Titel-H_04 10.06.2003 12:52 Uhr Seite 1
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Juni 2003 Heft 4/2003 ISSN 0947-1049
Theaterwissenschaftler sind Tiere im Dienste der Menschen Wider die Langeweile … einem Spion auf der Spur und Menschen im Dienste der Tiere Das DDR-Fernsehen wird erforscht Neue Sexualität 450 Jahre Moritzbastei: Studenten mit Hochschulkonzept: durch Neue Medien Höchstes Vergnügen in tiefster Lage Zwischen Seminar und Salon
journal
Nobelpreisträger Watson kam zur Einweihung Die BIO CITY LEIPZIG lebt
Probedruck EDITORIAL
Inhalt Das Netzwerk BIO CITY
UniVersum Am 23. Mai 2003 wurde die BIO CITY LEIPZIG im Beisein von Wechsel im Rektoramt 2 Nobelpreisträger James Watson feierlich eröffnet. Neben Unter- Am 17. Mai: Die Uni im Viervierteltakt 3 nehmen finden hier Forschungsgruppen der Universität Leipzig Fußball: Der Wille war da … 5 ihren Platz. Die Dringlichkeit der damit möglich gewordenen un- Ehrendoktorwürde für Genscher 6 mittelbaren wirtschaftlichen Umsetzung von Forschungsergeb- Die Entwicklung der Universitätsbibliothek 9 nissen hat gerade erst die SARS-Epidemie wieder offenbart. Personalräte neu gewählt 10 Leipzig hat jetzt die Chance, ein gewichtiges Wort auf dem Ge- biet der Biotechnologie und Biomedizin mitzusprechen. Aus- Gremien gangspunkt waren die bereits im In- und Ausland anerkannten Senatssitzungen April/Mai 10 Forschungsleistungen der Medizinischen Fakultät, der Veterinär- medizinischen Fakultät, der Fakultät für Chemie und Mineralo- Forschung gie, der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psycho- Das DDR-Fernsehen wird untersucht 12 logie, der Fakultät für Physik und Geowissenschaften und der Fa- Zwischenbilanz im Nomaden-SFB 14 kultät für Mathematik und Informatik. Diese sind fakultätsübergreifend im Biotechnologisch-Biome- UniCentral dizinischen Zentrum (BBZ) der Universität Leipzig BIO CITY eröffnet, Watson dabei 16 gebündelt. Zum anderen baut das Konzept der Der Biotechnologietag 17 BIO CITY LEIPZIG auf einer fundierten Bedarfs- Die BBZ-Mitglieder 18 analyse von Unternehmen mit biotechnologisch- Die Entwicklung körpereigener Gewebe 20 biomedizinischer Ausrichtung auf. Mit ihm wird Die Entwicklung von Biochips 21 die Möglichkeit eröffnet, dass Wissenschaftler den Schritt zum Unternehmer wagen. Anliegen der Fakultäten und Institute Universität ist es, günstige Startbedingungen für Wirtschaftspädagogen kooperieren mit BMW 22 Existenzgründer auf diesem Gebiet zu schaffen.m Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Im neuen Gebäude am Deutschen Platz erhält die biotechnolo- Fakultätentag 23 gisch-biomedizinische Forschung einen hochmodernen, funktio- Theaterwissenschaft: nalen Komplex, der die Forschungsinfrastruktur der Universität Einem Spion auf der Spur 24 Leipzig ideal ergänzt und die internationale Konkurrenzfähig- Das Medizinisch-Experimentelle Zentrum 25 keit Leipzigs auf diesem Gebiet weiter stärkt. Zu den bisher zwei Neue Sexualität durch Neue Medien 27 Säulen wissenschaftlicher Arbeit, der Grundlagenforschung und Toxikologisches Zentrum gegründet 28 der klinischen Forschung, ist eine dritte, die der explizit anwen- dungsorientierten Forschung hinzugekommen. Das Spektrum der Studiosi molekularen Biotechnologie reicht dabei von der Wirkstofffor- Tropenökologie / Stadtumbau-Studiengang 28 schung bis zur Regenerativen Medizin. Darüber hinaus gibt es Studenten bei Wettbewerb erfolgreich 29 eine enge Forschungsvernetzung zwischen dem BBZ und dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung, dem Inter- Personalia disziplinären Zentrum für Bioinformatik und dem Sonderfor- Nachruf auf Sir Bernard Katz 30 schungsbereich „Proteinzustände mit zellbiologischer und medi- Neu berufen 31 zinischer Relevanz“, aber auch mit den in Leipzig ansässigen Nachrichten 32 Max-Planck-Instituten, insbesondere dem Max-Planck-Institut für Geburtstage 33 Evolutionäre Anthropologie. Danken möchte ich an dieser Stelle allen, die mit vereinten Kräf- Essay ten das Biotchnologisch-Biomedizinische Zentrum der Universität Viel Gesundheit für wenig Geld? 34 Leipzig in der BIO CITY LEIPZIG möglich machten, insbesondere der Arbeitsgruppe, die das wissenschaftliche Konzept entwi- Jubiläum 2009 ckelte, und der Universitätsverwaltung. 125 Jahre Professur für ostasiatische Fragen der Gen- und Biotechnologie sind eng verbunden mit bio- Sprachen 36 ethischen, sozioökonomischen, aber auch juristischen Fragen. Erwachsenenpädagogik feiert Jubiläen 38 Wenn auch Wissenschaftler anderer als der eingangs erwähn- 450 Jahre Moritzbastei 39 ten Fakultäten sich für eine Mitgliedschaft im BBZ entscheiden würden, könnte die derzeit stark anwendungsorientierte For- Habilitationen und Promotionen 36 schungsausrichtung des BBZ entsprechend dem Charakter un- Am Rande 4 serer Alma mater lipsiensis als Universitas litterarum um die Kom- Nomen 7 ponente einer einzigartigen Vernetzung von Humanwissen- Impressum 2 schaften, Naturwissenschaften und Medizin bereichert werden. Prof. Dr. Helmut Papp Titelfotos: Dietmar Fischer Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs
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Feierlicher Wechsel im Rektoramt und Verabschiedung Volker Bigls
Mit einem Festakt im Alten Senatssaal Nachfolger bei der Lösung wurde am 13. Mai 2003 der Wechsel im der bevorstehenden Aufga- Rektoramt vollzogen. Als sichtbares Zei- ben und schwierigen Ent- chen dafür legte der Tradition gemäß der scheidungen neue Ideen, scheidende Rektor, Prof. Dr. Volker Bigl, Selbstvertrauen, vorbehalt- dem neuen Rektor, Prof. Dr. Franz Häuser, losen Rückhalt an der Uni- die wertvolle Amtskette um. Zu Prorekto- versität und allzeit eine Volker Bigl legte seinem Nachfolger Franz Häuser die ren bestellte der Jurist Häuser die Veteri- glückliche Hand. Allen, Amtskette um. Foto: Armin Kühne närmedizinerin Prof. Dr. Monika Krüger, die ihm in seiner Amtsfüh- den Chemiker Prof. Dr. Helmut Papp und rung behilflich waren, sprach er seinen tief- dung, das Amt um der Stellung der Uni- den Mediziner Prof. Dr. Peter Wiedemann. empfundenen Dank aus. versität in der Gesellschaft willen nieder- Die Amtszeit beträgt nur etwa sieben Mo- Nach der Überreichung der Urkunde durch zulegen. nate bis zum 1. Dezember 2003, da nach den Sprecher des Konzils, Prof. Dr. Ekke- Kanzler Peter Gutjahr-Löser bezeichnete dem vorzeitigen Rücktritt Volker Bigls nur hard Becker-Eberhard, ging Rektor Häuser Bigls Rücktritt „als Lehrstück demokrati- diese Zeitspanne bis zur nächsten turnus- in abschließenden Worten noch einmal auf scher Praxis“. Bigls Nachfolger im Amt, mäßigen Rektorwahl verbleibt. den Ausgangspunkt des Eingriffs in die Prof. Dr. Franz Häuser, unterstrich, dass In der Begrüßung hatte Kanzler Peter Gut- Universitätsautonomie zurück und betonte, Volker Bigl damit „ein Zeichen gesetzt hat jahr-Löser diesen Rücktritt als ein Alarm- dass es sich hierbei um keine Privatauto- für die politische Kultur in unserem signal an die Sächsische Staatsregierung nomie handele, sondern um die Suche nach Lande“. Mit dem Bezug auf die dabei be- gewertet, die Selbstverwaltungsrechte der einer sachgerechten Wahrnehmung der der wiesene Standfestigkeit bezeichnete Ober- Körperschaft Universität zu respektieren. Alma mater von der Gesellschaft aufgetra- bürgermeister Wolfgang Tiefensee Rektor Der scheidende Rektor wünschte seinem genen Aufgaben. Das Verhältnis zwischen Bigl „als einen Mann, der Geschichte ge- Staatsregierung und universitärer Selbst- schrieben hat, nicht nur für seine Univer- verwaltung sei nur als Kooperations- sität“. Prof. Dr. Klaus Steinbock sagte im Journal Mitteilungen und Berichte für die Angehörigen verhältnis und dieses wiederum nur als Namen der Landeshochschulkonferenz, und Freunde der Universität Leipzig Ver trauensverhältnis sinnvoll zu gestalten. dass Volker Bigl mit Souveränität und Diese Auffassung werde er gegenüber der natürlicher Würde die Interessen aller Impressum Staatsregierung geltend machen. Sein Be- Hochschulen selbstbewusst vertreten habe. Herausgeber: Der Rektor streben gehe wie das seines Vorgängers Studentenvertreter verwiesen mit Hoch- Redakteur: Carsten Heckmann Ritterstr. 26, 04109 Leipzig, dahin, die Universität Leipzig als Volluni- achtung auf seine Fähigkeit, am Ende Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59, versität mit einem breiten Fächerspektrum schwieriger Debatten Wege vorzuzeich- E-mail: [email protected] zu erhalten. In Zeiten knapper werdender nen, die von allen Mitgliedergruppen der V. i. S. d. P.: Volker Schulte Ressourcen, wo das Ziel nicht in der Aus- Universität als gangbar angesehen werden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die dehnung, sondern gewissermaßen im Tief- konnten. Meinung der Autoren wieder. Satz und Lithographie: DZA Satz und Bild gang, in der Qualitätssteigerung, liege, sei In seinen Schlussworten appellierte Volker GmbH, Altenburg es freilich unumgänglich, dass die Univer- Bigl an die Mitglieder der Universität, „das Druck und Binden: Druckerei zu Altenburg sität die Mittel dorthin lenkt, wo eine zu leben und vorzuleben, was uns wichtig GmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 Altenburg zukunftsorientierte interdisziplinäre For- ist: die Gemeinschaft von Lehrenden und Anzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, schung und eine engagierte Lehre mit gro- Studierenden“. Dies dürfe auch unter den Tel. 03447/5550 Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbH ßer Ausstrahlung stattfinden. Belastungen von Stellenabbau und Mittel- Augustusplatz 10/11, 04109 Leipzig knappheit nicht zu kurz kommen. Und die Tel./Fax: 0341/9900440 * vielen ehrenden und würdigenden Worte Einzelheft: 1,50 e Drei Tage später fand im Festsaal des dieses Abends resümierend, betonte er: e Jahresabonnement (sieben Hefte): 13,– Neuen Rathauses die feierliche Verab- „Wenn Sie aus dieser mich sehr berühren- In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Sie sich bitte an die Redaktion, in Fragen, die den schiedung von Prof. Dr. Volker Bigl aus den Veranstaltung die Absicht mit nach Ver trieb betreffen, an den Verlag. dem Amt des Rektors statt. Sie bot Gele- Hause nehmen, Ihre Unterstützung für die Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg- genheit, aus verschiedenen Blickwinkeln Universität Leipzig zu verstärken, dann exemplare erbeten. sein Wirken an der Spitze der Alma mater wäre mir dies das schönste Geschenk mei- Redaktionsschluss: 28. 5. 2003 zu würdigen. Dabei war allen Reden ge- ner Verabschiedung“. ISSN 0947-1049 meinsam der Respekt vor der Entschei- Volker Schulte
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Die Uni im Viervierteltakt Bilder und Sätze vom 17. Mai
Nun schon zum fünften Mal hat die Uni- versität am 17. Mai ihre Zelte in der Grim- maischen Straße aufgeschlagen und sich als „Universität zum Anfassen“ präsentiert. Das Motto des Campus-Tags lautete in diesem Jahr „Vielfalt erleben“. Hunderte Leipziger ließen sich die Chance dazu Standfest: Holz gegen nicht entgehen. Aber es fand nicht nur der Beton lautete das beliebte Universitätsmarkt statt, sondern Duell bei der (erstmals zeitgleich) auch der Studien- Experimental- informationstag im Hörsaalgebäude, die vorlesung der 2 Bauingenieure studentische Veranstaltung UNI im Innen- vor großem hof und die Eröffnung der Internationalen Publikum. Am Studentischen Woche. Letztere zog an den Ende brach Folgetagen viele Besucher an und betrieb wider Erwarten zuerst der Beton- wieder erfolgreich Werbung für Multikul- steg ein. turalismus. An dieser Stelle sind Impres- sionen vom 17. Mai zusammengestellt, Zitate in Wort und Bild.
