunktsenergien zwischen den beiden betrachteten Molekülarten, sonst als Differenz der entsprechenden Energieniveaus für T. So ist z.B. mit dem Isotopenaustausch 1 16 18 ? 1 18 16 /2C O2 + H2 O /2 C O2 + H2 O, der bei 25°C eine Gleichgewichtskonstante von 1.0412 aufweist, nur eine Änderung der freien Energie

RT ln K = -23.9 cal/mol verbunden, eine Energie, die viel zu klein ist, um chemische Reaktionen in Gang zu setzen. Andererseits wird man davon ausgehen dürfen, daß p,T-Bedingungen, die geeignet sind, Bindungen wie Si–O oder Al–O in Mineralen aufzubrechen und umzubauen – also Isoto- pengleichgewicht herzustellen – auch ausreichen werden, um in einem System chemisches Gleichgewicht herzustellen. Mit anderen Worten: Wenn in einem System die Minerale im stabilen Isotopengleichgewicht stehen, besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Gestein auch im chemischen Gleichgewicht steht.

217 Stabile Isotope • Allgemeines

Eine der wichtigsten Definitionen in der Geochemie stabiler Isotope ist die des Fraktio- nierungsfaktors α zwischen 2 Substanzen A und B: α A-B = RA/RB [GL 221] 13 12 wobei RA,B die Verhältnisse des schweren zum leichten Isotop sind, also z.B. D/H, C/ C, 18O/16O. Wenn die Isotope statistisch auf alle in Frage kommenden Positionen des betrach- teten Moleküls oder der Verbindung verteilt sind, besteht zwischen α und der Gleichge- wichtskonstanten K die Beziehung

α = K1/n [GL 222] wobei n die Anzahl der in der betrachteten Reaktion ausgetauschten Atome ist. Man kann sich α als eine Art Verteilungskoeffizient vorstellen, der oft auch in der Form lnα, 103 ln α, ε ≡ Δ = × 3 K, lnK, (RProbe/RStandard – 1) 10 [‰] angegeben wird. Die Gleichgewichtskonstante K ergibt sich für eine Reaktion wie 18 1 16 ? 16 1 18 H2 O + /3CaC O3 H2 O + /3CaC O3 nach dem Massenwirkungsgesetz zu:

13 ⎡ 16⎤ × ⎡ 18 ⎤ ⎛ ⎡ 18 ⎤13 ⎡ 18 ⎤⎞ ⎣HO2 ⎦ ⎣ CaCO3 ⎦ CaC O ⎣HO2 ⎦ K = = ⎜ ⎢ 3 ⎥ ⎟ ⎡ 18⎤ ⎡ 16 ⎤13 ⎜ 16 ⎡ 16 ⎤⎟ HO× CaCO ⎝ ⎣CaC O3 ⎦ ⎣HO2 ⎦⎠ ⎣ 2 ⎦ ⎣ 3 ⎦ Man setzt hierin Konzentrationen anstatt von Aktivitäten oder Fugazitäten ein, weil die Verhältnisse von Aktivitätskoeffizienten für Moleküle mit verschiedenen Isotopen 1 sind. Wie alle Gleichgewichtskonstanten, so ist auch K temperaturabhängig. Das bildet die Basis für die Benutzung von Isotopenaustauschgleichgewichten als Geothermometer. Aus obiger Gleichung für K kann man α berechnen. In der Reaktion wird ein Sauerstoff aus- 1 1 getauscht bzw. 1 mol mit /3 mol CaCO3 umgesetzt; n ist daher 1 für H2O und /3 für CaCO3:

13 18 16 ⎡ 18 ⎤ ⎡ 18 ⎤ ()OO CaC O 13 ⎣HO2 ⎦ α ==K1 n ⎢ 3 ⎥ = CaCO3 16 ⎡ 16 ⎤ 18 16 ⎣CaC O3 ⎦ ⎣H2 O⎦ ()OO HO2 Die Gleichgewichtskonstante K kann mit der sogenannten Verteilungsfunktion Q in Bezie- hung gesetzt werden, einer Funktion, die aus der statistischen Mechanik stammt. Die Ver- teilungsfunktionen enthalten alle Informationen über den Energieinhalt eines Moleküls. Die innere Energie Eintern eines Moleküls kann als Summe aller Energieformen beschrieben werden, nämlich einem Translationsanteil, einem Rotationsanteil, einem Schwingungsan- teil, einem elektronischen sowie einem Kernspinanteil:

Eintern = Etrans + Erot + Evibr + Eel + Espin [GL 223] Die beiden letzten Terme sind dabei vernachlässigbar klein. Zu jedem betrachteten Zeit- punkt können Eintern und ihre Verteilung auf die verschiedenen Energieformen variieren. Im Gleichgewicht bei gegebener Temperatur T beträgt der Anteil der Moleküle nE/n0, die den Energieinhalt Eintern aufweisen

− = EkTi nnEi0 ge [GL 224]

mit nE = Anzahl Moleküle mit Energieinhalt Eintern,

n0 = Anzahl Moleküle mit Nullpunktsenergie,

gi = statistischer Gewichtsfaktor („Entartung“ von Eintern), k = Boltzmann-Konstante (1.3807×10-23 J/K).

218 B. Stabile Isotope

Es kann sein, daß es mehr als einen Zustand mit demselben Energieniveau Ei gibt; ein sol- cher Zustand heißt „degeneriert“ oder „entartet“ und muß mit dem Wichtungsfaktor gi versehen werden, welcher der Anzahl der einzelnen Zustände mit Ei entspricht. Dur ch Summierung der Gleichung über i, d.h. alle erlaubten Energieniveaus der Moleküle, erhält man Q:

− = EkTi Qge∑ i [GL 225] i Q wird auch als „Zustandssumme“ oder „statistische Summe“ bezeichnet. Die mittlere Energie des betrachteten Systems von Molekülen ist dann das, was man gewöhnlich als innere Energie bezeichnet. Wenn die erlaubten Energien des gesamten Systems von Mole- külen E1, E2, … Ei, berechnet sich die mittlere Energie zu:

− ∑nE ∑ gEeEkTi ∂ ==ii ii =2 lnQ E − kT [GL 226] EkTi ∂ ∑ni ∑ gei T Für einen Isotopenaustausch, bei dem a Moleküle A, die das leichte Isotop l enthalten, mit b Molekülen B, die das schwere Isotop s enthalten, umgesetzt werden, also ? aAl + bBs aAs + bBl berechnet sich die Gleichgewichtskonstante K zu

()()a b ()a QQA B QQsl K = sl= A [GL 227] a b ()b ()()QQ QQsl AlsB B Ähnlich wie die einzelnen Energieformen kann auch die Verteilungsfunktion eines Mole- küls in die einzelnen Anteile zerlegt werden:

Q ⎛ Q ⎞ ⎛ Q ⎞ ⎛ Q ⎞ s = ⎜ s ⎟ ⎜ s ⎟ ⎜ s ⎟ [GL 228] Q ⎝ Q ⎠ ⎝ Q ⎠ ⎝ Q ⎠ l l transl rotl vvibr Die Unterschiede zwischen dem translationalen und rotationalen Anteil sind zwischen den einzelnen Komponenten auf der rechten und linken Seite der Isotopenaustausch- gleichung ähnlich groß (mit Ausnahme des Wasserstoffs), so daß im wesentlichen unter- schiedliche Schwingungsenergien als Ursache der Isotopieeffekte übrig bleiben. In die Exponentialfunktion von Q und damit auch in Q und α oder K geht die Temperatur ein. Darauf beruht die Möglichkeit, Isotopenaustauschgleichgewichte für die Zwecke der Geothermometrie zu nutzen. Die Druckabhängigkeit ist dagegen – zumindest für Festkör- per und freie Moleküle so klein, daß sie unter den Drücken der Erdkruste vernachlässigt werden kann. Ausnahmen sind D–H-Austauschreaktionen, an denen Wasser beteiligt ist[372]. Die Verteilungsfunktionen sind nur für ideale Gase einfach zu berechnen, und bei der Übertragung auf flüssige und feste Stoffe muß man eine Anzahl von mehr oder weniger gesicherten Annahmen machen. Theoretische Berechnungen[373] haben ergeben, daß für die Isotopenfraktionierung zwischen H2O-freien Mineralpaaren bei Temperaturen >500 °C einfache Beziehungen des Typs

2 1000 ln α = A/T [GL 229] gelten sollten (α ≅ 1/T2) und für die Fraktionierung zwischen Mineralen und Fluiden bei T<500 °C Beziehungen vom Typ

2 1000 ln α = A/T + B. [GL 230]

219 Stabile Isotope • Allgemeines

Bei kleinen Temperaturintervallen und niedrigen Temperaturen läßt sich allerdings auch die Relation α ≅ 1/T verwenden – ähnlich wie bei petrologischen Thermometern, die auf dem chemischen Austausch zwischen Phasen beruhen. Dennoch sollten die Gleichungen nicht weit über den Bereich extrapoliert werden, für den einigermaßen gesicherte Daten vorliegen. Neben der Temperaturabhängigkeit zeigen α bzw. K natürlich auch eine starke Abhängigkeit von Chemismus und Art der chemischen Bindung. Zur Ermittlung der Gleichgewichtskonstanten für die Isotopenaustauschreaktionen bieten sich 3 Methoden an, nämlich (a) die theoretische Berechnung, (b) die experimentelle Bestimmung und (c) die empirische Eichung. Methode (b) ist bislang nur auf Mineral/ Fluid- und Schmelze/Fluidsysteme angewandt worden, und ist sicherlich die zu diesem Zweck best geeignete. Sie folgt den Prinzipien der experimentellen Petrologie, wonach das Gleichgewicht von beiden Seiten her kommend eingestellt werden muß.

Abbildung 169 zeigt die °C 650 450 350 250 200 150 Temperaturabhängigkeit des Wasserstoffisotopenaus- 20 Fraktionierung der Wasser- tausches einiger Mineral/ stoffisotope zwischen H2O-Gleichgewichte für Mineralen und H2O den Wasserstoffisotopen- austausch[370]. Insbesondere 0 die Fraktionierungskur ve Muskovit Serpentin O

[371] 2 Hornblende für Kaolinit– H2O ver- hält sich danach merkwür- -20 Kaolinit

dig und zeigt nicht die Pro- neral–H 2 i Chlorit portionalität mit 1/T . Nach M α [372] Driesner liegt die Ursa- Biotit Klinozoisit ln che für diese und viele ähn- -40 liche scheinbar sonderbare D/H-Fraktionierungen in ei- 1000 ner nicht korrigierten -60 Zoisit Druckabhängigkeit. Seine Berechnungen zeigen, daß der Druckeffekt besonders -80 groß ist im Bereich um die Temperatur des kritischen Punktes von Wasser bei 123456 Drücken zwischen ca. 22 106/T2 und 200 MPa (0.22 – 2 kbar) und darüber, unter Bedin- ABBILDUNG 169 Tatsächliche oder vermeintliche Temperatur- gungen also, die für hydro- abhängigkeit des Austauschs der Wasserstoffisotope D und H für thermale Austauschreaktio- verschiedene Mineral/H O-Gleichgewichte nen in der Natur relevant 2 sind (Abbildung 170-oben). Weiterhin weist er darauf hin, daß z.B. experimentelle Daten für die D/H-Fraktionierung zwischen Epidot und H2O eine erhebliche Druckabhängigkeit zeigen, wenn man notwendige Korrekturen an den Daten für die Struktur der Dampfphase (polymere H2O-Cluster, deren Anteil in der Dampfphase oberhalb von 200 °C stark an- steigt, fraktionieren D und H anders als einzelne Moleküle) und den Druckeffekt der flüssi- gen Phase vornimmt (Abbildung 170-unten). Es ist dann zu sehen, daß oberhalb von ca. 300 °C die Temperaturabhängigkeit der D/H-Fraktionierung abnimmt, so daß diese sich möglicherweise gar als Geobarometer eignet. Für die Abhängigkeit von α und K vom Chemismus und der Art der chemischen Bindung lassen sich einige systematische Charakteristika herausstellen: Bindungen an Ionen mit hohem Verhältnis von Ladung zu Ionenradius und niedrigem Atomgewicht zeichnen sich durch hohe Schwingungsfrequenzen aus und haben eine Tendenz, das schwere Isotop anzureichern, um die freie Energie des Systems zu erniedrigen. So weist z.B. Quarz eine Bin-

220 B. Stabile Isotope dung des hoch geladenen und kleinen Si4+ an Sauerstoff auf, während der Sauerstoff im Magnetit an das relativ große, weniger hoch geladene Fe2+ und Fe3+ gebunden ist. Tatsäch- lich ist Quarz unter den wichtigsten gesteinsbildenden Mineralen – betrachtet bei gleicher Temperatur – dasjenige mit der höchsten 18O-Anreicherung und Magnetit das 18O-ärmste.

H2O scheint sich in dieses 200 Schema nicht einzupassen. Es hat wesentlich höhere Schwin- 20‰ gungsfrequenzen (zwischen 1600 und 3900 cm-1) als die 150 meisten Minerale (<1000 cm -1) ] 18 ‰ und sollte von daher O-reich 5 5

‰ 1 sein. Tatsächlich ist die Fraktio- ‰ 0

[MPa 1 nierung Mineral/Wasser bei k 100

Temperaturen unterhalb von ruc ca. 400 – 500 °C derart, daß D sich 18O in den meisten Mine- ralen anreichern wird. Das 50 1 ‰ liegt daran, daß neben hoher Schwingungsfrequenz noch 22.1MPa s.v.p. eine zweite Komponente wich- kritischer Punkt tig ist, nämlich die Änderung 100 200 300 400 500 600 der Schwingungsfrequenz bei Temperatur [°C] der Isotopensubstitution; und ≈ die ist für O–H ( 1%) viel nied- 650 550 450 350 300 250 200 °C riger als für O–Si, O–Al oder O– Fe (≈7 – 8%). Bei tiefen Tempe- raturen ist dann der Effekt der Frequenzänderung dominie- -20 rend, bei hoher Temperatur die Höhe der Schwingungsfre- 400 -40 200 quenz. 100 dot–Wasser Nach Quarz sind Feldspäte die i 50 Ep α Minerale mit dem nächsthöhe- -60 s.v.p. ln ren 18O-Gehalt. Es ist einleuch- tend, daß δ18O von Feldspäten 1000 niedriger als das von Quarz ist, -80 weil Al3+ ein niedrigeres Ver- 0.1MPa hältnis von Ladung zu Radius hat als Si4+. Demgegenüber ist -100 der Einfluß der übrigen Katio- 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 nen der Feldspatstruktur (Alka- 106/T2 [T in K] lien, Ca) klein oder gar vernachlässigbar. ABBILDUNG 170 Oben: berechnete Druckabhängigkeit der D/H-Fraktionierung in H O, dargestellt in einem p–T-Dia- Unter den Granaten Grossular 2 gramm. Die angegebenen Werte sind unterhalb des kriti- und Andradit reichert der schen Punktes relativ zur Fraktionierung entlang der Siede- erstere 18O relativ an, was i.w. kurve (s.v.p. = saturated vapor pressure) angegeben, rechts der geringen Atommasse des Al davon relativ zur Fraktionierung beim Druck des kritischen gegenüber Fe3+ zuzuschreiben Punktes (22.1 MPa). Unten: D/H-Fraktionierung zwischen ist. ZnS reichert 34S relativ zu Epidot und H O als Funktion von p und T, korrigiert von PbS an, auch hier erklärbar 2 [372] nach Literaturdaten. durch die geringere Masse des Zn.

221 Stabile Isotope • Allgemeines

Karbonate sind im Vergleich zu anderen Mineralgruppen reich an 18O, was der Bindung des

18 16 TABELLE 17: O/ O-Fraktionierung zwischen MCO3 und H2O M 18O (25°C)a 18O (240°C) Radius (M2+) Atomgewicht (M) Mg 31.2 – 0.72 24.3 Ca (Aragonit) 28.7 – 1.18 40.1 Ca (Calcit) 28.0 7.2 1.00 40.1 Mn – 6.8 0.83 54.9 Sr 26.8 6.2 1.16 87.6 Cd 26.1 6.0 0.95 112.4 Ba 24.5 4.7 1.36 137.4 Pb – 4.5 1.18 207.2

Δ18 α a. O = 1000 ln (MCO3 – H2O)

Sauerstoffs an das kleine und hoch geladene C4+ zuzuschreiben ist sowie – im Fall sedimen- tärer Karbonate – der niedrigen Bildungstemperatur. Innerhalb der Gruppe der Karbonate 18 hat MgCO3 die höchste relative Anreicherung an O, wenn die Karbonate mit Wasser im Isotopenaustauschgleichgewicht stehen, erklärbar durch den kleinen Ionenradius von Mg. 2+ 2+ Δ18 Cd und Ca haben denselben Radius. Das niedrigere O von CdCO3 unterstreicht deutlich die Rolle der Atommasse für das Gleichgewicht. Tabelle 17[370] gibt eine Aufstel- lung von Δ18O-Werten für den Sauerstoffaustausch zwischen Karbonaten und Wasser. Tabelle 18 schließlich gibt hypothetische Werte für die zu erwartende Abfolge der O-Isoto- pien für eine Reihe von Mineralen in Metapeliten an[374].

TABELLE 18: Hypothetische Abfolge der 18O-Werte koexistierender Minerale aus pelitischen Schiefern bei niedrig-bis mittelgradiger Metamorphose Mineral 18O Mineral 18O Quarz +15.0 Hornblende +10.0 Dolomit +14.2 Titanit +10.0 K-Feldspat, Albit +13.0 Olivin, Granat +9.5 Calcit +12.8 Zirkon +9.5 Anorthit +11.5 Biotit +8.5 Muskovit, Paragonit +11.3 Chlorit +8.0 Augit, Diopsid +10.5 Ilmenit +5.5 Orthopyroxen +10.5 Magnetit +4.5

Anders als bei den radiogenen Isotopen werden die Isotopenverhältnisse der stabilen Iso- tope stets relativ zu Standardmaterialien angegeben. Herstellung und Verteilung dieser Standards ist vor einigen Jahren der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in W ien übertragen worden[377]. Zur Angabe der Isotopien von Wasserstoff und Sauerstoff wird vor- nehmlich „standard mean ocean water“ (VSMOW „V“ für „Vienna“) benutzt, das von R. Weiss und H. Craig* für die IAEA hergestellt wurde. Bei den Kohlenstoffisotopen ist der Vorrat des ursprünglichen Standards PDB (Peedee Belemnite aus South Carolina) längst erschöpft. Dies war der Standard, der an der Univer-

* Harmon Craig (1926–2003), amerikanischer Geochemiker an der Scripps Institution of Oceanogra- phy in La Jolla; als Schüler von H.C. Urey beschäftigte sich Craig zuerst mit C- und O-Isotopen von Meteoriten, bevor er sich der Geochemie der Ozeane im weitesten Sinn zuwandte.

222 B. Stabile Isotope

sity of Chicago im Anschluß an eine theoretische Arbeit von Urey* bei der Entwicklung der Paläotemperaturbestimmung der Ozeane über das Verhältnis 18O/16O verwendet wurde[381]. Mit Hilfe von sekundären, an PDB geeichten Standards wird aber auch heute noch die C-Isotopenzusammensetzung relativ zu PDB angegeben (als VPDB), desgleichen die O-Isotopenzusammensetzung bei der Paläotemperaturbestimmung der Ozeane. Der δ13 neuere Karbonatstandard NBS 19 mit CNBS19/PDB = 1.95, scheint geeignet, die übrigen Sekundärstandards zu ersetzen. Bei der Messung der N-Isotope wird Luftstickstoff als bequemer Standard verwendet, des- sen Isotopenzusammensetzung weltweit konstant ist. S-Isotopenzusammensetzungen werden relativ zu der von Troilit aus dem Eisenmeteorit Canyon Diablo angegeben (in Ruß- land Troilit aus dem Meteoriten Sikhote Alin); auch hier werden zahlreiche Sekundär- standards verwendet. Tabelle 19 zeigt eine Übersicht über die Isotopenzusammensetzungen der wichtigsten der aufgezählten Standards[374].

TABELLE 19: Isotopenverhältnisse einiger internationaler Standards Standard Verhältnis akzeptiertes Verhältnis SMOW D/H 0.00015576±10 18O/16O 0.00200520±43 17O/16O 0.000373±15 PDB 13C/12C 0.0112372±29 18O/16O 0.0020671±21 17O/16O 0.000379±15 Luftstickstoff 15N/14N 0.0036765±81 Canyon Diablo-Troilit 34S/32S 0.0450045±93

Die Fehler entsprechen 95% Vertrauensintervall (2σ) und beziehen sich auf die jeweils letz- ten Stellen. Mit Hilfe solcher Standards werden die Zusammensetzungen der stabilen Isotope in der δ- Formulierung angegeben (ähnlich wie bei einigen radiogenen Isotopensystemen in der ε-Formulierung):

⎛ ⎞ R 3 δ [‰] =−Pr 110× [GL 231] ⎝⎜ ⎠⎟ RStd z.B. für Sauerstoff:

⎡ ()18OO 16 ⎤ δ [‰] = ⎢ Pr − 110⎥ × 3 ⎢()18OO 16 ⎥ ⎣ Std ⎦ wobei Pr für Probe, Std für Standard steht. Analog wie beim 143Nd/144Nd wird auch bei eini- gen stabilen Isotopen die ε-Form verwendet:

* Harold C. Urey (1893–1981) amerikanischer Chemiker, Nobelpreis für Chemie 1934 für die Ent- deckung des Deuteriums. Später arbeitete Urey vor allem an grundlegenden Fragen der Kosmo- und Geochemie. Er schlug auch die Methoden der Paläotemperaturbestimmung mittels mariner Karbo- nate vor (siehe Seite 230).

223 Stabile Isotope • Allgemeines

⎛ ⎞ R 4 ε =−Pr 110× [GL 232] ⎝⎜ ⎠⎟ RStd Sind verschiedene Standards in Gebrauch, dann lassen sich die δ-Werte der Proben leicht auf die verschiedenen Standards umrechnen, vorausgesetzt der Umrechnungsfaktor der beiden Standards untereinander ist bekannt:

⎛ R ⎞ − (i) δ =−Std 2 110×⇒3 R =() 103δ + 1 × R Std21/ Std ⎝⎜ ⎠⎟ Std 2 Std21/ Std Std 1 RStd1

⎛ ⎞ ⎡ ⎤ RPr 3 ⎢ RPr ⎥ 3 (ii) δ =−⎜ 110⎟ ×= − 110× Pr / Std2 ⎝ R ⎠ ⎢ −3δ + × ⎥ Std 2 ⎣()10 Std 2/SStd111 R Std ⎦

⇒=−−33δδ + + RRPr()10 Pr / Std2 1() 10 Std2 / Std1 1 Std1

⎡ −3δ + −3δ + ⎤ ⎛ R ⎞ ()10 Pr / Std2 1110()Std2 / Std1 1R Std1 (iii) δ =−Pr 110×=3 ⎢ − 1⎥ × 1103 Pr / Std1 ⎝⎜ ⎠⎟ ⎢ ⎥ RStd1 ⎣ RStd1 ⎦

⎛ ⎞ RPr 33⎡ − −33⎤ δδ=−11010×=() +1110()δ + 1− 1× 10 [GL 233] Pr / Std1 ⎝⎜ ⎠⎟ ⎣ Pr / Std2 Std2 / Std1 ⎦ RStd1 δ und α können ebenfalls leicht ineinander umgerechnet werden. Gegeben seien die δ-Werte für zwei Phasen A und B (z.B. verschiedene Minerale oder verschiedene Aggregat- zustände derselben Komponente):

⎛ R ⎞ − δδ=−A 110×⇒=33R () 10 +1 R ASMOW//⎝⎜ ⎠⎟ AASMOWSMOW RSMOW

⎛ R ⎞ − δδ=−B 110×⇒=33R () 10 +1 R BSMOW//⎝⎜ ⎠⎟ BBSMOWSMOW RSMOW

−3δ + R ()10ASMOW/ 1 α ==A [GL 234] −3δ + RB ()10BSMOW/ 1 Mit Hilfe von GL 233 lassen sich die Umrechnungen vornehmen, die erforderlich sind, um die auf frühere Standards bezogenen Analysen von D/H, 13C/12C und 18O/16O zu korrigie- ren. Verbindlich sind derzeit[378]: δ • D/H-Verhältnisse werden relativ zu VSMOW angegeben, derart, daß DSLAP/VSMOW = -428‰ ist. 13 12 δ 13 • C/ C-Verhältnisse werden relativ zu VPDB angegeben, so daß CNBS19/VPDB = +1.95‰. • 18O/16O wird entweder relativ zu VSMOW oder zu VPDB angegeben, dergestalt daß δ 18 OSLAP/VSMOW = -55.5‰.

224 B. Stabile Isotope

18.0 Wasserstoff und Sauerstoff

Wasserstoff und Sauerstoff werden gemeinsam behandelt wegen der engen Vergesellschaf- tung der beiden Elemente in der Natur.

