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DEMOGRAFIECHECK

RAUM

Modellvorhaben des

Landes -Vorpommern

Endbericht

DemografieCheck Raum Parchim

Auftraggeber: Landkreis -Parchim Der Landrat Garnisonsstraße 1 19288 Ludwigslust Telefon: 03871 – 722 218 [email protected]

Auftragnehmer: Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung Lindenalle 2a 19067 Leezen Bearbeiter: Jan Hoffmann, Telefon: 0 38 66 – 404 156 Uwe Schollän, Telefon: 0 38 66 – 404 226

Stand: 22. Januar 2014

2 DemografieCheck Raum Parchim

INHALT 1 Anlass und Zielstellung ...... 7 2 Methodik und Arbeitsablauf ...... 8 3 Rahmenbedingungen ...... 11 3.1 Demografiestrategie des Landes M-V ...... 12 3.2 Grundlagen der Raumordnung ...... 14 3.3 Kreisentwicklung ...... 15 4 Profil Untersuchungsgebiet ...... 16 5 Demographische Entwicklung ...... 22 5.1 Entwicklung der Bevölkerungsstände ...... 22 5.2 Wanderungen und natürlicher Saldo ...... 27 5.3 Altersstruktur ...... 30 5.4 Bevölkerungsprognose ...... 31 5.5 Fazit und Handlungsbedarf ...... 35 6 Ausgewählte Themenbereiche der Daseinsvorsorge ...... 36 6.1 Gesundheitsversorgung ...... 37 6.1.1 Bestandsanalyse ...... 37 6.1.2 Leitziele für die Gesundheitsversorgung im Untersuchungsgebiet ...... 57 6.1.3 Fokusthemen ...... 58 6.1.4 Projektansätze ...... 67 6.2 Siedlungsentwicklung und –struktur ...... 71 6.2.1 Bestandsanalyse ...... 71 6.2.2 Leitziele für die Siedlungsentwicklung im Untersuchungsraum ...... 76 6.2.3 Fokusthemen ...... 77 6.2.4 Projektansätze ...... 85 6.3 Mobilität ...... 96 6.3.1 Bestandsanalyse ...... 96 6.3.2 Leitziele für die Mobilität im Untersuchungsraum ...... 103 6.3.3 Fokusthemen ...... 104 6.3.4 Projektansätze ...... 108 6.4 Interkommunale Zusammenarbeit ...... 115 6.4.1 Bestandsanalyse ...... 115 6.4.2 Leitziele für eine Interkommunale Zusammenarbeit im Untersuchungsgebiet .. 118 6.4.3 Fokusthemen ...... 119 6.4.4 Projektansätze ...... 120 7 Schlussaussagen ...... 123 7.1 Übergeordnete Handlungsempfehlungen ...... 123 7.2 Ergebnisse des DemografieChecks und Auswertung der Methodik ...... 125 7.3 Fazit ...... 127

Anlagen

3 DemografieCheck Raum Parchim

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Umsetzungsweg des Modellvorhabens DemografieCheck Raum Parchim8 Abbildung 2: Organisatorischer Ablauf des DemografieChecks ...... 10 Abbildung 3: Begrüßungs-Talk auf der gemeinsamen Ergebnispräsentation ...... 11 Abbildung 4: Mitglieder der Enquete-Kommission Älter werden in M-V ...... 13 Abbildung 5: Erster Entwurf Landesraumentwicklungsprogramm M-V (Stand Juli 2013) ...... 15 Abbildung 6: Bewertungsergebnisse der Daseinsvorsorgebereiche aus dem KEK Par- chim ...... 16 Abbildung 7: Großräumige Lage der Region Parchim ...... 18 Abbildung 8: Schutzgebiete im Raum Parchim ...... 18 Abbildung 9: Beschäftigte im Landkreis LWL-PCH nach Branchen 2011 ...... 19 Abbildung 10: Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt ...... 20 Abbildung 11: Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim ...... 23 Abbildung 12: Relative Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim von 1993 bis 2010 ....25 Abbildung 13: Bevölkerungsveränderung nach Gemeindegrößenklassen ...... 26 Abbildung 14: Wanderungs- und natürlicher Saldo im Raum Parchim ...... 27 Abbildung 15: Wanderungssaldi im Kreis Parchim über die Kreisgrenzen von 2000 bis 2009 ...... 29 Abbildung 16: Relative Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010 ...... 30 Abbildung 17: Absolute Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010 ...... 31 Abbildung 18: Bevölkerungsentwicklung und -prognose im Raum Parchim 1995 bis 2030 ...... 32 Abbildung 19: Prognostizierte relative Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim 2010 bis 2030 ...... 33 Abbildung 20: Prognostizierte Bevölkerungsveränderung im Raum Parchim ...... 33 Abbildung 21: Veränderung der Altersstruktur im Untersuchungsgebiet (2010 bis 2030) ...... 34 Abbildung 22: Übersicht stationäre medizinische Versorgungseinrichtungen ...... 40 Abbildung 23: PKW-Erreichbarkeit von Krankenhausstandorten...... 41 Abbildung 24: Krankenhausstandorte: demografisch bedingte Nachfrageentwicklung ...41 Abbildung 25: Altersabhängigkeit der gesamten Krankheitskosten pro Einwohner und Jahr in Deutschland (2008) ...... 42 Abbildung 26: Übersicht ambulante medizinische Versorgung ...... 44 Abbildung 27: PKW-Erreichbarkeit von Hausarztpraxen im Untersuchungsraum ...... 45 Abbildung 28: Altersabhängigkeit des Versorgungsbedarfs im Bereich Allgemeinmedizin: Anzahl der Arztkontakte pro Einwohner und Jahr in Deutschland (2007) 46 Abbildung 29: Altersstruktur niedergelassener Hausärzte im Untersuchungsraum (2011) ...... 47

4 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 30: Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten im Untersuchungsgebiet, um heu- tiges Angebot zu erhalten ...... 47 Abbildung 31: Altersstruktur niedergelassener Zahnärzte im Untersuchungsraum (2011) ...... 48 Abbildung 32: Nachbesetzungsbedarf an Zahnärzten im Untersuchungsgebiet, um heu- tiges Angebot zu erhalten ...... 49 Abbildung 33: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs – Anteil der Pflegebedürftigen an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe in Deutschland (2011) ...... 51 Abbildung 34: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs - Anteil der Pflegebedürftigen in ausgewählten Bevölkerungsgruppen im Bundeslandvergleich (2011) .....52 Abbildung 35: Pflegebedürftigkeit: demografisch bedingte Entwicklung der Nachfrage nach Pflegeleistungen in Mittelbereichen ...... 52 Abbildung 36: Beschäftigte im Pflegebereich in Mecklenburg-Vorpommern ...... 53 Abbildung 37: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs – Anteil Pflegebedürftiger an einer vollstationären Pflege in Deutschland in Prozent (2009) ...... 54 Abbildung 38: Stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen (2011) ...... 55 Abbildung 39: Angebot und Nachfrage des Pflegepersonals bis 2030 ...... 59 Abbildung 40: Beitrag der Handlungsoptionen zur Dämpfung der Pflegelücke in 2030 ..60 Abbildung 41: Räumliche Verteilung hausärztlicher Versorgungsangebote im Untersu- chungsgebiet ...... 69 Abbildung 42: Bevölkerungsdichte 2010 ...... 71 Abbildung 43: Siedlungsdichte 2010 ...... 72 Abbildung 44: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche und der Bevölkerung zwi- schen 2004 und 2010 ...... 73 Abbildung 45: Durchschnittliche Haushaltsgrößen nach Gemeinden ...... 74 Abbildung 46: Raumstruktur nach RREP WM 2011 ...... 75 Abbildung 47: Leitziele für die Siedlungsentwicklung im Raum Parchim ...... 77 Abbildung 48: Zweigestuftes System einer Innenentwicklungsagentur/ eines Bestands- managements ...... 86 Abbildung 49: Mögliche Inhalte einer Facebook-Gruppe zum Thema Innenentwicklung 94 Abbildung 50: Modal Split (Kilometer) nach Kreistypen ...... 97 Abbildung 51: Wegezwecke nach Kreistypen ...... 97 Abbildung 52: Auszug aus dem bestehenden SPNV-Linienplan (Stand 08.09.2012) .....99 Abbildung 53: Auszug aus der Nahverkehrsplanung (Haupt- und Nebenachsen) ...... 101 Abbildung 54: Auszug aus dem Regionalen Radwegekonzept Westmecklenburg ...... 103 Abbildung 55: Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbände im Altkreis Parchim ...... 118

5 DemografieCheck Raum Parchim

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Steckbrief des Untersuchungsraums ...... 16 Tabelle 2: Administrative Gliederung des Untersuchungsraums ...... 17 Tabelle 3: Gewerbegebiete im Untersuchungsgebiet ...... 20 Tabelle 4: Bedeutende Unternehmen im Untersuchungsgebiet ...... 21 Tabelle 5: Entwicklung der Bevölkerungsstände 1993 bis 2010 ...... 23 Tabelle 6: Entwicklung der Bevölkerungsstände im Vergleich 1993 bis 2010 ...... 24 Tabelle 7: Wanderungssaldo und natürliche Bevölkerungsentwicklung ...... 28 Tabelle 8: Konzepte im Bereich Gesundheitsversorgung ...... 37 Tabelle 9: Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung ...... 38 Tabelle 10: Kennzahlen der stationären medizinischen Versorgung im Untersuchungsraum (2010) ...... 39 Tabelle 11: Leistungsdaten stationärer medizinischer Versorgungseinrichtungen im Untersuchungsraum...... 40 Tabelle 12: Kennzahlen der ambulanten medizinischen Versorgung im Untersuchungsraum (2010) ...... 43 Tabelle 13: Versorgungssituation mit niedergelassenen Ärzten im Untersuchungsraum, Arzt-Einwohner-Relation (2010) ...... 44 Tabelle 14: Pflegebedürftige Einwohner in ambulanter Pflege nach Pflegestufen (2009) ...... 50 Tabelle 15: Pflegebedürftige Einwohner in stationärer Pflege nach Pflegestufen (2009) ...... 50 Tabelle 16: Bevölkerungsprognose ausgewählter Altersgruppen im Untersuchungsraum...... 53 Tabelle 17: Stationäre Pflegeeinrichtungen im Untersuchungsgebiet (2011) ...... 55 Tabelle 18: Ambulante Pflegeeinrichtungen im Untersuchungsgebiet (2011) ...... 56 Tabelle 19: Ermächtigungen pro Einrichtung ...... 63 Tabelle 20: Wanderungssaldo der über 65-Jährigen ausgewählter Kommunen im Untersuchungsraum von 1998 bis 2010 ...... 78 Tabelle 21: Betreute Wohnangebote im Raum Parchim 2013...... 81 Tabelle 22: Kostenkalkulation Innenentwicklungsagentur ...... 88 Tabelle 23: Kosten für die Mobilfalt-Kilometer ...... 112 Tabelle 24: Kostenszenario bei angepassten Annahmen für das Projekt Mobilfalt ... 112 Tabelle 25: Kostenschätzung für die Projektrealisierung Multi-Mobil...... 112 Tabelle 26: Formen interkommunaler Zusammenarbeit ...... 117 Tabelle 27: Kooperationsbereiche im Untersuchungsgebiet ...... 117

6 DemografieCheck Raum Parchim

1 Anlass und Zielstellung Der demografische Wandel ist in Deutschland und insbesondere in Mecklenburg- Vorpommern schon lange angekommen. Die Auswirkungen des demografischen Wandels divergieren zwischen den einzelnen Regionen jedoch sehr stark. Das Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung ist im gesamtdeutschen Kontext ebenso zu beobachten, wie in den kleineren Teilregionen Mecklenburg-Vorpommerns. Die jeweils eigenständigen Charakteristika einzelner Regionen sowie unterschiedliche Adaptionspotenziale erfordern zur Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels regionalspezifi- sche Handlungs- und Anpassungsstrategien, die die Stärken der jeweiligen Region er- kennt und diese für eine positive Gebietsentwicklung und zukunftsfähige Strukturen nut- zen. Die interministerielle Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ hat dies in ihrem Strategie- bericht „Mecklenburg-Vorpommern: Weltoffen, modern und innovativ. Den Demografi- schen Wandel gestalten.“ aus dem Jahr 2011 erkannt. Es wird herausgestellt, dass die Folgen des demografischen Wandels nicht mit einer Strategie, sondern nur mit einem Strategiemix aus „Gegensteuern“, „Anpassen und Modernisieren“ sowie „Ermöglichen und Aktivieren“ bewältigt werden können. Um die Entwicklung maßgeschneiderter Projekte und Initiativen voranzutreiben und das Land als Wohn- und Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten, sollen Modellvorhaben unterstützt werden, die diese Herausforderungen an- nehmen. Das Instrument DemografieCheck des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landge- sellschaften (BLG) wurde als ein ebensolches Instrument identifiziert. 1 Es stützt sich in seiner Methodik auf die Kompetenzen in der zu untersuchenden Region und bezieht da- her die lokalen Akteure vor Ort intensiv in den Entwicklungsprozess ein. Folgende Ziele stehen beim Instrument DemografieCheck im Vordergrund: - Die betrachteten Regionen sollen für Bewohner, Besucher, Zuzügler und die Wirt- schaft durch pro-aktives Handeln attraktiv gehalten werden. - Durch öffentlichkeitswirksames Handeln sollen die Transparenz über die aktuelle und künftige Situation erhöht werden und gleichzeitig Bewältigungsansätze vorgestellt werden. - Um die infrastrukturelle Ausstattung auch in ländlichen Räumen zu erhalten bzw. zu verbessern, gilt es innovative, nachhaltige und intelligente Organisationsmodelle zu finden und diese nach Möglichkeit in die Umsetzung zu überführen. - In Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren sollen Zielvorstellungen und konkrete Handlungsempfehlungen für das Handeln in Verwaltung, Gesellschaft und der Wirt- schaft ausgearbeitet und an die entsprechenden Adressaten entsendet werden. Da die Entwicklungsziele des Landes Mecklenburg-Vorpommern und die angestrebten Ziele durch den DemografieCheck weitgehend übereinstimmen, wurde auf Landesebene entschieden, das Instrument DemografieCheck modellhaft in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig umzusetzen. Als Untersuchungsgebiet wurde der Raum Parchim ausgewählt, der sich an den Grenzen des Mittelbereichs Parchim orientiert. Besonders im südöstlichen Raum des Untersuchungsgebietes befindet sich eine hohe Zahl an strukturschwachen ländlichen Gemeinden, in denen sich ein hoher Handlungsdruck abzeichnet. Parchim bil- det als Mittelzentrum den Versorgungsschwerpunkt für soziale, kulturelle und öffentlichen Dienstleistungen. Insbesondere ist das Mittelzentrum in den Bereichen Versorgung, Infra- struktur und Daseinsvorsorge eng mit den Zentralorten Lübz und verknüpft und ist daher Teil des Untersuchungsgebietes. Ergänzt wird der Betrachtungsraum des DemografieChecks durch vier Gemeinden aus dem Amt , da hinsichtlich ihrer Strukturschwäche ähnliche Herausforderungen bestehen, wie in vielen Gemeinden des Mittelbereichs Parchim.

1 http://www.landgesellschaften.de/BLG_Demografiecheck.pdf

7 DemografieCheck Raum Parchim

Die Umsetzung des DemografieChecks erfolgte als LEADER-Projekt der Lokalen Akti- onsgruppe (LAG) --Land unter Einbeziehung der LAG SüdWestMecklenburg. Der Landkreis Ludwigslust-Parchim beauftragte den Check und ist damit der Vorhaben- träger. Abbildung 1: Umsetzungsweg des Modellvorhabens DemografieCheck Raum Parchim

als LEADER-Projekt Erprobung des der LAG Warnow- DemografieChecks Elde Land Modellvorhaben im Raum Parchim in den Regionen unterstützen Strategiebericht der IMAG (2011)

Quelle: eigene Darstellung Als Modellvorhaben des Landes Mecklenburg-Vorpommern soll der DemografieCheck Parchim nicht nur Ergebnisse erzielen, die allein dem Untersuchungsraum zugute kom- men, sondern auch übergeordnete Ergebnisse in Form strategischer und landespoliti- scher Handlungsempfehlungen ausgeben. Folgende Ziele und Maßgaben wurden daher weiterhin für die Durchführung des DemografieChecks aufgestellt: - Die in Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren ausgearbeiteten Handlungsempfeh- lungen sollen auch der übergeordneten landesrechtlichen, wie auch politischen Ebe- ne zur Beachtung und Umsetzung übermittelt werden. - Dem Fördermittelgeber soll mit dem DemografieCheck ein Instrument an die Hand geben werden, das die Handlungsbedarfe in der Region aufzeigt, damit die knapper werdenden Fördermittel effizient eingesetzt werden können und eine zielgerichtete und nachhaltige Sicherung der Daseinsvorsorge erfolgen kann. - Der methodische Bottom-Up-Ansatz des DemografieChecks ist auf seine Praktikabili- tät hin zu überprüfen und Vorschläge zur Weiterentwicklung zu unterbreiten. - Weiterhin soll mindestens ein Projektansatz je Themenbereich der Daseinsvorsorge bis zur Umsetzungsreife fortentwickelt werden.

2 Methodik und Arbeitsablauf Die Gesamtsteuerung des DemografieChecks erfolgte durch den Fachdienst Regional- management und Europa des Landkreises Ludwigslust-Parchim. Zur Abstimmung mit der Landesebene und zur organisatorischen Lenkung wurde eine Steuerungsgruppe einge- richtet, die dreimal im Projektverlauf zusammentrat. Eine fachlich-organisatorische Beglei- tung des Modellvorhabens erfolgte durch die Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH. Die inhaltliche Arbeit erfolgte in vier Arbeitsgruppen, die aus Vertretern von Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Verbänden und der interessierten Fachöffentlichkeit gebildet wurden. Die Durchführung des DemografieChecks im Raum Parchim orientiert sich stark an der durch den Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften entwickelten Methodik und erfolgt in vier Modulen:

8 DemografieCheck Raum Parchim

Quelle: eigene Darstellung Im Modul 1 Orientierung und Aktivierung stand die Mitnahme der Bevölkerung durch loka- le Entscheidungsträger im Fokus. Dazu wurden in den Ämtern Grabow, Parchimer Um- land, Eldenburg-Lübz und Plau am See sowie in der Stadt Parchim je ein Workshop mit Gemeindevertretern, Bürgermeistern und Leitenden Verwaltungsbeamten durchgeführt. Damit wurden zwei Ziele verfolgt. Zum einen wurde das Thema Demografie und Siche- rung der Daseinsvorsorge in den Fokus der Diskussion gerückt, um eine breite Unterstüt- zung für den Erarbeitungsprozess des DemografieChecks zu erhalten. Zum anderen wur- den gemeinsam die Bereiche der Daseinsvorsorge herausgearbeitet, wo am dringendsten Lösungen für anstehende Probleme erarbeiten werden müssen. Ein weiterer Bestandteil von Modul 1 war eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Wesentliche Ergebnisse des DemografieChecks wurden auf der Internetseite des Landkreises Lud- wigslust-Parchim 2 und regelmäßig im Landkreisboten veröffentlicht. Darüber hinaus wurde während der gesamten achtzehnmonatigen Bearbeitungszeit den lokalen Medien Pres- semitteilungen zur Verfügung gestellt und auf verschiedenen Fachveranstaltungen 3 über das Modellvorhaben des Landes Mecklenburg-Vorpommern informiert. Das erste Modul wurde durch die Auftaktveranstaltung am 19. September 2012 in der Freizeit- und Bil- dungsstätte „lütt-pütt“ in Parchim-Dargelütz abgeschlossen. Als Ergebnis der Veranstal- tung wurden vier Bereiche der Daseinsvorsorge benannt, die im DemografieCheck zu untersuchen sind. Das sind die Bereiche - Gesundheitsversorgung, - Siedlungsentwicklung und –struktur, - Mobilität und - Interkommunale Zusammenarbeit. Das Modul 2 Ist-Analyse beleuchtete die bisherige und prognostizierte demografische Entwicklung im Untersuchungsraum. Hierbei erfolgte eine Auflösung bis auf Gemeinde- ebene, um ein differenziertes Bild der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung zu erhalten. Darüber hinaus erfolgte eine bedarfsorientierte Bestandsaufnahme und Analyse der Ist- Daten in den vier Bereichen der Daseinsvorsorge. Mit dem Abschluss von Modul 2 konnte gefühltes Wissen mit Fakten untersetzt werden, was zu einer einheitlichen Diskussions- grundlage führte und zur Versachlichung der Gespräche in den Arbeitsgruppen beitrug. Das Handlungs- und Umsetzungskonzept bildet das Modul 3 und stellte das inhaltliche Kernstück des DemografieChecks dar. Innerhalb dieses Moduls erfolgte die inhaltliche Aufarbeitung der Ergebnisse von Modul 2, die Identifizierung von Fokusthemen, die Ablei- tung von Leitzielen und Handlungsempfehlungen bis hin zur Entwicklung von konkreten Projektansätzen 4.

2 http://www.kreis-swm.de/Landkreis/Kreisverwaltung/Projekte/DemografieCheck_Raum_Parchim/index.jsp 3 z. B. „Forum Ländlicher Raum“ am 05. Juni 2013 in Berlin oder „Forum Gesundes Alter(n) am 13. November 2013 in Güstrow 4 siehe Kapitel „Ausgewählte Themenbereiche der Daseinsvorsorge“

9 DemografieCheck Raum Parchim

Das Modul 4 Umsetzungsbegleitung schloss hieran nahtlos an und umfasste die Fortent- wicklung von mindestens einem Projektansatz je Themenbereich bis zur Umsetzungsrei- fe. Dies bedeutete, dass mögliche Projektträger gesucht, Finanzierungsmöglichkeiten recherchiert und wichtige Kontakte hergestellt wurden. Für die Bearbeitung des DemografieChecks standen 18 Monate zur Verfügung. Abbildung 2: Organisatorischer Ablauf des DemografieChecks

Quelle: eigene Darstellung Für jedes Modul wurde der Zeit- und Arbeitsaufwand geplant und mit dem Auftraggeber sowie mit der Steuerungsgruppe abgestimmt. Damit wurde die Arbeit strukturiert und kon- trolliert, wobei es fließende Übergänge bei der Erarbeitung der Module gab. Der öffentlichkeitswirksame Abschluss des Arbeitsprozesses erfolgte durch eine Ergeb- nispräsentation mit dem Veranstaltungstitel „Ideen für die Zukunft – Westmecklenburg stark machen“ am 25. Oktober 2013 im Schleswig-Holstein-Haus in . Die Veran- staltung wurde gemeinsam mit dem Regionalen Planungsverband Westmecklenburg, der die Ergebnisse des Projektes „Regionalstrategie Daseinsvorsorge Westmecklenburg“ vorstellte, durchgeführt. Vor Vertretern aus Politik und Verwaltung aus Bund und Land sowie ehrenamtlichen Akteuren wurden die erfolgversprechendsten Lösungsideen zur Bewältigung des demografischen Wandels präsentiert.

10 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 3: Begrüßungs-Talk auf der gemeinsamen Ergebnispräsentation

Quelle: LGMV, 2013 Während der gesamten Bearbeitungszeit wurde auf eine Vielzahl von Quellen und Mate- rialien zurückgegriffen. Die Bestandsaufnahmen stützten sich zu einem großen Teil auf verfügbare amtliche Statistiken. Weiterhin wurden vom Regionalen Planungsverband Westmecklenburg eine Vielzahl von Daten und Materialien bereitgestellt. Hierfür soll an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt werden. Besonders zur Entwicklung von konkreten Projektansätzen wurden gute Praxisbeispiele aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengetragen und auf eine Übertragbarkeit sowie Anpassung auf die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern überprüft.

3 Rahmenbedingungen Die Erarbeitung des DemografieChecks für den Raum Parchim, als Modellvorhaben des Landes, berücksichtigt den demografischen Wandel als gesamtgesellschaftlichen Prozess sowie landespolitische Vorgaben und Aktivitäten. Dazu gehören beispielsweise die Emp- fehlungen der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) „Demografischer Wandel der Lan- desregierung Mecklenburg-Vorpommern“ und die Arbeitsergebnisse der Enquete- Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“. Der demografische Wandel in Mecklenburg-Vorpommern umfasst nicht nur die Bereiche Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung. Vielmehr führt eine seit über 20 Jahren an- haltende Nettoabwanderung 5 von überwiegend Jüngeren bei gleichzeitig niedrigen Gebur- tenzahlen zu einer drastischen Verschiebung der Altersstruktur, wie sie in vielen Bundes- ländern vor allem in Westdeutschland nicht zu finden ist. In unserem Bundesland wird die Zahl der jungen Erwachsenen (25 – 34 Jahre) bis 2030 um 40 % zurückgehen. Die Zahl der Kinder (0 – 14) wird im Vergleich zur Bundesebene dreimal so stark sinken. Das hat

5 Die Differenz der Zu- und Fortzüge ist negativ. Ein überwiegen der Fortzüge bedeutet einen Wanderungs- verlust, eine negative Wanderungsbilanz.

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gewaltige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Zukunft des Landes. Das bedeutet, dass künftig deutlich weniger Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen als heute. Während die Anteile der Erwachsenen bis zur Altersgruppe der 55 bis 64jährigen zum Teil stark zurückgehen, steigt dagegen die Zahl der Älteren (65 – 79) und Hochbe- tagten (80 +) im Vergleich zum Bundesdurchschnitt kräftig an 6. Aber nicht nur Aufbau und Zusammensetzung der Bevölkerung ändern sich, auch die Bevölkerungsdichte wird weiter abnehmen. Geringere Einwohnerzahlen werden u. a. zu einer weiter sinkenden Finanzausstattung der Kommunen führen. Vor diesem Hintergrund suchen Politik und Verwaltung auf den Ebenen des Landes, der Kreise und Kommunen Lösungen, wie mit den Folgen des demografischen Wandels umgegangen werden kann. In diesem Zusammenhang bietet der DemografieCheck Lösungsideen für insgesamt vier Bereiche der Daseinsvorsorge an. Um Doppelarbeiten zu vermeiden, war es unabdingbar, sich mit Akteuren auf den ver- schiedenen Ebenen eng zu verzahnen. Eine Verzahnung erfolgte auf personeller Ebene. So gehörte beispielsweise ein Mitglied der IMAG „Demografischer Wandel“ zur Steue- rungsgruppe des DemografieChecks und Mitglieder der Enquete-Kommission „Älter wer- den in Mecklenburg-Vorpommern“ beteiligten sich an mehreren Arbeitsgruppensitzungen. Am engsten wurde eine Zusammenarbeit mit dem Regionalen Planungsverband West- mecklenburg aufgebaut, da sich die Erarbeitung der „Regionalstrategie Daseinsvorsorge Westmecklenburg“ räumlich und inhaltlich mit dem DemografieCheck überschnitt. Weiter- hin wurde themenbezogen zusammengearbeitet, z. B. mit dem Kuratorium Gesundheits- wirtschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern oder auch dem Runden Tisch Medizin des Landkreises Ludwigslust-Parchim. Insgesamt war es nicht leicht, alle relevanten Akteure und Initiativen schnell zu erkennen. Ein zentraler Ansprechpartner auf Landesebene, bei dem alle demografierelevanten In- formationen zusammenlaufen, wäre hilfreich gewesen. Welche Aktivitäten und Vorgaben bei der Erarbeitung des DemografieChecks insbeson- dere berücksichtigt wurden, zeigen die nachfolgenden Kapitel.

3.1 Demografiestrategie des Landes M-V Die Demografiestrategie des Landes M-V basiert im Wesentlichen auf den seit 2011 vor- liegenden Strategiebericht zum Demografischen Wandel. Für die Landesregierung ist der demografische Wandel eine Querschnittsaufgabe. Daher arbeitet seit 2012 die Enquete- Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, um die Demografiestrategie des Landes weiterzuentwickeln.

IMAG „Demografischer Wandel“ der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern Der Strategiebericht der IMAG wurde im Januar 2011 als Demografiestrategie des Landes Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet. Mit insgesamt fünf Strategien - informieren und orientieren, - gegensteuern, - anpassen und modernisieren, - ermöglichen und - aktivieren soll der Prozess aus Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung in positive Bahnen ge- lenkt werden. Drei Aufgaben stehen dabei im Mittelpunkt. Zum einen soll das Land attrak- tiv für Jung und Alt sein, damit sich viele Menschen für ein wohnen und arbeiten in M-V

6 Hrsg. Department AGIS, interdisziplinäre Fakultät Universität : Lebenssituation Älterer in Mecklen- burg-Vorpommern, 2012

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entscheiden und auch eine Zukunft für ihre Kinder in diesem Bundesland sehen. Weiter- hin muss die Wirtschaft demografiefest gemacht werden. Das heißt insbesondere Arbeits- kräfte für das Land zu sichern. Drittens ist die Infrastruktur an eine geringer werdende Bevölkerungszahl anzupassen. Das heißt nicht nur reduzieren, sondern auch neu gestal- ten 7. Vor diesem Hintergrund sollen sich Aktivitäten des Landes M-V in eine oder mehrere der vier nachfolgend benannten strategischen Handlungsfelder einordnen. Zu den Hand- lungsfeldern gehören: - alle Potenziale erschließen, Fachkräfte sichern, - Sicherung der Daseinsvorsorge für eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, - eine moderne und bürgernahe Verwaltung aufbauen und - bürgerschaftliches Engagement als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken. Im Detail betont der Strategiebericht die Notwendigkeit, Stadt-Umland-Räume zu stärken und die Mobilität in der Fläche durch den ÖPNV zu sichern. Damit sollen Angebote der Daseinsvorsorge ohne großen zeitlichen Aufwand erreichbar sein. Darüber hinaus werden neuartige und allgemein übertragbare Lösungsansätze benötigt, u. a. in den Bereichen - Rettungsdienst und Notfallversorgung, - wohnortnahe ambulante medizinische Versorgung und Pflege, - Gesundheitsförderung, Prävention und Sport sowie - Siedlungsentwicklung und Wohnungsbau. Der DemografieCheck wird für einige dieser Bereiche Lösungsideen anbieten. Der Be- reich Gesundheitsförderung, Prävention und Sport wurde bei der Erarbeitung der Regio- nalstrategie Daseinsvorsorge für die Planungsregion Westmecklenburg bearbeitet und ist daher im DemografieCheck kein Untersuchungsgegenstand.

Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ Am 01. Februar 2012 beschloss der Landtag die Einsetzung der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“. Zur Kommission gehören 21 gleichberechtig- te Mitglieder. Der Abgeordnete Jörg Heydorn wurde zum Vorsitzenden gewählt. Abbildung 4: Mitglieder der Enquete-Kommission Älter werden in M-V

Quelle: Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“

7 www.demografie-portal.de

13 DemografieCheck Raum Parchim

Ziel ist es, lösungsorientierte Ansätze zur Bewältigung der Probleme des demografischen Wandels zu finden. Denn in 20 bis 30 Jahren werden die Älteren die quantitativ stärkste Bevölkerungsgruppe sein. Die Gesellschaft muss sich auf diese Veränderungen einstel- len. Die Enquete-Kommission wird daher als Ergebnis ihrer Arbeit Handlungsempfehlun- gen zu sechs Schwerpunktthemen in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein- bringen. Untersucht werden die Schwerpunktthemen: - Wohnen im Alter, - Alter und Gesundheit/ Pflege, - Mobilität im Alter, - Bildung und Arbeit, - Bürgerschaftliches Engagement/ Gesellschaftliche Teilhabe und - Infrastruktur/ Daseinsvorsorge. Die Enquete-Kommission wird die Untersuchungsergebnisse in einem Zwischen- und Endbericht dokumentieren, dem Parlament zur Diskussion vorlegen und darauf hinwirken, dass die Handlungsempfehlungen durch Beschlüsse des Parlaments umgesetzt werden. Während der Bearbeitungszeit des DemografieChecks hat sich die Kommission u. a. den Themen Wohnen im Alter, im Kontext der Siedlungsentwicklung von Städten und Ge- meinden sowie Mobilität im Alter gewidmet. Diese Bereiche wurden auch durch den De- mografieCheck untersucht. Daher war ein Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren wichtig, der durch eine Teilnahme an Sitzungen der Enquete-Kommission oder durch ein Mitwirken von Kommissionsmitgliedern an Arbeitsgruppensitzungen des Demografie- Checks ermöglicht wurde.

3.2 Grundlagen der Raumordnung Empfehlungen aus dem DemografieCheck sind in erster Linie an das Land M-V, den Kreis Ludwigslust-Parchim und an Kommunen gerichtet. Dabei müssen Vorgaben der Raum- ordnung beachtet werden. Basis sind dabei das Landesraumentwicklungsprogramm aus dem Jahr 2005 sowie das 2011 verabschiedete Regionale Raumentwicklungsprogramm für die Planungsregion Westmecklenburg. Das zentrale Orte-System ist hierbei von besonderer Bedeutung. Da immer weniger Men- schen in Mecklenburg-Vorpommern wohnen, wurde vor einigen Jahren das zentrale Orte- System vereinfacht und in ein dreistufiges System überführt. Knapp 100 von ursprünglich 136 Zentralorten sichern jetzt ein breites kulturelles, soziales und technisches Angebot. Im Untersuchungsgebiet ist erkennbar, dass sich viele Angebote aus der Fläche zurück- ziehen, beispielsweise der medizinischen Versorgung, und sich in größeren, zentralen Orten konzentrieren. Damit Wege zwischen Wohn- oder Arbeitsstandort zu den Versor- gungsstandorten nicht immer länger werden, sollte das Netz an zentralen Orten nicht weitmaschiger werden, um eine flächendeckende, annähernd ortsnahe Versorgung in ausreichendem Umfang und ausreichender Qualität sicherzustellen. Gleichzeitig wurde im DemografieCheck deutlich, dass eine allumfassende Entwicklung die ausschließlich auf Wachstum ausgerichtet ist, nicht mehr in jeder Gemeinde sinnvoll ist. Dieser Aspekt wird auch bei der Aktualisierung des Landesraumentwicklungspro- gramms aufgegriffen.

14 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 5: Erster Entwurf Landesraumentwicklungsprogramm M-V (Stand Juli 2013)

Quelle: www.regierung-mv.de Im LEP M-V werden Räume die stark vom demografischen Wandel betroffen sind, als „Ländliche Räume mit besonderen demografischen Herausforderungen“ ausgewiesen. Gerade in diesen Teilen des Landes sollen durch eine Umsetzung von innovativen Projek- tansätzen und die Bereitschaft aller, neue Wege zu beschreiten, auch künftig lebenswerte Verhältnisse vorherrschen. Aus dem DemografieCheck ergeht die Empfehlung, dass auch die Einführung neuer Entwicklungsansätze und die Anpassung einer vorhandenen Infra- struktur durch Fördermittel begleitet werden müssen.

3.3 Kreisentwicklung Die Erstellung des DemografieChecks für den Raum Parchim ist eingebettet in eine kon- zeptionelle Planung und Entwicklung des Landkreises Ludwigslust-Parchim. Eine wichtige Grundlage bildet das demografiebezogene Kreisentwicklungskonzept des Altkreises Par- chim aus dem Jahr 2011. Dort wurden insgesamt 17 Bereiche der Daseinsvorsorge un- tersucht und jeweils Handlungsempfehlungen für drei Zeithorizonte 8 abgeleitet. Dabei wurde ersichtlich, dass nicht alle 17 Bereiche der Daseinsvorsorge die gleiche Bedeutung für die zukünftige Kreisentwicklung haben. Die Themen mit einer besonders hohen Hand- lungspriorität wurden im DemografieCheck aufgegriffen und in den Workshops im Modul 1 in die Diskussion eingebracht.

8 kurzfristig bis 2015, mittelfristig bis 2020, langfristig bis 2030

15 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 6: Bewertungsergebnisse der Daseinsvorsorgebereiche aus dem KEK Parchim

Quelle: Kreisentwicklungskonzept für den Kreis Parchim – Module 1 und 2 Ausprägung der Problemlage: grün = niedrig, gelb = mittel, rot = hoch Gegenwärtig arbeitet die Kreisverwaltung an der Erstellung eines Kreisentwicklungskon- zeptes für den Großkreis Ludwigslust-Parchim. In diesem Prozess werden nicht nur die Ergebnisse aus dem Kreisentwicklungskonzept des Altkreises Parchim einfließen, son- dern auch die Handlungsempfehlungen, die sich aus der Regionalstrategie Daseinsvor- sorge für die Planungsregion Westmecklenburg ableiten, die seit Oktober 2013 zur Verfü- gung stehen. Spannend wird auch die Einbindung des Landkreises in das Leitprojekt „Demographie und Daseinsvorsorge“ der Metropolregion Hamburg. Bis 2016 soll eine Gesamtstrategie zur Daseinsvorsorge erarbeitet sein. In diesem Prozess werden auch die Ergebnisse des DemografieChecks einfließen, obwohl nur das Gebiet des Altkreises Ludwigslust Teil der Metropolregion Hamburg ist.

4 Profil Untersuchungsgebiet Der Raum Parchim wurde aufgrund seiner siedlungs- und wirtschaftsstrukturellen Eigen- art für die Durchführung des Modellvorhabens ausgewählt. Der Untersuchungsraum zeichnet sich durch eine vergleichsweise niedrige Bevölkerungsdichte von 42,7 Einwoh- nern pro km² aus. 2010 verteilten sich 50.778 Einwohner auf insgesamt 1.188 km². Die Bevölkerungsdichte der Region entspricht damit nicht einmal 20 % der gesamtdeutschen Bevölkerungsdichte und liegt selbst weit unterhalb des Wertes von Mecklenburg- Vorpommern (71 EW/km²). Der Zuschnitt des Untersuchungsraums orientiert sich an den Grenzen des zur Stadt Parchim gehörenden Mittelbereichs. Entsprechend findet sich im Gebiet eine Siedlungsstruktur, die von peripher gelegenen und strukturschwachen Räu- men über dichtere Siedlungsschwerpunkte bis hin zu städtischen Gebieten ein breites Spektrum an Gebietskategorien bietet und es somit ermöglicht, auch intraregionale Pro- zesse zu beleuchten. Tabelle 1: Steckbrief des Untersuchungsraums

Fläche 1.188 km² Einwohnerzahl (31.12.2010) 50.778 Bevölkerungsdichte (31.12.2010) 42,7 EW/km² Anzahl amtsfreie Städte 1 Anzahl Amtsbereiche 3 Anzahl Gemeinden (31.12.2010) 37 Zentralorte laut RREP 2011 Parchim (Mittelzentrum) -Kreisstadt LWL/PCH- Lübz (Grundzentrum); Plau am See (Grundzentrum) Quelle: Amt für Statistik M-V 2013; eigene Berechnungen

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Tabelle 2 zeigt die beteiligten Kommunen und die administrative Gliederung. Tabelle 2: Administrative Gliederung des Untersuchungsraums

Landkreis Amt Gemeinde Hinweis Ludwigslust-Parchim: --- Parchim Stadt, amtsfrei Eldenburg Lübz -Kuppentin --- Gischow --- --- Karbow-Vietlübbe --- --- --- Lübz Stadt, amtsangehörig Lutheran --- --- Passow --- --- Suckow --- --- --- Werder --- 9 Damm --- Domsühl --- Groß Godems --- --- --- --- Rom --- Severin --- --- Stolpe --- --- Zölkow --- Plau am See --- Buchberg --- --- Plau am See Stadt, amtsangehörig --- Grabow --- --- Möllnbeck --- --- Quelle: www.kreis-swm.de 2012 Der Raum Parchim befindet sich auf etwa halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Die Entfernung zu Hamburg beträgt ca. 140 km, die Entfernung zu Berlin ca. 160 km. Die nordwestlich des Untersuchungsgebiets gelegene Landeshauptstadt Schwerin wird je nach Standort in 40 bis 70 km erreicht. Wichtige intraregionale Hauptverkehrsadern sind unter anderem die Bundesstraßen 321 (Schwerin – Parchim - Anschluss Putlitz A24) und die die Bundesstraße 191 (Ludwigslust – Parchim – Lübz – Plau am See). Die schienen- seitige Erschließung des Raums erfolgt zum einen über die Bahntrasse zwischen Parchim und Schwerin und zum anderen über die Mecklenburger Südbahn, die unter anderem zwischen Ludwigslust, Parchim, Lübz und Karow verkehrt.

9 Seit 2013 ist Damm ein Ortsteil der Stadt Parchim und keine eigenständige Gemeinde mehr.

17 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 7: Großräumige Lage der Region Parchim

Quelle: google.maps (pro); eigene Darstellung Naturräumlich gliedert sich das Gebiet in vier wesentliche Teilräume. Im Westen befindet sich das Landschaftsschutzgebiet , das ein ausgedehntes Feuchtgebiet mit zahlrei- chen Mooren, Seen, kleinen Flussläufen und Kanälen ist. Im südlichen Untersuchungs- raum befinden sich Teile der Ruhner Berge, eine Endmoränenlandschaft, die sich bis auf 176 m anhebt und die zweithöchste Erhebung des Bundeslandes Mecklenburg darstellt. Der östliche Bereich des Untersuchungsgebietes wird vor allem durch den Plauer See geprägt, der auch für den Tourismus in der Region von entscheidender Bedeutung ist. Der zentrale und nördliche Bereich des Gebietes zeigt sich als typische Grundmoränen- landschaft und ist stark land- und forstwirtschaftlich geprägt. Verbindendes Element der Region ist die Müritz-Elde-Wasserstraße, die sich von Grabow über Neustadt-Glewe, die Lewitz, Parchim, Lübz und Plau am See bis zum Plauer See erstreckt. Abbildung 8: Schutzgebiete im Raum Parchim

Quelle: umweltkarten.mv-regierung.de 2013

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Im Raum Parchim 2011 insgesamt 15.879 Personen beschäftigt. Das entspricht ca. einem Viertel aller im Landkreis Ludwigslust-Parchim beschäftigten Personen (61.115). Abbildung 9: Beschäftigte im Landkreis LWL-PCH nach Branchen 2011

6% Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 27% Produzierendes Gewerbe

Handel, Verkehr, Gastgewerbe 34%

Erbringung von Unternehmensdienstleistungen 11% Erbringung von öffentlichen und privaten Dienstleistungen 22%

Quelle: Statistisches Amt M-V 2013 Im Landkreis Ludwigslust-Parchim war 2011 das produzierende Gewerbe mit 34 % der wichtigste Arbeitgeber. Darauf folgt der Bereich „Öffentliche und private Dienstleistungen“ mit einem Anteil von 27 %. Im Handel, Verkehr und Gastgewerbe waren 22 % der Be- schäftigten tätig. Die Erbringung von Unternehmensdienstleistungen lag hingegen ledig- lich bei 11 %. Schwächste Branche ist die Land- und Forstwirtschaft (inkl. Fischerei), die jedoch im landes- und bundesweiten Vergleich eine verhältnismäßig starke Position im Landkreis einnimmt. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Verteilung der Beschäftigten in dieser oder ähnlicher Form auch auf den Untersuchungsraum übertragen lässt. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit hat im Landkreis Ludwigslust-Parchim in den vergan- genen Jahren einen sehr positiven Verlauf genommen. Gab es 2005 noch 18.602 Arbeits- lose, so waren es 2012 nur noch 10.664. Dies entspricht einem Rückgang von 43,1 %. Die Arbeitslosenquote lag im Oktober 2013 auf einem für das Land Mecklenburg- Vorpommern mit 8,4 % recht niedrigen Niveau. 10 Gründe hierfür gibt es verschiedene. Zum einen treten mehr und mehr Arbeitslose ins Rentenalter ein. Andere ziehen aus der Region weg, um woanders auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ein nicht unerheblicher Anteil des Rückgangs ist jedoch auch auf die positive Wirtschaftsentwicklung in der Regi- on zurück zu führen. Die hohe Dynamik der Abnahme der Arbeitslosigkeit zeigt jedoch auch mehr und mehr die Situation, dass es für die Unternehmen der Region zunehmend schwerer wird geeignete Mitarbeiter zu finden, da sich der lokale Arbeitskräftemarkt mehr und mehr ausdünnt.

10 Jobcenter Ludwigslust-Parchim 2013

19 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 10: Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt

Quelle: Jobcenter Ludwigslust-Parchim 2013 Seit der Wiedervereinigung wurden im Untersuchungsgebiet ca. 133 ha Gewerbebauflä- chen in 8 großflächigen Neubaugebieten ausgewiesen. Diese konzentrieren sich in Berei- chen mit guter verkehrstechnischer Anbindung bzw. in direkter Umgebung größerer Sied- lungsbereiche. Hier sind vor allem die Standorte im Stadtgebiet von Parchim sowie die südlich angrenzenden Bereiche Richtung A24 zu nennen. Summiert man die Nettobauflä- chen der dortigen Gewerbegebiete „Spornitz Nord und Ost“, „Möderitzer Weg“ sowie „Zachow“ auf, so zeigt sich, dass diese allein ca. 69 % der gesamten Nettobaufläche ausmachen. Größere Standorte finden sich weiterhin in Lübz, die übrigen Standorte be- wegen sich in einer Größenordnung von 5 bis ca. 10 ha. Mehr als 63 % der bereitgestellten Gewerbebauflächen sind belegt, die verbleibenden 48,5 ha stehen für weitere Gewerbe- und Industriebetriebe zur Verfügung. Die Auslastung der einzelnen Gewerbegebiete unterscheidet sich erheblich. Besonders an den großen Standorten südlich von Parchim bestehen noch größere Reserven. Allein die Flächenre- serven der Standorte Spornitz und Zachow machen mit ihren zusammen 22,1 ha 46 % der noch verfügbaren Flächen aus (vgl. Tabelle 4). Tabelle 3: Gewerbegebiete im Untersuchungsgebiet

Gewerbegebiet Ort Fläche gesamt verfügbare Fläche belegte Flächen (in ha Nettobauland) (in ha Nettobauland) (in ha Nettobauland) "Appelburg" Plau am See 7,2 4,1 3,1 Güstrower Plau am See 10,5 9,5 1,0 Chaussee Dargelütz Parchim 3,3 3,3 0,0 Domsühl Domsühl 5,3 5,0 0,3 Lübz Nord Lübz 15,0 2,2 12,8 "Möderitzer Parchim 24,5 2,3 22,2 Weg" Spornitz Ost und Spornitz 27,0 16,9 10,1 Nord Zachow Zachow 40,0 5,2 34,8 Summe: 132,8 48,5 84,3 Quelle: Landkreis Parchim, Investorenportal M-V

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Bei Recherchen konnten die in Tabelle 4 aufgeführten Unternehmen identifiziert werden, denen eine besondere Bedeutung für die Region zugesprochen werden kann. Tabelle 4: Bedeutende Unternehmen im Untersuchungsgebiet

Unternehmen Standort Branche Schlachthof Parchim GmbH Parchim Ernährungswirtschaft Bio Geflügel Mecklenburg GmbH Severin Ernährungswirtschaft Siggelkower Mooster GmbH Siggelkow Ernährungswirtschaft Spornitzer Agrar GmbH Spornitz Ernährungswirtschaft Mecklenburger Landpute Schlachterei GmbH Severin Ernährungswirtschaft Wunderfeld e.G Wangelin Ernährungswirtschaft Mecklenburgische Brauerei Lübz GmbH Lübz Ernährungswirtschaft Mecklenburger Wurstspezialitäten GmbH & Co KG Lübz Lübz Ernährungswirtschaft Schau-Imkerei und Fachhandel R. Neumann am Plauer Plau - Quetzin Ernährungswirtschaft See Agrar GmbH Stolpe Stolpe Ernährungswirtschaft Volker Rumstich Transport GmbH Spornitz Logistik BLT Beratung-Logistik-Transport GmbH Spornitz Logistik Krüger + Voigt Internationale Spedition GmbH Parchim Logistik Hydraulik Nord Parchim Produzierendes Gewerbe Ma-ba-tech GmbH Parchim Produzierendes Gewerbe MFT Fenster GmbH, Zur großen Heide, Spornitz Spornitz Produzierendes Gewerbe RoweMed AG - Medical 4 Life Parchim Produzierendes Gewerbe Ganzlin Beschichtungspulver GmbH Ganzlin Produzierendes Gewerbe D & W Stahl- und Anlagenbau GmbH Parchim Produzierendes Gewerbe B.M.P. Productions GmbH Pharmazeutische Erzeugnisse Parchim Produzierendes Gewerbe Doelling hareiko gmbh Lübz Produzierendes Gewerbe BAULA Stahl-und Alubau GmbH Lübz Produzierendes Gewerbe SAINT-GOBAIN ISOVER G & H AG Lübz Produzierendes Gewerbe Hansa Baustoffwerke Parchim Produzierendes Gewerbe WEKO Weko Bau Parchim GmbH Spornitz Handwerk Baugeschäft Horst Dummert GmbH & Co. KG Parchim Handwerk Bauunternehmen Josl GmbH Spornitz Handwerk Carl Schütt Bautec GmbH Lübz Handwerk DAU EISENBAHN-, STRASSEN- UND TIEFBAU GmbH Lübz Handwerk Dau Rohrleitungsbau GmbH Lübz Handwerk Hanseatische Bau GmbH Siggelkow Handwerk Parchim International Airport Parchim Dienstleistung Perry & Knorr Parchim GmbH, Parchim Dienstleistung KMG Klinik Silbermühle GmbH Plau Dienstleistung Asklepios Klinik Parchim Dienstleistung Textil-Service Mecklenburg GmbH Parchim Dienstleistung VR-Bank eG Schwerin - Parchim - Ludwigslust Parchim Dienstleistung Sparkasse Parchim-Lübz Parchim, Lübz Dienstleistung DAA Parchim Parchim Dienstleistung Berufsbildungsstätte START GmbH Parchim Dienstleistung Salo + Partner Berufliche Bildung GmbH Parchim Dienstleistung Jugendförderverein Parchim/Lübz Parchim, Lübz Dienstleistung Ticket Online Sales&Service Center GmbH Parchim Dienstleistung Parchim Wacht GbR Parchim Dienstleistung Stadtwerke Lübz GmbH Lübz Dienstleistung Stadtwerke Parchim GmbH Parchim Dienstleistung Quelle: eigene Recherche

21 DemografieCheck Raum Parchim

5 Demographische Entwicklung In Zeiten einer gesamtdeutschen Bevölkerungsschrumpfung sind mehr und mehr Städte, Gemeinden und Regionen von gravierenden Bevölkerungsveränderungen betroffen. Be- reits seit Anfang der 70er Jahre ist die Zahl der Neugeborenen in Deutschland unter die Zahl der Sterbefälle gesunken, was eine natürliche Schrumpfung der Bevölkerung zur Folge hat. Überlagert wurde dieser Prozess lange durch einen positiven Außenwande- rungssaldo. Da bis in die 2000er-Jahre mehr Personen nach Deutschland einwanderten als das Land verließen, konnten die Sterbeüberschüsse ausgeglichen und sogar über- kompensiert werden. Eine gesamtdeutsche Schrumpfung setzte erst ein, als Anfang der 2000er-Jahre auch die Wanderungsgewinne abnahmen. Innerhalb einzelner Teilräume der Bundesrepublik kam es hingegen bereits früher zu flächenhaften Bevölkerungsverlus- ten, die vor allem durch starke wirtschaftliche Disparitäten und damit verbundene Binnen- wanderungen getragen wurden. Hierbei lassen sich zwei großräumige Bewegungsmuster abbilden. Zum einen eine Wanderung von Ost nach West und zum anderen eine Wande- rung von Nord nach Süd. Hinzu kommen zahlreiche kleinräumige Bewegungen, die auch innerhalb einzelner Regionen für starke Umverteilungsprozesse sorgen. Wie die Bevölkerungsdaten für den Raum Parchim zeigen, macht sich der demografische Wandel im Untersuchungsraum sehr stark bemerkbar. Vor allem gravierende Bevölke- rungsverluste und die allgemeine Alterung der Gesellschaft stellen sich als große Heraus- forderung dar. Durch eine räumliche Bevölkerungsausdünnung und -fragmentierung wird eine flächenhafte Versorgung der Einwohner zunehmend schwerer. Nichts desto trotz muss sich die Region auch künftig dem Wettbewerb der Städte und Regionen stellen. Hierzu gilt es auch in Zeiten der Schrumpfung für attraktive Lebensbedingungen zu sor- gen. Die seit Jahrzehnten verlaufenden demografischen Entwicklungsmuster werden sich mittelfristig nur schwerlich aufbrechen bzw. umkehren lassen. Somit gilt es, sich an die Bedingungen anzupassen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich die Region zu- kunftsfähig aufstellen und vorhandene Potenziale und Chancen nutzen kann. Bevor nach Strategien und konkreten Maßnahmen gesucht wird, empfiehlt es sich, eine detaillierte Betrachtung der zurückliegenden demografischen Entwicklung sowie eine Ana- lyse verfügbarer Bevölkerungsprognosen vorzunehmen. Die Betrachtung der zurückliegenden Bevölkerungsentwicklung erfolgt auf Grundlage von Daten des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Gebietsstand der Ge- meinden vom 31.12.2012. Für die Analyse der künftigen Bevölkerungsentwicklung wer- den Rohdaten einer kleinräumigen Bevölkerungsprognose des Büros Gertz-Gutsche- Rümenapp GbR Hamburg/Berlin (GGR) genutzt, die im Rahmen der Regionalstrategie Daseinsvorsorge für den regionalen Planungsverband Westmecklenburg auf Gemeinde- ebene erstellt wurden. Diese orientiert sich an der im Dezember 2012 überarbeiteten 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern.

