Das Letzte Geheimnis Gunter Sachs War Playboy, Autor Und Fotograf Und Verwaltete Ein Unübersichtliches Vermögen
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Gesellschaft LEGENDEN Das letzte Geheimnis Gunter Sachs war Playboy, Autor und Fotograf und verwaltete ein unübersichtliches Vermögen. Warum aber ertrug er auf einmal sich und sein Leben nicht mehr? Erstmals spricht seine Familie darüber. Von Christoph Scheuring ie Geschichte ist etwas mehr als Es brauchte zehn Jahre, vier weitere wollen. Auch jetzt, da seine Frau Mirja zehn Jahre her. Geplant war da - Begegnungen mit Gunter Sachs und un - und seine drei Söhne zum ersten Mal von Dmals ein Interview mit Gunter gefähr ein Dutzend Treffen mit den Men - ihrem Leben mit ihm erzählen: kein an - Sachs, einem der schillerndsten Männer schen aus seinem Umfeld, um zu verste - klagendes Wort. Keine verletzten Gefüh - der deutschen Nachkriegsgeschichte: Ex- hen: Das Einzige, was an diesem Tag le*. Es ist, als habe es in seinem Umfeld Ehemann von Brigitte Bardot, Erbe des nicht inszeniert war, war der Gin Tonic. nur Menschen gegeben, die bereit waren, Industrie-Imperiums Fichtel & Sachs, er - Es hatte nie ein Paket gegeben, das unbe - alles für ihn zu tun. folgreicher Fotograf und Bestsellerautor, dingt nach Gstaad transportiert werden Trotzdem setzte sich Gunter Sachs an profilierter Kunstsammler und prämierter musste. Stattdessen hatte der Pilot den jenem 6. Mai 2011 an seinen Computer Dokumentarfilmer, Deutschlands einzi - Auftrag gehabt, für einen unvergesslichen und schrieb: „… Ich habe durch die Lek - ger Playboy von Rang. Es war die Woche, Flug zu sorgen. Auch die blonden Wesen türe einschlägiger Publikationen erkannt, in der er 70 Jahre alt wurde. gehörten nicht zum ständigen Inventar. an der ausweglosen Krankheit A. zu er - „Sie können natürlich gern das Auto Selbst die Fürstin hatte Gunter Sachs ex - kranken … Der Verlust der geistigen Kon - benutzen“, sagte er damals am Telefon, tra einfliegen lassen – als Garantin für trolle über mein Leben wäre ein würde - „aber ich brauche zufällig ein Paket mit eine gehobene Konversation. Wenn es loser Zustand, dem ich mich entschlossen dringenden Unterlagen hier in Gstaad. um sein Bild in der Öffentlichkeit ging, habe, entschieden entgegenzutreten.“ Im Postflieger wäre auch noch Platz für überließ Gunter Sachs nichts dem Zufall. Einen Arzt hatte er zu diesem Thema Sie. Wenn Sie mögen.“ Das lag möglicherweise daran, dass er nicht konsultiert. Auch die Familie hatte Die Maschine wartete auf dem Flugha - nie in der Lage gewesen war, mit den Zu - nichts von einer beginnenden Alzheimer- fen Zürich-Kloten. Es war eine alte Piper, mutungen des Medienbetriebs Frieden zu Erkrankung bemerkt. Er war nie ohne und der Pilot flog durch die Alpen, als schließen. Er gab ein Vermögen aus für Orientierung herumgeirrt. hätte er sein Handwerk im Luftkampf ge - Anzeigen, in denen er den Medien seinen Die Art und Weise, wie er seine Finan - lernt: Er segelte durch enge Schluchten Begriff von Anstand und Fairness entge - zen vor seinem Tod geregelt hatte, sprach und hüpfte über baumlose Kämme, dass genhielt. Er prozessierte, wo immer eine erst recht nicht für einen verwirrten Kopf. die Räder fast die Grasnarbe berührten. Publikation diese Grenze überschritt. Überall auf der Welt hatte er in Immobi - Als die Maschine landete, wartete bereits Und