Wasserstoff besteht vorzugsweise Verlust von aus den beiden stabi- 1H aus der Atmosphäre len Isotopen H und D. In SMOW liegt die Häufigkeit des Deute- riums bei 155.8 ppm. meteorisches Wasser Wegen des großen Iso- topieeffekts als Folge Meerwasser des großen Massenun- terschieds zwischen H Sedimente und D zeigt Wasser- stoff eine riesige Isoto- Magmatite und Metamorphite penfraktionierung in der Natur, die >50% juvenile Wässer?, OH-Minerale aus dem Mantel? auf der Erde ausmacht (siehe Abbildung 171)[374]. -400 -300 -200 -100 0 100 δD [‰] Sauerstoff besteht aus drei stabilen Isotopen mit den Massenzah- meteorisches Wasser len 16, 17 und 18. Aus den Daten in Meerwasser Tabelle 19 auf Seite 223 errechnet Sedimente man Häufigkeiten für SMOW von 99.763%, Metamorphite 0.038% bzw. 0.200%. granitische Gesteine Für PDB betragen die Häufigkeiten basaltische Gesteine 0.99756%, 0.00038% und 0.00206%. Das Verhältnis 18O/16 O -60 -40 -20 0 20 40 variiert auf der Erde δ18O[‰] um ≈10% als Folge sowohl von Gleichge- ABBILDUNG 171 Variation der Verhältnisse D/H [oben] und 18O/16O wichts- als auch von [unten] in Gesteinen und Wässern kinetischen Prozessen (Abbildung 171[370].

Die massenspektrometrische Messung erfolgt in Form von Gasen – H2 und CO2. Silikate werden meist mit BrF5 aufgeschlossen, seltener mit ClF3 oder F2. Bei Karbonaten genügt die Umsetzung mit H3PO4, bei H2O die Äquilibrierung mit CO2. Größtes Gewicht ist auf Voll- ständigkeit der chemischen Reaktion zu legen (Aufschluß) bzw. auf Einhaltung konstanter Bedingungen zur Erzielung der Gleichgewichtseinstellung bei Reaktionen mit bekanntem K (Äquilibrierung). Bei unvollständiger Reaktion kann nicht erwartet werden, daß Reakti- onsprodukt und ungelöster Rest eine identische Isotopenzusammensetzung haben. Die Reproduzierbarkeit guter massenspektrometrischer Analysen liegt für Sauerstoff bei ≈±0.02‰. Wesentlich größere Fehler resultieren jedoch aus der Aufbereitung der Proben, so daß für den Gesamtfehler einer O-Messung ≈±0.1‰, für Wasserstoff von ≈±0.5 – 2‰ angenommen werden kann. Inzwischen erzielt man gute Ergebnisse mit der Laserfluorie-

225 Wasserstoff und Sauerstoff

rung, bei der ein kleines Volumen eines Minerals durch einen Laserstrahl verdampft und mit F2-Gas fluoriert wird; es ist zu erwarten, daß dieses Verfahren für viele Anwendungen die konventionellen Aufschlußmethoden bald weitgehend verdrängen wird. Bei der Ana- lyse irdischer Proben beschränkt man sich in der Regel auf die beiden Sauerstoffisotope 16O und 18O. Dabei wird unterstellt, daß durch natürlich ablaufende Prozesse auf der Erde die Sauerstoffisotope massenabhängig fraktioniert werden, d.h. δ17O = 0.52 δ18O (der Faktor ist nicht exakt 0.5, weil der relative Massenunterschied Δm/m zwischen 16O und 17O etwas größer ist als halbe Massenunterschied zwischen 16O und 18O). Auf die Meteorite trifft das jedoch nicht zu (hier spielen Effekte der Elemententstehung und -fraktionierung im sola- ren Nebel eine Rolle), und daher werden in der Kosmochemie sowohl 18O/16O als auch 17O/ 16O gemessen, was wegen der geringen Häufigkeit von 17O zudem größeren analytischen Aufwand erfordert. 18.1 Sauerstoff und Wasserstoff in Hydro- und Atmosphäre In der Geochemie der stabilen Isotope wird zwischen Ozeanwasser und meteorischem Was- ser unterschieden. Als meteorisch wird Wasser bezeichnet, das den meteorologischen Zyklus durchlaufen hat, also Verdampfung (über den Ozeanen), Kondensation, Nieder- schlag. Das Wasser auf den Landoberflächen fällt damit auch unter diese Kategorie, d.h. das Wasser der Flüsse und Seen sowie der Gletscher.

1.014 1.14 Fraktionierungsfaktoren: (18O/16O) α = H2O-flüssig 18O (18O/16O) 1.012 H2O-Dampf 1.12 (D/H)H2O-flüssig αD = (D/H)H2O-Dampf Fra O 18 k

1.010 1.10 t i on

tor, tor, α18O k i erungsfa αD 1.008 1.08 erungsfa i k tor, on i t 1.006 1.06 k D Fra

1.004 1.04

1.002 1.02 -50 0 50 100 150 T [°C]

ABBILDUNG 172 Temperaturabhängigkeit der Isotopenfraktionierung bei der Verdampfung von Wasser Wenn das Wasser an der Oberfläche der Ozeane verdampft, ist die Dampfphase am schwe- 18 16 ren O und an D relativ verarmt, weil H2 O den höchsten Dampfdruck aller denkbaren Wassermoleküle hat. δD und δ18O des Wassers in der Atmosphäre haben daher negative δ [25] SMOW-Werte. Abbildung 172 zeigt die experimentell bestimmten Fraktionierungskur ven α α für Gleichgewichtsverdampfung von H2O für 18O und D in Abhängigkeit von der Tempe- ratur. Tatsächlich hat das atmosphärische H2O im Nordpazifik und Nordatlantik aber ein deutlich negativeres δ18O (um ≈4‰) als es dieser Gleichgewichtskurve entspricht, was kinetischen Effekten zugeschrieben wird.

226 B. Stabile Isotope

Wenn das atmosphärische Wasser zu Regen kondensiert, reichern sich die Schematische Darstellung der schweren Isotope im Regen an, und Sauerstoffisotopenfraktionierung im atmosphärischen Wasserkreislauf der in der Gasphase verbleibende -17‰ Rest wird daher isotopisch immer -15‰ leichter, wie es in Abbildung 173[374] -5‰ schematisch gezeigt ist. Dieser (Regen) -3‰ Zusammenhang hat sich als nützlich Dampf (Regen) erwiesen, um die Heimat von „Ötzi “ δ18O=-13‰ im heutigen Südtirol zu lokalisieren, ב ב ב -das seinen Niederschlag vorzugs Ozean weise vom Mittelmeer erhält, und Kontinent δ18O=0‰ nicht im Gebiet nördlich der Wasser- scheide, das im Einzugsgebiet des wesentlich weiter entfernten Atlan- ABBILDUNG 173 Das Ausregnen von Wolken bewirkt tiks liegt[375]. als Funktion der Entfernung vom Entstehungsort der Wolken (Ozeane) eine Isotopenfraktionierung des Die Kondensation des Wasserdamp- H O, das isotopisch ständig leichter wird. fes zu (Regen)Wasser unter Gleichge- 2 wichtsbedingungen kann durch das Rayleighsche Destillationsgesetz beschrieben werden:

= ()α −1 RR0 f [GL 235]

0 ABBILDUNG 174 Fraktionierung der Sauerstoffi- sotope bei der Kondensation von Wasser aus der -5 f lü Dampfphase nach dem Rayleighschen Destillati- ss ig α δ18 onsgesetz ( = 1.0092). Das initiale O des -10 d ] am Wasserdampfes wurde zu -9.2‰ angenommen. p ffö Das erste Kondensat dieses Dampfes hat dann -15 rm 18 O[‰ ig ein δ O von 0. Durch Entfernung jedes Inkre- 18 δ ments von kondensiertem Wasser aus der Wolke -20 wird das δ18O des Dampfes sinken, und damit δ18 sinkt auch O des folgenden Kondensats stän- -25 dig. -30

1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 Anteil des verbleibenden Dampfes

18 16 wobei R das O/ O- oder D/H-Verhältnis des verbleibenden Wasserdampfes ist, R0 das initiale 18O/16O- oder D/H-Verhältnis des Wasserdampfes vor Beginn der Kondensation und f der Bruchteil des noch verbleibenden Wasserdampfes. Durch Einsetzen von [GL 234 ] erhält man daraus für die Sauerstoffisotope:

−318δ R ()α −1 10O+ 1 ==f [GL 236] −318 R0 10()δ O+ 1 0 oder

18 ()αα−1 ⎡ −318⎤ 3 ()−1 ⎡ 18 3⎤ 3 δδOO+= {}ff10() 1− 1×= 10 ()δ O+10− 10 [GL 237] ⎣ 0 ⎦ ⎣ 0 ⎦ wobei δ18O der Wert des verbleibenden Wasserdampfes ist. In Abbildung 174[25] ist δ 18O von Wasserdampf und Kondensat gegen f aufgetragen für T = 25°C und α = 1.0092 sowie

227 Wasserstoff und Sauerstoff

δ18 δ18 ( O)0 = -9.2‰. Der darin aufgetragene O-Wert des Kondensats im Gleichgewicht mit Wasserdampf läßt sich berechnen durch Auflösen von [GL 234], wenn A = Wasser und B = Wasserdampf gesetzt wird:

δαδ=+⎡ −33− ⎤ × LSMOW//⎣ ()10 VSMOW 1 1⎦ 10

δαδ=+33− LSMOW//() VSMOW 10 10 [GL 238]

Aus Abbildung 174 geht 100 hervor, daß δ18O von schwerster Niederschlag Wasserdampf und Was- „Meteoric Water Line“ δD = 8×δ18O + 10 ser mit zunehmender 0 Kondensation 18O- ärmer werden. Darin

] -100 liegt die Ursache, daß niedrige Breiten abgeschlossene das Süßwasser auf den Becken [‰

Kontinenten niedrigere D 18 16 δ -200 Steigung der Trajektorien D/H- und O/ O-Ver- der Verdampfung ≈5 hältnisse hat als Ozean- wasser. Ausnahmen -300 hohe Breiten sind Gewässer in Gebie- ten mit exzessiver Ver- dunstung. -400 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 Da die Fraktionierung δ18O [‰] bei der Kondensation von Wasserdampf für 0 beide Isotopensysteme gleichsinnig verläuft, -10

verwundert es nicht, ] daß es hier eine Korrela- tion gibt, die sich mit -20 O [‰ 18 δD = aδ18O + b [GL 239] δ -30 beschreiben läßt und δ18O = 0.695×T – 13.6 als meteoric water line bekannt ist. -40 -40 -30 -20 -10 0 10 20 Die Werte von a und b Jahresdurchschnittstemperatur der Luft [°C] sind innerhalb gewisser Grenzen variabel, weil ABBILDUNG 175 Oberes Diagramm: „meteoric water line“. Die Iso- abhängig von den topie von Wasser und Schnee zeigen eine ausgeprägte Abhängig- Bedingungen der Ver- keit vom der geographischen Breite und damit der Temperatur der dampfung und des Nie- Kondensation. Wässer abgeschnürter Becken und einiger Seen und derschlags sowie dem Flüsse im nordöstlichen Afrika mit extremer Verdampfungsrate zei- Transport des Wassers gen eine Abweichung von der sonst gültigen Beziehung mit einer in der Gasphase. Steigung um 5. Das untere Diagramm zeigt den Zusammenhang Typisch sind Werte von zwischen dem Jahresmittel von δ18O des Niederschlags und der a ≈ 8 und b ≈ 5 – 10. Lufttemperatur Diese Gleichung ist in der Abbildung 175[25] schematisch dargestellt. Die Gleichgewichts- fraktionierung stabiler Isotope verläuft proportional 1/T2; daher findet man die größte Fraktionierung (d.h. die niedrigsten Werte von δD und δ18O in den Niederschlägen der Polarregionen, während Niederschläge in den Äquatorgebieten Werte bis zu δ18O, δD ≈ 0 annehmen können. Die inverse Kopplung der Fraktionierung mit der Temperatur ist aus dem unteren Teil der Abbildung 175 abzulesen, in der das mittlere jährliche δ18O des loka-

228 B. Stabile Isotope len Niederschlags gegen die mittlere jährliche Temperatur aufgetragen ist. Bei hohen Tem- peraturen nähert sich δ18O dem Wert der Ozeane an als Ausdruck der Tatsache, daß die Fraktionierung mit steigender Temperatur kleiner wird. δ 18 δ Die O- und D- 5 Werte von Seewasser schwanken nur wenig 43°N um 0‰ SMOW. Die 35°N 0 NADW Schwankung der Golf von Maine Norweg. See Werte für ozeanisches ] Oberflächenwasser ist Ostküste Grönland vor allem auf die -5 Effekte der Verdamp- O [‰ 18 fung zurückzuführen, δ wobei die leichten Iso- tope bevorzugt in die -10 Dampfphase eintre- nahe Grönland ten. Parallel zur zunehmenden Ver- -15 dampfung geht eine 10 20 30 40 Dichteerhöhung des Salinität [‰] Meerwassers. Das ver- 0.50 dampfte Wasser gelangt über isoto- 0.25 pisch leichten Nieder- nordatlantisches schlag, z.T. über salz- Tiefenwasser 0.00 arme Flüsse vom ] nordatlantische Festland, wieder in die Oberflächenwässer pazifisches Tiefenwasser Ozeane zurück und -0.25 O [‰

vermischt sich mit 18 Wasser des

δ Weddell-Meeres dem Oberflächenwas- -0.50 antarktisches ser. Es ist daher nicht Bodenwasser verwunderlich, daß für das Oberflächen- -0.75 wasser eine lineare Beziehung zwischen -1.00 δ18O und der Salinität 33 34 35 36 besteht, die z.B. für Salinität [‰] den Nordatlantik in die Formel ABBILDUNG 176 oberes Diagramm: Beziehung zwischen Salinität und δ18O [‰] für den Nordatlantik; unteres Diagramm: Beziehung 18 δ18O = -21.2 + 0.61 × zwischen Salinität und δ O [‰] für verschiedene Ozeanwasser- Salinität (‰) [GL 240] massen gekleidet werden kann[379] und in Abbildung 176 dargestellt ist[374]. Auf dieser Mischungs- linie liegt auch das nordatlantische Tiefenwasser (NADW), das sich durch Vermischung von wärmerem, höher salinarem Wasser des Golfstroms mit kaltem, niedriger salinarem arktischem Wasser bildet und infolge seiner höheren Dichte auf den Grund des Nordatlan- tiks sinkt und nach Süden strömt, wo es ungefähr ab 20°N von noch dichterem antarkti- schem Tiefenwasser der Gegenströmung unterschichtet wird[380] und schließlich mit dem antarktischen Zirkumpolarstrom auch in Indik und Pazifik verfrachtet wird, wobei es all- mählich seine Identität verliert. Dieses antarktische Tiefenwasser liegt nicht auf der Mischungslinie für das nordatlantische Oberflächenwasser, weil es auf andere Weise ent- steht: Im antarktischen Winter kühlt sich das Wasser des Weddell-Meeres soweit ab, daß sich nahezu salzfreies Treibeis auf seiner Oberfläche bildet. Der Fraktionierungsfaktor α für diesen Prozeß beträgt für Sauerstoff nur 1.002, d.h. das Eis hat ein δ18O um 2‰ höher als

229 Wasserstoff und Sauerstoff

das Oberflächenwasser, was in der Massenbilanz für das Oberflächenwasser vernachlässig- bar gering ist. Das zurückbleibende kalte, hochsalinare Wasser sinkt auf den Meeresboden ab und vermischt sich dabei mit weniger salinarem, eher etwas wärmerem Wasser. Das so entstandene Wasser hat die höchste Dichte des Ozeanwassers überhaupt und strömt auf dem Meeresboden nach Norden, wobei es sich natürlich langsam weiter vermischt und seine Identität verliert. Infolge seines Bildungsmechanismus hat dieses Tiefenwasser vor der Antarktis ein δ18O wie das Oberflächenwasser, aber eine höhere Dichte (die sich als Effekte der niedrigen Temperatur und hohen Salinität ergibt), was im unteren Teil von Abbildung 176 dargestellt ist[374]. Bei seiner Strömung im Pazifik und Indik mischt es sich mit dem nordatlantischen Tiefenwasser. Daß das pazifische Tiefenwasser (PDW) nicht genau auf einer Mischungslinie zwischen antarktischem und arktischem Tiefenwasser liegt, wird auf die Gegenwart zusätzlicher Komponenten zurückgeführt. Eine der frühesten Anwendungen der Geochemie stabiler Isotope (O, C), die auch heute noch in der Geologie erhebliche Bedeutung hat, ist die Paläotemperaturbestimmung, die auf eine grundlegende thermodynamische Arbeit von H.C. Urey zurückgeht[381]. Er schlug darin vor, es sei prinzipiell möglich, durch die Analyse der Sauerstoffisotopenzusammen- setzung der Karbonatschalen fossiler mariner Organismen auf die Temperatur der Paläo- ozeane zurückzuschließen. Grundlage dafür ist das Isotopenaustauschgleichgewicht 1 16 18 ? 1 18 16 /3 CaC O3 + H2 O /3 CaC O3 + H2 O mit der Gleichgewichtskonstanten

13 ⎡ 18 ⎤ ⎡ 16 ⎤ ()⎣CaC O3 ⎦ ⎣ CaC O3 ⎦ K = [GL 241] ⎡ 18⎤ ⎡ 16 ⎤ ⎣HOHO22⎦ ⎣ ⎦

13 ⎡ 18 ⎤ ⎡ 16 ⎤ 13 ()⎣CaC O3 ⎦ ⎣ CaC O3 ⎦ R und K1 n = ==CaCO3 α ⎡ 18 ⎤ ⎡ 116 ⎤ R ⎣HOH22⎦ ⎣ O⎦ HO2

Dieses Austauschgleichgewicht ist temperaturabhängig. Die nötigen experimentellen Eichungen wurden bereits Anfang der 1950er Jahre von Mitarbeitern Ureys an der Univer- sity of Chicago gemacht und in Gleichungen gekleidet. Später stellte sich heraus, daß die Fraktionierung zwischen Calcit und Wasser anders ist als die zwischen Aragonit und Was- ser. Diese Fraktionierungen werden durch die beiden folgenden Gleichungen beschrie- ben[382],[383]:

Calcit – Wasser: δ – δ ≈ 1000 ln α = 18.03/(1000 T) – 32.42 [GL 242] Calcit HO2

Aragonit – Wasser: δ – δ ≈ 1000 ln α = 17.88/(1000 T) – 31.14 [GL 243] Aragonit HO2 (mit T in Kelvin). Die beiden Fraktionierungskurven sind in Abbildung 177 dargestellt *. Aragonit reichert demnach 18O gegenüber Calcit geringfügig an (um ≈0.8‰ bei 25 °C). Kim et al. (2007)[383] konnten zeigen, daß viele biogene Aragonite unter oder nahe den Bedingungen des Gleichgewichts mit dem umgebenden Wasser ausgeschieden werden. Schon bald nachdem die Methode zum erstenmal geeicht war, zeigten sich jedoch die Grenzen der Paläotemperaturbestimmung der Ozeane, und man benutzt die Methode heute eher, um (relative) Änderungen der Temperatur der Ozeane aufzuzeigen, d.h. als

* Aragonit kann aus Wasser bei Gegenwart hoher Mg2+-Konzentrationen (Mg2+/Ca2+ ≈ 1 bei 25 °C und höher bei niedrigerer Temperatur) ausgeschieden werden. Sonst scheidet sich Calcit als ther- modynamisch stabile polymorphe CaCO3-Phase aus.

230 B. Stabile Isotope

δ18 Indikator für das Paläoklima. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 178 angegeben für OPDB von Foraminiferen aus der Karibik über die letzten ≈ 700 Ka[384]. Das δ18O des Meerwassers ist, wie im folgenden Abschnitt angeführt, in Warmzeiten niedriger als in Kaltzeiten; außerdem wird die Fraktionierung zwischen CaCO3 und Wasser mit zunehmender Tempe- ratur geringer (bzw. Δ wechselt das Vorzeichen). Daraus folgt, daß die δ18O-Werte der Kar- bonate in Warmzeiten niedriger sind als in Kaltzeiten.

Das Problem der Ableitung einer T °C exakten Temperatur aus der Sauer- 40 30 20 10 stoffisotopie von organogen gebil- 32.5 detem Karbonat liegt in der Zwei- deutigkeit, die das δ18O anzeigt. In GL 242 und GL 243 stehen mit T und δ 2 Unbekannte. δ ist 30.0 HO2 HO2 aber, wie bereits gesagt, örtlich Aragonit–H2O α nicht konstant – und auch nicht zeitlich. Örtlich besteht eine Abhängigkeit von der Salinität. In 27.5 1000 ln Calcit–H O den Kaltzeiten ist ein nicht ver- 2 nachlässigbarer Teil des Wassers über Verdampfung und Nieder- 25.0 schlag als (isotopisch leichtes) Glet- schereis auf den Kontinenten gebunden; als Folge müssen die Ozeane global ein höheres δ 18 O 3.10 3.20 3.30 3.40 3.50 3.60 gehabt haben als heute, so daß Kar- 1000/T [K] bonat, das aus Meerwasser mit der- selben Temperatur ausgeschieden ABBILDUNG 177 O-Isotopenfraktionierung zwischen wird, in Kaltzeiten ein höheres Karbonaten und H2O als Funktion der reziproken Tem- δ18O hat als in Warmzeiten. Das peratur. kalte Bodenwasser der Ozeane wird von den Temperaturschwankungen nicht oder kaum beeinflußt. Sein δ18O ist daher nur vom globalen δ18O-Wert der Ozeane und damit dem Globalklima abhängig. Wenn man daher benthonische Foraminiferen analysiert, wird deren δ18O nur Ausdruck des Global- klimas sein, während gleichzeitig damit lebende planktonische Foraminiferen ein δ 18O haben, das sowohl vom Globalklima bzw. globalen δ18O der Ozeane abhängig ist als auch von der lokalen Temperatur des oberflächennahen Meerwassers. Ein weiteres Problem besteht darin, daß manche marine -2 ] Organismen Karbonat nicht -1 im Gleichgewicht mit dem O [‰ 0

Ozeanwasser ausscheiden 18 (z.B. Crinoiden, Echinoder- δ men, Asteroideen). Und 0 100 200 300 400 500 600 700 schließlich ist zu beachten, Alter [Ka] daß Isotopenaustauschreak- tionen auch bei der diageneti- ABBILDUNG 178 δ18O-Fluktuationen in den Schalen der Fora- schen Rekristallisation statt- miniferen Globigerina sacculifer in Kernbohrungen der Karibik gefunden haben können oder im Verlauf des Quartärs. Die Minima (niedrige Werte) und daß Aragonit in Calcit umge- Maxima spiegeln Warm- bzw. Kaltzeiten wider. wandelt werden kann. Trotz dieser Probleme bestätigt das δ18O von Foraminiferen für das Pleistozän sehr gut die globale Klimaentwicklung. Für ältere Proben werden Temperaturableitungen dagegen zunehmend problematischer infolge von zunehmenden Problemen mit diagenetischer Rekristallisation und schlechterer Kenntnis von δ . HO2

231 Wasserstoff und Sauerstoff

Potentiell erheblich bessere Ergebnisse lassen sich mit Hilfe von „clumped isotopes” erzie- len (Eiler, 2007[385]). Dabei wird die Verteilung der selteneren Isotope in einer einzigen Phase – in diesem Fall von Karbonat – gemessen, insbesondere die Masse 47 des durch Zer- setzung der Kabonate im Labor entwickelten CO2. Die stochastische Verteilung der „Isotopologe“ der Masse 47 auf die verschiedenen Mole- küle läßt sich mit den bekannten relativen Häufigkeiten errechnen. Für das Molekül 13C18O16O erhält man, wenn man die Isotopenhäufigkeiten in SMOW für Sauerstoff und in PDB für Kohlenstoff zugrunde legt (Tabelle 19 auf Seite 223): 0.01111×0.00200×0.99763 + 0.01111×0.99763×0.00200 = 44.3×10-6 oder 44.3 ppm. Für die Häufigkeit des Moleküls 13C17O17O ergibt sich: 0.01111×(0.00038)2 = 1.60 ppb. Für die Häufigkeit von 12C17O18O errechnet man: 0.98889×0.00038×0.00200 + 0.98889×0.00200×0.00038 = 1.50 ppm. Der mit Abstand größte Beitrag zur Masse 47 wird also durch das erste der drei Moleküle geleistet. Tatsächlich ist eine stochastische Verteilung nur für hohe Temperaturen zu erwar- ten; zu niedrigeren Temperaturen werden Abweichungen Δ × 47 = (R47/*R47 – 1) 1000 [GL 244]

von dieser zufälligen Verteilung berechnet und gemessen. R47 steht darin für das Verhältnis 12 16 von CO2 der Masse 47 zu CO2 der Masse 44 ( C O2) und *R47 für das erwartete Verhältnis im Fall einer stochastischen Verteilung. Wenn man annimmt, daß die Änderung in der Bindungsenergie eines Moleküls, die mit dem zweifachen Ersatz durch ein schweres Isotop verbunden ist, genau doppelt so groß ist wie die Änderung in dem Fall, daß nur ein Isotop ersetzt wird – daß also z.B. im Wasser- stoffmolekül die Differenz der Bindungsenergien zwischen H–H und D–D exakt das Dop- pelte des Unterschieds zwischen H–H und H–D beträgt – dann gäbe es hinsichtlich der Energie keine Präferenz für eine „Verklumpung“ der schweren Isotope miteinander. Für den Fall eines Isotopenaustauschs wie

2HD = H2 + D2 [GL 245] läßt sich eine Gleichgewichtskon- 0.32 stante formulieren: 0.31 × 2 K = [H2] [D2] / [HD] , 0.30 die sich für eine stochastische Vertei- 2 HD = H2 + D2 lung zu 0.29 K = [H]2×[D]2 / (2[H]×[D])2 = 0.25 0.28 K

ergibt. Da D2 jedoch geringfügig sta- 0.27 biler ist als für eine solche Verteilung 0.26 2 HD¹6O = H2¹6O + D2¹6O zu erwarten, ist in GL 245 die rechte Seite etwas bevorzugt. Mit zuneh- 0.25 stochastisch mender Temperatur wird eine Annä- herung an die stochastische Vertei- 0.24 0 50 100 150 200 lung der verschiedenen Isotope zu T [°C] erwarten sein. Außerdem sinken die Enthalpien von Isotopenaus- tauschreaktionen in der Regel mit ABBILDUNG 179 Abhängigkeit der Temperatur der der Temperatur. Beide Effekte sind Gleichgewichtskonstanten für homogene Isotopenaus- [385] für die Temperaturabhängigkeit der tauschreaktionen

232 B. Stabile Isotope

Gleichgewichtskonstanten des Isotopenaustauschs verantwortlich. Für die in GL 245 genannte Reaktion und die Austauschreaktion 16 16 16 2HD O = H2 O + D2 O ist die Temperaturabhängigkeit in Abbildung 179 dargestellt.