5.1 Entwicklung der Bevölkerungsstände Die Bevölkerungsentwicklung in der Region Parchim ist seit der Wende vor allem durch eine kontinuierliche Schrumpfung der Bevölkerungsstände geprägt. 1993 konnte der Un- tersuchungsraum noch 59.812 Einwohner aufweisen. 2010 waren es hingegen nur noch 50.778 Einwohner. In den dazwischen liegenden 17 Jahren verlor die Region somit 9.034 Einwohner. Dies entspricht einem relativen Bevölkerungsverlust von 15,1 %. Hieraus ergibt sich eine gemittelte jährliche Schrumpfungsrate von 0,89 % bzw. einem absoluten Verlust von 531 Personen jährlich. Im bisherigen Entwicklungsverlauf lassen sich zwei Phasen ausmachen. In der ersten Phase von 1993 bis zur Jahrtausendwende musste die Region lediglich geringe jährliche Bevölkerungsverluste von in der Regel weniger als 0,6 % verbuchen.

22 DemografieCheck Raum Parchim

Tabelle 5: Entwicklung der Bevölkerungsstände 1993 bis 2010

Relative Entwicklung Relative Entwicklung Jahr absolute Bevölkerung zu 1993 zum Vorjahr

1993 59.812 0 0 1994 59.192 -1,0% -1,0% 1995 59.193 -1,0% 0,0% 1996 59.056 -1,3% -0,2% 1997 58.827 -1,6% -0,4% 1998 58.439 -2,3% -0,6% 1999 58.170 -2,7% -0,4% 2000 57.494 -3,9% -1,1% 2001 56.926 -4,8% -0,9% 2002 56.256 -5,9% -1,1% 2003 55.615 -7,0% -1,1% 2004 54.959 -8,1% -1,1% 2005 54.352 -9,1% -1,0% 2006 53.687 -10,2% -1,1% 2007 53.100 -11,2% -1,0% 2008 52.263 -12,6% -1,4% 2009 51.517 -13,9% -1,2% 2010 50.778 -15,1% -1,2% Quelle: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen Ab dem Jahr 2000 nahm die Schrumpfungsdynamik zu und befindet sich seitdem auf ei- nem Niveau von fast durchgängig über 1,0 % (vgl. Tabelle 5 und Abbildung 11). Abbildung 11: Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen

23 DemografieCheck Raum Parchim

Die Intensität, mit der der demografische Wandel auf den Untersuchungsraum einwirkt, wird besonders im Vergleich mit anderen Gebietseinheiten ersichtlich. Stellt man die Ent- wicklung mit der des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, dem neuen Großkreis Ludwigslust-Parchim und den beiden Altkreisen gegenüber, so zeigen sich sehr unter- schiedliche Ergebnisse. Die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns hat zwischen 1993 und 2010 um 10,9 % abgenommen. Der ehemalige Landkreis Parchim musste ei- nen Bevölkerungsverlust von 9,5% hinnehmen. Wesentlich positiver zeigte sich hingegen die Entwicklung im ehemaligen Landkreis Ludwigslust. Hier wurde lediglich ein Verlust von 1,38 % verzeichnet. Entsprechend liegt auch der neu gebildete Großkreis Ludwigs- lust-Parchim mit einer Abnahme von 5,1 % bei einem recht moderaten Wert. Es lässt sich demnach festhalten, dass der Untersuchungsraum mit einer Abnahme von 15,1 % im Vergleich zum Bundesland, zu den Altkreisen und zum Großkreis überdurchschnittlich starke Bevölkerungsverluste zu verzeichnen hat. Richtet man den Blick auf den zeitlichen Entwicklungsverlauf in den einzelnen Gebiets- einheiten, so stellt man für die beiden Altkreise Ludwigslust und Parchim bis zum Jahr 2000, vermutlich aufgrund der nach der Wiedervereinigung abgelaufenen Stadtumland- wanderungen mit Schwerin, noch leichte Bevölkerungsgewinne fest. Besonders im ehe- maligen Landkreis Parchim kehrte sich die Entwicklung jedoch schnell ins Negative um und unterschritt schon bald wieder das Bevölkerungsniveau von 1993. Der ehemalige Landkreis Ludwigslust zeigt sich insgesamt stabil, was neben der Nähe zu Schwerin auch durch die gute Anbindung an die Metropolregion Hamburg getragen wird. Der Entwick- lungsverlauf im Untersuchungsraum sowie auf Landesebene verlief hingegen durchgän- gig negativ, wobei die Dynamik der Schrumpfung seit den 2000er-Jahren zugenommen hat. Tabelle 6: Entwicklung der Bevölkerungsstände im Vergleich 1993 bis 2010

1993 zu 2010 Gebietseinheit 1993 2000 2005 2010 [absolut] [%] Region Parchim 59.812 57.494 54.352 50.778 -9.034 -15,10%

LK LWL-PCH 230.130 240.548 231.162 218.362 -11.768 -5,11%

ehemalige LK PCH 105.856 108.877 102.675 95.798 -10.058 -9,50%

ehemalige LK LWL 124.274 131.671 128.487 122.564 -1.710 -1,38%

M-V 1.843.455 1.775.703 1.707.266 1.642.327 -201.128 -10,91% Quelle: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen Wie der makroanalytische Vergleich mit anderen Gebietseinheiten zeigt, ist der demogra- fische Wandel örtlich unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies trifft auch auf den Untersu- chungsraum selbst zu. Lokalspezifische Standortfaktoren und Begebenheiten führen zu großen Disparitäten der Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Kommunen (vgl. Ab- bildung 12).

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Abbildung 12: Relative Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim von 1993 bis 2010

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen Betrachtet man die Entwicklung von 1993 bis 2010, so variiert der Bevölkerungsstand zwischen einer Zunahme von mehr als 20 % bis hin zu einer Abnahme von über 25 %. Dabei kommt es nicht selten zu einem Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung. Große Bevölkerungsverluste haben vor allem die peripher gelegenen Kommunen im Os- ten und Süden des Untersuchungsraums, die weder durch wirtschaftliche Zentren noch durch eine gute verkehrstechnische Anbindung geprägt sind, zu verzeichnen. Auch die drei im Untersuchungsgebiet befindlichen Städte Lübz und Plau am See (beide Grund- zentrum) sowie das Mittelzentrum Parchim mussten in den vergangenen 17 Jahren recht große Bevölkerungsverluste zwischen 15 % und 25 % hinnehmen. Eine positive Entwick- lung hatten hingegen nur Kommunen zu verzeichnen, die im direkten Umland des Mittel- zentrums Parchim liegen. Bevölkerungsgewinne konzentrierten sich vor allem in den nordwestlich von Parchim gelegenen Gemeinden Domsühl, Damm, Severin und Lewitz- rand. Die Gemeinden profitieren neben der räumlichen Nähe zu Parchim weiterhin von einer guten Straßenanbindung an das Oberzentrum Schwerin, das über die Bundesstraße B321 schnell erreicht werden kann. Eine positive Entwicklung gab es weiterhin nur noch in der Gemeinde Groß Godems im südlichen Parchimer Stadtumland. Das restliche Stadt- umland kann immerhin ein vergleichsweise stabiles Niveau mit Bevölkerungsverlusten zwischen 0 und 15 % vorweisen. Neben räumlichen Mustern kann die Bevölkerungsveränderung auch anhand von sied- lungsstrukturellen Parametern abgebildet und entsprechend analysiert werden. Betrachtet man die Kommunen des Untersuchungsraums nach Gemeindegrößenklassen, so zeigt sich, dass die Entwicklung der Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohner am negativsten verlief. Zu dieser Kategorie gehören das Mittelzentrum Parchim und die beiden Grundzen- tren Lübz und Plau am See. Im Gegensatz zu den kleineren Gemeindegrößenklassen hatten diese bereits direkt nach der Wende mit deutlichen Bevölkerungsverlusten zu kämpfen. Bereits zwischen 1993 und 2000 verloren Parchim, Lübz und Plau am See im

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Schnitt 7,1% ihrer Einwohner. Grund hierfür dürfte der zu dieser Zeit teils sehr marode Zustand der örtlichen Bausubstanz sowie der starke Wunsch der Bürger nach einem Ein- familienhaus im Grünen, dem zu Zeiten der DDR zumeist nicht nachgegangen werden konnte, sein. Bis 2010 verlor die Gemeindegrößenklasse nochmals 9,4% der Bevölkerung und hatte somit insgesamt Verluste in Höhe von 16,5% zu verzeichnen. Abbildung 13: Bevölkerungsveränderung nach Gemeindegrößenklassen

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013 Den positivsten Verlauf nahmen mittelgroße Kommunen zwischen 500 und 2.000 Ein- wohnern. Bis zur Jahrtausendwende konnte im Mittel noch ein Bevölkerungszugewinn von 2,7 % erzielt werden. Die bereits benannten Stadt-Umland-Wanderungen sorgten besonders in dieser Kategorie für die positive Entwicklung. Die Kommunen mittlerer Grö- ße wiesen vielerorts noch ein akzeptables Maß an Versorgungseinrichtungen auf. Gleich- zeitig konnte hier schnell Bauland für Einfamilienhäuser zu günstigen Preisen geschaffen werden. Ab 2000 wendete sich das Blatt jedoch recht schnell. Die zunächst positive Ent- wicklung kehrte sich in eine starke Schrumpfung um, die zwischen 2000 und 2010 auf einem Niveau von -15,0 % liegt. Die Schrumpfung hat womöglich verschiedene Ursprün- ge. So überlagerten die durch die intraregionalen Zuwanderungen aus den angrenzenden Städten die ebenfalls hohen allgemeinen Abwanderungszahlen. Nach Einbruch der Zuzü- ge schlugen die Fortzüge voll durch. Weiterhin ist in den letzten Jahren wieder die Ten- denz zum Leben in der Stadt zu erkennen. Besonders junge und ältere Menschen sehen ihre Bedürfnisse in der Stadt besser befriedigt als in den Dörfern. Die Ausdünnung des Netzes mit Versorgungseinrichtungen wirkt hierbei sicherlich als „Push-Faktor“. Junge Familien, die den Wohnstandort „Stadtrand bzw. Dorf“ mit großzügigen Einfamilienhäu- sern besonders schätzen, sind hingegen in den vergangenen Jahren weniger geworden. Die Kategorie der Kleinstgemeinden unterhalb von 500 Einwohnern nimmt einen ähnli- chen Verlauf wie die mittlere Größenkategorie. Zunächst konnten leichte Bevölkerungs- gewinne verzeichnet werden, aber seit Ende der 90er ist die Entwicklung ins Negative umgeschlagen. Zwischen 1993 und 2010 wurden 14,5 % der Bevölkerung verloren. Die Ausschläge sind jedoch etwas niedriger als in der Kategorie zwischen 500 und 2.000 Einwohner.

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5.2 Wanderungen und natürlicher Saldo Wie bereits erwähnt, sind die Bevölkerungsverluste durch das Zusammenspiel zweier Faktoren begründet. Zum einen tragen die bestehenden Wanderungsverluste und zum anderen die natürliche Bevölkerungsentwicklung (Differenz aus Geburten und Sterbefäl- len) zur stetigen Verringerung der Bevölkerung bei. Abbildung 14 zeigt den Einfluss des natürlichen sowie des Wanderungssaldos an der Ge- samtentwicklung. Besonders der Verlauf des Wanderungssaldos zeichnet einen sehr inte- ressanten Prozess ab. Zu Anfang des Betrachtungszeitraums, wenige Jahre nach der Wende, befand sich der Wanderungssaldo im stark negativen Bereich. 1993 verlor der Untersuchungsraum 517 Personen durch Wanderungen. 1994 waren es noch 251 Perso- nen. Von 1995 bis 1997 konnten im Gegenzug klare Bevölkerungszugewinne durch einen Wanderungsüberschuss erzielt werden. Im Jahr 1995 lag der Wanderungssaldo bei +121 und 1996 bei +300 Personen. Danach kehrte sich der Trend jedoch wieder ins Negative um. Entsprechend verliert der Untersuchungsraum seit 1998 stetig Personen durch Wan- derungsverluste. Die Dynamik hat dabei seit der Jahrtausendwende stark zugenommen. Seither liegt der jährliche Wanderungsverlust zwischen -305 und -515 Personen. An der Entwicklung lassen sich die Stadt-Umland-Wanderungen der Nachwendezeit sehr deut- lich ablesen. Zunächst hatte der Untersuchungsraum, wie auch die umliegenden Städte und Gemeinden, mit Bevölkerungsverlusten zu kämpfen. Diese wurden im Untersu- chungsraum jedoch recht bald durch Umverteilungsprozesse innerhalb der Region beglei- tet. Der teils marode Zustand der Bestandsimmobilien in den Städten, der durch die Sied- lungspolitik der DDR unterdrückte Wunsch nach einem Einfamilienhaus im Grünen sowie die Verbesserung der ökonomischen Situation führten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zu zeitlich konzentrierten Zuzügen aus beispielsweise Schwerin an den Stadtrand bzw. in den Raum Parchim. Der Zuzug begann mit der Verfügbarkeit von Bauland. Das Niveau der Fortzüge lag jedoch auch in diesen Jahren auf einem hohen Niveau, sie wur- den allerdings durch die starken Zuzugszahlen überlagert. Als zur Jahrtausendwende die Zuzüge mehr und mehr ausblieben, wurde die Abwanderung sichtbar. Insgesamt verlor die Region zwischen 1993 und 2010 4.949 Einwohner durch Wanderungsbewegungen. Abbildung 14: Wanderungs- und natürlicher Saldo im Raum Parchim

Wanderungs- und natürlicher Saldo im Raum Parchim 1993 bis 2010 60000 400 300 58000 200 56000 100 54000 0 -100 52000 -200

Einwohnerzahl 50000 -300

-400 Salden in Anzahl Personen 48000 -500 46000 -600

Gesamtbevölkerung Wanderungssaldo Natürliches Saldo

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen

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Tabelle 7: Wanderungssaldo und natürliche Bevölkerungsentwicklung

Jahr Wanderungs- Lebendgeborene Gestorbene Natürliches Saldo saldo 1993 -517 328 643 -315 1994 -251 327 705 -378 1995 121 355 718 -363 1996 300 390 602 -212 1997 121 391 675 -284 1998 -105 382 659 -277 1999 -89 368 573 -205 2000 -436 449 664 -215 2001 -305 367 630 -263 2002 -456 382 596 -214 2003 -395 353 606 -253 2004 -391 379 634 -255 2005 -316 340 635 -295 2006 -472 394 611 -217 2007 -353 349 584 -235 2008 -515 340 663 -323 2009 -444 364 666 -302 2010 -447 361 654 -293 Summe: -4.950 6.619 11 .518 -4.899 Daten: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen Die Mobilität und Wanderungsbereitschaft einzelner Altersgruppen unterscheidet sich erfahrungsgemäß erheblich und folgt einem klaren Muster. Dabei werden die Unterschie- de vor allem durch die spezifischen Wanderungsmotive begründet: - Jugendliche ziehen in der Regel um, weil ihre Eltern diese Entscheidung für die Fami- lie getroffen haben. - Zwischen dem 18 und 25 Lebensjahr findet eine starke Bildungs- und Ausbildungs- wanderung statt. Hierbei ziehen die Schulabgänger in Städte und Regionen, die ent- sprechende Ausbildungs- und Hochschulangebote anbieten. - Während der Berufstätigkeit ist der Arbeitsplatz der wichtigste Grund für einen Um- zug. - Erst im Ruhestand nehmen die privaten Motive wieder eine stärkere Rolle ein. So verlegen Senioren zum Teil ihren Ruhesitz in reizvolle Städte und Regionen, ziehen in die Heimat zurück, ziehen in einen Ort mit guter Versorgungssituation oder suchen die Nähe zu Verwandten und Freunden. Die beschriebenen Muster dürften auch für den Untersuchungsraum Gültigkeit haben. Da für den Untersuchungsraum keine Aufschlüsselung der Wanderungsbewegungen nach Altersklassen zur Verfügung steht, wird alternativ auf die Daten für den Altkreis Parchim zurückgegriffen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die hierbei heraus kris- tallisierenden Muster in ähnlicher Form auch im Untersuchungsraum darstellen. Betrach- tet wird der Zeitraum zwischen 2000 und 2009. Im ehemaligen Landkreis Parchim zeichnen sich in den einzelnen Altersgruppen sehr große Unterschiede bei den Wanderungssaldi ab. Während bei den jüngeren Altersgrup- pen ein nomineller Verlust zu verzeichnen ist, kann der Altkreis bei den Altersgruppen ab 50, teils auch ab 30, Gewinne verbuchen (vgl. Abbildung 15). Die Attraktivität des Altkrei- ses für Ältere scheint hierbei in den vergangenen Jahren gestiegen zu sein. Die Zugewin- ne nahmen in den letzten Jahren klar zu. Grund hierfür könnte die gute Eignung der Regi- on als Altersruhesitz sein. Besonders in Plau am See kommt es zu einer Konzentration altenbezogener Gesundheitsleistungen, die eine gewisse Sogwirkung haben. Einen be- sonders hohen Verlust muss der Altkreis hingegen bei den 18- bis 25-Jährigen hinneh-

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men. Auch die Verluste bei der arbeitsfähigen Bevölkerung sind recht hoch. Die Zahlen lassen darauf schließen, dass junge Menschen für ihre Ausbildung bzw. für ihr Berufsle- ben nicht die entsprechenden Angebote finden und somit in andere Städte und Regionen ziehen. Gewinner sind hier in der Regel die großen Städte und wirtschaftlichen Zentren, die neben einer entsprechenden Hochschullandschaft auch ein breites Angebot hochqua- lifizierter Arbeitsplätze anbieten. Positiv erscheint, dass der negative Saldo der Alters- gruppe 18 bis 25 in den letzten Jahren leicht zurückgegangen ist. Die absolute Betrach- tung trügt jedoch, da auch die gesamte Altersgruppe kleiner geworden ist. Dennoch gin- gen im Jahr 2009 78,3 % des Wanderungsverlustes auf diese Altersgruppe zurück. Ge- koppelt mit den Verlusten bei der arbeitsfähigen Bevölkerung, den Jugendlichen und den Kindern, trägt die Wanderung nicht nur zu einer Schrumpfung bei, sondern fördert auch die weitere Alterung der Bevölkerung. Wenn immer mehr alte Menschen in den Altkreis- reis ziehen und sich immer mehr junge Menschen diese verlassen, steigt entsprechend auch das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Abbildung 15: Wanderungssaldi im Kreis Parchim über die Kreisgrenzen von 2000 bis 2009

Wanderungssaldi im Kreis Parchim über die Kreisgrenzen von 2000 bis 2009

200

0

-200

-400

-600 AnzahlPersonen -800

-1000 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000

unter 18 18 - 25 25 - 30 30 - 50 50 - 65 65 und mehr

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2011 Neben den Wanderungsbewegungen ist auch der Verlauf der natürlichen Bevölkerungs- veränderung durch Sterbefälle und Lebendgeburten von großer Bedeutung für die Bevöl- kerungsentwicklung. Der Entwicklungsverlauf im Untersuchungsraum war zwischen 1993 und 2010 recht gleichmäßig. Es lassen sich vor allem zwei Entwicklungsphasen erken- nen, die wiederum mit den Wanderungsbewegungen zusammenhängen. Der natürliche Saldo lag nach der Wende zunächst im stark negativen Bereich. Vor allem selektiver Fortzug, politische Unsicherheit und gesellschaftliche Umwälzungsprozesse führten zu sinkenden Geburten in der Region. 1993 wurden 315 Personen weniger geboren als star- ben, 1994 lag das Defizit bei 378 Personen und 1995 bei 363 Personen. Mit dem Einset- zen der Suburbanisierung und dem Zuzug junger Familien in den suburbanen Raum, und damit auch in den Untersuchungsraum, stieg ab 1996 auch die absolute Zahl der Gebur- ten wieder an. Gleichzeitig nahm die Zahl der Sterbefälle aufgrund der größer werdenden Lebenserwartung und der insgesamt kleiner werdenden Einwohnerzahl ab – wer schon fort ist, verstirbt auch nicht Vorort. Zwischen 1996 und 2010 lag der natürliche Saldo auf einem konstant negativen Niveau zwischen -205 und -335 Personen (vgl. Abbildung 14).

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5.3 Altersstruktur Neben der zahlenmäßigen Veränderung der Bevölkerung spielt auch die Altersstruktur der Einwohner eine wesentliche Rolle. Die Altersstruktur einer Bevölkerung wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Neben den zuvor bereits beschriebenen selektiven Wanderungen von Altersgruppen sind weiterhin allgemeine gesellschaftliche Trends (Rückgang der Kinderzahlen, spätere Geburten,…) sowie die verbesserte medizinische Versorgung und damit eine höhere Lebenserwartung Gründe für die Alterung einer Ge- sellschaft. Dies gilt auch für die Region Parchim. Betrachtet man allein die Entwicklung von 1993 bis 2010, so ist bereits eine gravierende Verschiebung innerhalb der Altersstruk- tur zu erkennen (vgl. Abbildung 16). Lag 1993 der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren noch bei 26,5 % so verringerte sich dieser Anteil bis zum Jahr 2010 um 12,0 % auf 14,5 %. Dies entspricht einer Schrumpfung von gut 45 %. Die Gruppe der Per- sonen im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren konnte im gleichen Zeitraum an Bedeutung gewinnen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wuchs von 60,8 % leicht auf 62,5 % an. Den größten Bedeutungszuwachs konnten die Altersgruppen der „Alten“ zwi- schen 65 und 75 Jahren sowie die „Hochbetagten“ über 75 Jahren verbuchen. Der Anteil der Alten stieg von 8,0 % auf 12,6 % an. Der Anteil der Hochbetagten konnte sich sogar mehr als verdoppeln und wuchs von 4,8 % auf 10,3 % an. Abbildung 16: Relative Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010

Relative Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010 10 06 07 08 05 07 05 06 09 06 07 09 06 08 05 05 05 10 08 08 08 09 09 09 10 10 11 11 12 12 13 13 13 13 13 13 61 61 61 61 61 61 61 62 62 62 61 61 61 61 61 62 62 63 Anteil an Gesamtbevölkerung in % in Gesamtbevölkerung an Anteil 26 26 26 25 24 24 23 22 22 21 20 19 18 18 17 16 15 15

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

unter 20 20 - 65 65-75 75 und älter

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013, eigene Berechnungen Eine Aussage über die Entwicklung der tatsächlichen Anzahl von Personen in den einzel- nen Altersklassen lässt sich alleine aufgrund der Altersstrukturverschiebung noch nicht erfassen. Hierzu bedarf es einer gekoppelten Betrachtung mit der Entwicklung des Bevöl- kerungsstandes (vgl. Tabelle 12). Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren schrumpfte von 15.826 auf 7.385 Personen. Das entspricht einem Verlust von 8.441 Personen. Als Reaktion auf die gravierende Verringerung wurden bereits in den vergangenen Jahren zahlreiche Schul- standorte und jugendbezogene Einrichtungen geschlossen oder zusammengelegt. Konnte die Gruppe der arbeitsfähigen Bevölkerung zwischen 20 und 65 Jahren anteilsmäßig an der Gesamtbevölkerung zulegen, so zeigt sich aufgrund der insgesamt geschrumpften Einwohnerzahl auch in dieser Gruppe eine zahlenmäßige Verringerung. Zwischen 1993

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und 2010 nahm die Altersgruppe von 36.368 auf 31.752 Personen ab. Das entspricht ei- nem Verlust von 4.616 Personen bzw. einer Abnahme von 12,7 %. So wird es für lokale Unternehmen zunehmend schwerer qualifizierte Arbeitskräfte auf dem heimischen Ar- beitsmarkt zu finden und freie Stellen adäquat nachzubesetzen. Die Zahl der Alten und Hochbetagten konnte stark anwachsen. Gab es im Untersuchungsraum 1993 noch 4.769 Einwohner zwischen 65 und 75 Jahren, so waren es 2010 schon 6.404. Die Zunahme von 1.635 Personen führt vor allem zu einer Nachfrageveränderung hin zu altersbezogenen Dienstleistungen und zu einem veränderten Freizeitverhalten. Aufgrund steigender kör- perlicher Gesundheit und dem oftmals guten Bildungsgrad der Ruheständler geht von dieser Gruppe auch eine große Chance aus, da entsprechende Bürger vermehrt den Wil- len haben sich persönlich in die Dorfgemeinschaft bzw. in die Gesellschaft einzubringen und hierfür über die benötigte Qualifikation sowie Zeit verfügen. Den prozentual stärksten Zuwachs verzeichneten die Hochbetagten mit mehr als 75 Jahren. Die Zahl der Bürger in dieser Altersklasse stieg um 83,8 % von 2.849 auf 5.237 Personen. Entsprechend steigt auch die Nachfrage nach Pflege- und altenbezogenen Serviceleistungen stark an. Abbildung 17: Absolute Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010

Absolute Altersstruktur Raum Parchim 1993 bis 2010

70000

2849 60000 2831 2830 3158 3228 3282 3366 3463 3576 3702 3884 4003 4214 4396 4605 4747 4985 5237 4769

50000 4938 4944 5271 5118 5432 5710 5887 6310 6084 6514 6820 7000 7126 7082 7053

40000 6866 6404 36368 36004 35989

30000 35918 35996 35908 35677 35381 35016 34612 34102 33588 33115 32636 32488 32171 31871 20000 31752 Anzahl der Einwohner der Anzahl

10000 15826 15419 15430 14862 14332 13817 13417 12763 12250 11632 9529 11115 8925 10548 10023 8292 7795 0 7385

unter 20 20 - 65 65-75 75 und älter

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013

5.4 Bevölkerungsprognose Für eine zukunftsgewandte Durchführung des DemografieChecks ist neben der Analyse der bisherigen Bevölkerungsentwicklung auch eine Betrachtung der verfügbaren Bevölke- rungsprognosen erforderlich. Da der Untersuchungsraum keine eigenständige Gebiets- körperschaft darstellt, sondern eine freie Agglomeration einzelner Kommunen ist, können für die Betrachtungen nur Prognosen herangezogen werden, die auf Gemeindeebene vorliegen und den Untersuchungsraum vollständig abdecken. Für Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern liegen gemeindescharfe Bevölkerungsprognosen durch die Ber- telsmann Stiftung vor. Im Untersuchungsraum weisen jedoch lediglich die Städte Parchim, Lübz und Plau am See diesen Wert auf. Für die Stadt Parchim, Plau am See und Lübz liegen weiterhin Prognosen im Rahmen von integrierten Stadtentwicklungskonzepten vor. Auch hier wird nur ein Teilbereich des Untersuchungsraums betrachtet. Entsprechend ist keine flächendeckende Abbildung der Region auf Grundlage dieser Daten möglich. Ledig-

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lich die vom Büro GGR GbR Hamburg/Berlin im Rahmen der Regionalstrategie Daseins- vorsorge für den Regionalen Planungsverband Westmecklenburg erstellte Bevölkerungs- prognose kann die genannten Kriterien erfüllen. Die Daten wurden dem DemografieCheck vom Regionalen Planungsverband zur Verfügung gestellt. Die weitere Betrachtung und Analyse erfolgt daher auf dieser Datengrundlage. 11 Entsprechend der Prognosedaten wird der Raum Parchim auch zwischen 2010 und 2030 große Bevölkerungsverluste zu verzeichnen haben. Zwischen 2010 und 2030 wird ein Bevölkerungsrückgang von 6.628 Personen vorhergesagt. Im Abgleich mit der bisherigen Entwicklung zeigt sich, dass die Prognose immerhin von einer Abschwächung der Schrumpfungstendenz ausgeht (vgl. Trendlinien in Abbildung 18). Nichtsdestotrotz ent- spricht die Zahl einer Bevölkerungsabnahme von abermals 13,1 %. Der Prognoseverlauf folgt einer kontinuierlichen Entwicklung und bildet keine großen Schwankungen ab. Abbildung 18: Bevölkerungsentwicklung und -prognose im Raum Parchim 1995 bis 2030

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013, Regionaler Planungsverband Westmecklenburg 2013, eigene Berech- nungen Da die Prognose auf Gemeindeebene erstellt wurde, kann auch eine intraregionale Be- trachtung der künftigen Entwicklungsverläufe vorgenommen werden. Bei der Abbildung der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung zwischen 2010 und 2030 zeigt sich wie- derholt ein Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung (vgl. Abbildung 19). Die im Norden bzw. Westen von Parchim gelegenen Kommunen Obere Warnow, Severin und Lewitzrand können laut Prognose positive Entwicklungen verzeichnen. Die Städte Par- chim und Plau am See sowie ein Großteil der angrenzenden Umlandgemeinden müssen zumindest nur mit einer Schrumpfung bis -15 % rechnen. Besonders kritische Bereiche sind vor allem die peripher gelegenen Gemeinden im Südwesten (-25 % und mehr) sowie die Stadt Lübz und die angrenzenden Gemeinden (-15 % bis -25 %).

11 Es wird darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit von Prognosefehlern bei höherer räumlicher Auf- lösung und damit sinkenden Falzahlen als Ausgangsdaten für die Prognoseberechnungen steigt. Besonders auf der Ebene von Gemeinden sind die ausgegebenen Werte mit großer Vorsicht zu bewerten. Die Daten dienen einer groben Einschätzung der künftigen Entwicklung und sollen das dargestellte Bild vervollständigen.

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Abbildung 19: Prognostizierte relative Bevölkerungsentwicklung Raum Parchim 2010 bis 2030

Quelle: eigene Darstellung Daten: Regionaler Planungsverband Westmecklenburg 2013 Auch die Altersstruktur wird sich zukünftig weiter verändern. Abbildung 20: Prognostizierte Bevölkerungsveränderung im Raum Parchim

Quelle: eigene Darstellung Daten: Regionaler Planungsverband Westmecklenburg 2013, eigene Berechnungen

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Abbildung 20 zeigt, dass sich die Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen, der Ar- beitsbevölkerung sowie der Ruheständler sehr unterschiedlich entwickeln wird. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren wird im Prognosezeitraum voraussichtlich um 193 Personen abnehmen. Bei einer Größe der Altersgruppe von 7.385 Personen im Jahr 2010 entspricht dies einer Schrumpfung von 2,6 % bis 2030. Die recht stabile Ent- wicklung ist vor allem auf das bereits recht niedrige Niveau zurückzuführen. Die starken Umwälzungsprozesse der 90er Jahre haben bei dieser Altersklasse bereits voll durchge- schlagen. Der Altersklasse zwischen 20 und 65 Jahren steht dieser starke Umschwung noch bevor. Die geburtenschwachen Jahrgänge werden mehr und mehr ins arbeitsfähige Alter vorrücken. Gleichzeitig scheiden immer mehr geburtenstarke Jahrgänge aus der Kategorie aus. Bei der arbeitsfähigen Bevölkerung ist somit von einem Verlust zwischen 2010 und 2030 von 9.958 Personen auszugehen. Bedenkt man, dass 2010 lediglich 31.752 Personen in diese Kategorie fielen, so wird ersichtlich, dass bis 2030 die arbeits- fähige Bevölkerung um knapp ein Drittel abnehmen wird. Hierbei sind auf Grundlage der überarbeiten 4. Landesprognose bereits recht positive Annahmen für die Wanderungsbe- wegungen getroffen worden. Die Gruppe der Ruheständler mit mehr als 65 Jahren wird bis 2030 hingegen stark zulegen. Es wird von einer Zunahme von 3.523 Personen ausge- gangen. 2010 wurden 11.641 Personen in dieser Altersgruppe registriert. Die Altersgrup- pe würde somit um 30,3 % zunehmen. Auch bei der Altersstruktur besteht die Möglichkeit, die Ergebnisse der Prognose bis auf Gemeindeebene aufzuschlüsseln. Abbildung 21 zeigt die prognostizierte Veränderung der einzelnen Altersklassen für jede Gemeinde. Interessant ist, dass die Kommunen, denen eine insgesamt positive Entwicklung vorausgesagt wird, auch Gewinne bei den unter 20- Jährigen zu verzeichnen haben. Bedingt wird dies vermutlich durch den bereits erfolgten Zuzug junger Familien (bzw. junger Frauen). Bei der Kategorie der arbeitsfähigen Bevöl- kerung konnte hingegen keine Gemeinde Zuwächse verzeichnen. Auffällig ist weiterhin, dass besonders im Parchimer Umland und im Raum Lübz die Kategorie der Ruheständler stark anwächst. Plau am See und der südliche und südwestliche Bereich des Untersu- chungsraums verzeichnen hingegen etwas geringere prozentuale Zugewinne in dieser Altersklasse. In den peripheren Lagen lässt sich dies durch die bereits erfolgten Abwan- derungen aufgrund des Bedarfs nach altengerechten Wohnformen erklären. Abbildung 21: Veränderung der Altersstruktur im Untersuchungsgebiet (2010 bis 2030)

Quelle: eigene Darstellung; Daten: Regionaler Planungsverband Westmecklenburg 2013

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5.5 Fazit und Handlungsbedarf Das Thema „Demografischer Wandel“ ist schon seit langem im Untersuchungsraum an- gekommen. Seit Jahren sind die Folgen der Bevölkerungsverluste und der Altersver- schiebung spürbar. Die Prognosedaten belegen, dass die Talsohle noch nicht durchschrit- ten ist. Die eingefahrenen Trends lassen sich nicht ohne weiteres aufbrechen. Die Her- ausforderung lautet, sich so gut wie möglich an die Gegebenheiten anzupassen, vorhan- dene Potenziale zu mobilisieren und engagiert nach vorne zu schreiten. Es gilt die Region auch unter den gegebenen Bedingungen attraktiv und lebenswert zu gestalten. Aus der durchgeführten Bevölkerungsanalyse ergeben sich folgende Schlüsselpunkte, die für eine positive Weiterentwicklung der Region von zentraler Bedeutung sind: 1. Aufgrund der anhaltenden Bevölkerungsverluste wird sich die Region weiter ausdün- nen. Dies wird Folgen für die Tragfähigkeit konventioneller Infrastruktureinrichtungen haben. Konzentrationsprozesse werden vermutlich weiter vorangetrieben. Um die Ein- richtungen zu erreichen, wird künftig eine höhere Mobilität erforderlich sein. Alternativ können und sollten flexible und mobile Angebotsformen gefunden und entwickelt wer- den, die die flächenhafte Versorgung weiter gewährleisten. 2. Die Veränderung in der Altersstruktur führt zu einer Verschiebung der Nachfrage nach altersspezifischen Infrastruktureinrichtungen. Die Veränderung der Altersstruktur hat sich bereits vor Jahren bei den jugendbezogenen Infrastrukturen stark bemerkbar ge- macht. Die Folge waren eine Ausdünnung des Standortnetzes und Rationalisierungs- maßnahmen in den Einrichtungen selbst. Die Herausforderung der Zukunft liegt je- doch am anderen Ende der Alterspyramide. Die Altersgruppe über 65 Jahre nimmt in den kommenden Jahren erheblich zu. Die Zahl der Ruheständler wird zwischen 2010 und 2030 um gut 3.500 Personen zulegen. Das entspricht einer Zunahme von ca. 30% zum aktuellen Stand. Der prozentuale Zuwachs bei den Hochbetagten wird noch weit über diesem Wert liegen. Die Folge ist eine starke Zunahme der Nachfrage nach altenbezogenen Dienstleitungen und Infrastruktureinrichtungen. Schon jetzt sind vielerorts kaum noch Kapazitäten frei. Es muss rechtzeitig reagiert werden und ent- sprechende Einrichtungen gestärkt und neu aufgebaut werden. Da die Mobilität mit zunehmendem Alter sinkt, ist ein zentraler und gut erreichbarer Standort von ent- scheidender Bedeutung. 3. Bis 2030 wird es zu gravierenden Verlusten bei der Zahl der arbeitsfähigen Bevölke- rung kommen. Die geburtenstarken Jahrgänge der „Baby-Boom-Generation“ rücken mehr und mehr ins Rentenalter vor. Gleichzeitig ziehen geburtenschwache Jahrgänge nach. Verstärkt wird die Entwicklung durch Wanderungsverluste bei Personen im Ausbildungsalter. Zwischen 2010 und 2030 wird die arbeitsfähige Bevölkerung vo- raussichtlich um ein Drittel sinken (knapp 10.000 Personen). Eine weitergehende Au- tomatisierung und Effizienzsteigerung in den Unternehmen wird diese Verluste kaum auffangen können. Um künftig den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken, müssen erhebliche Anstrengungen unternommen werden. Es gilt die junge Bevölke- rung an die Region zu binden und zu verwurzeln, um spätere (dauerhafte) Fortzüge zu vermeiden. Dies wird allein nicht ausreichen. Es muss weiterhin über konkrete Maß- nahmen zur Anwerbung von Fachkräften außerhalb der Region, und auch außerhalb der Bundesrepublik nachgedacht werden. Das Anwerben von Fachkräften ist nur ein erster Schritt. Um diese dauerhaft in der Region zu halten, muss ein attraktives und freundliches Lebensumfeld geschaffen werden.

35 DemografieCheck Raum Parchim

6 Ausgewählte Themenbereiche der Daseinsvorsorge Im Rahmen der Auftaktveranstaltung wurden folgende Themenbereiche festgelegt, die in Arbeitsgruppen einer detaillierten Betrachtung unterzogen werden sollten: - Gesundheitsversorgung - Siedlungsentwicklung und –struktur - Mobilität - Interkommunale Zusammenarbeit Für die Durchführung der Arbeitsgruppensitzungen in den einzelnen Themenbereichen wurde ein möglichst einheitliches Schema umgesetzt, welches bei Bedarf an die Rah- menbedingungen innerhalb der einzelnen Themenbereiche angepasst wurde. Die Grund- struktur bestand aus einer einleitenden Bestandsaufnahme und –analyse, der Entwick- lung von Leitzielen und der Ausarbeitung von konkreten Projektansätzen. Die einzelnen Bestandteile bildeten wiederum die Basis für die Ableitung konkreter Handlungsempfeh- lungen für Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Ziel der Bestandsaufnahmen und -analysen war zunächst, die Themenbereiche für die Arbeitsgruppenmitglieder greifbar zu machen und eine gemeinsame Diskussionsbasis aufzubauen. Durch die vorgebrachten Kartenwerke, Statistiken und Daten wurden oftmals persönliche Erfahrungen und Empfindungen der Arbeitsgruppenmitglieder bestätigt, teil- weise brachte die Analyse jedoch auch neue Erkenntnisse. Durch die gemeinsame Aus- wertung erfolgte eine Versachlichung der Materie. Die frühzeitig erarbeiteten Leitziele sollen für die Region als Richtschnur dienen und in der Politik und Verwaltung bei der künftigen Stadt-, Gemeinde- und Regionalentwicklung Be- rücksichtigung finden. Die Leitziele werden dabei recht allgemein gehalten und sind als Zustände formuliert, die optimaler Weise zu erreichen sind. Um konkrete Projektansätze zu entwickeln und spezifische Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung und Entscheidungsträger auszugeben, waren Fokussierungen inner- halb der Themenbereiche erforderlich. Die Fokussierungen erfolgten auf Grundlage der Bestandsanalysen und der allgemeinen Diskussionen in den Arbeitsgruppen. Konkrete Ideen wurden seitens der Arbeitsgruppenmitglieder eingebracht oder durch die Moderato- ren vorgestellt. Hierdurch sollten die indogenen Potenziale genutzt werden und gleichzei- tig gute Beispiele aus anderen Regionen aufgegriffen werden. Ein Teil der diskutierten Ideen bot bei genauer Betrachtung eingeschränkten bzw. wenig Spielraum für die Weiterentwicklung zu konkreten Projektansätzen, ein anderer Teil wurde in den folgenden Sitzungen entsprechend weiterentwickelt. Erklärtes Ziel des Demogra- fieChecks war unter anderem die Entwicklung von mindestens einem konkreten Projekt- ansatz bis zur Umsetzungsreife. In einzelnen Themenbereichen wurde diese Marke über- boten. In anderen Themenbereichen erschien die Fortentwicklung in ein konkretes Projekt sehr schwierig. Bei der Bearbeitung der zuvor genannten Kapitelbestandteile konnten konkrete Hand- lungsempfehlungen abgeleitet werden, die zu einem optimierten Handeln in Politik, Ver- waltung und Wirtschaft führen sollen. Es wurde Wert auf eine eindeutige und konkrete Ausformulierung gelegt um die Deutung und Umsetzung zu erleichtern. Weiterhin werden Zuständigkeiten klar benannt, um die Adressaten direkt anzusprechen. Die erarbeiteten Projektansätze und Handlungsempfehlungen bilden einen Katalog aus Maßnahmen, die die Region in ihrer Entwicklung nachhaltig stärken können und von Ver- tretern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft aufgegriffen werden sollen. Sie sind von zentraler Bedeutung für den Erfolg des DemografieChecks.

36 DemografieCheck Raum Parchim

6.1 Gesundheitsversorgung 6.1.1 Bestandsanalyse Die Gesundheitsversorgung gehört zu den bedeutendsten Bereichen der Daseinsvorsor- ge. Sie gliedert sich insbesondere in die Teilbereiche der ambulant-ärztlichen Versorgung, der stationären Versorgung im Krankenhausbereich, des rettungsdienstlichen und notärzt- lichen Bereichs, der ambulanten und stationären Pflege sowie der ambulanten und statio- nären Rehabilitation. Die Leistungen der Apotheken sowie die Bereiche der Heil- und Hilfsmittelversorgung sowie der Gesundheitsförderung, Prävention und Sport ergänzen das Spektrum der Gesundheitsversorgung. Welche Teilbereiche für den Untersuchungsraum besonders relevant und damit Untersu- chungsgegenstand im DemografieCheck sind, wurde gemeinsam mit den Bürgermeistern, Gemeindevertretern sowie den Mitarbeitern der Amtsverwaltungen herausgearbeitet. Als Ergebnis der Ämterworkshops und der Auftaktveranstaltung im Modul 1 wurde festgelegt, die Bereiche - der stationären medizinischen Versorgung (Krankenhausbereich) ergänzt um Vorsor- ge- und Rehabilitationseinrichtungen, - der ambulanten ärztlichen Versorgung (Hausarztbereich) sowie - die ambulante und stationäre pflegerische Versorgung im Detail zu analysieren. Aufgrund der hohen Bedeutung einer umfassenden, bezahlbaren Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung sind Akteure in der Landesregierung von M-V, der Planungsregion Westmecklenburg und des Landkreises Ludwigslust-Parchim tätig, die Gesundheitsver- sorgung an den demografischen Wandel anzupassen. Daher bilden die in der Tabelle 8 genannten Studien den gegenwärtigen Rahmen, in dem das Thema Gesundheitsversorgung für den Raum Parchim betrachtet werden muss. Die in den Studien genannten strategischen Aussagen werden daher bei der Erarbeitung der Bestandsanalyse und der Bearbeitung von Projektkonzeptionen beachtet. Tabelle 8: Konzepte im Bereich Gesundheitsversorgung

Studien Akteur Stand Inhalte 1 Kontakt Strategiebericht der Staatskanzlei 2011 Gesundheitsförderung Staatskanzlei: IMAG Demografischer M-V (federfüh- und Sport, Frau Dr. Pirko Kristin Wandel der Landesre- rend) ambulante medizini- Zinnow gierung M-V sche Versorgung, Pflege Älterer Masterplan Gesun d- Hrsg. Ministerium 2011 Gesundes Altern, Kuratorium für Ge- heitswirtschaft M-V für Wirtschaft, Pflege, sundheitswirtschaft: 2020 Arbeit und Tou- Wohnformen, Herr Prof. Dr. Horst rismus Gesundheitsdienst- Klinkmann leistungen Regionaler Masterplan Hrsg. Regionaler 2012 Stationäre medizini- Frau Dr. Gabriele Gesundheitswirtschaft Planungsverband sche Versorgung, Hoffmann Westmecklenburg Westmecklenburg Gesundheitsdienst- leister Regionalstrategie Hrsg. Regionaler 2012 – Gesundheitsförderung Frau Dr. Gabriele Daseinsvorsorge Planungsverband 2013 und Sport, Hoffmann Westmecklenburg Westmecklenburg ambulante medizini- sche Versorgung Quelle: eigene Darstellung; 1In der Spalte „Inhalte“ sind nur die Konzeptinhalte mit einem Bezug zum Thema Gesundheitsversorgung dargestellt. Die inhaltliche Bandbreite der dargestellten Studien ist oftmals höher. Darüber hinaus fließen auch Ergebnisse des Runden Tisches „Medizinische Versorgung“ des Landkreises Ludwigslust-Parchim 12 sowie der Enquete-Kommission „Älter werden in

12 Leiterin des Runden Tisches: Frau Dr. Greitens vom Fachdienst Gesundheit des Landkreises Ludwigslust- Parchim

37 DemografieCheck Raum Parchim

Mecklenburg-Vorpommern“ 13 in den DemografieCheck ein. Wobei sich die Enquete- Kommission nicht nur mit dem Thema Alter und Gesundheit beschäftigt, sondern auch die Bereiche Soziale Sicherung im Alter, altersgerechtes Wohnen, Pflege sowie Mobilität im Alter analysiert. Neben der Nutzung vorhandener Ergebnisse wurde auch darauf geachtet, Doppelunter- suchungen zu vermeiden. Daher erfolgte eine enge Abstimmung mit dem Regionalen Planungsverband Westmecklenburg. Denn im Auftrag des Planungsverbandes wurde gleichzeitig mit dem DemografieCheck die Regionalstrategie Daseinsvorsorge für die Re- gion Westmecklenburg erarbeitet. Die Regionalstrategie erarbeitet u. a. Empfehlungen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Sport. Diese Themen wurden daher im Demogra- fieCheck nicht erneut untersucht. Welche rechtliche Steuerungsebene und Leistungserbringer Einfluss auf die Sicherstel- lung der gesundheitlichen Versorgung der im DemografieCheck untersuchten Versor- gungsbereiche haben, zeigt die nachfolgende Tabelle. Tabelle 9: Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung

Versorgungs- Rechtliche Rechtliche Träger der Leistungserbringer bereich Steuerungs- Grundlage Sicherstellung ebene Stationäre medizin i- Land Krankenhaus- Land unter Einbin- Krankenhäuser in sche Versorgung im gesetze der dung der Kreise und öffentlicher, freige- Krankenhaus- Länder kreisfreien Städte meinnütziger oder bereich privat-gewerblicher Trägerschaft Ambulante ärztliche Bund § 72-75 Kassenärztliche Ärzte in freiberuflicher Versorgung SGB V Vereinigung, bei Tätigkeit in Einzelpra- Verzicht oder Ver- xis oder Gemein- weigerung Gesetzli- schaftspraxen und che Krankenkassen Medizinischen Versor- gungszentren Ambulanter und Bund § 12 SGB XI Pflegekassen Pflegedienste in öffent- stationärer Pflege- licher, freigemeinnützi- bereich ger oder privat- gewerblicher Träger- schaft Apotheken Bund § 1 ApoG Apotheken Apotheker in freiberuf- licher Tätigkeit Quelle: Sonderexpertise Gesundheitsversorgung im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumord- nung (BBR) und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), 2008 Wie sich die aktuelle Situation im Krankenhaus- und Hausarztbereich sowie in der ambu- lanten und stationären Pflege darstellt, wird nachfolgend erläutert.