das Schreiben von Leserbriefen war lien investiert oder sich an verschachtel - ein Chauffeur in einem Auto auf der Lan - für ihn fast so etwas wie ein zweiter Be - ten Finanzfirmen beteiligt. „System debahn. Von dort dauerte es fünf Minu - ruf. Nächtelang konnte er an ihnen feilen. Sachs“ nannte die „Süddeutsche Zeitung“ ten bis zu einem alten Bauernhaus mit Nichts verließ seinen Schreibtisch, bevor in der vergangenen Woche die ausgeklü - einem atemberaubenden Blick auf die nicht jedes Wort und jedes Satzzeichen gelte Konstruktion. In einem Schatten - Bergketten gegenüber. mehrfach umgedreht worden war. reich von Offshore-Gesellschaften hatte Innen waren die Wände tapeziert mit Warum sollte dies ausgerechnet am Gunter Sachs Teile seines Vermögens un - Fotografien: Gunter Sachs zusammen mit Abend des 6. Mai 2011 anders gewesen tergebracht, einem Reich voller Steuer - den wichtigsten Männern seiner Epoche. sein, als er beschloss, seinem Leben ein oasen. „Ich würde mich nie im Leben ins Im Wohnzimmer standen geschätzt 50 Ende zu setzen? Der Tod würde ein öf - Halteverbot stellen“, sagte er mal bei ei - Nilpferd-Figuren, an den Wänden hingen fentliches Ereignis sein, das war ihm klar. nem Treffen in seinem Bauernhaus, „aber antike Scherenschnitte. Neben dem Fens - Und die einzige Möglichkeit, darauf noch wo Parken erlaubt ist, parke ich auch.“ ter saß Marianne Fürstin zu Sayn-Witt - Einfluss zu nehmen, waren die Sätze in Die Nachlassverwalter von Gunter Sachs genstein-Sayn auf einem einfachen Holz - seinem Abschiedsbrief. Sie mussten eine bestreiten den Verdacht, er habe sein Ein - stuhl mit geradem Rücken. Gunter Sachs Antwort geben auf die Frage: Warum kommen und Vermögen nicht ordnungs - stand ihr in einem schwarzen Rollkragen - wollte ein Mensch nicht mehr leben, der gemäß versteuert. pullover gegenüber. Neben ihm lagerten noch immer alles hatte, das andere nie „Mein Mann war in Taktik und Strate - zwei sehr blonde Frauen auf einem Sofa. haben würden, und für den es kaum eine gie der absolut Allerbeste“, sagt seine „Meine Katzen“, erklärte er mit einer Grenze gab? Frau Mirja in ihrem Haus am Ufer des Stimme, die tief und schleppend wie ein Warum war einer des Lebens müde, der Zürichsees. Das hatte er ihr einmal ge - alter Schiffsdiesel war. Die Gespräche mehr als ein Dutzend Häuser an den kauft, weil sie die Nähe zur Stadt viel schwappten gemächlich von einem The - schönsten Ecken der Erde bewohnte? Den mehr liebte als er. Nach seinem Tod ist ma zum nächsten: die Schönheit der man auch mit knapp 80 Jahren immer es ihre Heimat geworden. Mit moderner Sonnenuntergänge auf der Terrasse. Die noch in Begleitung der schönsten Frauen Kunst an der Wand und weißem Teppich Schönheit der Sätze bei Friedrich Nietz - sah? Und der mehr Vermögen besaß, als sche. Die Unendlichkeit des Alls. In den ein einzelner Mensch überblicken kann? * Siehe auch die SPIEGEL-TV-Dokumentation „Der Gläsern klirrte das Eis perfekt gemischter Es gab niemanden, der nach seinem Gentleman-Playboy: Gunter Sachs“. 