„Nehmen Sie es als Geschenk, dass Sie einen klugen Kopf haben.“ Prof. Dr. Monika Krüger, Prorektorin für In Bewegung: Im Hörsaal- Lehre und Studium, bei der Eröffnung gebäude und im des Studieninformationstages Seminargebäude * suchten und fan- „Ach herrje …“ den Schüler den Weg zu den Zwei Schülerinnen vor dem überfüllten Studieninforma- Hörsaal 6, in dem es Informationen zu tionsangeboten. den Lehramtsstudiengängen gab Es schienen * jedoch weniger Schüler als in „Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen recht den Vorjahren herzlich für die Unterstützung und die gekommen zu wache Aufmerksamkeit zu danken.“ sein. Rektor Prof. Dr. Franz Häuser bei der Eröffnung des Campus-Tags an die Leip- ziger Bürger gewandt (in Bezug auf die Reaktionen in der Stadt auf die Debatte um den Wiederaufbau der Paulinerkirche) * „Journey beyond your imagination“ Aufschrift auf einem Plakat in Zelt 11, Bullenreiten: wo das Institut für Anglistik eine Harry- Bei UNI2 im Potter-Marathonlesung veranstaltete Innenhof konnte man zeigen, wie * man sich unter „Man kann Bakterien für sich arbeiten schwierigen lassen. Wir bringen sie dazu, Eiweiß zu Bedingungen im produzieren.“ Sattel hält. Dr. Heike Betat, Institut für Fotos: Randy Biochemie/Max-Planck-Institut für Kühn (2) und Evolutionäre Anthropologie, Zelt 4 Armin Kühne
Heft 4/2003 3 Am Rande
Zehn Millionen Euro. Das muss man „Wir erleben nicht nur eine Entpolitisie- „Der Beklagte verpflichtet sich, den sich mal vorstellen. Zehn Millionen rung der Universitäten. Es ist eine Entpo- streitgegenständlichen DVD-Player Euro kann eine Fakultät wert sein. Und litisierung der Gesellschaft. Die Univer- zurückzugeben.“ mehr. Da sage noch einer, Universitä- sitäten können sich nicht auf einer Insel Bei der Gerichtssimulation der ten nagten am Hungertuch. der Politisierung bewegen.“ Juristenfakultät aufgeschnappter Satz Nein, hier ist kein Märchen aus Tau- Prof. Dr. Wolfgang Fach, Institut für * sendundeiner Nacht zu lesen. Unbe- Politikwissenschaft, bei der Prodiums- „Es geht auch im Kühlschrank – aber wir kannte Freunde und Förderer der TU diskussion zum Thema „Wie politisch, sind schneller.“ Dresden boten die von der Schließung wie ökonomisch soll oder darf die Worte eines der Jungchemiker, die mit bedrohte Jura-Fakultät unter der Num- Universität sein?“ Hilfe von Stickstoff „Blitzeis“ herstellten mer „2529797203“ einfach im Inter- * * net-Auktionshaus eBay an – komplett, „Nutzt keine deutschen Internetseiten zur „Und wir haben auch ne bessere Luft, mit Gebäude, Grünpflanzen, 1800 Information über Deutschland. Ihr müsst auch besseres Wasser wieder, nicht? Jetzt Studenten, 70 Professoren und Mitar- der deutschen Sprache entkommen.“ können Sie wirklich wieder durch den beitern sowie der Bibliothek. Andreas Hammer in seinem Vortrag über Park gehen und können durchatmen, das Was wohl für die Leipziger Geowis- seinen USA-Aufenthalt im Rahmen der konnte man früher wirklich nicht.“ senschaften zu erzielen wäre? Astro- Länderpräsentationen in Hörsaal 10, die Auf einer Schautafel dokumentierte nomisch hohe Summen sind vorstell- auch Bestandteil der Internationalen Aussage einer von Kulturwissenschaftlern bar. Und erst die Bauingenieure. Dum- Studentischen Woche waren für das Projekt „Leben in Plagwitz“ merweise weiß man nie, an wen man * befragten Bürgerin sich da verscherbelt. Am Ende sind es „It’s one million miles to the city.“ * irgendwelche Holzmänner. Dann muss Nicht ganz zutreffende Titelzeile eines „Ich habe jetzt ein absolut dummes man plötzlich bei Schröder statt bei Liedes, das beim Bullenreiten im Innen- Experiment gemacht.“ Milbradt um Rettung bitten. hof gespielt wurde Prof. Dr. Josef Käs bei seiner Physik- Harte Zeiten können aber harte Ein- * Experimentalvorlesung. Er hatte gerade schnitte erfordern. Die Leipziger Uni- „Wenn man seinen eigenen Finger rein- versucht, mit einem Laser-Pointer einen versität beispielsweise könnte auch taucht, geht’s dem wie der Bratwurst.“ Tischtennisball zu bewegen. Später über einen Standortwechsel nachden- Prof. Dr. Stefan Berger während seiner demonstrierte er, dass Licht durchaus als ken. Der Auszug aus Prag hat ja ge- Chemie-Experimentalvorlesung, bei der „optische Pinzette“ genutzt werden kann zeigt, dass das erfolgreich laufen er kurz zuvor eine Bratwurst in Stickstoff – für Zellen. kann. Fragt sich nur: wohin jetzt? Zu- getaucht und dann auf dem Boden * rück nach Prag, ins „neue Europa“? zerplatzen lassen hatte „Unser Prof weiß vieles besser. Wär er Nach Asien, der geringeren Personal- * noch hier, wüssten es auch wir.“ kosten wegen? Aber wie sähe das „Kaputt kriegen wir alles.“ Aufschrift auf einem Plakat des aus: die Olympischen Spiele hier, die Prof. Dr. Stefan Winter während seiner StudentInnen-Rates. Sportfakultät auf einem anderen Kon- Moderation der Experimentalvorlesung tinent ... des Bauingenieurwesens Aufgezeichnet von: Carsten Heckmann Nachzudenken wäre auch über die Umwandlung in eine AG. Zwar ist die große Börsenblase geplatzt, aber flüs- siges Kapital gibt es noch genug. An- dererseits sind die Risiken groß. Auf der Aktionärsversammlung könnte der Rektor nicht entlastet werden und der Kurs in den Keller gehen, nur weil die Politikwissenschaftler trotz schlechter Profite nicht abgestoßen würden. Also doch die Dresdner Methode. Aber vorher sollte man mit eBay ver- handeln. Das haben die Dresdner nämlich nicht getan. Mit schwerwie- genden Folgen: Erst durften nicht mehr als zehn Millionen Euro geboten wer- den, dann ging gar nichts mehr. Ein hinterwäldlerischer Auktionator hatte von hochschulreformatorischen Bemü- hungen rein gar nichts mitbekommen und die Auktion abgeblasen. Eine Blitzeis: Die Jungchemiker erfreuten die Besucher mit Eis – selbst gemacht, und Fakultät, hieß es, sei ein „ungültiger zwar in Sekundenschnelle, mit Hilfe von minus 197 Grad kaltem Stickstoff. Foto: Randy Kühn Artikel“. Carsten Heckmann
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war für seinen Kurzeinsatz extra fit ge- spritzt worden (Hexenschuss). Bei Meyns 4:0 war das Spiel längst entschieden. „Der Geist ist willig, aber …“ sinnierte Leipzigs Kapitän Stiehler an der Seitenlinie. Für die Chronisten: Das Spiel endete 5 : 1 für Jena. Der Ehrentreffer fiel in der 28. Minute, Hermann-Josef Gertz verwandelte mit einem trockenen Flachschuss aus halb- linker Position. Der Verlierer Leipzig belegte dennoch Voller Einsatz von Markus Löffler (l.). einen ersten Platz: Die Gastgeber führten die Verletztenliste an. Blessuren hatten davon getragen: Stiehler (Leistenzerrung), Sieler (Bruch des linken Fußes) und Löff- Der Wille war da … ler (Platzwunde auf der Stirn). Den Pokal nahmen die Hallenser wieder mit. Bis zum Fußball: Leipzig als ewiger Dritter Wiedersehen 2004. Wenn immer noch das Motto gilt, das Hans-Jörg Stiehler in seiner Medienforschung schon oft als Floskel Es hat nicht sollen sein. Auch nach dem „Die haben ihr Jubiläum hinter sich, die untergekommen ist und das er kurz vor nunmehr sechsten Professoren-Fußball- lassen nach“, tönte es nun selbstbewusst dem 2003-Anpfiff ausgegeben hatte: „Die Turnier im Universitätsverbund Halle- aus der versammelten Fangemeinde. Das Hoffnung stirbt zuletzt.“ Leipzig-Jena wartet das Leipziger Team kann den Leipzigern 2010 zumindest von Carsten Heckmann weiter auf den ersten Punktgewinn. der Platzierung her wohl nicht passieren. Dabei erwischten die Mannen um Kapitän Aber zurück zum Spiel: In der zweiten Das Team der Universität Leipzig: Hans-Jörg Stiehler beim Heimspiel Mitte 20-Minuten-Hälfte legte Halle, am Rande Prof. Wolf-Dietrich Einicke (Institut für Techni- sche Chemie), Prof. Joachim Sieler (Institut für Mai auf dem Testfeld im Sportkomplex an einer Blamage stehend, eine Schippe drauf. Anorganische Chemie), Prof. Hermann-Josef der Jahnallee einen guten Start. Gerade Mehrere Großchancen reihten sich anein- Gertz (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie), drei Minuten waren im ersten Match der ander, doch Torwart Wolf-Dietrich Einicke Prof. Hans Neumeister (Institut für Geogra- Gastgeber gespielt, da hatte der Links- parierte immer wieder glänzend – und das phie), Dr. Jörg Bär (Institut für Biochemie) Prof. außen Markus Löffler das Führungstor auf ohne Handschuhe! Hans-Jörg Stiehler, (Empirische Kommunika- tions- und Medienforschung), Prof. Markus dem Fuß, doch sein strammer Schuss ver- Der Druck wurde stärker und stärker. Bis Löffler (Institut für Medizinische Informatik, fehlte das gegnerische Gehäuse knapp. ihn Leipzigs linker Verteidiger Hans Neu- Statistik und Epidemiologie), Prof. Dietmar Immerhin: Der Underdog hatte ein kräfti- meister im direkten Körperkontakt zu Schneider (Klinik und Poliklinik für Neurolo- ges Kläffen von sich gegeben, das die Hal- spüren bekam. Neumeister beschrieb die gie), Prof. Martin Busse (Institut für Sportme- lenser durchaus beeindruckte. Zwar be- Situation später wie folgt: „Ich wurde von dizin), Prof. Volker Bigl (Ehem. Rektor), Prof. Franz Häuser (Rektor), Peter Stüwe, Dekanats- stimmten die Gäste aus Sachsen-Anhalt hinten geschubst – und konnte dann nicht rat Sportwissenschaftliche Fakultät) fortan das Spielgeschehen, echte Akzente mehr ausweichen, keine Chance.