Stationäre medizinische Versorgung: Für eine allgemeine akutmedizinische Versorgung stehen jeweils ein Krankenhaus in Par- chim und Plau am See mit insgesamt 340 Betten zur Verfügung. Ergänzt wird das medizi- nische Angebot um zwei Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitation, die über 508 Bet- ten verfügen. Die Anzahl der stationären Einrichtungen blieb in den vergangenen 10 Jah- ren konstant. Während die Gesamtanzahl der aufgestellten Betten rückläufig ist, nahm die Bettenauslastung zu. Mit durchschnittlich 67 Krankenhausbetten je 10.000 Einwohner werden die Mittelwerte von M-V (63,4) und Deutschland (62,0) leicht übertroffen. Die Bet- tenausstattung in Rehabilitationseinrichtungen liegt mit 100 Betten je 10.000 Einwohner deutlich über dem Landesdurchschnitt von M-V (60,8). Die Ursache dafür liegt in der Ab- grenzung des Untersuchungsraums, in dem sich zwei von vier Reha-Standorten des Alt- kreises Parchim befinden.

13 Vorsitzender der Enquete-Kommission: Herr Jörg Heydorn, SPD

38 DemografieCheck Raum Parchim

Tabelle 10: Kennzahlen der stationären medizinischen Versorgung im Untersuchungs- raum (2010)

Administrative Ein- Kranken- Betten- Reha- Betten- Apothe- Einheit wohner häuser zahl 14 Standorte zahl 15 ken

[Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] Gemeinde Balow 336 ------Gemeinde Brunow 351 ------Gemeinde Dambeck 280 ------Gemeinde Möllen- 217 ------beck Amt Parchimer 9.056 ------Umland Stadt Parchim 18.425 1 140 ------6 Amt Eldenburg Lübz 13.639 ------3 Amt Plau am See 8.474 1 200 2 508 2 Summe: 50.776 2 340 2 508 11 Quelle: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern, Statistisches Informationssystem SIS, www.kliniken.de, www.deutsches-krankenhausverzeichnis.de Standorte von Krankenhäusern sowie von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen konzentrieren sich in den zentralen Orten Parchim (Mittelzentrum) und Plau am See (Grundzentrum). Häufig werden an einem Krankenhaus- und Rehabilitationsstandort oder auch im Umfeld niedergelassener Ärzte Apotheken eröffnet, die nur von staatlich zugelassenen, appro- bierten Apothekern geführt werden dürfen. Das Angebot an Apotheken im Untersu- chungsgebiet wird daher auch in der Abbildung 22 dargestellt. Dabei wird deutlich, dass alle 11 vorhandenen Einrichtungen sich ausschließlich in den zentralen Orten Parchim, Lübz, Plau am See und im Siedlungsschwerpunkt Marnitz befinden. Über Apotheken werden die von Ärzten verordneten Arzneimittel verkauft. Neben einer Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, erfolgt in den Apotheken auch eine Bera- tung über Wirkung und Nebenwirkungen der erworbenen Arzneien. Damit eine Apotheke wirtschaftlich geführt werden kann, sollten etwa zwei niedergelassene Ärzte im Apothe- kenumfeld tätig sein. Müssen Arztpraxen schließen, werden meist zeitlich verzögert auch Apotheken aufgegeben.

14 Asklepius Klinik Parchim: 140 Betten; Klinikum Plau am See: 200 Betten 15 KMG Klinikum Silbermühle Plau am See: 240 Betten; MediClin Reha-Zentrum Plau am See: 268 Betten

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Abbildung 22: Übersicht stationäre medizinische Versorgungseinrichtungen

Quelle: eigene Darstellung Das Leistungsspektrum der einzelnen stationären medizinischen Einrichtungen ist oft un- terschiedlich. Welche Leistungen im Untersuchungsraum angeboten werden, zeigt die nachfolgende Tabelle. Tabelle 11: Leistungsdaten stationärer medizinischer Versorgungseinrichtungen im Un- tersuchungsraum

Kategorie Standorte Leistungsdaten nach Fachabteilungen Krankenhäuser Asklepios Klink Parchim Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie Unfallchirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe Pädiatrie, Anästhesie und Intensivmedizin onkologische Schwerpunktpraxis Radiologische Praxis Klinisch-chemisches Labor Pflegedienst Klinikum Plau am See Neurologie, Neurochirurgie Innere Medizin, orthopädische Chirurgie Vorsorge - und KMG Klinikum Silbermühle Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung für Rehabilitations- Plau am See Herz-Kreislauf-Erkrankungen, onkologische Indika- einrichtungen tionen MediClin Neuro- Neurologie, Frührehabilitation Phase C orthopädisches Reha- Orthopädie Zentrum Plau am See Quelle: www.kreis-swm.de, eigene Erhebungen Keine der Einrichtungen befindet sich in öffentlicher Hand. Alle Leistungserbringer sind privat-gewerblich organisiert. Neben der Art, Anzahl und räumlichen Verteilung der gesundheitlichen Versorgungsein- richtungen ist ihre Erreichbarkeit von großer Wichtigkeit.

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Abbildung 23: PKW-Erreichbarkeit von Krankenhausstandorten

Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: BBSR-Berichte KOMPAKT, Bildung, Gesundheit, Pflege – Auswirkungen des demografischen Wandels auf die soziale Infrastruktur, 2011 Die Erreichbarkeit gilt als das wesentliche Kriterium für die Einschätzung des Versor- gungsgrades der Bevölkerung. Können Krankenhausstandorte im ländlichen Raum inner- halb einer 20-Minuten-Schwelle erreicht werden, kann der Versorgungsgrad der Einwoh- ner als gut eingestuft werden. Die Abbildung 23 zeigt, dass sich ein Großteil der Bevölkerung innerhalb eines 20- Minuten-Radius vom nächsten Krankenhausstandort befindet. Nur in einzelnen Gebieten im Bereich der Gemeinden Gischow, Kreien und Teilen der Gemeinde Siggelkow sowie im Bereich der Gemeinden Möllenbeck, Brunow, Balow und Dambeck haben die Einwoh- ner eine längere Anfahrtszeit zum nächsten Krankenhaus. Damit kann der gegenwärtige Versorgungsgrad noch als gut eingeschätzt werden. Aller- dings würde die Schließung eines Krankenhauses zu vergleichsweise großen unterver- sorgten Gebieten führen. Die medizinische Versorgung in vielen Gemeinden des Untersu- chungsraums wäre dann stark eingeschränkt. Durch die älter werdende Bevölkerung steigt der Bedarf an medizinischen Leistungen. Obwohl die Bevölkerung bis 2030 um insgesamt 6.628 Personen schrumpfen wird, steigt die Gruppe der Ruheständler mit mehr als 65 Jahren stark um 3.523 Personen an, was einer Zunahme dieser Altersgruppe um 30,3 % bedeutet. Abbildung 24: Krankenhausstandorte: demografisch bedingte Nachfrageentwicklung

Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: BBSR-Berichte KOMPAKT, Bildung, Gesundheit, Pflege – Auswirkungen des demografischen Wandels auf die soziale Infrastruktur, 2011

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Die Nachfrageentwicklung in den Mittelbereichen von M-V im Zeitraum zwischen 2005 und 2030 in Prozent zeigt die Abbildung 24. In unserem Untersuchungsgebiet wird ein Anstieg der Krankenhausfälle zwischen 6 und 20 Prozent prognostiziert 16 . Damit ist in den kommenden 15 bis 20 Jahren mit einer hohen Auslastung der Krankenhäuser zu rechnen, was positive Effekte auf die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen haben wird. Damit sind Standortschließungen nicht zu erwarten. Die Nachfrage nach medizinischen Leistungen wird demografisch bedingt nicht kontinuier- lich weiter ansteigen. Da die Bevölkerung insgesamt geringer und die Anzahl der Perso- nen in der Altersgruppe der über 65-Jährigen in 15 bis 20 Jahren deutlich langsamer stei- gen wird, ist dann mit abnehmenden Krankenhausfallzahlen zu rechnen, die möglicher- weise zu Tragfähigkeitsproblemen bei der Betreibung von Krankenhäusern führen kann. Da im Prognosehorizont bis 2030 mit einem, insbesondere altersspezifischen Anstieg der Nachfrage nach medizinischen Leistungen zu rechnen ist, hat das direkten Einfluss auf die Entwicklung der Kosten im Gesundheitssektor, beispielsweise auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen und damit möglicherweise auf den Beitragssatz der Versicherten. Abbildung 25: Altersabhängigkeit der gesamten Krankheitskosten pro Einwohner und Jahr in Deutschland (2008)

18.000 Männer Frauen 16.000

14.000

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000 Krankheitskosten pro Einwohner und Jahr Euro in 2.000

0 unter 15 15 bis unter 30 30 bis unter 45 45 bis unter 65 65 bis unter 85 85 und älter Altersklassen nach Jahren

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung Die Abbildung 25 zeigt sehr anschaulich die Entwicklung der Krankheitskosten für Präven- tion, Behandlung, Rehabilitation und Pflege von Erkrankungen und Unfällen je Altersklas- se über alle Ausgabenträger 17 . Deutlich wird, dass ab einem Alter von 65 Jahren die Kosten pro Einwohner und Jahr stark steigen. Während die Krankheitskosten der bis 45-Jährigen bei Männern und Frauen bei ca. 2.000 Euro pro Einwohner und Jahr liegen, steigen die Ausgaben für 85-Jährige

16 Grundlage ist die 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern 17 öffentliche Haushalte, gesetzliche Krankenversicherung, soziale Pflegeversicherung, gesetzliche Renten- versicherung, gesetzliche Unfallversicherung, private Krankenversicherung, Arbeitgeber, private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck

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Einwohner und Ältere bei Männern auf durchschnittlich 12.000 Euro und bei Frauen sogar auf 16.000 Euro pro Jahr an. Das entspricht einem Anstieg der Krankheitskosten bei Frauen auf 800 %. Da deutschlandweit die Altersgruppe der über 65-Jährigen bis 2030 um 41 % steigen wird 18 , ist zu erwarten, dass auch die Gesundheitsausgaben weiter ansteigen werden. Die aus der Verschiebung der Altersstruktur hervorgehenden Probleme und Anforderungen erfordern Antworten der Politik, insbesondere im Bereich der Sozialpolitik. Ganz wesent- lich ist die Sicherung der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die vorrangig für die Finan- zierung der Sozialausgaben aufkommen muss, geringer wird. Im Untersuchungsgebiet steigt die Anzahl der Einwohner die älter als 65 Jahre sind bis 2030 um 30,3 %. Der geringere Anstieg im Vergleich zum Trend in Deutschland ist ein Indiz dafür, dass durch bereits erfolgte Abwanderungen und anhaltend niedrige Geburten- raten prozentual weniger Personen in diese Altersgruppe hineinwachsen können. Dennoch müssen auch die dadurch entstehenden Krankheitskosten finanziert werden. Günstig auf die Finanzierung der Sozialkassen wirkt eine gute gesamtvolkswirtschaftliche Konjunktur. Bietet der Arbeitsmarkt viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, kön- nen die Einnahmen der Sozialversicherung in Deutschland 19 zeitweise stark ansteigen. Dieser Effekt entsteht, wenn aufgrund steigender Löhne und Gehälter vor Steuern (ge- samtwirtschaftliche Lohnsumme) die Beiträge der Sozialkassen und die Lohnsteuerein- nahmen des Fiskus steigen. Diese finanziellen Mehreinnahmen basieren aber nur auf einer guten Konjunktur und auf strategischen Entscheidungen zur Finanzierung der Sozi- alpolitik.

Ambulant-ärztliche Versorgung: Die ambulante medizinische Versorgung wird im Wesentlichen durch die in Praxen nie- dergelassenen Ärzte gewährleistet. Dazu gehören Allgemeinmediziner (Hausärzte) und Fachärzte verschiedener Fachrichtungen. Tabelle 12: Kennzahlen der ambulanten medizinischen Versorgung im Untersuchungs- raum (2010)

Administrative Bevölke- Hausarzt Kinder- Frauen- Zahnarzt Augen- Einheit rung arzt arzt arzt [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] [Anzahl] Gemeinde Balow 336 ------Gemeinde Brunow 351 ------Gemeinde Dambeck 280 ------Gemeinde Möllenbeck 217 ------Amt Parchimer 9.056 4 0 0 1 0 Umland Stadt Parchim 18.425 10 2 4 19 3 Amt Eldenburg Lübz 13.639 8 1 1 8 0 Amt Plau am See 8.474 6 1 1 6 1 Summe: 50.776 28 4 6 34 4 Quelle: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern, Statistisches Informationssystem SIS, eigene Erhebung Tabelle 12 zeigt die am häufigsten vertretenden Berufsgruppen des ambulanten medizini- schen Leistungsspektrums im Untersuchungsgebiet. Die räumliche Verteilung der Stand- orte ist aus der nachfolgenden Abbildung erkennbar.

18 Statistisches Bundesamt: 2010: 16,9 Mio. Einwohner, 2030: 23,9 Mio. Einwohner in dieser Altersgruppe 19 Zur Sozialversicherung gehören in Deutschland die gesetzliche Krankenversicherung, die soziale Pflege- versicherung sowie die Bundesagentur für Arbeit.

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Abbildung 26: Übersicht ambulante medizinische Versorgung

Quelle: eigene Darstellung Wie bei der stationären medizinischen Versorgung zeigt sich auch hier eine starke Kon- zentration der Versorgungsangebote in den zentralen Orten. In der Abbildung 26 sind insgesamt 76 Arztstandorte dargestellt. Nur 10 % der Arztpraxen werden außerhalb der Städte Parchim, Lübz und Plau am See betrieben. Eine gewisse Konzentration von medi- zinischen Einrichtungen außerhalb dieser Städte ist nur noch in Marnitz erkennbar. Tabelle 13: Versorgungssituation mit niedergelassenen Ärzten im Untersuchungsraum, Arzt-Einwohner-Relation (2010)

Kategorie Arzt EW je Arzt Vergleichs- Abweichung insgesamt wert EW je vom Ver- Arzt gleichswert [%]

Hausarzt 28 1.814 1.474 - 23 Kinderarzt 4 12.695 26.505 + 52 Frauenarzt 6 8.463 13.697 + 38 Augenarzt 4 12.695 25.196 + 49 Psychotherapeuten 2 25.389 23.389 - 9 Quelle: eigene Erhebungen, Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Festle- gung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 15. Februar 2007, zuletzt geändert am 6. September 2012 Bei der Gegenüberstellung der aktuellen Versorgungslage mit Haus- und Fachärzten (Einwohner je Arzt) mit Vergleichswerten, die vom BMVBS im Jahr 2010 publiziert wur- den, zeigt sich kein einheitliches Bild. Die Versorgung der Einwohner mit Kinder-, Frauen- und Augenärzten liegt über der vertragsärztlichen Bedarfsplanung. Dagegen kann bei den

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Hausärzten mit einer Abweichung von minus 23 % vom Vergleichswert von einer drohen- den Unterversorgung gesprochen werden 20 . Während der Bearbeitungszeit des DemografieChecks wurde die Bedarfsplanungsrichtli- nie neu gefasst und am 20. Dezember 2012 beschlossen. Aus der Richtlinie geht hervor, dass für den Planungsbereich der hausärztlichen Versorgung 21 ein Vergleichswert von einem Hausarzt zu 1.671 Einwohnern (alt: 1.474 Einwohner) festgelegt wurde. Damit hat ein Hausarzt etwa 200 Einwohner mehr zu versorgen. Durch die neue Einwohner-Arzt- Verhältniszahl verringert sich rein rechnerisch der Bedarf an Hausärzten im Untersu- chungsgebiet. Der Versorgungsgrad einer Region wird aber nicht nur durch die absolute Anzahl eines medizinischen Angebotes, beispielsweise einer Arztpraxis, sondern auch durch deren Erreichbarkeit für die Bevölkerung definiert. Am Beispiel der Hausärzte zeigt Tabelle 13, dass im Jahr 2010 im Untersuchungsgebiet insgesamt 28 hausärztlich tätige Mediziner praktiziert haben. Deren Erreichbarkeit zeigt die nachfolgende Abbildung 27. Der Hausarzt ist im Krank- heitsfall für viele Menschen der erste Ansprechpartner. Eine zeitnahe Erreichbarkeit ist daher von hoher Bedeutung. Ein ausreichender Versorgungsgrad ist im ländlichen Raum erreicht, wenn die Einwohner innerhalb einer PKW-Fahrtzeit von 20 Minuten den nächst- gelegenen Hausarzt erreichen können. Eine Erreichbarkeit innerhalb dieser Zeitschwelle ist annähernd im gesamten Untersu- chungsgebiet gegeben. Besonders komfortabel ist die Situation im Umfeld der Städte Parchim, Lübz und Plau am See sowie im Bereich Marnitz. Dort können hausärztliche Versorgungsangebote mit dem PKW innerhalb von 5 bis 10 Minuten erreicht werden. Abbildung 27: PKW-Erreichbarkeit von Hausarztpraxen im Untersuchungsraum

Quelle: Regionaler Planungsverband Westmecklenburg, 2012

20 „Von einer Überversorgung wird ausgegangen, wenn die Einwohner-Ärzterelation um 10 % überschritten ist. Eine Unterversorgung besteht, wenn der Bedarf an Hausärzten um mehr als 25 % und der an Fachärzten um mehr als 50 % unterschritten wird.“ – BMVBS, Standardvorgaben der infrastrukturellen Daseinsvorsorge, 2010, S. 10 21 Der Planungsbereich der hausärztlichen Versorgung wurde neu festgelegt. Ausschlaggebend ist nicht mehr die Einteilung der Fläche in Raumtypen, z. B. ländliche Regionen – ländliche Kreise, sondern der Mittelbereich gemäß der Abgrenzung des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Das entspricht in der Regel dem Einzugsbereich eines Mittelzentrums. Die Mittelbereiche sind meist kleiner als die früheren Planungsbereiche. Daraus könnte sich langfristig eine gleichmäßigere Verteilung von Hausarztpraxen in der Fläche ergeben.

45 DemografieCheck Raum Parchim

Die Erreichbarkeit und damit die Versorgungslage für Patienten würden sich durch länge- re Anfahrtswege erheblich verschlechtern, falls Praxen außerhalb der Städte schließen müssten. Wünschenswert wäre es auch, wenn sich eine weitere Konzentration von Ge- sundheitsangeboten in Städten zu lasten des ländlichen Umfeldes nicht weiter fortsetzen würden. Allerdings ist nicht erkennbar, dass der gegenwärtige Trend zur Urbanisierung, der auch bei Medizinern erkennbar ist, bald vorbei sein könnte. Neben der Darstellung des Angebotes ist auch die künftige Entwicklung der Nachfrage nach ambulanten medizinischen Dienstleistungen wichtig, um die Versorgungssituation des Untersuchungsgebietes einschätzen zu können. Der demografische Wandel führt im Planungsraum zu deutlichen Bevölkerungsrückgän- gen. Dennoch wird die Nachfrage nach Hausärzten und medizinischen Angeboten nicht proportional mit der Bevölkerungszahl sinken, sondern in den nächsten 15 bis 20 Jahren steigen. Das begründet sich in den Verschiebungen der Altersstruktur der Einwohner. Denn die Altersgruppe der älteren Menschen sowie der Hochbetagten steigt überproporti- onal stark an. Ältere Menschen besuchen erfahrungsgemäß deutlich häufiger einen Hausarzt, als jüngere Personen. Daher sinkt der Versorgungsbedarf deutlich langsamer, als Bevölkerungsrückgänge zu verzeichnen sind. Die generelle Altersabhängigkeit des Versorgungsbedarfs im Bereich Allgemeinmedizin verdeutlich die Abbildung 28. Während in einem Alter zwischen 15 und 45 Jahren jeder Einwohner im Jahr etwa fünfmal zum Hausarzt geht, verdoppelt sich dieser Wert bereits bis zu einem Alter von 65 Jahren. Wer älter als 65 Jahre ist, geht sogar durchschnittlich viermal so häufig zu seinem Hausarzt, als die Altersklasse der 15 bis 45-Jährigen. Abbildung 28: Altersabhängigkeit des Versorgungsbedarfs im Bereich Allgemeinmedizin: Anzahl der Arztkontakte pro Einwohner und Jahr in Deutschland (2007)

30 Männer Frauen 25

20

15

10

5 Anzahl Anzahl Arztkontakte der pro Einwohner und Jahr

0 unter 1 90 und älter 1 bis unter 5 5 bis unter 10 10 bis unter 15 15 bis unter 20 20 bis unter 25 25 bis unter 30 30 bis unter 35 35 bis unter 40 40 bis unter 45 45 bis unter 50 50 bis unter 55 55 bis unter 60 60 bis unter 65 65 bis unter 70 70 bis unter 75 75 bis unter 80 80 bis unter 85 85 bis unter 90 Altersklassen in Jahren

Quelle: GEK Report 2008, eigene Darstellung Es ist fraglich, ob der steigende Bedarf nach hausärztlicher Versorgung auch gedeckt werden kann. Bereits jetzt arbeiten weniger Hausärzte im Untersuchungsgebiet, als zuge- lassen werden könnten und viele der gegenwärtig berufstätigen Allgemeinmediziner wer- den bald in den Ruhestand gehen. Ihr durchschnittliches Alter beträgt rund 53 Jahre.

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Abbildung 29: Altersstruktur niedergelassener Hausärzte im Untersuchungsraum (2011)

Quelle: eigene Darstellung Aufgrund der Altersstruktur der Hausärzte ergeben sich daher mittel- und langfristig deut- liche Probleme. Besorgniserregend ist, dass junge Ärzte bis zu einem Alter von 39 Jahren nicht im Untersuchungsgebiet praktizieren. Bereits die Hälfte der niedergelassenen Haus- ärzte sind 50 Jahre und älter. 15 % stehen unmittelbar vor dem Renteneintrittsalter. Dementsprechend hoch ist der Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten, wenn der heutige Versorgungsgrad gehalten werden soll (siehe Abbildung 30). Und selbst der gegenwärtige Stand ist bereits so niedrig, dass hinsichtlich einer Einwohner-Arzt-Relation von einer dro- henden Unterversorgung gesprochen werden kann (siehe Tabelle 13). Zur Aufrechterhal- tung des Status quo werden in den nächsten sieben Jahren vermutlich acht Hausärzte benötigt, die sich im Untersuchungsgebiet niederlassen. Bis 2030 steigt der Bedarf auf 22 Ärzte an, was etwa 80 % aller derzeitigen Hausärzte entspricht. Abbildung 30: Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten im Untersuchungsgebiet, um heutiges Angebot zu erhalten

Quelle: eigene Darstellung; Basisjahr 2011, geplantes Renteneintrittsalter 65 Jahre; Arztanzahl 28

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Unter den gegenwärtigen Bedingungen, beispielsweise geringere Verdienstmöglichkeiten gegenüber den alten Bundesländern, steigender zeitlicher Aufwand für Hausbesuche, hoher Anteil an älteren, multimorbiden Patienten etc. ist es fraglich, genügend Allgemein- mediziner zu gewinnen, um den Bedarf in der Region zu decken. In absehbarer Zeit wer- den daher altersbedingt wahrscheinlich viele Hausarztpraxen schließen, weil keine Nach- folger gefunden werden. Die Berufsgruppe der Fachärzte der Zahnmedizin ist im Untersuchungsgebiet zahlenmä- ßig am stärksten vertreten (34 Ärzte). Obwohl in der Bestandsanalyse vorrangig der Hausarztbereich zu analysieren ist, sollen dennoch einige Aussagen zu diesem Facharzt- bereich getroffen werden, ohne eine umfangreiche Analyse vorzunehmen. Hinsichtlich der Verteilung der Zahnarztpraxen zeigt sich eine starke Konzentration in den Städten Par- chim, Lübz, Plau am See sowie dem Siedlungsschwerpunkt Marnitz. Die Analyse der Altersstruktur ergibt ein durchschnittliches Alter aller Zahnärzte von rund 51 Jahren (Stand 2011). Abbildung 31: Altersstruktur niedergelassener Zahnärzte im Untersuchungsraum (2011)

Quelle: eigene Darstellung Die Altersstruktur der niedergelassenen Zahnärzte sowie der Nachbesetzungsbedarf der sich daraus ableiten lässt, sind dem der Hausärzte sehr ähnlich. Daher lässt sich vermu- ten, dass der in den nächsten Jahren vorhandene hohe Bedarf an Zahnärzten nicht be- friedigt werden kann.

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Abbildung 32: Nachbesetzungsbedarf an Zahnärzten im Untersuchungsgebiet, um heutiges Angebot zu erhalten

Quelle: eigene Darstellung Basisjahr: 2011, angenommener Eintritt in den Ruhestand ab dem 65. Lebensjahr; Grundgesamtheit: 34 Ärzte

Ambulante und stationäre Pflege: Pflege und soziale Betreuung ist ein Thema, das nicht nur Ältere betrifft. So wurden im Jahr 2011 in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 12.767 Einwohner bis zu einem Alter von 65 Jahren als pflegebedürftig eingestuft. Doch der überwiegende Anteil der Leis- tungsempfänger, etwa 80 %, sind älter als 65 Jahre. Die pflegebedürftigen Einwohner werden als Leistungsempfänger, auf der Grundlage des Pflegeversicherungsgesetzes von M-V, bezeichnet. Sie können beispielsweise Pflegegeld erhalten oder auch Leistungen einer ambulanten oder stationären Pflege in Anspruch nehmen. Wer Pflegegeld bezieht, kann von Angehörigen oder Freunden zu Hause versorgt wer- den. Das Pflegegeld dient der Finanzierung der selbst beschafften Pflegehilfe und zum Erwerb von Pflegehilfsmitteln und Pflegeprodukten. Steht keine private Betreuung zur Verfügung, kann ein ambulanter Pflegedienst beauftragt werden. Dieser kann die erbrach- ten Leistungen bei der Pflegekasse abrechnen. Das zur Verfügung stehende Pflegegeld wird zwischen dem Bedürftigen und dem Pflegedienst geteilt. Oftmals werden beide Be- treuungsmöglichkeiten kombiniert. Die Betreuung wird dann durch Angehörige und durch einen Pflegedienst erbracht. Kann der Betroffene trotz dieser Möglichkeiten nicht in seinem gewohnten, privaten Um- feld bleiben, ist ein Umzug in ein Pflegeheim möglich. Das Pflegegeld für pflegebedürftige Leistungsempfänger nach SGB XI ist nach drei Pfle- gestufen gestaffelt. Sie werden bezeichnet als Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige), Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) und Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) und werden durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen ermittelt.

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Im Dezember 2011 waren im M-V 67.559 Einwohner pflegebedürftig. 73 % davon wurden zu Hause betreut. Gut 65 % davon werden ausschließlich von Angehörigen versorgt. 18.099 Personen, 27 % der Leistungsempfänger, lebten in einem Pflegeheim 22 . Besonders stark ist die Nachfrage nach ambulanter Unterstützung gestiegen, um Angehö- rige in ihrer gewohnten Umgebung zu versorgen. Sie stieg zwischen 2001 und 2011 um 66 %. Die Nachfrage nach stationären Pflegeleistungen stieg im gleichen Zeitraum nur um 32 %. Hinsichtlich der Schwere der Pflegebedürftigkeit wird die Pflegestufe I mit 59 % am häufigsten ermittelt. Bei 32 % wurde die Pflegestufe II festgestellt und 9 % galten als schwerstpflegebedürftig. Im Altkreis Parchim sind die Verhältnisse im Vergleich zu M-V ähnlich. Im Jahr 2011 gibt es insgesamt 3.524 Leistungsempfänger. 74 % davon werden zu Hause betreut, wobei davon 54 % einen Pflegedienst als Hilfe bei der Betreuung beauftragten. Damit ist der Anteil an Menschen, die durch einen ambulanten Pflegedienst betreut werden, höher als im Landesdurchschnitt. Weiterhin leben 26 % der Leistungsempfänger in einem Pflege- heim, Tendenz steigend. Die Pflegebedürftigkeit wird anhand von Pflegestufen ermittelt. Dabei wird unterschieden zwischen Einwohnern in ambulanter und stationärer Pflege. Tabelle 14: Pflegebedürftige Einwohner in ambulanter Pflege nach Pflegestufen (2009)

Einwohner in ambulanter Pflege Jahr gesamt in Pflegestufe I in Pflegestufe II in Pflegestufe III [absolut] [absolut] [%] [absolut] [%] [absolut] [%] 2009 911 544 60 296 32 71 8 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Statistische Berichte

Tabelle 15: Pflegebedürftige Einwohner in stationärer Pflege nach Pflegestufen (2009)

Einwohner in stationärer Pflege Jahr gesamt in Pflegestufe I in Pflegestufe II in Pflegestufe III [absolut] [absolut] [%] [absolut] [%] [absolut] [%] 2009 911 375 41 403 44 133 15 Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Statistische Berichte Viele Menschen ziehen in ein Pflegeheim, wenn der Pflegeaufwand zu Hause zu hoch wird und eine Betreuung in der gewohnten Umgebung nicht mehr möglich ist. Das spie- gelt sich auch in den Pflegestufen wieder. Während 41 % der Pflegeheimbewohner die Stufe I erhalten, sind es bei Einwohnern in ambulanter Pflege 60 %. Dagegen werden in Heimen annähernd doppelt so viele Menschen mit der Pflegestufe III betreut (15 %), wie in der ambulanten Pflege (8 %). Die Pflegewahrscheinlichkeit nimmt, z. B. durch einen Anstieg chronischer Erkrankungen, im Alter zu. Dieser generell gültige Zusammenhang zwischen Alter und Pflegebedürftig- keit der Menschen lässt sich durch Daten, die auf der Ebene von Deutschland verfügbar sind, belegen.

22 Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern: Statistische Berichte – Pflegeversicherung in Mecklenburg- Vorpommern zum Stichtag 15.12.2011, 2013, Schwerin

50 DemografieCheck Raum Parchim

Abbildung 33: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs – Anteil der Pflegebedürftigen an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe in Deutschland (2011)

70 Männer Frauen 60

50

40

30

Pflegequote in Prozent 20

10

0 unter 15 15 bis 60 60 bis 65 65 bis 70 70 bis 75 75 bis 80 80 bis 85 85 bis 90 90 und älter Altersklassen nach Jahren

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung Etwa ab dem 75. Lebensjahr steigt die Pflegebedürftigkeit exponentiell an. Während die Pflegequote für Männer und Frauen der Altersgruppe der 70 bis 75-Jährigen einheitlich bei 4,8 % liegt, steigt sie für Männer die 90 Jahre und älter sind auf 36,9 % an. Die Pfle- gequote bei Frauen steigt sogar auf 65,2 %. Der starke Unterschied der Pflegebedürftig- keit zwischen Männer und Frauen ist u. a. auf eine höhere Lebenserwartung der Frauen zurückzuführen. Dieser generell gültige Zusammenhang zwischen Alter und Pflegebedürftigkeit gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern. Interessant ist jedoch, dass unser Bundesland nicht nur einen deutlich höheren Anteil alter Menschen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ha- ben wird, sondern, dass auch der Anteil der Pflegebedürftigen in ausgewählten Bevölke- rungsgruppen 23 im Vergleich mit anderen Bundesländern bereits jetzt höher ist. Bei der Betrachtung einzelner Bundesländer wird deutlich, dass in Ostdeutschland sowie in wenigen westdeutschen Bundesländern, beispielsweise in Niedersachsen, es einen viel höheren prozentualen Anteil an Pflegebedürftigen pro Altersgruppe gibt, als in den meis- ten anderen westdeutschen Ländern. Die Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung vermutet Ursachen, die zu DDR-Zeiten entstanden sein könnten. Vor 1990 gingen Erwerbsperso- nen im Berufsleben oftmals harter körperlicher Arbeit nach. Kuraufenthalte konnten i. d. R. nur selten in Anspruch genommen werden. Krankheiten wurden nicht in jedem Fall opti- mal behandelt. Daraus resultieren Spätfolgen, die heute durch Krankheitsbilder erkennbar werden. Darüber hinaus konnte M-V in den vergangenen 20 Jahren Wanderungsgewinne verzeichnen. Senioren aus den alten Bundesländern, mit einem durchschnittlichen Alter von über 70 Jahren, haben ihren Hauptwohnsitz in unser Bundesland verlegt. Etliche der zugewanderten Senioren haben selbst altersbedingte Krankheiten, die zu einer Pflegebe- dürftigkeit führen können. Die Abbildung 34 zeigt Werte für Mecklenburg-Vorpommern, die in ähnlicher Weise auch für andere ostdeutsche Bundesländer zutreffen. Baden-Württemberg und Hamburg reprä-

23 Analysiert werden die Pflegerelevanten Altersgruppen der 75 bis 85-Jährigen, der 85 bis 90-Jährigen, 90 Jahre und älter

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sentieren die Bundesländer, die im Ländervergleich die geringsten Anteile an Pflegebe- dürftigen in den dargestellten Altersgruppen aufweisen. Abbildung 34: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs - Anteil der Pflegebedürftigen in aus- gewählten Bevölkerungsgruppen im Bundeslandvergleich (2011)

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung In der Altersgruppe der 75 bis 85-Jährigen sind keine erheblichen Unterschiede im Anteil der Pflegebedürftigen zu erkennen. Große Abweichungen beginnen ab einem Alter von 85 Jahren. Während in der Bevölkerungsgruppe der 85 bis 90-Jährigen in Baden- Württemberg 34 % pflegebedürftig sind, beträgt die Pflegequote in Mecklenburg- Vorpommern 51,5 %. Auch in der Gruppe der 90-Jährigen und Älteren, ist der Anteil der Pflegebedürftigen um 20 % höher. Dies erhöht die Nachfrage nach Pflegeleistungen erheblich. Abbildung 35: Pflegebedürftigkeit: demografisch bedingte Entwicklung der Nachfrage nach Pflegeleistungen in Mittelbereichen

Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: BBSR-Berichte KOMPAKT, Bildung, Gesundheit, Pflege – Auswirkungen des demografischen Wandels auf die soziale Infrastruktur, 2011

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Dies wird mit der prognostizierten Entwicklung der Pflegebedürftigkeit nach Mittelberei- chen dokumentiert. Für den Mittelbereich Parchim wird ein Anstieg der Fallzahlen zwi- schen 45 und 60 % vorhergesagt. Die Betreuung der Pflegebedürftigen wird einerseits Kosten verursachen. Andererseits bedeutet eine Zunahme der Nachfrage auch, dass im Gesundheitsbereich neue Arbeits- plätze entstehen, wodurch der Abwanderung entgegengewirkt werden kann. Abbildung 36: Beschäftigte im Pflegebereich in Mecklenburg-Vorpommern

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung Zwischen 1999 und 2009 erhöhte sich die Anzahl der Beschäftigten in Pflegeheimen in Mecklenburg-Vorpommern von 7.602 auf 12.070. Im gleichen zehnjährigen Zeitraum ver- doppelte sich annähernd das Personal in ambulanten Pflegediensten, auf insgesamt 6.410 Beschäftigte. Die Nachfrage im Pflegebereich konzentriert sich überwiegend auf das hohe und sehr hohe Alter. Daher sind der Anteil der über 65-Jährigen sowie der über 80-Jährigen (Hoch- betagte) an der Gesamtbevölkerung von besonderer Bedeutung. Die Tabelle 16 zeigt die Verhältnisse im Untersuchungsgebiet des DemografieChecks. Tabelle 16: Bevölkerungsprognose ausgewählter Altersgruppen im Untersuchungsraum Jahr Anteil der über 65-Jährigen an der Anteil der über 80-Jährigen an der Gesamtbevölkerung Gesamtbevölkerung [absolut] [%] [absolut] [%] 2010 11.641 22,9 2.656 5,2 2030 15.164 34,3 3.181 7,2 Quelle: eigene Berechnung auf der Grundlage der aktualisierten 4. Landesprognose zur Bevölkerungsent- wicklung bis zum Jahr 2030 Der Anteil der Personen mit 65 und mehr Lebensjahren wird im Planungsraum bis zum Jahr 2030 um 30 % zunehmen. Die Anzahl der Menschen die älter als 80 Jahre sind, er- höht sich um 20 %. Ab einem Alter von 80 Jahren wird die Wahrscheinlichkeit, dass Personen in einer statio- nären Einrichtung gepflegt werden müssen, deutlich größer. Der Anteil der Pflegebedürfti-

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gen in dieser Altersgruppe beträgt bei Männern bis zu 40 % und bei Frauen bis zu 50 % (siehe Abbildung 33). Das bedeutet in absoluten Zahlen, dass in den nächsten 15 bis 20 Jahren etwa 440 Männer und etwa 1.240 Frauen, insgesamt 1.680 Einwohner 24 , vorran- gig stationäre Pflegeleistungen benötigen. Demgegenüber stehen 681 Plätze für eine vollstationäre Pflege, die zum Stand 2010 im Untersuchungsgebiet vorhanden waren. Abbildung 37: Altersabhängigkeit des Pflegebedarfs – Anteil Pflegebedürftiger an einer vollstationären Pflege in Deutschland in Prozent (2009)

60 Pflegebedürftige in einer vollstationären Pflege 50

40

30

20 AnteilPflegebedürftiger in Prozent

10

0 unter 15 15 bis 60 60 bis 65 65 bis 70 70 bis 75 75 bis 80 80 bis 85 85 bis 90 90 und älter Altersgruppen nach Jahren

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung Trotz der Gültigkeit dieser Zusammenhänge ist zu beachten, dass ältere Bürger hinsicht- lich ihrer individuellen Verfassung differenziert betrachtet werden müssen. Viele Ältere sind heute länger gesund, noch lange aktiv, mobil, engagiert und wollen sowie können ihr Leben weitgehend selbständig und selbstbestimmt gestalten. Daher kann nicht geschluss- folgert werden, dass nun beispielsweise doppelt zu viele Pflegeheime in den kommenden Jahren gebaut werden müssen. Der gegenwärtige Versorgungsstand mit stationären und ambulanten Pflegeleistungen kann wie folgt beschrieben werden. Im Untersuchungsgebiet befinden sich 10 stationäre Pflegeeinrichtungen (Tabelle 17). Etwa ein Drittel davon sind in privater Trägerschaft. Die anderen Pflegeheime werden von freigemeinnützigen Trägern bewirtschaftet, beispiels- weise von Caritas, Diakoniewerk, Arbeiterwohlfahrt und Deutschem Roten Kreuz. Insge- samt stehen 681 Plätze für eine vollstationäre Pflege zur Verfügung. Alle Einrichtungen sind durchschnittlich zu 93 % ausgelastet. Eine telefonische Umfrage (am 13.10.2011) hat ergeben, dass die Auslastung etlicher Häuser sogar annähernd 100 % beträgt und die Nachfrage nach Betreuungsplätzen nicht gedeckt werden kann. 9 Pflegeheime werden als Heime für ältere Menschen geführt. Daneben gibt es eine Einrichtung für schwerkranke und sterbende Menschen (Hospiz) in Lübz.

24 Der Analyse liegen Daten der aktualisierten 4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklen- burg-Vorpommern zu Grunde, die eine deutlich günstigere Entwicklung abbildet, als die 4. Landesprognose.

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Tabelle 17: Stationäre Pflegeeinrichtungen im Untersuchungsgebiet (2011) Ort der Name der Ei n- Art des Trägers Art des verfügbare Einrichtung richtung Pflegeheims Plätze Parchim AWO Seniorenhof Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 60 Träger re Menschen Parchim Kath. Alten- und Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 85 Pflegeheim Träger re Menschen Parchim DRK-Tagespflege- Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 15 einrichtung Träger re Menschen Parchim Kloster , Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 56 Seniorenpflegeheim Träger re Menschen Parchim Kloster Dobbertin, Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 119 Seniorenpflegeheim Träger re Menschen Lübz Seniorenpflegeheim Privater Träger Pflegeheim für älte- 108 „Haus am re Menschen Freistrom“ Lübz Seniorenpflegeheim Privater Träger Pflegeheim für 12 „Haus am Schwerkranke und Freistrom“ Sterbende Plau am See Diakonie- Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 66 Altenpflegeheim Träger re Menschen Plau am See KMG Seniorenheim Privater Träger Pflegeheim für älte- 92 Eldeblick re Menschen Marnitz Kloster Dobbertin, Freigemeinnütziger Pflegeheim für älte- 68 Seniorenpflegeheim Träger re Menschen Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Statistische Berichte Die räumliche Verteilung der Pflegeeinrichtungen zeigt Abbildung 38.

Abbildung 38: Stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen (2011)

Quelle: eigene Darstellung Die ambulante Pflege wird durch 16 Pflegedienste sichergestellt. Ca. 60 % gehören einem freigemeinnützigen Träger an, 40 % befinden sich in privater Trägerschaft. Nach der Art

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des ambulanten Pflegedienstes bieten alle Dienste eine häusliche Krankenpflege oder Haushaltshilfe an. Einige erweitern ihre Angebote um mobile Fahrdienste, familienentlas- tende Dienste oder auch Mahlzeitendienste.

Tabelle 18: Ambulante Pflegeeinrichtungen im Untersuchungsgebiet (2011) Ort der Name des Trägers Art des Trägers Art des ambulanten Einrichtung Pflegedienstes Parchim „Ihr Pflegeheim Par- Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- chim“ haltshilfe nach dem SGB V Parchim Ambulante Kranken- Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- pflege haltshilfe nach dem SGB V Parchim Caritas Mecklenburg Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- e.V. Träger haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Parchim Deutsches Rotes Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Kreuz Träger haltshilfe nach dem SGB V Parchim Diakoniewerk Kloster Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Dobbertin Träger haltshilfe nach dem SGB V; sonstige ambulante Hilfeleistungen Lübz Arbeiterwohlfahrt Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Träger haltshilfe nach dem SGB V Lübz Deutsches Rotes Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Kreuz Träger haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Plau am See Diakonie Pflegedienst Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Träger haltshilfe nach dem SGB V; sonstige ambulante Hilfeleistungen Plau am See Häuslicher Kranken- Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- und Altenpflegedienst haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Plau am See Volkssolidarität Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Träger haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Siggelkow Leonardo Pflege- Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- dienst haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Spornitz Diakoniewerk der Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Propstei Parchim e.V. Träger haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Marnitz Diakoniewerk der Freigemeinnütziger häusliche Krankenpflege oder Haus- Propstei Parchim e.V. Träger haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Klinken Haunschild Pflege- Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- dienst haltshilfe nach dem SGB V Vietlübbe Pflegedienst Schmied Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- haltshilfe nach dem SGB V Privater Pflegedienst Privater Träger häusliche Krankenpflege oder Haus- haltshilfe nach dem SGB V; Hilfe zur Pflege nach SGB XII; sonstige ambulante Hilfeleistungen Quelle: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern, Statistische Berichte

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6.1.2 Leitziele für die Gesundheitsversorgung im Untersuchungsgebiet Auf der Grundlage der Bestandsanalyse und den Diskussionen in der Arbeitsgruppe „Ge- sundheitsversorgung“ wurden gemeinsam mit dem Landkreis Ludwigslust-Parchim als Auftraggeber Leitziele formuliert. Die Leitziele beschreiben einen anzustrebenden Zustand für die medizinische Versorgung im Untersuchungsgebiet. - Eine medizinische Versorgung ist im gesamten Untersuchungsgebiet durch eine Kombination von ambulanter und stationärer Versorgung gewährleistet. - Eine ambulante medizinische Versorgung ist durch eine ausreichende Anzahl an praktizierenden Haus- und Fachärzten hinsichtlich der Bedarfsplanungsrichtlinie zur vertragsärztlichen Versorgung gesichert. - Ambulante und stationäre medizinische Versorgungsstandorte sind in der Fläche so verteilt, dass sie Patienten innerhalb einer PKW-Fahrtzeit von 20 Minuten erreichen. - Das ÖPNV-Angebot trägt durch den Linienverkehr und alternative Bedienformen, z. B. Ruftaxi, zur Erreichbarkeit von Ortslagen mit medizinischer Infrastruktur bei. Krankenhausstandorte und Orte mit Arztpraxen sind mindestens zweimal täglich, je- weils am Vormittag und am Nachmittag, erreichbar. - Der Anteil der pflegebedürftigen Menschen steigt in den nächsten 15 Jahren stetig. Der Fachkräftebedarf für eine ambulante und vollstationäre Pflege ist gesichert. - Durch den Abbau von Doppelstrukturen zwischen Rettungsdienst und ambulantem Bereitschaftsdienst sind hausärztlich tätige Mediziner entlastet. - Das Angebot an ambulanten medizinischen Dienstleistungen ist durch das Mittel der „Ermächtigung“ vergrößert. Ärzte in stationären Einrichtungen und ärztlich geleitete Institute sind zur ambulanten Versorgung berechtigt. - Durch den öffentlichen Rettungsdienst (Notfallrettung und Krankentransport), Freiwil- lige Feuerwehren und das Technische Hilfswerk ist der Brand- und Katastrophen- schutz sowie eine medizinische Notfallversorgung in jeder Gemeinde gewährleistet. Eine umfängliche medizinische Versorgung durch einen Hausarzt ist nicht mehr in je- der Gemeinde vorhanden. - Ein fachübergreifendes medizinisches Versorgungsspektrum ist gebündelt und kos- teneffizient vorrangig in Orten des zentralörtlichen Systems, mit Unterzentren als kleinste Einheit, vorhanden. Diese Orte sind durch Angebote der Daseinsvorsorge für Mediziner attraktiv sowie für Patienten innerhalb von 20 PKW-Minuten und durch den ÖPNV, einschließlich alternativer Bedienformen, erreichbar. - Die ambulante Versorgung ist durch Nutzung von Kooperationsmodellen zwischen Ärzten, beispielsweise Medizinische Versorgungszentren, verbessert. - Durch den Einsatz qualifizierter Praxisangestellte (VERAH25 ) sind Hausärzte entlas- tet. Die medizinische Versorgung von insbesondere immobilen und multimorbiden Patienten in der Fläche ist verbessert. - Für eine Ansiedlung von Ärzten wird kontinuierlich im Landkreis Ludwigslust-Parchim geworben. Das „Karriereportal Medizin“ des Landkreises ist dafür ein geeignetes In- strument.

25 VERAH - Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis

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6.1.3 Fokusthemen Bei der Betrachtung der demografischen Entwicklung sowie der gegenwärtigen Situation vor Ort wurde deutlich, dass - die Bevölkerung insgesamt weniger, aber die Altersgruppe der über 65-jährigen um über 3.500 Einwohner steigen wird, - medizinische und pflegerischen Leistungen aufgrund des höheren Anteils älterer Menschen künftig verstärkt nachgefragt werden, - haus- und Facharztpraxen sich aus der Fläche überwiegend zurückgezogen haben und sich in Städten, wie Parchim, Lübz oder Plau am See konzentrieren, - weniger Hausärzte im Untersuchungsgebiet arbeiten als durch Zulassungen der KV M-V möglich sind, - der Altersdurchschnitt der hausärztlich tätigen Mediziner besorgniserregend hoch ist und dadurch ein hoher Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten entsteht, um Arztpra- xen nicht schließen zu müssen sowie - die Kapazitäten der stationären medizinischen Versorgung ausreichen, um den stei- genden Bedarf nach einer akut-medizinischen Behandlung decken zu können. Damit wird erkennbar, für welche Teilbereiche der Gesundheitsversorgung Lösungsideen entwickelt werden müssen. Das sind die Bereiche der ambulanten und stationären Pflege sowie der ambulanten ärztlichen Versorgung. Diese Teilbereiche sind aber immer noch zu allgemein, um konkrete Lösungen für die Problemlagen im Untersuchungsgebiet erarbei- ten zu können. Daher fokussierte sich die Arbeitsgruppe in Abstimmung mit dem Auftrag- geber auf die Untersuchung der Themen - Fachkräftesicherung in der Pflege, - kassenärztlicher Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst, - Ermächtigung, - Kooperationsformen, beispielsweise medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie - nichtärztliche Praxisangestellte (VERAH). Hinsichtlich der Bearbeitungstiefe werden die ersten drei Themen im Überblick dargestellt, um über diese Sachverhalte zu informieren und zu sensibilisieren. Die Themen MVZ und PA werden dagegen ausführlicher analysiert und umfangreicher dokumentiert, weil in die- sen Bereichen am erfolgversprechendsten Lösungsideen herausgearbeitet werden kön- nen, um die ambulante medizinische Versorgung im Untersuchungsgebiet zu stärken.

