Freizügigkeitsgesetz
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Protokoll-Nr. 19/101 19. Wahlperiode Ausschuss für Inneres und Heimat Wortprotokoll der 101. Sitzung Ausschuss für Inneres und Heimat Berlin, den 5. Oktober 2020, 13:00 Uhr 11011 Berlin, Platz der Republik Reichstagsgebäude, Raum 2 M 001 (Großer Protokollsaal) Vorsitz: Andrea Lindholz, MdB Tagesordnung - Öffentliche Anhörung Gesetzentwurf der Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Inneres und Heimat Entwurf eines Gesetzes zur aktuellen Anpassung Mitberatend: des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vor- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz schriften an das Unionsrecht Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- BT-Drucksache 19/21750 schätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Berichterstatter/in: Abg. Michael Kuffer [CDU/CSU] Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD] Abg. Dr. Christian Wirth [AfD] Abg. Konstantin Kuhle [FDP] Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE.] Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] 19. Wahlperiode Seite 1 von 78 Ausschuss für Inneres und Heimat Inhaltsverzeichnis Seite I. Teilnehmerliste 3 II. Sachverständigenliste 4 III. Wortprotokoll der Öffentlichen Anhörung 5 IV. Anlagen Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. Gabriele Margarete Buchholtz, Bucerius Law School, Hamburg 19(4)585 A 26 Natalia Bugaj-Wolfram, Der Paritätische Gesamtverband, Berlin 19(4)585 B 37 Swenja Gerhard, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V., Frankfurt/Main 19(4)585 C 50 Bianca Schulze-Rautenberg, KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V., Berlin 19(4)585 D 56 Prof. Dr. Daniel Thym, LL.M. (London), Universität Konstanz 19(4)585 E 61 Prof. Dr. Winfried Kluth, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 19(4)585 F 75 19. Wahlperiode Protokoll der 101. Sitzung Seite 2 von 78 vom 5. Oktober 2020 Ausschuss für Inneres und Heimat Mitglieder des Ausschusses Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Lindholz, Andrea Pantel, Sylvia Müller, Axel Seif, Detlef Throm, Alexander SPD Castellucci, Dr. Lars Lehmann, Sylvia AfD Wirth, Dr. Christian FDP Bubendorfer-Licht, Sandra DIE LINKE. Jelpke, Ulla BÜNDNIS 90/DIE Polat, Filiz GRÜNEN fraktionslos 19. Wahlperiode Protokoll der 101. Sitzung Seite 3 von 78 vom 5. Oktober 2020 Ausschuss für Inneres und Heimat Liste der Sachverständigen Öffentliche Anhörung am Montag, 5. Oktober 2020, 13.00 Uhr „Freizügigkeitsgesetz“ Dr. Gabriele Margarete Buchholtz Bucerius Law School, Hamburg Natalia Bugaj-Wolfram Der Paritätische Gesamtverband, Berlin Swenja Gerhard Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V., Frankfurt/Main Prof. Dr. Winfried Kluth Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle Bianca Schulze-Rautenberg KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e. V., Berlin Prof. Dr. Daniel Thym, LL.M. (London) Universität Konstanz 19. Wahlperiode Protokoll der 101. Sitzung Seite 4 von 78 vom 5. Oktober 2020 Ausschuss für Inneres und Heimat Einziger Tagesordnungspunkt situativ entscheiden, wie viele Fragen noch mög- lich sind. Wenn ich jetzt in alphabetischer Reihen- Gesetzentwurf der Bundesregierung folge vorgehe, dann würden wir mit dem Eingangs- Entwurf eines Gesetzes zur aktuellen Anpassung statement von Frau Dr. Buchholtz beginnen, bitte des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vor- schön. schriften an das Unionsrecht SV Dr. Gabriele Margarete Buchholtz (Bucerius BT-Drucksache 19/21750 Law School): Ja, vielen Dank. Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren, vie- Vors. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Dann darf ich len Dank zunächst dafür, hier als Sachverständige unsere heutige zweite Anhörung eröffnen, es ist teilnehmen zu dürfen. Wie folgt möchte ich mich unsere 101. Sitzung in dieser Legislaturperiode. Ich auf zentrale kritische Aspekte des Gesetzentwurfes darf Sie alle ganz herzlich begrüßen und freue beschränken und verweise im Übrigen auf meine mich, dass es auch wieder ausreichend Sachver- schriftlichen Ausführungen. ständige zu allen Punkten gibt, die heute gekom- men sind. Wir haben heute vier Sachverständige, Zunächst zum Nachzug sonstiger Familienangehö- die uns per Video zugeschaltet sind. Das sind ein- riger: Artikel 3 Absatz 2 der Freizügigkeitsrichtlinie mal Frau Dr. Buchholtz, dann Frau Gerhard, Herr schreibt bekanntlich ein gegenüber Anträgen ande- Professor Kluth – häufiger Gast in unseren Anhö- rer Drittstaatsangehöriger erleichtertes Antragsver- rungen – und ebenso Herr Professor Thym. Hier bei fahren für die Einreise und den Aufenthalt sonsti- uns im Raum sind Frau Schulze-Rautenberg und ger Familienangehöriger vor. In Deutschland fehlte Frau Bugaj-Wolfram anwesend. es – unionsrechtswidrig – an einem solchen Ver- fahren. Um jetzt diesem unionsrechtlichen