“ Es war konnten sie aber nicht setzen. Manch einer passiert. Flanke von links, Kopfball Neu- Rektor Häuser am Ball. Fotos: C. Busse rieb sich verwundert die Augen, hatte Halle meister, Tor – Eigentor. doch sein Auftaktspiel gegen Jena mit 2 :1 Hatten jahrelange Beobachter bis dahin gewonnen und somit den Grundstein zur klare Fortschritte gegenüber vorherigen Titelverteidigung gelegt. Auftritten der Leipziger ausgemacht – jetzt Die zwei Dutzend Zuschauer spürten, dass schien die Moral dahin. Oder die Kondi- eine Überraschung zum Greifen nahe war. tion. Oder beides. Jedenfalls brachte Halle Erste Sprechchöre waren zu vernehmen: das glückliche 1: 0 locker über die Zeit und „Leipzig vor, noch ein Tor.“ Nicht, dass die stand somit als Turniersieger fest. Mannschaft schon eines geschossen gehabt Im bedeutungslos gewordenen zweiten hätte. Wie auch immer: Die Stimmung war Spiel gegen Jena griffen denn auch die von gut in der Fankurve. So fiel denn auch nicht den Zuschauern bereits zuvor geforderten weiter ins Gewicht, dass das neue Zentral- Herren Franz Häuser und Volker Bigl ins stadion nicht rechtzeitig zum Hochkaräter- Geschehen ein. Rektor und Alt-Rektor ge- Treffen fertig geworden war. meinsam in vorderster Front. Ein durchaus Dafür gab’s neue Trikots in Leipzigs Stadt- geschickter Schachzug, möchte man mei- farben gelb-blau. Und die schienen zu be- nen – aber kein erfolgreicher. Denn Jenas flügeln. Der äußerst starke Löffler ließ Rektor Karl-Ulrich Meyn war an diesem nach einer Viertelstunde im wahrsten Sinne Tag blendend aufgelegt und erzielte gleich des Wortes aufhorchen, mit einem Latten- zwei Treffer. Bei seinem 1: 0 hatte Franz knaller erster Güte. Häuser das Feld schon wieder verlassen. Er
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Ode an das Recht Rückblick auf die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Hans-Dietrich Genscher
Ein Lob ist soviel wert wie der Mensch, der es ausspricht. Miguel de Cervantes (1547–1616), span. Dichter
Die Musiker hatten es nicht leicht. Da hat- ten sich am frühen Abend des 6. Mai Dut- zende Ehrengäste im Festsaal des Alten Rathauses zu Leipzig versammelt. 60 Jour- nalisten kamen hinzu. Einige von ihnen tauchten die Szenerie in gleißendes Scheinwerferlicht. Von Minute zu Minute stieg die Luftfeuchtigkeit an. Schweißper- len waren nicht länger als ein Zeichen von Nervosität zu werten. Vor allem aber ließ das Ganze auch die Instrumente nicht kalt: Die Mitglieder des „Ensemble Resonanza“ mussten sie immer wieder aufs Neue stim- men. Um anschließend immer wieder virtuos aufzuspielen. Der Ehrengast unter den Ehrengästen Prominenz in der ersten Reihe (v. r.): Dekan Oldiges, Ehrendoktor Genscher mit Gattin, Festredner Gorbatschow, Rektor Bigl mit Gattin und Oberbürgermeister wusste das zu schätzen, bedankte sich spä- Tiefensee. Foto: Dietmar Fischer ter persönlich bei den jungen Musikern. „Ich habe es als feinfühlig und taktvoll empfunden, dass der Hallenser Händel gleich zweimal zu Gehör gebracht wurde“, Der Text der Urkunde sagte der Hallenser Hans-Dietrich Gen- „Unter dem Rektorat des Professors für Deutschlands und für die Sicherung des scher. Eine Stunde zuvor hatte er aus den Neurochemie Dr. med. Volker Bigl und Friedens in Europa den Grad und die Händen von Professor Martin Oldiges, De- dem Dekanat des Professors für Öffent- Würde eines Doktors der Rechte ehren- kan der Juristenfakultät, die Urkunde ent- liches Recht Dr. iur. utr. Martin Oldiges halber (Doctor iuris honoris causa – Dr. gegen genommen, die ihn als Ehrendoktor verleiht die Juristenfakultät der Univer- iur. h.c.).“ eben dieser Fakultät ausweist. Eine Aus- sität Leipzig ihrem früheren zeichnung, die Genscher „ehrenvoll und Studenten Dr. h.c. mult. mich tief anrührend“ nannte. Seine Dan- Hans-Dietrich Genscher, kesworte gerieten zum Teil selbst zu klei- Bundesminister a. D. der nen Lobeshymnen, vor allem auf die Bundesrepublik Deutsch- „Olympiastadt Leipzig“ und deren „altehr- land, in Würdigung seiner würdige Universität“. vielfältigen Verdienste als „Leipzig hat sich immer als Stadt des Minister der Bundesrepu- Rechts verstanden“, sagte der Bundes- blik Deutschland und in be- außenminister a. D. und verwies auf die sonderer Anerkennung sei- Fortführung dieser Tradition mit der An- ner außergewöhnlichen Lei- siedlung des Bundesverwaltungsgerichts stungen und hervorragen- und des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- den Verdienste um die hofes. „Es hätte Geschichtsbewusstsein Schaffung einer völker- ausgedrückt, wenn auch das Bundesverfas- rechtlichen Grundlage für sungsgericht seinen Sitz in Leipzig hätte Prof. Oldiges überreichte Hans-Dietrich Genscher die die Wiedervereinigung nehmen können“, erklärte Genscher wei- Ehrendoktor-Urkunde. Foto: Armin Kühne
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ter. Der 76-Jährige knüpfte auch an die auslautende -er bei Genscher nicht unbe- Laudatio von Prof. Oldiges an. Einmal, dingt überzeugend erklärt. indem er über sein Erstes Staatsexamen an Im Deutschen ist zwar auch der Familien- der Universität Leipzig sprach – abge- name Genser „Gänserich“ bezeugt (J. K. schlossen mit der mündlichen Prüfung am Brechenmacher, Etymologisches Wörter- 5. Oktober 1949, zwei Tage vor Gründung buch der deutschen Familiennamen, Bd. 1, der DDR, was Genscher heute noch sym- Limburg (Lahn) 1957–1960, S. 546), aber bolisch wichtig ist. Zum zweiten, indem er in diesem Fall befriedigt das Verhältnis aus dem 2+4-Vertrag zitierte, den er mit Genser – Genscher nicht restlos. ausgehandelt hat. Wichtig sind ältere Belege des Namens. In Dieser Vertrag, der den Weg zur deutschen der ca. 2 Milliarden Eintragungen umfas- Einigung endgültig frei machte, sei „wie senden Namendatei der Mormonen in Salt kaum ein anderer eine Meisterleistung Lake City (Internet: familysearch.org) fin- völkerrechtlicher Friedensbemühungen“, den sich drei Nachweise: Josephus Gen- hatte zuvor Martin Oldiges konstatiert. Er scher, geboren 1777 in Niederösterreich, sprach von einer „Ehrung für ein Friedens- Caspar Genscher, geb. 1689 Rosenberg werk“, zu der sich die Juristenfakultät ent- (Schlesien), Carolus Genscher, geb. 1723 schlossen habe. Und er verglich Genscher Rosenberg (Schlesien). mit Goethe: Beide hätten sich nach dem Diese Namen erinnern an poln. Gąsiór Studium zunächst „brav als Rechtsanwalt“ „Gänserich“, das in dt. Familiennamen wie niedergelassen, in diesem Beruf aber Ganschur, Ganschior, Ganschier, Gonsior, „keine nennenswerte Karriere“ gemacht Gonsier häufig bezeugt ist. und seien Minister geworden. Redner Michail Gorbatschow bei seiner Fest- Im Fall von Genscher sprechen die ältesten Oldiges erntete an dieser Stelle nicht zum ansprache. Foto: Armin Kühne bisher bekannten Belege aus Schlesien für einzigen Male ein Publikumsschmunzeln. eine frühe Eindeutschung eines aus Schle- Den Reaktionen der Gäste war ohnehin im- An einem von jenen Werten bestimmten sien stammenden polnischen Namens. Ein mer mal wieder zu entnehmen, dass die Europa arbeitet der rastlose Diplomat gerade erschienenes Verzeichnis (K. Ry- würdevolle Feier durchaus Unterhaltungs- weiterhin mit. Wie auch sein „Freund Gor- mut, Słownik nazwisk współcześnie w wert besaß. batschow“. Der brachte es auf den Punkt: Polsce używanych, CD-ROM, Kraków Genscher und Goethe also. Und noch ein „Richtige Rentner sind wir nicht geworden, 2003, S. 3058) verzeichnet den Familien- bedeutender Mann mit G bestimmte die nicht wahr, Hans-Dietrich?!