Fachkräftesicherung in der Pflege Laut DemografieCheck wird der Anteil der Personen mit 65 und mehr Lebensjahren bis 2030 im Untersuchungsgebiet um 30 % steigen. Das sind etwa 3.500 Einwohner mehr, als gegenwärtig in dieser Altersgruppe leben. Bei der Berücksichtigung von Alter und Pflegebedürftigkeit, werden im Bereich zwischen Parchim, Lübz und Plau am See künftig etwa 440 Männer und 1.240 Frauen wahrscheinlich stationäre Pflegeleistungen benöti- gen. Der Anteil an Einwohnern der ambulant versorgt werden muss, wird noch deutlich höher sein. Die Nachfrage nach Pflegeleistungen wird demnach stark steigen. Doch wie werden sich Angebot und Nachfrage an Pflegekräften entwickeln? Viele stellen sich die Fragen, wer pflegt meine Eltern? Es ist ein natürlicher Wunsch von Eltern und Kindern, dass die Pflege der Angehörigen durch Familienmitglieder erbracht werden soll. Doch dieser Wunsch geht immer seltener in Erfüllung. Durch einen hohen Grad an Mobilität haben viele Kinder ihren Lebensmittel- punkt am oft weitentfernten Arbeitsort eingerichtet. Gleichzeitig wird auch die Anzahl an älteren Menschen kleiner, die von einem Ehepartner oder Lebenspartner gepflegt werden kann, weil bereits seit etlichen Jahren der Anteil der Single-Haushalte stetig steigt. Damit

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wird in vielen Fällen kein informelles Netz zur Verfügung stehen, dass eine ambulante Pflege ermöglicht. Das informelle Pflegepotenzial nimmt damit ab. Deutlich wurde bereits, dass durch eine Alterung der Bevölkerung die Zahl der Pflegebe- dürftigen insgesamt steigen wird. Um das derzeitige Versorgungsniveau zu erhalten, müsste künftig die Beschäftigung im Pflegesektor deutlich zunehmen. Um einen Eindruck der Größenverhältnisse zu erhalten, können Zahlen auf der Ebene Deutschlands ausge- wertet werden. Demnach arbeiten etwa 890.000 Pflegekräfte im Pflegesektor. Bis 2030 müsste die Beschäftigung um 506.000 Erwerbspersonen zunehmen, um das gegenwärti- ge Niveau zu halten. Die Prognos AG hat diese Sachverhalte auf der Ebene von Deutschland untersucht. Da die prinzipiellen Zusammenhänge auch für kleinere Regionen Gültigkeit haben, können Ergebnisse der Prognos Studie „Arbeitslandschaft 2030“ an dieser Stelle verwendet wer- den. Abbildung 39: Angebot und Nachfrage des Pflegepersonals bis 2030

Quelle: Prognos AG, 2012 Mit Hilfe der Abbildung 39 lassen sich bisherige Aussagen zusammenfassen und grund- sätzliche Zusammenhänge darstellen, die auch für das Untersuchungsgebiet zutreffen. Der Bestand an derzeit arbeitenden Pflegekräften bildet das Angebot an Pflegepersonal. Dagegen bildet sich die Nachfrage aus mehreren Bestandteilen. Sie setzt sich zusammen aus dem - derzeitigen Bestand, da auch künftig mindestens so viele Menschen gepflegt werden müssen wie heute, - einem zusätzlichen Bedarfe nach Pflegepersonal, da die Anzahl der Älteren und da- mit auch der Pflegebedürftigen bis 2030 steigen wird, - einem informellen Ersatzbedarf, weil aus dem Umfeld von Familie und Nachbarschaft weniger Pflegende zur Verfügung stehen werden und - eines Mehrbedarfs an Pflegekräften, da aufgrund des demografischen Wandels die potenziell zur Verfügung stehende Anzahl abnehmen wird. Demnach könnte sich eine enorm große Versorgungslücke an Pflegepersonal auftun. Die dargestellten Probleme sind i. d. R. nicht neu und vielen bereits bekannt. Wichtig ist es, jetzt schnell zu handeln, damit sich die Versorgungslücke schließen kann.

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Die Prognos-Studie benennt fünf mögliche Handlungsoptionen: - Beschäftigungschancen verbessern, - die Erwerbsbeteiligung erhöhen 26 , - Arbeitszeiten verlängern, - eine breite Bildungsoffensive starten und als letztes Mittel - die Nettozuwanderung aus anderen Staaten gezielt steigern. Abbildung 40: Beitrag der Handlungsoptionen zur Dämpfung der Pflegelücke in 2030

Quelle: Prognos AG, 2012

Handlungsempfehlung: Dieses Bündel an Maßnahmen macht deutlich, dass es nur gemeinsam gelingen kann, einem künftigen Pflegenotstand zu entgehen. Denn das Maßnahmenbündel spricht einer- seits Politik und Gesetzgebung an. Eine angepasste Bildungspolitik kann helfen, die Nachfrage nach Krankenschwestern und gut ausgebildeten Pflegefachkräften zu decken. Weiterhin sind Arbeitszeiten zu flexibilisieren und ausländische Fachkräfte zu werben. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung bereits reagiert. Vor allem in Südeuro- pa, wie Spanien, Griechenland, Italien und Portugal wird seit 2013 systematisch um Fachkräfte geworben. Auf der anderen Seite sind Unternehmen gefragt, in Personalak- quisition und insbesondere in Personalentwicklung mehr als bisher zu investieren.

Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst Medizinische Leistungen in Krankenhäusern und Arztpraxen stehen Patienten nicht nur Werktags zwischen 07:00 Uhr und 16:00 Uhr zur Verfügung. Tritt eine Erkrankung außerhalb der üblichen Sprechzeiten, nachts, am Wochenende oder an Feiertagen ein, deren Behandlung nicht bis zum nächsten Werktag warten kann, kön- nen die Leistungen des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 27 in Anspruch genommen

26 Dazu gehören Maßnahmen, um die Erwerbsbeteiligung von Älteren, insbesondere der über 50jährigen, Migranten und Frauen zu erhöhen. Diese Erwerbsgruppen sollen sich stärker in die Arbeitswelt einbringen. 27 auch ärztlicher Notdienst genannt

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werden. Sie gelten für gesetzlich und privat Versicherte. Der Bereitschaftsarzt, der in sei- ner eigenen Praxis, im Bereich der Notaufnahme eines Krankenhauses oder in einer Not- fallpraxis praktiziert, wird in dringenden, aber in der Regel nicht akut lebensbedrohlichen Fällen aufgesucht oder gerufen. Zu erreichen ist der diensthabende Arzt unter einer fest- stehenden Telefonnummer, zuzüglich einer regionalen Endnummer 28 . Können Patienten aus gesundheitlichen Gründen keinen Arzt aufsuchen, kommt der Bereitschaftsarzt auch zum Hausbesuch. Diese Möglichkeit steht rund um die Uhr zur Verfügung. Zuständig für die Organisation eines flächendeckenden Bereitschaftsdienstes für alle Re- gionen in Mecklenburg-Vorpommern ist die Kassenärztliche Vereinigung M-V. Sie regelt neben der Vergütung auch Einsatzort und Einsatzzeiten der Bereitschaftsärzte 29 . Neben dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst steht ebenfalls flächendeckend ein öf- fentlicher Rettungsdienst zur Verfügung. Zuständig für den Rettungsdienst sind die Bun- desländer, in der konkreten Ausgestaltung die Landkreise. Er umfasst die Notfallrettung und den Krankentransport. Der Notarzt wird in lebensbedrohlichen Fällen, z. B. bei schweren Unfällen, dem Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall etc. unter der Notruf- nummer 112 gerufen. Generell ist der in Notfallmedizin ausgebildete Notarzt rund um die Uhr erreichbar. Im Einsatzfall arbeitet der Notarzt eng mit dem Rettungsdienstpersonal zusammen, damit Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungswagen innerhalb weniger Minuten nach dem Hilferuf am Einsatzort eintreffen 30 . Die Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes werden im Landkreis Ludwigslust- Parchim nicht von einem kommunalen Rettungsdienstunternehmen oder einer Berufsfeu- erwehr wahrgenommen. Die direkte Leistungserbringung erfolgt durch die DRK Rettungs- dienst Parchim-Ludwigslust gGmbH und die ASB-Rettungsdienst gGmbH Südwestmeck- lenburg. Für den Bereich des Altkreises Parchim stehen fünf Notarztstützpunkte und sie- ben Rettungswachen in Cambs, , Sternberg, Goldberg, Lübz, Parchim und Plau am See zur Verfügung. In den Einrichtungen werden alle notwendigen Rettungsdienstfahr- zeuge vorgehalten. Dazu gehören insbesondere Notarzteinsatzfahrzeuge, Rettungstrans- portwagen, Intensivtransportwagen sowie Krankentransportwagen, die auch als Mehr- zweckfahrzeuge genutzt werden können. Die Koordinierung der Notrufe und Einsätze erfolgt über die Integrierte Leitstelle Westmecklenburg mit Sitz in Schwerin. Mit dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, der Notfallrettung durch den Rettungsdienst und der ambulanten Notfallversorgung der Krankenhäuser sind Strukturen vorhanden, die sich auch mit dem Brandschutz (Feuerwehren) und der Technischen Hilfeleistung (THW) bei Schadensfällen verzahnen.

Handlungsempfehlung: Da es aufgrund der demografischen Entwicklung im ländlichen, dünn besiedelten Unter- suchungsraum und in ganz Mecklenburg-Vorpommern immer schwieriger wird medizini- sche und ehrenamtliche Kräfte zu gewinnen oder auch die Bereitschaftsarztversorgung ohne die Krankenhausträger sicherzustellen, wird der Abbau von möglicherweise vorhan- denen Doppelstrukturen immer wichtiger. Als zentrales Ziel sollte ein effizienter und schneller Rettungsdienst in enger Abstimmung mit dem kassenärztlichen Bereitschafts- dienst betrieben werden. In Gesprächen zwischen dem Landkreis Ludwigslust-Parchim und der KV M-V ist zu ermitteln, ob Ressourcen des Rettungsdienstes und des Bereit- schaftsdienstes optimaler genutzt werden können. Das heißt, gibt es z. B. Einsatzberei- che in denen der Bereitschaftsarzt nur wenige Fälle pro Monat zu behandeln hat. Die Fra- ge ist zu klären, ob in diesen Bereichen eine medizinische Notfallversorgung Ressourcen

28 Rufnummern siehe www.kvmv.info/patienten/12/Bereitschaftsdienst 29 In eigener Praxis niedergelassene Mitglieder der KV M-V, angestellte Ärzte, einschließlich Ärzte in MVZ sind berechtigt und verpflichtet, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. 30 In M-V innerhalb von 10 Minuten.

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schonender organisiert werden kann, um Ärzte zu entlassen. Denn die Bereitschafts- dienste müssen zusätzlich zur täglichen Arbeit in der Praxis erbracht werden. Über eine Anpassung der Aufgabenverteilung können ebenfalls Erleichterungen für Ärzte und Patienten erreicht werden. Aspekte dabei sind die Verordnung von Medikamenten und die Ausstellung einer Krankschreibung. Es ist festzulegen, ob diese Tätigkeiten auch künftig nur der niedergelassene Arzt oder auch der Notarzt tun darf. Ziel ist es, Doppelin- anspruchnahmen von Notarzt und Hausarzt zu verringern. Für eine insgesamt älter und künftig stärker immobiler werdende Bevölkerung, ist eine Klärung dieser Aspekte von be- sonderem Interesse, um zusätzliche Wege zum Arzt zu vermeiden.

Ermächtigung Durch eine fachgerechte Bedarfsplanung soll eine vertragsärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung M-V sichergestellt werden, die im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen sowie im Be- nehmen mit den zuständigen Landesbehörden erarbeitet wird 31 . Die Region steht vor der Herausforderung, dass demografisch bedingt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen steigt. Gleichzeitig werden in den nächsten Jahren viele niedergelassene Ärzte in den Ruhestand eintreten. Ob immer ein Nachfolger gefunden werden kann, ist unklar. Es ist wahrscheinlich, dass etliche Praxen geschlossen bleiben, weil kein neuer Allgemeinmediziner oder Facharzt die Arztpraxis übernimmt. Damit wird sich die medizinische Versorgung im Untersuchungsgebiet wahrscheinlich verschlechtern.

Handlungsempfehlung: Über das Mittel der Ermächtigung kann gegengesteuert werden, in dem der ambulante und stationäre Sektor enger zusammenarbeitet. Ermächtigungen werden bereits ausge- sprochen und sollen künftig noch häufiger als bisher erteilt werden, um einer drohenden Unterversorgung mit ambulanten medizinischen Dienstleistungen entgegenzuwirken.

Dabei kann ein Arzt einer stationären Einrichtung oder eine ärztlich geleitete Einrichtung selbst ermächtigt werden, ambulante Leistungen zu erbringen. Ermächtigung eines Arztes in stationärer Einrichtung Um das Angebot an ambulanten medizinischen Dienstleistungen zu vergrößern, können Krankenhausärzte, Ärzte aus Rehabilitationseinrichtungen oder auch Ärzte, die keine Ap- probation 32 nach deutschen Rechtsvorschriften besitzen, sondern eine Berufserlaubnis, eine sogenannte Ermächtigung bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragen. Damit erlangen sie die Genehmigung, neben ihren stationären Dienstverpflichtungen gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln, die Leistungen mit der kassenärztlichen Ver- einigung abzurechnen, obwohl sie nicht regulär als Vertragsarzt tätig sind. Dauer, Ort und Leistungsrahmen werden vom Zulassungsausschuss festgelegt und beziehen sich damit immer auf die konkret vorhandene Versorgungssituation. Das heißt, eine Ermächtigung wird i. d. R. erst dann ausgesprochen, wenn in einem Planungsraum weniger Ärzte tätig sind, als die Bedarfsplanung der KV vorsieht. Damit soll sichergestellt werden, dass für einen niedergelassenen Arzt im gleichen Einzugsbereich, eine erteilte Ermächtigung nicht zu einer Konkurrenzsituation wird. Gegenwärtig wurde durch die Kassenärztliche Vereinigung M-V für insgesamt neun Medi- ziner eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erteilt.

31 www.kvmv.info 32 Approbation ist die staatliche Zulassung (Genehmigung), im entsprechenden Heilberuf arbeiten und die jeweilige Berufsbezeichnung führen zu dürfen.

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Tabelle 19: Ermächtigungen pro Einrichtung Fachrichtung Asklepios -Klinik Klinikum Plau am MediClin Kranke n- Parchim See haus Plau am See

Chirugie 2 ------Gynäkologie 1 ------Innere Medizien 1 1 --- Neurochirugie --- 1 --- Orthopädie ------2 Radiologie ------1 Quelle: www.kvmv.info Ermächtigung ärztlich geleiteter Einrichtungen (Institutsermächtigung) Auch ärztlich geleitete Einrichtungen wie Polikliniken und Krankenhäuser können ermäch- tig werden, ambulante Behandlungen durchzuführen. Ein Krankenhaus ist zur ambulanten Versorgung berechtigt, wenn es im Rahmen der Krankenhausplanung als geeignet einge- stuft wurde. Die Krankenhausplanung ist Aufgabe der Bundesländer. Sie entscheiden unter Beteiligung der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie mit Krankenhausbetreibern, welche Einrichtung in den Krankenhausplan aufgenommen wird. Damit haben die Länder Planungsrecht und Entscheidungsgewalt über stationäre Kapazi- täten 33 . Die erteilte Ermächtigung bezieht sich i. d. R. auf einzelne Abteilungen oder Erkrankun- gen. Im Untersuchungsgebiet wurde der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung der Asklepios-Klinik Parchim die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Ver- sorgung erteilt. Anwendung von Ermächtigungen: Die Möglichkeit der Ermächtigung wird den allgemein vorhandenen Ärztemangel und da- mit der drohenden Unterversorgung an medizinischen Leistungen nicht beheben können, da die Auswirkungen aktueller Trends stärker sind, als dass sie durch das Mittel der Er- mächtigung beseitigt werden könnten. Mit Hilfe der Ermächtigung steigt aber das Angebot an ambulanten Dienstleistungen, wodurch die negativen Folgen eines Ärztemangels ge- mildert werden. Es sind drei Trends erkennbar die dazu führen, dass in der Gesellschaft ein Mangel an Ärzten wahrgenommen wird. Dazu gehören: - Der demografische Wandel führt zu einer Alterung der Gesellschaft und damit zu ei- ner steigenden Nachfrage nach medizinischen Leistungen und mittelbar zu einer hö- heren Nachfrage nach Ärzten. - Der medizinische Fortschritt und damit eine ständige Zunahme des Machbaren führt zu einem steigenden Bedarf an Spezialisten und Fachärzten, z. B. Herzchirurgen und Reproduktionsmedizinern. - In den vergangenen Jahren verstärkte sich der Wunsch bei jungen Medizinern nach einer Arbeitszeitverkürzung. Statt einer täglichen Arbeitszeit von 12 bis 14 Stunden, wird eine wöchentliche Arbeitszeit von ungefähr 48 Stunden angestrebt. Gleichzeitig ergreifen immer mehr Frauen den Arztberuf. Viele Ärztinnen wollen verkürzt arbeiten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und leisten damit insge- samt ein geringeres Lebensarbeitsvolumen als ihre männlichen Kollegen. Damit muss das gleiche Arbeitsvolumen auf mehr Köpfe verteilt werden.

33 www.wirtschaftslexikon24.net

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Obwohl in M-V und Deutschland noch nie so viele Ärzte praktizieren wie gegenwärtig 34 , haben die Auswirkungen der Trends dazu geführt, dass trotz eines generellen Zuwachses an Ärzten der steigende Versorgungsbedarf nicht gedeckt werden kann 35 . Das wird dazu führen, dass der Bedarf an Arztstellen auch im Krankenhaus steigen wird. Damit sind dem Instrument Ermächtigung natürliche Grenzen gesetzt.

Handlungsempfehlung: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird die Nachfrage nach stationären Leistungen in einigen Fachdisziplinen sinken, in anderen aber steigen. In Bereichen mit einer geringer werdenden Nachfrage im Krankenhausbereich, könnten mehr Ärzte als bisher eine Ermächtigung erhalten, um eine fachspezifische, lokale Unterversorgung zu beheben. In Bereichen mit einer steigenden Nachfrage wird es auch darum gehen, dass sich Krankenhausabteilungen untereinander stärker helfen können. Beispielsweise kann der Chefarzt der inneren Medizin für onkologische Tätigkeiten (Durchführung Chemothe- rapie etc.) ermächtigt werden.

Folgende Fachdisziplinen werden bis 2030 weniger nachgefragt: - Pädiatrie (Kinderheilkunde), - Gynäkologie und Geburtshilfe. Steigen wird die Nachfrage in den Fachdisziplinen - innere Medizin 36 , - Orthopädie 37 , - Onkologie 38 , - Geriatrie 39 , - Augenheilkunde, - Urologie 40 und - Neurologie. 41

Handlungsempfehlung: Die Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung empfiehlt daher die konsequente Anwendung des Mittels der Ermächtigung, um niedergelassene Ärzte zu entlasten und eine ambulante Versorgung von Patienten zu verbessern. Die Ermächtigung eines Krankenhausarztes wird als ein bewährtes Konzept betrachtet und sollte Vorrang vor der institutionellen Er- mächtigung haben. Eine erteilte Ermächtigung sollte für mehrere Jahre gelten, bevor sie erneuert werden muss.

34 Gesundheitsberichtserstattung des Bundes: Deutschland: Jahr 2000: 295.000 Ärzte, Jahr 2011: 342.000 Ärzte; Mecklenburg-Vorpommern: Jahr 2000: 6.024 Ärzte, Jahr 2010: 6.630 Ärzte (+ 10 %) 35 Bundesärztekammer, Abteilung Statistik: Ärztemangel trotz steigender Arztzahlen – ein Widerspruch, der keiner ist, 2011 36 Zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes etc. 37 Mit zunehmendem Alter werden Probleme des Stütz- und Bewegungsapparates häufiger. 38 Ein Zweig der inneren Medizin, zur Behandlung von Krebserkrankungen, ein Spezialgebiet der Internisten 39 Behandlung altersbedingter Erkrankungen oder Ereignisse, z. B. Rehabilitation nach einem Schlaganfall 40 Zur Behandlung harnbildender und –leitender Organe sowie von Geschlechtsorganen 41 Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems

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Kooperationsformen, beispielsweise Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Mit dem Vertragsrechtsänderungsgesetz (VÄndG) aus dem Jahr 2007 sowie dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstrukturgesetz GKV-VStG) das im Jahr 2012 verabschiedet wurde, stehen neue Möglichkeiten für eine flächendeckende medizinische Versorgung zur Verfügung. Durch eine Flexibilisierung der vertragsärztlichen Tätigkeit haben Ärzte vielfältige Mög- lichkeiten, die ambulante Versorgung in Kooperation mit anderen Kollegen zu gestalten. Zu den gängigsten Kooperationsformen zählen MVZ, Praxisnetze, auch Praxisgemein- schaften genannt und Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) 42 . Weiterhin können Ärz- tehäuser und Apparategemeinschaften gegründet werden. Auch mit Krankenhäusern sind nach der aktuellen Gesetzeslage vielfältige Kooperationen möglich. Dazu gehören der Belegarzt oder auch der Konsiliararzt, die Übernahme vor- und nachstationärer Leistun- gen durch den Vertragsarzt, eine Praxis am Krankenhaus oder die Anlaufpraxis. Mit dem neuen VÄndG ist es auch möglich Zweigpraxen 43 in anderen KV-Bezirken zu gründen oder auch einen Vertragsarzt anzustellen. Die Vor- und Nachteile jeder Kooperationsmöglichkeit zu beschreiben wäre sehr umfang- reich und soll daher nicht erfolgen. In der Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung wurden einige Formen der Zusammenarbeit diskutiert. Beispielsweise ist es im Untersuchungsge- biet wo es nur noch wenige Hausärzte in der Fläche gibt sinnvoll, wenn der niedergelas- sene Arzt nicht nur in seiner Praxis, sondern an mehreren Orten tätig ist. Durch die Be- treibung von Zweigpraxen in eigenen Räumen oder in ausgelagerten Praxisräumen eines Kollegen wird die ambulante Versorgung von Patienten im dünn besiedelten ländlichen Raum verbessert. Allerdings findet in Zweigpraxen nur eine eingeschränkte Versorgung statt. Hinsichtlich des medizinischen Leistungsspektrums, als auch zeitlich. So ist eine Zweigpraxis oftmals nur an wenigen Tagen in der Woche oder auch nur Stundenweise geöffnet. Diese Arbeitsweise ist notwendig und sinnvoll, kann aber nur eine Notlösung für Arzt und Patient sein.

Handlungsempfehlung: Die Situation im Raum Parchim ist durch einen allgemeinen Hausarztmangel gekenn- zeichnet sowie einem hohen durchschnittlichen Alter der Ärzte, was zu einem hohen Pra- xis-Nachbesetzungsbedarf führt. In den Gemeinden gibt es nur noch wenige Landarztpra- xen und der Trend seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt in größere Orte zu verlegen, hält an. Gleichzeitig möchten junge Mediziner ihre Laufbahn als angestellter und nicht als niedergelassener Arzt beginnen. Vor diesem Hintergrund wird das Medizinische Versor- gungszentrum als eine geeignete Kooperationsform für den Untersuchungsraum angese- hen, um die ambulante medizinische Versorgung zu verbessern. Es wird als sinnvoll er- achtet, die ambulante Krankenversorgung auf wenige, aber effektive und kostengünstige Zentren zu konzentrieren, an denen Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte arbeiten können. In gewisser Weise sind die Polikliniken der früheren DDR ein Vorbild. In der Ein- richtung können beliebig viele Ärzte im Angestelltenverhältnis tätig sein und der Patient findet eine ausreichende, gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur vor. Ein MVZ wird aber nicht die Dimensionen der ehemaligen Polikliniken erreichen.

Gegenwärtig müssen in einem MVZ mindestens zwei Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sein. Ein MVZ wird in der Regel von Vertragsärz- ten der gesetzlichen Krankenversicherung und von Krankenhäusern gegründet. Sie sind damit die Träger des MVZ. Jedes MVZ muss ärztlich geleitet werden, wobei der ärztliche Leiter in dem MVZ selbst als Vertragsarzt oder als angestellter Arzt tätig sein muss. Die

42 Hinter der BAG verbirgt sich die alte Gemeinschaftspraxis 43 Gründung von Zweigpraxen und ausgelagerten Praxisstätten (Nebenbetriebsstätte)

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vorwiegende Rechtsform ist die GmbH. Die am häufigsten vertretenden Fachgruppen sind Hausärzte und Internisten. In Deutschland werden die meisten Medizinischen Versor- gungszentren in städtischen Gebieten gegründet, nur ca. 15 % in kleinen ländlichen Ge- meinden (siehe www.kbv.de). Nichtärztliche Praxisangestellte (VERAH) Im Raum Parchim sind gegenwärtig weniger Hausärzte tätig, als Zulassungen möglich sind. Das heißt, wenige Ärzte versorgen viele Einwohner. Nach der neuen Bedarfspla- nungsrichtlinie ist ein Hausarzt in M-V für 1.671 Einwohner (davor 1.474) zuständig. Im Untersuchungsgebiet beträgt das Arzt-Einwohnerverhältnis etwa ein Arzt auf 1.800 Ein- wohner. Gleichzeitig nimmt der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung, vor allem die Altersgruppe der ab 80-Jährigen deutlich zu. Die Verschiebung der Altersstruktur wird erhebliche Auswirkungen auf Patientenzahlen haben. Eine altersbedingt zunehmende Morbidität und abnehmende Mobilität wird einerseits die Anzahl an Arztkontakten bis 2030 steigen lassen und andererseits den Bedarf nach ärztlichen Hausbesuchen deutlich ver- größern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Ärzte selbst auch altern und der Altersdurchschnitt aller im Untersuchungsgebiet tätigen Mediziner mit 53 Jahren besorg- niserregend hoch ist. Damit bewältigen wenige Mediziner viel Arbeit. In dieser Situation ein arztentlastendes Angebot nutzen zu können, kann nur sinnvoll sein. Das AGnES-Konzept (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemati- sche Intervention) basiert darauf, ärztliche Leistungen, insbesondere im Rahmen von Hausbesuchen, an qualifizierte Praxismitarbeiter zu delegieren. Dabei ist ganz klar, dass der Praxismitarbeiter, i. d. R. die Krankenschwester, nicht zum Doktor wird, sondern den Arzt unterstützt und damit entlastet. Das AGnES-Konzept wurde im Zeitraum zwischen 2005 und 2008 in Mecklenburg-Vorpommern, , Sachsen und Sachsen-Anhalt erfolgreich getestet und wurde seit 2009 in die Regelförderung aufgenommen. In der Testphase des Modells wurde deutlich, welche diagnostischen und therapeutischen Leistungen der Arzt delegieren kann. Zu den Tätigkeiten gehören u. a. Gespräche zur Patientenaufklärung, Terminabsprachen, Organisation von Krankenhausaufenthalten, Zusammenarbeit mit Pflegeeinrichtungen, Arzneimittelkontrollen, Blutdruck- und Blutzu- ckerkontrollen, Verbandswechsel, Wohnungsbegehung mit Sturzprophylaxe oder auch eine Dokumentation von Krankheitssymptomen und medizinisch relevanter Ereignisse. Der AGnES-Ansatz ist stark mit der Anwendung technischer Systeme verknüpft. Der Be- griff E-Health verdeutlicht die Anwendung elektronischer Geräte zur medizinischen Ver- sorgung. Dazu gehören beispielsweise die Bereiche Telemedizin, z. B. die Anwendung mobiler Videokonferenzen und das Tele Care System, mit deren Hilfe Vitalparameter des Patienten kontinuierlich zu Hause erfasst und auch zum Hausarzt in die Praxis übermittelt werden können. Insgesamt ist die qualifizierte Praxisassistentin (PA) also mehr als nur Krankenschwester. Sie ist oft auch Sozialarbeiterin und Vertraute des Patienten in einer Person. Diesen per- sönlichen Einsatz stärker betonend, gibt es in Mecklenburg-Vorpommern nicht die AG- nES, sondern die VERAH. Von der Grundphilosophie gleichen sich die Ansätze. Das VERAH-Konzept ist aber weniger stark auf die Anwendung von Technik ausgerichtet.

Handlungsempfehlung: Etwa seit 2009 können Hausärzte in M-V qualifizierte Praxisassistentinnen beschäftigen und damit eine effektive Arbeitsteilung organisieren. Die bisherigen Erfahrungen der Ärzte und der Patienten sind absolut positiv. Das VERAH-Konzept ist geeignet, die hausärztli- che Versorgung in von Unterversorgung bedrohten Gebieten wirksam zu verbessern. Da- her sollte dieses Instrument konsequent genutzt und eine weite Verbreitung finden. Die Anbindung der PA an Hausarztpraxen oder MVZ hat sich bewährt und sollte beibehalten werden.

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6.1.4 Projektansätze Die Diskussion der Fokusthemen in der Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung machte deutlich, dass die Region Parchim insgesamt mehr Hausärzte benötigt und die vorhande- nen Ärzte in ihrer Tätigkeit entlastet werden müssen. Ebenso sind Trends, die sich aus der demografischen Entwicklung und der Bestandsanalyse ableiten, zu berücksichtigt. Dazu gehören: - Der Trend zur Urbanisierung trifft auch für Ärzte zu. Leben und Arbeiten konzentriert sich immer mehr in den Städten. - Obwohl Mecklenburg-Vorpommern viele Mediziner ausbildet, bleiben nur wenige im Land. Erkennbar ist eine stetige Abwanderung von Medizinern in Regionen West- deutschlands. Oft aufgrund günstigerer Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. - Viele junge Mediziner bevorzugen zunächst ein Angestelltenverhältnis, d. h. das öko- nomische Risiko sich niederzulassen wird seltener eingegangen. - Der Wunsch nach geringeren durchschnittlichen Tagesarbeitszeiten und einer besse- ren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wächst, vor allem bei Ärztinnen. - Viele Arztfamilien bevorzugen einen Wohn- und Arbeitsort der eine Basisinfrastruktur, wie KITA, Einkaufsmöglichkeiten, wenn möglich einen Arbeitsplatz für die Ehefrau, Fachpersonal mit regionalem Bezug etc. aufweist. Daraus wurde der Grundgedanke abgeleitet, dass neue Betreibermodelle erforderlich sind, um eine ärztliche Versorgung in dünnbesiedelten Gebieten aufrechtzuerhalten. Denn eine Konzentration von medizinischen Angeboten zu Gunsten der Städte wird sich fort- setzen. Mehr Praxen auf dem Land werden nicht entstehen. Als Ergebnis wird aus dem DemografieCheck heraus ein neues Betreibermodell vorgeschlagen, dass nicht nur für das Untersuchungsgebiet, sondern auch für ländliche Räume Deutschlands gelten kann.

Modell einer hausärztlichen Versorgung für strukturschwache ländliche Regionen Kerngedanke ist, die Fläche ausgehend von Orten zu erschließen, die für Ärzte attraktiv und von Patienten erreichbar sind. Insgesamt soll eine Versorgungsstruktur entstehen, die sich aus - Krankenhäusern, - niedergelassenen Ärzten, - Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und - den Leistungen von nichtärztlichen Praxisassistentinnen (PA) in Form von Hausbesu- chen und ausgehend von PA-Zentren, zusammensetzt. Dabei ist die räumliche Verteilung der Strukturbestandteile wichtig. Krankenhäuser und MVZ konzentrieren sich in einwohnerstarken Orten, wie Siedlungsschwerpunkte, Grund- und Mittelzentren, beispielsweise Parchim, Lübz und Plau am See. Ausgehend von die- sen zentralen Orten entstehen in der Fläche PA-Zentren, von wo aus eine wohnortnahe Patientenversorgung gewährleistet wird. Damit wird die Philosophie des neuen Versor- gungsmodells deutlich. Angebot und Nachfrage müssen sich inhaltlich und räumlich tref- fen. Während Patienten den Arzt mit PKW oder ÖPNV erreichen können, kommen medi- zinische Leistungen durch die PA zum immer älter und immobil werdenden Patienten. Die Verteilung von MVZ und PA-Zentren in der Fläche sind so aufeinander abzustimmen, dass ein dauerhaft tragfähiges Versorgungsnetz entsteht. Der Einzugsbereich der PA- Zentren richtet sich nach der Bevölkerungsdichte. Damit soll eine ausreichend hohe Aus- lastung der PA sichergestellt werden und eine ausgewogene Balance aus Fahrtzeiten und Behandlungsfällen entstehen. Innerhalb des Versorgungsnetzes kann jeder Strukturbestandteil seine spezifischen Vor- teile zur Geltung bringen, die teilweise im Kapitel Fokusthemen beschrieben wurden. Zu den Medizinischen Versorgungszentren zählen weiterhin:

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- ökonomische Vorteile für Betreiber, - Vorteile bei Verwaltung und Organisation des Betriebsablaufs, - bieten Angestelltenverhältnisse (kein ökonomisches Risiko, allgemein kürzere Ar- beitszeiten, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf), - breiteres Leistungsspektrum als niedergelassener Arzt, z. B. Shuttleservice für den Patiententransport, - MVZ und Apotheke befinden sich oft an einem Standort und - ein MVZ bietet oftmals neue, moderne Räume und damit attraktive Arbeitsbedingun- gen. Die Vorteile der nichtärztlichen Praxisassistentin lassen sich folgendermaßen zusammen- fassen: - durch die Übernahme von Hausbesuchen ist die PA ein absolut arztentlastendes An- gebot, - die Leistungen sind besonders in Regionen mit geringer Hausarztdichte sowie für Regionen in denen die Morbidität von Patienten altersbedingt zunimmt, die Mobilität aber abnimmt wichtig und - die Finanzierung ist durch die Aufnahme des Instrumentes in die Regelförderung seit 2009 gesichert. Darüber hinaus werden Leistungen der PA in M-V von den meisten Krankenkassen auch in von Unterversorgung bedrohten Gebieten vergütet. Bei der Umsetzung des Modells kann es sinnvoll werden, die Finanzierung der PA über zwei Wege sicherzustellen. Zum einen wird die PA vom Hausarzt oder MVZ bezahlt, bei dem sie angestellt ist. Das ist die gegenwärtige Situation. Zum anderen könnte die PA Patienten von mehreren Ärzten versorgen und würde dann auch von diesen Ärzten ent- lohnt werden. Als Vorbild dient hier die Aufteilung von Personalkosten bei Interkommuna- len Kooperationen (IKZ), z. B. die Entlohnung eines Standesbeamten der für mehrere Ämter tätig ist. Diese Personalkostenverteilung kann notwendig werden, um ein wirt- schaftliches Arbeiten ausgehend von PA-Zentren zu gewährleisten. Damit liegt eine modellhafte, auf andere Regionen übertragbare Lösung vor. In Gesprä- chen mit Ärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung M-V und Bürgermeistern ist dieses Modell weiter bekannt zu machen. Überzeugt der Ansatz und kommt zur Umsetzung, wird schrittweise die beschriebene Versorgungsstruktur vor Ort sichtbar. Die Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung hofft, dass Ärzte innerhalb dieser Struktur arbeiten wollen und damit mehr Hausärzte in die Region kommen, als bisher. Dadurch soll das Nachbeset- zungsproblem von Hausarztpraxen gemindert werden. Beim Aufbau der neuen Versorgungsstruktur wird entschieden, in welchen Kommunen im Untersuchungsgebiet am günstigsten MVZ und PA-Zentren entstehen sollten. Beispiels- weise könnte eine entsprechende Infrastruktur durch Gemeinden (Arbeitsraum für PA etc.) vorgehalten und für den Standort geworben werden. Bevor über Standorte diskutiert wird, um sie u. a. bei Ärzten und Krankenhausträgern bekannt zu machen, muss die ge- genwärtige Versorgungslage bekannt sein. Eine Übersicht der hausärztlichen Versorgung zeigt nachfolgende Abbildung.

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Abbildung 41: Räumliche Verteilung hausärztlicher Versorgungsangebote im Untersu- chungsgebiet

Quelle: eigene Darstellung Nach Abbildung 41 sind an fünf Praxisstandorten qualifizierte Praxisassistenten tätig. In Parchim und Plau am See sind jeweils ein MVZ vorhanden. Darüber hinaus betreibt das MVZ Parchim drei Zweigpraxen in Damm, Garwitz und Raduhn. Das MVZ der Helios Kli- niken Schwerin in Lübz musste im Mai 2013 leider schließen. Ausschlaggebend war der Wegzug des Kinderarztes nach Rheinland-Pfalz. Zu den noch offenen Arbeitsschritten gehören: - Analyse der Nahversorgungsinfrastruktur einzelner Orte, - Auswahl potenzieller Standorte für eine zentrale medizinische Versorgung und für PA-Zentren sowie - Ermittlung der Einzugsbereiche der PA (Bevölkerungsanalyse, Abstimmung mit Landärzten). Da Medizinische Versorgungszentren und nichtärztliche Praxisangestellte wesentliche Bestandteile des neuen Modells zur hausärztlichen Versorgung sind, sollen diese Struk- turbestandteile gestärkt und weiterentwickelt werden. Daher richten sich die folgenden Handlungsempfehlungen an Gesetzgeber, Kommunen, Ärzte und Kassenärztlichen Ver- einigung M-V mit der Bitte um Beachtung und Umsetzung.

Handlungsempfehlung MVZ : - Gründung von Hausarzt-MVZ (ÄVZ 44 ) ermöglichen Gegenwärtig müssen MVZ fachübergreifende Einrichtungen sein, in denen mindestens zwei Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Gro-

44 ÄVZ = Ärzteversorgungszentrum; Bei einem ÄVZ sollen die Vorteile der kooperativen Versorgung ähnlich wie bei einem MVZ zum Tragen kommen.

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ße Synergieeffekte bei der Betreibung eines MVZ entstehen auch, wenn zwei oder meh- rere Hausärzte ein Hausarzt-MVZ betreiben dürften. In einem solchen Fall ist beispiels- weise eine erheblich bessere Abstimmung der täglichen Arbeitszeiten, Zeiten für Hausbe- suche und eine Vertretung im Urlaubs- und Krankheitsfall möglich, als zwischen Haus- und Facharzt. Daher sollte das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkas- sen auf Bundesebene angepasst werden. - Finanzielle Benachteiligungen von MVZ abschaffen Seit 2004 war es rechtlich möglich ein MVZ zu gründen. Damit verbunden waren finanziel- le Anreize, wenn sich Ärzte für die Kooperationsform entscheiden. Beispielsweise konnten pro Fachrichtung 5 bis 40 % der Regelleistungsvergütung als Aufschlag geltend gemacht werden. Diese Vorteilsregelung bedeutete Mehreinnahmen und machte ein MVZ wirt- schaftlich attraktiv. Diese Vorteilsregelung wurde abgeschafft. Eine weitere Benachteili- gung entsteht bei der Behandlung von Patienten eines Kollegen aus dem MVZ, wenn er wegen Urlaub oder Krankheit vertreten wird. Leistungen die in diesen Fällen erbracht werden, werden in der Regel nicht vergütet. Wenn sich niedergelassene Ärzte vertreten, werden dagegen 50 % der Hauptleistung (Versicherungspauschale) vergütet. Damit MVZ wirtschaftlich attraktiv bleiben, sollen diese finanziellen Benachteiligungen gegenüber nie- dergelassenen Ärzten aufgehoben werden. - Vergütungssicherheit herstellen Damit ein MVZ erfolgreich arbeiten kann, ist eine Vergütungssicherheit notwendig. Die Gebührenordnung die darüber Auskunft gibt, wie viel Geld ein Arzt für seine Leistung er- hält, soll für mehrere Jahre Bestand haben. Dadurch soll mittelfristig Planungssicherheit für Investitionen durch Ärzte hergestellt werden. - Kommunale Unterstützung notwendig Der Erhalt sowie eine Neugründung von MVZ kann durch Kommunen in begrenztem Ma- ße finanziell gefördert werden. Das kann durch die Bereitstellung kostengünstiger Bau- grundstücke erreicht werden. Weiterhin können Funktionsgebäuden, die moderne Ar- beitsbedingungen bieten, angeboten werden. Dabei sind langfristige Mietverträge mit ei- ner geringen monatlichen Miete für den Betreiber eines MVZ wichtig. Handlungsempfehlung PA : - Finanzierung der PA langfristig sichern Die Einstellung einer Krankenschwester und deren Qualifizierung zur PA ist ein finanziel- les Risiko für den Arzt. Daher muss die Abrechenbarkeit der erbrachten Leistungen der PA (Finanzierung) per Gebührenordnung langfristig gesichert sein, unabhängig davon, ob ein Planungsbereich von einer Unterversorgung bedroht ist oder nicht. - Weiterbildungskapazitäten an Nachfrage anpassen Qualifizierte Praxisassistentinnen werden durch Ärzte und Patienten zunehmend gut an- genommen. Der Bedarf an PA steigt kontinuierlich. Daher sollen sich Weiterbildungska- pazitäten, z. B. der Ärztekammer in Rostock, einer erhöhten Nachfrage anpassen. - Berufsausbildung zur PA Durch die Übernahme von delegierten Tätigkeiten entlastet die PA den Hausarzt. Falls sich die Tätigkeiten der PA erweitern, wie sie ursprünglich im AGnES-Konzept diskutiert wurden, wäre ein eigenständiger Ausbildungsberuf nichtärztliche Praxisangestellte vor- stellbar. - Informationsangebot erweitern Die Kassenärztliche Vereinigung M-V informiert regelmäßig zum Thema qualifizierte Pra- xisangestellte. Dennoch kann das Informationsangebot, z. B. durch eine Checkliste „Wie bekommt der Arzt seine Praxisassistentin“ erweitert werden. Bei einer telefonischen Um- frage im Sommer 2013 bei allen hausärztlich tätigen Medizinern im Untersuchungsgebiet, wurde der Bedarf nach so einem Informationsblatt erkennbar.

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6.2 Siedlungsentwicklung und –struktur Der Themenkomplex Siedlungsentwicklung und –struktur ist in vielerlei Hinsicht von gro- ßer Bedeutung für die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Die Siedlungsstruktur hat wesentlichen Einfluss auf die Tragfähigkeit von Versorgungseinrichtungen oder auch auf die Effizienz von Netzinfrastrukturen. Es gibt eine Vielzahl von Themen, wie bspw. Woh- nen im Alter, die Gestaltung öffentlicher Räume, die Optimierung von Bestandsgebäuden oder auch die Nutzung von Innenentwicklungspotenzialen, die sich im Themenkomplex wiederfinden. Um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen, ist daher die Siedlungsentwicklung ein sehr wichtiges Thema. Entsprechend wurde der Themenkomplex auch im DemografieCheck für eine detaillierte Betrachtung ausgewählt und verschiedene Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungen ausgearbeitet.

6.2.1 Bestandsanalyse Aufgrund der historisch gewachsenen ländlichen Struktur und der teils peripheren Lage ist der Raum Parchim vergleichsweise dünn besiedelt. Die Bevölkerungsdichte mit knapp 43 Einwohnern je Quadratkilometer ist im bundes- und landesweiten Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte Deutschlands liegt mit ca. 230 Einwohnern je km² gut fünfmal, die durchschnittliche Bevölkerungsdichte Meck- lenburg-Vorpommerns mit ca. 71 Einwohnern je km² fast doppelt so hoch. Auch im Ver- gleich mit dem Großkreis Ludwigslust-Parchim liegt der Untersuchungsraum leicht zurück. Die Bevölkerungsdichte beträgt hier durchschnittlich 46 Einwohnern je km². Die Bevölke- rungsdichte variiert innerhalb des Untersuchungsraums erheblich. Die Städte Parchim (172 EW/km²), Lübz (125 EW/km²) und Plau am See (55 EW/km²) können wesentlich hö- here Bevölkerungsdichten verzeichnen als die dörflich strukturierten Gemeinden. Beson- ders niedrige Bevölkerungsdichten von unter 30 Einwohnern je km² finden sich vor allem im südlichen Untersuchungsraum sowie nördlich der Stadt Lübz (vgl. Abbildung 42). Abbildung 42: Bevölkerungsdichte 2010

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013

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Neben der Bevölkerungsdichte ist auch die räumliche Verteilung und Konzentration der Einwohner von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Siedlungsstruktur. Die Auswertung der amtlichen Statistiken sowie vorliegender GIS-Daten zeigt, dass die Regi- on um Parchim eine sehr kleinteilige und disperse Siedlungsstruktur aufweist. 50.778 Einwohner verteilen sich auf insgesamt ca. 97 Siedlungsbereiche. Nimmt man die Städte Parchim, Lübz und Plau am See aus der Betrachtung heraus, so verteilen sich die ver- bleibenden 19.836 Einwohner auf ca. 80 Siedlungsbereiche. Entsprechend wohnen in den ländlichen Bereichen außerhalb der Städte durchschnittlich 248 Einwohner je Siedlungs- bereich, was die Schwierigkeit einer flächendeckenden Ausstattung mit wohnortnahen Daseinsvorsorgeeinrichtungen erkennen lässt. Die einzelnen Siedlungsbereiche variieren nicht zuletzt aufgrund ihrer historisch gewach- senen Struktur in Größe, Erscheinungsbild und Bebauungsstruktur. Neben der räumlichen Verteilung bzw. Konzentration der Siedlungsbereiche ist die Siedlungsdichte ein wesentli- cher Faktor für die Bereitstellung und Tragfähigkeit verschiedener Infrastruktureinrichtun- gen. Die höchsten Siedlungsdichten finden sich in den drei Städten der Region. Lübz weist mit einer Siedlungsdichte von 1.310 Einwohner je km² Siedlungs- und Verkehrsflä- che (SuV) den höchsten Wert auf und wird von Plau am See (1.215 EW/km² SuV) und Parchim (1.188 EW/km² SuV) gefolgt. Bei den Gemeinden zeichnet sich vor allem ein Band von West nach Ost auf Höhe der drei Städte ab, das ebenfalls höhere Siedlungs- dichten vorweisen kann. Hingegen liegen im gesamten südlichen Bereich des Untersu- chungsgebietes die Werte bei maximal 500 Einwohnern pro km² SuV (vgl. Abbildung 43). Abbildung 43: Siedlungsdichte 2010

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013 Der Anteil der SuV im Untersuchungsraum liegt mit 6,6% im Jahr 2010 weit unter dem bundesweiten Durchschnitt, der im Jahr 2010 bei 13,4% der Katasterfläche lag. Allerdings wuchs der SuV-Anteil der Region allein zwischen 2004 und 2010 um gut 7,1%. Eine inte- ressante Entwicklung wenn man bedenkt, dass im gleichen Zeitraum die Einwohnerzahl um 7,7% zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 44).

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Folglich ist die Flächeninanspruchnahme je Einwohner von 1.354 m² auf 1.568 m² ange- stiegen. Der bundesweite Anteil liegt zum Vergleich lediglich bei knapp 600 m² je Einwoh- ner. Unter Maßgabe eines sparsamen Umgangs mit dem zur Verfügung stehenden Grund und Boden erscheint die gegenläufige Entwicklung bedenklich. Die nach der Wende neu gewonnene Freiheit bei der Wohnstandortwahl, veränderte Lebensgewohnheiten, stei- gender Wohlstand, ein Wandel bei den Haushaltstrukturen aber auch die Perforation von Siedlungsflächen lassen sich als Begründung für diese Entwicklung heranziehen. Eine Vielzahl dieser Prozesse lassen sich auch im Bundesgebiet beobachten. Auch wenn in der Region der Trend „Zurück in die Stadt“ und zu urbaneren bzw. altengerechten Wohn- formen erkennbar ist, macht der Anteil der Ein- bzw. Zweifamilienhäuser an den erteilten Baugenehmigungen auch 2010 in der Region bei weitem den größten Anteil aus. Eine Siedlungsform, die einen vergleichsweise hohen Flächenbedarf mit sich bringt und die zu einem überwiegenden Anteil an der Flächeninanspruchnahme der vergangenen Jahre beigetragen hat. Abbildung 44: Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche und der Bevölkerung zwi- schen 2004 und 2010

+7,1%

-7,6%

Quelle: eigene Darstellung Daten: Statistisches Amt M-V 2013 Die Verkleinerung der Haushalte ist ein weiterer Faktor, der den Bedarf nach neuem Wohnraum verursacht. Je kleiner die Haushalte, umso weniger Personen teilen sich Ein- richtungen wie Küchen, Badezimmer und Wohnzimmer. Somit steigt auch der Wohnflä- chenbedarf. Hieraus resultiert bei beispielsweise gleichbleibenden Bevölkerungsständen ein steigender Bedarf an Wohneinheiten und damit Gebäuden und Fläche. Die generelle Verkleinerung der Haushalte lässt sich auch in und um Parchim statistisch belegen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße ist zwischen 2004 und 2010 im Raum Parchim von 2,1 Personen auf 1,9 Personen gesunken.45 Betrachtet man die durchschnittliche Haushalts- größe intraregional, so lassen sich interessante Muster erkennen. So liegt die durch- schnittliche Haushaltsgröße in den Städten mit 1,8 bis 1,9 Personen je Haushalt auf ei-

45 Die verwendete durchschnittliche Haushaltsgröße wurde aus einem Verschnitt des Wohnungsbestandes und der Einwohnerzahl ermittelt. Eventuelle Wohnungsleerstände, die Berücksichtigung von Zweitwohnungen etc. können hierbei nicht berücksichtigt werden und führen eventuell zu einer Verzerrung der Werte.

