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BRUSEUM/Neue Galerie Graz Deutsch

Der ferne Klang Günter Brus und die Musik 21.02. – 28.06.2020

BRUSEUM/Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum Joanneumsviertel, 8010 Graz T +43–316/8017-9100, Dienstag–Sonntag, 10–17 Uhr [email protected], www.bruseum.at Dieser Text erscheint anlässlich der Ausstellung Die Ausstellung zeigt Arbeiten von Günter

Der ferne Klang Brus (* 1938) aus den 1960er-Jahren bis Günter Brus und die Musik heute, die seine enge Beziehung zur Musik

BRUSEUM/Neue Galerie Graz verdeutlichen. Seit seinen Jugendjahren Universalmuseum Joanneum 21.02.–28.06.2020 hört Brus leidenschaftlich Musik, interes- siert sich für Musiktheorie und studiert Leben und Werk von Komponistinnen und Komponisten. Schon in seiner Aktionskunst arbeitet er mit Skizzen, die teilweise Parti- turen ähneln. Seine Zeichnungen und Texte schließlich sind gesäumt von musikalischen Verweisen. Er gibt ihnen Titel wie Gesang ohne Stimme und Einfacher Nachtdreiklang. Sie beinhalten Sätze, die wie Sinnsprüche anmuten, etwa: „Musik ist, wenn der Atem Kurator Roman Grabner denkt“ oder „Kaum singen wir, werden wir Text Antonia Veitschegger vernommen“. In seinen Bildern finden sich Lektorat Komponisten-Porträts und Entwürfe für Jörg Eipper-Kaiser Opern-Bühnenbilder genauso wie fanta- Grafische Konzeption und Gestaltung sievolle Instrumente. Linien, Farben und Lichtwitz – Büro für visuelle Kommunikation Formen spiegeln sein persönliches Erleben Layout von Musik wider. Karin Buol-Wischenau Der ferne Klang tigt und geben Anstoß für neue Komponistinnen und Lesarten des jeweils anderen. Komponisten Der Ausstellungstitel Der ferne Die Oper Die Gezeichneten von Auch hier wollen Brus’ Zeichnun- Klang verweist auf die gleichna- Franz Schreker beeindruckt Brus gen nicht die Handlung von Immer wieder zollt Brus in seinen mige Oper des österreichischen nachhaltig. Das Stück spielt in Schreke­rs Oper illustrieren, son- Arbeiten Komponistinnen und Komponisten Franz Schreker Genua und handelt vom hässli- dern verweisen eher assoziativ Komponisten Tribut, etwa in (1878–1934). In den 1920er-Jah- chen Edelmann Alviano und seiner auf deren Erzählung. Porträt­s (von Mozart, Berlioz, ren genießt Schreker hohes Anse- unglücklichen Liebe zur Malerin 1979 entwirft Brus ein fiktives Offenbach, Schreker u. v. a.) und hen, während der Zeit des Carlotta. Wichtiger Schauplatz Bühnenbild für Die Gezeichneten. Widmungen („dem Nymphoniker National­sozialismus gilt seine der Oper ist eine idyllische Insel, In diesem Jahr zeigt die Oper Philip Glass“ oder auch Vivaldi, Musik aber als „entartet“ und die eigentlich Alviano gehört, auf Frankfurt gerade eine Neuinsze- Schubert, Ravel u. v. a.). Ein Por­ gerät schließlich mehr und mehr der aber dessen Freunde sexuelle nierung des Stücks, von der sich trät Alban Bergs in Wasserfarben in Vergessenheit. Als der 18-jäh- Orgien mit entführten Bürgers- Brus allerdings enttäuscht zeigt. ist „einem Violinkonzert und einer rige Brus 1956 Der ferne Klang im töchtern veranstalten und die In seinen Entwürfen ersetzt er Variation über einen Volkston“ Radio hört, ist er begeistert: jungen Frauen anschließend den klassischen Vorhang mit zwei gewidmet. Unter dem Titel „Etwas Unfaßbares rückte meine