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wespennest // 173 // leseprobe wespennest Nr. 173_november 2017 2_ 54_ wespennest buch Editorial Sophie Schasiepen 102_ Kein schöner Land, waiata tangi. Helmut Neundlinger 4_ Ahnen der Māori kehren nach Günther Kaip: Ankerplätze Valentin Groebner Aotearoa/Neuseeland zurück 103_ Glaub mir, ich lüge. Die guten Seiten 59_ Florian Neuner der falschen Nachrichten Melissa Hacker Elisabeth Wandeler-Deck: Prisma der Vergangenheit. Das Heimweh der Meeresschildkröten Das Erbe meines Großvaters 104_ 62_ Thomas Ballhausen 10_ Hazel Rosenstrauch Roberto Bolaño: Sabine Küchler Zwischen Weltchronik und Die romantischen Hunde Gedichte Einwickelpapier. 105_ 13_ Wohin mit den vielen Büchern? Teresa Falk Luca Manuel Kieser 65_ Lisa Spalt: Die zwei Henriettas Vom Geschmack auf der Kellertreppe Konstantin Akinscha 106_ (Auszug) Restitution als Diagnostikum. Politische Markus Köhle 16_ Aspekte des «Beutekunstproblems» und Lucas Cejpek: Ein weißes Feld Jani Virk die russisch-deutschen Beziehungen 107_ Zwischen Bäumen 70_ Hazel Rosenstrauch Ilija Trojanow Jeanette Erazo Heufelder: Was bleibt? Soll bleiben? Der argentinische Krösus. Spaziergänge mit Dževad Karahasan Kleine Wirtschaftsgeschichte schwerpunkt durch die Vergangenheiten Sarajevos der Frankfurter Schule Fotos: Christian Muhrbeck 108_ KULTUR ERBEN 75_ Ulrich Schneider 24_ Angela von Rahden George Prochnik: Das unmögliche Exil. Ulrich Schneider Totengespräche. Wer sich in die Stefan Zweig am Ende der Welt Lieber stiften gehen … Von privaten Vergangenheit begibt, führt Kunstsammlungen und ihrem Schicksal Unterhaltungen besonderer Art 110_ 28_ 80_ AutorInnen, Anmerkungen, Andreas Schmidt-Colinet Johan Öberg Buchhandel Wir tun da gar nichts! Über die 58°42’4”N 11°20’8”E. Felsritzungen zwi - Geschichte, die Zerstörung und den schen Ahnenerbe und Kulturtourismus Wiederaufbau von Palmyra 34_ Georg Traska Das perfekte Haus Tugendhat – und 88_ die ästhetische Abwesenheit seiner András J. Nagy Geschichte Inner City Blues. Fotografien 43_ Ferdinand Schmatz 98_ Einige Splitter im Auge helfen anders zu Zsuzsanna Gahse schauen. Schau: Wien und der Eine Spur Chinesisch. Bodo Hell als Fak - Canaletto-Blick! tenschreiber 47_ Werner Hanak-Lettner Kaisers Konkursmasse. Oder: Was wir in Österreich aufheben 49_ Péter Nádas Die Begegnung einer unerwiderten Liebe und einer langweiligen Ehe auf dem Seziertisch Coverfoto: www.nafezrerhuf.com Ulrich Schneider Lieber stiften gehen … Von privaten Kunstsammlungen und ihrem Schicksal Der Umgang mit privaten Sammlern gehört, neben dem Umgang schen Kriegsmaschinerie. Nach dem Krieg erhielt er aber bald die mit Künstlern, zu den komplexesten und befriedigendsten zwi - Lizenz zur Gründung einer Zeitung in Hannover und 1948 hob er schenmenschlichen Beziehungen im Museumsleben. Schreibt besagten Stern aus der Taufe, dem er bis 1980 als Chefredakteur doch schon Honoré de Balzac in seiner Novelle Cousin Pons 1847: vorstand. «Sie sehen aus, als wenn sie nichts auf sich hielten und sich um Seinen stets persönlichen und eigenständigen Kunstankäufen, nichts kümmerten; sie achten weder auf die Frauen, noch auf die die erst dem Schmuck des eigenen Hauses, bald der schieren