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nem recht niedrigen Niveau. Hierin spiegelt sich zum einen das vermehrte Vorkommen junger Haushalte wieder, die sich noch vor der Familiengründungsphase befinden und zum anderen nimmt die Zahl an kleinen Seniorenhaushalten zu, da diese aufgrund der besseren Versorgungssituation vermehrt in die Kernstädte ziehen. Im direkten Stadtum- landbereich von Parchim finden sich hingegen vermehrt größere Haushalte. Die durch- schnittliche Haushaltsgröße je Gemeinde liegt hier bei 2,0 bis 2,5 Personen je Haushalt. Dies ist ein Indiz für suburbane Wohngebiete, die besonders junge Familien ansprechen. In den peripheren ländlichen Bereichen des Untersuchungsraums sinkt die Haushaltsgrö- ße wieder deutlich ab. Hier ist die geringe durchschnittliche Haushaltsgröße im Gegensatz zu den Städten vor allem durch die Häufung von Seniorenhaushalten zu erklären. Selekti- ve, oftmals arbeitsplatzbezogene Wanderungsbewegungen führen zu einem Fortzug jun- ger Bevölkerungsteile. Zurück bleiben die älteren Haushalte („Zurückgelassene“). Folge ist oftmals eine Unterauslastung der bestehenden Bausubstanz, beispielsweise die Nut- zung eines typischen Landhofes durch lediglich ein Ehepaar bzw. eine alleinstehende Person. Abbildung 45: Durchschnittliche Haushaltsgrößen nach Gemeinden

Quelle: eigene Darstellung Daten: Eigene Berechnung auf Grundlage von Daten des Statistischen Amtes M-V 2013 Entsprechend der im Regionale Raumentwicklungsprogramm Westmecklenburg (RREP WM) vorgenommenen raumstrukturellen Kategorisierung zählt der gesamte Un- tersuchungsraum zu den ländlichen Räumen. Er wird weiterhin in ländliche Räume mit günstiger Wirtschaftsstruktur und strukturschwache ländliche Räume unterschieden. Zu den ländlichen Räumen mit günstiger Wirtschaftsstruktur gehören neben den Städten Parchim, Lübz und Plau am See auch die Gemeinden Tessenow, Marnitz und Spornitz. Die übrigen Gemeinden gehören zu den strukturschwachen ländlichen Räumen. Die Ka- tegorisierung erfolgt anhand der Siedlungsstruktur, infrastrukturellen Ausstattung und den bestehenden wirtschaftlichen Entwicklungspotenzialen. Laut RREP WM soll die künftige Entwicklung der ländlichen Räume unter der Berücksichtigung des demografischen Wan- dels und der zunehmenden Knappheit öffentlicher Mittel vorgenommen werden. Die Si-

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cherung der Daseinsvorsorgefunktion bildet demnach die Hauptaufgabe der künftigen Entwicklung. Insbesondere die zentralen Orte sollen als Versorgungsschwerpunkte und Impulsgeber für die regionale Entwicklung und Versorgung weiter gestärkt und gesichert werden. 46 Abbildung 46: Raumstruktur nach RREP WM 2011

Quelle: eigene Darstellung Daten: Regionaler Planungsverband 2013 Als einziges Mittelzentrum nimmt die Kreisstadt Parchim eine dominierende Position im zentralörtlichen Gefüge der Region ein. Besonders für den westlichen Teil des Untersu- chungsgebietes ist jedoch auch das vom Untersuchungsgebiet ca. 10 km entfernt gelege- ne Mittelzentrum Ludwigslust von Bedeutung. Als Zentren für die Grundversorgung ste- hen neben Parchim auch die beiden Grundzentren Lübz und Plau am See bereit. Beson- ders an den Rändern des Untersuchungsraumes können Versorgungsfunktionen auch durch die angrenzenden Grundzentren Crivitz, Goldberg, Neustadt Glewe und Grabow übernommen werden. Im südlich angrenzenden Brandenburg werden Versorgungsfunkti- onen über die ehemaligen Grundzentren Putlitz und Meyenburg bereitgestellt. Neben der Versorgungsfunktion sind die zentralen Orte auch wesentliche Siedlungs- und Wirt- schaftsstandorte. Eine starke Siedlungsfunktion geht weiterhin von den Gemeinden Spor- nitz und Marnitz aus. Als Wirtschaftsstandort bietet die Gemeinde Damm, aufgrund ihrer Nähe zum Parchimer Flughafen, besonderes Entwicklungspotenzial. Entsprechend wer- den Spornitz und Marnitz als Siedlungsschwerpunkte und Damm als bedeutsamer Ent- wicklungsschwerpunkt ausgewiesen (vgl. Abbildung 46).

46 Regionaler Planungsverband Westmecklenburg (2011): Regionales Raumentwicklungsprogramm. Schwe- rin. S. 28.

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6.2.2 Leitziele für die Siedlungsentwicklung im Untersuchungsraum Die Auswertung der Bestandsanalyse sowie die breite Diskussion innerhalb der Arbeits- und Steuerungsgruppensitzungen dienten als Basis für die Formulierung und Abstimmung von Leitzielen für die Siedlungsentwicklung im Raum Parchim. Diese sollen nicht nur eine Richtschnur für die künftige Entwicklung, sondern auch eine Ausgangsbasis für die Ent- wicklung von konkreten Handlungsansätzen und Maßnahmen sein.

1. Ortskerne als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens „Die größeren historisch gewachsenen Ortskerne bilden die Zentren des gesellschaft- lichen Lebens der Region und weisen einen ausgewogenen Mix der Funktionen Woh- nen, Arbeiten, Versorgung, Freizeit, Kultur und soziales Leben auf. Kleinere Ortskerne sind als attraktive Wohnstandorte entwickelt und bieten Raum für öffentliches Leben. Die historisch gewachsenen Ortskerne stärken die lokale Identifikation der Bevölke- rung.“

2. Attraktiver Gebäudebestand „Die Bestandsgebäude sind attraktiv und an die Bedürfnisse der Bevölkerung ange- passt. Sie sind gefragte Wohn- und Arbeitsstätten. Leerstände sind die Ausnahme.“

3. Reduzierung von Barrieren im Gebäudebestand „Bestehende Barrieren im Gebäudebestand werden mehr und mehr abgebaut und die Räumlichkeiten damit auch für die ältere Bevölkerung immer attraktiver.“

4. Ausreichende Versorgung mit altengerechtem Wohnraum „Das Angebot barrierefreier, barrierearmer und damit altengerechter Wohnungen deckt den Bedarf und bietet eine große Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen.“

5. Barrierefreiheit bzw. Barrierearmut als Standard „Die barrierefreie bzw. barrierearme Gestaltung von Neubauten ist der Standard, auch bei nicht öffentlichen Gebäuden.“

6. Monitoring von Innenentwicklungspotenzialen „Innenentwicklungspotenziale sind durch ein stetiges Monitoring bekannt. Die Nutzung der Potenziale wird von allen Seiten unterstützt.“

7. Innenentwicklung vor Außenentwicklung „Eine Erweiterung der Siedlungsfläche erfolgt nur, wenn die Potenziale der Innenent- wicklung aufgebraucht oder nicht für entsprechende Vorhaben geeignet sind.“

8. Attraktiver und barrierearmer öffentlicher Raum „Der öffentliche Raum in den historisch gewachsenen Ortskernen ist attraktiv und bar- rierefrei bzw. barrierearm ausgestaltet.“

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Abbildung 47: Leitziele für die Siedlungsentwicklung im Raum Parchim

Quelle: eigene Darstellung

6.2.3 Fokusthemen Um eine gewisse Tiefe in den Diskussionen zu erreichen, ist eine Fokussierung auf ein- zelne Teilthemen erforderlich. Die Gespräche innerhalb der Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass es im Bereich Siedlungsentwicklung und –struktur eine Vielzahl von Teilthemen gibt, die von großer Bedeutung sind und entsprechend ein großes Interesse bei den Ar- beitsgruppenmitgliedern hervorrufen. Demnach stellte sich die Fokussierung auf einzelne inhaltliche Schwerpunkte schwierig dar. Die in die Diskussion eingebrachten Themen wurden daher unter andrem bezüglich ihrer Bedeutung aber auch auf Grundlage der tat- sächlichen Eingriffsmöglichkeiten bewertet. Die allgemein diskutierten Themen, Ideen und Ansätze untergliederten sich im Wesentlichen in vier Teilblöcke: - Die Region als Wohnstandort – Offensives Marketing - Wohnen im Alter - Monitoring der Innenentwicklungspotenziale - Stärkung der Ortskerne und Bestandsoptimierung

Die Region als Wohnstandort – Offensives Marketing Die Analyse der bisherigen und prognostizierten demografischen Entwicklung zeigt, dass die Region auch aufgrund starker Wanderungsverluste Bevölkerung verloren hat und auch für die Zukunft weitere Wanderungsverluste zu erwarten sind. Eine Recherche im Internet zeigte, dass die Region als Wohnstandort überregional so gut wie gar nicht in Erscheinung tritt. In der Arbeitsgruppe stellte sich daher die Frage, inwiefern ein offensi- ves Marketing die Region Parchim als Wohnstandort befördern könnte. Es wurden drei Fragestellungen definiert, die für eine Fortentwicklung des Gedankens zu klären waren: 1. Wer bzw. welche Personengruppen sollen angesprochen werden? Typischerweise werben Städte und Gemeinden um die klassischen Kernfamilien, da diese für eine stabile Gemeindestruktur von großer Bedeutung sind. Neben stabilen Einkommen

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und einem niedrigen Durchschnittsalter der Familienmitglieder sorgen vor allem die Kinder für eine Auslastung der Infrastruktur und eine Vernetzung in den örtlichen Strukturen und Gemeinschaften. Das Vorkommen dieser Personengruppe ist jedoch begrenzt und sinkt auch auf bundesdeutscher Ebene mehr und mehr ab. Alternative Lebensformen und Se- niorenhaushalte nehmen hingegen an Bedeutung zu und können bei gezieltem Anwerben ebenfalls zu einer Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung beitragen. Die zentralen Orte des Untersuchungsraums weisen aus Sicht der Arbeitsgruppe für älte- re Haushalte gute Rahmenbedingungen durch eine ausgeprägte Infrastrukturausstattung, eine gute Erreichbarkeit sowie eine reizvolle landschaftliche Einbettung auf. Besonderes Potenzial verspricht Plau an See, das durch seinen gesundheitsbezogenen Tourismus eine überdurchschnittliche Infrastrukturausstattung für die Generation 65+ mit sich bringt und weiterhin landschaftlich sehr reizvoll gelegen ist. Eine Auswertung der Wanderungs- saldi der Generation 65+ für ausgewählte Kommunen der Region zeigt, dass für diese Altersgruppe in den Städten bereits seit Jahren Wanderungsgewinne zu verbuchen sind. In den ländlichen Gemeinden mit geringer Infrastrukturausstattung sieht der Trend hinge- gen umgekehrt aus. Hier sind bereits seit Jahren Verluste zu verzeichnen. Der Zugewinn bei den Städten ist dabei sicherlich zum einen auf die intraregionalen Wanderungen zu- rückzuführen. Zum anderen kann aber zumindest bei Plau am See (hier ist der Zugewinn im Vergleich zur Gesamtgröße am stärksten) auch davon ausgegangen werden, dass aufgrund der hohen Attraktivität ein überregionaler Zuzug erfolgt (vgl. Tabelle 20). Tabelle 20: Wanderungssaldo der über 65-Jährigen ausgewählter Kommunen im Unter- suchungsraum von 1998 bis 2010

Jahr Parchim Plau am Lübz Ziegen- Kreien Siggel- See dorf kow 2010 38 13 17 -2 2 -5 2009 49 46 1 -6 -1 -3 2008 16 23 5 -3 4 -1 2007 12 47 18 0 -2 2 2006 39 22 24 -3 -1 -7 2005 62 10 17 1 0 -5 2004 34 22 10 -2 -2 -2 2003 30 10 28 -6 -1 3 2002 27 25 16 -3 -1 -1 2001 8 4 7 -8 -1 0 2000 14 8 19 -1 -3 -2 1999 32 21 9 7 -2 -2 1998 35 14 41 -1 0 -2 Wanderungsbilanz 396 265 212 -27 -8 -25 Durchschnittlicher 30,5 20,4 16,3 0,0 -0,6 -1,9 Jahressaldo Daten: Statistisches Amt M-V 2013 Sollte ein offensives Marketing für die Region als Altersruhesitz angestrebt werden, muss jedoch auch bedacht werden, dass hierdurch altersbezogene Dienstleistungen stärker beansprucht werden. Eventuell sind entsprechende Angebote auszubauen, was wiede- rum Kosten für die Kommunen nach sich ziehen kann. Allerdings ist auch zu bedenken, dass Senioren, die über eine aktive Gestaltung ihres Ruhestands durch einen Wohn- standortwechsel nachdenken, in der Regel finanziell gut ausgestattet sind und so die Kaufkraft der Region und das Steueraufkommen unterstützt können. Die Vermarktung der dörflichen Teilbereiche erscheint aufgrund geringer Arbeitsplatzdich- te und geringer infrastruktureller Ausstattung schwieriger. Die Erfahrungen zeigen, dass ein Zuzug von außerhalb in den meisten ländlichen Gemeinden lediglich durch Personen erfolgt, die mit dem Ort emotional verbunden sind. Eine neue Zielgruppe könnten Perso-

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nengruppen mit einem alternativen Wohn- und Lebensstil sein, die vermehrt Wert auf so- zialen Zusammenhalt und eine ursprünglichere Lebens- und Wirtschaftsweise legen. Bei dieser Personengruppe kann die Region ihre Stärken ausspielen: die reizvolle Natur, die Abgeschiedenheit, die kleinen und überschaubaren Dorfstrukturen und die Verfügbarkeit von Wohnraum zu vergleichsweise niedrigen Kosten. Ein wesentlicher Punkt für die At- traktivität von Immobilien ist unter anderem die Verfügbarkeit von Flächen, die für eine gärtnerische bzw. landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehen. Personen mit alter- nativen Lebensmodellen zeichnen sich oftmals durch ein vergleichsweise hohes Bil- dungsniveau, eine starke Verbundenheit zur Natur und eine gute Vernetzung aus. Viele dieser Lebensmodelle haben einen urbanen Ursprung und suchen nach neuem Raum in der Fläche. Bestehende Netzwerke in den großen Städten wie Berlin oder Hamburg könn- ten angesprochen werden, Werbung für die Region aktiv betrieben werden. Mit der Instal- lation neuer Lebensmodelle, dem Mitbringen urbaner Denkweisen und von neuen Le- bensweisen könnte jedoch auch zu Spannungen mit der alt eingesessenen Bevölkerung führen. 2. Wie kann ein offensives Marketing erfolgen? Die Ansprache von Seniorenhaushalten kann über verschiedene mediale Wege erfolgen. Denkbar sind neben allgemeinen und spezifischen Printmedien auch der Rundfunk oder Plakate im öffentlichen Raum, die die Vorzüge der Region klar herausstellen. Eine Ansprache von Personen mit alternativen Wohn- und Lebenskonzepten muss hinge- gen spezifischer erfolgen. Hier gilt es die bestehenden Netzwerke gezielt anzusprechen und in diesem Rahmen für die Region zu werben. 3. Die Region als Ganzes bewerben oder eher ganz konkreter Angebote? Der Erfolg des Marketings ist nicht zuletzt davon abhängig, wie gut sich die einzelnen Zielgruppen angesprochen fühlen und wie gut die Attraktivität der Region für ihre Wohn- wünsche transportiert werden kann. Es stellt sich die Frage, ob man konkrete Dörfer, Flä- chen oder Objekte bewerben soll, oder eine breite Image-Kampagne für die Region star- tet. Durch ein breites Marketing könnte allgemein der Bekanntheitsgrad gehoben werden und die Region sichtbar gemacht werden. Ein gezieltes Marketing für einzelne Dörfer und Projekte würde eben diese stark fördern und das spezifische Angebot vermitteln. Wichtig wäre bei diesem Ansatz die Unterstützung und Rückendeckung der Gemeinde und Dorf- gemeinschaft. Eine Weiterentwicklung des Ansatzes wurde nicht forciert.

Wohnen im Alter Das Thema „Wohnen im Alter“ spielt in einer alternden Region eine gewichtige Rolle. Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Wohnen heißt, ein Zuhause zu haben und einen Raum für gelebte Beziehungen mit anderen Angehörigen, Freunden und Nachbarn. Die Bedürfnisse hinsichtlich Lage, Größe und Ausstattung von Wohnungen verändern sich jedoch im Laufe des Lebenszyklus. Bauliche Barrieren spielten in jungen Jahren zu- meist keine Rolle. Mit zunehmendem Alter und sinkender körperlicher Tüchtigkeit er- schweren bauliche Barrieren jedoch die selbstständige Lebensführung. Diverse Befra- gungen und Untersuchungen der letzten Jahre bei der Generation 65+ haben ergeben, dass ein Großteil der älteren Menschen so lang und so selbstständig wie möglich in den eigenen vier Wänden und der gewohnten Umgebung wohnen bleiben möchte. Der Abbau von Schwellen, die Verbreiterung von Türen oder auch der Einbau von Treppenliften kön- nen nötige Maßnahmen sein, um auch im höheren Alter in der angestammten Wohnung zu leben. Eine Repräsentativbefragung des Kuratoriums Deutsche Altershilfe zum „Woh- nen im Alter in M-V“ hat gezeigt, dass in M-V derzeit lediglich 6 % der Seniorenhaushalte in Wohnungen leben, die ohne (erhebliche) Barrieren sind. 85% der Befragten gaben an, in einer Wohnung mit mittlerem Barrieregrad zu wohnen. 9% wohnten sogar in Wohnun- gen mit starken Barrieren. Aus den genannten Zahlen geht hervor, dass ein enormer An-

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passungsbedarf in den kommenden Jahren besteht. Setzt man die Zahl der Senioren- haushalte 65+ mit der Zahl der barrierefreien bzw. barrierearmen Wohneinheiten im Land in Beziehung, so zeigt sich, dass es derzeit enorme Versorgungslücken gibt. Selbst wenn man lediglich die Haushalte heranzieht, in denen pflegebedürftige Personen oder Perso- nen mit Mobilitätseinschränkungen leben, zeigt sich bereits heute eine große Versor- gungslücke. Der aktuelle Bestand an barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungen wird in M-V auf ca. 32.000 Einheiten geschätzt. Es gibt jedoch alleine 50.000 Haushalte mit pflegebedürftigen Personen und 67.000 Haushalte mit mobilitätseingeschränkten Senio- ren. 47 Aufgrund der weitergehenden Zunahme an Seniorenhaushalten wird der Bedarf in den kommenden Jahren noch einmal merklich ansteigen. Die Gruppe der Personen über 65 Jahre wird im Raum Parchim bis 2030 voraussichtlich noch einmal um mehr als 75% ansteigen. Das entspricht einer Zunahme von 3.523 Personen.

Handlungsempfehlung: Anpassung der Wohnbauförderung in M-V Die aktuellen Regelungen der Wohnbauförderungen in M-V sehen eine Förderung des barrierefreien oder Barrieren reduzierenden Umbaus von selbstgenutztem Wohneigentum lediglich in den innerstädtischen Altbauquartieren vor. Ein Großteil der Seniorenhaushalte lebt jedoch außerhalb dieser Bereiche im selbstgenutzten Wohneigentum mit erheblichem Anpassungsbedarf. Die Qualifizierung des Gebäudebestandes ist auch im den dörflichen und periphereren Bereichen des Untersuchungsraums von großer Bedeutung und kann Neubautätigkeiten und Fortzug verhindern. Daher ist die Wohnbauförderung so anzupas- sen, dass auch der dörflich strukturierte Raum und seine Einwohner von ihr profitieren können. Die Landesbauordnung ist zu überprüfen und anzupassen: Barrierearme Bauweisen sollen bei Neubauten zum Standard werden. Der Begriff barrie- rearm ist in diesem Zuge konkret zu definieren und ein Standard zu wählen, der für die selbständige Lebensführung des Großteiles der Seniorenhaushalte ausreichend ist und gleichzeitig die Baukosten auf einem moderaten Niveau hält. Hierdurch soll es zu keiner Aufweichung der DIN-Norm zu Barrierefreiheit kommen. Lockerung der Vorgaben und Bestimmungen des Denkmalschutzes: Bei der Umsetzung von Barriere reduzierenden Maßnahmen im Bestand soll eine Neu- gewichtung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den Belangen einer adä- quaten Wohnraumversorgung gefunden werden. Eine aus denkmalpflegerischen Gründen verwehrte Reduzierung von Schwellen und Barrieren im Bestand führt zu vermehrten Neubautätigkeiten. Gleichzeitig entziehen sich durch die Vorgaben viele Gebäude einer zukunftsfähigen Nutzung, besonders in den ländlich peripheren Bereichen. Diese Um- stände müssen zu einer Lockerung der Vorgaben führen und auch in der Praxis Umset- zung finden.

Eine möglichst selbstständige Lebensführung im Alter erfordert nicht nur die Anpassung der Wohnungen an die sich wandelnden Lebensbedürfnisse. Das direkte Wohnumfeld und der öffentliche Raum stellen eine entscheidende Brücke zwischen der eigenen Woh- nung und anderen Orten des öffentlichen Lebens und des Austausches dar. Weiterhin ist der öffentliche Raum auch Ort für ein intaktes gesellschaftliches Leben, Begegnung und Aufenthalt. Um allen Personengruppe eine entsprechende Teilhabe zu ermöglichen, be- darf es eines Abbaus von Barrieren im öffentlichen Raum. Bei Sanierungen und Umbau- maßnahmen muss das Thema Barrierefreiheit eine große Gewichtung erhalten. Da der

47 Kuratorium deutsche Altenhilfe (2013): Repräsentativbefragung zum Wohnen im Alter in Mecklenburg- Vorpommern. Abrufbar unter: http://www.landtag-mv.de/fileadmin/media/Dokumente/Ausschuesse/Enquete- Kommission/2013_08_23_Handout_Repräsentativbefragung_MV_30-08-2013_01.pdf

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Handlungsbedarf in vielen Kommunen recht groß ist, sollte eine gezielte Durchführung der Maßnahmen erfolgen, aufbauend auf die Dringlichkeit und Relevanz einzelner „Stolper- steine“. Ein Großteil der Seniorenhaushalte möchte in den eigenen vier Wänden und im gewohn- ten Umfeld alt werden. Die Reduzierung von Barrieren ist hierfür ein wesentlicher Schritt. Nicht alle Wohnungen können jedoch in einen Zustand gebracht werden, der die langfris- tige Selbständigkeit gewährleistet. Auch die Lage der Wohnung und die örtliche Versor- gungssituation können eine selbstständige Lebensführung erschweren. Mit zunehmen- dem Alter und sinkender körperlicher oder geistiger Tüchtigkeit können aktive Service- oder Pflegeangebote mehr und mehr erforderlich werden. Aus den zuvor genannten Gründen und dem rapiden Wachstum der Zahl älterer Haushalte, ist in der Region die Nachfrage nach altenbezogenen Serviceleistungen und altengerechten Wohnformen mit Service- bzw. Betreuungsangeboten enorm gestiegen. Durch eine Erhebung des Regio- nalen Planungsverbandes Westmecklenburg im Rahmen des MORO Regionalstrategie Daseinsvorsorge konnten insgesamt 7 Einrichtungen in der Region Parchim ausgemacht werden, die „Betreutes Wohnen“ anbieten. 48 Tabelle 21: Betreute Wohnangebote im Raum Parchim 2013 Name Straße PLZ Ort Wohngemeinschaft Parchim „Leben und W.-I.-Lenin Straße 23 19370 Parchim Wohnen im Alter“ Seniorenwohnanlage „St. Martin“ Vogelsang 32 19370 Parchim Wohnanlage „Uns Pütter Hus“ W.-I.-Lenin Straße 1-4 19370 Parchim Seniorenwohnanlage „Blick Sonnenberg“ Juri-Gagarin-Ring 5 19370 Parchim DRK Seniorenwohnanlage Scharnhorststr. 26a 19386 Lübz Ev. Altenhilfezentrum „Dr. Wilde Haus“ Quetziner Str. 2 19395 Plau am See Altengerechtes Wohnen „Sophienstift“ Steinstraße 94 19395 Plau am See Daten: Regionaler Planungsverband Westmecklenburg 2013 Die Standorte der betreuten Wohnangebote liegen allesamt in den Zentralorten, bzw. den Städten der Region. Hierdurch ist sichergestellt, dass für die Bewohner in näherer Umge- bung Versorgungsmöglichkeiten erreichbar sind und ein gewisses Maß an Selbstständig- keit ermöglicht wird. Dies ist von hoher Bedeutung. Die Errichtung größerer Anlagen an dezentralen bzw. peripheren Standortorten erscheint aus selbigem Grund nicht sinnvoll.

Handlungsempfehlung: Räumliche Steuerung von regional- und überregional bedeutsamen altengerechten Wohnanlagen über die Raumplanung Betreute Wohnanlagen, die über den lokalen Bedarf der Gemeinde bzw. der Ortschaft hinausgehen, sollen in den zentralen Orten bzw. Siedlungsschwerpunkten errichtet wer- den und eine gute Infrastrukturausstattung im direkten Umfeld der Anlage sicherstellen. Eine Steuerung könnte beispielsweise über die Raumplanung erfolgen. Kleinere Ortschaf- ten sollen auch weiterhin die Gelegenheit haben, ihren eigenen Bürgern ein Angebot zu schaffen, um den Lebensabend im Heimatdorf und der gewohnten Umgebung verbringen zu können.

Verschiedenen Erfahrungsberichten und Kontakten der Arbeitsgruppenmitglieder zufolge, liegt die Auslastung der aufgeführten Einrichtungen mit „Betreutem Wohnen“ sehr hoch. Teils bestehen lange Wartelisten, um eine der begehrten Wohneinheiten zu beziehen.

48 Aufgrund fehlender Rückläufe aus dem Amt Parchimer Umland umfasst die Erhebung lediglich die verblei- benden Amts- und Stadtbereiche Parchim, Eldenburg-Lübz, Plau am See und die vier Gemeinden des Amtes Grabow. Die Erhebung erfolgte durch eine Ämterbefragung und Nachrecherchen.

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Eine Alternative für hilfsbedürftige Personen sind ambulante Betreuungs- und Servicean- gebote, die über reine Pflegeleistungen hinausgehen. Ein solches Angebot kommt bei- spielsweise auch für moderne Wohnformen wie „Senioren-WGs“ in Frage. Im ländlichen peripheren Raum stellt sich ein wirtschaftliches Angebot bislang leider schwierig dar.

Handlungsempfehlung: Förderung ambulant betreuter Wohnformen Neue Wohnformen, die eine ambulante Betreuung erhalten, sollen gefördert werden, um das Angebot betreuter Wohnformen zu erhöhen und stationäre Einrichtungen zu entlas- ten.

Monitoring der Innenentwicklungspotenziale „Bevölkerungsentwicklung ist nicht gleich Wohnraumnachfrage und nicht gleich Bauland- bedarf!“ Diese Aussage lässt sich eindrucksvoll belegen, wenn man die Bevölkerungs- entwicklung im Raum Parchim mit der Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV) in Verbindung setzt. Wie bereits in erläutert, legte der Anteil der SuV an der gesam- ten Katasterfläche zwischen 2004 und 2010 um 7,1% zu. Im gleichen Zeitraum verlor die Region jedoch 7,7% ihrer Bevölkerung. Es gibt verschiedene Prozesse, die gegen die Bevölkerungsentwicklung wirken und zu einer Ausweitung der SuV führen. Ein wesentli- cher Faktor sind die Wohnwünsche und Bedürfnisse der Menschen, die auch heute noch oftmals das klassische freistehende Einfamilienhaus am Stadtrand als ideale Wohnform erachten. Um die Nachfrage zu befriedigen, Fortzug zu vermeiden und nach Möglichkeit Zuzüge zu generieren, wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Neubaugebiete für Wohnzwecke ausgewiesen. Die Auswertung der Baugenehmigungen zeigt, dass auch heute noch der überwiegende Teil der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäu- ser ausgesprochen wird. Nicht wenige der Bauherren wünschen sich zwingend einen Bauplatz in einem Neubaugebiet. Jedoch ist die Umsetzung des eigenen Vorhabens in diesen oftmals einfacher und mit geringeren Risiken verbunden, als ein Bestandsgebäude zu sanieren, eine Baulücke zu bebauen, oder alte baufällige Gebäude abzureißen und durch eine adäquate Bebauung zu ersetzen. Weiterhin besteht ein großes Problem in der Transparenz des Angebotes. Viele Potenzialflächen in den Ortschaften werden nicht of- fensiv vermarktet, manche werden bevorratet oder gar nicht erst erkannt. Dabei hat die Nutzung von Innenentwicklungspotenzialen noch viele weitere positive Effekte neben der Reduzierung der Inanspruchnahme von Freiflächen für Wohnzwecke. Die Nutzung und Entwicklung von Brachflächen und Baulücken sowie die Sanierung von Bestandsgebäu- den und der Nutzungsoptimierung führen zu dichteren und effizienteren Versorgungs- strukturen. Durch eine bessere Auslastung von Netzinfrastrukturen können Kosten ge- senkt werden, die Wege zu Versorgungseinrichtungen werden durch eine kompakte Sied- lungsstruktur kürzer. Weiterhin erfahren die Innenbereiche so eine gestalterische Aufwer- tung, Schandflecke werden bereinigt, oder neue architektonische Akzente erneuern und ergänzen das Siedlungsbild. Die Steuerung der Wohnraumnachfrage in den Innenbereich führt auch zu einer Stabilisierung der Immobilienpreise. Wird immer weiter neues Angebot auf der grünen Wiese geschaffen, so verursacht dies bei stagnierenden bis leicht wach- senden Haushaltszahlen Wertverluste im Immobilienbestand. Sollten zukünftig auch die Entwicklung der Haushaltszahlen ins Negative umschlagen, so wird sich dieser Effekt verstärken. Ausgehend von der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wurde im Mai 2013 die Novellierung des BauGB als „Gesetz zur Stärkung der Innenent- wicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebau- rechts“ verabschiedet. Mit dem Gesetz hat sicher der Gesetzgeber unter anderem zum Ziel gesetzt, die Innenentwicklung zu stärken und die Neuinanspruchnahme von Flächen zu reduzieren. §1a Abs. 2 Nr.4 BauGB sieht daher in Ergänzung zur Regelung in § 1 Abs. 5 Nr. 3 BauGB vor, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Die Notwendigkeit der Umwandlung von landwirtschaftli-

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chen oder als Wald genutzten Flächen muss in den Ausführungen zur Bauleitplanung künftig ausgiebig begründet werden. Hierbei sind Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde zu legen, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäude- leerstände, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten gehören. Die Kommu- nen sind damit als Träger der Bauleitplanverfahren in die Pflicht genommen, Neuauswei- sungen durch Potenzialanalysen und Monitoring-Modelle zu begründen. Das Monitoring der Innenentwicklungspotenziale stellt die Kommunen allerdings vor eine große Heraus- forderung. Zum einen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern derzeit keine gemeinsame und einheitliche technische Plattform für die Erhebung, Verwaltung und Aufbereitung der Da- ten. Zum anderen ist besonders bei der Erstaufnahme von Potenzialen von einem sehr großen Aufwand auszugehen, den viele Verwaltungen mit ihren dünnen Personaldecken kaum bewältigen können.

Handlungsempfehlung: Selbstbindungsbeschlüsse der Gemeinden zur Verfolgung des Leitziels „Erst Innenent- wicklungspotenziale nutzen, dann Neuausweisungen“ In vielen Kommunen herrscht auch heute noch Kirchturmdenken. Die Neuausweisung von Baugebieten verspricht die Hoffnung auf steigende Einwohnerzahlen, junge Familien und somit eine Stärkung der Kommunalfinanzen. Die Realität sieht hingegen anders aus. Die Folgekosten für zusätzliche Infrastrukturen, die sinkende Auslastung im Bestand usw. können zu einer starken Belastung für die Kommunen werden. Dieses denken muss sich bei den kommunalen Vertretern umkehren und ein klares Statement pro Innenentwicklung gefasst werden. Die Verabschiedung eines Selbstbindungsbeschlusses könnte ein erster Schritt sein. Bei fehlendem Bedarf: Rücknahme von unnötigen Neubaugebietsausweisungen (Wohn- bau wie Gewerbe) Die Rücknahme unnötiger Neubaugebietsausweisungen soll die in der Vergangenheit teils erfolgte Fehleinschätzung der Nachfragesituation an die tatsächliche Nachfrage an- passen und Konkurrenz für Potenzialflächen der Innenentwicklung vom Markt nehmen. Eine Unterstützung durch ein landesweites Förderprogramm erscheint sinnvoll, da die Rücknahme nur durch kosten- bzw. personalintensive Planungsverfahren erfolgen kön- nen, eventuell Entschädigungen an die Eigentümer der Flächen zu zahlen sind und Anrei- ze geschaffen werden müssen, das sich Kommunen trauen bestehende Bauflächen aus ihrer Entwicklungsperspektive zu streichen. Aufbau und Pflege eines einheitlichen und stetigen Monitoringsystems für Innenent- wicklungspotenziale Die Kommunen müssen bei der Umsetzung des Monitorings der Innenentwicklungspoten- ziale unterstützt werden. Es soll eine landesweit einheitliche technische Plattform bereit- gestellt werden, in die die aufgenommenen Potenziale eingepflegt, verwaltet, analysiert und gegebenenfalls auch vermarktet werden können. Die Kommunen sind bei der Umset- zung und Erhebung zu unterstützen.

Um den Ansatz weiter aufzugreifen und die Innenentwicklung zu befördern, wurde im Rahmen des DemografieChecks ein Projektansatz zum Monitoring der Innenentwick- lungspotenziale ausgearbeitet (vgl. Punkt 6.2.4).

Stärkung der Ortskerne und Bestandsoptimierung Neben der systematischen Identifikation und Aufnahme von Innenentwicklungspotenzia- len sind die gezielte Stärkung der Ortskerne und die Optimierung des Gebäudebestandes wesentliche Faktoren zur Unterstützung der Innenentwicklung. Die Ortskerne und der historische Gebäudebestand tragen im hohen Maße zur Attraktivität und zur Identifikation

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mit den Ortschaften und der Region als Ganzes bei. Weiterhin sind sie Zeuge vergange- ner Zeiten und Entwicklungsprozesse. Aufgrund der zumeist zentralen Lage und der lang- jährigen Prägung als Ort des Zusammenkommens sind intakte, belebte und funktionie- rende Ortskerne wichtige Anker einer gesunden und ausgewogenen Siedlungsstruktur. Die Optimierung des Gebäudebestandes ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, die Ortskerne zu revitalisieren. Durch ausgebliebene Investitionen, rechtliche Reg- lementierungen aber auch durch natürliche Einschränkungen entspricht der Zustand vieler älterer Gebäude nicht mehr den Wohn-, Arbeits- und Lebensbedürfnissen der Bevölke- rung. Folgen dieser Entwicklung sind Leerstände, Unterauslastungen und gestalterische sowie funktionale Defizite im Bestand. Um die Attraktivität dieser Gebäude für die Zukunft zu erhöhen und um diese wieder in eine adäquate Nutzung zu bringen, erscheint es sinn- voll, ein Anspruchsprofil zeitgemäßer Wohn- und Arbeitsbedingungen zu erarbeiten.

Handlungsempfehlung: Erstellung einer Expertise zum „Anspruchsprofil zeitgemäßer Wohn- und Arbeitsbe- dingungen in den Städten und Dörfern in M-V“ Die Expertise würde ermöglichen, konkrete Mängel, Einschränkungen und Potenziale des Gebäudebestandes sichtbar zu machen und bauliche Maßnahmen an die tatsächlichen Wohn- und Arbeitsbedürfnisse optimal anzupassen. Da die Ergebnisse einer entspre- chenden Untersuchung auch auf andere ländliche Räume des Landes Mecklenburg- Vorpommern übertragbar wären, sollte diese durch die Landesregierung beauftragt und bereitgestellt werden.

Die Alterung der Gesellschaft sowie selektive Wanderungen haben in der Region neben Leerständen vor allem auch vermehrte Unterausnutzungen von Gebäuden zur Folge. Vie- le Gebäude werden nur noch durch wenige Personen bewohnt, die nicht in der Lage sind, den zur Verfügung stehenden Wohnraum voll zu nutzen. Die Wohneinheiten sind in ihrer Eigenart und Konzeption für wesentlich größere Personengruppen konzipiert und wurden auch jahrzehntelang in dieser Form genutzt. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum ein logisch erscheinender Umzug in eine den Bedürfnissen besser entsprechende Wohneinheit bzw. ein Umbau der Gebäudesubstanz ausbleibt: - Den oftmals älteren Bewohnern der großen Gebäude fehlt es in vielen Fällen an at- traktiven Angeboten, besonders an altengerechtem Wohnraum in ihren Gemeinden, in gewohnter Umgebung. - Aufgrund von Instandhaltungsrückständen und der geringen Nachfrage nach Be- standsbauten in periphereren Lagen decken sich die erzielbaren Preise für die Immo- bilien oftmals nicht mit den Preisvorstellungen der Eigentümer. - Für Modernisierungen und Umbauten fehlt in vielen Fällen das Geld, oder der mit entsprechenden Maßnahmen entstehende Aufwand überfordert die Eigentümer. - In wiederum anderen Fällen fehlen die Ideen, was aus den bestehenden Gebäuden gemacht werden kann und was dies kostet. Um die Bevölkerung bei der Anpassung des Gebäudebestandes zu unterstützen, könnten professionelle und unabhängige „Innenentwicklungsagenturen“ bzw. ein aktives „Be- standsmanagement“ eingerichtet werden. Ein entsprechender Projektansatz wurde in der Arbeitsgruppe diskutiert und unter Punkt 6.2.4 detailliert dargestellt. Um Personen, die sich in der Region niederlassen wollen, Alternativen zum klassischen Einfamilienhaus auf der grünen Wiese aufzuzeigen, wurden in den Arbeitsgruppen weite- re Gedanken für eine bessere Vermarktung von Innenentwicklungspotenzialen gesammelt und eine Facebook-Gruppe wie auch ein „Tag der Innenentwicklung“ als Projektansätze ausgearbeitet. Weitere Anreize könnten schlanke kommunale Förderprogramme bieten. Bereits heute existieren in einzelnen Kommunen der Region Parchim kommunale Förder-

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programme. Die Förderung unterstützt aber in der Regel Käufer von Grundstücken in Neubaugebieten, die der Kommune selbst gehören. Hier muss ein Umdenken stattfinden.

Handlungsempfehlung: Kommunale Förderung von Wohneigentumsbildung nur im Innenbereich Die kommunalen Förderprogramme sind so auszurichten, dass die Wohneigentumsbil- dung (zumeist junger Familien) vor allem in den Innenbereichen, beim Kauf von Be- standsgebäuden oder der Schließung von Baulücken u.a., erfolgen soll. Das klassische Modell der Vergünstigung von kommunal entwickelten Wohnbaugebieten am Siedlungs- rand soll hierdurch abgelöst werden.

6.2.4 Projektansätze Bestandsmanagement/ Innenentwicklungsagentur Die Diskussionen in den Arbeitsgruppensitzungen haben gezeigt, dass die Einrichtung eines aktiven Bestandsmanagement bzw. eine Innenentwicklungsagentur (im Weiteren lediglich Innenentwicklungsagentur genannt) ein geeignetes Mittel sein könnte, um die Bevölkerung bei der Anpassung, Modernisierung und Sanierung von Bestandsgebäuden sowie bei der Innutzungsnahme von Brachflächen und Baulücken zu unterstützen.

Grundgedanke Durch die Einrichtung der Innenentwicklungsagentur soll eine zentrale Anlaufstelle zu allen Themen der Innenentwicklung geschaffen werden. Neben einer Beratungs- und In- formationsfunktion für die Bürgerschaft soll von ihr auch ein proaktives Handeln im The- menfeld ausgehen. So könnten beispielsweise Image-Kampagnen erarbeitet und betrie- ben werden, zentrale Veranstaltungen wie der „Tag der Innenentwicklung“ organisiert oder bei entsprechender Mittelausstattung auch eigene Entwicklungsprojekte vorangetrie- ben werden. Die Mittelausstattung könnte über einen revolvierenden Fonds erfolgen. Organisationsstruktur Das Spektrum der Aufgaben erfordert hoch qualifiziertes Personal, das fachlich-inhaltlich bestens auf die vorgesehenen Tätigkeiten vorbereitet ist. Der Abschluss eines einschlägi- gen, bau- bzw. stadtplanerischen Studiums und/ oder eine mehrjährige Berufserfahrung in entsprechenden Themenfeldern sollten die Grundvoraussetzung für die personelle Beset- zung sein. Da Personal mit entsprechender Qualifikation zum einen schwer zu finden ist und zum anderen zu hohen Personalkosten führt, erscheint eine Etablierung von profes- sionellen Innenentwicklungsagenturen lediglich auf einer regionalen Ebene umsetzbar. Kleinräumigere Auflösungen würden zum einen zu zu hohen Kosten führen und zum an- deren könnte die personelle Auslastung nicht gewährleistet werden. Um jedoch eine gute Erreichbarkeit des Angebotes, die Möglichkeit zu Hausbesuchen und einen direkteen Kontakt zu den Bürgern zu gewährleisten, sollte die Einrichtung einer zusätzlichen lokalen Ebene angestrebt werden. Die lokale Ebene wäre ein Ansprechpartner vor Ort, der bei Bedarf eine aktive Kontaktaufnahme vornimmt und generell Präsenz zeigt. Neben Erstin- formationen kann er auch zielgerichtet weitervermitteln und entlastet dadurch die profes- sionelle regionale Innenentwicklungsagentur. Die Qualifizierung des in der lokalen Ebene eingesetzten Personals könnte über stetige Weiterbildung und Information durch das Per- sonal der regionalen Innenentwicklungsagentur erfolgen. Wichtig ist hierbei, dass der Austausch zwischen den Ebenen reibungslos funktioniert. Übersteigen Anliegen und Hil- fegesuche die Kompetenzen der lokalen Ebene, soll eine Weiterleitung an die regionale Ebene erfolgen, die mit ihrer Fachkompetenz die geeigneten Lösungswege aufzeigt. Das Handeln der lokalen Ebene sollte stetig durch die professionelle Entwicklungsagentur überprüft und mit dieser abgestimmt werden. Durch die Zweigliedrigkeit könnte eine ziel-

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gerichtete Unterstützung der Bürger erreicht werden, die präsent ist und gleichzeitig die Kosten für Struktur und Personal auf einem vertretbaren Niveau hält. Es stellt sich die Frage, ob für die Etablierung der Innenentwicklungsagentur die Struktu- ren der Pflegestützpunkte aufgegriffen werden können. Der Adressatenkreis variiert je- doch, da die Pflegestützpunkte sich vor allem um die Themen Pflege und Wohnen im Al- ter kümmern und hier Möglichkeiten aufzeigen. Das Angebot ist vor allem auf die Leistun- gen der Kranken- und Pflegekassen zugeschnitten. Um das gewünschte Leistungsspekt- rum einer Innenentwicklungsagentur anbieten zu können, müsste der personelle Bestand um Personen erweitert werden, die über ergänzende Qualifikationen, besonders im Be- reich Bau, verfügen. Bei näherer Betrachtung erscheinen zwar Schnittstellen zwischen den Pflegestützpunkten und einer Innenentwicklungsagentur zu bestehen. Es gibt jedoch auch einige Aufgaben, die sehr weit auseinander liegen. Sollten die Strukturen nicht ge- koppelt werden können, muss zumindest für einen direkten Austausch zwischen den Insti- tutionen gesorgt werden. Eine organisatorische Angliederung in der öffentlichen Verwaltung wäre denkbar, da di- verse Querbeziehungen bestehen. Weiterhin könnten hierdurch eventuell Infrastrukturen mit genutzt werden, die ansonsten selbst angeschafft werden müssten. Abbildung 48: Zweigestuftes System einer Innenentwicklungsagentur/ eines Bestandsma- nagements

Quelle: eigene Darstellung Konkrete Aufgaben /Wirkungsfeld Die Innenentwicklungsagentur hat im Wesentlichen fünf Aufgabenbereiche, die wiederum durch verschiedene Aufgaben untergliedert werden. 1. Unterstützung bei der Innutzungnahme von Gebäudebeständen Die bestehende Bausubstanz wieder in eine geeignete und sinnvolle Nutzung zu brin- gen, ist ein generelles Bestreben der Innenentwicklung. Daher sollen Personengrup- pen, die eine leerstehende oder untergenutzte Immobilie wieder in Nutzung bringen möchten, unterstützt werden. Neben der Unterstützung bei Behördengängen, einer Fördermittelberatung, der Klärung von allgemeinen Nutzungsmöglichkeiten bzw. Nut- zungsbeschränkungen, kann auch eine erste konzeptionelle und technische Umbau- beratung erfolgen. Weiterhin können Beispiele bereitgestellt werden, die Nutzungs- ideen bieten und Aufschluss über zu erwartende Kosten geben. Auch bei der Ver- marktung könnte die Innenentwicklungsagentur behilflich sein. Die Präsentation von

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Objekten im Internet, die Erstellung von Ideenskizzen, die Organisation von einem Tag der offenen Tür mit Besichtigungsmöglichkeiten könnten unter anderem erfolgen. 2. Unterstützung bei der Modernisierung, Sanierung und Anpassung von Gebäudebe- ständen Zuvor genannte Dienstleistungen sind auch bei der Modernisierung, Sanierung und Anpassung von Gebäudebeständen zu leisten. Besonders das Thema „Wohnen im Al- ter“ und die Reduktion von Barrieren im Gebäudebestand könnten im Fokus stehen. Was lässt sich durch die Pflegekassen finanzieren? Was kann auf anderem Wege ge- fördert werden? Was muss ich selber investieren, um meinen Wohnraum an meine Bedürfnisse anzupassen? Bei der Beantwortung dieser Fragen kann die Innenent- wicklungsagentur behilflich sein. 3. Unterstützung bei der Innutzungnahme von Brachflächen, Baulücken und Unternut- zungen Um die Innutzungnahme von Brachflächen, Baulücken oder auch suboptimal genutzer Grundstücke zu befördern, könnte die Innenentwicklungsagentur die Kommunen bei der Erfassung, Verwaltung und Auswertung von Innenentwicklungspotenzialen helfen. Eventuell könnten auch Gespräche mit den Eigentümern geführt werden, um diese von der Inwertsetzung der Flächen zu überzeugen und für eine Vermarktung zu mobi- lisieren. Die Pflege einer Datenbank könnte ebenso erfolgen, wie die Aufstellung eines Objektkatalogs bzw. einer Immobilienbörse, über die sich interessierte Bürger und In- vestoren informieren können. Auch die Unterstützung Privater bei der Erstellung von Inseraten in den Online-Immobilienbörsen könnte eine Aufgabe sein. 4. Organisation und Durchführung von PR-Maßnahmen und Veranstaltungen Um die Innenentwicklung voranzutreiben, muss das Thema mehr in den öffentlichen Fokus gerückt werden. Gezielte PR-Maßnahmen, Informationsveranstaltungen und In- formationsmaterialien könnten durch die Innenentwicklungsagentur erarbeitet werden. Weiterhin könnten Veranstaltungen wie ein „Tag der Innenentwicklung“ von den Mitar- beitern organisiert werden. 5. Operative Betreuung eines revolvierenden Fonds Vielen Kommunen fehlt aufgrund angespannter öffentlicher Haushalte das Hand- lungsvermögen, um identifizierte Schandflecke zu beseitigen bzw. prägende Gebäu- desubstanz in Eigenregie in Wert zu setzen. Ein Lösungsansatz könnte ein revolvie- render Fonds sein, der beispielsweise durch einen Verein bzw. eine Stiftung verwaltet wird. Im verwaltenden Gremium wird entschieden, welche Objekte bzw. Projekte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgesetzt werden sollen. Ziel muss es sein, nach Umsetzung der Maßnahme die Immobilien zeitnah zu veräußern und so das Ka- pital wieder für neue Projekte verwenden zu können. Die operative Umsetzung der Projekte könnte durch die Innenentwicklungsagentur begleitet werden. Auf diese Wei- se könnten entscheidende Elemente der Ortskerne geschützt und aufgewertet, gute Beispiele gesammelt und Immobilien auf den Markt gebracht werden, die ein attrakti- ves Angebot von Räumlichkeiten in den Ortskernen zum Arbeiten und Wohnen bieten, ohne dass künftige Nutzer wirtschaftliche Risiken bei den Sanierungsmaßnahmen fürchten müssen. Maßnahmenraum Der Projektansatz könnte im Raum Parchim erprobt und evaluiert werden. Bei einem er- folgreichen Verlauf könnte das Modell auf weitere Regionen übertragen werden. Kosten Wesentliche Kostenstellen einer Innenentwicklungsagentur sind das Personal, Räumlich- keiten, Infrastruktur und Budgets für PR-Maßnahmen. Vor allem für die regionale Ebene müssen qualifizierte Berater und bzw. Agenten engagiert werden, die durch ihre Fach- kenntnisse und Kommunikationsfähigkeiten ein proaktives Handeln ermöglichen. Voraus-

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sichtlich sind mindestens zwei Vollzeitstellen zu besetzen. Eventuell ist eine Assistenz noch erforderlich, um kleinere Aufgaben und Organisatorisches zu übernehmen. Eine Dienststelle, die für die Bürgerschaft gut zu erreichen ist, müsste eingerichtet und ausge- stattet werden. Die Angliederung an die öffentliche Verwaltung könnte zu Kostenvorteilen führen, da vorhandene Infrastrukturen mitgenutzt werden könnten. Auf der lokalen Ebene könnte die Kontaktaufnahme und Beratung durch geringfügig Beschäftige erfolgen. Even- tuell können Personen aus Handwerk, Planung oder Verwaltung gewonnen werden, die mittlerweile im Ruhestand sind und hierüber ihre Renten aufbessern würden. Regelmäßi- ge Sprechstunden im Bürgerhaus oder ähnlichem könnte die Anmietung von Räumlichkei- ten ersparen. Sollen durch die Innenentwicklungsagentur Marketingmaßnahmen und In- formationsveranstaltungen durchgeführt werden, so muss hierfür ein entsprechendes Budget zur Verfügung gestellt werden. Folgende überschlägige Rechnung dient lediglich für eine erste Orientierung, mit welchen Kosten für die Einrichtung der Innenentwicklungsagentur im Untersuchungsraum zu rech- nen ist: Tabelle 22: Kostenkalkulation Innenentwicklungsagentur Posten überschlägige Kosten pro Jahr

Personalkosten: Leiter der regionalen Innenentwicklungsagentur (Dipl.-Ing. o.ä.) 50.000 € Stellvertreter der Leitung der regionalen Innenentwicklungsagentur (Dipl.- 45.000 € Ing. o.ä.) Assistenz für die regionale Innenentwicklungsagentur 25.000 € 5 x lokale Innenentwicklungsagenten á 5.000 € pro Person 25.000 € Räumlichkeiten und Ausstattung der regionalen Innenentwicklungsagentur: 20.000 € Budget für Marketing und Information: 40.000 € Summe 205.000 € Quelle: eigene Berechnung Soll die Innenentwicklungsagentur selbst als Maßnahmenträger bei der Aufwertung von Bestandsgebäuden auftreten, ist die Einrichtung eines revolvierenden Fonds nötig. Das Fonds-Volumen sollte mindestens für zwei gleichzeitig ablaufende Projekte ausreichen. Summen zwischen 300.000 € bis 1.000.000 € erscheinen ein sinnvolles Budget. Finanzierung und Trägerschaft Durch die Einrichtung einer Innenentwicklungsagentur entstehen nicht unerhebliche Kos- ten. Ob die Kommunen zu einer eigenständigen Finanzierung in der Lage sind, ist in Zweifel zu ziehen. Daher müssen alternative Wege für die Finanzierung und Trägerschaft gesucht werden. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Innenentwicklung und des mo- dellhaften Charakters wäre zumindest für die modellhafte Umsetzung eine Landesförde- rung bzw. eine kooperative Förderung aus Mitteln des ELER wünschenswert. Außerdem könnte Unterstützung bei der Kreishandwerkerschaft sowie anderen Verbänden und Or- ganisationen (Stiftung Umwelt, Robert-Bosch-Stiftung, Bertelsmannstiftung,…) abgefragt werden. Eine generelle Finanzierung über Sponsoring ist problematisch, da dies Einfluss auf die Unabhängigkeit in der Beratung nehmen könnte. Sponsoring könnte aber im ge- ringeren Maße bei der Umsetzung von Marketingmaßnahmen oder Informationsveranstal- tungen genutzt werden. Eine Angliederung an die Verwaltung, ob Kreis- oder Amtsebene könnte verschiedene Vorteile mit sich bringen und würde die Unabhängigkeit der Einrichtung unterstreichen. Allerdings könnte die Trägerschaft auch bei einem Verein oder einer Stiftung oder sonsti- gen Organisationen liegen.

