Medien Unter Kontrolle
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ALLES BUCH Studien der Erlanger Buchwissenschaft XXXII 2009 Medien unter Kontrolle Im Auftrag des Interdisziplinären Medien- wissenschaftlichen Zentrums (IMZ) an der FAU Erlangen-Nürnberg herausgegeben von Sven Grampp, Daniel Meier und Sandra Rühr ALLES BUCH STUDIEN DER ERLANGER BUCHWISSENSCHAFT XXXIII Herausgegeben von Ursula Rautenberg und Volker Titel ISBN 978-3-940338-14-3 2009 Buchwissenschaft / Universität Erlangen-Nürnberg Alles Buch Studien der Erlanger Buchwissenschaft XXXIII Herausgegeben von Ursula Rautenberg und Volker Titel © Buchwissenschaft / Universität Erlangen-Nürnberg ISBN 978-3-940338-14-3 ISSN 1611-4620 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Erlanger Buchwissenschaft unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. Vorwort Die vorliegende Online-Publikation fasst die Vorträge einer im WS 2007/08 gehalte- nen Universitätsringvorlesung gleichen Titels an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zusammen und ergänzt sie durch nachträglich eingeworbene Beiträge. Die Ringvorlesung wie auch diese Publikation wurden organisiert vom Interdisziplinären Medienwissenschaftlichen Zentrum (IMZ), einem Forschungs- und Nachwuchsförderungsverbund der medienbezogenen Fächer an der Universität Erlangen-Nürnberg. Professorinnen und Professoren sowie Nachwuchswissen- schaftlerInnen der Fächer Buchwissenschaft, Christliche Publizistik, Christliche Archäologie, Klassische Archäologie, Kommunikationswissenschaft, Kunstge- schichte, Medienwissenschaft, Multimedia-Didaktik und Theaterwissenschaft for- schen hierin selbstorganisiert an den Schnittstellen fächerübergreifend relevanter Fragestellungen der Medientheorie, -praxis, -ethik und -didaktik und führen auch den jeweiligen wissenschaftlichen Nachwuchs frühzeitig an entsprechende interdiszipli- näre Arbeitsfelder heran. Der Zusammenschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass Medien inzwischen ein primäres Bezugsfeld vieler Disziplinen darstellen, die aus je eigener Perspektive Fragen nach den Funktionen, Verwendungshinsichten, mögli- chen Wirkungen und Entwicklungstendenzen von Medien in einer sich immer stär- ker als Medien- und Kommunikationsgesellschaft verstehenden Gesellschaft generie- ren. Einen Überblick über Zusammensetzung und Aktivitäten des IMZ bietet die Homepage unter http://www.imz.uni-erlangen.de. Inhalt Einleitung: Medien unter Kontrolle: Problemaufriss und Konturierung 7 I Restriktive Kontrolle der Medien Carola Jäggi Das kontrollierte Bild. Auseinandersetzungen um Bedeutung und Gebrauch von Bildern in der christlichen Frühzeit und im Mittelalter 18 Daniel Meier „Keine ängstliche Zensur soll den freien Umlauf der Ideen hindern“ – Der lange Kampf der deutschen Journalisten gegen ihre Kontrolleure 32 Ursula Nagy Schutz oder Hemmnis? Ein Abriss der Geschichte deutscher Filmzensur 42 Christoph Bläsi / Reinhard German Facetten der Kommunikationskontrolle im Web 69 Rudolf Kammerl: „Du bist doch süchtig!" Exzessive Nutzung von Computerspielen und Internet durch Kinder und Jugendliche – Eine Herausforderung an die elterliche Kontrolle? 91 II Produktive Kontrolle der Künste Hans Dickel Medien der Macht – Macht der Medien. „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ (1867) als Fallbeispiel einer historischen Medienkomparatistik 107 Jens Ruchatz Produktive Einschränkungen. „Life of an American Fireman“ und die freiwillige Selbstkontrolle der Filmsprache 123 Henri Schoenmakers Skandal im Theatersaal und der Reigen von Kontrollinstanzen 148 Joseph von Westphalen Literarische Selbstzensur – Schriftsteller leben nicht wild, aber gefährlich 165 III Ethik der Medienselbstkontrolle Johanna Haberer Das Projekt der Medienselbstkontrolle in der Diskussion 171 Norbert Schneider Von der Suppe und den Haaren. Medienfreiheit und ihre Grenzen 182 Autorenverzeichnis 197 Einleitung Medien unter Kontrolle – Problemaufriss und Konturierung Die Fokussierung auf das Thema „Medien unter Kontrolle“ entspricht in seinem Facettenreichtum der notwendig multidimensionalen Perspektivierung von Medien jedweder Art, wie sie dem zuvor skizzierten Selbstverständnis unseres Zentrums zugrunde liegt. Entsprechend breit wurde der Kanon der zu verhandelnden Medien abgesteckt und dezidiert jenseits technizistischer Verengung des Medienbegriffs, aber auch fern von einem willkürlichen Pan-Medialismus situiert. Auf der Basis eines der- gestalt bewusst offen gewählten Verständnisses von Medien erscheinen diese als kulturell generierte und konkretisierte Kommunikationsträger und -prozesse, die uns in einer weitgehend materialisierten Form (wozu auch nicht gespeicherte Zeichen, Töne und Bilder, theatrale Situationen und andere