Auslagen. Sie gehen wie im Traum vor sich hin, ihre Taschen sind Sammelleidenschaft dienten, eignete immer etwas sehr Sponta - leer, ihr Blick ist gedankenlos, und man fragt sich, zu welcher Sorte nes, Lustvolles. Dabei blieb er dem deutschen Expressionismus von Parisern sie eigentlich gehören. Diese Leute sind Millionäre. und der Neuen Sachlichkeit verbunden. Vielleicht war das seine Sammler sind es; die leidenschaftlichsten Menschen, die es auf der Art der Wiedergutmachung für die Schmach, die die Werke unter Welt gibt.» Auch wenn sich die Sache mit dem Outfit gewaltig geän - der nationalsozialistischen Kulturpolitik erdulden mussten. Otto dert hat, gewisse idiosynkratische Züge wiesen alle Sammler, mit Muellers «Knabe vor zwei stehenden und einem sitzenden Mäd - denen ich es zu tun hatte, auf. Und sicher sind die notwendig, um die chen» (1918–19) zum Beispiel hatte er in der Münchener Schand - Balance zwischen finanziellem Vermögen und brennendem Ver - ausstellung 1937 gesehen. Als dieses moderne Parisurteil 1979 langen halten zu können. Neben dem Erwerb von Kunstwerken im Kunsthandel zu haben war, musste er es einfach kaufen. Und so stellt sich für alle Sammler beim Eintritt in das letzte, das endliche fanden viele der einst verdammten Künstler zu ihm, Gabriele Mün - Lebensdrittel die Frage, was mit den angehäuften Schätzen ge - ter, Franz Marc, Alexej Jawlensky, den er noch kennenlernte, Ale - schehen soll. Bei den früheren, den adeligen Sammlungen war die xander Kanoldt, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein und seine Aufteilung unter die Erben oftmals ein Problem, das viele Kollektio - Lieblingsmalerin von Jugend an, Paula Modersohn-Becker, die das nen zerschlug, heute ist es zumeist die Interesselosigkeit der Nach - Ideal seiner norddeutschen Heimat verkörperte. All die Gemälde fahren an den als lästig empfundenen Sammelleidenschaften der seiner Expressionisten-Sammlung strahlen eine starkbunte, sinn - Eltern, die den Kunstbesitz unter den Hammer geraten lässt. Vier liche Farbigkeit aus, die Nannen magisch anzog. Den zweiten Persönlichkeiten, mit denen ich bei Kunstausstellungen zusam - Schwerpunkt, der Nannens Journalistenblick geschuldet sein menarbeiten konnte, mögen als Beispiele betrachtet werden. mochte, bildet die Neue Sachlichkeit. Franz Radziwill und Josef Scharl heißen hier seine Favoriten, und Hanns Ludwig Katz hat er enri Nannen (1913–1996) war der Star am deutschen Il - wirklich persönlich wiederentdeckt. Sensationell waren die An - lustriertenhimmel. Mit seinem Stern bestimmte er ein käufe von Arbeiten Max Beckmanns, vor denen Nannen sich gerne Pressesegment, zumal als Fernsehen noch schwarz- präsentierte. weiß war und die Sensationen noch nicht in Sekunden - Auf Umwegen fand der weit gereiste Weltbürger in den 1980er- Hbruchteilen im Internet flackerten. Aus eher kleinbürgerlichen Jahren in seine Heimatstadt Emden zurück, weitab von jedem Kul - Verhältnissen stammend, hatte der Buchhandelslehrling Mitte der turinstitut. Inzwischen im «Ruhestand», verwirklichte Nannen mit 1930er-Jahre begonnen, Kunstgeschichte bei Wilhelm Pinder in dem ihm eigenen Durchsetzungsvermögen den Bau seiner Kunst - München zu studieren. Der vermittelte