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Handlungsempfehlung: Einrichtung eines landesweit flächendeckenden Netzes von professionellen und un- abhängigen „Innenentwicklungsagenturen“ Der Projektansatz soll zunächst im Raum Parchim über einen Zeitraum von 4 Jahren er- probt und anschließend evaluiert werden. Bei erfolgreichem Verlauf ist ein landesweites Netz von Innenentwicklungsagenturen einzurichten, das entsprechend der Evaluierungs- ergebnisse aus dem Modellvorhaben strukturiert sein soll.

Konzeption und Aufbau eines Monitoringsystems für Innenentwicklungspoteziale Es ist ersichtlich, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt Defizite bei der Nutzung von In- nenentwicklungspotenzialen gibt. Ein wesentliches Manko ist das fehlende Wissen über das Vorhandensein von Baulücken, Brachflächen, Unternutzungen oder Leerständen so- wie deren Mobilisierbarkeit. Daher ist die Konzeption und Aufstellung eines flächende- ckenden Monitoringsystems sinnvoll. Grundgedanke In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bislang keine gemeinsame technische Plattform zur Potenzialerhebung der Innenentwicklung. Diese wäre jedoch ein wichtiger Baustein für die Förderung der Innenentwicklung, da hierdurch die Kommunen als Planungsträger, die Immobilieneigentümer und die potenziellen Interessenten große Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten im Innenbereich erfahren würden. Entspre- chend soll im Projektansatz ein Weg aufgezeigt werden, wie eine ausgereifte und innova- tive Plattform entwickelt, erprobt und umgesetzt werden kann. Ziel des Monitoringsystems muss die Beförderung der Nutzung der bestehenden Potenziale sein. Auch zur Entwick- lung von Planungszielen sowie zur Abzeichnung von Entwicklungsrisiken sollen die Daten genutzt werden können. Wesentliche Komponenten Wesentlicher Bestandteile eines entsprechenden Monitoringsystems sind: - Die Erfassung und Fortschreibung der bestehenden Innenentwicklungspotenziale o Hierzu zählen Brachflächen, Baulücken, Unternutzungen und bestehende sowie zu erwartende Leerstände in Gebäudebeständen. o Es ist wichtig, die Auswahl der zu sammelnden Informationen genau zu durchden- ken, da sie Grundlage für spätere Analysen und Handlungsschritte sind. Gleichzei- tig führen Daten, die keinen Nutzen ergeben, zu unnötigem Erhebungs- und Ver- waltungsaufwand. - Die Datenverwaltung, Aufbereitung und Analyse auf Grundlage eines lagebezogenen IT-Systems mit hinterlegter Datenbank o Es ist wichtig, dass eine Plattform gewählt wird, die gut zugänglich ist, ohne größe- re Kosten bei den Nutzern zu verursachen. o Weiterhin muss es Möglichkeiten geben, unterschiedliche Berechtigungen zu ertei- len, da einzelne Datensätze oder Analysemöglichkeiten ausschließlich den Ver- waltungen zur Verfügung stehen sollen und dürfen. o Weiterhin sollen Schnittstellen eingebaut werden, die es ermöglichen, das beste- hende System durch weitere Datensätze zu ergänzen und so auch für die Zukunft Wege für ergänzende Analysemöglichkeiten zu gewährleisten. ° Durch die Verknüpfung der Potenzialflächen mit bspw. Daten aus dem auto- matisierten Liegenschaftskataster oder den Melderegistern 49 , bieten sich weit- reichende Analysemöglichkeiten, die für eine strategische Kommunalentwick- lung und ein gezieltes Handeln eine sehr gute Ausgangsbasis bilden.

49 Unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen

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- Die Verwertung der Daten zur Mobilisierung der Innenentwicklungspotenziale o Die Aufnahme- und Analyseergebnisse sollen unkompliziert abrufbar sein und für die weitere Verwendung genutzt werden können. Entsprechende Ausgabemög- lichkeiten in Form von interaktiven und einfachen Kartenwerken, Tabellen und Zu- sammenstellungen sind daher wünschenswert. o Es sollen verschiedene Filter- und Verknüpfungsansätze von den Usern leicht ein- zurichten sein und somit Informationen leicht zugänglich gemacht werden. o Um den personellen Aufwand für die Verwaltung des Systems auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, sind automatisierte Folgehandlungen, wie eigenstän- diges Anschreiben von Flächeneigentümern oder die automatische Überführung in Flächen- und Gebäudebörsen, wünschenswert. Umsetzungsweg Innerhalb des deutschen Bundesgebietes findet sich bereits eine Vielzahl von Monitoring- systemen. Das Spektrum reicht von kommunalen Ansätzen bis hin zu Werkzeugen, die auf Landesebene entwickelt wurden und den Kommunen als technische Plattform zur Verfügung gestellt werden. Auch außerhalb von Deutschland gibt es bereits Ansätze in diesem Bereich. Die Notwendigkeit eines landesweiten Werkzeugs zur Erfassung und Auswertung der Innenentwicklungspotenziale wird auch in Mecklenburg-Vorpommern bei vielen Akteuren gesehen. Der hohe Aufwand für die Erfassung, Pflege und Auswertung der Daten schreckt diese jedoch bislang ab. Eine landesweit einheitliche technische Platt- form könnte ein wichtiger Schritt sein, um das Handeln anzustoßen und den Aufwand auf lokaler Ebene zu verringern. Erste Kontakte mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Um- welt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern haben angedeutet, dass man für die Entwicklung eines landesweiten Instruments offen ist und den Prozess unterstützen möchte. Um ein Instrument zu entwickeln, dass den größtmöglichsten Nutzen bei gleich- zeitig geringem Aufwand für die operative Ebene bringt, erscheint eine Auswertung be- stehender Systeme und Verfahren sinnvoll. Weiterhin müssen neue technische Lösungen beleuchtet und auf ihren Nutzen für das Monitoringsystem geprüft werden. Der Bedeutungsverlust historischer Ortskerne, Suburbanisierungsprozesse und Flächen- inanspruchnahme sind Themen, die auch im interregionalen und internationalen Kontext von großer Bedeutung sind. Die konkrete Entwicklung und Durchführung des Instruments könnte daher über ein INTERREG-Projekt erfolgen. Im Rahmen der Demografie-Check- Umsetzungsbegleitung wird derzeit an einem entsprechenden Antrag gearbeitet und nach Partnern für das Projekt gesucht. Hierdurch würden sich Spielräume bei der Konzeption und Umsetzung ergeben, die ohne eine entsprechende Förderung nicht möglich wären. Die Folge könnte ein Instrument sein, dass neueste Möglichkeiten nutzt, die Erfahrungen anderer Regionen berücksichtigt, ein optimales Verhältnis von Aufwand und Nutzen mit sich bringt und somit die Innenentwicklung stark fördern könnte. Maßnahmenraum Die Konzeption soll sich auf internationale Erfahrungen stützen. Das Instrument wird für die Landesebene entwickelt. Es soll auf kommunaler bzw. Amtsebene Anwendung finden. Die Erprobung des Instruments soll nach Möglichkeit in der Gebietskulisse des Demogra- fieChecks oder auf Ebene des Landkreises Ludwigslust-Parchim erfolgen. Andere Erpro- bungsbereiche innerhalb der INTERREG-Partnerschaft können zusätzlich hinzugenom- men werden. Kosten, Finanzierung und Trägerschaft Die Kosten für die Entwicklung des Instruments sind stark vom betriebenen Aufwand und vom technischen Lösungsweg abhängig. Die Finanzierung erfolgt bei erfolgreicher Bean- tragung über das EU-Programm INTERREG und würde voraussichtlich auch die Erpro- bung, Auswertung und Etablierung beinhalten. Der spätere Betrieb bzw. die Pflege der

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technischen Plattform soll auf Landesebene erfolgen. Die Trägerschaft der Entwicklung erfolgt über eine Partnerschaft verschiedener Institutionen und Organisationen, die sich zum INTERREG-Projekt zusammenschließen. Ein LEAD-Partner übernimmt die Leitung dieses Gremiums. Die Verwaltung des Projektes kann über ein externes Management erfolgen.

Handlungsempfehlung: Aufbau und Pflege eines einheitlichen und stetigen Monitoringsystems für Innenent- wicklungspotenziale für das Land M-V. Die Entwicklung, Umsetzung und Erprobung soll innerhalb eines INTERREG-Projektes erfolgen. Der nach der Erprobung anschließende Regelbetrieb soll über die Landesver- waltung sichergestellt werden und allen Kommunen freien Zugang zum Werkzeug ver- schaffen. Sollte eine Entwicklung, Umsetzung und Erprobung im Rahmen eines INTER- REG-Projektes nicht möglich sein, so sollen die Aktivitäten durch die thematisch betref- fenden Ministerien ausgeführt werden.

Einrichtung und Pflege einer Beispielbörse für gelungene Projekte der Innenent- wicklung Die sich wandelnden Wohn- und Lebensbedürfnisse schlagen sich auch auf die Innenbe- reiche wieder. Nicht wenige Gebäude müssen angepasst werden, um den modernen Wohnwünschen und –bedürfnissen zu entsprechen. Hierzu muss zunächst identifiziert werden, was gewünscht ist und wie sich die Ideen umsetzen lassen. Gute Praxisbeispiele können den Prozess befördern und Ideen geben, wie der Gebäudestand aufgewertet und an die neuen Bedürfnisse angepasst werden kann. Grundgedanke Die Beispielbörse dient der allgemeinen Information über Entwicklungsmöglichkeiten, ge- stalterische Spielräume und finanzielle Rahmenbedingungen. Wichtig ist, dass sich Bei- spiele in der Börse wiederfinden, die auf andere Gebäude in der Region übertragbar sind. Die Berücksichtigung von traditionellen Gebäudetypen und –strukturen muss daher si- chergestellt werden. Die Vermittlung von weiteren Informationen, wie den beteiligten Bau- firmen und Planern, könnten den Informationsgehalt noch weiter erhöhen. Die Beispiel- börse soll für alle Interessenten zugänglich sein. Organisationsstruktur und inhaltlicher Aufbau Bevor eine Beispielbörse eingerichtet wird, müssen zunächst geeignete Beispiele zu- sammengetragen und aufbereitet werden. Um ein einheitliches Schema vorweisen zu können, sollte ein Kriterienkatalog aufgestellt werden, in dem alle Informationen aufge- führt sind, die zwingend bzw. freiwillig zur Verfügung zu stellen sind. Folgende Informatio- nen sollten mindestens vorhanden sein: - Baujahr/ Jahr der Baumaßnahmen - Grobe Beschreibung des Planungsziels - Erläuterung der vorgenommenen Baumaßnahmen zur Erreichung des Ziels - Bilddokumentation vorher/ nachher - Lagepläne und Bauzeichnungen Weitere optionale Informationen könnten u. a. sein: - Kostenrahmen, Kostenfallen/ unerwartete Kosten - Rechnung geplante Kosten/ tatsächliche Kosten - beteiligte Baufirmen - beteiligte Planer - In Anspruch genommene Fördermittel

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Um geeignete Beispiele zu erlangen müssen Wege gefunden werden, wie Bauherren überzeugt werden können, ihre Projekte bereitzustellen. Hierzu eignen sich beispielswei- se regelmäßige Wettbewerbe mit Preisgeldern. Die jährliche Auslobung eines Innenent- wicklungspreises könnte erfolgen, bei dem die Teilnahmebedingungen festschreiben, dass die abgegebenen Bewerbungsunterlagen (die wiederum dem oben beschriebenen Anforderungsprofil entspreche) auch für die Darstellung in der Beispielbörse genutzt wer- den dürfen. Sollten kommunale oder regionale Förderprogramme für das Bauen im In- nenbereich aufgestellt werden (z. B. die Finanzierung von Gutachten zur Bausubstanz, oder die allgemeine Gewährung von Zuschüssen), könnte eine Voraussetzung für die Erteilung der Förderung, das zur Verfügung stellen der genannten Informationen sein. Nach einer einheitlichen Aufbereitung bzw. der Erstellung von Projektblättern können die Informationen der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Das Internet bietet sich hier- für besonders an, da die Informationen jederzeit und überall abrufbar sind. Weiterhin bie- tet das Internet sehr gute Möglichkeiten, Medien wie Fotos, Videos und Animationen ein- zubinden. Um jedoch alle Bevölkerungsteile mitzunehmen, sollte der Projektkatalog auch in analoger Form an zentraler Stelle zugänglich sein. Hierfür würden sich die Verwaltun- gen bzw. die Innenentwicklungsagentur anbieten. Auch der Aufbau einer Wanderausstel- lung, die an wechselnden Orten ausgestellt werden könnte, ist denkbar. Maßnahmenraum Die Einrichtung der Beispielbörse sollte auf regionaler Ebene bzw. auf der Ebene der Landkreise erfolgen. So würde ein ausreichender Fundus an guten Beispielen zusam- mengetragen und gleichzeitig der regionale Bezug erhalten werden. Der regionale Bezug ermöglicht auch eine bessere Übertragbarkeit der Baukosten, die stark von den regiona- len Begebenheiten abhängig sind. Kosten, Finanzierung und Trägerschaft Kosten entstehen vor allem in Form von personellem Aufwand sowie durch die technische Infrastruktur. Personeller Aufwand entsteht beim Zusammentragen und Aufbereiten der Beispiele sowie beim technischen Support der Internetseite. Weiterhin entstehen Kosten für die Web-Domain und für eventuelle Marketingmaßnahmen. Die Kosten für die Web- Domain können eventuell gespart werden, sollte die Beispielbörse an bestehende öffentli- che Internetauftritte angegliedert werden. Hierdurch würden auch die Kosten für den technischen Support gesenkt werden. Kosten können weiterhin bei der Durchführung von Wettbewerben oder allgemeinen Förderungen entstehen. Auch Marketingmaßnahmen können zu Buche schlagen. Die Finanzierung kann eventuell über Sponsoring erfolgen. Auf dem Internetaufritt könn- ten lokale Handwerksbetriebe sowie Planungsbüros präsentiert werden, die hierdurch wiederum durch potenzielle Bauherren wahrgenommen werden. Bei Einrichtung einer Innenentwicklungsagentur könnte der Aufbau und die Pflege der Beispielbörse durch diese übernommen werden. Alternativen bieten die Verwaltungen der Region bzw. des Landkreises an, da hier die technische Infrastruktur sowie das fachliche Know-How vorhanden ist.

Handlungsempfehlung: Einrichtung einer Beispielbörse für gelungene ortstypische Entwicklungs-, Umbau- und Anpassungsmaßnahmen Im Raum Parchim soll der Aufbau einer entsprechenden Beispielbörse erfolgen. Der Auf- bau erfordert gleichzeitig die Etablierung von Modellen zur Rekrutierung geeigneter Bei- spiele. Wird keine Innenentwicklungsagentur eingerichtet, soll zwischen dem Landkreis Ludwigslust-Parchim und den Amtsverwaltungen die Trägerschaft abgestimmt werden.

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Facebook-Gruppe als Kommunikationszentrale zum Thema „Wohnen im Innenbe- reich“ Bauen in einem klassischen Wohnbaugebiet, Schließen einer Baulücke im Ortskern oder doch Bezug eines Bestandsgebäudes? Diese Frage stellen sich viele Personen, die mit dem Gedanken spielen, Wohneigentum anzuschaffen. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, muss eine Vielzahl von Informationen zusammengetragen werden: Welche Immobilienangebote gibt es in der bevorzugten Region? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Wie könnte die Immobilie aussehen? Gibt es gute Beispiele für Hausbau oder Sanie- rung von verfügbaren Objekten? Welche Planer oder Handwerksbetriebe kommen in Fra- ge? Gibt es Informationsveranstaltungen zum Thema in der Region? Ein Großteil dieser Fragen lässt sich heutzutage über das Internet beantworten. Allerdings befinden sich die Informationen auf einer Vielzahl von Plattformen und Internetseiten, deren Durchforstung mitweilen sehr mühsam sein kann. Das Informationsdickicht kann evtl. zu Folge haben, dass nach dem möglichst einfachen Weg gesucht wird, den Wunsch von der eigenen Im- mobilie zu erfüllen. Der Einfamilienhausbau in einem klassischen Neubaugebiet erscheint für viele Vorhabenträger der sicherste Weg. Die Vorgaben des Bebauungsplans regeln klar, was auf der Fläche möglich ist, die Grundstückszuschnitte sind an moderne Wohn- bedürfnisse angepasst, Typenhäuser und Standardbauformen können leicht umgesetzt werden. Die Vorteile einer integrierten Lage, kurzer Wege und des individuellen Charmes einer Immobilie im Innenbereich stehen diesen Vorteilen auf den ersten Blick oftmals nach. Die Einrichtung einer Informationszentrale bspw. in Form einer Facebook-Gruppe, könnte positive Effekte für die Bereitschaft zum Bauen und Sanieren im Bestand mit sich bringen. Grundgedanke Eine Facebook-Gruppe bietet die Gelegenheit, Informationen von verschiedenen Platt- formen zusammenzuführen. Eingepflegt können die Daten von diversen Personen, Institu- tionen und Organisationen werden. Die Zusammenführung der Informationen könnte si- cherlich auch auf einer zentralen Internetseite erfolgen. Die administrative Betreuung der Seite müsste allerdings über eine zentrale Stelle erfolgen. Inhaltliche Beiträge könnten in der Regel nur über diese Stelle bzw. wenige Personen erfolgen. Die Facebook-Gruppe hat den weiteren Vorteil, dass Gruppenmitglieder Push-Informationen erhalten. Sobald neue Aktivitäten oder Beiträge auf der Facebook-Seite erscheinen, werden die Gruppen- mitglieder über Ihren Account am Computer, Smartphone oder Tablet informiert. Hier- durch würde ein aktives Suchen nach Informationen wegfallen. Die Gruppenmitglieder werden aktiv mit Informationen versorgt. In einigen Teilen der Bevölkerung gibt es einige Vorbehalte gegen soziale Netzwerke. Bei der Personengruppe zwischen 25 und 40 Jah- ren, die sich vermehrt mit dem Thema Wohneigentumsbildung befasst, haben Facebook und Co. jedoch eine zumeist hohe Akzeptanz und Verbreitung. Die Zielgruppe kann daher über das Instrument gut erreicht werden. Aufbau und Struktur Bevor eine entsprechende Facebook-Gruppe eingerichtet werden kann, muss ein Name gefunden werden, der prägnant ist und die bereitgestellten Inhalte klar erkennen lässt. Es ist wichtig, den Aufhänger nicht zu allgemein zu formulieren. Andererseits schränkt ein zu starker Fokus das mögliche Informationsspektrum ein. Der Fokus soll auf Informationen rund um die Innenentwicklung liegen. Folgende Namen könnten in Frage kommen: - LivingInside SWM - Innen Wohnen in M-V - Bauherrenzentrale Parchim Wichtig ist, dass die Facebook-Gruppe anfänglich bekannt gemacht und beworben wird, um den Adressatenkreis zu erreichen. Im weiteren Verlauf verbreitet sich die Seite auch zunehmend über das soziale Netzwerk selbst.

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Die Einrichtung und Administration muss über eine hauptverantwortliche Stelle erfolgen. Diese kann das Gesamtlayout der Seite bestimmen und fungiert als Administrator. Inhalt- liche Beiträge sowie Einladungen zu Veranstaltungen können hingegen direkt von den einzelnen Herausgebern der Informationen auf die Pinnwand der Facebook-Seite gepos- tet werden. Es empfiehlt sich, die Pinnwand nur zur Bekanntmachung der neuen Informa- tionen, Medienangebote oder Termine zu nutzen. Die detaillierteren Informationen sollen auf den einzelnen Internetauftritten der Beteiligten verbleiben. Eine Verlinkung kann ein- gerichtet werden. Der Administrator hat die Möglichkeit einzugrenzen, wer berechtigt ist auf die Pinnwand zu schreiben bzw. kann auch im Nachgang einzelne Beiträge löschen. Inhalte der Posts können u.a. folgende Themenfelder sein: Abbildung 49: Mögliche Inhalte einer Facebook-Gruppe zum Thema Innenentwicklung

Quelle: eigene Darstellung Maßnahmenraum Der Maßnahmenraum sollte so gewählt sein, dass der regionale Bezug gewahrt bleibt und die geposteten Termine und Veranstaltungen für die Interessenten auch erreichbar blei- ben. Die Ebene des Landkreises bietet sich als Maßnahmenraum an. Kosten, Finanzierung und Trägerschaft Die Einrichtung einer Facebook-Seite ist kostenlos. Die Pflege und Administration verur- sacht hingegen Personalaufwand, der sich jedoch in Grenzen hält, da keine inhaltlichen Beiträge erstellt werden müssen, sondern nur Informationen zusammengetragen werden, die an anderer Stelle bereits zu finden sind. Die Kosten sind entsprechend gering. Die Trägerschaft könnte bei Einrichtung einer Innenentwicklungsagentur durch diese über- nommen werden. Weiterhin kommen die Verwaltungen des Maßnahmenraums in Frage.

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Handlungsempfehlung: Einrichtung einer regionalen Facebookgruppe zum Thema Innenentwicklung mit der Ziel- gruppe „Bauwillige“ Die Einrichtung einer entsprechenden Facebook-Gruppe erscheint vielversprechend und verursacht gleichzeitig vergleichsweise geringen Kosten und Aufwand.

Tag der Innenentwicklung Das Thema Innenentwicklung findet bislang nur selten den Weg in die Populärmedien. Daher ist es erforderlich Aktivitäten zu entfalten, die Vorzüge, Möglichkeiten und Maß- nahmen mehr in den Fokus rücken und eine stärkere mediale Präsenz schaffen. Ein ge- eignetes Instrument ist dabei die turnusmäßige Ausrichtung eines Tages der Innenent- wicklung. Grundgedanke Der „Tag der Innenentwicklung“ könnte ähnlich wie der „Tag der Architektur“ dafür sorgen, zeitlich konzentriert verschiedene Veranstaltungen und Informationsangebote zum Thema anzubieten. Durch die Vielzahl an Angeboten rund um die Themen Innenentwicklung, Bestandsoptimierung, Umbau und Sanierung sowie Wohnen im Alter sowie durch ein of- fensives Marketing der Veranstaltung soll das Thema in den öffentlichen Fokus gerückt werden. Ziel muss es sein, potenzielle Bauherren davon zu überzeugen, den Innenbe- reich und Gebäudebestand zu nutzen und zu stärken. Organisatorischer Aufbau und inhaltliche Komponenten Um eine gezielte Ansprache der teils unterschiedlichen Zielgruppen zu erreichen, emp- fiehlt sich die Einführung von jährlich wechselnden Mottos. So könnte z.B. in einem Jahr das Thema „Wohnen im Alter“ im Fokus stehen und in einem anderen Jahr das Thema Baulückenschluss. Dies hätte auch den Vorteil, dass sich die Angebote nicht Jahr für Jahr wiederholen, sondern immer wieder neue Inhalte präsentiert werden können. Wesentliche Komponenten eines Tages der Innenentwicklung könnten sein: - Ein „Tag der offenen Tür“ bei potenziellen Sanierungsobjekten - Die zur Veräußerung und Entwicklung bereit stehenden Gebäude könnten für eine allgemeine Besichtigung geöffnet werden. Die zusätzliche Vorstellung von Entwick- lungsmöglichkeiten in Form von Präsentationen, Skizzen und Plänen sowie allgemei- ne Informationen zur Bausubstanz wären wünschenswert. Durch den „Tag der offe- nen Tür“ würde sich für Bauwillige bzw. Sanierungswillige die Möglichkeit ergeben, an einem Tag mehrere interessante Objekte zu erkunden. Eventuell können bereits bei der Besichtigung Kontakte zu den Eigentümern oder Maklern aufgebaut werden. - Ideenwettbewerbe für die Nutzung zentraler Gebäude mit Leerstand - Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene könnten Workshops ausgerichtet werden, in denen Ideen für prägende aber leerstehende Gebäude Nutzungskonzepte entwi- ckelt werden könnten. Die Auslobung von attraktiven Preisen erhöht den Anreiz zur Teilnahme. Besonders gute Ideen könnten, bei dessen Einrichtung, durch den revol- vierenden Fonds der Innenentwicklungsagentur umgesetzt werden. - Tag der offenen Tür bei guten Beispielen für Sanierung und Neubau im Innenbereich - Hierbei könnten sich Bau- und Sanierungswillige konkrete Ideen holen und sich mit den Bauherren austauschen. Die Bereitstellung von Informationen zu den Baukosten sowie zu beteiligten Planern und Handwerksbetrieben wäre wünschenswert. - Handwerksbörse, Informationen zum Stand der Technik oder Finanzierung - Eine Handwerksbörse könnte auf zentralen Plätzen ausgerichtet werden. Auf der Börse könnten sich Unternehmen aus der Region mit ihrem Leistungsspektrum prä- sentieren. Eine Ergänzung durch Beiträge der Fachverbände zum Stand der Technik sowie Informationen über Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten wäre wünschens-

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wert. Durch das jährlich wechselnde Motto könnten sich Jahr für Jahr anderen Unter- nehmen präsentieren. Maßnahmenraum Es empfiehlt sich, die einzelnen Komponenten der Initiative nicht auf einen zu großen Raum auszuweiten. Beispielsweise sollten die zum Besuch offen stehenden Bau- und Sanierungsprojekte nur so weit auseinander liegen, dass diese auch alle innerhalb der eingerichteten Besuchszeiten zu erreichen sind. Der Handwerkermarkt lässt sich voraus- sichtlich lediglich als zentrale Veranstaltung an einem Ort durchführen. Auch hier sollte die Distanz zum Veranstaltungsort nicht zu groß werden. Kosten, Finanzierung und Trägerschaft Die Organisation und Ausrichtung ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Neben dem personellen Aufwand für Organisation und Marketing kommen noch weitere Kosten für Preisgelder bei Wettbewerben, Platzmieten, Rahmenprogramm und weitere organisa- torische Posten hinzu. Eine Finanzierung könnte zum Teil über Sponsoring erfolgen. Überregionale Firmen, die sich beispielsweise auf der Handwerksbörse präsentieren möchten, könnten hierfür eine finanzielle Unterstützung zusagen. Eventuell lassen sich auch die örtlichen Banken und Sparkassen als Sponsor gewinnen. Die Trägerschaft wür- de optimaler Weise durch die Innenentwicklungsagentur übernommen werden. Aber auch die Kreishandwerkerschaft könnte in Frage kommen (ähnlich wie beim Tag der Architektur die Architektenkammer).

Handlungsempfehlung: Ausrichtung eines jährlichen Tages der Innenentwicklung auf regionaler Ebene

6.3 Mobilität 6.3.1 Bestandsanalyse Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Ohne Fortbewegung im Raum sind die Ausübung von Aktivitäten und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Ergebnisse der Studie „Mobilität in Deutschland 2008“ bestätigen, dass der Pkw (Personenkraftwagen) auch weiterhin das wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland ist. Der Bedeutungszuwachs hat sich in den vergangenen Jahren jedoch abgeschwächt. Im Gegenzug konnte der ÖPV (Öffentlicher Personenverkehr) und das Fahrrad sowie Fuß- wege leicht an Bedeutung zulegen. Diese Entwicklung könnte einen neuen Trend ab- zeichnen, war doch der Pkw lange Jahre der stetige Gewinner im intermodalen Ver- kehrsmittel-Vergleich. Das allgemeine Verkehrsaufkommen verteilt sich im Vergleich zu 2002 weiter über den Tag. Dies ist vor allem auf die hohen Wachstumsraten im Erledi- gungs-, Einkaufs- und Freizeitverkehr zurückzuführen. Das Grundbedürfnis nach Mobilität ist über alle Raumstrukturen hinweg gleich stark ausgeprägt. Die Siedlungsform hat je- doch entscheidenden Einfluss auf die Struktur der Verkehrsmittelnachfrage und die Trag- fähigkeit der verschiedenen Verkehrsarten. 50

50 Vgl. BMVBS (2010): Mobilität in Deutschland 2008, Bonn/Berlin

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Abbildung 50: Modal Split (Kilometer) nach Kreistypen

Quelle: Infas, DLR Betrachtet man das Mobilitätsverhalten in ländlichen Kreisen, so lässt sich zunächst fest- halten, dass mit durchschnittlich 3,4 Wegen nahezu die gleich Anzahl an Wegen pro Tag zurückgelegt wird, wie in den verdichteten Kreisen und Kernstädten. Ein wesentlicher Un- terschied zeichnet sich jedoch bei der durchschnittlichen Tagesstrecke und bei der Un- terwegszeit ab. In den ländlichen Kreisen liegt die durchschnittliche Tagesstrecke mit 42 Kilometern klar über den Werten der verdichteten Kreise und der Kernstädte. Gleichzeitig benötigt man in ländlichen Kreisen jedoch mit 75 Minuten die geringste Zeit um die tägli- chen Wege zurückzulegen. Abbildung 51: Wegezwecke nach Kreistypen

Quelle: Infas, DLR Der Modal-Split (die Aufteilung der Wege auf verschiedene Verkehrsmittel) zeichnet für die einzelnen Gebietstypen ein differenziertes Nutzungsbild ab. Die Dominanz des Pkw in ländlichen Kreisen (82 % aller zurückgelegten Kilometer) ist sehr groß. Immerhin 13 % der insgesamt zurückgelegten Kilometer werden mit dem ÖPNV (öffentlicher Personen- nahverkehr) gefahren. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß werden nur kurze Wege bestritten.

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Hieraus ergibt sich ein recht geringer Anteil an den Gesamtkilometern von zusammen 6 % (vgl. Abbildung 50). Als große Mobilitätsinitiatoren im ländlichen Raum zeigen sich besonders die Bereiche Freizeit und Einkaufen. Zusammen werden 52 % aller Wege für diese Bereiche bestritten. Betrachtet man die Entwicklung zwischen 2002 und 2008, so ist zu erkennen, dass sich besonders der Freizeitverkehr in den vergangenen Jahren stark erhöht hat. Getragen wird diese Entwicklung besonders durch die wachsende Gruppe von Senioren, die neben der körperlichen Tüchtigkeit, einem großen Zeitbudget und einer verbesserten finanziellen Ausstattung auch einen hohen Motorisierungsgrad aufweisen. Weitere wichtige Gründe für das Verlassen des Hauses sind die Arbeit, die Ausbildung und dienstliche Gründe. Zusammen kommen diese auf einen Anteil von 27 % (vgl. Abbildung 51). Bei den nicht ländlichen Gebietstypen zeichnen sich ähnliche Verteilungen ab.

Bedeutung des ÖPNV für die Sicherung der Mobilität im Untersuchungsraum Auch wenn im ländlichen Raum die Stellung des ÖPNV im Vergleich zum Pkw schwach ist, erfüllt dieser eine äußerst wichtige Rolle. Der ÖPNV ermöglicht eingeschränkten Nut- zergruppen die Selbstständigkeit und die Teilhabe am öffentlichen Leben. Die wesentli- chen Zielgruppen des ÖPNV sind Schüler, Jugendliche im Ausbildungsalter, ökonomisch schlechter gestellte Personen, Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen und Ältere. Entsprechend gilt es auch unter schwierigen Bedingungen Angebote zu finden, die bei einem möglichst geringen finanziellen und organisatorischen Aufwand genau diese Per- sonengruppen ansprechen und erreichen. Wurden in der Vergangenheit überwiegend Linienverkehre zur ÖPNV-Versorgung der meisten ländlichen Räume genutzt, verschiebt sich das Verhältnis mehr und mehr zu fle- xiblen Bedienformen wie - Rufbus - Sammeltaxi oder - Bürgerbus. Der Vorteil besteht hierbei in den oftmals geringeren Kosten für das Mobilitätsangebot, da es an die Nachfrage sehr gut angepasst werden kann. Hierdurch kann eine gleichwertige Versorgung zu geringeren Kosten oder eine bessere Versorgung zu gleichen Kosten an- geboten werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, die potenziellen Nutzer von neuen An- gebotsformen zu überzeugen und bestehende Hemmschwellen abzubauen. Wichtig hier- für ist, dass neue Angebotsformen klar verständlich und praktikabel sind. Wie der aktuelle Entwurf zum regionalen Nahverkehrsplan der Planungsregion Nord- westmecklenburg zeigt, liegt die Zukunft des Linienverkehrs im Untersuchungsraum vor allem auf den zentralen Achsen, in den Tourismusräumen sowie in den Stadtbereichen. Ländliche Bedienungsräume sollen künftig vermehrt durch flexible Bedienformen versorgt werden. Die funktionierende Verzahnung der flexiblen Bedienformen mit den Linienver- kehren ist bei einem solchen Konzept von großer Bedeutung.

Organisation und aktuelles Angebot des ÖPNV im Untersuchungsraum Als Aufgabenträger für den ÖPNV tritt im Untersuchungsraum das Land Mecklenburg Vorpommern durch die Verkehrsgesellschaft M-V mbH (VMV) sowie der Landkreis Lud- wigslust-Parchim auf. Die VMV ist Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und der Landkreis Ludwigslust-Parchim für den straßengebundenen ÖPNV.

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Schienenpersonennahverkehr Das Untersuchungsgebiet wird derzeit durch zwei Regionalbahnlinien durchzogen. Die Regionalbahnlinie zwischen - - Hagenow Land – Ludwigslust – Parchim – Lübz – Karow – Waren (Mü- ritz) – Neustrelitz wird durch die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) befahren. Es besteht ein 120- Minuten-Grundtakt, der an Wochentagen, wie auch an Wochenenden eingehalten wird. Auch in den späteren Abendstunden wird die Verbindung angeboten. Die auch als „ Mecklenburgische Südbahn“ bezeichnete Bahnlinie übernimmt besonders seit der Fusion der Altkreise Ludwigslust und Parchim eine wichtige Verbindungsfunktion zwischen den beiden Kreisverwaltungsstandorten und Mittelzentren. Weiterhin stellt die Linie für den Luftkurort Plau am See (über Karow) und das Grundzentrum Lübz eine Schienenanbin- dung zum nächsten Mittelzentrum sowie zum ICE-Bahnhof Ludwigslust her. Durch den Bahnanschluss wird die Zentralität der Mittelzentren aber auch der Grundzentren gestärkt, da ein Erreichen der Metropolen Hamburg und Berlin sowie der Landeshauptstadt Schwe- rin ohne Verkehrsmittelwechsel möglich ist. Auch für die Erreichbarkeit der Region von außen ist die Bahnlinie von großer Bedeutung. Dies ist besonders für den Tourismusraum Plau am See ein wichtiger Standortfaktor. Weiterhin vernetzt die Trasse das Untersu- chungsgebiet mit der östlich angrenzenden Mecklenburger Seenplatte. Die Regionalbahnlinie zwischen - Rehna – Gadebusch – Schwerin – Crivitz – Parchim wird durch die Ostseelandverkehr GmbH bedient und weist einen 60-Minuten Grundtakt auf. Dieser wird an den Wochenenden ebenso eingehalten wie auch in den späteren Abendstunden. Durch die im Vergleich zum leicht versetzt verkehrenden Bus schnelle Verbindung wird das Mittelzentrum an die Landeshauptstadt Schwerin gut angebunden, was den Wohn- und Arbeitsstandort Parchim nachhaltig stärkt. Abbildung 52: Auszug aus dem bestehenden SPNV-Linienplan (Stand 08.09.2012)

Quelle: Regionaler Planungsverband WM/ PBV

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Straßengebundener ÖPNV Strukturell ist der straßengebundene ÖPNV im Untersuchungsraum durch einen dominan- ten Regionalverkehr sowie durch die Stadtverkehre der zentralen Orte Parchim, Lübz und Plau am See geprägt. Wie im gesamten Verkehrsraum Westmecklenburg spiegelt sich in der heutigen Struktur im Liniennetz und Angebot des Regionalbusverkehrs die Entwick- lung der vergangenen Jahre wieder. Den strukturellen Entwicklungen folgend sind immer wieder Anpassungen an Linienführung und Angebot vorgenommen worden. Der Regio- nalbusverkehr konzentriert sich dabei auf die Achsen: - Schwerin – Crivitz – Goldberg – Karow - Parchim – Lübz – Plau am See bzw. Goldberg - Parchim – Sternberg - Güstrow – Karow – Plau am See – Meyenburg Die Erschließung der Räume jenseits der Achsen erfolgt durch Linienstrukturen mit Orien- tierung auf Parchim, Lübz und Plau am See. Aufgrund der hohen Bedeutung des Schüler- verkehrs auf diesen Linien, bestimmen die Schulstandorte und Schuleinzugsgebiete die wesentlichen Verkehrsbeziehungen. Die Angebote sind nachfrageorientiert und verkehren außerhalb der Schulzeiten nur an ausgewählten Betriebstagen als Grundversorgung. Jenseits der regionalen Achsen kommen vereinzelt auch flexible Bedienformen zum Ein- satz, dies beispielsweise bei der Buslinie 703 Klein Pankow – Redlin – Siggelkow – Par- chim. Hier wird die letzte angebotene Fahrt um 16.50 Uhr als Ruf-Bus angeboten. Hierbei ist eine Anmeldung am Vortag bis 12.00 Uhr erforderlich. Der wesentliche Anteil der Busleistungen wird durch den Reisedienst Parchim GmbH (RDP) erbracht. In den vier Gemeinden des Amtes Grabow erfolgt die Beförderungsleis- tung durch die Ludwigsluster Verkehrsgesellschaft mbH (LVG) 51 . Weiterhin werden ein- zelne Teilstrecken im Untersuchungsraum durch die SGS Bus & Reisen GmbH Schwerin, deren Gesellschafter der Landkreis Ludwigslust-Parchim sowie der Landkreis Nordwest- mecklenburg sind, sowie durch das Busunternehmen und Reisebüro M. Maaß GbR Plau- Quetzin bedient.

Planung des regionalen Nahverkehrsplans für den Untersuchungsraum Die Nachfrageprognose im Rahmen des regionalen Nahverkehrsplans geht, analog zu den vergangenen Jahren, bis 2025 von einem weitergehenden Rückgang in Höhe von ca. 5% aus. Der Prognose wurde zugrunde gelegt, dass keine weiteren Angebotsreduzierun- gen bezogen auf das Gesamtvolumen vorgenommen werden. Neben der allgemeinen Reduktion der Einwohnerzahl führt auch die Veränderung der Alterszusammensetzung zu einer rückläufigen ÖPNV-Nachfrage. Besonders beim Schülerverkehr ist künftig mit rück- läufigen Zahlen zu rechnen. Durch eine Zunahme der Personen im Seniorenalter über 65 Jahren werden zwar in dieser Altersklasse zukünftig mehr Personen den Bus oder die Bahn nutzen, dies wird aber voraussichtlich nicht die schwindenden Schülerzahlen kom- pensieren können. Aktuell stabilisieren sich die Schülerzahlen in der Planungsregion und auch im Untersuchungsraum. Erst gegen 2025 bzw. 2030 wird mit einem erneuten Ein- brechen der Schülerzahlen gerechnet. Unter der Berücksichtigung der Nachfrageveränderung, des neuen regionalen Planungs- ansatzes sowie der stetigen Fortentwicklung von Mobilitätsangeboten wird derzeit der regionale Nahverkehrsplan aufgestellt. Die Konzeption sieht eine Einteilung des Untersu- chungsraums in Haupt- und Nebenachsen sowie ländliche Bedienungsräume vor. Weiter- hin sind touristische Funktionen berücksichtigt. Die Anbindung der ländlichen Bedienungs-

51 Mit Beschluss des Kreistages vom 20. Juni 2013 wurde die Neubildung der Verkehrsgesellschaft LWL-PCH rückwirkend zum 01. Januar 2013 beschlossen.

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räume an die Haupt- und Nebenachsen erfolgt über Anschlusspunkte in Parchim, Lübz und Plau am See/ bzw. Karow. Als schienengebundene Hauptachse sind die Verbindungen - Schwerin - Crivitz – Parchim - Hagenow – Ludwigslust – Parchim - Lübz - Karow – Neustrelitz vorgesehen. Als straßengebundene Hauptachse ist die Verbindung - Schwerin – Crivitz – Parchim (mit leichtem Versatz zur Bahntrasse) vorgesehen. Nebenachsen (straßengebunden) bilden die Abschnitte: - Parchim – Lübz – Plau am See (als Verlängerung der Hauptachse Schwerin – Parchim) - Crivitz – Goldberg – Karow (- Plau am See) - Lübz – Goldberg – Güstrow - Sternberg – Parchim - Güstrow – Krakow – Karow – Plau am See - Meyenburg

Abbildung 53: Auszug aus der Nahverkehrsplanung (Haupt- und Nebenachsen)

Quelle: Regionaler Planungsverband WM/ PBV-Berlin Handlungsempfehlung: Hauptachse Hagenow – Ludwigslust – Parchim – Lübz – Karow (Mecklenburgische Süd- bahn) als Schienenverkehr erhalten Als Aufgabenträger für den SPNV berät derzeit das Land Mecklenburg-Vorpommern über den Fortbestand der Zugverbindung zwischen Ludwigslust – Parchim – Lübz – und Karow. Als Alternative wird ein Schienenersatzverkehr mittels Bus diskutiert. Aus Sicht der Region nimmt die Schienenverbindung eine sehr gewichtige Rolle ein. 1. Die Bahnanbindung ist sehr wichtig für die Öffnung der Region nach außen. Über die Verbindung erfolgt ein direkter Anschluss an den ICE-Bahnhof Ludwigslust, der unter anderem die Möglichkeit zur Weiterfahrt nach Hamburg und Berlin ermöglicht. Beim Zugang zum Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz ist die Geschwindigkeit der Zubringer- verkehre von hoher Bedeutung. Die Annahme eines Busersatzverkehrs als Zubringer zum ICE erscheint sehr fraglich.