“ namen Gęsior in Polen (vor allem im Süd- „hochansehnliche Festversammlung“, die Carsten Heckmann westen und in Schlesien) 214-mal. Zu- Rektor Volker Bigl begrüßt hatte: Michail grunde liegt poln. gęsior „Gänserich“, eine Gorbatschow. Keinen Besseren hätte man Variante von gąsior (als Familienname sich vorstellen können als Redner zum 11980-mal bezeugt), wobei die Ausspra- Thema „Hans-Dietrich und ich …“. Gen- NOMEN che eines von -i- gefolgten -s- zu einer scher war der erste westliche Politiker, von -sch-ähnlichen Realisierung neigt. Bei frü- dem Gorbatschow sich mit seiner Peres- Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zur her Eindeutschung wird zudem das auslau- troika-Politik verstanden fühlte. „Und er Herkunft des Namens „Genscher“ tende -or zu -er abgeschwächt. handelte aus Verantwortungsgefühl, nicht Der Name wird sich demnach wohl auf aus Taktik“, so der ehemalige sowjetische Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern einen Gänsehirten bezogen haben. Staatschef in seiner Festansprache. (Stand: 1998; neuere CD-ROMs sind aus Das genaue Gegenteil unterstellte Gorbat- Datenschutzgründen schlecht zu verarbei- schow dem derzeitigen US-Präsidenten ten) ist der Name Genscher 56-mal be- George Bush, dessen Irak-Feldzug er gei- zeugt. ßelte. „Amerika braucht seine eigene Pere- Die Verbreitung des Namens zeigt, dass der stroika“, erklärte er. Frieden könne es nicht Name locker über Norddeutschland ver- geben, wenn jemand seinen Erfolg in streut ist. Leichte Konzentrationen sind bei einem Triumph über andere sehe. Das sei Halle, in Sachsen und im Ruhrgebiet zu die wichtigste Lektion Hans-Dietrich Gen- beobachten (siehe Karte rechts). Das schers – eine Aussage, für die Gorbatschow spricht mit einiger Wahrscheinlichkeit für viel Applaus bekam. Zuwanderung aus dem Osten. Der Frieden, die Freiheit, das Recht. Dies Nach R. Zoder, Familiennamen in Ost- waren die bestimmenden Werte an diesem falen, Bd. 1, Hildesheim 1968, S. 559 ge- Abend. Werte, die dem Ehrendoktor Gen- hört der Familienname Genscher zu scher immer am Herzen lagen und liegen Gensch, Genß, Gentsch, Jentsch, Jentzsch, werden. Dem „deutschen Glücksfall“, wie einer slavischen Form für „Johannes“. Ge- ihn Bundespräsident Johannes Rau in legentlich wird auch eine mundartliche einem von Martin Oldiges verlesenen obersächsische Form Gensch „Gänserich“ Grußwort bezeichnete. herangezogen. In diesem Fall wird aber das
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„Sauklaue“ gab Rätsel auf Gästebucheinträge von Genscher und Gorbatschow nur schwer zu entziffern
Als „Sauklaue“ wurde sowohl die Hand- schrift Hans-Dietrich Genschers als auch die Michail Gorbatschows in der „Leipzi- ger Volkszeitung“ bezeichnet. Aus gutem Grund, denn lange musste gerätselt wer- den, was die beiden hohen Herren denn nun genau in das Goldene Buch der Stadt Leipzig und in das Gästebuch der Univer- sität geschrieben hatten. Die untenstehen- den Fotos zeigen die Eintragungen in das Gästebuch. Genscher schrieb: „Hans-Dietrich Gen- scher mit bestem Dank und großem Res- pekt für die altehrwürdige Universität Leipzig“. Gorbatschows Eintrag lautet in der Übersetzung: „Ich grüße die berühmte Leipziger Universität, die Herausragendes zur Entwicklung des Wissens und der Kul- tur beigetragen hat.“ Wobei Dr. Hans Bach, Lehrbeauftragter am Institut für Romanis- tik, den Text anders transkribieren und daher mit einer anderen Nuancierung über- Gorbatschow und Genscher trugen sich im Alten Rathaus in das Gästebuch der setzen würde: „Ich grüße die berühmte Universität und in das Goldene Buch der Stadt ein. Hinten im Bild (v. l.): Prof. Leipziger Universität, ich hebe hervor Häuser, Prof. Oldiges, Prof. Bigl, Ministerpräsident Milbradt, Oberbürgermeister Tiefensee. Foto: Dietmar Fischer ihren herausragenden Beitrag zur Entwick- lung des Wissens und der Kultur.“
Gorbatschows Eintrag im Gästebuch. Genschers Eintrag im Gästebuch. Fotos: Randy Kühn
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Das Jahr 2002 war für die Universitäts- die Zahl der – neben oder parallel zu den bibliothek Leipzig (UBL) alles in allem ein gedruckten Zeitschriften – elektronisch gutes Jahr. Zwei wichtige Ereignisse stan- bereit gestellten Zeitschriften erhöhte. Die Ende gut den im Mittelpunkt: Zum einen die Situation auf dem Sektor der Datenbanken Wiedereröffnung der Bibliotheca Albertina konnte durch Sondermittel für alle Fach- nach zehnjähriger Wiederaufbauzeit am gebiete spürbar verbessert werden. – alles 24. Oktober 2002 – exakt 111 Jahre nach Die Angehörigen der Universität Leipzig der Ersteröffnung im Jahre 1891. Damit nehmen das Angebot der UBL von neuen waren – wie in den Jahren zuvor – die um- Medien immer stärker an: Die Nutzung gut?! fangreichen Bestandsverlagerungen aus dieser Datenbanken nahm weiter zu: Allein der Zweigstelle am Augustusplatz und der die Zahl der Volltextzugriffe über die Die Entwicklung weitere Aufbau der Freihandbereiche Elektronischen Zeitschriftenbibliothek ebenso verbunden wie die Umzüge der (EZB) stieg in 2002 auf 74 976 (2001: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre 53 852), d. h. auf 205 (2001: 147) Zugriffe der Universitäts- endgültigen, schönen Diensträume. pro Tag. Die Zahl der Recherchen, die die Zum anderen wurden alle Teile der UBL Wissenschaftler mit Hilfe der Informa- bibliothek und insbesondere die Mitarbeiter vom tionsvermittlungsstelle im Hochschulbe- „LIBERO-Fieber“ erfasst: Die Einführung reich der UBL durchführte, ging dagegen Von Dr. Ekkehard Henschke, der landesweit übernommenen integrierten drastisch weiter zurück. Diesen Trend ha- Direktor der Bibliothek lokalen Bibliothekssoftware LIBERO der ben die UBL durch Hilfe zur Selbsthilfe australisch-deutschen Firma LIB-IT er- der Benutzer und die Datenbank-Anbieter folgte am 1. 7. 2002 in der UBL mit dem durch verbesserte Oberflächen bewusst Start von zunächst zwei Modulen. Die Aus- verstärkt. leihe und die Katalogisierung wurden an Die konventionelle Benutzung der UBL jenem Tage auf die neue Software umge- nahm im Jahr 2002 ab, was weitgehend den stellt. Zugleich wurde in der Bibliotheca Service-Einschränkungen in der Haupt- Albertina die Aufbauorganisation im Be- bibliothek und der zweimonatigen Schlie- reich „Buchbearbeitung“ durch die Schaf- ßung der Zweigstelle am Augustusplatz fung von Arbeitsgruppen – statt der bisher (wegen der Bestandsverlagerungen) ge- streng arbeitsteilig arbeitenden Dienststel- schuldet war. In 2002 wurden nur 806 052 len – verändert, was auch Auswirkungen Bände (2001: 920 333) im gesamten Sys- auf die anderen Bereiche hatte. tem ausgeliehen.
Zahlen und Trends Schwerpunkte der Arbeit In dem Bibliothekssystem, in dem Ende Die Schwerpunkte der Arbeit lagen im ver- 2002 neben der Bibliotheca Albertina noch gangenen Jahr auf baulichen und organi- 40 Zweigstellen und zwei Außenmagazine satorischen Gebieten. Von der Einführung organisiert waren, gab es 4 956 655 (2001: von LIBERO waren alle Mitarbeiter in der 4 895 379) Bände bzw. 5165 199 (2001: Hauptbibliothek sowie in den Zweigstellen 5 101 724) Medieneinheiten und 7 762 betroffen. (2001: 7 809) laufend gehaltene gedruckt Die Umzüge der Mitarbeiter nahmen ein Zeitschriften und Zeitungen. Der um die Ende. Noch keinen Abschluss fanden die Aussonderungen bereinigte Zugang betrug Umzüge von Büchern und Zeitschriften- im vergangenen Jahr nur noch 62 273 Bänden in die Magazine und Freihandbe- (2001: 67 938) Bände bzw. 64502 (2001: reiche der Bibliotheca Albertina. Die um- 69 815) Medieneinheiten. fangreichen Bestandsverlagerungen aus Damit setzte sich als Folge der geringeren der Zweigstelle am Augustusplatz und aus Erwerbungsmittel der Abwärtstrend beim dem Außenmagazin in der Prager Straße Zugang fort. Waren es 2001 noch 3 621 093 gehen auch im laufenden Jahr 2003 weiter. Euro, die insgesamt für Erwerbungs- Erfreulich war der Einzug der theolo- zwecke zur Verfügung standen, so waren es gischen Zweigstelle in die ehemaligen 2002 nur noch 3 592 622 Euro. Bedenklich Räume der Zweigstelle Rechtswissen- ist der hohe Anteil von 38% „Fremd-“Mit- schaft, so dass jetzt beide Zweigstellen teln, die 2002 zur Verfügung gestellt wur- adäquat untergebracht sind und ihre Be- Bei nebenstehendem Text handelt es den und somit einen Kollaps der Literatur- stände in freundlichen Räumen weitest- sich um eine gekürzte Fassung des und Informationsversorgung der Univer- gehend in systematischer Freihandaufstel- UBL-Jahresberichts. Den gesamten sität vermeiden half. lung präsentieren können. Die Freihan- Bericht inkl. Statistiken finden Sie im Zugleich verbesserte sich kurzfristig die dumstellungen in den anderen Zweigstel- Internet: www.ub.uni-leipzig.de Gesamtbilanz bei den Zeitschriften, da sich len liefen in 2002 weiter.