töten. Als Carlotta dem Treiben großen Fächern, die ein häufiges Gemeinsam fremd sein setzt Brus Empfindung vom angestammten der Insel verfällt, tötet Alviano Motiv in seinen musikbezogenen außerdem eine Fotografie grafisch Platz. Es war etwas passiert, was seinen Nebenbuhler und verliert Zeichnungen sind. Zu seinen Skiz- um, die und Anton mit dem Wort VERZAUBERUNG schließlich den Verstand. In den zen notiert er: „Das Bühnenbild Webern zeigt. Zu Beginn des 20. landläufig ausgedrückt wird“, 1970er-Jahren beginnt Brus die entstehe durch Vertiefung in das Jahrhunderts arbeiten die beiden beschreibt er das Erlebnis Jahr- Arbeit an seinem Zyklus Die Werk – und durch eine sich daraus Komponisten mit musikalischen zehnte später. Das Schwelgeri- Gezeichneten, der schlussendlich entfesselnde Imagination. Elementen (wie etwa Atonalität sche und Ausufernde in Schrekers 64 Blätter umfasst. Die Musik Zunächst das ‚Werk an sich‘, dann und Zwölftontechnik), die vielen Musik berührt ihn. Der ferne Klang wird von Brus zeichnerisch nach- die Imagination – und ganz in der österreichischen Musikwelt sei für ihn, formuliert Brus später, empfunden, das der Oper zuletzt die NEUESTEN MITTEL, fremd erscheinen. Zum Teil setzt ein Symbol „für die Sehnsucht übernimmt er Wort für Wort. Die welche die Bühnentechnik zur sich Brus intensiv mit einzelnen jedes Schaffenden, einem Gezeichneten ist ein Paradebei- Verfügung stellt.“ Persönlichkeiten und ihrem Schaf- Einzigen­ zuzustreben: DEM spiel für Brus’ sogenannte Bild- fen auseinander, wie etwa in der EIGENEN KLANG. Und der ist, Dichtungen, in denen Wort und Serie der Rihm-Widmungen oder wenn man schafft, immer fern.“ Bild eine besondere Einheit bil- dem Aquarellzyklus Vampyroteo- den: Weder sind die Worte nikum, einer Hommage an Olga Beschreibungen der Bilder, noch Neuwirth. In Claude Debussy. die Bilder Illustrationen der Virtuosen (1980) gibt Brus einen Worte. Die beiden Elemente der Text von Debussy im originalen Bild-Dichtung sind gleichberech- Wortlaut wieder, in dem sich diese­r unter anderem über die Musik – Körper Selten gehörte Musik improvisierten „Geräuschmusik“ Musikwelt mokiert. Nicht nur auf findet schließlich 1974 im Münch- einzelne Persönlichkeiten, son- Mitte der 1960er-Jahre erklärt Brus’ musikalische Ader zeigt sich ner Lenbachhaus statt. Zusam- dern auch auf deren Werke nimmt Brus seinen Körper zum Medium nicht allein in seinen Zeichnungen men mit Oswald Wiener, Gerhard Brus immer wieder Bezug: So seiner Kunst. Seine Aktionen sto- und Texten. In der Ausstellung Rühm, Dieter Roth und Hermann greift er etwa Lieder Gustav ßen zuweilen an die Grenzen des sehen Sie Fotos, die Brus bei Nitsch probiert sich Brus an , Mahler­s auf, wenn er in Des körperlich und psychisch Erträgli- öffentlichen Auftritten an ver- Geige, Klavier, elektrischer Orgel, Knaben­ Wunderhorn die chen. Auch danach spielt der schiedenen Instrumenten zeigen. Flöte, Xylophon, Becken, Triangel ursprüng­lichen Texte mit seinen menschliche Körper in seinen Gemeinsam mit Künstlerfreunden und unterschiedlichen Blasinstru- eigenen ergänzt und mit mär­ Zeichnungen eine zentrale Rolle. veranstaltet er in den 1970er- menten aus. Noch im selben Jahr chenhaften­­ Farbstiftzeichnungen Körper können bei Brus auf viel- Jahren mehrere Konzerte unter folgen