Erleich- Wir beraten heute den Entwurf eines Gesetzes zur terungsgebot zu entsprechen, hat die Bundesregie- aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes auf rung mit § 3a des Freizügigkeitsgesetzes/EU-Ent- der Bundestagsdrucksache 19/21750 und den Än- wurf Abhilfe geschaffen. Die Vorschrift erstreckt derungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf der den Anwendungsbereich auf drei Gruppen. Das Ausschussdrucksache 19(4)582. Ich darf ganz sind einmal sonstige Verwandte im Sinne von herzlich auch für die Bundesregierung Herrn PSt § 1589 BGB der freizügigkeitsberechtigten Personen Stephan Mayer begrüßen. Diese ganze Anhörung und Verwandte des freizügigkeitsberechtigten Ehe- wird wie üblich im Parlamentsfernsehen übertra- gatten oder Lebenspartners, sodann sind es ledige gen. Es wird ein Wortprotokoll angefertigt, das Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet auch entsprechend verteilt wird und die Anhörung haben und unter Vormundschaft oder in einem wird auch wie üblich digital aufgezeichnet. Wir Pflegekind-Verhältnis zur freizügigkeitsberechtig- haben hier ein Zeitfenster heute von zwei Stunden ten Person stehen und drittens sind es Lebensge- – das heißt bis 15:00 Uhr – vorgesehen. Wir verfah- fährtinnen und Lebensgefährten, mit der oder dem ren wieder wie folgt: Ich darf die Sachverständigen die freizügigkeitsberechtigte Person eine ordnungs- gleich bitten, in alphabetischer Reihenfolge ein gemäß bescheinigte, auf Dauer angelegte Gemein- fünfminütiges Eingangsstatement zu geben. Damit schaft eingegangen ist. Absatz 1 Nr. 1 – 3 dieses den Kolleginnen und Kollegen auch noch ausrei- § 3a benennt dann die Voraussetzungen, unter chend Zeit für Fragen bleibt, wäre ich dankbar, denen der nahestehenden Personen ein Aufent- wenn wir den Rahmen für das Eingangsstatement haltsrecht erteilt werden kann. Das sind Kriterien, einigermaßen einhalten könnten. Danach haben wir die ein besonderes Nähe- und Abhängigkeitsver- eine Fraktionsrunde, das heißt, die Fraktionen hältnis umschreiben. So muss etwa die Unionsbür- haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Der Fra- gerin/der Unionsbürger einem Verwandten im gemodus erfolgt wie folgt: Die Kollegen haben die Sinne von § 1589 seit mindestens zwei Jahren nicht Möglichkeit, entweder zwei Fragen an einen Sach- nur vorübergehend Unterhalt gewährt haben oder verständigen zu stellen, eine gleiche Frage an zwei – dieses „oder“ ist übrigens nicht ganz klar im Ge- Sachverständige oder an zwei Sachverständige je- setzentwurf zum Ausdruck gebracht worden. Ich weils eine unterschiedliche Frage. Wenn es dazu empfehle also, das hier zu ergänzen – also „oder“ keine Fragen gibt, gut. Wenn wir dann noch zu ei- mit ihr seit mindestens zwei Jahren in häuslicher ner zweiten Fragerunde kommen, dann werden wir Gemeinschaft gelebt hat. In dritter Variante muss 19. Wahlperiode Protokoll der 101. Sitzung Seite 5 von 78 vom 5. Oktober 2020 Ausschuss für Inneres und Heimat eine persönliche Pflege durch die Unionsbürge- den Einleitungssatz aufzunehmen, also: „Eine na- rin/den Unionsbürger zwingend erforderlich sein. hestehende Person eines Unionsbürgers“, so dann Weiterhin wird bei Pflegekindern ein längeres Zu- der Wortlaut: „… die selbst nicht als Unionsbürger sammenleben in familiärer Gemeinschaft und eine und nicht nach §§ 3, 4 freizügigkeitsberechtigt ist, Abhängigkeit verlangt und bei der Gruppe der Le- soll das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt im bensgefährtinnen/Lebensgefährten wird ein nicht Bundesgebiet verliehen werden.“ nur vorübergehendes Zusammenleben im Bundes- Der nächste Kritikpunkt, zu dem ich komme, ist gebiet vorausgesetzt. Und zudem – das ergibt sich der Ausschluss von Sozialleistungen, der sich aus aus dem Verweis des § 11 Absatz 5 des Entwurfs – § 11 Absatz 14 Satz 2 des Freizügigkeitsgeset- müssen die Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 und zes/EU-Entwurf ergibt. Diese Regelung hätte zur 2 des Aufenthaltsgesetzes erfüllt sein, insbesondere Folge, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger muss demnach der Lebensunterhalt gesichert sein. von Sozialleistungen ausgeschlossen sind, obwohl Ganz interessant ist hier – anders als bei freizügig- sie einen objektiven Aufenthaltsgrund nach dem keitsberechtigten Familienangehörigen sonst –, Aufenthaltsgesetz haben. Das Ergebnis stünde, das dass die Rechtsposition der nahestehenden Person ist problematisch daran, im Widerspruch zur bishe- erst aus der Zulassungsentscheidung erwächst, d.h. rigen Sozialgerichtsjudikatur, insbesondere des hier im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsge- Bundessozialgerichts, die ein fiktives Aufenthalts- setzes/EU werden mit dem § 3aerstmals nicht nur recht ausreichen lässt. Die Bundesregierung führt deklaratorische Aufenthaltsdokumente, sondern aus, sie fürchte Rechtsunsicherheiten. Dieses Argu-