Die temperaturabhängige „Ver- T [°C] klumpung“ der C–O-Isotope für 125 100 75 50 25 0 Calcit ist experimentell geeicht 1 und theoretisch berechnet wor- den (Abbildung 180). Dabei wird 0.9 keine Unterscheidung zwischen 0.059×106 Δ47 = – 0.02 den drei verschiedenen Molekü- 0.8 T² len getroffen, die zur Masse 47 beitragen. Die O-Isotopenzusam- mensetzung von Karbonaten 0.7 wird traditionell an CO2 gemes-

sen, das durch Zersetzung der Kar- [‰] Δ47 0.6 0.0037×106 Δ47 = + 0.247 bonate mit Phosphorsäure bei T² einer definierten Temperatur frei- 0.5 gesetzt wird:

→ 0.4 3 CaCO3 + 2 H3PO4 3 CO2 + 3.33040×109 2.32415×107 2.91282×10³ 5.54042 Δ47 = – + – – + 0.23252 T4 T³ T² T 3 H2O + Ca3(PO4)2

0.3 Nach dieser Gleichung gehen nur 6 7 8 9 10 11 12 13 14 zwei Drittel des Sauerstoffs aus 106/T² [K¯²] dem Karbonat in die Gasphase über. Die Reaktion ist erwartungs- Δ gemäß mit einer Isotopenfraktio- ABBILDUNG 180 Temperaturabhängigkeit von 47-Calcit nierung verbunden, die korrigiert für verschiedene Eichungen. Die blaue Kurve ist theore- [387] werden muß. tisch berechnet (Guo et al., 2009 ), die beiden anderen Kurven beruhen auf Experimenten, bei denen Calcit unter Wie man durch einen Vergleich kontrollierten Bedingungen aus H2O ausgefällt wurde der in Abbildung 180 aufgeführ- (rot: Ghosh et al., 2006[388], grün: Dennis & Schrag, ten Gleichungen sieht, ist zur 2010[386]). In der theoretischen Berechnung zeigen Guo Ermittlung der Bildungstempera- et al., dass bei der Entwicklung von CO2 durch Reaktion tur mittels „verklumpter Isotope“ von Karbonat mit Phosphorsäure nicht nur 18O/16O von Δ nur die Kenntnis von 47 des Cal- einer Isotopenfraktionierung betroffen ist, sondern auch cits nötig; Informationen über die Δ 47. Isotopie des Wassers, aus dem der Calcit im Gleichgewicht ausgeschieden wurde, sind nicht erforderlich. Natürlich muß auch bei Anwendung eines solchen Paläothermometers sichergestellt sein, daß das Karbo- nat keine Veränderungen durch Auflösung und Wiederausfällung bei der Diagenese, Alte- ration oder gar Metamorphose erfährt, weil dann durch Isotopenaustausch zwischen Kar- bonat und Wasser die ursprüngliche Isotopie verändert wird. Unter trockenen Δ ≈ Bedingungen sollte das ursprüngliche 47 aber bis zu Temperaturen von 200 °C bewahrt bleiben[385], während oberhalb von 250–300 °C Kohlenstoff und Sauerstoff im Gitter von Karbonaten frei auszutauschen scheinen[386]. Es ist unmittelbar einsichtig, daß die Analytik „verlumpter Isotope“ erheblich aufwendiger 18 16 ≈ ist als diejenige von O/ O, weil die Masse 47 nur 45 ppm zur Masse des gesamten CO2 beiträgt und in GL 244 zudem das Verhältnis einer sehr kleinen zu einer großen Masse ein- geht. Man benötigt eine analytische Präzision von etwa ±0.01‰, um einen Temperaturun- terschied von 2 °C aufzulösen[386]. Die Möglichkeiten und Grenzen der Methode müssen zweifellos durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

233 Wasserstoff und Sauerstoff

18.2 Sauerstoff und Wasserstoff in der Lithosphäre Bereits im vorigen Kapitel war angeführt, daß für die Isotopenfraktionierung zwischen zwei Phasen und T einfache Beziehungen der Form 1000 lnα = A/T2 + B [GL 230] bestehen, wobei B für die meisten Austauschgleichgewichte zwischen Mineralen = 0 ist. Nach [GL 234] gilt außerdem:

− R 103δ + 1 α ==1 1 (1,2 = Komponenten). 12 −3δ + R2 102 1 Logarithmiert wird daraus:

αδ=+−−3 −+3 δ ln12 ln()101 1 ln() 102 1 Für Reaktionen in natürlichen Gesteinssystemen liegen die δ-Werte für Sauerstoff bei maxi- mal einigen 10‰. Man darf deshalb in guter Näherung schreiben:

−− ln() 1033δδ+ 1≈ 10

z.B. für δ = 10‰: ln (10-3×10 + 1) = ln (1.010) = 0.00995 ≈ 0.010. αδδ≈−−3 () Damit ergibt sich: ln 12 10 12

A oder Δ δδ−≈1000 ln α = +B [GL 246] 12 1 2 12 T 2

≈−()Δ bzw. nach T aufgelöst: TA12 B (T in Kelvin).

Wenn 2 Minerale (1 und 2) Sauerstoff mit einem Reservoir (z.B. einem Magma) äquilibriert haben, dann ist die Differenz ihrer individuellen δ18O-Werte also eine Funktion der Tem- α peratur. Bei experimentell oder empirisch bekannter Temperaturabhängigkeit von 12 δ δ kann man daher T durch Messung von 1 und 2 einfach berechnen. Infolge experimentel- ler Schwierigkeiten (niedrige Reaktionsgeschwindigkeit) sind die Fraktionierungsfaktoren α 12 zwischen verschiedenen Mineralen durch direkte Messungen leider weitgehend unbe- kannt. Bis Ende der 1980er Jahre wurden sie über die Fraktionierungsfaktoren Mineral/H 20 abgeleitet. Probleme bei diesen Experimente lagen darin, daß manche Minerale, insbeson- dere Quarz, eine beträchtliche Löslichkeit in Wasser bei hohen Temperaturen und erhöh- ten Drücken aufweisen und daß andere Minerale in Gegenwart von Wasser bei hoher Tem- peratur nicht stabil sind. Außerdem zeigen Mineral–H2O-Fraktionierungen wegen der hohen Schwingungsfrequenzen des H2O-Moleküls (Seite 221) potentiell komplexe Tempe- raturabhängigkeiten. Später wurde dieses Verfahren durch Experimente ersetzt, bei denen Minerale mit Karbonat bei hohem Druck (zur Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit, ≈15 kbar) äquilibriert wer- den[389]. Dabei geht man in der Regel davon aus, daß der Druck keinen nennenswerten Ein- fluß auf die Isotopenfraktionierung hat. Bei Temperaturen oberhalb von 600 °C ist die Reaktionsgeschwindigkeit dabei vergleichbar derjenigen bei Experimenten mit H2O. Der Vergleich der Daten, die aus Mineral–Wasser- und Mineral–Calcit-Experimenten abgeleitet wurden, zeigte für die meisten Minerale gute Übereinstimmungen mit der Ausnahme von Quarz; das wird mit der beträchtlichen Löslichkeit von Quarz in wäßrigen Lösungen bei hoher Temperatur in Verbindung gebracht. α Cal–Mineral-Werte sind für viele gesteinsbildende Minerale wie Quarz, Feldspäte, Pyroxene, Oxide für Temperaturen zwischen ca. 600 °C und 1200 °C gut bekannt. So lauten die

234 B. Stabile Isotope

Temperaturbestimmungsgleichungen für den Sauerstoffisotopenaustausch zwischen Quarz [389] und Calcit bzw. zwischen Albit und H20 :

× 6 δδ−≈1000 ln α− =038. 10 [GL 247] Qtz Cal Qtz Cal T 2

−×6 und δδ−≈1000 ln α− =057. 10 [GL 248] Ab Cal Ab Cal T 2 Durch Subtraktion beider Gleichungen erhält man den Fraktionierungsfaktor zwischen Quarz und Albit:

× 6 −×6 ()δδ− −−() δδ≈−1000ln α− 1000 lnα − = 0.. 38 10− () 0 57 10 Qtz Cal Ab Cal Qtz Cal Ab Cal 2 2 TT α Wegen 12 = R1/R2 wird daraus:

× 6 δδ−≈1000⎡() lnRR − ln−−() ln RR ln ⎤ = 095. 10 Qtz Ab⎣ Qtz Cal Ab Cal ⎦ T 2

Δ δ δ ≈ α × 6 2 Qtz–Ab = Qtz – Ab 1000 ln Qtz–Ab = 0.95 10 /T [GL 249] Eine umfangreiche Übersicht über Fraktionierungsfaktoren mit Literaturverweisen findet sich in Chacko et al. (2001)[390]. Einige Daten (Koeffizienten A der Temperaturgleichung) zwischen Mineralen und Karbonat bzw. daraus abgeleitete Mineral–Mineral-Daten sind in Tabelle 20 reproduziert; Quarz–Calcit- und Calcit–Mineral-Fraktionierungen sind als Funk- tion von 1/T2 in Abbildung 181 aufgetragen.

TABELLE 20: Koeffizienten A der Temperaturgleichung für den O-Isotopenaustausch zwischen koexistierenden Mineralen[390]a Cal Ab Ms F-Phl An Phl Ap Di Grs Gh Fo Rt Mt Prv Qtz 0.38 0.94 1.37 1.64 1.99 2.16 2.51 2.75 3.15 3.50 3.67 4.69 6.29 6.80 Cal 0.56 0.99 1.26 1.61 1.78 2.13 2.37 2.77 3.12 3.29 4.31 5.91 6.42 Ab 0.43 0.70 1.05 1.22 1.57 1.81 2.21 2.56 2.73 3.75 5.35 5.86 Ms 0.27 0.62 0.79 1.14 1.38 1.78 2.13 2.30 3.32 4.92 5.43 F-Phl 0.35 0.52 0.87 1.11 1.51 1.86 2.03 3.05 4.65 5.16 An 0.17 0.52 0.76 1.72 1.51 1.68 2.70 4.30 4.81 Phl 0.35 0.59 0.99 1.34 1.51 2.53 4.13 4.64 Ap 0.24 0.64 0.99 1.16 2.18 3.78 4.29 Di 0.40 0.75 0.92 1.94 3.54 4.05 Grs 0.35 0.52 1.54 3.14 3.65 Gh 0.17 1.19 2.79 3.30 Fo 1.02 2.62 3.13 Rt 1.60 2.11 Mt 0.51

a. Qtz = Quarz, Ab = Albit, Ms = Muskovit, F-Phl = Fluorphlogopit, Ap = Apatit, Di = Diopsid, Grs = Grossular, Gh = Gehlenit, Fo = Forsterit, Rt = Rutil, Mt = Magnetit, Prv = Perowskit; die Mine- rale sind so angeordnet, daß alle Koeffizienten A positiv sind, d.h. Quarz hat das höchste und Perowskit das niedrigste δ 18O unter diesen Mineralen.

235 Wasserstoff und Sauerstoff

[T in °C] 1200 1000 900 800 700 600 1

Qtz–Cal

0

Cal/Ab

Cal -1 /Ms Cal /F-Phl α Cal /An ln -2 Cal /Phl 1000

Cal Cal /A Cal /Di p -3 /Grs Cal / Cal Gh Cal / Cal Prv Cal / / Mt /R Fo -4 t A δδ–≈ 1000ln α = 12 12T 2

-5 0.0 0.5 1.0 1.5 106/T2 [T in K]

α α ABBILDUNG 181 Temperaturabhängigkeit des Fraktionierungsfaktors Qtz–Cal bzw. Cal–Mineral mit den Werten für A aus Tabelle 20. Da die Experimente meist bei Tempe- raturen zwischen ≈500 °C und 1300 °C durchgeführt wurden, sollten die Kurven nicht zu niedrigeren Temperaturen extrapoliert werden (Faktor B in GL 230 ist dann häufig ungleich 0). Wenn man von ≥3 Mineralen das δ18O bestimmt hat, ist es im Prinzip möglich, T aus ≥3 Δ Δ Δ Gleichungen zu berechnen (für 12, 13, 23). Erhält man annähernd dieselben Temperatu- ren, spricht einiges dafür, daß man die Temperatur eines geologisch relevanten Prozesses erhalten hat. Konkordante Temperaturen geben v.a. Quarz, Magnetit, Feldspäte, Muskovit und Calcit. Man sollte sich jedoch stets vergegenwärtigen, daß in langsam abkühlenden Gesteinen (Plutonite, Metamorphite) nicht erwartet werden kann, daß alle Mineralpaare bei derselben Temperatur aufhören, Sauerstoffisotope miteinander auszutauschen. Vor- sicht ist daher geboten, die aus der Sauerstoffisotopenfraktionierung koexistierender Mine- rale berechneten Temperaturen als die der Kristallisation eines Plutons oder die Maxi- malbedingungen der Metamorphose anzusehen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit solcher Isotopenthermometer ist natürlich die Ein- stellung eines Isotopengleichgewichts zwischen den analysierten Mineralen eines Gesteins, d.h. das System muß sich langsamer Temperaturänderung jeweils angepaßt haben, und der Isotopenaustausch muß sich im geschlossenen System vollzogen haben. Diese Bedingungen sind jedoch in höchstens der Hälfte der untersuchten Fälle erfüllt, vor allen Dingen, weil die Minerale metamorpher und magmatischer Gesteine mit fluiden Pha-

236 B. Stabile Isotope sen reagieren, die dem System zugeführt oder von ihm weggeführt werden. Wie lassen sich aber Gleichgewichte von Ungleichgewichten in einem Datensatz unterscheiden? – Aus der Identität von δ δ ≡ Δ 1 – 2 12 folgt trivialerweise δ δ Δ 1 = 2 + 12 [GL 250] Das heißt nichts anderes, als daß im geschlossenen System bei gegebener Tempe- ratur (d.h. bei konstantem x → 1 Δ = 5 — 1 2

Δ δ Δ = 4 — 12) das Gleichgewicht zwi- schen zwei Phasen in Gestei- Δ = 3 — nen mit unterschiedlicher Δ = 2 x1 = x2 Pauschalzusammensetzung eingestellt ist, wenn die Pha- δ sen in einem Plot von 1 δ gegen 2 auf eine Gerade mit → x1 1 der Steigung 1 und Achsen- x1 = x2 Δ abschnitt 12 fallen. Als Folge Δ lokal unterschiedlicher Pau- 12 schalzusammensetzung ver- schiedener Teile eines nfangstemperatur)∞) Gesteinskomplexes können A → die Mineralpaare, die auf ∆ = 1 ( eine konstante Temperatur ∆ = 0 (T äquilibriert sind, überhaupt Δ0 erst unterschiedliche δ18O- 12 δ2 Werte entwickeln. Man denke z.B. an einen Granit, ABBILDUNG 182 Änderung der δ-Werte in einem geschlosse- bei dem das Mineral Quarz in nen System mit zwei Phasen als Funktion der Temperatur allen Bereichen des Plutons ursprünglich (so halbwegs) dasselbe δ18O bei der Erstarrung des Komplexes hatte, desglei- chen Feldspat. Infolge variabler Mengenverhältnisse beider Minerale, also lokal heteroge- ner Pauschalzusammensetzung, kommt es im Zuge einer Metamorphose zur Einstellung auf eine neue Temperatur, wobei der Isotopenaustausch jedoch auf den Nahbereich beschränkt ist, so daß Quarz und Feldspat aus verschiedenen Teilen des Komplexes zwar Δ δ δ dasselbe 12, aber variable Werte von 1 und 2 ausbilden. In Abbildung 182 ist das Prinzip δ δ dieser Reäquilibrierung in einem 1- 2-Diagramm für ein Zweikomponentensystem skiz- [391] → ∞ Δ ziert . Für T wird 12 = 0, d.h. die Gerade geht durch den Koordinatenursprung. Zu niedrigeren Temperaturen hin wird der Achsenabschnitt je nach Vorzeichen der Fraktio- Δ nierung 12 positiv oder negativ. Für Mineralpaare mit vergleichbaren Strukturen, z.B. Δ → ∞ Pyroxene und Olivin, sollte sich 12 monoton ändern, ohne aber die Gerade für T zu kreuzen, während im Fall sehr unterschiedlicher Strukturen oder bei Mineral-H20-Gleich- gewichten die Fraktionierung diese Gerade durchaus queren kann, d.h. das Vorzeichen der Fraktionierung ändert sich („crossover“), wie bereits im vorigen Kapitel gezeigt. Um die Bedingung des geschlossenen Systems zu erfüllen, dürfen sich seine Masse und sein δ-Wert bei der Anpassung an die neue Temperatur nicht ändern, d.h. δ ∑ δ System = xi i [GL 251] wobei xi die Molenbrüche der verschiedenen Phasen für das interessierende Element (z.B. O, H) sind. Für ein Zweikomponentensystem mit den Komponenten 1 und 2 würde die Gleichung daher lauten:

237 Wasserstoff und Sauerstoff

δδδ=+ System xx11 22 δ oder, nach 1 aufgelöst

δδ− x δ δ = System22=−x2 δ + System 1 2 [GL 252] x1 xx1 1 δ δ Dies ist die Gleichung einer Geraden in den Koordinaten 1 und 2 mit negativer Steigung. Wie ändern sich nun die Verhältnisse der stabilen Isotope der beiden Minerale dieses δ δ ursprünglich homogenen Zweikomponentensystems bei Temperaturänderung? Im 1– 2- Diagramm von Abbildung 182 werden die Minerale 1 und 2 zu Beginn durch einen Punkt δ 0 δ 0 repräsentiert, der durch 1 und 2 gegeben ist, und der wegen der Steigung 1 auf einer Δ0 genau definierten Geraden mit dem Achsenabschnitt 2 liegt. Wenn die Minerale bei Δ einer neuen Temperatur reäquilibrieren, wird ein neues 12 eingestellt; bei Temperaturer- Δ niedrigung wird sich 12 i.a. weiter von 0 fortbewegen, bei Temperaturerhöhung auf 0 zubewegen. Die Isotopie der beiden Minerale des Zweikomponentensystems wandert δδ0 0 daher vom Punkt (,)1 2 auf die neue Gerade mit dem der neuen Temperatur entspre- Δ δ δ chenden 12 und bildet den Punkt ( 1, 2). Für die Lage dieses neuen Punktes auf der Gera- Δ → ≡ → den mit Achsenabschnitt 12 gibt es 2 Grenzfälle: Geht x1 1 ( x2 0), dann geht δ →δ 1 System, d.h. die Steigung der Geraden [GL 252] wird 0, und die Minerale reäquilibrieren δ → ≡ → auf einer Linie, die parallel zur 2-Achse verläuft. Umgekehrt, wenn x1 0 ( x2 1), geht die Steigung der Geraden →∞, d.h. die Minerale reäquilibrieren auf einer Geraden parallel δ Δ der 1-Achse, bis der Schnittpunkt mit der Geraden mit dem neuen 12 erreicht ist. Je nach- dem, welche Pauschalzusammensetzung das Zweikomponentensystem vor der Reäquili- δ δ brierung hatte, dürfen die neuen Werte ( 1, 2) der Phasen nur innerhalb eines rechtwinkli- gen Dreiecks liegen (in Abbildung 182 farbig markiert), das durch die Schnittpunkte der Δ Geraden für das neue 12 (= Isotherme) mit den beiden Linien der Grenzfälle der Reäquili- → → brierung für x1 1 und x1 0 gebildet wird. Dies ist ein Dreieck im linken oberen Quadran- ten (Temperaturerniedrigung) bzw. rechten unteren Quadranten (Temperaturerhöhung) in δδ0 0 * einem Koordinatensystem mit Ursprung (,)1 2 .

8 δ δ δ 7 1 2 1 6 nfang 5 A ∞ →

4 Δ für T- Δ für T 3 1 1 1 x1 = x2 = x3 = /3 x1 = x2 = x3 = /3 x1 = x2 = x3 = /3 2 1 δ2 δ3 δ3 0 071 2 3 4 5 6 7 071 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6 8

ABBILDUNG 183 Isotopenaustausch in einem System mit den Phasen , und ቤ. Die initia- len δ-Werte der Phasen seien +6, +2 bzw. +1, entsprechend der Äquilibrie- rung auf eine Anfangstemperatur. Durch Erhitzung des Systems auf T → ∞

* Genaugenommen dürfen die Minerale bei vollständiger Einstellung auf die neue Temperatur nur auf der neuen Isothermen liegen; eine Streuung der Datenpunkte innerhalb eines Dreiecks charak- terisiert die Einstellung auf Temperaturen irgendwo zwischen To und T1.

238 B. Stabile Isotope

stellen sich nach Reäquilibrierung in allen drei Phasen identische δ-W erte ein.

Ein Zweikomponentensystem stellt 6 natürlich nur eine grobe Vereinfa- chung eines natürlichen Gesteins dar; 600°C immerhin lassen sich aber so wichtige Gesteine wie Granite (Quarz, 5 Feldspat), Gabbros (Feldspat, Pyro- xen), Eklogite (Pyroxen, Granat) oder Peridotit (Olivin, 2 Pyroxene) als 700

] 4 Zweikomponentensystem annähern.

