Dossier Der Zweite Weltkrieg

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Dossier Der Zweite Weltkrieg Dossier Der Zweite Weltkrieg bpb.de Dossier: Der Zweite Weltkrieg (Erstellt am 20.09.2021) 2 Einleitung Deutsche Kriegsgefangene 1945 (© picture-alliance/akg) Vor 75 Jahren endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa. Als nationalsozialistischer, rasseideologischer Vernichtungskrieg hatte er Millionen Menschen das Leben gekostet: 6 Millionen europäische Juden fielen dem Rassewahn der Nationalsozialisten zum Opfer, in weiten Teilen Europas war jüdisches Leben ausgelöscht. Mit insgesamt 60-70 Millionen Toten steht der Zweite Weltkrieg für die Tragödie des 20. Jahrhunderts. Eine bipolare Weltordnung entstand, das Gesicht Europas veränderte sich völlig. bpb.de Dossier: Der Zweite Weltkrieg (Erstellt am 20.09.2021) 3 Inhaltsverzeichnis 1. Der Zweite Weltkrieg – eine historische Zäsur 4 2. Entstehung, Verlauf und Folgen des nationalsozialistischen Krieges 9 2.1 Der Weg in den Krieg 10 2.2 Der Krieg in Europa 25 2.3 Weltkrieg 31 2.4 Kriegswende 43 2.5 Endphase und Kriegsende 52 2.6 Kriegsfolgen 62 3. Dimensionen des "totalen Krieges" 75 3.1 Die deutsche Kriegsgesellschaft 76 3.2 Kriegsideologie, Propaganda und Massenkultur 88 3.3 Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit 93 3.4 Die Wehrmacht: Struktur, Entwicklung, Einsatz 99 3.5 Waffen, Militärtechnik und Rüstungspolitik 105 3.6 Krieg und Holocaust 111 3.7 Soldatische Kriegserfahrungen 118 3.8 Europa unter nationalsozialistischer Besatzung 127 3.9 Widerstand gegen den Nationalsozialismus 137 3.10 Die Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen 166 3.11 Die Ahndung von NS- und Kriegsverbrechen in der SBZ/DDR 173 3.12 Der Krieg in europäischen "Erinnerungskulturen" 178 4. Karten und Grafiken 185 5. Chronologische Übersicht: Der Zweite Weltkrieg 186 6. Redaktion 207 bpb.de Dossier: Der Zweite Weltkrieg (Erstellt am 20.09.2021) 4 Der Zweite Weltkrieg – eine historische Zäsur Einführung Von Dr. habil. Jörg Echternkamp 30.4.2015 Dr. habil. Jörg Echternkamp, geboren 1963, ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Institut der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg und Projektbereichsleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), vormals Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), in Potsdam. Er hatte zahlreiche Lehraufträge an Universitäten im In- und Ausland; 2012/13 war er Inhaber der Alfred-Grosser-Gastprofessur am Institut d'Études Politiques (Sciences Po) in Paris. Echternkamp forscht und lehrt zur deutschen und europäischen Geschichte vom 18. zum 21. Jahrhundert; Schwerpunkte bilden derzeit die Gesellschafts- und Erinnerungsgeschichte der Weltkriege, der NS-Zeit und der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zu seinen Publikationen zählen: (Hg.) Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/1-2: Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939-1945 (München 2004/2005; engl. Oxford 2008/2014), Die 101 wichtigsten Fragen: Der Zweite Weltkrieg, München 2010, Militär in Deutschland und Frankreich 1870-2010, Paderborn 2011 (hg. mit S. Martens), München 2012; Experience and Memory. The Second World War in Europe, Oxford 2010/2013 (hg. mit S. Martens); (Hg.), Wege aus dem Krieg im 19. und 20. Jahrhundert, Freiburg 2012; Die Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1969, Paderborn 2013; Gefallenengedenken im globalen Vergleich (hg. mit M. Hettling), München 2013; Soldaten im Nachkrieg 1945-1955, München 2014. 75 Jahre nach Kriegsende gibt es kaum noch jemanden, der die NS-Diktatur als Erwachsener erlebt hat und von dem Krieg erzählen kann, den die Nationalsozialisten angezettelt haben. Umso schwerer fällt es heute, diese Vergangenheit zu verstehen. Angenommen, es hätte Mitte der 1930er-Jahre in Europa bereits repräsentative Meinungsumfragen gegeben und die Demoskopen hätten die Deutschen gefragt: Glauben Sie, dass es bald wieder einen großen Krieg geben wird? - Die Mehrheit der Befragten hätte sicherlich mit "Nein" geantwortet. Einen neuen Krieg wollte und konnte sich kaum einer vorstellen. In Berlin boten die weltoffen wirkenden Olympischen Sommerspiele 1936 den festlichen Rahmen für einen friedlichen Wettkampf. Ein internationales Veteranentreffen in Verdun schien gerade erst ein Zeichen der Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern zu setzen. Das Frontkämpferreferat der "Dienststelle Ribbentrop", welche die neue Staatspartei, die NSDAP, kurz zuvor eingerichtet hatte, half beim Organisieren von derlei Veranstaltungen für Weltkriegsteilnehmer aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Wie hätte man auch angesichts der Millionen Toten, Verwundeten und Invaliden die Gewalterfahrungen des Weltkrieges von 1914/18 – der damals ja noch nicht nummeriert wurde – vergessen können? Sicher, manche Veteranen verklärten das Kameradschaftserlebnis des Schützengrabens