Heft 4/2003 9 UniVersum | Gremien
Personalräte neu gewählt Doppelter Druck Seit Anfang Mai gibt es an der Universität ker, Inst. f. Psychologie), Martina Otto Leipzig einen zweiten örtlichen Personal- (Sachbearbeiterin, Dezernat 2), Ute Oß- Sitzung des rat. Neben dem Personalrat Hochschulbe- wald (Verwaltungsangestellte, Herder-Ins- reich wurde erstmals auch der Personalrat titut), Dr. Annemarie Heyder (wiss. Mitar- der Medizinischen Fakultät gewählt. beiterin, Erziehungswiss. Fak.) Senats am Der frühere „Personalrat Bereich Medizin“ Für die Gruppe der Arbeiter: konnte nicht unverändert fortgeführt wer- Andreas Müller (Betriebshandwerker, De- 8. April 2003 den. Das Sächsische Hochschulmedizinge- zernat 4), Ralf-Peter Dobroschke (MTA, setz schreibt wegen der unterschiedlichen Veterinärmed. Fak.) Rene Schuhmacher Rechtsform von Klinikum und Fakultät die (Tierpfleger, Veterinärmed. Fak.) 1. Der Senat befasste sich mit Berufungs- Trennung der Interessenvertretung vor. Da- angelegenheiten; das betraf Ausschreibung mit entstand die Frage, ob die Angehörigen Erreichbar ist der Personalrat Hochschul- und Berufungskommission für „Betriebs- der Medizinischen Fakultät mit durch den bereich per Tel. unter 0341 / 973 0070, per wirtschaftslehre, insbesondere externe Personalrat Hochschulbereich vertreten Mail unter [email protected] Unternehmensrechnung und Wirtschafts- werden wollen oder für ihre Einrichtung Postadresse: prüfung“ (C4) sowie die Beendigung des einen eigenen Personalrat vorziehen. In der Universität Leipzig Berufungsverfahrens für „Krankenhaushy- hierzu durchgeführten Abstimmung spra- Personalrat Hochschulbereich giene“ (C3), nachdem die Abarbeitung der chen sich die Mitarbeiter der Medizini- Augustusplatz 10/11 Berufungsliste zu keinem Ergebnis geführt schen Fakultät für eine Verselbstständi- D-04109 Leipzig hat. Zustimmend zur Kenntnis genommen gung aus. Aus dieser Sachlage resultiert Weitere Informationen im Internet un- wurde der Antrag der Medizinischen Fa- gleichzeitig die Wahl eines nun für die Uni- ter: kultät, PD Dr. med. dent. Hans-Ludwig versität insgesamt zuständigen Personal- www.uni-leipzig.de/~prhsb/ Graf das Recht zur Führung der Bezeich- rats, eines Gesamtpersonalrats. Diese Wahl nung „außerplanmäßiger Professor“ zu findet am 1. Juli statt. Die Beschäftigten In den Personalrat der Medizinischen Fa- verleihen. der Universität wählten bzw. wählen also kultät wurden gewählt: 2. Der Senat beriet im Zusammenhang der in diesem Jahr erstmalig drei Personalräte: Vorsitzender: vorgesehenen Umbenennung des Zen- den jeweiligen örtlichen Personalrat Dr. Günther Fitzl (Institut für Anatomie) trums für Medien und Kommunikation (Hochschulbereich bzw. Med. Fakultät), Für die Gruppe der Beamten: (ZMK) in Medien-Kompetenz-Zentrum, den Gesamtpersonalrat der Universität und Dipl.-Biol. Edelgard Kolbe (Max-Bürger- die mit einer Aufgabenerweiterung, so z. B. den Hauptpersonalrat beim Sächsischen Forschungszentrum) auf dem Gebiet Multimedia/Distance Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Für die Gruppe der Angestellten: Learning, verbunden ist, über das erforder- Letzterer existiert auf Landesebene unver- Dr. Katrin Behrends (Klinik f. Anästhesie liche kooperative Grundkonzept und die ändert fort. C. H. und Intensivth.), Dr. Thomas M. Goerlich Einbeziehung der Fakultäten. Da von den (Klinik f. Anästh. und Intensivth.), Dr. Bär- Dekanen hier noch Nachholbedarf fest- In den Personalrat Hochschulbereich wur- bel Gläser (Verwaltungsleitung), Heidrun gestellt wurde, wurde die Bildung einer den gewählt: Holland (Inst. f. Humangenetik), Sylvia Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Grün- Vorsitzende: Jungmann (Paul-Flechsig-Institut) dung eines Medien-Kompetenz-Zentrums Dr. Karin Eulenberger (wiss. Mitarbeiterin, Petra Metz (Inst. f. Biochemie), Dipl.-Med. unter Leitung des Prorektors für Forschung Veterinärmed. Fak.) Heidemarie Pfeiffer (Klinik f. Urologie), und wissenschaftlichen Nachwuchs be- Für die Gruppe der Beamten: Thilo Schallawitz (HNO-Klinik) schlossen. Die Fakultäten werden aufge- Dr. Silvia Blaschzik (wiss. Mitarbeiterin, Dr. Jens Teichert (Inst. f. Klin. Pharmako- fordert, jeweils ein Mitglied in diese Ar- Veterinärmed. Fak.), Dr. Bernd Hoffmann logie), Dr. Bernd Vorberg (Inst. f. Klin. beitsgruppe zu entsenden. (Lehrkraft für besondere Aufgaben, Sport- Chemie und Lab.-Med.) 3. Der Senat bestätigte die von der Pro- wiss. Fak.) Für die Gruppe der Arbeiter: rektorin für Lehre und Studium einge- Für die Gruppe der Angestellten: Evelin Studera (Med. Exp. Zentrum) brachte Vorlage zu den Zulassungsbe- Dr. Bernd Bendixen (wiss. Mitarbeiter, schränkungen und Zulassungszahlen für Philologische Fak.), Wolfram Fritzsche Erreichbar ist der Personalrat der Medizi- das Akademische Jahr 2003/2004. Mit (techn. Angestellter, Fak. f. Physik), Mar- nischen Fakultät unter der Philosophie und Sport (Lehramt Mittel- len Balling (Innenrevisorin), Wolfgang Fax-Nr. 0341/97 25 909 oder per E-Mail: schulen) wurden weitere Fächer mit einem Keller (Lehrkraft für besondere Aufgaben, [email protected] universitätsinternen Numerus clausus be- Studienkolleg Sachsen), Karl-Frieder Postadresse: legt. Netsch (Diplombibliothekar, Universitäts- Personalrat Medizinische Fakultät 4. Der Senat stimmte über die Schließung bibliothek), Wolfgang Löhrmann (Techni- Liebigstraße 27, 04103 Leipzig des Instituts für Logik und Wissenschafts-
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theorie ab. Dabei wurde ein Abstimmungs- 6. Der Senat stimmte der Angliederung 2. Der Senat stimmte dem Antrag der ergebnis von 17 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stim- der Stiftungsprofessur „Stadtentwicklung“ Theologischen Fakultät zu, PD Dr. theol. men und 9 Stimmenthaltungen erzielt. Wie an das Institut für Baubetriebswesen und habil. Gerhard Graf das Recht zur Führung das Ergebnis aufgrund der unterschied- Bauwirtschaft zu. der Bezeichnung „außerplanmäßiger Pro- lichen Auffassungen des Ministeriums für 7. Der Senat nahm den Bericht über die fessor“ zu verleihen. Wissenschaft und Kunst und der Univer- Evaluierung des Zentrums für Kognitions- 3. Der Senat nahm die Beschlüsse der Fa- sität zur Bewertung von Stimmenthaltun- wissenschaft, das als erstes Teilzentrum kultäten für Physik und Geowisenschaften gen zu beurteilen ist, muss bis zur nächsten des Zentrums für Höhere Studien bewertet und für Biowissenschaften, Pharmazie und Senatssitzung geklärt werden. wurde, zur Kenntnis. In dem Bericht der Pychologie zustimmend zur Kenntnis, 5. Der Senat befasste sich nach Informa- externen Arbeitsgruppe werden die Dritt- Prof. Dr. Peter Fritz, Wissenschaftlicher tionen von Rektor Prof. Bigl und Prorektor mitteleinwerbung und die Publikationsleis- Geschäftsführer des Umweltforschungs- Prof. Häuser über Gesprächskontakte in tung und generell die Interdisziplinarität in zentrums Leipzig-Halle, gemeinsam die Dresden mit dem Entwurf der Vereinba- Forschung, Nachwuchsförderung und bei Ehrendoktorwürde zu verleihen. Damit rung über die Entwicklung bis 2010 zwi- der Konzipierung eines gemeinsamen Ba- sollen sowohl seine besonderen Verdienste schen den Hochschulen und der Sächsi- chelor-Studienganges hervorgehoben. In um das von ihm vertretene Wissenschafts- schen Staatsregierung. Deutlich wurde, Bezug auf die Beendigung des kognitions- gebiet Geologie/Isotopenhydrogeologie als dass die Universität Leipzig unter einem wissenschaftlichen Promotionskollegs er- auch seine Leistungen als international doppelten Druck steht: zum einen durch klärte der Senat allerdings noch Informa- herausragender und anerkannter Wissen- den Hinweis aus dem Ministerium, dass tionsbedarf. schaftsorganisator gewürdigt werden. Finanzierungszusagen, wie sie in der 8. Der Senat bestätigte die Aufnahme von 4. Der Senat wiederholte nach der Klä- Hochschulvereinbarung enthalten sind, nur Senator PD Dr. Tröger in die Kommission rung, wie bei der vorangegangenen Ab- bei einer Unterzeichnung gelten; zum an- Lehre, Studium, Prüfungen und insgesamt stimmung Stimmenthaltungen zu bewerten deren durch die Sorge der anderen Univer- die personelle Zusammensetzung dieser sind, die Abstimmung zur Schließung des sitäten, eine ablehnende Leipziger Haltung Senatskommission. Instituts für Logik und Wissenschaftstheo- könne den „Hochschulkonsens“ insgesamt 9. Die Mitgliedergruppe Akademische rie und beschloss mit 18 Ja- und 12 Nein- gefährden. Ungeachtet dessen wurde im Mitarbeiter im Senat wählte Frau Nannette Stimmen bei einer ungültigen Stimme die Senat erheblicher Klärungsbedarf konsta- Ruß von der Juristenfakultät zum Mitglied Schließung. Eine Entscheidung über die tiert, und er begrüßte die Absicht von Pro- des Ordnungsausschusses, der damit voll- Aufhebung des Studienganges Logik und rektor Häuser, die offenen Fragen im zählig ist. Wissenschaftstheorie wurde für die Zusammenhang der Strukturvorgaben in nächste Senatssitzung vereinbart, nachdem einem Brief an den Staatsminister zur Prof. Dr. V. Bigl V. Schulte der Dekan der Fakultät für Sozialwissen- Sprache zu bringen. Rektor Pressesprecher schaften und Philosophie die Ausarbeitung einer tragfähigen Konzeption für die vor- läufige Integration des Studienganges in das Institut für Philosophie zusagte. 5. Der Senat beschloss, die Entscheidung über die Schließung der Abteilung Nieder- landistik und des entsprechenden Studien- ganges zurückzustellen, um einen in letz- Beschluss über ter Minute gemachten Finanzierungsvor- schlag aus dem Ausland prüfen zu können. 6. Der Senat stimmte den vom Prorektor Institutsschließung für strukturelle Entwicklung und dem Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Sitzung des Senats Fakultät eingebrachten Vorlagen zu, das Institut für Software- und Systementwick- lung zu schließen und die Professuren dem am 13. Mai 2003 Institut für Wirtschaftsinformatik zuzuord- nen sowie die Professuren für Wirtschafts- informatik neu zu ordnen. 1. Die Sitzung des Senats, letztmalig von für die Juniorprofessuren „Entwicklungs- 7. Der Senat bestätigte Frau Prof. Dr. Eva- Rektor Volker Bigl geleitet, befasste sich ökonomie unter besonderer Berücksichti- marie Hey-Hawkins als Nachfolgerin von mit Berufungsangelegenheiten; im Einzel- gung von Klein- und Mittelunternehmen“ Prof. Welzel und Prof. Dr. Elmar Brähler nen betraf dies Ausschreibung und Be- und „Medizinische Soziologie mit dem als Nachfolger von Prof. Arnold in der For- rufungskommission für „Anglistische Schwerpunkt: Soziodemographische Be- schungskommission sowie Prof. Brähler Sprachwissenschaft (synchron und dia- völkerungsentwicklung und medizinisch- auch als Nachfolger von Prof. Arnold in chron)“ (C4), „Wirtschaftsinformatik, ins- technischer Fortschritt“ sowie den Beset- der Graduiertenkommission. besondere Softwareentwicklung für Wirt- zungsvorschlag für die Juniorprofessur schaft und Verwaltung“ (C4), „Public „Alte Geschichte unter besonderer Berück- Prof. Dr. F. Häuser V. Schulte Health“ (C3), „Anthropogeographie“ (C4), sichtigung der Römischen Kaiserzeit“. Rektor Pressesprecher