Die Beschreibung von Systemen mit [‰

t 800 mehr als 2 Komponenten ist in der i Darstellung zwar schwieriger, kann 3 jedoch auf ähnliche Weise erfolgen. Dabei ist aber zu beachten, daß die 1000

Reäquilibrierung innerhalb eines Plag-Magnet Δ 2 rechtwinkligen Dreiecks nur für die 1200 δ δ beiden Endglieder mit min und max erfolgt; in den übrigen Plots sind die Minerale aus: Dreiecke schiefwinklig, die sich dur ch 1 Vulkaniten δ δ δ Projektion eines Dreiecks im 1– 2– 3- Plutoniten Raum auf eine Ebene ergeben. Für ein Dreikomponentensystem ist dies im δ–δ Diagramm in Abbildung 183 dar- 0 gestellt[391]. Die initialen δ-Werte die- 0 0.5 1 1.5 2 ser Phasen, die einer Anfangstempera- ΔPlag–Cpx [‰] tur entsprechen, bei der die Minerale zuletzt äquilibriert sind, seien +6, +2 ABBILDUNG 184 Mit einem Δ–Δ-Diagramm dieser δ δ bzw. +1. Im Plot von 1 gegen 2 liegt Art kann Gleichgewicht nicht nachgewiesen werden. der Anfangswert demnach auf einer Δ δ δ Geraden mit dem Achsenabschnitt 12 = +4, im Plot von 1 gegen 3 auf einer Geraden mit Δ δ δ Achsenabschnitt 13 = +5 und im Plot von 2 gegen 3 auf einer Geraden mit Achsenab- Δ [ δ schnitt 23 = +1. Nach der Massenbilanzgleichung GL 251] läßt sich der -Wert des Systems ermitteln, wenn die Proportionen der einzelnen Minerale im Gestein bekannt sind. Wird dieses System aufgeheizt auf T→ ∞, dann werden die drei Minerale nach Reäqui- librierung denselben δ-Wert aufweisen (keine Fraktionierung bei hoher Temperatur), der dem des Systems entspricht. Auch hier lassen sich wieder Grenzfälle unterscheiden: In der δ δ → Auftragung von 3 gegen 1 wird für x1 1 der Vektor des Isotopenaustauschs parallel der δ 3-Achse verlaufen, bis sich in Mineral und den infinitesimal kleinen Mengen der Mine- ቤ δ → rale und der Endwert von = +6 einstellt. Geht x3 1, dann verläuft der Isotopenaus- δ δ tausch entlang eines Vektors parallel der 1-Achse bis zum Endwert = +1. Diese beiden Δ Austauschvektoren spannen mit der Geraden für T→∞ ein rechtwinkliges Dreieck auf, innerhalb dessen sich der Isotopenaustausch für alle denkbaren Proportionen der drei Pha- 1 sen vollziehen muß. Der Austauschvektor für x1 = x2 = x3 = /3 wird dann per Massenbilanz δ 1 × 1 × 1 × bei = +3 enden ( /3 6 + /3 2 + /3 1). Wenn in dem System x2 gegen 1 geht, endet der δ δ δ Austauschvektor bei = +2, also auch innerhalb des von den Trajektorien für 3 und 1 auf- δ δ δ δ gespannten Dreiecks. Bei Auftragung von 1 gegen 2 oder von 2 gegen 3 ergeben sich schiefwinklige Dreiecke, auf die der Isotopenaustausch beschränkt ist. Für Systeme mit ≥3 Komponenten werden in der Literatur oft Δ-Δ-Diagramme benutzt, um eine Gleichgewichtsisotopeneinstellung zu beweisen. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 184 angeführt[25]. Gleichgewicht gilt als vorhanden, wenn die Δ-Δ-Werte der Minerale aus einem Gesteinskomplex auf eine Gerade fallen, die durch den Koordinatenursprung geht. In dem dargestellten Fall kann die Mineral-Mineral-Fraktionierung der Sauerstoffisotope

239 Wasserstoff und Sauerstoff

zur Abschätzung ihrer Kristallisationstemperaturen benutzt werden. Tatsächlich ist dies zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, wie aus der folgenden Betrach- tung zu erkennen ist: Aus Δ ≈ A/T2 + B

Δ − Δ − 1 = 12B 12 = 23B 23 folgt 2 T A12 A23 Δ Nach 12 aufgelöst, ergibt das

AB()Δ − Δ = 12 23 23 + 12 B12 A23

A ⎛ A ⎞ ΔΔ=+−12 B 12 B [GL 253] 12 23⎝⎜ 12 23 ⎠⎟ A23 A23 Da die Koeffizienten A und B dieser Temperaturgleichung Konstanten sind, ist dies die Δ Δ Δ Gleichung einer Geraden in Koordinaten von 12 und 23, die für 23 = 0 nur durch den Koordinatenursprung geht, wenn der Klammerausdruck auf der rechten Seite der Glei- chung ebenfalls 0 wird. In Abbildung 185 ist ein Beispiel für ein Δ–Δ-Diagramm angege- [392] δ δ δ δ ben . Fall III mit den Gleichungen 1 = 2 2 + 1 und 2 = 3 3 + 0.5 verläuft nicht dur ch den Ursprung und ist daher einfach als Ungleichgewicht zu identifizieren. In Koordinaten δ δ δ δ δ des – -Diagramms repräsentiert aber auch Fall II mit den Gleichungen 1 = 2 2 + 1 und 2 δ ≠ Δ Δ = 1.5 3 + 0.5 ein Ungleichgewicht, da die Steigung der Geraden 1 ist. Im - -Diagramm transformiert sich eine Reihe von Ungleichgewichtsgleichungen in Geraden durch den Ursprung, was wie folgt nachgewiesen werden kann: Ausgehend von den Gleichungen

Δ − b δδ=+ab und Δ =−δδ⇒ δ = 12 2 (1) 1222 12 1 2 2 − a2 1

δδ=+ΔΔ =−⇒=− δδδδ()+ sowie 2333abund 2323 232233 a b

⇒=δδ −Δ + 2323233aa b

Δ=δ () −+ aab323 2 31 3 (2),

a − 1 darin (1) eingesetzt: a ΔΔ= 3 ()− bb+ 323 − 12 2 3 a2 1 erhält man:

⎡a − 1 a − 1 ⎤ 1 ΔΔ= ⎢ 3 − 3 bb+ ⎥ × 23 − 12 − 23 ⎣a2 1 a2 1 ⎦ a3

⎡ a − 1 a − 1 b ⎤ ΔΔ= ⎢ 3 − 3 b + 3 ⎥ 23 ()− 12 ()− 2 ⎣aa321 aa321 a3 ⎦ Dies ist wieder eine Geradengleichung im Δ–Δ-Plot. Wenn die Gerade durch den Ursprung Δ Δ gehen soll, werden 12 und 23 = 0, also

240 B. Stabile Isotope

a − 1 b 0 =− 3 b + 3 ()− 2 aa321 a3 ()− =−() ba2311 ba 32 Falls diese Gleichung erfüllt ist, geht die Gerade im Δ–Δ-Diagramm tatsächlich durch den Ursprung, obwohl kein Gleichgewicht vorliegt.

35 50 Δ Δ 12 I II III 13 30 I II III 40 25

30 20

15 II und III Un- 20 gleichgewichte: 10 II: δ1 = 2δ2 + 1 10 I Gleichgewicht: δ2 = 1.5δ3 + 0.5 5 Startpunkt (6,2,1) und III: δ1 = 2δ2 + 1 Endpunkt (3,3,3) δ2 = 3δ3 + 0.5 0 0 0 5 10 15 20 25 0 5 10 15 20

Δ23 Δ23

ABBILDUNG 185 Beispiel I repräsentiert den Fall eines Gleichgewichts (analog dem Beispiel in 1 Abbildung 183 für xi = /3); die beiden übrigen Beispiele stellen Ungleichge- wichte dar. Wie Abbildung 186 zeigt, wieder für ein Zweikomponentensystem, ist das Ungleichge- wicht, also Reaktionen im offenen System, im δ–δ-Diagramm leicht zu erkennen[392]. Die Reaktionen im geschlossenen System sind durch die gepunkteten Dreiecke dargestellt, die δδ0 0 vom Punkt (,)1 2 ausgehen. Wenn die beiden Minerale dieses Systems mit einer externen fluiden Phase mit identischer Reaktionsgeschwindigkeit reagieren (k1/k2 =1), ändert sich das δ18O der beiden Phasen gleich schnell, d.h. die Gerade, entlang der sich die Isotopie ändert, hat die Steigung 1. Wenn die Reaktionsgeschwindigkeit von Mineral 1 mit der flui- den Phase größer ist als die des Minerals 2, ändert sich zunächst die Isotopie von Mineral 1 rascher als die von Mineral 2. Im Diagramm äußert sich dies in einer starken positiven Steigung. Sobald aber sich die Reaktion zwischen Mineral 1 und der fluiden Phase dem Gleichgewicht nähert, flacht die Steigung der Kurve im δ–δ-Diagramm ab, weil sich jetzt nur noch der δ-Wert der Phase 2 infolge der Reaktion mit der fluiden Phase ändert. Das Endstadium ist erreicht, wenn die beiden Minerale δ-Werte erreicht haben, die auf der Geraden mit k1/k2 =1 liegt. Verdächtige Hinweise dafür, daß ein Gestein mit einer externen fluiden Phase reagiert hat, sind also Trends mit positiver Steigung im δ–δ-Diagramm, wel- che die Isothermen (Linien mit Steigung 1) mit großen Winkeln schneiden. Besonders ver- dächtig wird es, wenn diese Trends die Isotherme für T→∞ schneiden, d.h. wenn sich das Vorzeichen der Fraktionierung ändert, was bei strukturell ähnlichen Mineralen nicht zu erwarten ist.

241 Wasserstoff und Sauerstoff 1

ABBILDUNG 186 Unterscheidung zwischen O Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsbedin- 18 k1/k2 < 1 δ gungen im δ-δ-Diagramm für zwei Minerale 1 geschlossenes und 2 mit den Molenbrüchen x1 und x2. Wenn System beide Minerale gleich schnell mit der externen

fluiden Phase reagieren, vollzieht sich die Än- x derung ihrer δ18O-Werte entlang einer Gera- 1 = 1

den, bei unterschiedlicher Reaktionsgeschwin- x digkeit entlang einer Kurve. 1 = x 2 = 0.5 x = 1 1 = 0 /k 2 k 1

offenes System

k1/k2 > 1

18 δ O2

12 12 Oman: 10 Plagio- 10 granit Δ Q–F = 0‰ Δ P–F = -1‰ Oman: 8 Gabbros 8 δ ] 18 Δ P–F = 0‰ 6 6 O Feldspat [‰ Elba

4 Skaergaard:Fe-reich 4 [‰ Feldspat Δ Q–F = 1.5‰ O 2 2 tholith 18 ] δ

Skaergaard: 0 Haupttrend 0

Idaho Ba

-2 -2 Skye: Gabbros -4 -4 4 6 8101214 0246 810 18 18 δ OQuarz [‰] δ OPyroxen [‰]

ABBILDUNG 187 Beispiele für Ungleichgewichtsbeziehungen für Granitoide (links) und gab- broide Gesteine (rechts). Die Fraktionierung der Sauerstoffisotope dieser Mi- nerale weist deutlich auf Reaktion mit hydrothermalen Lösungen hin.

242 B. Stabile Isotope

Beispiele für die Inter- 16 pretation von Trends Chlorit Granat Olivin mit positiver Steigung Amphi- für δ18O, die als Konse- 14 Klino- pyroxen bol quenz von Reaktionen mit externen Fluiden 12 Plagio- interpretiert worden klas sind, sind in den Abbil- dungen 187 und in 188 ] 10 angegeben, und zwar für Granitoide und [‰ gabbroide Gesteine ei- 8 [391],* Quarz RB

nerseits und für O MO Quarz

„krustale“ Eklogite 18

δ 6 (Quarz – Klinopyroxen) und Blauschieferfazies- gesteine (Amphibol – 4 Eklogite und Klinopyroxen) anderer- Blauschiefer: seits[392]. Wenn man Klinopyroxen MORB als Ausgangs- 2 material der Eklogite Amphibol und Blauschieferge- 0 steine annimmt, lassen 0 2 4 6 8 10 12 δ18 sich die O-Daten der 18 Minerale aus diesen δ OCpx oder Amph [‰] Gesteinen nicht erklä- ren durch Reaktion in ABBILDUNG 188 Sauerstoffisotopenfraktionierung zwischen Quarz einem geschlossenen und Klinopyroxen bzw. Amphibol aus Hochdruckgesteinen. Das grö- System (stärker schraf- ßere hellere Doppeldreieck stellt die zu erwartende Fraktionierung fiertes Feld: δ18O-Daten im geschlossenen System dar, wenn man ein MORB-Gestein als Aus- typischer Eklogite mit gangsmaterial wählt und man als Mineralzusammensetzung im Ex- Klinopyroxen und Gra- tremfall 100% Plagioklas bzw. 100% Chlorit zuläßt. Das kleinere nat als Hauptminerale). Doppeldreieck gibt die zu erwartende Isotopenvariation wieder, Läßt man als mögliche wenn nur Klinopyroxen und Granat stabile Phasen und das System Isotopenaustauschpart- geschlossen gewesen wäre[393],[394]. ner noch Plagioklas, Olivin und Chlorit zu, erhält man für den Fall des geschlossenen Systems das leicht ge- punktete Feld, in dem jedoch nur wenige Quarz-Klinopyroxen-Paare aus Eklogiten und Blauschiefern liegen. Zur Erklärung dieser Daten muß ein 18O-Austausch mit krustalem Sauerstoff gefordert werden, für die Minerale mit δ18O<5.5 auch eine Reaktion mit hydro- thermalen Lösungen bei hohen Temperatur (z.B. Meerwasser). Die δ18O-Variationen terrestrischer Magmen reichen von mindestens -2 bis +16‰. Wesentlich schlechter bekannt sind ihre δD-Variationen, die von vielleicht -200 bis -30‰ gehen. Als Ursachen der Variationen können angeführt werden: • Variationen in den Isotopenzusammensetzungen bei der Kondensation der Erde, • Effekte der magmatischen Kristallisation im geschlossenen System, • Effekte der magmatischen Kristallisation im offenen System, • Auswirkungen der partiellen Aufschmelzung und von Heterogenitäten der Quellregio- nen der Magmen hinsichtlich ihrer Isotopien,

* Die Temperaturen der Plutonite in diesem Diagramm sind Subsolidustemperaturen, während die der Vulkanite wohl infolge von deren rascher Abkühlung die Bedingungen der magmatischen Kri- stallisation widerspiegeln.

243 Wasserstoff und Sauerstoff

• Ungleichgewichtseffekte und Magmenmischung, sowie • Effekte fluider Phasen. Abbildung 189 und Abbildung 190[395] illustrieren für wichtige Gesteinstypen des magma- tischen Bildungsbereichs die δD- und δ18O-Zusammensetzungen und -Variationen. Es zeigt sich dabei, daß die meisten Magmatite auf der Erde nur relativ geringe Schwankungsberei- che in der Zusammensetzung ihrer stabilen Isotope haben, nämlich zwischen ≈ -50 bis - 100 im δD und zwischen ≈ +5.5 und +11 im δ18O. Gesteine außerhalb dieser Bereiche haben sich i.a. unter außergewöhnlichen Bedingungen gebildet oder haben sekundäre Verände- rungen erfahren.

Metamorphite

Marine Sedimente

diverse Granite, Granitoide, und Tonalite

Schottische Hebriden Granitoide

Sierra Nevada Batholith, CA

San Juan Mts., CO

Boulder Batholith, CO

Cascades, WA

Skaergaard

Basalte, Gabbros

Ultramafite

-180 -160 -140 -120 -100 -80 -60 -40 -20 0 δD [‰]

ABBILDUNG 189 Wasserstoffisotopenzusammensetzungen verschiedener Gesteinstypen. Die δD-Werte der meisten Gesteine liegen zwischen ca. -55 und -85‰. Die mei- sten Gesteine mit negativeren Werten haben vermutlich mit (meteorischem) Wasser in Hydrothermalsystemen reagiert. Mondgesteine zeigen nur eine enge Streubreite ihrer δ18O-Werte. Das wird der Abwesenheit von H20 auf dem Mond zugeschrieben und der infolgedessen fehlenden hydrothermalen Überprägung. Mond und Erde folgen demselben Fraktionierungstrend bezüglich 17O/ 16O und 18O/16O, und man kann vielleicht gleiche mittlere 18O/16O-Werte annehmen. Unwäg- barkeiten in dieser Annahme bestehen darin, daß gegenwärtig die Hypothese am wahr- scheinlichsten gilt, wonach der Mond durch Kollision der frühen Erde mit einem Körper von ungefähr der Masse des Mars entstanden ist, wobei der Mond dann in wesentlichem Maße die Zusammensetzung dieses Körpers repräsentierte[396], die nicht identisch derjeni- gen der Erde sein muß. Diesem primordialen Verhältnis nahe kommen frische MOR- Basalte, die mit 5.7 ±0.3‰ ein sehr uniformes δ18O aufweisen, das zudem über die geolo- gische Geschichte hindurch konstant geblieben zu sein scheint, denn archaische Komatiite zeigen δ18O-Werte um 6‰. Dieser Schluß ergibt sich auch aus der Untersuchung von Mineralen aus Peridotitxenolithen, wonach Olivineinschlüsse aus Diamanten, für die archaische Alter abgeschätzt wurden, identische δ18O-Werte haben wie Olivine aus rezen- ten Peridotiten[397]. Diese Arbeit hat zudem gezeigt, daß Olivine uniforme δ18O-Werte von

244 B. Stabile Isotope

5.2±0.3‰ aufweisen; koexistierende Pyroxene haben – bei Temperaturen um 1000 °C im Erdmantel – ca. 0.4‰ (Cpx) bzw. 0.5‰ (Opx) höhere Verhältnisse. Die Gesteine der kon- tinentalen Erdkruste sind im Vergleich zum Erdmantel an 18O angereichert; ihr mittleres δ18O dürfte höher sein als ca. 7.5‰.

Syenite, Trachyte

Granitoide

Rhyolithe, Dazite

Schottische Hebriden

San Juan Mts., CO

Boulder Batholith, CO

Skaergaard

Cascades, WA

Vulkanite, Island

Anorthosite

Eklogite

Andesite

Basalte, Gabbros

Ultramafite

Mondgesteine

Meteorite

-10 -5 0 5 10 15 δ18O [‰]

ABBILDUNG 190 Sauerstoffisotopenvariation von Meteoriten, lunaren Gesteinen und einer Reihe von terrestrischen Gesteinen. Gesteine mit δ18O-Werten <5.5 dür ften mit Wasser bei hohen Temperaturen reagiert haben. Das primordiale D/H-Verhältnis der Erde ist unbekannt und kann auch nicht aus Meteori- tendaten abgeleitet werden, die einen riesigen Bereich zwischen ≈ -500 und +9000‰ zei- gen[398]. Wasserstoffisotopendaten lunarer Gesteine sind nicht hilfreich, weil der Mond seine flüchtigen Komponenten sehr früh in seiner Geschichte verloren hat, so daß der Was- serstoff, der heute vorhanden ist, zum großen Teil aus dem Deuterium-freien Sonnenwind stammt. Das mittlere δD der irdischen Hydrosphäre dürfte bei ≈ -10‰ liegen. Der größte restliche Teil des Wasserstoffs auf der Erde liegt wohl gebunden in OH-haltigen Silikaten vor, die relativ zum Ozeanwasser an Deuterium verarmt sind. (δD ≈ -40 bis -90‰). Ähnli- δ che Werte zeichnet auch das magmatische H2O aus. Das mittlere terrestrische D könnte heute bei vielleicht -15 bis -20‰ liegen. Bei einer Abschätzung des primordialen δD ist zu bedenken, daß 1H im Lauf der Erdgeschichte über 2H aus der Atmosphäre in den interpla- netaren Raum diffundiert ist. Aber auch bei den Wasserstoffisotopen gibt es keine Hinweise auf eine systematische Änderung der δD-Werte der Gesteine im Verlauf der geologischen Geschichte. Praktisch alle Gesteine (Magmatite, Metamorphite und Sedimente), die nicht hydrothermal überprägt wurden, haben δD-Werte zwischen ≈ -40 und -95‰, d.h. es lassen sich nicht, wie bei den Sauerstoffisotopen, Mantel- von krustalen D/H-Verhältnissen unter- scheiden. Als Grund dafür wird angeführt, daß durch die Prozesse der Subduktion Wasser aus der Hydrosphäre in den oberen Mantel gelangt. Da diese geotektonischen Vorgänge wahrscheinlich seit mehreren 109a ablaufen, ist im oberen Mantel ein ursprünglich pri-

245 Wasserstoff und Sauerstoff

mordiales δD längst durch die Werte der Erdkruste überprägt und nicht mehr davon unter- scheidbar. Aus der Isotopengeochemie der Edelgase weiß man, daß es in Basalten noch pri- mordiale Komponenten bezüglich des He und des Xe gibt, deren Reservoir im unteren Erdmantel vermutet wird. Daß es dort auch noch ein ähnliches Reservoir für die Wasser- stoffisotope gibt, kann nur vermutet, aber nicht belegt werden. Die frischesten MORB mit δ18O-Werten um 5.7‰ weisen δD-Verhältnisse um -80‰ auf, was wohl am besten der Wasserstoffisotopie des primitiven oberen Erdmantels entspricht. Die Effekte der magmatischen Kristallisation im geschlossenen System sind nur schwer quantitativ zu fassen, weil sich einerseits in-situ-Messungen an Einsprenglingen und Matrix in der Natur schwierig gestalten und es andererseits nur wenige magmatische Kom- plexe gibt, die frei von sekundären Alterationsprozessen sind. Seit der klassischen Arbeit von Wager & Deer[399] wurde die Skaergaard-Intrusion in Ostgrönland lange als ein klassi- scher Fall der fraktionierten Kristallisation eines tholeiitischen Ausgangsmagmas betrach- tet. Frühe Analysen der Sauerstoffisotopenverhältnisse bestätigten diese Meinung, indem relative δ18O-Verarmungen um 3 – 4‰ in den späten Differentiaten durch eine Fraktionie- rung nach dem Rayleighschen Gesetz erklärt wurden[400]. Erst einige Jahre später äußerte Taylor[401] auf Grund von O-Isotopenuntersuchungen die Ansicht, daß der gesamte Kom- plex durch Reaktion mit hydrothermalen Fluiden umgewandelt ist. Als geeignete Gesteinssequenzen, die nur die Rolle der Fraktionierung widerspiegeln, gel- ten die Alkalibasalt- und Tholeiitkomplexe von Ascension (Südatlantik), der Osterinsel, von Kiglapait (Grönland) und Apollo 12, die δ18O-Trends aufweisen, die innerhalb von ≈1‰ übereinstimmen. Danach ändert sich die Sauerstoffisotopie während der ersten ≈70 – 95% Kristallisation des Ausgangsmagmas nur um wenige Zehntel ‰. Größere Effekte kann man nur für das Endstadium der Differentiation erwarten und/oder wo die Kristalli- sation von Quarz, Biotit oder Magnetit bedeutsam wird. Daraus und aus der Analyse von Einsprenglingen und Matrix aus Rhyolith- und Dazittuffen ist zu entnehmen, daß Fraktio- nierungen zwischen Kristallen und Schmelze für δ18O kleiner als ±2‰ für die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale (Quarz, Feldspat, Pyroxene, Olivin, Hornblende, Biotit etc.) sein sollten. Die Kristallisation von Quarz wird dabei eine 18O-Verarmung der Restschmelze bewirken und die von Magnetit, Ilmenit, Hornblende, Biotit, Pyroxen und Olivin zu einer Erhöhung führen. Die Richtung, in der sich das δ18O des Magmas entwickeln wird, hängt Δ daher meist von Feldspat-Schmelze ab. In der Theorie sollte bei Kristallisation eines basischen Magmas das δ18O der Restschmelze leicht ansteigen, jedoch wohl um nicht mehr als 1‰ bei der Fraktionierung von Basalt zu Rhyolith. Man kann daher das δ18O eines Gesteins, ähnlich wie die Sr- oder die Nd-Isotopie, als Tra- cer benutzen, um etwas über die Herkunft von Magmen oder/und die Wege ihrer sekundä- ren Veränderung zu erfahren, speziell über den Anteil von krustalen und Mantelkompo- nenten. Besonders nützlich zu diesem Zweck ist die Kombination von Sauerstoffisotopen und radiogenen Isotopen, z.B. 87Sr/86Sr. Positive Korrelationen zwischen δ18O und 87Sr/ 86Sr sind in einer Reihe von Magmenprovinzen beobachtet worden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Plutonite (Granitoide, Gabbros) im Westen der USA (siehe Abbildung 191[402] ). Danach sind niedrige δ18O-Werte bis herab zu +6‰ mit Sr-Isotopien um 0.703 verknüpft, beides Isotopensignaturen, die man mit Gesteinen des Erdmantels in Beziehung bringt. Die Korrelation beider Isotopensysteme wird von Taylor[403] im Sinn eines „AFC-Modells “ gedeutet, bei dem ein Magma aus dem Erdmantel in relativ seichtem Krustenniveau Kru- stenmaterial mit hohem δ18O und 87Sr/86Sr assimiliert und parallel dazu eine fraktionierte Kristallisation erfährt. Bei der Bildung von Kumulaten wird Kristallisationswärme frei, die zur Assimilation von Nebengestein verwendet werden kann. Die Masse der Kumulate bei einem solchen Prozeß wird immer wesentlich größer sein als die Masse der assimilierten Gesteine, da der gegenteilige Fall nicht nur aus thermischen Gründen kaum vorstellbar ist, sondern auch eine Volumenvergrößerung des Magmas zur Folge hätte. Granitoide mit δ18O<6 sind offensichtlich sekundär hydrothermal überprägt.