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2. Auch für den Tourismusstandort Plau am See (über Karow) ist die Bahnverbindung von großer Bedeutung. Besonders als Kurort wird vermehrt ein älteres Publikum an- gesprochen. Die Akzeptanz von Bussen liegt allgemein hinter der von Bahnen zurück und könnte damit die Attraktivität des Tourismusstandortes schmälern. Dies gilt bei der direkten Erreichbarkeit als auch bei Ausflügen von Plau am See aus. 3. Weiterhin fördert Sie die Verknüpfung zwischen den beiden Verwaltungsstandorten des neu gebildeten Großlandkreises. Die erforderlichen Abteilungszusammenlegun- gen und Umstrukturierungen werden voraussichtlich erhöhte Pendler- und Dienstver- kehre zwischen den beiden Verwaltungsstandorten mit sich bringen. Die Bahnverbin- dung bietet hierbei eine wichtige Alternative zum Pkw. 4. Bei einer Einstellung der Bahnstrecke wäre nicht nur der SPNV betroffen, sondern auch der Güterverkehr und die Wirtschaftsunternehmen, die dieses Medium nutzen (bspw. das ISOVER-Werk in Lübz). Entsprechend wird empfohlen, die Hauptachse zwischen Ludwigslust und Karow auch weiterhin mit der Bahn zu bedienen. Falls sich die Landesregierung bzw. das entscheidende Gremium doch für eine Stilllegung der Strecke entscheidet, muss zumindest für die ausreichende Finanzierung eines gleichwertigen Schienenersatzverkehres gesorgt werden. Motorisierter Individualverkehr Straßennetz Der Untersuchungsraum verfügt über ein sehr ausgedehntes Straßennetz. Das Untersu- chungsgebiet wird von der Bundesautobahn (BAB) 24 von Südosten nach Westen durch- zogen. Die Anschlussstellen 14 (Parchim-West), 15 (Parchim), 16 (Suckow) und 17 (Put- litz) ermöglichen die Zu- und Abfahrt auf die BAB, die einen direkten Anschluss an Berlin (ca. 150 km) und Hamburg (ca.120 km) herstellt. Parallel zur östlichen Untersuchungs- raumgrenze verläuft die BAB 19 von Rostock bis zum Dreieck Wittstock/Dosse. Hierüber wird besonders im östlichen Untersuchungsraum eine zügige Anbindung an das Ober- zentrum Rostock (ca. 80 km) und die Ostseeküste hergestellt. Weiterhin durchziehen die Bundesstraßen B 321 (Schwerin – Crivitz – Parchim – Suckow), B 191 (Ludwigslust – Neustadt Glewe – Parchim – Lübz – Plau am See) und B 103 (Güstrow – Karow – Plau am See – Meyenburg – Pritzwalk) den Großraum um Par- chim. Die B 321 stellt besonders für die Stadt Parchim und die nordwestlichen Gemeinden eine gute und schnelle Verbindung zur Landeshauptstadt Schwerin her. Die B 191 ist vor allem für die Vernetzung der zentralen Orte innerhalb der Region sowie zur Vernetzung Richtung Ludwigslust wichtig. Das überörtliche Straßennetz aus BAB und Bundesstraßen wird zusätzlich durch kreisli- che und kommunale Straßennetze ergänzt, die die Erschließung auch der kleineren Sied- lungen abseits der zentralen Achsen sicherstellen. Pendlerportal des Regionalen Planungsverbandes Westmecklenburg Um die Mobilität in der Region zu erhöhen, Mobilitätsströme zu bündeln und dadurch Kos- ten für die regelmäßigen Pendlerwege zu reduzieren, wurde durch den Planungsverband Westmecklenburg das Pendlerportal Westmecklenburg initiiert. Das derzeitige Fahrtenan- gebot ist noch recht begrenzt. Der Aufbau der Seite sowie die nun verfügbare Smartpho- ne-App lassen jedoch auf eine steigende Verbreitung und Akzeptanz hoffen. Internetseite: http://westmecklenburg.pendlerportal.de/index.htm?aktion=search Infos zur App: http://www.pendlerportal.com/das-pendlerportal/pendlerportal-app/index.html

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Radverkehr Das Fahrrad ist für die Region nicht nur im Alltagsverkehr ein wichtiges Verkehrsmittel. Auch im touristischen Bereich erfreut sich das Fahrrad einer wachsenden Beliebtheit. Um dieser Tatsache gerecht zu werden und um die Region touristisch zu stärken, wurde von 2010 bis 2013 das LEADER-Kooperationsprojekt „Radtouristisches Netzwerk“ auf Ebene des Regionalen Planungsverbandes initiiert. Ziel war die Erarbeitung eines Regionalen Radwegekonzeptes (RRK) in Kooperation mit den Landkreisen, Städten, Ämtern und Gemeinden. Weiterhin erfolgt über die eingerichtete Stelle eine Unterstützung und Vorbe- reitung von Ausbaumaßnahmen und die Recherche nach geeigneten Finanzierungsmo- dellen und Fördermöglichkeiten. Das Projekt wurde bis 2014 verlängert, um die bisherigen Aktivitäten zur Umsetzung des RRK fortzusetzen und dieses um den Bereich „Alltagsrad- verkehr“ zu erweitern. Die folgende Abbildung zeigt einen Auszug aus dem aktuellen RRK mit den Radfernwegen, regional bedeutsamen Radwegen sowie Planungen und Aktivitä- ten für das Radwegenetz. Abbildung 54: Auszug aus dem Regionalen Radwegekonzept Westmecklenburg

Quelle: Amt für Raumordnung und Landesplanung 2009 Weitere Ergebnisse aus der Konzeption sowie Informationsmaterialien zu regionalen Radwanderwegen und bedeutsamen Radtouren können auf der Internetpräsens des Re- gionalen Planungsverbandes unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.westmecklenburg-schwerin.de/de/projekte/radwege/

6.3.2 Leitziele für die Mobilität im Untersuchungsraum Auf Grundlage der Bestandsanalyse und der in den Arbeits-, und Steuerungsgruppensit- zungen erfolgten Diskussionen, werden nachfolgenden Leitziele ausgegeben, die zur Ori- entierung bei der künftigen strategischen Mobilitätsentwicklung aber auch bei der Ausar- beitung konkreter Handlungsansätze dienen sollen. 1. Mobilitätsangebot soll gesellschaftliche Teilhabe und selbständige Lebensfüh- rung ermöglichen „Das allgemeine Mobilitätsangebot in der Region ermöglicht allen Personen, egal ob alt oder jung, reich oder arm, körperlich eingeschränkt oder gesund, die vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und eine selbstständige Lebensführung.“

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2. Multimodale Verkehrsmittelnutzung komfortabel gestalten „Der Pkw ist als wichtiges Verkehrsmittel im ländlichen Raum anerkannt. Der komfor- table Umstieg auf andere Verkehrsmittel wie Bus und Bahn ist an den zentralen ÖPNV-Knotenpunkten möglich.“ 3. ÖPNV-Versorgung wird gesellschaftlich gestützt „Dem ÖPNV obliegt eine besonders hohe Bedeutung für die Mobilitätssicherung von beispielsweise körperlich oder ökonomisch eingeschränkten Nutzergruppen, und wird entsprechend des Solidaritätsprinzips durch die Gesellschaft unterstützt.“ 4. Optimaler Mix der Bedienformen im ÖPNV „Das ÖPNV-Angebot ist auf die lokalen Bedürfnisse angepasst und besteht aus einem optimalen Mix von Linienverkehren und flexiblen Bedienformen.“ o Die einzelnen Angebote sind untereinander intensiv abgestimmt um Dopplungen von Angeboten zu vermeiden. o Zentrale Verkehrsachsen sind gestärkt und weisen eine gute und regelmäßige Bedienung auf. 5. Einrichtung einer Mobilitätszentrale Alle bestehenden Mobilitätsangebote sind für die Nutzer über eine gemeinsame Platt- form, bzw. eine Mobilitätszentrale, transparent und unkompliziert dargestellt und kön- nen über diese auch gebucht werden. 6. Integration alternativer Bedienformen in zentrale Plattformen „Bürgerschaftliche Initiativen wie Bürgerbusse und die Mitnutzung privater Fahrten sind in die zentrale Plattform integriert.“ 7. Ausbau und Förderung der E-Mobilität „E-Mobilität erweitert das Mobilitätsangebot in der Region und wird durch den Ausbau benötigter Infrastrukturen, wie Ladestationen und Unterstellmöglichkeiten von E-Bikes, unterstützt.“

6.3.3 Fokusthemen Im DemografieCheck sollen moderne, nachhaltige und intelligente Organisationsmodelle der Daseinsvorsorge für die Region entwickelt bzw. aus anderen Regionen übertragen werden, um auch bei einer fortschreitenden räumlichen Bevölkerungsausdünnung das bestehende Infrastrukturangebot halten zu können bzw. dieses nach Möglichkeit zu ver- bessern. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, erfolgte im Rahmen der Arbeitsgruppe Mo- bilität eine weitergehende Fokussierung auf konkrete Ideen und Ansätze, die Potential für eine Verbesserung der Mobilität in der Region bieten. Nach Diskussion in der Arbeits- gruppe wurden folgende Teilthemen detaillierter beleuchtet: - Mitnutzung der „Sonnenscheinbusse“ - Förderung des Radwegeausbaus/ Multimodale Verkehrsmittelnutzung - Einbindung von E-Bikes in das ÖPNV-Netz (inmod) - Barrierefreiheit im ÖPNV – Haltestellenkonzeption - Car-Sharing im ländlichen Raum - Erweiterung der ÖPNV-Fahrpläne durch private Fahrten (Mobilfalt/ Multi-Mobil) Nicht alle Themen können zu konkreten Projektansätzen weiterentwickelt werden. Es konnte jedoch auch bei den „aussortierten“ Themen die eine oder andere Handlungsemp- fehlung abgeleitet werden, die Potenzial hat, die Mobilitätssituation in der Region nachhal- tig zu stärken. Ansätze mit einem besonders großen Nutzwert oder einem günstigen Ver- hältnis von Aufwand und Nutzen, werden unter Punkt 6.3.4 in konkrete Projektansätze überführt.

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Mitnutzung der „Sonnenscheinbusse“ Die orange-blauen Fahrzeuge der Schulbusse Sonnenschein OHG sind in und um Par- chim sehr präsent: Besonders in den Morgen- und Abendstunden tauchen diese immer wieder im Straßenbild auf. Die Busse scheinen oftmals noch über freie Plätze zu verfü- gen. Weiterhin sind sie so ausgestattet, dass Personen mit körperlichen Beeinträchtigun- gen transportiert werden können. Es stellt sich daher die Frage, ob freie Kapazitäten auch für den allgemeinen Transport im Rahmen des ÖPNV genutzt werden können. So könn- ten beispielsweise Senioren das Verkehrsmittel nutzen, um zum Arzt zu gelangen. Die Recherchen zum Thema haben gezeigt, dass die Schulbusse Sonnenschein OHG die Beförderung von Menschen mit Behinderung durchführt. Diese fällt laut Freistellungsver- ordnung (FrSTllgV) unter die Kategorie freigestellter Linienverkehr und unterliegt damit nicht den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetztes (PBefG). Die Fahrer der „Sonnenscheinbusse“ benötigen daher keinen Personenbeförderungsschein. Die Beauf- tragung und Abrechnung des Transportes erfolgt ausschließlich über die Träger der Ein- richtungen, zu denen die Personen befördert werden. Eine Entgeltabrechnung während bzw. vor oder nach der Fahrt ist nicht möglich. Es dürfen auch nur Personen transportiert werden, die vorab namentlich und mit Anschrift bekannt sind. Unter den bisherigen Rahmenbedingungen ist eine Ausweitung des zu befördernden Per- sonenkreises nicht möglich. Möglichkeiten zur Anpassung dieser Konditionen bestehen bei der regelmäßigen Ausschreibung der Beförderungsleistungen behinderter Menschen, die über den Landkreis Ludwigslust-Parchim erfolgt. Hier könnte, wenn erwünscht, ange- setzt werden. Die Befreiung des Transportunternehmens von den Bestimmungen des Personenbeförde- rungsgesetzes ist jedoch teils kritisch zu sehen. Der Erwerb eines Personenbeförde- rungsscheins sollte als Qualitätsmerkmal gesehen werden, besonders bei schwer zu be- fördernden Personengruppen. Die oftmals fehlende Qualifikation des Fahrpersonals führt zu einer Marktverschiebung und zu geringen Vergütungen der Fahrer. Seitens der Schulbusse Sonnenschein OHG besteht weiterhin kein Interesse, ihr Beförde- rungsangebot auszuweiten, da es nicht dem Unternehmenskonzept entspricht. Durch eine Ausweitung des Kreises der beförderten Personen könnte es auch zu Konflikten mit den örtlichen Taxi-Unternehmen kommen. Die Diskussion innerhalb der Arbeitsgruppe hatte zum Ergebnis, dass der Ansatz nicht der geeignete Weg ist, um das Mobilitätsangebot in der Region zu verbessern. Besonders die Beförderung eines Systems, das die Qualitätsmerkmale des hiesigen ÖPNV aussetzt (Personenbeförderungsschein) und auf niedrige Personalkosten setzt, erscheint nicht sinnvoll. Förderung des Radwegeausbaus/ Multimodale Verkehrsmittelnutzung Das Fahrrad ist ein wichtiges Verkehrsmittel im Raum Parchim. Die Ausstattung der Re- gion mit gut ausgebauten Radwegen und das Fortentwickeln zu einem durchgängigen Radwegenetz sind für den Alltagsverkehr und die Mobilität der Menschen von großer Be- deutung. Entsprechend erscheint das vorgestellte Regionale Radwegekonzept und die Unterstützung bei der Fördermittelbeantragung als ein sehr guter Ansatz.

Handlungsempfehlung: Verstetigung der regionalen Radwegeplanung Die bisherigen Aktivitäten zur regionalen Radwegekonzeption erfolgten durch Kapazitä- ten, die im Rahmen eines LEADER-geförderten Projektes erfolgten. Eine inhaltliche und zeitliche Fortführung des Projektes ist sinnvoll. Die Planung von Verkehrsnetzen darf nicht an Gemeinde- oder Landkreisgrenzen enden. Eine regionale Koordination ist sinnvoll und sollte daher dauerhaft eingerichtet werden.

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Die Mittel für den Radwegeausbau entlang von Bundes- und Landesstraßen werden ab 2014 auf 2,5 Mill. bzw. auf 1,0 Mill. € gekürzt. Aus Sicht der Arbeitsgruppenmitglieder ist jedoch der Bedarf weiterhin hoch und eine Mittelkürzung daher ein falsches Signal. Be- sonders unter Berücksichtigung, dass Pedelecs auch im Raum Parchim mehr und mehr Zuspruch finden, kann in Zukunft mit einer Zunahme des Fahrradverkehrs gerechnet wer- den. Dies gilt besonders auch für mittellange Strecken in die zentralen Orte, die vermehrt über die Bundes- und Landesstraßen zu erreichen sind.

Handlungsempfehlung: Forcierung des Radwegeausbaus an Bundes- und Landesstraßen Der Radwegeausbau an Bundes- und Landesstraßen soll auch weiterhin forciert werden. Durch die zunehmende Nutzung von Pedelecs nimmt die Bedeutung von Radwegen künf- tig zu. Erprobung und Evaluierung von neuen Ansätzen zur Sicherung des Radverkehrs Neue Ansätze wie die Abmarkierung von Radstreifen auf der Fahrbahn sind zu erproben und die Ergebnisse zu analysieren. Bei fehlendem oder nicht ausreichendem Erfolg der Maßnahmen, müssen die konventionellen Maßnahmen wie der klassische Radwegeaus- bau weiter vorangetrieben werden.

Die Reichweite des Fahrrads ist in der Regel auf kurze und mittlere Distanzen beschränkt. Besonders bei der intermodalen Verkehrsmittelnutzung ist das Fahrrad jedoch wichtiger Bestandteil des Verkehrsmittelmixes und trägt so zur Mobilitätssicherung in der Region stark bei. Die Vereinbarkeit von Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung ist daher ein wichtiges Ele- ment bei der Verbesserung der Mobilität im Untersuchungsraum. Für den Alltagsverkehr nehmen vor allem die Knoten- und Vernetzungspunkte zwischen den verschiedenen Ver- kehrsmitteln eine wichtige Rolle ein. Den Nutzern soll eine komfortable intermodale Ver- kehrsmittelnutzung ermöglicht werden.

Handlungsempfehlungen: Stärkung der intermodalen Verkehrsmittelnutzung Hierzu sind Möglichkeiten der Fahrradmitnahme im ÖPNV und/oder geeignete Abstell- möglichkeiten an den Haltestellen zu schaffen. Dies gilt besonders für die Knotenpunkte wie Bahnhöfe und zentrale Bushaltestellen mit Umstiegsfunktion. Um den Umstieg vom Fahrrad auf den ÖPNV zu erleichtern, sind nicht nur die Halte- stellen fahrradfreundlich zu gestalten, sondern auch das weitere Umfeld (Beschilderung, Wegeverbindungen, Gestaltung des Straßenraums,…)

Einbindung von E-Bikes in das ÖPNV-Netz (in mod ) Der konzeptionelle Ansatz, der Umsetzungsweg sowie erste Auswertungsergebnisse des Modellvorhaben „INMOD – Elektromobilität auf dem Land“ wurde intensiv beleuchtet und unter anderem durch Herrn Krüger von der Hochschule Wismar im Rahmen der Arbeits- gruppensitzungen vorgestellt. Das Thema Elektromobilität für den ländlichen Raum stellt für die Arbeitsgruppe ein interessantes Thema dar. Die Integration von Elektrofahrrädern in den ÖPNV wird durch die Arbeitsgruppe aller- dings eher als Ergänzung zum bestehenden ÖPNV-Angebot gesehen, als ein gleichwerti- ger Ersatz, da nicht alle Bevölkerungsgruppen hierdurch angesprochen werden können. Weiterhin ist die Nutzung von Elektrofahrrädern stark witterungsabhängig. Im Rahmen des INMOD-Projektes wurde die Problematik auch bereits erkannt und Ansätze diskutiert den in der Erprobung befindlichen Ansatz insofern zu modifizieren, dass die Zubringer zur zentralen Expressbustrasse auch über gemeindlich organisierte Mobilitätsangebote über-

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nommen werden könnten. Diese Aufgabe könnte beispielsweise auch von Bürgerbussen oder dergleichen ausgeführt werden. Die allgemeine Durchführung von Modellvorhaben ist sinnvoll und ein wichtiger Bestand- teil für die Etablierung neuer Lösungsansätze in der Praxis.

Handlungsempfehlungen: Finanziellen Handlungsspielraum für die Verstetigung von Modellansätzen schaffen Die finanzielle Ausstattung des ÖPNV hat in den vergangenen Jahren stark abgenom- men. Dies hat zu einer Angebotseinschränkung geführt. Modellvorhaben zur Optimierung und Erweiterung des Angebotes erscheinen nur sinnvoll, wenn im realen Betrieb auch Mittel und Wege bereitgestellt werden, wie diese in der Praxis Anwendung finden können.

Barrierefreiheit im ÖPNV – Haltestellenkonzeption Die Haltestellen bestimmen neben den Fahrzeugen das wesentliche Erscheinungsbild des ÖPNV. Die Ausstattung und das Erscheinungsbild wirken sich direkt auf den Reise- komfort aus und beeinflussen daher im hohen Maße die Entscheidung den ÖPNV zu nut- zen. Entsprechend gilt es die Haltestellen in einem guten Zustand zu erhalten bzw. diesen herzustellen. Für Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sei es z.B. durch Krank- heit oder Alter, stellt der ÖPNV weiterhin ein wesentliches Element für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und für eine selbstständige Lebensführung dar. Eine barriere- freie oder zumindest barrierearme Ausgestaltung der Haltestellen sowie der Fahrzeuge ist daher besonders wichtig. Entsprechende Vorgaben werden unter anderem durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) ausgegeben. Die Verantwortung für die Verbesserung der Haltestellenausgestaltung liegt im Wesentlichen bei den Kom- munen und Verkehrsunternehmen. Dem Verkehrsunternehmen obliegt dabei die Verant- wortung für die Aushangfahrpläne, den Mast, die Haltestellenbeschilderung und eventuel- le Aushängekästen. Alle weiteren Veränderungen und baulichen Maßnahmen liegen hin- gegen im Aufgabenbereich der Kommunen. Der finanzielle Handlungsspielraum vieler Kommunen ist stark eingeschränkt. Daher ist ein gezielter Mitteleinsatz erforderlich. Eine Haltestellenkonzeption, die bei der Priorisie- rung von Maßnahmen hilft, soll daher in Punkt 6.3.4 konzipiert werden.

Car-Sharing im ländlichen Raum Auch bei einer bundesweiten Betrachtung erscheint Car-Sharing im ländlichen Raum noch nicht richtig angekommen zu sein. Größtes Manko scheinen die eingeschränkten Möglichkeiten eines wirtschaftlichen Betriebs sowie die Erreichbarkeit der bereitstehenden Fahrzeuge zu sein. Aufgrund der größeren Distanzen im ländlichen Raum kann eine ver- gleichbare Dichte von Standortnetzen wie in urbanen Gebieten nicht erreicht werden. Weiterhin ist es in ländlichen Räumen schwerer starke Partner für die Umsetzung ent- sprechender Konzepte zu finden. Übrig bleiben lediglich Bürgerschaftliche Initiativen bzw. die Kommunen, die jedoch im Raum Parchim meist nicht die finanziellen Spielräume be- sitzen, ein entsprechendes Modell umzusetzen. In der Arbeitsgruppe wurde daher ein alternativer Ansatz diskutiert. Dabei sollen Fahrzeu- ge mobilisiert werden, die ohnehin in den Gemeinden vorhanden sind und durch die Schaffung eines unkomplizierten und zuverlässigen Organisationssystems sowie der Schaffung sicherer, rechtlicher Rahmenbedingungen in eine allgemeine Nutzung gebracht werden können. Zur Fortentwicklung des Ansatzes müssten folgende Handlungsschritte erfolgen: - Welche Fahrzeuge könnte für eine solche Nutzung heran gezogen werden? Erhe- bung von Fahrzeugpotenzialen

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o Gemeindliche Fahrzeuge, Fahrzeuge von Gemeinden, Bürgerbusse, Fahrzeuge von privatwirtschaftlichen Unternehmen - Aufbau eines Organisationssystems, über dass die Buchung und Abrechnung un- kompliziert erfolgen kann - Wer kann das Projekt tragen und verwalten? Der Ansatz erscheint interessant. Die tatsächliche Umsetzung in der Region erscheint unter den gegebenen Rahmenbedingungen jedoch schwierig und unwahrscheinlich. Von einer Fortentwicklung im Rahmen des DemografieChecks wird daher zugunsten anderer Projektansätze abgesehen.

Erweiterung der ÖPNV-Fahrpläne durch private Fahrten (Mobilfalt/ Multi-Mobil) Das Modellvorhaben „Mobilfalt“ des Nordhessischen Verkehrsverbundes (NVV) ist in den Populärmedien sehr präsent. Beim Projekt geht es darum, die Fahrtenpotenziale der mit dem Privat-Pkw durchgeführten Fahrten zu nutzen und diese in die bestehenden ÖPNV- Fahrpläne zu integrieren. Hierbei soll keine Konkurrenz zu den bestehenden ÖPNV- Angeboten aufgebaut werden, sondern Lücken im Fahrplan aufgefüllt werden. Durch die so erfolgende Ausweitung und Verstetigung des Mobilitätsangebotes soll der ÖPNV an Attraktivität gewinnen. Um den Projektansatz umzusetzen, wurde eine zentrale Bu- chungsplattform eingerichtet, die das Anbieten und Buchen dieser Fahrten ermöglicht. Um die Erfahrungen aus Nordhessen aufzugreifen, erfolgte ein intensiver Austausch mit Mit- arbeitern des Nordhessischen Verkehrsverbundes. Der Ansatz erscheint sehr interessant und unter leichten Anpassungen auf den Raum Parchim übertragbar. Daher soll der Ansatz unter Punkt 6.3.4 im Detail betrachtet werden.

6.3.4 Projektansätze Die folgenden Ansätze bieten ein großes Potenzial zur Verbesserung der Mobilität im Un- tersuchungsraum und werden entsprechend detailliert beleuchtet.

„Multi-Mobil“ - Erweiterung bestehender ÖPNV-Fahrpläne durch private Fahrten Das Projekt Multi-Mobil wurde in Anlehnung an das Projekt Mobilfalt des NVV entwickelt. Der Grundsatz und die generelle Organisationsstruktur werden in weiten Teilen über- nommen, auf den Raum Parchim übertragen und angepasst. Weitere Informationen zum Projekt Mobilfalt finden sich unter folgender Internetpräsenz: http://www.mobilfalt.de/ Der Grundgedanke Der Projektansatz soll das bisherige fahrplangebundene ÖPNV-System um weitere Mobi- litätsmöglichkeiten ergänzen. Vorhandene Buslinien-Fahrpläne sollen durch Multi-Mobil- Fahrten aufgefüllt werden. Im Fokus steht vor allem die Mobilisierung des Fahrtenpoten- zials, das durch die Nutzung der zahlreichen privaten Pkw im Untersuchungsraum be- steht. Der Ansatz lautet: Wer ein Auto hat, kann am Nahverkehr aktiv mitwirken und seine regelmäßigen oder unregelmäßigen Fahrten zur Mitfahrt bereitstellen. Im Gegenzug erhält der Fahrer eine festgelegte Kostenerstattung. 52 Durch die Integration in das fahrplangebundene ÖPNV-System kann die direkte Konkur- renz zu den bestehenden Linienfahrten ausgeschlossen werden. Gleichzeitig werden in vormals unterversorgten Zeiten Mobilitätsangebote geschaffen, die nach Möglichkeit zu einem durchgehenden Taktfahrplan führen.

52 Im Projekt Mobilfalt des NVV wird ein gefahrener Kilometer mit 0,30 € vergütet. Der eingefahrene Betrag wird dem Mobilfalt-Konto gutgeschrieben und kann auf Wunsch ausgezahlt werden.

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Die Einfachheit und Transparenz des Angebotes sind für die Mitfahrer ebenso wichtig, wie die Zuverlässigkeit der Fahrtenangebote. Fällt eine privat angebotene Fahrt aus, muss für eine unkomplizierte Absicherung des Mobilitätsangebotes gesorgt werden. Auch auf Seite der Fahrtenanbieter muss für eine Verlässlichkeit der Mitnahmeanfragen gesorgt werden. Zum einen ist die Zahl der verfügbaren Plätze begrenzt und zum anderen braucht ein Fahrer keine Haltestelle anfahren, an der keine Mitfahrer auf ihn warten. Um die nötige Verlässlichkeit herzustellen, ist eine zentrale Buchungsplattform erforderlich, über die die Multi-Mobil-Fahrten im Vorfeld der Fahrt verbindlich gebucht werden können. Diese muss so gestaltet sein, dass für alle Bevölkerungsgruppen eine Buchung bzw. das Anbieten von Fahrten möglich ist. Denkbar ist auch die Einbeziehung weiterer Mobilitätsangebote wie Bürgerbusse oder die Einbindung gemeinnütziger Organisationen und Unternehmen. Bei Verfügbarkeit freiwilli- ger Fahrer kann der Bürgerbus ebenfalls Multi-Mobil-Fahrten übernehmen und die Wirt- schaftlichkeit des Bürgerbus-Betriebes verbessern, da die fixen Betriebskosten sich auf eine höhere Fahrtenleistung verteilen. Erforderliche Projektbausteine Fahrplanintegration Die Integration der Multi-Mobil-Fahrten in das fahrplangebundene ÖPNV-System bietet viele Vorteile. Der seit Jahrzehnten bekannte Busfahrplan ist über alle Alters- und Bevöl- kerungsgruppen hinweg als Informationsmedium im Nahverkehr bekannt und anerkannt. Durch die Auffüllung des bestehenden Linienfahrplans mit Multi-Mobil-Fahrten werden keine Parallelverkehre zu den etablierten Verkehrsmitteln aufgebaut. Der Grundsatz lautet weiterhin, dass die Multi-Mobil-Fahrt nach Möglichkeit nur bis zum nächsten Verkehrskno- tenpunkt (zumeist in den Grund- oder das Mittelzentrum) führt, wo dann der Umstieg auf konventionelle Nahverkehrsprodukte möglich ist. Durch die Auffüllung des bestehenden Linienfahrplans zu einem durchgehenden Taktfahrplan wird das Mobilitätsangebot für die Nutzer zunehmend transparent und nachvollziehbar. Wünschenswert ist ein regelmäßiges Fahrtenangebot von beispielsweise 5.00 Uhr morgens bis 0.00 Uhr abends, mit einer stündlichen Taktung. Durch die Stetigkeit des Angebotes soll die Attraktivität und die An- nahme des ÖPNV verbessert werden. Online-basierte Buchungsplattform Um die Verlässlichkeit des privaten Fahrtenangebotes zu gewährleisten, ist für diese Fahrten eine Buchungsplattform erforderlich, die eine verbindliche Buchung (ähnlich wie beim Rufbus oder Sammeltaxi) zulässt. Um den Angebotsnutzern auch weiterhin die Mög- lichkeit einer spontanen und flexiblen Fahrtenplanung zu ermöglichen, sollen die Fahrten vergleichsweise kurzfristig gebucht werden können. 53 Die minimale Vorlaufzeit der Bu- chung soll gerade so viel Zeit einnehmen, dass ausreichend Zeit verbleibt den Fahrer über die Fahrtbuchung und Zustiegsinformationen zu informieren und eine Fahrtenbestä- tigung einzuholen. Wird die Mitnahme durch den Fahrer nicht bestätigt, muss noch aus- reichend Zeit verbleiben, dass die Fahrtenabsicherung durch beispielsweise das örtliche Taxiunternehmen greifen kann (hierzu mehr unter dem Punkt Fahrtenabsicherung). Eine online-basierte Buchungsplattform bietet die zuvor genannten Möglichkeiten und kann die erforderlichen Handlungsschritte im hohen Maße selbstständig durchführen. Der mit dem Betrieb der Buchungsplattform verbundene Aufwand ist somit vergleichsweise gering. 54

53 Im Projekt Mobilfalt des NVV müssen Buchungen von Mobilfalt-Fahrten mindestens eine Stunde vor Fahrt- antritt gebucht werden. 54 Die für das Projekt Mobilfalt der NVV neu entwickelte Buchungsplattform (Entwicklungskosten ca. 400.000 €) ist in ihrem Grundsatz auch für andere Regionen einsetzbar und könnte gegebenenfalls für das hier be- schriebene „Multi-Mobil“-Konzept übernommen werden. Es kann angenommen werden, dass hierdurch ein Großteil der Entwicklungskosten entfallen, und die Buchungsplattform somit zu vergleichsweise geringen Kosten implementiert werden kann. Entwickelt wurde die Plattform durch die Trapeze-Group (Standort Berlin (ITS Solutions), Tel: +49 30 340 60 27 -0, Email: [email protected]). Ansprechpartner ist Herr Benz.

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Auch das Anbieten von regelmäßigen oder unregelmäßigen Fahrten erfolgt direkt über die Buchungsplattform. Streckenabschnitte und Zeitpunkte, die nicht bereits über Linienver- kehre oder andere Multi-Mobil-Fahrer abgedeckt sind, stehen zur Auswahl bereit und brauchen nur durch den potenziellen Anbieter angeklickt werden. Das beschriebene Sys- tem erfordert vor der ersten Nutzung eine Registrierung. Nach der Registrierung erhält jeder Teilnehmer eine Multi-Mobil-Karte, auf der seine Nutzungsdaten enthalten sind. Die Information über Mitfahrer bzw. die Fahrtenbestätigung erfolgt in der Regel via Mobil- telefon oder per Email. Stehen diese Wege einem Nutzer bzw. einem Anbieter nicht zur Verfügung, kann auch der Weg über die Mobilitätszentrale bzw. Servicezentrale gegan- gen werden. Eine Erweiterung der Buchungsplattform in Form einer Smartphone-App ist wünschens- wert. Hierdurch könnte die Nutzung des Angebotes noch einfacher gestaltet werden. Mobilitätszentrale/ Servicezentrale Die Mobilitätszentrale verwaltet und wartet die Online-Buchungsplattform und nimmt Bu- chungs- bzw. Angebotsanfragen auch persönlich oder telefonisch entgegen. Es empfiehlt sich, bestehende Servicestellen oder Mobilitätszentralen des regulären ÖPNV hierfür mit zu nutzen und keine eigenständigen Kapazitäten aufzubauen. Die Mobilitätszentrale soll vor allem dafür sorgen, dass auch weniger computeraffine Bevölkerungsgruppen das Mul- ti-Mobil-Angebot nutzen können und eine telefonische bzw. persönliche Buchung vor- nehmen können. Fahrtenabsicherung Ein wesentliches Element für die Praktikabilität des Projektansatzes ist die Zuverlässigkeit des Fahrtenangebotes und damit die Fahrtenabsicherung. Hierin besteht auch ein we- sentlicher Vorteil gegenüber anderen Mitfahrbörsen, deren Zuverlässigkeit nicht immer gegeben ist. Die Fahrtenabsicherung greift in der Regel in zwei Fällen; Zum einen wenn bislang für die Multi-Mobil-Fahrt noch kein Fahrtenanbieter gefunden wurde und zum an- deren, wenn zwar die Fahrt durch eine Privatperson angeboten wird, die konkrete Mit- fahranfrage jedoch nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit bestätigt wird. Für die Fahrten- absicherung empfiehlt es sich, das örtliche Taxiunternehmen zu gewinnen. Zum einen verfügt das Unternehmen über die benötigte Infrastruktur und Reaktionsschnelligkeit und zum anderen bindet man das Taxiunternehmen in das Gesamtprojekt ein, so dass alle von Multi-Mobil profitieren. Die konkreten Konditionen für die Absicherung sind mit dem Taxiunternehmen direkt aus- zuhandeln. Beim Taxiunternehmen müssen für die eventuell benötigten Fahrten Fahrzeu- ge bereitgehalten werden. Hierfür werden in der Regel monatliche Grundvergütungen abgerufen. Bei der tatsächlichen Fahrtausführung kommen dann noch Kosten für die ge- fahrenen Kilometer und eventuell für die Anfahrt hinzu. 55 Marketing Für das Gelingen des Projektes ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeit unerlässlich. Das Prinzip ist vom Mitwirken der Bevölkerung abhängig. Zum einen müssen möglichst viele private Fahrer angeworben werden um die Kosten für durchgeführte Fahrten auf einem niedrigen Niveau zu halten. Zum anderen müssen möglichst viele Nutzer gewonnen wer- den, damit die angebotenen Fahrten auch nachgefragt werden. Es besteht die Gefahr, dass wenn öfter privat durchgeführte Fahrten angeboten werden, sich aber keine Mitfah- rer melden, den Anbietern der Aufwand für das Einstellen der Fahrt zu groß ist, da er die Kilometervergütung nur erhält, wenn auch tatsächlich Personen zusteigen. Daher muss ein breites Maßnahmen- und Werbepaket geschnürt werden, dass über den neuen Ansatz informiert sowie die neuen Möglichkeiten und den hiermit verbundenen

55 Im Projekt Mobilfalt der NVV beläuft sich die Bereitstellungsgrundgebühr pro Fahrzeug je nach Region zwischen ca. 800 € und 1.000 €. Die Kilometerpauschalen betragen je nach Vereinbarung zwischen 0,50 und 1,40 €.

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Vorteil für die Gesamtregion aufzeigt. Hierzu zählen Inforationsveranstaltungen und – stände vor Ort, Plakate, Infoflyer, ein gut gegliederter Internetauftritt, Kinospots und vieles mehr. Starthelfer und Anlaufstationen Um das Projekt ins Rollen zu bringen, empfiehlt es sich, Anlaufstationen vor Ort zu schaf- fen, über die das Projekt weitergetragen wird. Dies können beispielsweise Bäckereien, Arztpraxen, Tankstellen, Frisörläden oder ähnliches sein. Hier stehen Flyer, Plakate, Auf- kleber und weitere Informationsmöglichkeiten bereit. Wünschenswert wäre, wenn über die Anlaufstationen auch eine Buchung über das Internet erfolgen könnte, sprich weniger computeraffine Nutzer Ihre Buchung in der Anlaufstation vornehmen lassen können. Weiterhin sollte versucht werden, Multiplikatoren in den einzelnen Ortschaften mit dem Projekt zu erreichen, damit diese in der Bevölkerung für das Projekt werben. Rechtliches Das Projekt Multi-Mobil und damit der Projektträger tritt nicht als Verkehrsunternehmen auf, sondern lediglich als Vermittler von Fahrten. Mitfahrer bei privaten Fahrten sind in der Regel über die privaten KFZ- Haftpflichtversicherungen abgedeckt. Wer sich als Fahrer besonders absichern möchte, kann sich durch die KFZ-Versicherung den Versicherungsschutz durch eine formlose An- frage explizit bestätigen lassen. 56 Der Nutzerkreis für Mitfahrer sollte auf Personen über 14 Jahre eingeschränkt werden. Jüngere Personen könnten in Begleitung Erwachsener mitfahren. Fahrten kann jeder anbieten, der über einen Führerschein verfügt. Das Fahrzeug sollte nach Möglichkeit nach deutschem Recht zugelassen sein. Kosten Inwiefern ein kostendeckender Betrieb des Multi-Mobil-Konzeptes möglich ist, hängt unter anderem von - der Annahme des Angebotes, - dem Verhältnis von privat durchgeführten Fahrten zu Fahrten durch das örtliche Taxi- unternehmen, - den vereinbarten Vergütungssätzen, - den Betriebskosten für die Buchungsplattform und zusätzliche Serviceleistungen - sowie von weiteren Ausgaben wie beispielsweise für Marketing ab. Es ist davon auszugehen, dass vor allem in der Anlaufphase eine finanzielle Förderung des Ansatzes erforderlich ist. Inwiefern nach Etablierung ein zumindest kostenneutraler Betrieb möglich ist, kann aktuell nicht abgeschätzt werden. Das Projekt Mobilfalt wurde durch das Land Hessen mit einem Budget von ca. einer Milli- onen € ausgestattet. Mit den Mitteln wird ein Bedienungsraum mit knapp 35.000 Einwoh- nern abgedeckt. Wesentliche Kostenstellen sind dabei das Marketing mit ca. 200.000 € und die Entwicklung des Buchungssystems, die ca. 400.000 € gekostet hat. Da ein bereits existierendes Buchungssystem nun besteht, kann davon ausgegangen werden, dass die Kosten für das Buchungssystem wesentlich sinken. Das Projekt Mobilfalt des NVV stellt im Jahr ein Gesamtangebot von 907.234 km bereit. Die Kalkulationen gehen davon aus, dass ca. 5 % der angebotenen Fahrten auch durch Nutzer in Anspruch genommen werden. Dies sind 45.361 km jährlich. Die Kalkulation geht weiterhin davon aus, dass anfänglich ca. 30% der Mobilfaltfahrten durch private Pkw durchgeführt werden. Die restlichen 70 % werden durch die Rückfall-Taxis ausgeführt. Bei den in Hessen vereinbarten Konditionen ergibt sich folgende jährliche Kostenerreichung:

56 Ein vorgefertigtes Schreiben hierzu kann über das Projekt bereitgestellt werden.

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Tabelle 23: Kosten für die Mobilfalt-Kilometer

Kosten für die Mobilfalt-Kilometer:

Pkw 0,30 €/ km 4.082 € Rückfalltaxi 1,20 €/ km 38.103 € zusammen 42.185 € Einnahmen aus den Mobilfalt-Fahrten 1,00 – 2,00 € pro Fahrt 2.992 € Gesamtkosten 39.194 € p.a. Quelle: Materialien zum Workshop Alternative Bedienungsformen 11.06.2013 Frankfurt a.M. / NVV Kassel Der laufende Betrieb hat jedoch gezeigt, dass die Annahmen für den Anteil der genutzten Fahrten sowie für den Anteil der durch private Pkw ausgeführten Fahrten von der tatsäch- lichen Nutzung abweichen. Aktuell werden lediglich ca. 2 % der angebotenen Fahrten genutzt. Der Anteil der durch private Pkw ausgeführten Fahrten liegt bei ca. 10 %. Damit ergibt sich folgende aktualisierte überschlägige Rechnung: Tabelle 24: Kostenszenario bei angepassten Annahmen für das Projekt Mobilfalt

Kosten für die Mobilfalt-Kilometer:

Pkw 0,30 €/ km 1.360 € Rückfalltaxi 1,20 €/ km 48.989 € zusammen 50.349 € Einnahmen aus den Mobilfalt-Fahrten 1,00 – 2,00 € pro Fahrt 2.992 € Gesamtkosten 47.357 € p.a. Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von Informationen des NVV Alles in allem scheinen für den tatsächlichen Betrieb des Projektes Kosten um jährlich 50.000 € aufzutreten. Für eine überschlägige Projektbudgetermittlung lassen sich daher folgende Kosten ablei- ten, sollte für das Projekt Multi-Mobil ein vergleichbares Streckenangebot und vergleich- bare Konditionen zugrunde gelegt werden: Tabelle 25: Kostenschätzung für die Projektrealisierung Multi-Mobil

Kostenschätzung für die Projektrealisierung Multi-Mobil

Marketing ca. 150.000 €

Software/ Buchungssystem ca. 150.000 €

Kosten für die Multi-Mobil-Kilometer 50.000 € mal 3 Jahre ca. 150.000 €

Summe 450.000 € Quelle: eigene Berechnung Die zuvor genannte Kostenrechnung stellt lediglich eine Orientierungsgröße dar und kann sich durch die Verringerung oder Erhöhung der genannten Posten verändern. Weiterhin ist es denkbar, dass weitere Kostenstellen auftreten können, beispielsweise durch die Schaffung von Personalstellen. Im Vorfeld einer weiteren Projektanbahnung müssen konkretere Berechnungen zur Bud- getermittlung angestellt werden. Die hier genannten Zahlen dienen nur einer ersten Ein- schätzung. Maßnahmenraum Die Eingrenzung des Projektraums ist maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Mit- teln abhängig. Es ist jedoch zu empfehlen, den Projektraum nicht zu klein anzusetzen, da andernfalls die Strahlkraft und die Funktionalität für die Nutzer eingeschränkt werden

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könnte. Eine geeignete Eingrenzung erfolgt optimaler Weise auf Ebene der Nah- bzw. Mittelbereiche. Da die zentralen Orte als Umstiegs- bzw. Knotenpunkte im ÖPNV dienen, sollten die Linien, die in das Projekt aufgenommen werden, nicht abgeschnitten werden und immer bis zu einem Knotenpunkt führen. Der Gesamtraum des DemografieChecks erscheint für die Umsetzung des beschriebenen Projektes recht groß. Bei einer entsprechenden Mittelausstattung erscheint der Raum jedoch funktional für die Umsetzung des Multi-Mobil-Projektes geeignet. Welche Linien genau in das System eingezogen werden können, muss bei einer Detailprüfung mit an- hängiger Kostenermittlung erfolgen. Finanzierung und Trägerschaft Die Projektträgerschaft liegt vorzugsweise beim Aufgabenträger im ÖPNV oder bei den ausführenden Verkehrsbetrieben, da hier die konkrete Angebotsplanung und Durchfüh- rung erfolgt und somit eine detaillierte Abstimmung mit den zusätzlichen „Multi-Mobil“- Fahrten möglich ist. Ein weiterer Vorteil besteht in der Mitnutzung der ohnehin für den ÖPNV vorhandenen Strukturen und Service-Stellen. Besonders in der Startphase ist eine Förderung des Projektes erforderlich. Bei der Betrachtung allgemeiner Flächen-ÖPNV- Angebote zeigt sich, dass ein kostendeckender Betrieb generell schwierig ist. Entspre- chend müsste voraussichtlich auch im Regelbetrieb eine Querfinanzierung sichergestellt werden. Wünschenswert ist die Unterstützung durch das Ministerium für Energie, Infra- struktur und Landesentwicklung.

Handlungsempfehlung: Erprobung des Multi-Mobil-Ansatzes für eine Dauer von 3 Jahren Es wird empfohlen, den Multi-Mobil-Ansatz in einem Pilotprojekt auf die Dauer von drei Jahren zu erproben und bei erfolgreichem Verlauf in den Regelbetrieb zu überführen.

Einrichtung einer allumfassenden Mobilitätszentrale Die Einrichtung einer allumfassenden Mobilitätszentrale ist auch ohne die Umsetzung des Multi-Mobil-Ansatzes wünschenswert. Über die Mobilitätszentrale sollten nach Möglichkeit alle bestehenden Mobilitätsangebote erreichbar sein. Dies gilt für den Linienverkehr, die Taxiangebote, Bürgerbusse, 50/50 Taxi ebenso wie für die Angebote aus dem Multi- Mobil-Ansatz. Eine Mobilitätszentrale könnte so die Transparenz in den bestehenden Mo- bilitätsangeboten enorm erhöhen und zu einer Verbesserung der Mobilität im Untersu- chungsraum beitragen. Im Optimalfall reichen Informationen über die allgemeinen Para- meter der Reise (Abfahrtsort, Ankunftsort, Zeitpunkt und evtl. Alter etc.) aus, um alle Mög- lichkeiten ausgegeben zu bekommen, wie man am besten von A nach B kommt – ähnlich wie der Reiseplaner der Deutschen Bahn, jedoch unter Integration aller Mobilitätsformen und nicht nur unter Berücksichtigung des Bus- und Bahnverkehrs.

Bedarfsbezogene Haltestellenkonzeption Für Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, sei es z.B. durch Krankheit oder Alter, stellt der ÖPNV ein wesentliches Element für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und für eine selbstständige Lebensführung dar. Die Verantwortung für die Verbesserung der Haltestellenausgestaltung liegt im Wesentlichen bei den Kommunen und Verkehrsun- ternehmen. Eine bedarfsbezogene Haltestellenkonzeption könnte daher ein geeigneter Ansatz sein, den Handlungsbedarf bei einzelnen Haltestellen richtig einzuschätzen. Der Grundgedanke Aufgrund des eingeschränkten Handlungsspielraums, dem die meisten Kommunen durch die prekäre wirtschaftliche Lage unterliegen, ist eine zeitnahe und flächendeckende Her- stellung der Barrierefreiheit im ÖPNV nicht zu erwarten. Daher erscheint es sinnvoll, die Bedeutung der einzelnen Haltestellen für die Mobilität und Versorgung von Personen mit

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körperlichen Beeinträchtigung zu ermitteln, um hierauf aufbauend eine Prioritätenliste zu erstellen, wie zur Verfügung stehende Mittel mit dem größten Effekt eingesetzt werden können. Im Rahmen des LEADER-Projektes „Mobil im Aktionsraum“ wurde bereits eine Haltestel- lenkonzeption für die SPNV-Ersatzlinien 54 und 58 erarbeitet, die konkrete Ausstattungs- merkmale für einzelne Haltestellenkategorien ausgegeben hat. Die definierten Standards sollen bei der hier beschriebenen Konzeption übernommen werden. Die Priorisierung des Ausbaubedarfs soll vor allem an der Nähe zu Einrichtungen ausge- macht werden, die zu einer Konzentration von mobil eingeschränkten Personen führen, wie zum Beispiel Anlagen mit altengerechten Wohnformen oder alten- oder gesund- heitsspezifischen Infrastrukturen. Unter dem Gesichtspunkt einer selbstständigen Lebens- führung und einer vollständigen gesellschaftlichen Teilhabe sollen auch Versorgungsein- richtungen und Veranstaltungsstätten in die Betrachtung einbezogen werden sowie die Fahrgastzahlen der einzelnen Haltepunkte. Technische Umsetzung Die technische Umsetzung kann mittels eines Geografischen Informationssystems (GIS) umgesetzt werden, in dem der Linienverlauf, die Haltestellen sowie die verschiedenen gesundheits- und altenbezogenen Infrastrukturen sowie Versorgungseinrichtungen lage- genau abgetragen werden können. Durch das GIS können im weiteren Verlauf räumliche Analysen durchgeführt werden, die die Haltestellen anzeigen, die eine besondere Nähe zu genannten Einrichtungen aufweisen. Weiterhin kann ermittelt werden, welche Halte- stellen in der Nähe besonders vieler Einrichtungen liegt. Hierdurch kann eine Prioritäten- liste erstellt werden. Zu berücksichtigende Kategorien bzw. Einrichtungen Es wird vorgeschlagen, folgende Kategorien bzw. Einrichtungen in die Analysen mit ein- zubeziehen: - Altenbezogene Wohnformen (Service-Wohnen, betreutes Wohnen, altengerechte Wohnparks, Altenheime,…) - Hausärzte und Apotheken - Krankenhausstandorte - Friedhöfe - Verwaltungsstandorte - Discounter und Supermärkte - Einkaufsstraßen Datenbeschaffung und Bereitstellung Die Bereitstellung der lagegenauen Informationen zu den Verläufen des Linienverkehrs sowie zu den Haltestellen erfolgt über die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg- Vorpommern mbH (VMV). Daten zu altengerechten Wohnformen wurden vom Regionalen Planungsverband zur Verfügung gestellt, der im Rahmen des MORO-Projektes Regional- strategie Daseinsvorsorge eine detaillierte Aufnahme der vorhandenen Einrichtungen vor- genommen hat. Leider liegen dabei keine Daten für das Amt Parchimer Umland vor. Wei- tere Daten müssen für das Vorhaben erhoben werden. Ausgabeform und Validierung Das Ergebnis soll im Wesentlichen in Kartenform ausgegeben werden. Haltestellen, bei denen eine besonders hohe Priorität für einen Um- oder Ausbaubedarf besteht, sollen weiterhin genauer beschrieben werden und der Bedarf ausführlich begründet werden. Hierbei soll auch eine Validierung der Ergebnisse mit den zuständigen Verwaltungen bzw. den Bürgermeistern erfolgen.

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Projektraum Es empfiehlt sich, die Methodik zunächst an einer Gemeinde zu erproben und hierauf aufbauen eine Feinjustierung vorzunehmen. Generell ist jeder Gemeinde im Untersu- chungsraum eine Konzeption zu empfehlen, die in den kommenden Jahren bauliche Maßnahmen an den Haltestellen der Gemeinde vornehmen möchte, hierfür jedoch noch kein klares Konzept entwickelt hat. Kosten Kosten entstehen vor allem durch die Durchführung die Analyse, der Ergebnisausferti- gung, die Validierung der Ergebnisse und die Datenaufnahme für Infrastruktureinrichtun- gen, zu denen noch keine raumbezogenen Daten vorliegen. Finanzierung und Projektträgerschaft Die Projektträgerschaft liegt vorzugsweise bei den Gemeinden, da auch die Zuständigkeit für die Erhaltung und Erneuerung bei ihnen liegen. Eine Erprobung des Ansatzes könnte eventuell über die örtliche LAG erfolgen.

Handlungsempfehlung: Modellhafte Durchführung einer Haltestellenkonzeption für eine ausgewählte Gemeinde. Das Ergebnis soll evaluiert werden und der Mehrwert für die Gemeindeentwicklung ge- prüft werden. Bei erfolgreichem Verlauf soll ein Förderinstrument etabliert werden, dass die Last der für die Kommunen entstehenden Kosten abfängt bzw. abmildert. Intensive Förderung des barrierefreien bzw. barrierearmen Umbaus des ÖPNV-Systems Der barrierefreie bzw. altengerechte Umbau des ÖPNV-Systems soll intensiv gefördert werden. Dabei muss dafür Sorge getragen werden, dass Fahrzeuge und Haltestellen im gleichen Maße Berücksichtigung finden. Andernfalls geht die Wirkung der ergriffenen Maßnahmen verloren. Daher sollte durch das Land ein Förderprogramm zur Anpassung der Haltestellen geschaffen werden.