Heft 4/2003 11 Forschung
Wider die Langeweile ... Kommunikationswissenschaftler erforschen das DDR-Fernsehen
Von Juliane Eichler
Vor über einem halben Jahrhundert begann die DDR mit der Testphase für den ersten eigenen Fernsehsender. Drei Jahre später – am 3. Januar 1956 – wurde der Deutsche Fernsehfunk offiziell in Betrieb genom- men. 1969 folgte dann der zweiter Sender. Nach der Wiedervereinigung von DDR und BRD wurden diese beiden Programme im Dezember 1990 zur sogenannten DFF- Länderkette zusammengefasst, bevor sie Ende des darauffolgenden Jahres endgültig einstellt wurden. Von Anfang an war die Entwicklung dieses neuen Massenmediums eng mit politischen und kulturellen Tendenzen verbunden. Die ideologische Systemauseinandersetzung beider deutscher Staaten war stets von zen- traler Bedeutung. Im Osten wie im Westen wurde das Fernsehen insbesondere wäh- rend des kalten Krieges genutzt, um den kontrastiven Dialog auch über die inner- deutsche Grenze hinaus zu führen. Von Be- ginn an als „Bildungsfernsehen“ genutzt, bewirkte das Klagen Erich Honeckers über eine „bestimmte Langeweile“ im DDR- Fernsehen 1972 eine umfassende Pro- grammreform und dass das Programm mehr auf Unterhaltung ausgerichtet wurde. Dies sollte verhindern, dass die Zuschauer die Sendungen des „Klassenfeindes“ be- vorzugt sahen, denn man wollte die Mas- senwirksamkeit nutzen um die eigenen Sinnbild des DDR-Kinderfernsehens: der Sandmann. Vor 40 Jahren entstand in politischen Botschaften der Bevölkerung beiden Teilen Deutschlands die Idee, Kinder abends mit einer Fernsehfigur ins zu vermitteln. Bett zu schicken. Die DDR gewann den Wettlauf: Am 22. 11. 1959 hatte der Im Gegensatz zum DDR-Fernsehen liegen Sandmann seinen ersten Auftritt. Knapp zwei Wochen später strahlte der Sender bereits zahlreiche Untersuchungen zur Freies Berlin sein erstes Sandmännchen aus. Heute wird der Sandmann von den Rundfunkanstalten ORB, MDR, SFB und NDR produziert und ausgestrahlt. Der Programmgeschichte des westdeutschen Ost-Sandmann hat sich gegen sein West-Pendant durchgesetzt. Foto: MDR Fernsehens vor. Seit Juni 2001 bemühen sich daher etwa 30 Wissenschaftler, Nach- versität Leipzig (Institut für Kommunika- Ende des DFF 1991. Wichtige Komponen- wuchs-Forscher und Studenten, das Me- tions- und Medienwissenschaft). ten bei der Analyse sind Einzelsendungen, dium Fernsehen in der Zeit der DDR von Ziel des Projektes, das in Kooperation mit das Programm, der Sendeplatz, Verbrei- zahlreichen Seiten zu beleuchten. An dem den Deutschen Rundfunkarchiven in Pots- tungsgebiet, technische Reichweite und DFG-Projekt „Programmgeschichte des dam/Babelsberg und Frankfurt/Main sowie Stellenwert des Programms in der Bevöl- DDR-Fernsehens – komparativ“ beteiligen dem Bundesarchiv Berlin/Koblenz reali- kerung. Der Schwerpunkt liegt insbeson- sich die vier ostdeutschen Hochschulen siert wird, ist eine strukturierte und ver- dere auf Formaten mit unterhaltendem Humboldt Universität Berlin, Martin-Lu- gleichende Forschung und Erforschung der Charakter, doch auch die dramatischen und ther Universität Halle, die Hochschule für Programmgeschichte des Fernsehens in publizistischen Genres werden in die Film und Fernsehen Potsdam und die Uni- der DDR von den Anfängen 1952 bis zum Untersuchungen mit einbezogen.
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Das Projekt unterteilt sich in neun For- schriften, wie „FF-dabei“ und „Eulenspie- Eduard von Schnitzler Seine Dokumen- schungsgruppen mit den Themen „Heitere gel“ sowie Interviews von Zuschauern bil- tationen und Auslandsreportagen wurden Dramatik“, „Große Show/Unterhaltungs- den die Grundlage für die Analysen. als Propagandamittel analysiert, wobei sendungen“, „Literaturverfilmungen/Fern- Aus den ersten Ergebnissen geht die Fälschungen des Dokumentar-Materials sehdramatik“, „Familienserien“, „Kinder- herausragende Bedeutung der Alltags- nachgewiesen werden konnten. fernsehen“, „Rezeptionsgeschichte“, „Pro- strukturen für die Fernsehgewohnheiten Für den gesamten Untersuchungszeitraum grammentwicklung“, „Dokumentarfilm“ der DDR-Bürger und ihren Wunsch nach wird die Einbindung dokumentarischer und „Sportfernsehen“. Die hiesige Alma Unterhaltung in den 70er und 80er Jahre Filme in das Abendprogramm des DDR- Mater ist an vier Teilprojekten beteiligt, die hervor. Das Angebot im Fernsehen lieferte Fernsehens untersucht. hier kurz vorgestellt werden. die Möglichkeit, den Alltag zurückzulas- sen, gab Gesprächsstoff und entwarf Vor- Sportfernsehen Programmentwicklung bilder. Das DDR-Fernsehen verstand sich als gesellschaftliches Sprachrohr, durch Die Untersuchungen konzentrieren sich Der Fokus dieses Teilprojektes liegt auf welches es mit seinen Zuschauern in Kon- auf Herausbildung, Stabilisierung und Ver- Fragestellungen wie: Welchen Einfluss takt trat. „Unterhaltung“ als Genre war zu änderungen in Programmatik und Angebo- hatten politische und kulturelle Entwick- Beginn des DDR-Fernsehens nicht vorge- ten des Sportfernsehens. Von besonderem lungen innerhalb und außerhalb der DDR sehen, sondern sollte nur als Programm- Interesse ist dabei die Veränderung „vom auf die Entstehung und Entfaltung des Pro- funktion berücksichtigt werden. Sport im Fernsehen zum Fernsehsport“. gramms? Welche Veränderungen lassen Im Rahmen des Gesamtprojekts nimmt das sich in der Programmstruktur erkennen? Dokumentarfilm Sportfernsehen eine Sonderstellung ein: Welchen Einfluss hatte die Konkurrenz – Obwohl es vorwiegend zur Unterhaltung das West-Fernsehen? Wie wirkten perso- Im Zentrum der ersten anderthalb Jahre genutzt wurde, handelt es sich um ein jour- nelle und organisatorische Richtlinien und Forschungsarbeit standen mit Walter Hey- nalistisches Genre. Außerdem entwickelte Maßnahmen auf das Programm als sol- nowski und Gerhard Scheumann (Studio das Sportfernsehen im Gegensatz zu den ches? Bisher standen die Gewinnung eines H&S) sowie der Gruppe Sabine Katins anderen Sendeformaten eine Eigendyna- Überblicks und die nähere Betrachtung der Grenzgänger, die nach Westen blickten und mik, welche die DDR zwar zur nationalen Jahre des Umbruchs von der Ulbricht- zur dies in ihren Filmen verarbeiteten: Der Selbstdarstellung benutzen konnte, der sie Honecker-Ära 1968 bis 1974 im Vorder- Schwerpunkt lag zunächst auf der Unter- aber auf der anderen Seite in einem erheb- grund der Forschungen. Die ersten teilung einzelner Dokumentaristen/-grup- lichen Maße ausgesetzt war und nur be- Zwischenergebnisse stellt die Arbeits- pen und deren Produktionen innerhalb des dingt „steuern“ konnte. Die Offenheit der gruppe in ihrer Publikation „Die Überwin- DDR-Fernsehprogramms. Beide Doku- Wettkämpfe, Internationalität und system- dung der Langenweile? Zur Programment- mentaristen-Gruppen, H&S und Katins, übergreifende Regeln ließen eine politi- wicklung des DDR-Fernsehens 1968 bis waren Grenzgänger in vielerlei Hinsicht: sche und ideologische Funktionalisierung 1974“ (Hrsg. C. Dittmar/S. Vollberg) vor. Sie bewegten sich laut Prof. Rüdiger Stein- nur begrenzt zu. metz (Institut für Kommunikations- und Neben einer chronologischen Abarbeitung Rezeptionsgeschichte Medienwissenschaft) zwischen „den Wel- der Entwicklung des Sportfernsehens wer- ten in Ost und West, zwischen Fernsehen den insbesondere problematische Höhe- Die Forschungsgruppe des zweiten Teil- und Kino, zwischen Dokumentarfilm, punkte des Sportfernsehens wie die Frie- projektes konzentrierte sich im ersten Ab- Dokumentation, Reportage, zwischen Be- densfahrt oder deutsch-deutsche Sportbe- schnitt der Untersuchungen auf die Nut- weis, Pamphlet, Manipulation und zwi- gegnungen genauer untersucht werden. zung des Programms des DDR-Fernsehens schen Anpassung und Veränderung in der und dessen Bewertung. Dabei wird davon DDR“. Mit den Ergebnissen der Forschun- Zusammen mit den Forschern der fünf wei- ausgegangen, dass die Erwartung an das gen konnten neue Sichtweisen auf das teren Teilprojekte haben die Wissenschaft- Fernsehprogramm und die Muster der „Studio H&S“ und die Gruppe Katins auf- ler schon jetzt Zehntausende Seiten schrift- Fernsehnutzung von Alltagsstrukturen, gezeigt werden. So entwickelten H&S als licher Archivquellen und zeitgenössischer sozialen Strukturen, individuellen Wün- erste seit Mitte der 60er Jahre eine Film- Publikationen