246 B. Stabile Isotope

0.709

0.708

Granitoide 0.707 Gabbros S-Typ San Jacinto + Santa Rosa Sr

86 Block (Granitoide) 0.706 Sr/ 87

0.705 hydrothermal ales

i alteriert bei t i ≥400 °C n i 0.704 Baja California

0.703 Baja I-Typ California

0.702 35791113 δ18O [‰]

ABBILDUNG 191 O-Sr-Isotopenbeziehungen für Gesteine aus den Batholithen der Sierra Ne- vada und der Peninsular Range (Kalifornien und Niederkalifornien) Auf Grund der 18O/16O-Verhältnisse hat Taylor[404] die Granitoide in drei Gruppen unter- schieden, nämlich die der normalen Granitoide (6 ≤δ18O ≤10‰), Granitoide mit hohem δ18O (>10‰) sowie eine Gruppe mit Werten <6‰. Obwohl diese Einteilung etwas künst- lich wirkt, weil die beiden ersten Hauptgruppen eine kontinuierliche Abfolge bilden kön- nen, hat sie sich bewährt. Die erste Gruppe ist identisch mit derjenigen der I(gneous)-T yp Granitoide, die zweite mit derjenigen der S(edimentary)-Typ Granitoide. Reine I-Typ Gra- nitoide kommen insbesondere in Inselbögen vor, in denen kontinentale Kruste nicht vor- handen ist, aber auch unmittelbar hinter Subduktionszonen, wo die abtauchende Platte noch nicht von dicker kontinentaler Kruste überlagert ist. So weisen an der Westküste der USA die küstennahen Granitoide die niedrigsten Werte von δ18O und 87Sr/86Sr auf und die höchsten Werte von 143Nd/144Nd, die denen des Erdmantels nahe kommen. Granitoide mit δ18O>10‰ müssen im wesentlichen durch Assimilation von (Meta-)Sedimenten entstan- den sein. Dazu gehören z.B. die meisten der herzynischen Granite in Mitteleuropa (Schwarzwald, Fichtelgebirge). Unter den Granitoiden mit δ18O-Werten unter 6‰ gibt es neben einer Gruppe, die unter Subsolidusbedingungen mit meteorischen Hydrothermal- wässern äquilibriert ist, auch einige Körper, in denen das niedrige δ18O bereits im magma- tischen Zustand erworben wurde. Beispiele dafür sind bekannt aus Island[405] oder aus dem Yellowstone[406]. Diese Magmen haben offensichtlich Nebengestein mit niedrigem 18O/ 16O assimiliert, das durch die Reaktion mit großen Mengen von hydrothermalen Fluiden ent- standen ist.[403] Bei der Kontamination von basischen Schmelzen mit Krustenmaterial erhöht sich das δ 18O der Restschmelze mit zunehmendem Assimilationsgrad mehr oder weniger empfindlich, je nachdem wie groß der Unterschied in der Sauerstoffisotopie zwischen den beiden Endglie- dern der Mischung ist. Nach Taylor & Sheppard[395] läßt sich ein AFC-Modell mit Hilfe der folgenden Gleichungen quantifizieren:

247 Wasserstoff und Sauerstoff

− −z c −z c 1 f m =+×f a [GL 254] 00−−ϕβ() cm cm 11

− 0 0 RR c −z und mm=−1 m f [GL 255] − 0 RRam cm wobei z =−11ϕβ() ϕ − , β = Verteilungskoeffizient ∑ Minerale/Schmelze, ϕ = Verhältnis Kumulate/assimiliertes Material, c = Konzentration des betrachteten Elementes, 87 86 ε δ18 R = Isotopenverhältnis (z.B. Sr/ Sr, Nd, O), m = Schmelze, 0 = initiale Schmelze, a = assimiliertes Material, f = Anteil der noch verbleibenden Schmelze (0 – 1).

1.00 l

i 0.80

0 .5 5 1 7 = = = φ 0.60 φ φ

erter Magmenante 0.40 i s i stall i r

k 0.20

0.00 5 7 9 11 13 18 18 δ OMagma ≈ δ OKumulate [‰]

ABBILDUNG 192 Illustration eines AFC- Vorgangs für verschiedene ϕ (= Verhältnis Kumulate zu assimiliertem Nebengestein); Endglieder der Rechnung sind MORB (5.7‰) und krustales Nebengestein (19‰).

Im Fall der Sauerstoffisotope kann man – im Gegensatz zu den radiogenen Isotopen – ver- einfacht davon ausgehen, daß Schmelze, Kumulate und assimiliertes Material dieselbe Sau- erstoffkonzentration haben und daß der Verteilungskoeffizient β zwischen Kumulatmine- ralen und Schmelze 1 beträgt. Damit vereinfacht sich [GL 255] zu:

⎡ ϕ ⎤ ⎡ ϕ ⎤ ⎡ ϕ ϕ −1⎤ 0 −− − ⎢ − ⎥ RR− 1 ⎢1 ()ϕ − ⎥ ⎢ ()ϕ − 1⎥ ϕ − ϕ − ()ϕ − mm=−1 ff⎣ 11⎦ =−1 ⎣ ⎦ =−11ff⎣ 1 1⎦ =−11 − 0 RRam 1

248 B. Stabile Isotope

=−0 ⎡ − 11()ϕ − ⎤ + 0 RRRmam()⎣1 f⎦ R m [GL 256] Diese Gleichung ist gültig mit der Einschränkung, daß die Kumulate dieselbe Isotopenzu- sammensetzung haben müssen wie die Schmelze, aus der sie ausgeschieden werden. Das ist bei den radiogenen Isotopen wie 87Sr/86Sr, 143Nd/144Nd oder den Pb-Isotopen wegen der geringen Massendifferenz immer der Fall (Solche potentiellen Effekte werden jedoch dur ch die Massenfraktionierungskorrektur mit korrigiert.), in guter Näherung auch für das 18O/ 16O. Abbildung 192[395] zeigt die Änderung des δ18O eines Magmas mit initialem δ18 O = 5.7‰ und δ18O des assimilierten Materials = 19‰ für verschiedene Verhältnisse ϕ von Kumulat zu assimiliertem Material in Abhängigkeit von (1 – f).

In Abbildung 193 30 sind schematisch Kieselschiefer Sedimente und die Sauerstoff- und und Kalke Metasedimente Sr-Isotopenzusam- 25 mensetzungen Mergel von Magmatiten und von Sedimen- 20 sandige und ten gezeigt. Auffal- ] tonige Sedimente lend ist der enge Bereich frischer 15

O [‰ Arkosen

ozeanischer und 18 Grauwacken kontinentaler Ba- δ salte und das rie- 10 Granitoide sige Feld, das von Ophiolithe Sedimenten einge- nommen wird. Die 5 verwitterte Basalte höchsten δ 18O- meteorisch und hydrothermal frische überprägte Gesteine Werte (bis zu Basalte 35‰) zeigen Sedi- 0.700 0.705 0.710 0.715 0.720 0.725 0.730 0.735 0.740 mente, die entwe- 87Sr/86Sr der einen hohen biogenen Anteil haben (Kalk- oder ABBILDUNG 193 Sr- und O-Isotopenvariationen in Gesteinen der konti- Silikatskelette) nentalen und der ozeanischen Kruste oder die im Meer authigen gebildet werden (großer Fraktionierungsfaktor bei niedrigen Temperaturen). Die Sedimente mit dem niedrigsten δ18O sind Sedimente, die durch die Ab- tragung von Magmatiten entstanden sind und daher direkt deren Sauerstoffisotopie reflek- tieren. Metamorphite werden i.w. denselben Bereich in diesem Diagramm einnehmen wie die Gesteine, aus denen sie entstanden sind, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, daß das 87Sr/86Sr eine Funktion des Rb/Sr-Verhältnisses sowie des Alters des Gesteins ist. Seit Mitte der 1960er Jahre sind die Prozesse, die zur Alteration der Ozeankruste führen, Gegenstand intensiver und systematischer Untersuchung. Die Temperaturen, bei denen diese Prozesse stattfinden, reichen von 0 bis vielleicht 450°C und werden im Deutschen unter dem Sammelbegriff „Spilitisierung“ zusammengefaßt. Die Tieftemperaturalteration wird auch als „subozeanische Verwitterung“ bezeichnet, die Hochtemperaturprozesse nennt man auch „hydrothermale Alteration“. Ursache dieser Prozesse ist in beiden Fällen die Instabilität der Ozeankruste gegenüber Seewasser. Die an den mittelozeanischen Rücken gebildete Kruste weist eine hohe Permeabilität auf. Seewasser dringt in Kluftsy- steme ein, kühlt die ursprünglich warme Kruste ab und tritt in Gestalt heißer Quellen mit hohen Schwermetall- und Sulfidgehalten, den „Black Smokers“ wieder an anderer Stelle der Rücken aus. Bei hohen Temperaturen sind Plagioklas, Pyroxen, Magnetit und basalti- sches Glas instabil und reagieren zu Albit, Chlorit, Epidot, Aktinolith, Quarz, Hämatit und Zeolithen, während bei tiefen Temperaturen v.a. smektitische Tonminerale und Calcit neu gebildet werden.

249 Wasserstoff und Sauerstoff

Hoch- und Tieftemperaturalteration führen zu völlig verschiedenen O-Isotopien. Bei nied- rigen Temperaturen sind die Fraktionierungsfaktoren hoch, und das δ18O der Ozeankruste wird von Werten zwischen ≈5.5 und 6‰ für frische MORB erhöht bis zu Werten um 25‰, δ18 wobei z.T. eine positive Korrelation zwischen O und dem H2O-Gehalt zu beobachten ist. Mit zunehmender Temperatur werden die Fraktionierungsfaktoren kleiner und können bei einigen 100°C ihre Vorzeichen umkehren, d.h. δ18O der Silikate nimmt ab. Typischerweise sind daher die δ18O-Werte der Ozeankruste direkt am Meeresboden am höchsten (Tieftem- peraturverwitterung) und nehmen mit der Tiefe zu ab. Das ist in Abbildung 194 für einen Bohrkern aus dem Costa Rica-Rift schematisch gezeigt[408]. Charakteristisch für die subma- rine Verwitterung sind hohe Verhältnisse von H2O zu Basalt (>>1), während niedrige Ver- hältnisse die Hochtemperaturalteration kennzeichnen (≈1).

m DSDP Hole 504B (Costa Rica Rift, Pazifik) 0

T = 0 – 150 °C 200 Blöcke submarine Verwitterung

400 T < 150 °C reduzierend

Pillows frische Basalte 600 Übergangs- zone Metamorphose 800 unter hydrothermalen Bedingungen Dikes (100 – 400 °C) 1000

3456789 18 δ OBasalt [‰]

ABBILDUNG 194 Variation der Sauerstoffisotope in einem Bohrkern des Deep Sea Drilling-Pro- jektes im Costa Rica-Rift Am detailliertesten lassen sich die Alterationsprozesse in obduzierter Ozeankruste studie- ren, den Ophiolithen. Man muß sich dabei allerdings im klaren sein, daß Ophiolithe nicht unbedingt an mittelozeanischen Rücken produzierte Kruste sein muß (z.B. wird für Troo- dos auf Zypern ein Inselbogenursprung) diskutiert und daß während und nach der Obduk- tion Prozesse abgelaufen sein können, welche die Verteilung der stabilen Isotope verändert haben. Abbildung 195[407] zeigt ein vollständiges Profil durch einen Ophiolithkomplex am Beispiel des Macquarie-Ophioliths (zwischen Australien und der Antarktis), in dem die Sequenz von den δ18O-reichen Pillowlaven bis zu den hydrothermal überprägten Gabbros und serpentinisierten Harzburgiten erhalten ist.

250 B. Stabile Isotope

Das Seewasser, das mit der ozeanischen Kruste reagiert, erfährt natürlich eine gegensinnige Veränderung seines δ18O. Modellrechnungen legen jedoch den Schluß nahe, daß sich die Effekte von Hoch- und Tieftemperaturalteration gegenseitig kompensieren, so daß das Wasser der Ozeane unter dem Strich keine Änderung seines δ18O von 0‰ erfährt. Alte Ophiolithe wie der kambrische Bay of Islands-Komplex auf Neufundland und archaische Greenstone-Belts in Kanada und Südafrika zeigen eine analoge Variation ihres δ18O von Werten >6‰ in den Laven und <6‰ in den plutonischen Teilen wie moderne Ozeankru- ste, so daß es von daher keinen Grund gibt, eine Änderung des 18O/16O der Ozeane im Ver- lauf der geologischen Geschichte anzunehmen. Andererseits wurden aus der Analyse alter mariner Sedimente auf δ18O-Werte bis zu -18‰ für die Ozeane im Archaikum abgeleitet. Diese Kontroverse um die Sauerstoffisotopie der frühen Ozeane ist bislang nicht entschie- den, auch wenn mehr für die Konstanz des δ18O zu sprechen scheint.

m Profil durch den Macquarie-Ophiolith 0

Pillow- Verwitterung laven, durch Seewasser massive Zeolithfazies 1000 Laven untere Grünschieferfazies

Sheeted 2000 obere Grünschieferfazies Dykes

3000 massive Gabbros

lagige Gabbros 4000

rekristall. Gabbros 5000

Harz- Serpentinit burgit 6000 345678910 δ18O [‰]

ABBILDUNG 195 Variation der Sauerstoffisotope im Macquarie-Ophiolith im Südozean süd- lich von Australien

251 Kohlenstoff

19.0 Kohlenstoff

Kohlenstoff ist nach Wasserstoff, organisches sedimentäres Helium und Sauerstoff zwar das viert- Material, Kohle, Öl häufigste Element des Sonnensy- stems, aber auf der Erde nur mit ≈ 200 Organismen – 350ppm vertreten. C spielt eine Süßwasser- Karbonate herausragende Rolle in der Bio- marine Karbonate sphäre, hauptsächlich in reduzierter Form, während anorganischer Koh- Luft-CO2 lenstoff meist oxidiert in Form von Karbonatite, Diamanten Karbonaten vorliegt. Auf Grund der Vielzahl von Oxidations- und Bin- dungszuständen, in denen C vorlie- 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 13 gen kann, sind die Voraussetzungen δ C [‰] relativ zum Standard PDB für seine Isotopenfraktionierung in der Natur ideal, zumal viele der Ver- ABBILDUNG 196 Variation der Kohlenstoffisotope in bindungen in der Natur gasförmig der Natur oder flüssig vorkommen. Kohlenstoff hat 2 stabile Isotope mit den °C Massenzahlen 12 (Häufigkeit in PDB 020406080 98.889%), das als Referenz der Atomge- wichtsskala dient, und 13 (1.111%). Die mas- senspektrometrische Messung des 13C/12C- Verhältnisses erfolgt an CO2-Gas, das aus Kar- 10 Calcit – CO bonaten durch Reaktion mit H3PO4 oder thermische Zersetzung freigesetzt wird und 2 -Gas aus organischen Komponenten und Silikaten HCO 8 – durch Erhitzen auf ≥ ≈1000°C und eventuelle 3 (L ö Oxidation im O -Strom oder mit CuO ausge- sung) – CO 2 α trieben wird. Die C-Isotopenzusammenset- zung wird auch heute noch auf den Standard 6 2 -Gas PDB bezogen, obwohl dessen Vorrat längst erschöpft ist, so daß die Messung gegen 1000 ln sekundäre, an (V)PDB geeichte Standards 4 erfolgen muß. – ösung) 3(L Die natürlichen Isotopenvariationen des 2 Calcit – HCO Kohlenstoffs machen mehr als 10% aus und reichen im δ13C von ≈+20‰ („schwere“ Kar- bonate) bis -90‰ (CH -Gas). Die δ13C-W erte 4 0 wichtiger Kohlenstoffreservoirs sind in 3.6 3.4 3.2 3.0 Abbildung 196[374] angegeben. Die höchsten 1000/T [K] δ13C-Werte zeigen marine Karbonate, in 13 denen sich C infolge des Austauschgleich- ABBILDUNG 197 C-Isotopenfraktionierung gewichts - im System CO2 (Gas) – HCO3 (in Lösung) – CaCO (fest) als Funktion der reziproken 12 − 13 ? 12 13 − 3 HCO 3 + CO2 CO2 + HCO 3 Temperatur im in Wasser gelösten Bikarbonat gegenüber dem Kohlendioxid der Atmosphäre anreichert (Abbildung 197[25]). In Calcit im Gleichge- − δ13 wicht mit H CO3 steigt C mit zunehmender Temperatur zwar an; da der Austausch zwi- − − schen H CO 3 und CO2 aber eine starke negative Temperaturabhängigkeit zeigt und H CO 3 δ13 im Wasser im Gleichgewicht mit CO2 steht, ist zu erwarten, daß C des Calcits per Saldo mit abnehmender Temperatur ansteigt, ähnlich wie δ18O in Karbonaten.

252 B. Stabile Isotope

Bei der Photosynthese der grünen Pflanzen wird das leichte Isotop 12C infolge eines kineti- schen Effekts in der organischen Materie angereichert und damit über die Nahrungskette auch in der Tierwelt. Organische Moleküle wie CH4 können zudem auf anorganischem ? Wege gebildet werden durch Reaktionen wie CO2 + 4H2 CH4 + 2 H2O, wobei sich das leichte Isotop im CH4 anreichert. [409] In Abbildung 198 sind die 600 400 300 200 150 °C Fraktionierungsfaktoren α ≈ δ δ 1000ln ( A – B) für einige wichtige Reaktionen auf der 35 Grundlage thermodynami- scher Berechnungen angege- ben. Danach reichert sich δ13 30 C z.B. in CO2 gegenüber 4 Diamant und Calcit (im letz- (Craig, 1953) 4 teren Fall nur bei T > 200°C) – CH 2 – CH an oder in Calcit gegenüber 25 CO 2 Graphit. Die hohe Reaktions- CO fähigkeit des Kohlenstoffs und die Vielzahl möglicher Isoto- α penaustauschreaktionen in 20 der Natur führen dazu, daß die Gesteine von Erdkruste

und -mantel nicht so leicht 1000 ln 15 Calcit – Graphit durch ihr 13C/12C-Verhältnis zu unterscheiden sind wie CO 2 – Diamant durch ihre Sauerstoffisotopie. Es kommt noch hinzu, daß 10 Kohlenstoff – im Gegensatz zum Sauerstoff – kein uner- schöpfliches Reservoir im Erd- 5 mantel bildet. Außerdem sind CO – Diamant – Graphit organische Kohlenstoffver- 2 Calcit bindungen in der Biosphäre allgegenwärtig und werden 0 123456 mehr oder weniger fest an 6 2 2 anorganische Materialien 10 /T [K ] adsorbiert, so daß in Gestei- nen oft eine Überlagerung ABBILDUNG 198 Berechnete Isotopenfraktionierungsfaktoren verschiedener C-Isotopensi- für Kohlenstoff in den Systemen Calcit – CO2 – Diamant – gnaturen zu finden ist. So Graphit – CH4 zeigt aus MORB extrahierter Kohlenstoff eine Variation im δ13C, die von ≈ 0 bis -35‰ reicht[410]. Dabei wird bei Tempe- raturen unter ≈ 600°C eine Komponente aus den Basalten freigesetzt mit δ13C um -30 bis -20‰, während die bei höheren Temperaturen entgaste Komponente δ13C um -5‰ auf- δ13 weist. Ebenfalls um -5‰ liegen die C-Werte von CO2 in Fluideinschlüssen ozeanischer Basalte, was darauf hindeutet, daß dies die C-Isotopie vieler solcher Magmen ist. Aber schon der Grund für die niedrigen 13C/12C-Verhältnisse des bei tiefer Temperatur abgege- benen Kohlenstoffs ist umstritten. Nach einer Vorstellung handelt es sich dabei um resi- dualen Kohlenstoff nach einer vielstufigen CO2-Entgasung der basaltischen Magmen wäh- rend ihres Aufstiegs[411]. Geht man dabei von ursprünglichen Werten um -5‰ aus und ≈ ≈ bedenkt, daß selbst bei Temperaturen zwischen 1100 und 1300°C CO2-Gas noch um 4‰ gegenüber dem im Magma gelösten C angereichert ist[412], dann ist es nicht schwierig, über eine Rayleigh-Destillation zu Werten von -30‰ zu gelangen. Als Hinweis darauf, daß dieser Prozeß auftritt, wurden positive Korrelationen zwischen δ13C und dem C-Gehalt gewertet, die in einigen kogenetischen Suiten ozeanischer Basalte beobachtet wurden.

253 Kohlenstoff

Allerdings erfordert dieses Modell sehr hohe initiale C-Konzentrationen von >2000ppm anstelle der ≈ 200ppm, die man typischerweise in MORB-Gläsern findet, und damit auch hohe Gehalte im Erdmantel. Nach einem anderen Modell handelt es sich bei dem unter- halb von 600°C abgegebenen C um Kontaminationen, die an der Erdoberfläche erworben wurden[413]. Bei Inselbogenbasalten kann auch die Hochtemperaturphase ein deutlich niedrigeres δ13C als -5 aufweisen, was als Mischung zwischen Mantel- und subduziertem Kohlenstoff gedeutet wird. Immerhin scheint CO -Einschlüsse in MORB Einigkeit insofern zu 1 2 bestehen, daß weite Teile des subozeani- 10 Kimberlite schen und des subkonti- nentalen Erdmantels 20 δ 13 C-Werte um -5 Karbonatite haben. Dafür sprechen 10 die Daten der Hochtem- peraturentgasung von 100 MOR-Basalten, Daten Anzahl der Proben 60 Diamanten für Kimberlite und Kar- bonatite und Daten für 20 Diamanten, wie Abbil- dung 199 erkennen 0 -5 -10 -15 -20 -25 -30 [374] läßt . Insbesondere δ13C die Diamanten zeigen aber eine sehr weite ABBILDUNG 199 Variation der Kohlenstoffisotope in Materialien des Variation der δ 13C- Erdmantels Werte bis hin zu sehr leichten Isotopien. Besonders leichte C-Isotopien sind dabei in Diamanten zu finden, die aus Eklogiten stammen. Möglicherweise spielen bei der Diamantentstehung variable Sau- erstoffugazitäten eine Rolle und damit das Vorliegen von C-haltigen reduzierten (CH4) und oxidierten Gasen (CO2), also Reaktionspartner mit großem Fraktionierungsfaktor. Darüber hinaus ist sogar der Vorschlag geäußert worden, es könne sich bei Diamanten mit beson- ders niedrigen δ13C-Werten um subduzierten Kohlenstoff mit ehemals organischem Ursprung handeln[376]. Größere Bedeutung als bei den Magmatiten kommt den Kohlenstoffisotopen bei den Meta- morphiten zu. Das liegt daran, daß bei der Metamorphose fluide Phasen eine wichtige Rolle spielen können, und zwar bei Entwässerungs- und Dekarbonatisierungsreaktionen, vor allem bei der prograden Metamorphose von Sedimenten[414]. Diese Reaktionen werden in der Regel mit großen positiven Volumenänderungen verbunden sein, wobei der größte Teil der Fluide aus dem System nach oben hin entweicht, in geringen Tiefen in Verbindung mit Kluftsystemen aber auch zur Seite oder gar abwärts. Die Änderung der stabilen Isoto- penverhältnisse der residualen Gesteine als Folge eines derartigen Prozesses läßt sich mit Hilfe von 2 extremen Modellen beschreiben, nämlich dem Gleichgewichtsmodell und dem Modell der Rayleigh-Fraktionierung. Beim Gleichgewichtsmodell wird angenommen, daß die entwickelte fluide Phase (zunächst) im System verbleibt und mit dem residualen Gestein reäquilibriert. Für die Isotopenverhältnisse gilt dabei eine einfache Massenbilanz- gleichung: δ × δ × δ 0 = f + (1 – f) fluid, [GL 257] δ δ wobei 0 die Isotopie des Gesteins vor Beginn der Reaktion ist, seine Isotopie zum Zeit- punkt, zu dem der Anteil des Kohlenstoffs mit dem Molenbruch f (oder des Sauerstoffs, δ etc.) noch nicht reagiert hat und fluid die Isotopie der fluiden Phase beim Reaktionsgrad (1 – f). In der Regel wird sich das schwere Isotop 13C (aber auch 18O) in der fluiden Phase anreichern ( α − >1, siehe Abbildung 198). Wegen CO23 CaCO

254 B. Stabile Isotope

α ≈ δ δ 1000 ln fluid – δδ≈×+ff()1 − ×+() δ 1000 ln α wird daraus: 0 δδδδ≈×+−×−× α + αδα =+ −× α 0 fff1000ln 1000 ln 1000 ln f 1000 ln

δδ≈−1000ln α() 1 −f [GL 258] 0 Mit dieser Gleichung erhält man einen minimalen Wert für die Änderung des Isotopenver- hältnisses eines Gesteins infolge der Fluidentwicklung. Die maximale Änderung wird durch das Rayleighsche Gesetz beschrieben, das im Kapitel „H und O in der Hydro- und Atmosphäre“ eingeführt wurde (GL 236):

δ R ()α −1 +1000 ==f [GL 259] δ R0 0 +1000

()α −1 und daraus δδ= f ()+1000− 1000 [GL 260] 0 da (α – 1) sehr klein ist, geht f (α – 1) gegen 1, und es gilt näherungsweise: (α – 1) × δ ≈ δ f 0 0

()α −1 δδ=+1000()f − 1 [GL 261] 0 Zu Beginn der Reaktion (große Werte von f) werden die nach beiden Methoden berechne- ten δ-Werte nur wenig voneinander abweichen. Erst wenn die Reaktion weit fortgeschrit- ten ist, wird das Modell der Rayleigh-Fraktionierung zu einem großen Isotopieeffekt und großen Unterschied zum Gleichgewichtsmodell führen. Dekarbonatisierungsreaktionen wirken sich sowohl auf das 13C/12C- als auch das 18O/16O-Verhältnis des Gesteins aus. Da die Fraktionierung beider Isotopenverhältnisse dasselbe Vorzeichen hat, sollten δ13C und δ18O für derart betroffene Gesteine miteinander korreliert sein. Abbildung 200[414] zeigt die nach beiden Modellen zu erwartenden Fraktionierungen in einem δ13C-δ18O-Diagramm für verschiedene Werte von fKohlenstoff. Die beiden Geraden sind nach dem Gleichgewichts- modell berechnet, die beiden Kurven modellieren das Rayleighsche Gesetz. Das Modell entspricht den typischen Dekarbonatisierungsreaktionen ? CaCO3 + SiO2 CaSiO3 + CO2 und ? CaMg(CO3)2 + 2 SiO2 CaMgSi2O6 + 2 CO2. Die C-Isotopie ändert sich in erheblich stärkerem Maße als die O-Isotopie, weil, den Reak- tionen entsprechend, das Sauerstoffreservoir des Gesteins viel größer ist als das Kohlen- stoffreservoir, so daß noch 60Mol% Sauerstoff verbleiben, wenn der gesamte Kohlenstoff bereits entgast ist. Die durch das freiwerdende CO2 verursachte Volumenvergrößerung beträgt bei beiden Reaktionen ≈40%; und von daher ist es klar, daß der größte Teil der Fluide aus dem System entweichen wird. Der rechte Teil von Abbildung 200[414],[415] zeigt ein Beispiel der Änderung des δ13C mit f in Tonsteinen im Kontakt zu Granodiorit, CO2 wobei eine Situation zwischen „Batch-“ und Rayleigh-Fraktionierung vorgelegen hat. Generell scheint der Dekarbonatisierungstrend von typischen Werten sedimentärer Karbo- nate (δ18O ≈ 20 – 25, δ13C ≈ -2 bis +5) zu Werten für magmatische Karbonatite hin zu gehen (δ18O ≈ 6 – 10, δ13C ≈ -4 bis -8), wenn f gegen 0 geht. Die fluiden Phasen, die infolge von Dehydratation und Dekarbonatisierung aus einem Gesteinskomplex auswandern, werden andere Gesteine infiltrieren und mit ihnen reagie- ren. Die Isotopenverschiebungen, die das infiltrierte Gestein dabei erleidet, sind natürlich umso größer, je höher das Verhältnis Fluide/Gestein ist, je größer die Isotopenunterschiede zwischen den Reaktionspartnern sind und je höher die Permeabilität des Gesteins ist. Die Permeabilität wird von Größe, Anzahl, Verteilung und Orientierung von Brüchen abhän-

255 Kohlenstoff

gen, von der Porosität des Gesteins, dem Streß und dem Fluiddruck. Generell sollte die Per- meabilität mit zunehmender Tiefe in der Kruste abnehmen. In seichtem, hoch permea- blem Niveau wird PH2O ungefähr dem hydrostatischen Druck einer hypothetischen überlagernden Wassersäule entsprechen. Mit der Tiefe und mit zunehmender Temperatur wird die Duktilität der Gesteine zunehmen, und die Fluide werden auf den lithostatischen Druck komprimiert, der wegen des Dichteunterschieds ≈ dreimal so hoch ist wie der hydro- statische Druck. Infiltration von Oberflächenfluiden (meteorische Wässer, Seewasser) wird auf relativ seichte Krustenniveaus beschränkt sein, in dem die Fluiddrücke ≤ dem hydrosta- tischen Druck sind. Unter den Ozeanen wurde Eindringen von Seewasser bis in ≈ 6km T iefe nachgewiesen und Eindringen von meteorischen Wässern in die kontinentale Kruste bis in Tiefen von gut 10km.