weitere Konzerte in vereint. fältige Weise zum Instrument dem Titel Selten gehörte Musik. Deutschland, eines davon in der werden: So werden in seinen Die Idee zu dieser Konzertreihe Kirche zum Heiligen Kreuz in Zeichnungen die Saiten eines entspringt freundschaftlichen Berli­n-Kreuzberg. In der Konzert­ Instruments zu Sehstrahlen oder Zusammenkünften in Berlin, wo broschüre spricht Brus von es ist die Rede von Selbstabhö- Brus zu dieser Zeit lebt. Oswald „Selbstmusik“. Deren Eigenart rung (1983) sowie vom Radikalen Wiener, Gerhard Rühm, Dieter begreife nur jemand, der „seinen Versuch, selbst ein Glockenklang Roth und andere finden sich innersten Stimmen feinnervigst ohne Schwingung sein zu können damals zu „Berliner Künstlerwork- gelauscht“ habe. Man spiele „auf (1990). shops“ zusammen: In Nächten allen herkömmlichen, aber auch voll Experimentierfreude und auf allen sonst erdenklichen Alkohol lässt man der gemeinsa- Instrumenten“.­ men Schaffenskraft freien Lauf – dichterisch, zeichnerisch, später auch musikalisch. Die meisten der Künstlerfreunde (mit Ausnahme etwa von Oswald Wiener und Gerhar­d Rühm) sind musikalisch wenig ausgebildet und folgen spontan ihren Impulsen an den Instrumenten. Es war ein Musizie- ren, „wie man so vor sich hin krit- zelt“, erinnert sich Gerhard Rühm später. Die erste öffentliche Auf- führung der gemeinschaftlich Entwürfe für die Bühne Peter Ablinger: WEISS / WEISSLICH 36 Seit den 1980er-Jahren arbeitet Brus immer wieder an Entwürfen für Zusätzlich zu Brus’ Schaffen wird Kostüme und Bühnenbilder. 1994 in der Ausstellung WEISS / ist er in Dresden für die Kostüm­ WEISSLICH 36 des österrei­ chi­ ­ gestaltung der Oper Das schlaue schen Komponisten Peter Ablinger Füchslein des tschechischen Kom- (* 1959) präsentiert. Auch für ponisten Leoš Janáček verantwort- Ablinger, der in den 1970er-­ lich. Die Handlung entführt in eine Jahren eine Zeit lang ein Grafik- Fabelwelt, die auf einer Novelle studium betreibt, stehen Zeich- Rudolf Těsnohlídeks basiert: Die nung und Klang in engem Bezug Füchsin, die sich von klein auf in zueinander. In seinen Arbeiten Gefangenschaft des Försters befin- hinterfragt er Traditionen der det, flieht eines Tages in den Wald, musikalischen Aufführungspraxis,­ wo sie den Dachs aus seiner Höhle der Notation, des Werkbegriffs vertreibt und seine Behausung und des Umgangs mit Instrumen- übernimmt. Sie lernt den Fuchs ten. Die Lösung von gewissen kennen, mit dem sie eine Familie Normen mündet schlussendlich in gründet. Ihr Glück findet allerdings eine Wahrnehmung unter neuen ein abruptes Ende, als die Füchsin Vorzeichen. Die Kopfhörer in der vom wütenden Landstreicher Ausstellung leiten unsere Auf- erschossen wird. Brus’ Kostüme merksamkeit auf die Klänge, die betonen charakteristische Eigen- sich gerade um uns herum schaften der Figuren: Die Füchsin ereignen.­ wird durch ein körperbetontes Kos- tüm und eine neckische Augen- maske als erotische und listige Figur vorgestellt. Der Förster trägt als Zeichen seiner Verbundenheit mit dem Wald eine große Haselnuss Die Ausstellung wird von einem auf dem Kopf sowie einen mit Blät- umfangreichen Rahmenprogramm tern besetzten Mantel. Der Fuchs ergänzt. Für weitere tritt dagegen als modisch gekleide- Informationen siehe: ter Herr von Welt auf. www.bruseum.at