ausgewertet, Hunderte Sen- schen und Erwartungen, aber auch von ästhetik, die durch die Verwendung von dungen analysiert und in Verzeichnissen Faktoren, wie Freizeitangebot oder Größe Trick- und graphischen Elementen ihre zusammengestellt sowie eine Vielzahl von der Wohnortes abhängen. Fernsehnutzung Wirkung noch intensivierte. Untersucht Interviews mit Zeitzeugen geführt. wurde als Freizeitgestaltung verstanden. wurde auch der Umfang des Werkes von Die neue Publikationsreihe des Projektes Basierend auf den Ergebnissen der Fern- H&S und die Schwerpunktsetzung in den „MAZ: Materialien-Analysen-Zusammen- sehzuschauerforschung und der Meinungs- verschiedenen Schaffensphasen. hänge“, erschienen im Leipziger Universi- forschung aus dem Zeitraum Mitte der Die Forschungen zur Gruppe Katins legen tätsverlag, stellt erste Forschungsergeb- 1960er Jahre bis zum Ende der DDR und umfassende Befunde zur Darstellung des nisse vor. Die Zeitzeugenberichte sollen den Daten des Instituts für Meinungsfor- Westens und zur filmischen Erzählweise neben der gedruckten Form auch als DVD- schung beim ZK der SED soll die Entwick- der Gruppe vor und zeigen die Ursachen Edition der Öffentlichkeit zugänglich ge- lung sichtbar gemacht werden. Auch Daten auf, die zur Auflösung der Gruppe Katins macht werden. und Befunde des Instituts für Jugendfor- im Jahr 1979 führten. schung sowie Programmbesprechungen in Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt Weitere Informationen finden Sie im der Tagespresse der DDR und in Zeit- auf der Untersuchung der Arbeit von Karl- Internet unter: www.ddr-fernsehen.de
Heft 4/2003 13 Forschung
Nomaden im Umkreis der Erdölfelder Eine Zwischenbilanz im Sonderforschungsbereich 586
Der Ethnologe Bernhard Streck spricht von in einem Journal-Interview gesagt: Im mann) herausgekommen. Beiträge aus den einem „Bouquet von Orchideenfächern“, Übergang vom bloßen Nebeneinander zum Kolloquien erscheinen in den „Orientwis- das die Universitäten in Halle und Leipzig intensiven Miteinander der einzelnen Fä- senschaftlichen Heften“ und Berichte aus mit dem Sonderforschungsbe- cher liegen noch erhebliche Re- den Arbeitsgruppen in der Reihe „Mate- reich (SFB) 586 gebunden ha- serven für die Universität Leip- rialien des SFB 586“. In die 17 Teilprojekte ben. Im Mittelpunkt des Interes- zig. Mehr noch: Das Zusammen- sind insgesamt 36 Wissenschaftler und ses stehen die Beziehungen zwi- wirken ist eine Grundvorausset- eine große Zahl studentischer Hilfskräfte schen Nomaden und Sesshaften zung dafür, dass die immer aus Halle und Leipzig eingebunden. Aber in Geschichte und Gegenwart. wieder beschworene Fächerviel- während der laufenden Forschungsphase Der stellvertretende Sprecher des falt auch auf Dauer gegen alle (die erste reicht von 2001–03, die zweite Das Logo des SFB SFB betont freilich auch die Kürzungspläne behauptet wer- von 2004–08 wird gerade beantragt) konn- hochschulpolitische Geschäfts- den kann. – So ist der neue SFB ten auch zusätzliche Mitarbeiter in be- grundlage, die mit Floristik wenig zu tun nicht nur um der Wissenschaft, sondern stimmte Projekte einbezogen werden, hat. Es sei ein Gebot der Stunde, die klei- auch um der Hochschulpolitik willen zum wenn spezielle Kompetenz an einem be- nen Fächer – hier vor allem Archäologie, Erfolg verurteilt. stimmten Punkt gefragt ist. So wurde z. B. Islamwissenschaft, Ethnologie, Altorienta- Was ist der gegenwärtig Stand? zur Tierknochenanalyse eine Laborexper- listik, Ägyptologie, Alte Geschichte und In den anderthalb Jahren seines Bestehens tin gesucht und in der iranischen Archäo- Geographie – auf neue Weise kooperieren wurden bisher vier internationale Kollo- login Marjan Mashkour gefunden. Da- zu lassen und damit ihre Potenzen und quien durchgeführt. In der Monographien- durch soll eine präzise Datierung des Be- Kapazitäten voll zu erschließen. Wie hatte reihe des SFB ist bereits der erste Band mit ginns der mobilen Tierhaltung (Weide- jüngst der scheidende Rektor Volker Bigl dem Titel „Stamm und Macht“ (Eva Orth- wechsel), die im Nahen Osten etwa 10 000
Dienstleistungsnomaden in Rumänien. Foto: Fabian Jacobs
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Jahre v. u. Z. begann, ermöglicht werden.m lisch höher stehende Tradition verklärt, bis Aber der Reihe nach. heute für das eigene Selbstverständnis eine große Relevanz besitzt. Im Zuge verspäte- Alte Welt – heutige Welt ter Nationenbildungen, wie sie z. B. in einigen mittelasiatischen Ländern der Der SFB „Differenz und Integration“ ehemaligen Sowjetunion zu verzeichnen untersucht die Wechselwirkungen zwi- waren und sind, spielen solche Konstrukte schen nomadischen und sesshaften Le- und Ideologeme wie „Nomadenblut“ oder bensformen in Zivilisationen, wie sie in „Nomadische Tradition“ eine erhebliche dem altweltlichen Trockengürtel – von Ma- Rolle. Dabei wird gerade bei der schon rokko bis China – anzutreffen waren und lange sesshaften bäuerlichen Bevölkerung sind. Handel und Austausch, Abgrenzung Prof. Bernhard Streck das Bild des Nomaden oft mit Sittenrein- und Konflikt, Versuche der Beherrschung heit und Gottesnähe, das der Stadt dagegen und Prozesse der Durchdringung haben das mit Sittenverfall und Gottlosigkeit verbun- Verhältnis von urbanen Siedlungsformen chaischsten Formen des Pastoralismus, den den. Entstehen „moderne“ Staaten, sehen und nomadischen Lebensformen be- Rentiernomadismus, entstanden ist. In Me- sie nicht selten die alten Heldenlieder aus stimmt. Diese wechselvolle Koexistenz hat tropolen wie Kairo und Istanbul oder auch der Nomadenzeit als ihren kostbarsten die Menschengeschichte in weiten Teilen auf dem Balkan zeigt sich, dass nicht alle Schatz an. der Erde über lange Zeiträume, ja, bis heute Einwohner in gleicher Weise sesshaft sind. Da es das Geschäft der Wissenschaft ist, geprägt. Grund genug, sie zu erforschen. Vielmehr entwickeln sich neue und oft aufklärend, aufhellend zu wirken, versteht Das kann auch ein Stück Zukunftsfor- gemischte Formen der Mobilität in be- es sich, dass die Forschungsarbeiten ideo- schung bedeuten, sagt Prof. Streck, ge- stimmten Handwerks-, Dienstleistungs- logiekritisch ausgerichtet sind. Und für alle winnt doch die mobile Weidewirtschaft und Versorgungsbereichen, wobei die Zie- Beteiligte, die vor Ort tätigen einheimi- durch die Ausdehnung von Trockengebie- genherde am Stadtrand nur eine Facette schen Forscher einbezogen – gegenwärtig ten und neue Kombinationen mit Noma- darstellt. sind SFB-Mitstreiter u. a. in Syrien, Ma- dismus in Ballungsräumen zunehmend an Auf diese Weise entwickelt sich ein Ver- rokko, der Türkei, Iran, Ukraine und Usbe- Gewicht. So gibt es in einigen Ländern der ständnis für die Komplementarität und kistan tätig – ist es geradezu spannend, dass ehemaligen Sowjetunion, in der Mongolei Asymmetrie von Lebensformen und Le- es weltweit in all diesen Begegnungsgebie- oder in Tibet Tendenzen einer Renomadi- bensverhältnissen. Blickt man auf Ent- ten von Sesshaften und Nomaden eine sol- sierung. Es zeigt sich, anders als das revo- wicklungen in weiten Teilen Asiens und che Nomadismus-Verklärung gibt, die sich lutionäre Umgestaltungsideologien wahr- Afrikas, erkennt man, dass die Zeit für no- freilich auch in bestimmten Wissenschafts- haben woll(t)en, dass bestimmte Trocken- madische Lebensformen insgesamt keines- traditionen findet. gebiete einfach nicht anders als durch eine wegs abgelaufen ist, sondern stellenweise pastorale Lebensweise der hier lebenden wiederkommt oder auch ungebrochen an- „In diesem SFB ist Leben“ Menschen genutzt werden können. Eine hält. Schon für das alte Babylon belegen intensivere Nutzung und die Einwirkung Keilschriftfunde die Nutzung von Produk- Ein erstes Fazit von Prof. Dr. Streck bei moderner Technik erhöhen nicht nur nicht ten aus nomadischer Arbeits- und Lebens- Halbzeit der ersten Förderperiode fällt die Erträge aus solchen Gebieten, sondern weise. Die Annahme, dass der Nomadimus positiv aus. Er konstatiert: „In diesem erweisen sich oft genug als Raubbau an der eine eigenständige Kultur verkörpert, ist Sonderforschungsbereich ist Leben. Das Natur und zerstören letztlich die Lebens- allerdings zu korrigieren. Stattdessen be- spürt man schon bei den monatlichen grundlagen der Bewohner. Aber auch das finden sich Nomaden und sesshafte Bauern Plenumsveranstaltungen abwechselnd in in großem Umfang durchgeführte Experi- von altersher in einem Verhältnis gegen- Halle und Leipzig, wenn Teilergebnisse ment der zwangsweisen Sesshaftmachung seitiger Abhängigkeit und Ergänzung, das von den unterschiedlichen Fachkollegen von Nomaden hat oft negative Folgen ge- freilich auch als ein gespanntes Verhältnis vorgestellt werden. Und das ist dann auch habt. zwischen Steppe und Zentrum, zwischen eine gute Gelegenheit, sich von den je an- Weiteren Aufschluss zu diesem Problem- Barbaren und Zivilisation beschrieben deren Methoden und Perspektiven anregen kreis erhofft man sich von einer breit an- wurde. zu lassen, aber auch eine Herausforderung, gelegten Feldforschung und der Erschlie- in Zeiten weit fortgeschrittener Speziali- ßung zusätzlicher Forschungsfelder, zu Verklärung des sierung zu einer gemeinsamen Sprache zu denen auch die jahrzehntelange Arbeit finden und die eigene Stallblindheit zu Prof. Sontheimers (Südostasien-Institut, Steppendaseins überwinden. Wenn da ‚Spatenleute‘ und Heidelberg) unter indischen Pastoralisten „Unsere Forschungen ermöglichen es uns, Laborexperten, Hieroglyphenleser und gehört. Die Leipziger Indologin Frau Dr. ein differenzierendes Bild zu zeichnen“, Keilschriftenentzifferer, Philologen und Kiehnle bietet hierzu für die nächste Phase unterstreicht Bernhard Streck. „Wir kön- Ethnologen sich um einen Tisch versam- ein neues Projekt an. Vielversprechend nen zeigen, dass die langen Zeiten der Ver- meln, einander zuhören und verstehen ler- sind auch die Untersuchungen von Prof. flechtung von nomadischen und sesshaften nen und sich schließlich gegenseitig in Schlee (Max-Planck-Institut für ethnologi- Lebensweisen die Kultur dieser Räume ihrer Forschungsarbeit befruchten, dann sche Forschung/Halle) in Westsibirien, wo mehr geprägt haben als Überfälle und Ver- weiß man, was Interdisziplinarität und in der Umgebung von Erdgas- und Erdöl- nichtung.“ Interessant ist auch, dass eine echte Kooperation in der Wissenschaft be- förderzentren eine Nische für eine der ar- gewisse Nomadenideologie, oft als mora- deuten können.“ Volker Schulte