0 -20% f = 0.75 „Gleichgewicht“ -40% -10% 0 -2 f = 0.5 -20% -2 Ray f = 0.25 lei C -4 g -30% h -4 13 -6 δ

C f = 0.125 -35% 13 -8 δ -6 Δ13C – Calcit = 4.5 -10 CO2

-8 f = 0.025 0.9 0.7 0.5 0.3 0.1 ƒ CO2 -10 1618 20 22 δ18O

ABBILDUNG 200 links: Auftragung der gekoppelten O-C-Isotopentrends, die für Gleichge- wichts- („Batch“, gerade Linien) und Rayleigh-Verdampfung (Kurven) er- rechnet wurden unter Annahme normaler Dekarbonatisierung[414]. Die gewählten Fraktionierungsfaktoren sind realistisch für metamorphe Tempe- α13 α18 raturen: C (CO2 – Gestein) = 1.0022 und O (CO2 – Gestein) = 1.006 und 1.012 (Die größeren Verschiebungen im δ18O ergeben sich für α = 1.012). Die Werte für fC und die ungefähre Verringerung des Gesteinsvolu- mens (%) sind ebenfalls angegeben. Die resultierende Variation im δ18O ist wenig abhängig von der Wahl des Gleichgewichts- oder des Rayleigh-Mo- dells, da das System selbst bei vollständiger Dekarbonatisierung noch den größten Teil des Sauerstoffs behält. rechts: Auftragung des gemessenen δ13C gegen den Anteil des noch nicht dekarbonatisierten Gesteins (gefüllte Quadrate) für Tonsteine aus der Kontaktzone zum Notch Peak Stock in Utah[415]. Die beiden Kurven ent- sprechen den theoretischen δ13C-Verarmungen, die nach dem totalen Gleichgewichts- („Batch“) und dem Rayleigh-Modell zu erwarten wären. Die Meßwerte legen daher nahe, daß eine Situation zwischen diesen bei- den extremen Modellen verwirklicht war. Die Menge an Fluiden, die ein Gestein infiltriert und mit ihm ausgetauscht hat, kann über eine isotopische Massenbilanzgleichung errechnet werden. Wenn es sich dabei um eine Gleichgewichtsreaktion handelt, bei der die gesamte Fluidmasse mit einem Gestein rea- giert, dann gilt nach Taylor[404]:

⎛ F ⎞ δδ− 0 ⎜ ⎟ = Gestein Gestein , [GL 262] ⎝ R⎠ δδ0 −+Δ closedsystem Fluide Gestein

256 B. Stabile Isotope wobei F und R die Atomprozente des interessierenden Elementes in der fluiden Phase und Δ δ δ δ 0 im Gestein sind (F + R = 100%) und = Gestein – Fluide; sind die Initialwerte und die nicht δ δ 0 mit „0“ indizierten ’s die Werte nach Beendigung der Reaktion. Gestein kann man oft an δ einer Partie messen, die der Fluidinfiltration entgangen ist. Gestein läßt sich an den reagier- δ 0 ten Gesteinen messen, Fluide kann abgeschätzt werden, wenn die Quelle der Fluide bekannt ist. Δ läßt sich abschätzen, wenn man die Temperatur der Äquilibrierung kennt. Geschieht die Fluidinfiltration dagegen im offenen System, wobei ein Inkrement der flui- den Phase mit dem Gestein reagiert und dann das System verläßt, dann gilt eine andere Gleichung:

⎡ ⎤ ⎛ F ⎞ ⎛ F ⎞ ⎜ ⎟ = ln⎢⎜ ⎟ + 1⎥ , [GL 263] ⎝ R⎠ ⎢⎝ R⎠ ⎥ opensystem⎣ closedsystem ⎦ wobei (F/R)closed system das aus GL 262 errechnete Verhältnis ist. Zu den Prozessen, die sich durch derartige Fluidinfiltrationen beschreiben lassen, gehören z.B. die Bildung von Skar- nen oder generell Kontaktmetamorphosen um fluidreiche granitische Plutone. Eines der größeren Probleme in der Geochemie und Petrologie der Metamorphite ist die Granulitisierung. Granulite sind Gesteine, die sich unter Druckbedingungen der Unterkru- ste bei niedrigen Wasseraktivitäten aus Sedimenten und Magmatiten bilden.Eine zeitweilig populäre Theorie, welche die niedrigen H2O-Aktivitäten erklärt, ist die, daß CO2-Fluide aus dem Erdmantel strömen und in der Unterkruste Dehydratationen bewirken, wobei der größte Teil des Wassers in seichtere Krustenniveaus auswandert[416]. Diese Theorie bezieht ihre Nahrung aus der Beobachtung, daß die Fluideinschlüsse in Mineralen aus Granuliten meist reines CO2 sind und damit den Fluideinschlüssen der Erdmantelperidotite ähneln, aber nicht denen anderer Krustengesteine. Dieses Strömungsmodell erfordert jedoch Men- ≈ [417] genverhältnisse für Fluid (CO2)/Gestein von 0.1 – 0.3 und sollte damit erhebliche Aus- wirkungen auf die δ13C- und δ18O-Werte der Granulite haben. Tatsächlich scheint das aber nicht der Fall zu sein, wenn man Granulite und amphibolitfazielle Gesteine vergleicht, die dieselben Edukte haben, was der Infiltrationstheorie klar widerspricht. Die Tendenz geht daher heute dahin, das CO2 der Fluideinschlüsse in Metasedimenten aus dem Abbau von Karbonaten abzuleiten, während es in den Metamagmatiten ein magmatisches Relikt sein könnte. Metamagmatite könnten zudem primär „trockene“ Gesteine sein, so daß die H2O- Armut der aus ihnen hervorgegangenen Granulite eine zwanglose Erklärung hat.

257 Stickstoff

20.0 Stickstoff

Stickstoff besteht aus zwei stabilen Isotopen mit den Massenzahlen 14 (natürliche Häufig- keit 99.64%) und 15 (0.36%). Das größte irdische Stickstoffreservoir ist wahrscheinlich die Atmosphäre, in der 15N mit einer Häufigkeit von 0.3663% (relativ zum Gesamtstickstoff) vertreten ist. Da das 15N/14N-Verhältnis der Atmosphäre weltweit konstant ist, wird es bequemerweise als Referenzwert für die Angabe des δ15N beliebiger Proben verwendet. Neben der elementaren Form kommt Stickstoff auf der Erde als Nitrat vor in seltenen Mine- α ralen wie -KNO3 oder NaNO3, daneben aber auch als Ammonium-Ion in seltenen Phos- phaten oder auch als Ammoniak. In der Ammonium-Form scheint er auch – neben der ele- + mentaren Form – in den meisten Magmatiten aufzutreten, in denen NH 4 auf Grund seines identischen Ionenradius K+ zu ersetzen vermag. Stickstoff ist allgegenwärtig in der Bio- sphäre, wo es essentieller Baustein von Aminosäuren und Proteinen ist. Der N-Gehalt von Magmatiten liegt meist in der Größenordnung 10 – 100ppm; in Sedimenten ist er höher und kann in Tonen bis zu einigen 1000ppm betragen, liegt jedoch meist zwischen ≈ 100 und 1000ppm. Isotopenfraktionierungen treten beim Stickstoff einerseits infolge von kinetischen Prozes- sen bei der bakteriellen Nitrifizierung und Denitrifizierung auf; ihrer Größe nach sind dies die bedeutendsten Effekte. In der anorganischen Welt spielt vor allem die Reaktion

+ ? NH 4 NH3(Gas) eine Rolle, für die bei 25°C ein Fraktionierungsfaktor α von 1.034 berechnet wurde[374]. Die Isotopengeoche- mie des Stickstoffs Erdgas erfreut sich, mit Aus- Öl nahme der Bio- und Umweltgeochemie, Landlebewesen keiner besonderen Beachtung, einerseits, marine Organismen weil man sich von der N2 NH3 Analyse der N-Isotope Meerwasser keine wesentlichen Informationen ver- Atmosphäre spricht, die nicht mit Hilfe anderer Isotopen- Magmatite systeme besser gewon- Diamanten nen werden können; zum anderen ist die -20 -10 0 10 20 Gefahr der sekundären 15 Verunreinigung von δ N Gesteinen und Minera- len nicht zu vernach- ABBILDUNG 201 Variation der Stickstoffisotope in der Natur lässigen, und außer- dem weiß man vergleichsweise wenig über die Wege der Stickstofffraktionierung in der festen Erde. Der in Gesteinen elementar vorliegende Stickstoff (Fluideinschlüsse in Minera- len aus Metasedimenten enthalten in der Regel erhebliche Stickstoffmengen.) wird sich als inertes N2-Molekül bei den meisten geochemischen Prozessen relativ inaktiv verhalten und nur durch Diffusion fraktionieren können. Man wird daher erwarten, daß die N-Isotopen- zusammensetzung der Atmosphäre nicht sehr verschieden ist von dem Reservoir des Erd- mantels, aus dem die Atmosphäre letztlich entgast ist[410]. Abbildung 201[374] gibt eine Übersicht über die δ15N-Werte verschiedener wichtiger terre- strischer Stickstoffreservoirs. Magmatite können demnach eine sehr weite Variation ihrer

258 B. Stabile Isotope

Stickstoffisotopie zeigen. Die N-Analyse von submarinen Basalten hat gezeigt, daß mittels verschiedener (Extraktions-) Techniken verschiedene Ergebnisse erhalten werden; daher hängen die δ15N-Werte vielfach davon ab, in welchem Labor die Analysen durchgeführt wurden. Typischerweise findet man durch Schmelzextraktion des Stickstoffs in MORB Gehalte um 1ppm, während Methoden der instrumentellen Neutronenaktivierungsana- lyse eine Größenordnung höhere Gehalte liefern; allerdings ist mit dieser Methode keine Isotopenanalyse möglich. Die Angaben für δ15N von MORB schwanken zwischen ≈+17[418] und ≈ 0[419], wobei den niedrigeren Werten die größere Glaubwürdigkeit beigemessen wird, da andernfalls die Stickstoffisotope während der Bildung der Atmosphäre erheblich fraktio- niert worden wären, wofür es keinen plausiblen Mechanismus gibt. Hohe Stickstoffgehalte von 100 – 2100ppm und Isotopenvariationen zwischen -11.2 und +6.0 wurden in Diamanten gefunden[420], wobei Konzentrationen und Isotopien positiv miteinander korreliert waren. Die niedrigen δ15N-Werte, die vornehmlich in Diamanten der peridotitischen Suite gefunden werden, wurden dabei als Hinweis auf eine heterogene Akkretion der Erde gedeutet, weil diese Isotopenverhältnisse niedriger sind als die in MORB. Diese Interpretation wird allerdings nicht uneingeschränkt akzeptiert, weil die Stickstoffisotopie z.B. nicht mit der He-Isotopie von Diamanten parallel läuft. Hohe δ15N- Werte in Diamanten korrelieren mit niedrigen δ13C-Werten und unterstützen damit die Hypothese, daß die Kohlenstoffquelle solcher Diamanten subduzierter Kohlenstoff bio- genen Ursprungs sein kann. Diese Interpretation wird allerdings dadurch erschwert, daß individuelle Diamanten Wachstumszonierungen zeigen können, mit denen beträchtliche Isotopenvariationen verbunden sind, z.B. mehr als 10‰ für δ13C und mehr als 20‰ für δ15N[421].

259 Schwefel

21.0 Schwefel

Schwefel besteht aus den 4 stabilen Isotopen 32S (Häufigkeit 95.02%), 33S (0.75%), 34S (4.21%) und 36S (0.02%). Die S-Isotopie wird konventionell als das Verhältnis 34S/32S ange- geben und als δ34S relativ zum 34S/32S-Verhältnis des Troilits aus dem Canyon Diablo- Meteorit ausgedrückt.

Im Massenspektrometer wird Schwefel vorzugsweise als SO2 gemessen, wobei der Schwefel in Sulfiden oder elementarer S zu SO2 oxidiert und Sulfate mittels H3PO2 und/oder HJ redu- ziert werden. Nach einer anderen Methode wird ein Gemisch aus Sulfid- und Sulfatschwe- fel bei 280°C im Vakuum mit H2O-freier Phosphorsäure, die Sn-Ionen enthält, umgesetzt. H2S und SO2 werden dadurch freigesetzt und können auf geeignetem Wege voneinander getrennt und gemessen werden. Schwefel ist ein allge- genwärtiges Element, Evaporite sowohl in Gesteinen des magmatischen und Meerwasser metamorphen Bil- dungsbereichs (hier vor Sedimente allem in Form von Sul- fiden, selten als elemen- Metamorphite tarer S) als auch in Sedi- menten (als Sulfate und Granitoide Sulfide). Er kommt gelöst als Sulfat im Basalte Meerwasser vor (≈ 900 ppm S[58]), in der Atmo- -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 34 sphäre als SO2 und in δ S der Biosphäre in einer Vielzahl von Verbin- ABBILDUNG 202 Variationsbereich der Schwefelisotope in Materiali- dungen und Oxida- en der Erde tionsstufen. Die natürli- che δ34S-Variation macht ≈ 150‰ aus. Die Isotopie wichtiger geochemischer Reservoirs ist in Abbildung 202 dargestellt[374]. Die isotopisch schwersten Sulfate haben ein δ34S um +90‰ und die leichtesten Sulfide von -65‰. Für diese große Variation sind zwei Effekte verantwortlich: a) verschiedene chemische Austauschreaktionen zwischen Sulfaten und Sulfiden; begün- stigt werden die Isotopieeffekte dabei durch unterschiedlichen Bindungscharakter und Aggregatzustände (fest-flüssig-gasförmig); die schweren S-Isotope werden in der weniger flüchtigen Phase – in der Regel den Sulfaten – konzentriert; b) infolge eines kinetischen Effektes werden die leichten S-Isotope bei der bakteriellen Reduktion von Sulfaten zu Sulfiden angereichert; dieser Prozeß ist für den weitaus größten Isotopieeffekt verantwortlich. Die beiden wichtigsten Arten der sulfatreduzierenden Bakte- rien sind Desulfovibrio desulfuricans und Desulfatomaculum. Sie beziehen die Energie ihres Wachstums und der Reduktion der Sulfate aus der anaerobischen Oxidation von H2 und organischer Materie, wozu sie den Sauerstoff des Sulfats verwenden. Die Bakterien gedei- hen bei Temperaturen zwischen 0 und 100°C in Süßwasser und Salzwasser mit bis zu 30% NaCl bei Drücken bis zu 1kbar, bei pH-Werten zwischen 4.2 und 10.4 und EH-Werten zwi- schen +350 und -500mV. Im Labor lassen sich mit solchen Bakterienkulturen S-Isotopen- fraktionierungen bis zu 5% erzielen. Die Größe der Isotopenfraktionierung und die Menge des entwickelten H2S hängen vom Sulfatgehalt, der Größe der Bakterienkolonien, der Ver- fügbarkeit von Nährstoffen, der Sedimentationsrate, der Salinität und der Temperatur ab. Auch die Isotope des Selens – eines Elementes, das sich geochemisch ähnlich verhält wie

260 B. Stabile Isotope

Schwefel – werden durch manche Mikroorganismen fraktioniert, insbesondere einige Sal- monellenarten, die 76Se um einige 10‰ über das 82Se anzureichern vermögen. Auf Grund der S-Isotopenvariation mariner Sulfide schließt man auf die Existenz solcher Sulfat-redu- zierender Bakterien seit mindestens 2.3Ga. Die marinen Sulfide des Archaikums weisen dagegen durchweg δ34S-Werte um 0 auf.

Besonders große Isotopenva- 1 riationen sind in der Natur unter Bedingungen des offe- nen Systems zu erwarten, aus Sulfat dem das produzierte H2S kon- %] Sulfid tinuierlich entfernt wird (Ray- leigh-Fraktionierung), z.B. 0.1 durch Entgasung oder dur ch Ausfällung von FeS2. Die Reak- tion wird dann fortschreiten, Rayleigh- bis entweder das Sulfat ver- Fraktionierung braucht ist oder keine Nah- rung mehr für die Bakterien

orhandenes Sulfat [ orhandenes Sulfat 0.01 zur Verfügung steht. Da der v Schwefel im H2S leichter ist als Mittelwert für das bis im Sulfat, wird das residuale noch zu diesem f-Wert Sulfat und damit auch das spä- entwickelte Sulfid ter gebildete Sulfid mit abneh- mender Sulfatmenge schwe- 0.001 rer. Das ist schematisch in [374] -20 0 20 40 60 Abbildung 203 dargestellt . 34 Im Gegensatz dazu wird unter δ S [‰] anaeroben Bedingungen wie 34 im Schwarzen Meer nur ein ABBILDUNG 203 Variation von δ S von Sulfid und residualem geringer Teil des zur Verfü- Sulfat durch Rayleigh-Fraktionierung, ausgehend von Sulfat 34 gung stehenden Sulfats ver- mit δ S = 10‰ zu Beginn und unter Annahme eines Fraktio- braucht, weil das Reservoir nierungsfaktors α = 1.025. sehr groß ist. Das gebildete, isotopisch leichte H2S bleibt im System (H2O) und führt zu des- sen Vergiftung, so daß die Meeresorganismen, die nach ihrem Tod die Nahrung der sulfat- reduzierenden Bakterien darstellen, absterben. Und damit kommt schließlich auch das Wachstum der Bakterien selbst zum Stillstand. Bei Temperaturen unter ≈50°C scheint die bakterielle Aktivität die einzige Möglichkeit der Sulfatreduktion zu sein. Bei Temperaturen oberhalb ≈250°C spielt auch die Reduktion durch Fe2+ eine Rolle. Einen großen Isotopieeffekt hat potentiell die Reaktion

32 2− 34 ? 34 2− 32 SO4 + H2 S SO4 + H2 S, für die ein Fraktionierungsfaktor α von 1.075 bei 25°C berechnet wurde. Es ist jedoch kein Mechanismus bekannt, der die Reaktion bei so niedriger Temperatur ablaufen läßt. Der Erdmantel scheint in Bezug auf seine Schwefelisotopenzusammensetzung ein relativ homogenes Reservoir darzustellen, dessen δ34S-Werte nur wenig über dem des Canyon Dia- blo-Troilits liegen[410] (siehe Abbildung 204). Sulfide wie Pyrrhotin und Pentlandit, die man gelegentlich in Xenolithen (Granatperidotite, Eklogite) in Kimberliten findet, weisen δ 34S zwischen etwa 0 und +2 auf, was wahrscheinlich den Verhältnissen im Erdmantel am besten entspricht. Basaltische Gesteine zeigen eine höhere Variation. Aus subaerisch ausge- flossenen Basalten kann der Schwefel zum Teil entgasen, wobei eine geringe Fraktionierung auftritt. Bei Basalten aus Hawaii hat man δ34S-Werte bis ≈ -5‰ beobachtet, gekoppelt an niedrige S-Gehalte. Man muß daraus folgern, daß die entgaste Komponente oxidiert ist (SO2). Als wichtige Komponenten magmatischer Fluide sind neben SO2 und SO3 auch redu-

261 Schwefel

zierte Spezies wie S und H2S bekannt. Bei hohen Temperaturen ist SO2 jedoch die dominie- rende Phase. Große basische Intrusionen in die kontinentale Kruste können erhebliche S- Kontaminationen erfahren (z.B. Muskox, Norilsk), so daß ihre S-Isotopien keine Rück- schlüsse auf die des Erdmantels erlauben.

Hawaii submarine OIB 10 MORB Peridotitxenolithe lkalibasalte

2- A SO4 aus sub- Norilsk 5 marinen Basalten ] Karbonatite S [‰ Tholeiite 34 δ Muscox

0

-5 0 400 800 1200 1600 ppm S

ABBILDUNG 204 links: δ34S-Werte und Schwefelgehalte ozeanischer Basalte und von Peridotitxenolithen. Die subaerischen Ozeaninselbasalte (OIB) aus Hawaii haben niedrigere Schwefelgehalte und δ34S-Werte als submarine OIB und MOR-Basalte. Verlust von 34S und Gesamtschwefel scheinen daher einander bei der Entgasung von Magmen parallel zu verlaufen. Der Sulfatschwefel ozeanischer Basalte hat ein höheres δ34S als der Gesamtschwefel. rechts: zum Vergleich sind die S-Isotopien für kontinentale Tholeiite und Alkalibasalte aus Europa, Karbonatite aus Afrika und von zwei basischen Intrusionen eingetragen. Ein wichtiges Reservoir im S-Zyklus der Erde sind die Ozeane, die ≈ 10% des Schwefels des Systems Kruste + Ozeane enthalten[423]. Der Schwefel liegt in den Ozeanen fast ausschließ- lich als Sulfat vor mit einem mittleren δ34S von heute ≈ +20‰. Das Sulfat hat eine mittlere Residenzzeit von ≈ 7.9Ma und wird als Sulfid (sedimentäre oder organisch gebundene Sul- fide) oder Sulfat (Gips) in einem Mengenverhältnis von etwa 1:2 ausgefällt, der wesentliche Teil davon durch bakterielle Reduktion. So gilt z.B. der mitteleuropäische Kupferschiefer als das Produkt bakterieller Tätigkeit[424]. Der durchschnittliche S-Gehalt von Sedimenten liegt um 5000ppm, der von Magmatiten und hochmetamorphen Gesteinen bei nur 200 ppm. Der Schwefel in Sedimenten macht ca. 60% des S im System Kruste + Ozeane aus. Bedenkt man, daß dieser Schwefel über den sedimentären Kreislauf auch mit dem Ozeanschwefel austauscht, dann wird klar, daß direkt oder indirekt der Schwefel des Seewassers eine wich- tige Rolle bei der Entstehung vieler Sulfidlagerstätten spielen muß.