seinen Schülern, neben na - halle. Gemeinsam mit dem Hannoveraner Architekten Friedrich tionalsozialistischem Zeitgeist, viel Verständnis für die expressio - Spengelin entstand das, was Nannen sein erweitertes Wohnzim - nistische Moderne Deutschlands. Doch auch die fiel mit der Aus - mer nannte, ein Bau mit Ziegelwänden und spitzen Giebeln, umge - stellung von 1937 unter das grausame Verdikt ben vom Wasser, innen weiß gekalkt mit viel Holz. «Entartete Kunst». Dennoch, Nannen kaufte bei Bei den früheren, Hier konnte der Sammler endlich all die Bilder und Günther Franke ein Aquarell von Emil Nolde, «Bäu - den adeligen Skulpturen sehen, die sonst oft in Depots verbannt me in der Niedau», das Grundstock seiner Samm - Sammlungen war waren. Und vor allem, er konnte sie seinen Nach - lung wurde. Seine sportliche Art und das blendende die Aufteilung unter barn aus nah und fern zeigen und vermitteln, was er Aussehen, gepaart mit journalistischen Gehversu - die Erben oftmals oft und gerne tat. Unter dem einfallsreichen Ma - chen, machten ihn 1936 zu einem der Stadionspre - ein Problem, das nagement seiner Frau Eske Nannen entwickelte cher der Olympischen Spiele. Was folgte, war eine viele Kollektionen sich in Emden ein Kulturzentrum mit interessanten wenig ruhmreiche Propagandakarriere in der deut - zerschlug. Wechselausstellungen, ständig wechselnden Be - 2 standspräsentationen und den sozialen Events, ohne die heute Pullover» (1932–34), Salvador Dalís «Traum» (1944), Balthus‘ kein Museum auskommt, ein Haus, das sich noch dazu größten - «Kartenspiel» (1948–50), Roy Lichtensteins «Frau in der Bade - teils selbst trägt. Das Projekt, dem keiner Erfolg zugetraut hätte, wanne» (1963), Francis Bacons «Porträt George Dyer» (1968), wurde Nannens Dank an seine ostfriesische Heimat bis weit nach Willem de Koonings «Roter Mann mit Bart» (1971), um nur die Holland hinein. Dabei merkte man stets, mit wie viel Lust und Lie - Wichtigsten zu nennen. Daneben vervollständigte Thyssen-Bor - be er sich seinen Kunstwerken widmete, und das bei einem «küh - nemisza mit Verstand und Vermögen ganz konsequent die Alt - len» Norddeutschen. Als ich mich 1994, wohl etwas wortreich, für meistersammlung, besonders die Italiener. die Ausleihe fast aller Hauptwerke aus seinem Hause bedankte, Es war schon ein besonderer Kunstgenuss, in der Villa Favorita, kam als Antwort nur ein «Da nich für …». die Karl Konrad von Beroldingen 1687 am lieblichen Uferstreifen des Lago di Lugano hatte errichten lassen, die herrschaftliche iner der bedeutenden europäischen Kunstsammler des Treppe in den Galerietrakt hinaufzusteigen und eine Sammlung zu 20. Jahrhunderts, die auf ein nennenswertes kulturelles besuchen, die jener der gegenwärtigen englischen Königin am Erbe aufbauen konnten, war Baron Hans Heinrich Thys - nächsten kam. Und immer wieder als Auftakt das Gemälde vom sen-Bornemisza (1921–2002). Dessen Vater, Heinrich «Tod des Hyazinth» zu bewundern, den Giambattista Tiepolo EThyssen (1875–1947) aus dem vermögenden rheinischen Indus - 1752–53 in seine Zeit versetzt hatte. Er ließ den sündhaft schönen trieclan, war 1905 von seinem Schwiegervater adoptiert worden spartanischen Prinzen nicht durch den Diskus seines Liebhabers