6.4 Interkommunale Zusammenarbeit 6.4.1 Bestandsanalyse Das Kommunen bei der Bereitstellung von Dienstleistungen oder der Betreibung von Inf- rastruktur zusammenarbeiten, ist nicht neu. Dennoch zeigen detaillierte Länderstudien 57 , die den Beitrag von interkommunalen Kooperationen als ein Instrument zur Sicherung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen analysierten, dass speziell in ländlichen Gemein- den mit weniger als 5.000 Einwohnern das Potenzial einer interkommunalen Zusammen- arbeit (IKZ) durch rund 40 % der Kommunen nicht ausgeschöpft wird. Ein Nachholbedarf an IKZ besteht bei allen Kooperationsformen, insbesondere zwischen unterschiedlich großen Partnern, wie z. B. zwischen Kommune und Landkreis oder auch zwischen einem Mittelzentrum und seinen Umlandgemeinden. Experten sehen einen dringlichen Bedarf gerade für Stadt-Umland-Kooperationen in Mittelbereichen. Dabei pro- fitieren beide Seiten. Kleine Gemeinden durch eine Bündelung von regionalen Kompeten- zen (Verwaltungskooperation) oder auch durch eine Verbesserung der ökonomischen Attraktivität bei einem gemeinsamen Flächenmanagement. Mittelzentren betonen durch IKZ ihre hohe Bedeutung für die Versorgung ihrer Umland- gemeinden in einem Stadt-Umland-Gefüge. Die Versorgungsfunktion von Mittelzentren in peripheren ländlichen Räumen, die bereits heute durch kontinuierliche Funktionsverluste in Gefahr ist, wird gestärkt und bestätigt. Denn Einrichtungen der öffentlichen und privaten

57 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Hrsg.): Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen unter Druck, 2013

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Daseinsvorsorge bündeln sich immer stärker in städtischen, zentralen Orten. Somit bilden zentrale Orte in ländlichen Räumen ein flächendeckendes Versorgungsnetz. Dieses Netz wurde mit der Neustrukturierung des Systems der zentralen Orte im Jahr 2005, bereits weitmaschiger 58 . Daher ist es von besonderer Bedeutung, behördliche Dienstleistungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge dort wo sie sich noch befinden, mit einer größt- möglichen Effizienz zu nutzen und zu vernetzen. Vor dem Hintergrund angespannter fi- nanzieller Haushalte vieler Kommunen ist eine regionale Kooperation für viele Städte und Gemeinden oft die einzige Chance, ihre kommunale Handlungsfähigkeit auch künftig zu erhalten. Auch der Strategiebericht der IMAG Demografischer Wandel der Landesregierung M-V verweist auf vorhandene Potenziale und einer Notwendigkeit von Kooperationen, insbe- sondere in Stadt-Umland-Räumen. Dennoch ist IKZ kein Allheilmittel gegen eine Ausdünnung von Angeboten der Daseins- vorsorge, Bevölkerungsverlust und Finanznot von Kommunen. Allerdings bieten sie die Möglichkeit, durch flexible Lösungen den Herausforderungen des demografischen Wan- dels zu begegnen. Sich verändernde Finanzierungsgrundlagen von Kommunen erhöhen ebenfalls die Not- wendigkeit einer IKZ. Die aus einer Zusammenarbeit resultierenden Kosteneinsparungen werden dazu beitragen, ausgeglichene kommunale Haushalte aufzustellen, so dass alle laufenden Ausgaben durch laufende Einnahmen gedeckt werden. Dies ist umso wichtiger, da das Land Mecklenburg-Vorpommern derzeit hohe Zahlungen über den Solidarpakt II sowie EU-Mittel erhält, und diese als Einnahmen verbuchen kann. Teile dieser Gelder werden über den Finanzausgleich den Kommunen, z. B. für Investitionen zur Verfügung gestellt. Aber beide Finanzquellen werden voraussichtlich mittelfristig versiegen oder zu- mindest stark schrumpfen. Dies gilt es zu kompensieren. Da derzeit keine erhebliche Steigerung der Kommunaleinnahmen erkennbar ist, muss versucht werden, die Ausgaben an die veränderte Einnahmesituation anzupassen. Auch durch die erkennbaren Folgen des demografischen Wandels werden interkommuna- le Kooperationen dringlicher. Denn Veränderungen der Altersstruktur der Bevölkerung haben ebenfalls Auswirkungen auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte. So sind die durchschnittlichen Pro-Kopf-Steuerzahlungen der 30- bis 50-Jährigen deutlich höher, als die der über 60-Jährigen. Damit führt eine Alterung der Bevölkerung tendenziell zu einem Rückgang des Steueraufkommens (absolut und Pro-Einwohner) 59 . Weiterer Kostendruck entsteht durch Ausgaben für kommunale Einrichtungen, beispiels- weise Verwaltungsgebäude, Schulen, Kindergärten, Kultureinrichtungen, Kläranlagen, Straßen etc., die nicht so schnell und stark reduziert werden können, wie Einwohnerzah- len in Gemeinden zurückgehen. Öffentliche Einrichtungen wurden für eine bestimmte Be- völkerungszahl konzipiert. Sinkt die Bevölkerungszahl, erhöhen sich die Pro-Kopf- Aufwendungen für das Aufrechterhalten der Infrastruktur sowie die Betriebs- und Folge- kosten. Anpassungsmaßnahmen, wie Reorganisation von Strukturen, beispielsweise von Verwaltungen, teilweiser Rückbau oder Schließung von Anlagen, erfolgen oft erst Jahre später. Bis dahin muss die Bevölkerung die Mehrausgaben tragen. Daher bieten interkommunale Kooperationen vielfältige und flexible Vorteile, wenn statt einer Gemeindefusion weiterhin die Eigenständigkeit einer Kommune erhalten werden soll. Zu den Vorteilen gehören insbesondere, - die auf lange Sicht geschätzten Einsparpotenziale von bis zu 20 % im Bereich Perso- nalkosten, Immobilien- und Sachkosten 60 ,

58 Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Landesraumentwick- lungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, 2005 59 Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Wegweiser Demografischer Wandel 2020, 2006 60 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Hrsg.): Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen unter Druck, 2013

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- die Beibehaltung der Autonomie der Gemeinde sowie - das halten von Fachkräften und damit speziellen Dienstleistungen in Amts- und Stadtverwaltungen. Eine IKZ kann durch verschiedene formelle und informelle Ausgestaltungsvarianten erfol- gen. Tabelle 26: Formen interkommunaler Zusammenarbeit

Organisationsform Beispiele formell öffentlich-rechtliche Kooperation mit eigener Zweckverband, Rechtsfähigkeit Amt öffentlich-rechtliche Kooperation ohne eigene Zweckvereinbarung, Rechtsfähigkeit Arbeitsgemeinschaft Privatrechtliche Kooperation mit eigener Verein, Rechtsfähigkeit Kapitalgesellschaft Privatrechtliche Kooperation ohne eigene Werkvertrag, Rechtsfähigkeit Kooperationsvertrag

informell Organisationsform ohne eigene Rechtsfähig- Runder Tisch, keit Interessengemeinschaft, Expertenrunde Quelle: Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.): Interkommunale Zusammenarbeit – Handreichung für die Kommunal- politik, 2008; www.de.wikipedia.org, eigene Darstellung Welche Form der IKZ gewählt wird, entscheiden die Partner unter Beachtung der gesetz- lichen Vorgaben. In welchen Bereichen im Untersuchungsgebiet bereits zusammengear- beitet wird und wer die jeweiligen Partner sind, zeigt die nachfolgende Tabelle. Tabelle 27: Kooperationsbereiche im Untersuchungsgebiet

Organisations- Kooperationsbereich Partner form formell Zweckverband „elektronische Verwaltung alle Ämter und Stadt Parchim M-V“: kooperatives E-Government M-V als Zu- sammenarbeit von Verwaltungen im EDV-Bereich Wasser- und Abwasserzweckverband Par- alle Ämter chim/Lübz Wasser- und Bodenverband „Mittlere Elde“ Stadt Parchim, Teile der Ämter Parchimer Umland, Eldenburg- Lübz Wasser- und Bodenverband „Mildenitz/ Lübzer Teilgebiete der Ämter Elden- Elde“ burg-Lübz, Plau am See Zweckverband Landestheater Parchim Landkreis LUP, Stadt Parchim Kooperationsvertrag zwischen Landestheater Landestheater Rostock, Parchim gemeinsames Standesamt Stadt Parchim, Amt Parchimer Umland Aufgabenübernahme im Bereich der Unteren Stadt Parchim, Landkreis LUP Verkehrsbehörde Aufgabenteilung im Bereich Einwohner- Stadt Parchim, Datenverarbei- meldewesen tungs-zentrum M-V GmbH Tourismusinformation Tourist Info GmbH Plau am See und Gesellschafter, z.B. Stadt und Fremdenverkehrs- verein Plau am See

informell Lokale Aktionsgruppe Warnow-Elde-Land alle Ämter und Parchim Lokale Aktionsgruppe SüdWestMecklenburg Gemeinden Balow, Brunow, Möllenbeck, Dambeck Arbeitsgruppe der Leitenden Verwaltungs- alle Ämter

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Organisations- Kooperationsbereich Partner form beamten und hauptamtlichen Bürgermeister in Westmecklenburg Runder Tisch medizinische Versorgung Landkreis LWL-PCH, Dienst- leister Quelle: eigene Darstellung Bei den informellen Organisationsformen, wie Arbeits- und Interessengemeinschaften gibt es eine Vielzahl von Kooperationen im Untersuchungsgebiet, die nicht vollständig zu er- fassen sind. Eine IKZ im Bereich formaler Kooperationen orientiert sich oftmals an administrativen Grenzen von Verwaltungseinheiten. Funktionale Zusammenhänge bei der Bildung eines Kooperationsgebietes stehen dabei dennoch im Vordergrund, beispielsweise bei der Bil- dung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverband Güstrow-Bützow-Sternberg, der landkreisübergreifend tätig ist (siehe Abbildung 55). Abbildung 55: Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbände im Altkreis Parchim

Quelle: eigene Darstellung

6.4.2 Leitziele für eine Interkommunale Zusammenarbeit im Untersuchungsgebiet Die Diskussion der Bestandsanalyse in der Arbeitsgruppe Interkommunale Zusammenar- beit machte deutlich, dass die Potenziale kommunenübergreifender Kooperationen nicht ausgeschöpft sind. Diese Potenziale müssen genutzt werden, um in Zeiten knapper wer- dender Mittel Verwaltungsarbeit effizienter zu gestalten. Weiterhin zeichnet sich in Verwal- tungen, wie auch in der Wirtschaft immer deutlicher ein Fachkräftemangel ab. Sich ge- genseitig zu helfen und Personalkosten auf der Basis von Verträgen gemeinsam zu finan- zieren, ist eine logische Konsequenz. Alle Überlegungen basierten auf dem Grundsatz Zusammenarbeit zu fördern, nicht den Zusammenschluss. Die Autonomie von Gemein- den soll mittelfristig durch den Aufbau neuer Kooperationen erhalten bleiben.

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Vor diesem Hintergrund können folgende Leitziele formuliert werden: - Interkommunale Kooperationen sind in Verwaltungen, bei Bürgermeistern und ehren- amtlichen Akteuren als ein geeignetes Instrument anerkannt, um Verwaltungsarbeit effizienter zu gestalten und die Kommunikation zwischen Verwaltungen und Kommu- nen zu verbessern. - Ein erfolgreiches Modell zur Sicherung der Daseinsvorsorge und zur Kostenreduktion in der Verwaltungsarbeit sind verwaltungsübergreifende Kooperationen. Daher wer- den alle Potenziale zur Zusammenarbeit kontinuierlich von Kommunalverwaltungen ermittelt und dahingehend überprüft, ob bestehende Kooperationen modifiziert und neue Kooperationen aufgebaut werden können. - Je nach Aufgabenbereich und Ziel der Kooperation, arbeiten verschiedene Partner zusammen. Daher werden im Mittelbereich Parchim insbesondere Kooperationen zwischen Amtsverwaltungen sowie zwischen Amtsverwaltungen und der Stadtverwal- tung Parchim eingegangen. Eine Zusammenarbeit zwischen anderen Partnern, z. B. Landkreis Ludwigslust-Parchim und Amtsverwaltungen ist grundsätzlich möglich. - Eine interkommunale Zusammenarbeit ist im Untersuchungsgebiet gegenwärtig in den Bereichen elektronische Datenverarbeitung (EDV), Standesamt und Rechnungs- prüfung am erfolgversprechendsten. Durch Umsetzung der im DemografieCheck be- nannten Arbeitsschritte sind diese neuen Kooperationen erfolgreich aufgebaut.

6.4.3 Fokusthemen Die Notwendigkeit für eine stärkere verwaltungsübergreifende Kooperation ist unstrittig. Ebenso ist es aus der Sicht des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine Aufgabe, zu- kunftsfähige Verwaltungsstrukturen zu schaffen, Verwaltungen personell schlanker aufzu- stellen und Verwaltungsabläufe sowie –wege effizienter und kürzer zu gestalten 61 . Hinsichtlich einer Neuordnung von Verwaltungsstrukturen, wie sie beispielsweise mit der Kreisgebietsreform im Jahr 2011 umgesetzt wurde, ist auch eine Weiterentwicklung der Gemeinde- und Ämterstrukturen anzustreben. Nach dem Strategiebericht der IMAG De- mografischer Wandel strebt das Land M-V das Ziel an, dauerhaft leistungs- und lebensfä- hige Gemeinden zu schaffen, indem jede Gemeinde aus mindestens 500 Einwohnern besteht. Dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild nach § 1 Absatz 3 der Kommunalver- fassung. Von den 37 Kommunen im Untersuchungsgebiet haben 14 Kommunen (38 %) weniger als 500 Einwohner. Daher wurde in der Arbeitsgruppe dieser Aspekt diskutiert, ist doch die Gemeindefusion die stärkste Form der Zusammenarbeit. Da die Anbahnung ei- ner Gemeindefusion oftmals ein langjähriger Prozess ist, wurde entschieden, dass eine Vorbereitung einer Gemeindestrukturreform im Untersuchungsraum durch den Demogra- fieCheck nicht geleistet werden kann. Ein wichtiges Thema in den Kommunen ist die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehren. Sie sind unabdingbar für die Gefahrenabwehr und gleichzeitig wichtige soziale Treffpunkte in den Dörfern. Vielfältige Gründe sprechen dafür, Kooperationen im Bereich der FFW auf- zubauen. Dazu gehören, dass demografisch bedingt mit einem Rückgang an Mitgliedern in den Ortsfeuerwehren zu rechnen ist, die Finanzierbarkeit aller Feuerwehrstandorte im- mer schwieriger wird und die Einsatzfähigkeit an Werktagen, durch ein pendeln der Feu- erwehrkameraden zum Arbeitsort, der nicht immer im eigenen Ausrückbereich liegt, prob- lematisch ist. Aufgrund der Komplexität des Themas entschied die Arbeitsgruppe, dass Analysen zur Bildung von Feuerwehrzweckverbänden im DemografieCheck nicht erfolgen sollen. Mittels einer im März und April 2013 durchgeführten „Umfrage zur Anbahnung regionaler Kooperationen“ wurden die Kooperationsbereiche ermittelt, in denen eine Zusammenar-

61 siehe Strategiebericht der IMAG Demografischer Wandel des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2011

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beit gegenwärtig am erfolgversprechendsten ist. An der Umfrage waren die Stadt Parchim sowie die Ämter Grabow, Parchimer Umland, Eldenburg-Lübz und Plau am See beteiligt. Außer dem Amt Parchimer Umland nahmen alle Verwaltungen an der Umfrage teil und signalisierten ihre Bereitschaft zur engeren Zusammenarbeit. Als Ergebnis wurden vier Themenbereiche genannt, in denen neue Kooperationen mit Unterstützung des Demogra- fieChecks entstehen sollten. Dazu gehören die Bereiche Standesamt, gemeinsame elekt- ronische Datenverarbeitung, Vollstreckungswesen und Rechnungsprüfung. Nach einge- hender Diskussion der Umfrageergebnisse in der Arbeitsgruppe wurden schließlich drei potenzielle Kooperationsbereiche definiert. Das sind die Bereiche: - EDV, - Standesamt und - Rechnungsprüfung. Diese Bereiche wurden in thematischen Workshops vertieft analysiert und bilden daher die Projektebene beim Thema interkommunale Zusammenarbeit. Die Workshopergebnis- se werden im nachfolgenden Kapitel dargestellt.

6.4.4 Projektansätze Ziel der Workshops war es auszuloten, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwi- schen den Verwaltungen vorhanden sind und was die nächsten Arbeitsschritte sein müs- sen, um eine interkommunale Zusammenarbeit in diesen Bereichen aufzubauen.

Kooperationsbereich Elektronische Datenverarbeitung (EDV) Die gemeinsame, verwaltungsübergreifende Diskussion zum Thema EDV ergab u. a., dass alle Verwaltungen - eigenes Personal und externe Dienstleister im EDV-Bereich beschäftigen, - unterschiedliche Finanzsoftware verwenden, - aber auch Fachanwendungen nutzen, die in allen Verwaltungen verwendet werden (Einwohnermeldeamt, Kämmerei, Wohngeldstelle). Oftmals sind gleiche Probleme bei der Betreuung von Betriebssystemen und Fachanwen- dungen sowie bei der Organisation der Informationsvermittlung zu lösen. Dennoch fand eine Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen zur Lösung dieser Probleme bisher kaum statt. Weiterhin wurde herausgearbeitet, dass - die Notwendigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit in EDV-Fragen gegeben ist, - eine Abhängigkeit von einer kostenpflichtigen Beratung durch externe Fachleute ver- ringert werden soll und - die Kommunikation zwischen den Verwaltungen zu intensivieren ist.

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Handlungsempfehlung: Da im EDV-Bereich der Kommunalverwaltungen oftmals gleiche Probleme bei der Be- treuung von Soft- und Hardware sowie der Informationsvermittlung auftreten, ist ein Aus- tausch von Erfahrungen und erprobten Lösungswegen sinnvoll. Dies kann durch den Auf- bau einer kontinuierlichen, verwaltungsübergreifenden Zusammenarbeit auf der Ebene der IT-Administratoren geschehen. Damit wird ein zusammenarbeiten auf Arbeitsebene aufgebaut und die verwaltungsübergreifende Kommunikation verstärkt.

Zu den noch offenen Arbeitsschritten gehören: 1. Durchführung einer ämterübergreifenden Bestandsaufnahme Dabei sind folgende Inhalte zu erfassen: - Kontaktdaten aller EDV-Mitarbeiter, - Übersicht über verwendete Betriebssysteme und Fachanwendungen und - Übersicht über externe Dienstleister einschließlich der vertraglichen Bindungsdauer. 2. Organisation eines ersten Treffens der IT-Administratoren Auf dem Treffen sind die Weichen für eine kontinuierliche Zusammenarbeit zu stellen. Dabei sind folgende Sachverhalte zu regeln: - Organisation der regelmäßigen Treffen (wer, wo, Sitzungsturnus), - Zielstellung der jeweiligen Treffen sowie - Kommunikation der Ergebnisse in die Verwaltungen. Die Umsetzung des ersten Arbeitsschrittes erfolgt durch den Landkreis Ludwigslust- Parchim/Fachdienst 60, der zweite Arbeitsschritte wird durch das Amt Eldenburg-Lübz organisiert und soll im ersten Quartal 2014 abgeschlossen sein.

Kooperationsbereich Standesamt Beim Thema Standesamt besteht die Besonderheit, dass ein Standesbeamter nur inner- halb eines Standesamtsbezirks arbeiten kann. Standesamtsbezirke sind Zuständigkeits- bereiche, die durch das Ministerium für Inneres und Sport M-V per Rechtsverordnung festgesetzt werden. Die räumliche Ausdehnung muss nicht zwingend mit der Gebietsku- lisse eines Amtes, Stadtgebietes oder einer anderen administrativen Raumeinheiten übereinstimmen. Die Standesämter im Untersuchungsgebiet können gegenwärtig alle Dienstleistungen, wie Beurkundung von Geburten, Durchführung und Beurkundung von Trauungen, Beurkun- dungen von Sterbefällen, behördlichen Namensänderungen etc., erbringen. Allerdings ist die Personaldecke so dünn, dass im Krankheits- und Urlaubsfall die Organisation einer Vertretung schwierig wird. Die Finanzsituation der Kommunen erlaubt es nicht, ohne wei- teres Personal einzustellen. Da Standesbeamte nur im eigenen Standesamtsbezirk arbei- ten dürfen, beispielsweise bildet die Stadt Parchim und das Amt Parchimer Umland ein Standesamtsbezirk, können sich die Standesämter aus unterschiedlichen Bezirken bei einem Personalengpass nicht gegenseitig helfen. Wichtig ist auch der Aspekt der Personalentwicklung. Die Altersstruktur der Standesbe- amten im Untersuchungsraum zeigt, dass in den nächsten 5 bis 10 Jahren viele Standes- beamte in den Ruhestand eintreten werden. Da es bereits jetzt schwierig ist, gut ausge- bildete Fachkräfte für die Verwaltung zu gewinnen, erlangt die Ausbildung des eigenen Nachwuchses eine größere Bedeutung. Da die Ausbildungszeit bis zu sechs Jahre dau- ern kann, muss jetzt mit der Anstellung und Ausbildung künftiger Standesbeamter begon- nen werden.

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Handlungsempfehlung: Um standesamtliche Dienstleistungen auch künftig voll umfänglich den Bürgern anbieten zu können, ist eine verwaltungsübergreifende Kooperation auf diesem Gebiet sinnvoll. Dabei sind zwei Kooperationsmöglichkeiten denkbar. Zum einen könnte ein neuer, ge- meinsamer Standesamtsbezirk zwischen mehreren Verwaltungseinheiten aufgebaut wer- den. Zum andern ist es möglich, dass mehrere Verwaltungen einen gemeinsamen Stan- desbeamten finanzieren, der für mehrere Standesamtsbezirke zuständig ist. Letztlich sol- len die Aktivitäten dazu dienen, - alle Standesämter in der Fläche zu erhalten, - Vertretungsmöglichkeiten im Krankheits- und Urlaubsfall zu verbessern, - eine Ausbildung bzw. Einstellung neuer Standesbeamter zu ermöglichen sowie - die Finanzierung der Personal- und Sachkosten sicherzustellen.

Nach eingehender Diskussion der Handlungsmöglichkeiten entschieden sich die Verwal- tungen im Untersuchungsgebiet dafür, einen neuen Standesamtsbezirk in der Größe des Altkreises Parchim zu bilden. Die Aufgabenverteilung der einzelnen Standesämter im neuen Bezirk soll durch einen Vertrag geregelt werden. Damit wird deutlich werden, wel- ches Standesamt welche Dienstleistungen erbringen wird. Erleichtert wird die Zusam- menarbeit zwischen den Standesämtern durch ein bereits vorhandenes, einheitliches EDV-System. Allerdings muss die Bildung eines neuen Standesamtsbezirks durch die untere Fachaufsichtsbehörde (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und obere Fachaufsichts- behörde (Innenministerium M-V) genehmigt werden. Daher gehören zu den nächsten Arbeitsschritten: - Abstimmung des weiteren Vorgehens mit den Leitenden Verwaltungsbeamten und hauptamtlichen Bürgermeister des Altkreises Parchim und - Organisation eines gemeinsamen Arbeitstreffens mit der oberen und unteren Fach- aufsichtsbehörde. Durch die Gespräche sollen rechtliche und organisatorische Fragen zur beabsichtigten Gründung des neuen Standesamtsbezirks bis Anfang des Jahres 2014 geklärt werden.

Kooperationsbereich Rechnungsprüfung Mit der Reform des Gemeindehaushaltsrechts im Jahr 2007, wurde die doppelte Buchfüh- rung (Doppik) in den Gemeinden eingeführt. Dieser Umstellungsprozess führte zu einem erheblichen Mehraufwand, so dass sich die Erstellung von Jahresabschlüssen einzelner Gemeinden im Untersuchungsgebiet verzögerte. Gleichzeitig verzögert sich damit auch die Prüfung der Jahresabschlüsse durch ehrenamtlich tätige Rechnungsprüfungsaus- schüsse, die eng mit den Kämmereien zusammenarbeiten. Aufgrund der finanziellen Situation einiger Gemeinden kann nicht ohne weiteres zusätzli- ches Personal eingestellt werden, um die Kämmereien personell zu stärken. Weiterhin müssen die Vorgaben des Musterstellenplanes, herausgegeben durch das Innenministe- rium des Landes M-V, beachtet werden. Der Musterstellenplan wird unter Beachtung der Einwohnerzahlen der jeweiligen Verwaltungseinheit erstellt. Das bedeutet beispielsweise für das Amt Plau am See, dass es sehr unwahrscheinlich ist, eine Personalstelle schaffen zu können. Die Kommunalaufsicht würde einer neuen Stelle wahrscheinlich nicht zustim- men.

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Handlungsempfehlung: Während für die Erstellung von Jahresabschlüssen auch externe Fachleute zur Unterstüt- zung beauftragt werden können, die eng mit den Kämmereien zusammenarbeiten, darf die Prüfung von Jahresabschlüssen nicht durch externe Fachleute (Wirtschaftsprüfer) vorgenommen werden. Daher bieten sich zwei Lösungswege an, um den Rückstand bei der Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen aufzuholen. Da die Stadt Parchim über einen ausgeglichenen Haushalt verfügt, könnte zusätzliches Personal im Bereich Rechnungsprüfung eingestellt werden. Damit würde Parchim Dienst- leistungen für andere Ämter übernehmen. Alle Ämter, die diese Dienstleistungen in An- spruch nehmen, beteiligen sich an der Finanzierung der Personalkosten. Weiterhin besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass Ämter Leistungen des Rechnungsprü- fungsamtes des Landkreises Ludwigslust-Parchim in Anspruch nehmen. Die genaue Art und Weise wie dies geschehen kann und wie anfallende Kosten dem Landkreis vergütet werden, ist durch Arbeitsgespräche zwischen den interessierten Ämtern und der Land- kreisverwaltung zu klären. Die Stadt Parchim unterstützt insbesondere den ersten Lösungsweg, wenn sich eine Mehrheit der Amtsverwaltungen dafür entscheidet. Durch eine künftige interkommunale Kooperation in dem Bereich der gemeinsamen Rechnungsprüfung sollen Aufgabenprobleme gelöst werden, um Verwaltungsarbeit effizi- enter zu gestalten. Die Arbeitsgruppe Interkommunale Zusammenarbeit war sich insge- samt einig, dass als erstes Aufgabenprobleme gelöst werden müssen, um Kommunen demografiefester aufzustellen. Denn Strukturprobleme zu lösen, z. B. durch Gemeindefu- sionen, beseitigt oftmals keine der vielfältigen Aufgabenprobleme in den Stadt- und Amts- verwaltungen.

7 Schlussaussagen 7.1 Übergeordnete Handlungsempfehlungen Die Erarbeitung des DemografieChecks hat über die vergangenen 1 ½ Jahre hinweg tie- fen Einblick in die bestehenden Strukturen und Aktivitäten des Landes zum Thema demo- grafischer Wandel gegeben. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich auch die Landesregie- rung intensiv mit dem Thema befasst und strategisch aufstellt. Bestes Beispiel hierfür sind zum einen die Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ auf politi- scher Ebene sowie die Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) „Demografischer Wandel“ auf ministerieller Ebene. Nichtsdestotrotz konnten während der Bearbeitung des Demo- grafieChecks Punkte ausgemacht werden, bei denen das Handeln in Zukunft noch weiter optimiert werden kann. Ergänzend zu den bereits in den einzelnen Fachkapiteln aufge- führten fachspezifischen Handlungsempfehlungen, folgen daher an dieser Stelle Hand- lungsempfehlungen, die das Wirken auf der übergeordneten Ebene betreffen und die nö- tigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der spezifischen Handlungsempfehlungen entscheidend fördern können. Stärkere Berücksichtigung des Demografischen Wandels in der kommenden Förderperio- de ab 2014 Der demografische Wandel bedingt als langfristiger und nur schwer umkehrbarer Prozess, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern die Förderung nicht nur auf Wachstum beziehen kann. Vor dem Hintergrund starker Bevölkerungsverluste in weiten Teilen des Landes sowie einer gravierenden Verschiebung in der Altersstruktur muss zukünftig vermehrt die Konzeption, die Übertragung und vor allem die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen durch Fördermittel begleitet werden. Es müssen weiterhin auch ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um gewonnene Erkenntnisse und erprobte Ansätze in den Planungs- alltag, den Regelbetrieb und das alltägliche Handeln überführen zu können.

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Schaffung klarer Zuständigkeiten und einer zentralen Schnittstelle auf Landesebene zum Thema demografischer Wandel Das Thema demografischer Wandel spielt mittlerweile beim Wirken diverser Ministerien auf Landes- und Bundesebene, bei Verbänden, Stiftungen und Initiativen im Land eine große Rolle. Während der Erarbeitung des DemografieChecks zeigte sich, dass die Koor- dination und Abstimmung von „oben“ aktuell nur bedingt gegeben ist. Die einzelnen Initia- tiven sind daher zumeist selbst angehalten für eine Vernetzung zu sorgen und ihre Aktivi- täten auf einander abzustimmen. Hierzu fehlen aber oftmals der allumfassende Überblick über handelnde Einrichtungen und Initiativen sowie die hierfür benötigten personellen Kapazitäten. Daher werden diesbezüglich zwei konkrete Maßnahmen empfohlen: - Aufgrund der Vielzahl an Aktivitäten, die in Mecklenburg-Vorpommern ablaufen, ist ein Demografiekoordinator zu etablieren, der auf Landesebene als direkte Schnittstel- le für eine aktive Verknüpfung der einzelnen Initiativen agiert. Sein Aufgabenbereich liegt vor allem in der ressortübergreifenden Steuerung und Begleitung laufender Ini- tiativen. Weiterhin soll er die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse auf die po- litische Ebene transportieren sowie als zentraler Ansprechpartner und Informations- geber für Institutionen und die engagierte Bürgerschaft dienen. - Die IMAG „Demografischer Wandel“ soll als stetig agierendes Gremium bestehen bleiben. Bei einem Querschnittsthema wie dem demografischen Wandel ist der re- gelmäßige Austausch zwischen den einzelnen Fachressorts von großer Bedeutung. Nur das optimale Zusammenspiel aller beteiligten Ressorts kann zu einer größtmögli- chen Wirkung der ergriffenen Maßnahmen führen. Ein federführendes Ministerium muss, vielleicht mehr als bisher, eine zentrale Rolle spielen und das Handeln pro- aktiv vorantreiben. Der Demografiekoordinator soll stark mit der IMAG und dem feder- führenden Ministerium verknüpft sein und in die Arbeit der Arbeitsgruppe eingebun- den werden. Eine Ansiedlung beim federführenden Ministerium erscheint sinnvoll. - Vermehrte Einbringung des Themas Demografischer Wandel in den öffentlichen Dis- kurs und klare Entwicklungsziele für die ländlichen Räume - Bei einem Großteil der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns ist das Thema de- mografischer Wandel bereits seit Jahren angekommen. Das Thema ist jedoch stark negativ belegt und wird vor allem durch gefühlte Umstände und selbst Erlebtes ge- speist. Das Land benötigt daher eine öffentliche und durch fachliche Inputs getragene Debatte. Eine Versachlichung der Debatte durch Handlungstransparenz und die ver- ständliche Aufbereitung und Vermittlung von Fakten können hierzu einen großen Bei- trag leisten. Die bereits regelmäßig stattfindende „Schule der Landentwicklung“ kann ein Baustein hierzu sein. Die Veranstaltungen sollen allerdings vermehrt in die Flä- che, die ländlichen Regionen sowie kleineren Ortschaften gehen. In Zeiten des de- mografischen Wandels besteht bei der Bevölkerung das Bedürfnis klarer Artikulation der Entwicklungsziele des Landes. Dies gilt besonders für die ländlichen Räume. Die Angst, teilweise auch das Gefühl, dass die ländlichen Räume Mecklenburg- Vorpommerns mehr und mehr abgehangen werden, sind vorhanden. Ohne Aussicht auf neue Entwicklungsmöglichkeiten, egal in welcher Form, können die inneren Po- tenziale der Regionen nicht geweckt werden. Ein klares Bekenntnis zu den ländlichen Räumen und ein klares Entwicklungsziel sind erforderlich.

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7.2 Ergebnisse des DemografieChecks und Auswertung der Methodik Der DemografieCheck Raum Parchim sollte insgesamt drei Haupt-Ziele verfolgen: 1. Die Region soll für Bewohner, Besucher und Zuzügler durch pro-aktives Handeln at- traktiv gehalten werden. Um dies zu erreichen, galt es neue, moderne, nachhaltige und intelligente Organisationsmodelle zu finden und diese nach Möglichkeit in die Umsetzung zu überführen. Mindestens ein Projekt je Arbeitsgruppe sollte bis in die Umsetzungsreife gebracht werden. 2. In Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppenmitgliedern sollten Zielvorstellungen in den einzelnen Themenbereichen und konkrete Handlungsempfehlungen für alle hierarchi- schen Ebenen, von der Landes- bis zur kommunalen Ebene ausgearbeitet und an die entsprechenden Adressaten entsendet werden. 3. Der methodische Ansatz des DemografieChecks mit seinem Bottom-Up-Ansatz sollte erprobt und evaluiert werden. Die gesteckten Ziele waren eine Herausforderung für alle Beteiligten. Die erzielten Ergeb- nisse stimmen jedoch zufrieden. In den vier Arbeitsgruppen zu den Themen Siedlungs- entwicklung und –struktur, Mobilität, Gesundheitsversorgung und Interkommunale Zu- sammenarbeit wurden insgesamt 11 konkrete Projektansätze erarbeitet. Einzelne wer- den bereits in der Projektumsetzung weiter qualifiziert und bspw. zu einem INTERREG- Projektantrag fortentwickelt. Weiterhin wurden insgesamt 31 Leitziele verfasst und 40 Handlungsempfehlungen mit Adressaten auf kommunaler bis hin zur landespolitischen Ebene ausgesprochen. Unter anderem durch eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, den direkten Austausch mit der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg- Vorpommern“ sowie der IMAG „Demografischer Wandel“ und durch die zentrale Ab- schlussveranstaltung in Schwerin wurden die Ergebnisse breit gestreut und an die Adres- saten transportiert. Die Evaluierung des methodischen Ansatzes stützt sich zum einen auf die Beurteilungen des Ansatzes durch die Arbeitsgruppenmitglieder, die bei den letzten Arbeitsgruppensit- zungen eingeholt wurden. Weiterhin erfolgte eine Selbstreflektion durch die Bearbeiter der Landgesellschaft M-V mbH sowie eine Auswertung mit dem Auftraggeber. Insgesamt er- scheint der DemografieCheck als ein guter und zielorientierter Ansatz, um einzelne Regi- onen, Ämter oder Kommunen bei der Bewältigung der Herausforderungen des demografi- schen Wandels zu unterstützen. Entsprechend positiv waren die Rückmeldungen aus den einzelnen Arbeitsgruppen. Der Ansatz, die Themen mit den lokalen Akteuren vor Ort zu identifizieren, anzugehen und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen, fand großen Anklang. Auch die Gewichtung zwischen kompakter themenbezogener Bestandsanalyse und ausgedehnter Projektentwicklung stieß auf positive Resonanz. Die Durchführung des DemografieChecks erfolgte im Raum Parchim als Modellvorhaben des Landes und erfor- derte hierdurch, dass auch allgemeine Empfehlungen ausgearbeitet wurden, die der poli- tischen Ausrichtung der Landesregierung dienen können. Hierdurch wurde das Arbeits- spektrum sehr breit. Es wurden auf der einen Seite konkrete Projekte für die Region erar- beitet und auf der anderen Seite bspw. Empfehlungen für die Anpassung von Gesetzes- texten ausgesprochen. Hierdurch waren die zur Verfügung stehenden Arbeitsgruppensit- zungen sehr vollgeladen. Dies engte teilweise die freie und offene Diskussion ein. Bei der Umsetzung in ein reguläres Instrument, sollte daher der Fokus des DemografieChecks eher auf das Handeln direkt in der Region fokussiert sein. Dadurch würde mehr Spielraum für einen flexiblen Diskurs entstehen. Weiterhin könnte die Einrichtung eines Demografie-Beauftragten auf Landesebene die Bearbeiter bzw. die wissenschaftlichen Begleiter bei Netzwerken zu anderen Initiativen unterstützen. Alleine im DemografieCheck für den Raum Parchim wurde im Laufe der Bearbeitung z.B. Kontakt zum Regionalen Planungsverband Westmecklenburg, zur En- quete-Kommission „Älter werden in M-V“, zum Kuratorium Gesundheitswirtschaft, zum Runden Tisch Medizin des Landkreises LWL-PCH und zur Bürgerinitiative Siggelkow auf-

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genommen. Bis man über Anlass und Handlung der einzelnen Initiativen informiert war, wurde eine Menge Energie investiert. Seitens der Arbeitsgruppenmitglieder wurde weiterhin der Wunsch geäußert, die ange- stoßenen Dialoge in den einzelnen Themenbereichen auch künftig weiterzuführen. Gern in bisheriger Besetzung und als offene Veranstaltung für alle, die sich in das Thema ein- bringen möchten. Der Landkreis als Auftraggeber prüft derzeit, in welcher Form sich dies umsetzen lässt. Vor der Erprobung des DemografieChecks stellte sich zunächst die Frage, in welchem räumlichen Zuschnitt die Durchführung erfolgen soll. Der Raum Parchim, größten Teils basierend auf dem ehemaligen Mittelbereich der Stadt Parchim, wurde ausgewählt, weil sich der demografische Wandel im Gebiet bereits sehr deutlich gezeigt hat, und eine ge- wisse Homogenität innerhalb des städtisch-ländlichen Systems zu vermuten war. Weiter- hin erschienen mögliche Wege und Entfernungen der Arbeitsgruppenmitglieder noch ver- tretbar. Die rückschauende Betrachtung zeigt, dass die gewählte Raumeinheit durchaus praktika- bel war und für die Umsetzung des DemografieChecks als Modellvorhaben des Landes gut genutzt werden konnte. Auf dieser Basis war es möglich strategische Ansätze ebenso zu entwickeln wie konkrete Projektansätze. Der Spagat zwischen beiden Aufgaben war jedoch sehr groß und konnte nur mit hohem Aufwand bewältigt werden. Verfolgt der künf- tige DemografieCheck eher einen strategischen Ansatz, so kann dieser durchaus größere Gebietseinheiten beleuchten. Sobald aber die Entwicklung von Projektansätzen im Vor- dergrund steht, sollten die Gebietszuschnitte eher kleiner ausfallen, als bei der hier be- leuchteten Region. Optimaler Weise werden maximal drei Amtsbereiche bzw. amtsfreie Städte zusammen bearbeitet, da auch zwischen den Ämtern Abstimmungen erfolgen müssen und mit steigender Zahl auch der Aufwand steigt. Bei der Betrachtung des Gebietszuschnitts dürfen auch nicht die Belange der lokalen Ak- teure ausgeklammert werden. Umso größer der Betrachtungsraum, desto weiter die We- ge für aktive Unterstützer und Teilnehmer an Veranstaltungen. Sobald der Bezug zum eigenen Lebensumfeld verloren geht, sinkt auch das Engagement, mit dem sich für die Sache eingesetzt wird. Eventuell könnte durch die engere Eingrenzung eine stärkere Mo- bilisierung von Akteuren erfolgen, da diese eventuell einen konkreteren Nutzen für ihren Ort oder ihren Wirkungsbereich sehen. Gleichzeitig fällt es gerade auch in den ländlichen Räumen schwer aktive Unterstützer, Akteure aus der Region zu finden, die am Prozess mitwirken wollen. Zwar gibt es einen nicht unbeträchtlichen Anteil sehr aktiver Bürger, diese übernehmen jedoch oftmals schon andere Positionen und Verantwortungen im Eh- renamt. Auch aus diesem Grund sollte der Betrachtungsraum nur in Ausnahmen mehr als drei Amtsbereiche umfassen. Wichtig ist aus Sicht der Bearbeiter, dass man zukünftig versucht, sich an bestehenden Verwaltungsstrukturen zu orientieren, da eine Vielzahl von Daten der amtlichen Statistik auf diesen Gebietseinheiten basiert. Es ist daher sinnvoll, nach Möglichkeit immer volle Amtsbereiche in den Untersuchungsraum einzubeziehen. Bei den Bestandsaufnahmen stellt sich die Frage, inwiefern eine räumliche Auflösung von Daten, besonders von Prognosedaten, bis auf die gemeindliche Ebene herunter erfolgen muss. Dies kann sicherlich im Einzelfall nötig sein, wenn bestimmte Prozesse erkannt werden. In der Regel dürfte aber eine Betrachtung auf Amtsebene ausreichend sein. Der Aufwand für die Bestandsaufnahme muss in einem gesunden Verhältnis zum Erkenntnis- gewinn stehen.

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7.3 Fazit Das im Raum Parchim durchgeführte Modellvorhaben zur Erprobung des Demografie- Checks kann insgesamt als Erfolg gewertet werden. Es wurden klare Ziele für die Ent- wicklung in den einzelnen betrachteten Themenbereichen definiert, konkrete Projektan- sätze erarbeitet und Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die sich an das Handeln in Verwaltung, Politik und Wirtschaft richten. Der tatsächliche Erfolg stellt sich allerdings erst ein, wenn die Ergebnisse des DemografieChecks im weiteren Handeln von Entschei- dungsträgern, Verwaltung und Politik Berücksichtigung finden. Besonders bei den Projek- tansätzen gilt es im Weiteren Projektträger zu gewinnen und die Finanzierung der Maß- nahmen zu sichern. Hierzu müssen die Ergebnisse nachhaltig zu den Entscheidern trans- portiert werden. Dies kann bei dem ein oder anderen Ansatz etwas Geduld erfordern. Die Schaffung von Strukturen, die die Umsetzung der Ergebnisse fördern, müssen daher ein- gefordert werden. Die stärkere Berücksichtigung des demografischen Wandels in der Förderlandschaft nach 2014 sowie die Etablierung eines Demografie-Beauftragten auf Landesebene wären somit zwei sehr große Schritte hin zum abschließenden Erfolg des DemografieChecks.

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A Anlagenteil A 1 Übersicht der wichtigsten Termine

Termin Zeitpunkt

Vertragsklärungsgespräch mit AG in Ludwigslust 21. Mai 2012 Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM zusammen mit dem AG in 13. Juni 2012 Schwerin Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM in Schwerin 03. Juli 2012 Auftaktgespräch mit Auftraggeber in Ludwigslust 20. Juni 2012 Orientierungsgespräch Amt Grabow in Balow 06. August 2012 Orientierungsgespräch Stadtverwaltung Parchim 14. August 2012 Orientierungsgespräch Amt Parchimer Umland in Parchim 16. August 2012 Orientierungsgespräch Amt Eldenburg-Lübz in Lübz 21. August 2012 Orientierungsgespräch Amt Plau am See in Plau 23. August 2012 Abstimmungsgespräch mit AG in Ludwigslust 28. August 2012 Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM in Schwerin 30. August 2012 Erste Steuerungsgruppensitzung in Ludwigslust 10. September 2012 Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM in Schwerin 11. September 2012 Auftaktveranstaltung in der Freizeit- und Bildungsstätte Dargelütz bei Par- 19. September 2012 chim Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM in Schwerin 12. Oktober 2012 Abstimmungsgespräch mit AG in Ludwigslust 01. November 2012 Abstimmungsgespräch mit dem RPV WM und dem Kuratorium Gesund- 21. November 2012 heitswirtschaft des Landes M-V Erste Sitzung der AG Mobilität in Lübz 27. November 2012 Erste Sitzung der AG Gesundheitsversorgung in Lübz 29. November 2012 Erste Sitzung der AG Interkommunale Zusammenarbeit in Lübz 04. Dezember 2012 Erste Sitzung der AG Siedlungsentwicklung in Lübz 06. Dezember 2012 Abstimmungsgespräch mit dem AG in Ludwigslust 10. Dezember 2012 Präsentation DemografieCheck beim „Runden Tisch Medizin“ in Ludwigs- 12. Dezember 2012 lust Teilnahme an der Sitzung der Enquete-Kommission „Älter werden in M-V“ 18. Januar 2013 in Schwerin Präsentation des DemografieChecks vor der LAG Schaalseeregion in 29. Januar 2013 Rehna Zweite Steuerungsgruppensitzung in Ludwigslust 30. Januar 2013 Präsentation des DemografieChecks vor der LAG Warnow-Elde-Land in 30. Januar 2013 Kiekindemark Teilnahme an der Regionalkonferenz der Regionalstrategie Daseinsvor- 21. März 2013 sorge in Parchim Präsentation des DemografieChecks vor der Strategiegruppe 3 des Kura- 10. April 2013 toriums Gesundheitswirtschaft des Landes M-V in Schwerin Zweite Sitzung der AG Siedlungsentwicklung in Parchim 16. April 2013 Zweite Sitzung der AG Gesundheitsversorgung in Parchim 18. April 2013 Zweite Sitzung der AG Mobilität in Parchim 23. April 2013 Zweite Sitzung der AG Interkommunale Zusammenarbeit in Parchim 25. April 2013 Abstimmungsgespräch mit dem AG in Ludwigslust 14. Mai 2013 Präsentation des DemografieChecks auf dem Forum Demografie des 29. Mai 2013 BLG in Hannover Präsentation des DemografieChecks auf dem Forum Ländlicher Raum in 30. Mai 2013 Berlin

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Abstimmungsgespräch mit dem AG in Ludwigslust 02. Juni 2013 Präsentation des DemografieChecks vor der LAG SüdWestMecklenburg 03. Juni 2013 in Ludwigslust Teilnahme an der FAG-übergreifenden Ergebnisdiskussion der Regional- 13. August 2013 strategie Daseinsvorsorge in Schwerin Teilnahme am 2. Forum Landentwicklung in Güstrow 15. August 2013 Teilnahme an der FAG Gesundheit der Regionalstrategie Daseinsvorsor- 20. August 2013 ge in Schwerin Abstimmung der gemeinsamen Ergebnispräsentation beim RPV WM in 20. August 2013 Schwerin Abstimmung der gemeinsamen Ergebnispräsentation beim RPV WM in 27. August 2013 Schwerin Dritte Sitzung der AG Mobilität in Plau am See 27. August 2013 Gemeinsamer Demografieworkshop mit der Enquete-Kommission „Älter 29. August 2013 werden in M-V“ und dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe in Parchim Dritte Sitzung der AG Gesundheitsversorgung in Plau am See 03. September 2013 Dritte Sitzung der AG Siedlungsentwicklung in Plau am See 05. September 2013 Erster Workshop der AG Interkommunale Zusammenarbeit zum Thema 10. September 2013 EDV in Plau am See Dritte Steuerungsgruppensitzung in Ludwigslust 16. September 2013 Zweiter Workshop der AG Interkommunale Zusammenarbeit zum Thema 17. September 2013 Rechnungsprüfung in Parchim Dritter Workshop der AG Interkommunale Zusammenarbeit zum Thema 24. September 2013 Standesamt in Lübz Teilnahme an der Sitzung der Enquete-Kommission „Älter werden in M-V“ 27. September 2013 in Schwerin Abstimmung der gemeinsamen Ergebnispräsentation beim RPV WM in 17. Oktober 2013 Schwerin Präsentation der Ergebnisse des DemografieChecks vor den hauptamtli- 23. Oktober 2013 chen Bürgermeistern und Leitenden Verwaltungsbeamten des Landkrei- ses Ludwigslust-Parchim Gemeinsame Ergebnispräsentation der Regionalstrategie Daseinsvorsor- 25. Oktober 2013 ge Westmecklenburg und des DemografieChecks auf der Veranstaltung „Ideen für die Zukunft – Westmecklenburg stark machen“ in Schwerin Präsentation der Ergebnisse des DemografieChecks vor dem Wirt- 29. Oktober 2013 schaftsausschuss des Landkreises Ludwigslust-Parchim Präsentation der Ergebnisse des DemografieChecks auf dem „Forum 13. November 2013 Gesundes Alter(n)“ in Güstrow Abgabe Entwurf Endbericht des DemografieChecks 20. Dezember 2013

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AG Aktiengesellschaft AGnES Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systematische Interven- tion ApoG Apothekengesetz ASB Arbeiter-Samariter-Bund ÄVZ Ärzteversorgungszentrum AWO Arbeiterwohlfahrt B321 Bundesstraße 321 BAB Bundesautobahn BAG Berufsausübungsgemeinschaften BauGB Baugesetzbuch BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BLG Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung DDR Deutsche Demokratische Republik DRK Deutsches Rotes Kreuz E-Health Anwendungen elektronischer Geräte zur medizinischen Versorgung ELER Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums EU Europäische Union FrSTllgV Freistellungsverordnung GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GEK Gmünder Ersatzkasse gGmbH gemeinnützige GmbH GGR Gertz-Gutsche-Rümenapp GIS Geoinformationssystem GKV gesetzlichen Krankenversicherung ha Hektar Hrsg. Herausgeber ICE Intercity Express IKZ Interkommunalen Kooperationen IMAG Interministerielle Arbeitsgruppe inmod Elektromobilität auf dem Land INTERREG Gemeinschaftsinitiative der EU KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung KEK Kreisentwicklungskonzept KFZ Kraftfahrzeug KITA Kindertagesstätte KMG privater Gesundheitskonzern KV Kassenärztlichen Vereinigung LAG Lokale Aktionsgruppe LEADER Gemeinschaftsinitiative der EU LEP Landesraumordnungsentwicklungsprogramm LVG Ludwigsluster Verkehrsgesellschaft mbH LUP Landkreis Ludwigslust-Parchim

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MORO Modellvorhaben der Raumordnung M-V Mecklenburg-Vorpommern MVZ Medizinische Versorgungszentren NVV Nordhessischer Verkehrsverbund ODEG Ostdeutsche Eisenbahn GmbH OHG offene Handelsgesellschaft ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr ÖPV Öffentlicher Personenverkehr PA Praxisassistentin PBefG Personenbeförderungsgesetztes PBV Planungsbüro für Verkehr PKW Personenkraftwagen PLZ Postleitzahl PR Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) RDP Reisedienst Parchim GmbH RREP WM Regionales Raumentwicklungsprogramm Westmecklenburg RRK Regionalen Radwegekonzeptes SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB XI Sozialgesetzbuch Elftes Buch SGB XII Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGS Bus & Reisen GmbH Schwerin SPNV Schienenpersonennahverkehr SUV Siedlungs- und Verkehrsfläche SWM SüdWestMecklenburg THW Technisches Hilfswerk VÄndG Vertragsrechtsänderungsgesetz VERAH Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis VMV Verkehrsgesellschaft M-V mbH VStG Versorgungsstrukturgesetz WG Wohngemeinschaft

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