262 B. Stabile Isotope

Aus der Analyse von Evaporiten ist 0 bekannt, daß das 34S/32S-Verhältnis T im Lauf der Erdgeschichte in den K 100 Ozeanen stark geschwankt hat, (siehe Abbildung 205[374]). Ein Maxi- J 200 mum ist im Kambrium zu verzeich- Tr nen mit δ34S von gut +30, ein Mini- P C2 300 mum im Perm mit ca. 10‰. Obwohl C1

die Gründe für diese Schwankungen D Alter [Ma weit davon entfernt sind, klar zu S 400 sein, hat die Vorstellung einiges für O sich, daß sie letztlich den Zustrom 500 Є von S durch Abtragung der Konti- ] nente widerspiegeln[425], gekoppelt 600 mit vermehrter oder verminderter Bildung von Evaporiten. In Zeiten 700 vermehrter Evaporitbildung wie im p Perm werden erhebliche Teile des S Є 800 dem Meerwasser entzogen, so daß das δ34S empfindlicher auf die Zumi- 900 schung von bezüglich der Isotopie andersartigem Schwefel aus Magma- titen reagiert. In Zeiten, in denen 5 10 15 20 25 30 35 keine Evaporite gebildet werden, z.B. δ34S [‰] im Kambrium, wirkt sich der Zustrom von S mit negativerem δ 34S ABBILDUNG 205 Variation der Schwefelisotope im dagegen nicht aus. Um die S-Isoto- Meerwasser im Verlauf der letzten ≈ 1Ga. Die Striche penunterschiede des Meerwassers stellen die zu einer bestimmten Zeit beobachtete Ge- zwischen dem Kambrium und dem samtvariation dar, das breite Band Mittelwerte über Perm von ≈20‰ zu erklären, wäre den Verlauf der Zeit. eine Variation des in Sedimenten und den Ozeanen festgelegten Schwefels um ±30% erforderlich[427]. Stabile Isotope bieten die besten geochemischen Möglichkeiten, um die Herkunft erzfüh- render Fluide aufzudecken und die Bildungstemperaturen von Lagerstätten abzuschätzen. Da zahlreiche wichtige Lagerstätten Sufide sind oder enthalten, ist es nicht verwunderlich, daß die Geochemie der S-Isotope weite Anwendung in der Lagerstättenkunde findet. Zwei wesentliche Faktoren kontrollieren die S-Isotopenzusammensetzung hydrothermaler Lagerstätten: • Aus der Fraktionierung Δ zwischen verschiedenen S-haltigen Mineralen lassen sich Rückschlüsse auf die Bildungstemperatur der Lagerstätte gewinnen. Abbildung 206 zeigt Gleichgewichtsfraktionierungskurven zwischen H2S und verschiedenen Sulfi den und Sulfat, aus deren Kombination sich Sulfid-Sulfid-Thermometer ableiten lassen. Eine hohe Fraktionierung weist das Zinkblende-Bleiglanz-Thermometer auf, daß sich besonders weiter Verbreitung erfreut, weil beide Sulfide praktisch immer miteinander vergesellschaftet vorkommen. Für dieses Thermometer gilt die folgende Gleichung:

()0.. 85± 0 03× 103 T = [GL 264] Δ ZnS− PbS Obwohl einige dieser Sulfidthermometer experimentell kalibriert sind, sind die Über- einstimmungen der Eichungen verschiedener Arbeitsgruppen nicht sonderlich befrie- digend. Die Fraktionierungskurven für das ZnS–PbS- und zwei weitere Thermometer sind in Abbildung 207 dargestellt[25].

263 Schwefel

• Die Isotopie des Gesamt- 800 400 300 200 100 50 °C schwefels gibt Hinweise auf 30 seinen Ursprung. Da die S- Isotope zwischen den Flui- S den und Sulfidmineralen 25 2

fraktionieren, muß man – H 2- eine gute Kenntnis der Iso- 4 20 SO topie des gesamten an der Bildung des Vorkommens teilhabenden Schwefels ha- 15 ben. Auf Grund der δ34S- α

Werte des Gesamtschwefels lassen sich drei Quellen der 10 Erzlösungen unterschei- SO2 – H2S 1000 ln den: Werte um 0 weisen auf 5 S magmatische Quellen hin, FeS2 – H2 während Werte um 20‰ (je ZnS – H2S nach Alter der Lagerstätte 0 – auch andere Werte, siehe HS – H2S Abbildung 205) Seewasser PbS – H als Quelle des Schwefels an- -5 2S zeigen. Intermediäre Werte ≈ zwischen 5 und 15‰ kön- -10 nen auf krustale Gesteine 012345678910 verschiedenster Art hinwei- 6 2 2 sen oder auf Mischungen 10 /T [K ] der beiden ersten Quellen (Sulfide der mittelozean- ABBILDUNG 206 Experimentell bestimmte Gleichgewichts- α ischen Rücken ohne Sedi- fraktionierungsfaktoren zwischen diversen S-Verbindun- 34 mentauflage zeigen δ S- gen einerseits und H2S andererseits. Gepunktete Kurventeile Variationen zwischen ca. 0 stellen Extrapolationen dar. und 5‰; bei Gegenwart von Sedimenten, z.B. im Roten Meer, sind die Variationen größer und gehen bis ca. 15‰ hinauf[422]). Abbildung 208, Seite 266 zeigt die Schwe- felisotopien mariner Sulfide und Sulfate und massiver Sulfiderze über die geologische Zeit[423]. Es ist daraus zu erkennen, daß archaische Sulfide und Sulfate δ34S-Werte ha- ben, die nahe 0 liegen und damit eine Erdmantelabkunft nahelegen. Größere Abwei- chungen in beide Richtungen sind erst seit gut 2Ga zu verzeichnen, wobei Abweichungen zu negativen 34S/32S-Verhältnissen als Anzeichen der Tätigkeit sulfat- reduzierender Bakterien gedeutet werden können. Besonders bemerkenswert ist die sehr weite Variation des δ34S im Kupferschiefer. Solche großen Variationen, zumal dann, wenn sie im Sediment über den cm-Bereich beobachtet werden können, gelten als sehr starke Indizien für eine bakterielle Entstehung. Es ist jedoch zu betonen, daß es, im Gegensatz zu früheren Lehrmeinungen, Lagerstätten, die allein bakteriell ent- standen sind, nicht zu geben scheint. Auch Lagerstätten, die ihre Entstehung aus- schließlich magmatischen Prozessen verdanken, scheint es eher nicht zu geben[423] . Durch Subduktionsprozesse kann mariner Sulfid- und Sulfatschwefel in den Mantel transportiert werden, wo er erneut für die Bildung von Fluiden zur Verfügung steht und eine wichtige Schwefelquelle in Lagerstätten über Subduktionszonen werden kann.

264 B. Stabile Isotope

Da Schwefel ein Bestandteil 800 400 200 100 50 °C aller organischer Materie ist, ist 16 er elementar oder in Form ver- schiedenster Verbindungen auch in fossilen Brennstoffen 14 enthalten. Bei der Verbrennung von Öl und Kohle geraten große 12 Mengen an aggressivem SO 2 in die Umwelt, wo sie ein nicht unbeträchtliches Gefährdungs- 10 potential darstellen. Gewaltige ] Mengen an SO2 können bei Vul- Pyrit – Bleiglanz kaneruptionen freigesetzt wer- 8 den. Beim Ausbruch der Laki- S [‰ 34

Spalte auf Island in den Jahren Δ 6 1783 und 1784 sollen ca. 120 Millionen Tonnen SO2 in die Atmosphäre gelangt sein[426] . 4 Zinkblende – Bleiglanz Zusammen mit anderen Gasen (Halogene) verursachten sie ein Pyrit – Zinkblende großes Viehsterben auf der 2 Insel. 0 Ein erheblicher Teil des SO2 kann bei heftigen Explosionen 024681012 auch in die Stratosphäre gelan- 106/T2 [K2] gen, wo es mit photochemisch freigesetzten OH-Radikalen zu ABBILDUNG 207 Fraktionierung der Schwefelisotope zwi- H2SO4 reagiert. Die Schwefel- schen kogenetischen Sulfiden als Funktion der Temperatur. säure verbindet sich im Verlauf Die Daten basieren auf berechneten Gleichgewichtskon- von Wochen bis Monaten mit stanten. Staubpartikeln zu Aerosolen (typischer Durchmesser 0.5μm) und wird erst innerhalb einiger Jahre aus der Stratosphäre entfernt. Diese Aerosolwolken vermindern die Sonneneinstrahlung auf der Erde und bewirken somit eine Abkühlung. Die durch den Ausbruch des El Chichón in Mexico 1982 ≈ × 6 ≈ in die Stratosphäre gelangte Menge SO2 entsprach (10 – 20) 10 Tonnen H2SO4 bei nur 0.5 km3 ausgeworfenen Aschen[428]. Nach dem Ausbruch des Pinatubo auf den Phillipinen Anfang der 1990er Jahre konnte man vor allem in den Äquatorialgebieten für einige Monate eine Temperaturerniedrigung nachweisen.

265 Schwefel

Kuroko 0.0 marine Sulfate und Sulfide Zypern 0.0 Raul Kupferschiefer Besshi Sulitjelma 0.5 Meguma 0.5 Notre Dame

New Brunswick 1.0 White Pine 1.0 Adirondacks Roseberry

1.5 1.5 McArthur Basin t [Ga

] Skellefteå Anderson Onwatin Skellefteå 2.0 2.0 Outokumpu ] t [Ga

Pine Creek 2.5 2.5 Michipicoten Birch-Uchi Geco Noranda Yilgarn Hamersley South Bay Zimbabwe 3.0 3.0

Aldan Barberton Warrawoona Fig Tree North Pole 3.5 Onverwacht Big Stubby 3.5

Isua Sulfidlagerstätten 4.0 4.0 -60 -40 -20 0 20 40 -10 0 10 20 30 40 δ34S [‰] δ34S [‰]

ABBILDUNG 208 Schwefelisotopie mariner Sulfate und Sulfide (links) und massiver Sulfid- lagerstätten (rechts). Dicke Linien stellen die Hauptvariation dar. Hellblaue Linien stehen für Sulfatschwefel, dunkelblaue Linien für Sulfidschwefel.

266 B. Stabile Isotope

22.0 Calcium

Die technische Weiterentwicklung der Massenspektrometrie von den Geräten mit einem Faraday-Auffänger zu solchen mit Multikollektoren hat dazu geführt, daß man heute klei- nere Isotopenunterschiede auflösen kann, als dies noch um 1980 der Fall war. Damit ist auch das Ca über seine Anwendung in der Geochronologie von Gesteinen mit hohen K/ Ca-Verhältnissen hinaus interessant geworden. Die Ca-Isotope erfahren in der Natur eine Fraktionierung sowohl bei biologischen als auch bei chemisch-physikalischen Prozessen. Die wenigen Laboratorien, die sich mit der Isotopengeochemie von Ca beschäftigen, geben die Isotopenverhältnisse als

⎡ 44 40 ⎤ ()Ca Ca δ 44 ⎢ Probe − ⎥ × Ca [‰] = ⎢ 1⎥ 1000 [GL 265] ()44Ca 40 Ca ⎣⎢ Standard ⎦⎥ an. Diese Angabe relativ zu 40Ca hat natürlich den Nachteil, daß nicht zwischen einer Iso- topenfraktionierung und einer radiogenen Quelle (übernormale Häufigkeit von 40Ca aus dem Zerfall von 40K) unterschieden werden kann. Zhu & Macdougall (1998)[429] schlagen auf Grund ihrer Analysen von Meerwasser verschiedener Ozeane und Tiefen vor, als Stan- dard Meerwasser zu verwenden, weil dies auf Grund seiner hohen Residenzzeit (ca. 1 Ma) eine homogene Zusammensetzung von 44Ca/40Ca = 0.0217470±13 aufweist. Leider ver- wenden verschiedene Laboratorien verschiedene Standards und benutzen außerdem ver- schiedene Fraktionierungskorrekturen bei ihren Messungen, so daß auch die δ44Ca-W erte nicht miteinander direkt vergleichbar sind.

0.5 Flußwässer MORB 0.0 Meerwasser Karbonatschlämme Foraminiferen

-0.5

-1.0 R angtze Y B, EP B, Ca R ldan δ A B, Südatlantik B, MO B, Südatlantik B, Kolyma tlantik, Kokkolithen- R Lena -1.5 R A schlamm tropische Koralle tropische ana Orinoco Y MO tlantik, Karbonatschlamm MO tlantik, Karbonatschlamm Orinoco A A C. kullenbergi mazonas A -2.0 Karibik, Kokkolithenschlamm N. pachyderma G. sacculifer Ganges-Nebenfluß Pazifik, KokkolithenschlammPazifik, tlantik, Kokkolithenschlamm

-2.5 A Ganges-Nebenfluß Ganges-Nebenfluß Ganges-Nebenfluß -3.0

ABBILDUNG 209 Ca-Isotopenvariation in Flußwässern, MORB, holozänen Karbonaten der Meeresböden und einzelnen Foraminiferen. Unter den drei Spezies von Foraminiferen wurde jeweils eine aus wärmerem und/oder flacherem und eine aus tieferem und/oder kälterem Wasser analysiert. Die Foraminiferen aus dem tieferen oder kälteren Wasser haben jeweils das niedrigere δ44Ca.

267 Calcium

2

1

0 Ca Meerwasser δ Seestern

-1 Foraminifere Sardelle Foraminifere Tümmler Schnecke Napfschnecke Seeotter -2 Tümmler Tümmler

-3

ABBILDUNG 210 Variation von δ44Ca in marinen Organismen[430]. Es ist zu beachten, daß die δ44Ca-Werte nicht unmittelbar mit denen in Abbildung 209 vergleichbar sind, wie an dem positiven δ44Ca-Wert des Meerwassers erkennbar ist. Wenn man das δ44Ca des Meerwassers mit demjenigen von Flußwässern, marinen Hydro- thermalquellen (MORB als Vertreter für das δ44Ca solcher Wässer) und rezenten marinen Karbonatsedimenten vergleicht, stellt man fest, daß das Meerwasser unter allen diesen Materialien das höchste δ44Ca aufweist (Abbildung 209[429]). Unter den Flußwässern haben die Nebenflüsse des Ganges besonders niedrige δ44Ca-Werte, verbunden mit extrem hohen 87Sr/86Sr-Verhältnissen (0.76 – 0.80) und geringen Ca-Gehalten aufweisen. Dies deutet auf eine Herkunft aus Granitoiden im Himalaya hin, bei denen infolge des hohen K/Ca-Ver- hältnisses nicht auszuschließen ist, daß das niedrige δ44Ca zumindest teilweise radiogenen Ursprungs ist. Inwieweit der Unterschied zwischen dem δ44Ca des in die Weltmeere einge- tragenen Ca und den aus dem Meerwasser ausgeschiedenen biogenen Sedimenten signifi- kant ist, ist nicht vollends klar. Wenn er signifikant ist, müßte das dahingehend gedeutet werden, daß Zufluß und Austrag nicht im Gleichgewicht stehen. Immerhin scheinen die Karbonatschalen mariner Organismen (und auch anorganisch ausgefällte Karbonate) eine Anreicherung des leichteren Isotops 40Ca gegenüber dem Meerwasser aufzuweisen. Als Grund mag angeführt werden, daß die Fraktionierung kinetischer Natur ist, wobei das leichteste Ca-Isotope am raschesten aus dem Meerwasser ausgefällt wird[429]. Skulan et al. (1997)[430] haben zudem die Beobachtung gemacht, daß sich in der marinen Nahrungs- kette das leichtere Isotope 40Ca anreichert (Abbildung 210). Beim Vergleich der δ44Ca- Werte der Schalen von Foraminiferen schließlich zeigt sich, daß Exemplare aus tieferem und/oder kälterem Wasser negativere δ44Ca-Werte aufweisen als solche aus flacherem und/ oder wärmerem Wasser, daß die Fraktionierung also – erwartungsgemäß – mit sinkender Temperatur größer wird[429],[431]. Die Ca-Isotopenfraktionierung kann dabei für verschie- dene Foraminiferen eine sehr unterschiedliche Temperaturabhängigkeit von mehr als einer Größenordnung aufweisen[431], die bislang nicht genügend verstanden sind, um die Ca- Isotope zur Paläotemperaturbestimmung zu verwenden. Es ist zudem noch darauf hinzu- weisen, daß die Fraktionierung der Ca-Isotope bei der Ausscheidung von Karbonaten aus Wasser umgekehrt verläuft wie diejenige der Sauerstoffisotope, d.h. je niedriger die Tempe- ratur, desto leichter die Ca-Isotope und desto schwerer die O-Isotope. Gussone et al.[431] schlagen dafür ein Modell vor, wonach die Ca-Isotopenfraktionierung allein durch kineti- sche Effekte bestimmt ist, diejenige der Sauerstoffisotope aber sowohl durch kinetische als auch durch Gleichgewichtseffekte.

268 B. Stabile Isotope

23.0 Eisen und andere schwere Elemente

Mit der Etablierung von ICP-MS-Geräten, die mit mehreren Faraday-Kollektoren ausgestat- tet sind, ist es einfacher geworden, natürliche Isotopenvariationen schwerer Elemente zu dokumentieren als mit der Thermionenmassenspektrometrie, bei der die Massenfraktionie- rung während der Messung schwer zu kontrollieren ist (vergleiche Seite 77 und folgende oder [432] für die Fe-Isotopenanalyse unter Verwendung eines Doppelspikes). Damit ist die Erfassung der massenabhängigen Isotopenfraktionierung der schwereren Elemente und Klärung ihrer Ursachen seit dem Ende der 1990er Jahre zum Gegenstand intensiver For- schung innerhalb der Isotopengeochemie geworden. Übergangsmetalle wie Cr, Fe, Ni, Cu oder Zn bieten sich besonders an, weil sie in der Natur relativ häufig vorkommen und zudem biologisch von Bedeutung sind. Die Darstellungsweise der Isotopenvariationen ist für diese Elemente nicht einheitlich, weil sowohl die Angabe der δ-Abweichung (‰) als ε 1 auch die der -Abweichung ( /10000) verwendet werden, so daß beim Vergleich von Daten verschiedener Quellen entsprechende Aufmerksamkeit anzuraten ist. Unter den vier Fe-Isotopen mit den Massenzahlen 54, 56, 57 und 58 hat das letztere nur eine natürliche Häufigkeit von ca. 0.28%; es wird in der Regel in Publikationen nicht auf- geführt. Die Fe-Isotopien werden meist als Abweichung des 56Fe/54Fe-Verhältnisses von einem Standard angegeben, seltener als Abweichung des 57Fe/54Fe. Als Standards sind sowohl künstliche („IRMM–14“ Metallstandard des europäischen Institute for Reference Materials and Measurement, http://www.irmm.jrc.be/[359]) als auch natürliche (Basalte BCR- 2[433], BIR[434]; Eisenmeteorit Canyon Diablo[433]) in Gebrauch, deren Fe-Isotopie sich von- einander nur sehr wenig unterscheidet. Als Element mit ungerader Ordnungszahl wird Cu nur aus den beiden Isotopen mit den Massenzahlen 63 und 65 aufgebaut; infolgedessen wird das Isotopenverhältnis 65Cu/63 Cu in der ε- oder δ-Form angegeben. Als Standard dient NIST 976 des National Institute of Stan- dards, http://ts.nist.gov/srm[360]. Zn verfügt über fünf stabile Isotope (Massenzahlen 64, 66, 67, 68, 70), unter denen die beiden erstgenannten die häufigsten sind. Angegeben wird die Abweichung des 66Zn/64Zn von einem Standard der Firma Johnson & Matthey[362]. Cr setzt sich aus den Isotopen mit den Massenzahlen 50, 52, 53 und 54 zusammen, unter denen 52Cr mit einer Häufigkeit von 83.8% dominant ist. Das Verhältnis 53Cr/52Cr wird relativ zu NIST 979 angegeben[435].

2.5 7 2.0 Romil Cu-Lösung 6 Romil Cu-Lösung 1.5 (Zn-dotiert) relativ zu NIST 976 Ø = 3.43±0.56 (2s) 1.0 5 0.5 4 Cu Cu 0.0 65 65

ε 3 ε -0.5 -1.0 2 -1.5 1 -2.0 -2.5 0 024 6 8 10 12 14 0 2 4 6 8 10 12 14 Analyse Nr. Analyse Nr.

ABBILDUNG 211 Illustration der Korrektur der meßtechnischen Massenfraktionierung am Bei- spiel von Cu[360]. Links: Durch Zugabe von Zn als innerer Standard. Das ge- messene 68Zn/66Zn wird benutzt, um einen Korrekturfaktor für das gemessene 65Cu/63Cu zu ermitteln. Rechts: Durch das „Klammerverfahren“, bei dem vor und nach jeder Probe ein Standard mit bekannter Isotopenzu- sammensetzung analysiert wird. Die Cu-Isotopie der Probe ist relativ zur in- terpolierten Isotopie des NIST-Standards angegeben.

269 Eisen und andere schwere Elemente

Zur Eliminierung der ICP–MS-internen Massenfraktionierung werden zwei Verfahren ein- gesetzt, die in Abbildung 211 erläutert sind. Zum einen kann man, ähnlich wie auf Seite 83 beschrieben, der Analysenlösung eine Menge eines im Periodensystem benachbarten Ele- mentes mit bekannter Isotopenzusammensetzung als innerer Standard zusetzen, z.B. Zn bei einer Cu-Analyse. Aus der Abweichung des Isotopenverhältnisses dieses inneren Stan- dards von seinem Sollwert läßt sich für das Element von Interesse ein Korrekturfaktor mit genügender Genauigkeit abschätzen. Bei der Thermionenmassenspektrometrie müssen demgegenüber Isotope des zu analysierenden Elementes zugesetzt werden, im Idealfall radioaktive Isotope mit langer Halbwertszeit, die in der natürlichen Probe nicht vorhanden sind. Das zweite in der ICP–MS-Analytik eingesetzte Verfahren ist weniger zeitaufwendig. Hierbei wird vor und nach jeder Probe ein Standard mit bekannter Isotopenzusammenset- zung analysiert und daraus sein Verhältnis für den Zeitpunkt der Analyse der Probe inter- poliert. Der Meßwert der Probe kann damit unmittelbar mit dem für den Standard interpo- lierten Wert in Beziehung gesetzt werden und zur Errechnung des ε- oder δ-Wertes dienen. Die ersten hoch präzisen Fe-Isotopenanalysen ergaben identische Fe-Isotopien für irdische und lunare Magmatite[432], aber davon abweichende Isotopien für Mn-Knollen und BIF- Proben (banded iron formation). Diese Beobachtung führte die Autoren zu dem voreiligen Schluß, daß die Fraktionierung der Fe-Isotope auf der Erde im wesentlichen biologischen Prozessen zuzuschreiben ist. Inzwischen ist gut dokumentiert, daß biologische Proben weite Variationen der Fe- und Cu-Isotope aufweisen. So zeigen menschliches Blut[436] und Hämoglobin von Säugetieren[437] ε56Fe-Werte von -20 bis unter -30 (wesentlich niedriger als pflanzliches Material, das als Nahrung dienen kann), und Cu-haltige Proteine von Hefen erreichen in Laborversuchen ε65Cu-Werte bis -20[437]. Fe aus Komplexbildnern bak- teriellen Ursprungs hatte ein um bis zu 8ε-Einheiten niedrigeres ε56Fe als anorganisch gebundenes Fe aus Böden, aus denen die Bakterien das Fe bezogen[438]. In allen diesen Bei- spielen wiesen die biologischen Proben also kleinere Fe- bzw. Cu-Isotopenverhältnisse auf als die Ausgangsprodukte. Dies stimmt mit der Erwartung überein, wonach kinetische Effekte dazu führen, daß Bindungen des leichteren Isotops eines Elementes leichter gebro- chen, diese Isotope mithin leichter von Organismen genutzt werden können als schwere. Nicht ganz so eindeutig sind Zn-Isotopenuntersuchungen an marinen Schwebstoffen aus dem Atlantik vor Mauretanien zu interpretieren, für die eine saisonale Variation beobach- tet wurde[362]. Für Fe-Mn-Knollen wurden in derselben Arbeit δ66Zn-Werte gefunden, die bis zu 1‰ über denjenigen mariner toniger Sedimente liegen; auch dieser Unterschied wird biologischer Tätigkeit im oberen Teil der Wassersäule zugeschrieben. Inzwischen ist klar, daß beträchtliche Fraktionierungen der Isotope der schwereren Ele- mente auch durch abiogene Prozesse hervorgerufen werden können. Bereits im Jahr 2000 wurde berichtet, daß für die Fe-Isotope in Fe-Mn-Krusten aus dem Nordatlantik eine Korre- lation mit der (durch radioaktiven Zerfall bestimmten) Pb-Isotopie besteht, was für eine Fe- Zufuhr von Land als Ursache spricht und nicht für biologische Aktivität in der Wasser- säule[359]. Im selben Jahr veröffentlichte dieselbe Arbeitsgruppe eine Studie über die Cu-Iso- topenvariation in Erzmineralen aus Lagerstätten und gewöhnlichen Gesteinen[360] . Danach weist Chalkopyrit aus magmatischen Gesteinen weltweit die geringste Variation, während Minerale, die sich unter Beteiligung wäßriger Lösungen bei niedrigeren Tempera- turen gebildet haben (z.B. Sulfide aus Black Smoker-Kaminen), eine beträchtlich größere ε65Cu-Streuung zeigen. Eine Temperaturabhängigkeit der Fraktionierung der Cu- und Fe- Isotope wurde inzwischen auch für eine proterozoische Lagerstätte aus Australien gefun- den (Abbildung 212[439]). Dort steigen ε65Cu und ε57Fe in den Sulfiden mit fallender Tem- peratur an (Richtung der Pfeile). Dieser Befund wird so gedeutet, daß sich aus den heißen Lösungen Pyrit und Chalkopyrit mit niedrigeren ε65Cu- und ε57Fe-Werten ausgeschieden haben; dadurch wurden die Restlösungen ständig isotopisch schwerer, so daß sich aus den kühleren Lösungen zunehmend isotopisch schwerere Sulfide ausscheiden mußten. Als Ursache für die große isotopische Streuung der Niedrigtemperatursulfide wird bakterielle Sulfatreduktion geltend gemacht. In hydrothermalen Lösungen von Quellen auf dem Mee- resboden entlang des Juan de Fuca-Rückens wurden Fe-Isotopien mit negativen ε56Fe-Ver-

270 B. Stabile Isotope

hältnissen gemessen[433]. Auch dafür werden nicht biogene Prozesse verantwortlich gemacht, ohne daß jedoch eine exakte Beschreibung der Ursache der Fraktionierung der- zeit möglich ist. Für südafrikanische BIFs wurden ε56Fe-Variationen zwischen -25 und +10 gefunden[440]; dabei weisen die Autoren darauf hin, daß Isotopenfraktionierungen auf che- mische Sedimente beschränkt zu sein scheinen. Die Ursachen sehen die Autoren in einer Kombination aus mineralspezifischen Gleichgewichtsfraktionierungen, Isotopenvariatio- nen der Fluide oder Lösungen, aus denen die Minerale ausgeschieden wurden und auch in bakterieller Tätigkeit; letztere wird auch aus anderen Gründen für wahrscheinlich gehal- ten[441]. Besonders hoch ist ε56Fe in Magnetit, besonders niedrig in Pyrit.