und nicht nur Militärs entwarfen Szenarien für einen kommenden, erfolgreicheren Krieg. Und dass das Deutsche Heer "im Felde unbesiegt" geblieben war, galt vielen als sicher: "Vaterlandslose" Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden seien der Front durch die Novemberrevolution in den Rücken gefallen, so lautete die weit verbreitete "Dolchstoßlegende". Doch es gab die entgegengesetzte Strömung, für die das Kriegserlebnis vor allem eine Bedeutung hatte: die Überlebenden zum Frieden zu mahnen. Hatte man nicht eigens eine internationale Organisation gegründet, den Völkerbund, der für ein friedliches System kollektiver Sicherheit sorgen sollte? War der Krieg nicht im "Briand-Kellogg-Pakt" sogar völkerrechtlich geächtet worden? Auch wenn es einzelne militärische Konflikte gab – kaum jemand konnte 1936 mit einem neuen "Weltenbrand" rechnen. Keine zehn Jahre später lagen große Teile Europas in Schutt und Asche; erstmals wurden mit dem Abwurf von Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki 1945 Kernwaffen gezielt eingesetzt. Zwischen 1939 und 1945 hatten weltweit rund 110 Millionen Männer und auch Frauen unter Waffen gestanden. Über 60 Millionen Menschen kamen zu Tode: bei regulären Kampfhandlungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, durch Kriegsverbrechen, als Opfer eines Genozids, durch bpb.de Dossier: Der Zweite Weltkrieg (Erstellt am 20.09.2021) 5 Vertreibung. Rund 25 Millionen Tote – die meisten – hatte allein die Sowjetunion zu beklagen; 15 Millionen waren es in China, 7 Millionen in Deutschland, 6 in Polen. Weitere Millionen Menschen verloren ihre Heimat, weil sie fliehen mussten, vertrieben wurden oder einer rasseideologischen Bevölkerungs- und Umsiedlungspolitik ausgesetzt waren. Zu den Entwurzelten zählten die Millionen Zwangsarbeiter im Deutschen Reich (7,8 Mio.) und in Japan (2,1 Mio.). Ein militärischer Konflikt, der sich alsbald zu einem tendenziell globalen und totalen Krieg ausgeweitet hatte, militärisch spätestens 1942/43 entschieden war und keine sechs Jahre währte, führte zu einem beispiellosen Bruch in der Geschichte. Nach diesem zweiten Weltkrieg war so gut wie nichts mehr, wie es einmal war. Der Gegensatz zwischen zwei Supermächten, den USA und der Sowjetunion, mit seinen Stellvertreterkriegen in Afrika und Ostasien bestimmte fortan die außenpolitische Lage. Zentrale europäische Traditionsstränge wurden gekappt. Der Alltag in West- und Osteuropa veränderte sich unter dem Einfluss der "Amerikanisierung" und "Sowjetisierung". Vor allem in Ost- und Südosteuropa dauerte es Jahrzehnte, bis sich die Bevölkerung von der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft erholte und sich der Lebensstandard merklich verbesserte. Als "Zivilisationsbruch" gilt der industrialisierte Völkermord an den europäischen Juden, der ohne den Krieg gar nicht möglich gewesen wäre. Der systematische Massenmord im "Vernichtungskrieg", den die Deutschen in Ost- und Südosteuropa geführt hatten, löschte auch eine jahrhundertealte Tradition jüdischen Lebens in Europa nahezu aus. Der kriegsbedingte Traditionsbruch betraf nicht zuletzt den Krieg als solchen. Unsere Vorstellungen von der Anwendung militärischer Gewalt haben sich drastisch gewandelt. Dass Krieg wie ein reinigendes Gewitter immer mal wieder sinnvoll sei, dass er eine gute Gelegenheit biete, Männlichkeit zu beweisen oder eine ominöse nationale Ehre zu retten – diese Ideen weisen zurück in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erst das Ende dieses Zweiten Weltkrieges war der Anfang einer Weltordnung, in der einzig die Verhinderung militärischer Gewalt in der Regel deren Anwendung legitimiert. Bis etwa 1990 hatte nicht zuletzt die wechselseitige Androhung von Krieg, das "Gleichgewicht des Schreckens" durch die nukleare Abschreckung, die Welt vor einem neuen Großkonflikt zwischen den Supermächten bewahrt. Erst das Ende dieses "Kalten Krieges" habe, so argumentieren manche Historiker und Politikwissenschaftler, dann auch den Zweiten Weltkrieg endgültig beendet. Wie zerbrechlich der Frieden ist, daran erinnert nicht zuletzt die Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs. Doch die Geschichte des Zweiten Weltkriegs gibt es nicht. Was wir von diesem düsteren Kapitel der Weltgeschichte, nicht zuletzt der deutschen Geschichte wissen, hängt auch davon ab, was die Vergangenheitsexperten, die Historikerinnen und Historiker zu berichten wissen und – das ist nicht dasselbe – was jeweils in der Öffentlichkeit als historisches Wissen gilt. So hat sich das Bild des Zweiten Weltkrieges in den vergangenen 70 Jahren immer wieder gewandelt. Das trifft nicht nur auf Deutschland zu und auch nicht nur auf Osteuropa, wo nach der "Wende" um 1990 die offiziellen ideologischen Deutungsvorgaben fortfielen. Auch in den westeuropäischen Staaten hat sich das Bild von der eigenen Rolle zwischen 1939 und 1945
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