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Hoher Besuch im neuen „Inkubator“ Nobelpreisträger Watson kam zur Einweihung der BIO CITY BBZ-Chronik Mit der Eröffnung der BIO CITY LEIPZIG wuchswissenschaftler wollten sich die seit 1998 am 23. Mai erhielt der Biotechnologie- Gelegenheit einer Begegnung mit dem Gemeinsame Vorbereitungen der Stadt Standort Leipzig neuen Auftrieb. Der wohl Nobelpreisträger nicht entgehen lassen. Leipzig und der Universität Leipzig erfolgreichste Biologe der Neuzeit Prof. Abschluss und gewissermaßen persön- 07/2000 James Watson dokumentierte mit seiner licher Höhepunkt für James Watson war Rahmenprogramm „Biotechnologie-Initia- Teilnahme Bedeutung und Ausstrahlung ein Besuch im Leipziger Zoo. Begleitet tive Sachsen“ mit Bestätigung des Finan- der BIO CITY für die Entwicklung des von Prof. Svante Pääbo vom Max-Planck- zierungskonzeptes durch das SMWK Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Institut für Evolutionäre Anthropologie 2001 Leipzig. stieß Pongoland natürlich auf sein beson- Stellenausschreibungen Vor 50 Jahren erkannte der damals gerade deres Interesse. Geduldig ließ er sich die 05–10/2001 24 Jahre alte Watson gemeinsam mit dem Arbeit der hier tätigen Wissenschaftler er- Einrichtung der selbständigen wissen- Briten Francis Crick die Doppelhelix als klären und reihte sich bescheiden in den schaftlichen Nachwuchsgruppen Struktur des Erbmaterials DNA (Desoxy- Kreis der Zuschauer dort ein, wo es ge- 01. 06. 2001 ribonukleinsäure, in der alle Erbinforma- wohntermaßen immer etwas turbulenter Einrichtung der Geschäftsstelle tionen eines Lebewesens enthalten sind). zugeht. 10/2001–03/2002 1962 erhielten Crick und Watson dafür den Erstaunlich, wie der 75-Jährige die vielen Erteilung der Rufe durch das SMWK Nobelpreis für Medizin. Daran erinnerte in Stationen seines Aufenthaltes verkraftete, 12/2001 der BIO CITY eine Ausstellung des British die allesamt begleitet waren von anhalten- Baubeginn Council, der Watson selbstverständlich dem Medieninteresse, das von Exklusiv- 08. 02. 2002 auch einen Besuch abstattete. interviews bis zur Dokumentation jedes Grundsteinlegung Watson nutzte seinen Aufenthalt in Leipzig Details seines Besuches reichte. Auch 01. 05. 2002 nicht nur, um in der gerade eröffneten BIO wenn er ein Interview zweimal geben Dienstantritt der Professoren f. Bioanalytik CITY das wissenschaftliche Umfeld zur musste, weil ein Rundfunkjournalist vor und f. Strukturanalytik von Biopolymeren Zeit seiner revolutionären Entdeckung mit Aufregung vergaß, dass Knöpfchen am 22. 05. 2002 den gegenwärtigen Bedingungen zu ver- Aufnahmegerät zu drücken, nahm er das 1. Biotechnologie-Tag in Leipzig gleichen, sondern auch zu vielen Begeg- gelassen und mit Humor. 10. 09. 2002 nungen mit den in Leipzig forschenden ge- Der Besuch von James Watson war ohne Beschluss des Senats über die Anerkennung standenen und jungen Wissenschaftlern. Zweifel die Perle bei der Eröffnung des als zentrale Einrichtung der Universität Das Max-Bürger-Forschungs-Zentrum „Biotech-Inkubators“, wie Oberbürger- 30. 09. 2002 platzte am 24. Mai schier aus allen Nähten, meister Wolfgang Tiefensee die BIO CITY Richtfest denn viele Leipziger Studenten und Nach- charakterisierte. Dr. Bärbel Adams 01. 10. 2002 Dienstantritt der Professorin für Moleku- larbiologisch-biochemische Prozesstechnik 01. 01. 2003 Dienstantritt des Professors für Zelltechni- ken und angewandte Stammzellbiologie 07. 02. 2003 Gründung des BBZ 05./06. 05. 2003 Bezug des 2. OG (Prof. Bader) 16. 05. 2003 Fertigstellung des universitären Teils der BIO CITY LEIPZIG 21. 05. 2003 2. Biotechnologie-Tag in Leipzig 23. 05. 2003 James Watson (r.) bei einem Gespräch mit Svante Pääbo (l.) im Zoo. Foto: ZFF Eröffnung der BIO CITY LEIPZIG
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Im Dienste der Gesundheit Der Biotechnologietag im BBZ
gezeichnete Voraussetzungen geschaffen hierbei von besonderem Interesse, da ihre worden. „Wir wollen damit auch für Funktion im Gegensatz zu Leptin und die Wirtschaft Zeichen setzen“, so Beck- seinem Bindungsprotein noch weitgehend Sickinger. unerforscht ist. Wissenschaftliche Netzwerke erfordern Prof. Kiess und seine Mitarbeiter beschäf- auch eine gute Kommunikation zwischen tigen sich daher mit der Rolle von Adipo- Professoren und Nachwuchswissenschaft- zytokinen im Krankheitsverlauf des Dia- lern. Eine umfangreiche, 150 Objekte um- betes bei übergewichtigen Kindern und fassende Posterausstellung vieler Arbeiten Jugendlichen. Darüber hinaus wird an von jungen Wissenschaftlern sollte daher einem Modell menschlicher Zellkulturen auch deren Erfahrungsaustausch unterein- untersucht, wie Adipozytenvorstufen aus ander sowie mit den Seniorwissenschaft- einer undifferenzierten stammzellähn- lern fördern. lichen Zelllinie unter bestimmten Kultur- Die Praxisrelevanz vieler Vorträge und der bedingungen zu reifen Fettzellen differen- hohe Stand der interdisziplinären Zu- zieren. Diese sondern Adipozytokine, wie sammenarbeit wurde unter anderem in dem Leptin, Resistin und Adiponektin in den Beitrag des Kindermediziners Prof. Wie- Zellkulturüberstand ab. land Kiess deutlich. In einer klinischen Studie konnte fest- gestellt werden, dass sich Kinder und Moleküle als Schnittstelle Jugendliche als Studiengruppe besonders Am 2. Biotechnologietag konnte man eignen, da Beginn und Verlauf der Ent- sich erstmals im BBZ-Foyer informie- zwischen Übergewicht und ren. Foto: Matthias Frölich wicklung von Adipositas und Diabetes Diabetes noch frei von anderen Faktoren erfassbar sind. Der Spiegel von Leptin, Resistin und Als erste wissenschaftliche Veranstaltung Prof. Kiess, Direktor der Klinik und Poli- Adiponektin bei Kindern hängt direkt in der neuen BIO CITY LEIPZIG verdeut- klinik für Kinder und Jugendliche und De- mit dem Übergewicht sowie Insulinresis- lichte der Biotechnologietag am 21. Mai kan der Medizinischen Fakultät der Uni- tenz und Insulinsekretion zusammen. Die 2003 in besonderem Maße die Anzie- versität Leipzig, ist bestrebt, molekular- untersuchten adipösen Kinder und Ju- hungskraft des Biotechnologisch-Biome- biologische Grundlagenforschung und Er- gendliche zeigen so einen deutlich niedri- dizinischen Zentrums (BBZ) Leipzig. Im kenntnisse aus dem Labor in die klinische geren Adiponektinspiegel. Gleichzeitig Mittelpunkt standen Forschungsarbeiten Praxis zu übernehmen. haben 75 Prozent von ihnen Anzeichen auf den Gebieten „Moleküldesign“ und Übergewicht stellt mittlerweile eine der eines Hyperinsulinismus bzw. Insulinresis- „Medizinische Biotechnologie“. häufigsten Krankheiten in den Industrie- tenz. Das Anliegen dieses wissenschaftlichen nationen dar. In den letzten Jahren ist eine Die klinische Relevanz der gefundenen Zu- Symposiums war es einerseits, die Breite starke Zunahme von Übergewicht (Adipo- sammenhänge und die biologische Wirk- der biotechnologisch-biomedizinischen sitas) gerade bei Kindern und Jugendlichen samkeit der Adipozytokin-Signalübertra- Forschung in der Region darzustellen und festzustellen. Adipositas geht einher mit gung werden im Rahmen des Koordinie- andererseits, über aktuelle Forschungspro- schweren Folgeerkrankungen, die wich- rungszentrums für klinische Studien, dem jekte zu informieren, um daraus Möglich- tigste hiervon ist der Typ 2 Diabetes. Interdisziplinären Zentrum für klinische keiten der interdisziplinären Zusammen- Vor diesem Hintergrund gewinnt die Er- Forschung (IZKF), des Leipziger Schul- arbeit abzuleiten. „Die Knüpfung von forschung von Adipozytokinen eine beson- kinderprojektes und der Adipositas- Netzwerken ist eines der wertvollsten dere Bedeutung. Diese Signalübertra- Sprechstunde der Universitätsklinik und Ergebnisse dieser Art von wissenschaft- gungsmoleküle sind vom Fettgewebe Poliklinik für Kinder und Jugendliche lichen Veranstaltungen“, kommentiert produzierte bioaktive Substanzen, die In- interdisziplinär untersucht. Weitere Partner Prof. Anette Beck-Sickinger, Initiatorin der formationen zu anderen Körperteilen innerhalb der Universität Leipzig an die- Veranstaltung und Direktorin des Instituts transportieren, so genannte „adipose-deri- sem Projekt sind das Institut für Biochemie für Biochemie. ved factors“. Das Fettgewebe mit einem (Prof. Beck-Sickinger), sowie weitere Hinzu kommt, das hatte bereits der 1. Bio- Netzwerk von Adipozytokinen und ihren Arbeitsgruppen an der medizinischen Fa- technologietag im letzten Jahr gezeigt, dass Rezeptoren fungiert hier als Schnittstelle kultät (z. B. Medizinische Klinik und Poli- wertvolle Verbindungen zur Wirtschaft ent- zwischen Übergewicht und der Entwick- klinik III, Prof. Paschke, Dr. Faßhauer, Dr. stehen und ausgebaut werden können. lung des Typ 2 Diabetes. Die Adipozyten- Blüher). Durch die neue BIO CITY sind dafür aus- produkte Adiponektin und Resistin sind Andreas Wust
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Die BBZ-Professuren