8. April, 21 Uhr, Gin Tonics. Tod nicht respektvoll über ihn hätte reden ARD. 60 ) *(# ! % 15/2013 E C A F O T E C A F / S A Ehepaar Bardot, Sachs in Saint-Tropez 1966 I D E M O Gesellschaft am Boden und einem stürmischen Zü - eine arrangierte Ehe gewesen, die die Dy - Wunsch des Vaters gewesen, damit der richsee, der vor dem Fenster an ihre Mau - nastie der Opels mit dem Motorenbauer Sohn später mal einen Posten bei Fichtel er klatscht. „Mein Mann war ein Stilist Sachs verband und in der sonst nicht viel & Sachs übernehmen konnte. Seine Frau und ein Meister im Formulieren“, sagt zusammenpasste. Der Vater war ein ein - blieb während dieser Zeit in Lausanne. Sie sie. „Alles, was mein Mann gemacht hat, facher Mann, der den Fußball und die wollte sich in einer Klinik behandeln lassen. hat er perfekt inszeniert.“ Jagd liebte, aber auch mit ranghohen Na - Nur eine Kleinigkeit eigentlich. Aber dann Wenn man irgendetwas über seinen tionalsozialisten paktierte und von Hitlers unterlief den Ärzten bei der Narkose ein Entschluss, sich umzubringen, sagen Politik geschäftlich profitierte. Die Mutter Fehler. Sie wachte nicht mehr auf. kann, dann dies: Es war keine spontane verachtete das braune Gedankengut und Ein halbes Jahr später griff der Vater Entscheidung. Gunter Sachs hat sich nicht glaubte an die ordnende Kraft der Kon - zu einem Gewehr und erschoss sich in in einem Moment der Verzweiflung das vention. Bei ihr mussten sich die Kinder seinem Jagdhaus. Da war Gunter Sachs Leben genommen. Dafür hatte er den während der Mahlzeiten Bücher unter die gerade 26 geworden und plötzlich Witwer, Gedanken zu lange mit sich herumge - Arme klemmen, um zu lernen, wie man alleinstehender Vater und zusammen mit schleppt. „Mein Mann hatte nie alt wer - korrekt beim Essen sitzt. Sie erlaubte sich seinem Bruder der Erbe eines Vermögens, ) . U . R ( A P D / N I E T S L L U ; ) . O + . L ( S H C A S R E T N U G S S A L H C A N Industriellensohn Sachs*, Kunstsammler Sachs, Künstler Warhol 1972: „Perfekt inszeniert“ den wollen“, erzählt seine Frau. „Zum keine Schwäche. Aber sie war entschieden das jede Vorstellung überstieg. Das Erste, Glück für uns alle ist er nicht früher ge - der Meinung, dass der Starke dem Schwa - was Gunter Sachs damals tat, war, in die gegangen, als er gegangen ist.“ chen zu helfen habe. Berge zu gehen. Seinen Sohn gab er zu Sein Freund Samir Sibaei, der ihn seit Das nahm auch Gunter Sachs für sich in dessen Großmutter. der Studentenzeit kannte und ihm da - Anspruch. Und daran hatte sich auch nichts Er wanderte wochenlang durch die nach ein Leben lang als Berater und Ver - geändert, als im Jahr 1958 zwei lebensent - Einsamkeit, und als er zurückkehrte, hat - trauter zur Seite stand, meint: „Sein Tod scheidende Dinge passierten. Zu diesem te sich seine Einstellung zum Leben ver - war ein Akt der Liebe zum Leben.“ Ge - Zeitpunkt hatte er an der Universität in ändert. „Ernsthafter war er“, sagte sein nauer gesagt: zu jener Idee, die Gunter Lausanne bereits Mathematik studiert. Er Freund Samir Sibaei heute. „Und verant - Sachs vom Leben hatte. hatte geheiratet und einen Sohn be - wortungsvoller. Aber auch entschlosse - Auch Gunter Sachs’ Mutter hatte zu ih - kommen. Gerade machte er ein Praktikum ner, mit beiden Händen nach dem flüch - ren Prinzipien gestanden und sich nicht in einer deutschen Bank. Dies war der tigen Leben zu greifen.“ Plötzlich war irritieren lassen durch den Mainstream in dieses Leben für ihn nichts Selbstver - der Gesellschaft. Noch nicht einmal durch ständliches mehr, sondern ein ungewis - * Links: mit Bruder Ernst Wilhelm (l.) und Vater Willy einen Ehemann, mit dem sie wenig ge - 1934; oben rechts: mit seinem Bruder und Mutter Elinor ses, kostbares Gut.