Chalkopyrit ε heiße Lösungen Pyrit ε57/54 Cu Fe 3000 (≈150 °C) Pos i TSR TSR t i on

2500 i n der Lagerst

2000 BSR BSR BSR BSR ä tte [m TSR TSR kalte Lösungen 1500 ] (<100 °C)

-50 5 10 15 20 -30 -20 -10 0 10 20 65 63 57 54 εCu [ Cu/ Cu]εFe [ Fe/ Fe]

ABBILDUNG 212 Cu- und Fe-Isotopenvariation in Pyrit und Chalkopyrit in einem Profil der sedimentären Pb–Zn–Ag-Lagerstätte McArthur River im Northern Territor y von Australien[439]. Entlang der vertikalen Achse nimmt die Bildungstempe- ratur der Minerale nach unten ab. TSR steht für thermochemische Sulfat- reduktion, BSR für bakterielle Sulfatreduktion. Offensichtlich bestehen kleine, aber auflösbare Isotopenunterschiede im 56Fe/54Fe zwischen Gesteinen des Erdmantels und seinen Partial- schmelzen (Basalte, Komatiite – Abbildung 213). Weyer et al. (2005)[442] glauben, daß der Mittel- wert der von ihnen analysierten Erd-

mantelgesteine (ε ≈ 0.15±0.18) Erdmantels 56 des ltramafite

repräsentativ für den Silikatteil der U Erde ist und wahrscheinlich sogar für die gesamte Erde. Letzteres leiten sie aus ihrem Befund ab, daß die Fraktionierung der Fe-Isotope zwi-

schen Olivin und Metallphase (ein- Basalte, schließlich Sulfid und Phosphid) Komatiite von Pallasiten (Stein–Eisen-Meteo- -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 rite, bestehend aus Olivinen, die in ε56Fe/54Fe eine Fe–Ni-Metall-Matrix eingebet- ε tet sind) sehr gering ist (<1 56); ABBILDUNG 213 Fe-Isotopenvariationen in Basalten ε Unterschiede bis zu 5 56 zwischen und Ultramafiten[442] den verschiedenen Bestandteilen

271 Eisen und andere schwere Elemente

der Metallphasen werden späteren Prozessen zugeordnet, z.B. der Entmischung von Nickeleisen in Ni-armen Kamazit und Ni-reichen Taenit bei der langsamen Abkühlung. Der ≈ ε Mittelwert der von Weyer et al. analysierten Basalte von 0.75 56 ist identisch mit dem Mittelwert der von ihnen analysierten lunaren Basalte (mit Ausnahme der Gruppe der Ti- reichen Basalte).

4.0

3.0

2.0

1.0

0.0 Ol Fe

54 -1.0 Fe/ 57

ε -2.0

-3.0

-4.0

-5.0

-6.0 -4.0 -3.0 -2.0 -1.0 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6.0 57 54 ε Fe/ FeCpx

ABBILDUNG 214 Variation der Eisenisotope zwischen Olivin und Klinopyroxen aus ultramafi- schen Gesteinen[443]. Die gestrichelte Linie entspricht identischen Fe-Isotopi- en, die durchgezogene blaue Linie einer Regressionsgeraden durch die Datenpunkte. Ihre Steigung beträgt innerhalb des Fehlers 1. Kleine Isotopenunterschiede wurden auch in koexistierenden Mineralen aus Ultramafi ten [437],[443] ε festgestellt , z.B. bis zu 2 57 zwischen Olivin und Klinopyroxen (Abbildung 214 ) oder zwischen Olivin und Spinell, während Ortho- und Klinopyroxen keine signifikanten Unterschiede aufweisen[443]. Der Unterschied zwischen Olivin und Klinopyroxen ist ver- gleichbar demjenigen, der für die Sauerstoffisotope in Peridotiten zwischen denselben Mineralen gefunden wurde (ca. 0.25‰ je Masseneinheit[397] (siehe auch Seite 244), wenn man den unterschiedlichen Verhältnissen Δm/m zwischen 18O/16O (2/16) und 57Fe/54Fe (3/ 54) Rechnung trägt, und der im Einklang mit theoretischen Berechnungen steht, wonach die Fraktionierung bei 1000K um ca. eine Größenordnung unterhalb derjenigen bei Raum- temperatur liegen sollte[446]. Die Olivin–Klinopyroxen-Daten in Abbildung 214 mögen einer ungefähren Gleichgewichtseinstellung unter Subsolidusbedingungen entsprechen. Unterschiedliche Fe-Isotopien zwischen verschiedenen Peridotiten mögen Unterschiede ε im Aufschmelzgrad widerspiegeln, wobei 57 mit zunehmend refraktärem Charakter zu sin- [442] ε ken scheint, in Übereinsstimmung mit dem Befund von Weyer et al. , wonach 56 in Basalten höher ist als in Peridotiten. Auch der Redoxzustand des Mantels scheint eine Rolle [443] zu spielen, denn Williams et al. finden eine negative Korrelation zwischen log ƒO2 und ε 57 der Gesamtgesteine.

272 B. Stabile Isotope

Erhebliche Isotopenfraktionierungen lassen sich im Labor durch chromatographische Pro- zesse erzielen. In einem einfachen Versuch wurde eine wäßrige Cu-Chloridlösung auf eine Anionenaustauschersäule geladen und das Eluat in kleinen Portionen analysiert (Abbil- 63 2− 65 2− dung 215). CuCl4 wird dabei stärker an das Austauscherharz gebunden als CuCl4 , so daß das 65Cu/63Cu über den Verlauf des Auswaschens von der Säule kontinuierlich sinkt. Die Größe der Fraktionierung hängt von der „Anzahl an theoretischen Böden“ des Harzes ab (Art des Harzes, Vernetzungsgrad, Körnung, Länge der Säule).

80 15

ABBILDUNG 215 Gleichgewichtsfraktionierung Cu elu der Cu-Isotope in einer wäßrigen Chlorid- ε65Cu [437] 40 lösung auf einer Anionenaustauschersäule . i % Cu ( ert Chromatographische Säulen werden in der 10 % Cu

Geochemie der radiogenen Isotope zur Tren- 0 je ml Eluat) 65 nung z.B. von Rb und Sr oder Sm und Nd ver- ε wandt. Die dabei auftretende Fraktionierung 5 -40 wird, zusammen mit derjenigen im Massen- spektrometer, korrigiert (Kapitel 7.0 auf S. 77), ohne daß zwischen beiden unterschieden wer- -80 -0 0 5 10 15 20 25 30 den kann und muß. eluiertes Volumen [ml]

Als weiterer wichtiger Parameter, der bestim- 40 mend für die Fraktionierung der Isotope schwererer Elemente ist, wurden Redoxpro- 20 zesse erkannt. In einem Laborversuch wurde

CuI aus einer wäßrigen Cu(NO3)2-Lösung 0 Cu2+ durch Zugabe von KI ausgefällt (Abbildung Cu 65

216). Das leichtere Cu-Isotop reagierte dabei ε -20 bevorzugt, so daß der ε-Wert des reduzierten Cu+ Cu um ca. 40 Einheiten unter dem des Cu in -40 der Lösung lag. Aus der Konstanz dieser Dif- ferenz bei variablen Versuchsparametern -60 01234 5 (Verhältnis von Cu(NO3)2 zu KI) wurde abge- leitet, daß bei dem Redoxprozeß Isotopen- Cu(NO3)2/KI (molar) gleichgewicht erreicht war. ABBILDUNG 216 Fraktionierung der Cu-Isoto- Bei Laborversuchen mit der Reduktion von pe bei 20 °C in wäßriger Lösung zwischen stark toxischem Cr6+ zu wenig toxischem Cu2+ (gelöst) und Cu+ (als CuI-Nieder- Cr3+ durch Suspensionen von Magnetit und schlag)[437]. Die aufgetragenen ε65Cu-Werte Ästuarsedimenten (reich an Bakterien) sind relativ zur vorgegebenen Cu-Lösung wurde ein noch etwas größerer Effekt erzielt (ε65Cu = 0) errechnet. als beim Cu: Das reduzierte Cr hatte ein um ca. 34 ε-Einheiten kleineres 53Cr/52Cr als das vorgegebene Chromat, und die beobachtete Fraktionierung war unabhängig von der Art des eingesetzten Reduktionsmittels[435]. Die Cr-Isotopie könnte damit – obwohl analytisch aufwendig – hilfreich in der Abschätzung des Anteils an toxischem Cr6+ in Gewässern sein. Fe-Fraktionierungen treten auch bei der Verlagerung von Eisen in Böden auf[444]. Dabei erweisen sich die leichteren Isotope als mobiler, indem sie sich in die Tiefe anreichern. In einem komplexen System wie einem Boden ist es außerordentlich schwierig, die Mechanis- men der Fraktionierung zu klären. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß sowohl abiogene (Redoxprozesse, Komplexbildung und chromatographische Effekte) als auch biogene Pro- zesse (bakterielle Eisenreduktion) dabei eine Rolle spielen.

273 Eisen und andere schwere Elemente

An einem Bach mit durch vulkanische 1 Einflüsse geprägtem Wasser auf der Fe in Ferrihydrit Nordinsel von Neuseeland wurde der Fe in Lösung Einfluß der Oxidation des zunächst 0 zweiwertigen Eisens und der anschlie- ßenden Ausfällung als Ferrihydrit über

eine Distanz von ca. 1.6 km studiert zum Standard) -10 (Abbildung 217). Das ausgefällte Eisen iv erwies sich dabei als isotopisch deut- 2+ (relat -20

lich schwerer als das Fe in Lösung. Fe

Dies war von den Autoren nicht 56 ε erwartet worden, weil sich die leichte- -30 ren Isotope als die reaktionsfähigeren 110100 hätten zeigen sollen. Es wird überlegt, % in Lösung verbleibendes Fe daß die Ursache darin zu suchen sein mag, daß die schwereren Isotope des ABBILDUNG 217 Fraktionierung der Fe-Isotope bei Eisens bevorzugt in intermediäre Oxidation von Fe2+ und Ausfällung des Fe3+ als Ferri- 2+ × [434] Komplexe von Fe eintreten, die sich hydrit, 5Fe2O3 9H2O in einem Bach. Gestrichelte unmittelbar vor der Oxidation bilden. Linien deuten eine Rayleigh-Fraktionierung an. Eine Fraktionierung in derselben Rich- tung wurde auch in Laborexperimenten beobachtet[445]. Theoretische Berechnungen der Fe-Isotopenfraktionierung auf der Grundlage spektroskopischer Daten zeigen, daß Fe3+- 56 haltige Halogen- oder H2O-Komplexe tatsächlich das schwerere Isotop Fe gegenüber dem 54Fe im Gleichgewicht mit Fe2+-haltigen Komplexen anreichern sollten[446],[447]. Des weite- – ren wird vorausgesagt, daß starke Liganden (insbesondere CN , aber auch H2O) die schwe- ren Fe-Isotope konzentrieren sollten, wenn sie in Konkurrenz mit schwachen Liganden (Cl–, Br–) stehen. Das Gebiet der stabilen Isotope schwerer Elemente hat sich mit der Entwicklung der Mul- tikollektor-ICP–MS-Geräte zu einem sehr aktiven Forschungsbereich entwickelt[448]. Zwei- fellos sind weitere theoretische Arbeiten erforderlich, um die Mechanismen der Fraktionie- rung zu verstehen. Schon jetzt finden diese Isotope aber Anwendungen als Tracer für die Aufklärung von geochemischen Prozessen, und sie scheinen darin wichtige ergänzende Informationen zu anderen Isotopensystemen zu liefern.

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289 Literaturzitate

290 Isotopengeochemie Index

Seite Seite Symbols clumped isotopes ...... 232 ε-Wert, Definition ...... 59, 223 CNO-Zyklus ...... 11 δ-Wert, Definition ...... 223 common lead ...... 125 Cr, Isotopenanomalien ...... 206 A Craig, Harmon ...... 222 Abkühlalter ...... 38 crossover...... 237 Acasta-Gneise ...... 206 crustal residence age ...... 65 Achondrite ...... 51, 59, 87, 184 Curie, Marie ...... 5 Actiniden...... 109 Curie, Pierre ...... 5 AFC-Modell ...... 246, 247, 248 AGB-Sterne ...... 14 D Aktivierungsenergie...... 35 Datierungsmethoden, Übersicht ...... 8 Aktivitäten, von Radionukliden ...... 147 Dekarbonatisierung, C- + O-Isotope ...... 256 alpha-Spektrometrie ...... 148 Dempster, Arthur Jeffrey ...... 24 Alpha-Strahlung ...... 5 Dendrochronologie ...... 168 Alpha-Zerfall ...... 3 Denudation...... 176 Alpher, Ralph ...... 11 depleted MORB mantle...... 133 Analysator ...... 24 Diffusion ...... 35 Ar-Ar-System ...... 39–43 Diffusionskoeffizient ...... 35 Aston, Francis W...... 24 Diskordia...... 114–121 asymptotischer Riesenast, Sterne ...... 14 DMM ...... 133 Atkinson, Robert d’Escourt ...... 10 dunkle Energie ...... 9 ausgestorbene Radionuklide ...... 199–212 dunkle Materie ...... 9 Ausheilen, von Spaltspuren ...... 142 Dupal-Anomalie ...... 133 B E BABI ...... 52 Edelgase ...... 186–198 Baddeleyit ...... 123 Eisen-Isotope...... 269–274 Barberton Grünstein-Gürtel ...... 206 Elektromagnet...... 24 Bateman-Gleichungen...... 153, 156 Elektronenstrahlmikrosonde, Th–U–Pb-Datierung ...... 123 Be10 ...... 171–180 Elemente, Ursprung...... 9–23 Becquerel, Henri ...... 4 EM1 ...... 133 Bestrahlungsalter, von Meteoriten ...... 180 EM2 ...... 133 Beta-Strahlung ...... 5 epsilon-Wert, Definition...... 59, 223 Beta-Zerfall ...... 3 equiline ...... 162 Bethe, Hans Albrecht...... 12 equipoint ...... 162 Bethe–Weizsäcker-Zyklus ...... 11 Erde, Kern–Mantel-Differenzierung ...... 204 Big Bang ...... 9 errorchron...... 45 Boltwood, Bertram Borden ...... 7 eruptierte Mantelisochronen ...... 74 bulk-earth ...... 59 Eukrite...... 86, 88, 202, 203 Bushveld ...... 96 Kern–Mantel-Differenzierung...... 204 exponential law, Massenfraktionierung ...... 81 C C14-Methode ...... 168–171 F C3-Pflanzen...... 215 Faradaybecher...... 24, 25 C4-Pflanzen...... 215 Filament ...... 25 CAI ...... 203 Fission-Track-Methode ...... 139–145 Calcium...... 267–268 Flugzeitspektrometer...... 27 CAM-Pflanzen ...... 216 Fluidinfiltration bei Metamorphose ...... 256 Chandrasekhar, Subrahmanyan...... 14 Flußmonitor ...... 39 Chandrasekhar-Grenze ...... 14, 23 focal zone ...... 135 Chondrite . . . . . 51, 59, 64, 87, 98, 103, 105, 183, 184, 201 FOZO ...... 135 Chrom-Isotope ...... 269–273 Fraktionierung...... 3 Chur ...... 59 Fraktionierungsfaktor...... 218

A Index Isotopengeochemie

Seite Seite G Kollektor...... 24 Gammastrahlenblitz ...... 17 Konkordia...... 114–121 Gamma-Strahlung ...... 5 kosmische Hintergrundstrahlung ...... 10 Gamow, George...... 11 kosmische Strahlung, Energieverteilung ...... 167 Geochrone ...... 127 kosmogene Radionuklide ...... 167–185 Gleichgewichtsisotopieeffekte...... 216 KREEP-Basalte ...... 205 Gorgona Island...... 105 Kreide/Tertiär-Grenze ...... 107, 206 Kupfer-Isotope ...... 269–273 H Halbwertszeit ...... 6 L He3/He4...... 186–195 La-Ce-System ...... 95–96 Helium-Blitz ...... 14 Laserablation ...... 123 Herman, Robert ...... 11 late veneer-Hypothese ...... 106 Hertzsprung, Ejnar ...... 12 Libby, Willard Frank ...... 168 Hertzsprung–Russell-Diagramm ...... 11 Lu/Hf in der Natur ...... 85 Hf-Gehalte in der Natur ...... 85 Lu/Hf in ozeanischen Sedimenten...... 93 Hf-Sr-Nd-Isotopenkorrelation ...... 91 Lu-Gehalte in der Natur ...... 85 Hf-W-Chronometer...... 200–205 Lu-Hf-System ...... 85–94 HIMU ...... 133 M Hochtemperaturalteration, O-Isotope ...... 250 magnetisches Sektorfeld ...... 25, 26 Holmes, Arthur ...... 125 mantle array ...... 63 Holmes-Houtermans-Modell ...... 125 Mars Houtermans, Friedrich Georg ...... 10, 125 Kern–Mantel-Differenzierung ...... 204 HR-Diagramm siehe Hertzsprung–Russel-Diagramm Meteorite ...... 212 Hypernova ...... 17 massenabhängige Fraktionierung, stabile Isotope . . .214, 226 Massenfraktionierung ...... 77–84 I–J Massenspektrometer...... 24–29 ICP-MS ...... 28 Massenspektrometrie ...... 24–29 initiales Isotopenverhältnis ...... 44 Massenzahl...... 3 Initialwert ...... 45 mean standard weighted deviation, MSWD ...... 47 Ionenquelle ...... 25 Meerwasser, Os-Isotopenentwicklung...... 107 Ionensonde, Funktionsprinzip ...... 122 Meerwasser, Sr-Isotopenentwicklung ...... 53 Ionium-Überschußmethode ...... 151–154 Merrill, Paul W...... 18 Isobare, Definition ...... 3 meteoric water line...... 228 Isochrone ...... 45 Mischungen ...... 69–76 Isochronengleichung ...... 45 mittlere Lebensdauer ...... 6 Isotop, Definition ...... 3 Modellalter...... 64–68 Isotopenaustausch Monazit geschlossenes System ...... 242 Th–U–Pb-Alterszonierung ...... 124 offenes System ...... 242 Th–U–Pb-Mikrosondendatierung ...... 123 Isotopenentwicklungsdiagramm ...... 49 MORB ...... 59, 90, 134 Isotopenthermometer...... 234, 263 MSWD, mean standard weighted deviation ...... 47 Isotopenverdünnungsanalyse ...... 29–31 Multikollektor ...... 26 Isotopieeffekte ...... 215 Mutternuklid ...... 3 Isotopolog ...... 232 Myonen ...... 167 Isua Supracrustals ...... 206 N K Nd in Gesteinen ...... 57 K-Ar-System ...... 33–43 Nd-Sr-Hf-Isotopenkorrelation ...... 91 K-Ca-System...... 97–98 Nicolaysen-Diagramm ...... 45 K-Einfang ...... 3 Nier, Alfred Otto...... 24, 125 Kelvin, Lord ...... 6 Nova ...... 23 kinetische Isotopieeffekte ...... 215 Nukleosynthese ...... 9 Kohlenstoff ...... 252–257 Nuklid, Definition ...... 3

B Isotopengeochemie Index

Seite Seite Nuklidkarte ...... 4 Schließungstemperatur ...... 35, 36, 143 schnelle Neutronen ...... 39 O Schwarzes Loch...... 17 OIB ...... 90, 93, 133, 134 Schwarzschild, Karl ...... 17 Ordnungszahl ...... 3 Schwarzschild-Radius ...... 17 Os, Gehalte in Gesteinen...... 101 Schwefel ...... 260–266 Ötzi...... 227 Schwefelisotope, Meerwasser ...... 263 Ozeaninselbasalte, Hf-Isotope ...... 94 Schwefelisotopie, marine Sulfate und Sulfide ...... 266 P–Q sekundäre Pb-Isochrone ...... 136 Paläotemperaturbestimmung ...... 230 Seltene Erden ...... 55 Pallasite ...... 271 SHRIMP...... 123 Parabelspektrograph ...... 24 Sm in Gesteinen ...... 57 Patterson, Clair C...... 127 Sm/Nd in Gesteinen ...... 57 Pb, Gehalte in Natur ...... 110 Sm/Nd in ozeanischen Sedimenten ...... 93 Pb210-Überschußmethode ...... 150–151 Sm-Nd-System ...... 55–68 Pb-Paradox ...... 130, 134 Soddy, Frederick ...... 5 PDB...... 222 space–charge effect...... 83 PGE, Platingruppenelemente ...... 106 Spallationsreaktionen ...... 167 Photodisintegration...... 15, 19 Spaltspurenmethode ...... 139–146 Pikes Peak-Komplex...... 97 Spike ...... 29 Planetarische Nebel...... 14 Spontanspaltung...... 139 Plateaualter ...... 41, 122 s-Prozeß, Nukleosynthese ...... 18 Potenzfunktion, Fraktionierungskorrektur ...... 80 Sr, Gehalte in Gesteinen ...... 44 power law, Massenfraktionierung ...... 80 Sr-Nd-Hf-Isotopenkorrelation ...... 91 p-Prozeß, Nukleosynthese ...... 19, 20 Stabile Isotope, Allgemeines ...... 214–224 PREMA ...... 133 Stacey-Kramers-Modell ...... 130 prevalent mantle ...... 133 Stickstoff ...... 258–259 Proton–Proton-Zyklus ...... 11 stufenweises Ausheizen ...... 41 Pulsare ...... 17 Suess, Hans Eduard ...... 170 Quadrupolmassenspektrometer...... 27 Supernova Typ Ia ...... 22, 23 R Typ Ib ...... 23 Rayleighsches Destillationsgesetz...... 227 Typ Ic ...... 23 Rb, Gehalte in Gesteinen ...... 44 Typ II...... 15, 16, 22 Rb-Sr-System...... 44–54 T Re, Gehalte in Gesteinen ...... 101 T Tauri-Sterne ...... 10, 22, 199 reduzierte Masse ...... 217 Th, Gehalte in Natur ...... 110 REE ...... 55 Th, im Meerwasser ...... 151 Reinelemente ...... 3 Th230/U234-Methode ...... 156–160 Re-Os-System ...... 99–108 Thermionenmassenspektrometer...... 25 Riesenstern ...... 13 Thermionenquelle ...... 25 Roter Riese ...... 13 Thermochronologie...... 9, 144 r-Prozeß, Nukleosynthese ...... 17, 18 Thomson, Joseph John ...... 24 Rückstoß ...... 139 Thomson, William ...... 6 Rückstoßoxidation...... 155 Thorianit ...... 123 Russell, Henry Norris ...... 12 Tieftemperaturalteration, O-Isotope ...... 250 Rutherford, Ernest ...... 5 TIMS ...... 25 S Tochternuklid ...... 3 säkulares Gleichgewicht ...... 111, 147 Tracer ...... 4, 45 Sauerstoff Trennrohr ...... 24 Hydro- und Atmosphäre ...... 226–231 Lithosphäre ...... 234–251 U–V Sauerstoffisotope...... 225–251 U, Gehalte in Natur ...... 110

C Index Isotopengeochemie

Seite Seite U,Th-Pb-Methoden...... 109–138 U234/U238-Methode ...... 156–160 U234-Überschußmethode ...... 154–156 U238/Th230-Ungleichgewichte, in Vulkaniten . . . . .161–166 Überriesen ...... 14 Ungleichgewichtsmethoden ...... 147–166 Uran, im Meerwasser ...... 151 Urblei ...... 126 Urey, Harold C...... 223, 230 Urknall ...... 9 Verteilungsfunktion...... 218 von Weizsäcker, Carl Friedrich ...... 12 VPDB ...... 223 VSMOW ...... 222 W–Z Wärmefluß ...... 194 Wärmeproduktion ...... 194 Wasserstoff Hydro- und Atmosphäre ...... 226–231 Lithosphäre...... 234–251 Wasserstoffisotope ...... 225–251 Weiße Zwerge ...... 14, 23 Wetherill, George W...... 114 Xenon ...... 195–198 Xenotim ...... 123 Zerfallsgesetz ...... 5 Zerfallskonstante...... 5 Zink-Isotope ...... 269–270 Zirkone, älteste archaische ...... 91 Zweikomponentenmischungen ...... 69–76 Zweistufenentwicklung, Pb-Isotope ...... 114

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