transitorische Manifestationen zählen) zugänglich sind bzw. geblieben sind. Als historische wie gegenwärtige Arte- fakte sind Medien und ihre Produkte stets innerhalb der sie produzierenden Gesell- schaft angesiedelt, weshalb Medienanalyse zu einem nicht unbeträchtlichen Teil im- mer auch einen zentralen Modus der Gesellschafts- und Kulturanalyse ausmacht. Dies gilt umso mehr bei dem hier gewählten Thema, das auf Mediengebrauch in ei- nem umfassenden Sinne abhebt und damit soziale Akteure als Prägekräfte des media- len Feldes voraussetzt (und nicht – wie in manchen Medienontologien in der Nach- folge McLuhans – vice versa). Erfindung, Nutzung und Weiterentwicklung von Me- dien finden entsprechend in einem gesellschaftlichen Aushandlungsraum statt, der von ebendiesen sozialen Akteuren bestritten wird. Allein dadurch schon – und dies war ein Leitgedanke unserer Konzeption – stehen Medien niemals „außer Kont- rolle“. Dies gibt es allein in Science Fiction-Fantasien, die dafür nicht zufällig Medien etwa in Gestalt sich verselbstständigender Romanfiguren oder sich jeglichem Zugriff verweigernder Supercomputer mit etwas versehen müssen, was Medien per se eben nicht haben: (Handlungs-)Bewusstsein. Etymologisch besehen, wurde der Begriff „Kontrolle“ im 18. Jahrhundert aus dem frz. „contrôle“ entlehnt, seinerseits eine Kontamination von „contre-rôle“ für „Gegenrolle, Gegen- oder Zweitregister […] zur Prüfung von Angaben in einem Originalregister“1. Der Begriff bezeichnet also ursprünglich ein Prüfungs- und Abgleichungsinstrument für Verwaltungsakten und -vorgänge. Scheint also schon die Wortherkunft die Assoziation der „Kontrolle“ mit gouvernementalistischen Tenden- zen nahezulegen, so wurde im Rahmen der hier dokumentierten Ringvorlesung ‚Kontrolle‘ gleichwohl umfassender verstanden und aus genau diesem Grund der ungleich populärere, jedoch letztlich einen sehr viel engeren Sachverhalt bezeichnen- den Begriff der „Zensur“ bei der Titelgebung vermieden. Während „Zensur“ immer hegemoniale Akteure voraussetzt, die direktiv und prohibitiv Medienzugang 1 DROSDOWSKI, GÜNTHER (Hrsg.): Duden. Bd. 7. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim u.a. 1989, S. 375. und/oder -inhalte reglementieren können, deckt „Kontrolle“ darüber hinaus auch sol- che Phänomene ab, die als Aushandlung von Selektionen, Beschränkungen und eben Prüfungen von Mediennutzung innerhalb gesellschaftlicher Selbstverständigungspro- zesse beschrieben werden können. Aus dieser Perspektive stellt „Kontrolle“ nicht allein einen restriktiven, sondern durchaus auch einen produktiven Mechanismus dar, der unter potentiell unendlichen Nutzungsoptionen selegiert, limitiert und optimiert. Die Limitierungsgründe mögen dabei juristisch, religiös oder ethisch motiviert sein, sie können aber auch pragmati- schen oder ästhetischen Imperativen entwachsen: Jede Regelpoetik, jede Stilschule, jede ästhetische oder journalistische Programmatik schränkt – mal mehr, mal weniger normativ – den Entscheidungshorizont der Akteure im medialen Feld ein, insofern alternative Gestaltungs- und damit Wahlmöglichkeiten verworfen, diskreditiert oder diskursiv eliminiert werden. Häufig gerät dabei aus dem Blick, dass derartige Limitie- rungen zugleich aber auch unverzichtbare Voraussetzung für die Möglichkeit media- ler Formbildungsprozesse sind. Erst die Beschränkung und die Auswahl aus einem potentiell unendlichen Pool an Wahlmöglichkeiten macht Formgebung und Inhalts- bildung innerhalb von Medien wahrscheinlicher und dadurch vor allem kommuni- kativ anschlussfähig. Die Selektion von Möglichkeiten erst reduziert die Komplexität der Möglichkeiten auf ein Maß, das Kommunikation zwischen den Akteuren des sozialen Feldes auf ein tragfähiges, weil gemeinsam überschaubares Terrain be- schränkt hält. Insofern Selektion also einen unverzichtbaren Modus sozialer Sinn- gebung und eine Ermöglichungsbedingung von Kommunikation überhaupt aus- macht, versteht sich von selbst, dass eine Gesellschaft entsprechend auch die Opera- tionsmodi von Medien prüft, beschränkt und kanalisiert. Dafür können eigens Insti- tutionen gegründet werden, derartige Kontrolloptionen ergeben sich aber auch sehr viel unspektakulärer durch die Praxis der Mediennutzung und die diese begleitenden gesellschaftlichen Diskurse selbst. Die durch diese Begriffserweiterung gewonnene größere Spannbreite an Themen- feldern ist gleichwohl mit einer automatisch einhergehenden steigenden Distinktions- unschärfe von „Medienkontrolle“ gegenüber der „Zensur“ erkauft. Dies kann in- sofern etwas leichter verkraftet werden, als die Zuschreibung von „Zensur“ oder „(Selbst-)Kontrolle“ selbst wiederum der gesellschaftlichen Definitionssphäre er- wächst und insofern intra- wie vor allem auch interkulturell