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DICHTERLIEBE SCHUMANN JULIAN PRÉGARDIEN ÉRIC LE SAGE SANDRINE PIAU MENU › TRACKLIST › DEUTSCH › FRANÇAIS › ENGLISH › SUNG TEXTS ROBERT SCHUMANN (1810-1856) SPANISCHES LIEDERSPIEL, OP.74 1 NO.4 IN DER NACHT 4’24 CLARA SCHUMANN (1819-1896) 3 ROMANCES, OP.11 2 NO.2 ANDANte – allegrO PASSIONATO – aNDANTE 5’29 ROBERT SCHUMANN 3 GESÄNGE, OP.31 3 NO.1 DIE LÖWENBRAUT 7’53 CLARA SCHUMANN 4 WENN ICH EIN VÖGLEIN WÄR 1’08 ROBERT SCHUMANN 3 ZWEISTIMMIGE LIEDER, OP.43 (OSSIA GENOVEVA, OP.81, ACT II) 5 NO.5 WENN ICH EIN VÖGLEIN WÄR 1’27 MYRTHEN, OP.25 6 NO.15 AUS DEN HEBRÄISCHEN GESÄNGEN (MEIN HERZ IST SCHWER) 4’32 DICHTERLIEBE, OP.48 7 I. IM WUNDERSCHÖNEN MONAT MAI 1’32 8 II. AUS MEINEN TRÄNEN SPRIEßEN 0’45 9 III. DIE ROSE, DIE LILIE 0’34 10 IV. WENN ICH IN DEINE AUGEN seh’ 1’31 11 V. ICH WILL MEINE SEELE TAUCHEN 0’55 12 VI. IM RHEIN, IM HEILIGEN STROME 2’27 13 VII. ICH GROLLE NICHT 1’27 14 VIII. UND WÜSSTEN’s die BLUMEN 1’12 15 IX. DAS IST EIN FLÖTEN UND GEIGEN 1’17 16 X. Hör’ ich das LIEDCHEN KLINGEN 1’46 17 XI. EIN JÜNGLING LIEBT EIN MÄDCHEN 0’52 18 XII. AM LEUCHTENDEN SOMMERMORGEN 2’16 19 XIII. Ich hab’ im TRAUM GEWEINET 2’36 20 XIV. ALLNÄCHTLICH IM TRAUME 1’22 21 XV. AUS ALTEN MÄRCHEN WINKT ES 2’05 22 XVI. DIE ALTEN BÖSEN LIEDER 4’00 SECHS FRÜHE LIEDER, WOO 21 23 NO.4 KURZES ERWACHEN 2’16 5 LIEDER UND GESÄNGE, OP.127 24 NO.1 SÄNGERS TROST 2’05 3 ROMANZEN, OP.28 25 NO.1 SEHR MARKIRT 3’22 26 NO.2 EINFACH 3’23 4 GESÄNGE, OP.142 27 NO.4 MEIN WAGEN ROLLET LANGSAM 3’03 TOTAL TIME: 66’15 JULIAN PRÉGARDIEN TENOR ÉRIC LE SAGE FORTEPIANO FORTEPIANO BY JULIUS BLÜTHNER, LEIPZIG 1856, RESTORED BY CHRISTOPH KERN SANDRINE PIAU SOPRANO (1,3,4,5) › MENU Jedes musikalische Werk durchläuft eine Entstehungsgeschichte. Was wir heute als Dichterliebe DEUTSCH kennen ist also das Ergebnis eines kreativen Prozesses, der zu einem Zeitpunkt x, zum Beispiel der Erstverlegung, als abgeschlossen gilt. Robert Schumann hat nach der Veröffentlichung (als opus 48 im August 1844) keine weitere uns überlieferte Revision seiner „Lieder und Gesänge aus dem lyrischen Intermezzo im Buche der Lieder“ von Heinrich Heine vorgenommen. Meine Art Musik zu lesen und für eine Aufführung vorzubereiten ist sehr stark vom sogenannten „historisch informierten“ Interpretationsansatz geprägt. Wie auch bereits in meinem selbstverlegten Editionsprojekt zu Franz Schuberts Winterreise aus dem Jahr 2016 (prhei.com) spielt hier das Studium des Autographs und von Skizzen, Entwürfen und des Schriftverkehrs rund um den kreativen Prozess eine Rolle. Wie auch die Zeugnisse der ersten Aufführungen: Clara Schumann zum Beispiel pflegte in die Mitte des Zyklus (nach Es ist ein Flöten und Geigen) Auszüge aus der Kreisleriana einzufügen. In Konzerten mit meinem Klavierpartner Éric le Sage praktizieren wir das ebenso. Für unsere Aufnahme, die anders als bei meinem Winterreise-Projekt keine Live-Einspielung ist, also kein Konzerterlebnis wiedergibt, haben wir uns dagegen entschieden. Jedoch greife ich bei der Studio-Aufnahme bei einigen Liedern auf für mich weitaus überzeugendere rhythmische bzw. deklamatorische Erstentwürfe Robert Schumanns für Verse wie „Sie hat ja selbst zerrissen mir das Herz“ oder „Wenn ich mich lehn’ an deine Brust“ zurück. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter und wage die kritische Betrachtung weiterer Phrasen und Melodien, nicht weil ich es besser wüsste, sondern weil ich mir vorstelle, dass ein Komponist damals wie heute auch eine kritische Betrachtung seiner Werke erwartet. Wahrscheinlich würde Robert Schumann manche meiner Änderungen zurückweisen. Andere würden ihn jedoch zum Grübeln bringen, hoffe ich. Wir, Éric und ich, hatten bereits für das Frühjahr 2016 die Aufnahme der Dichterliebe geplant. DEUTSCH Im Zuge der Vorbereitung stieß ich auf die neue kritische Ausgabe des Bärenreiter-Verlags mit Hinweisen zum Autograph im Anhang – und kam nicht umhin, die Aufnahme abzusagen, da ich durch diese von dem Musikwissenschaftler Hansjörg Ewert betreute Notenausgabe auf etwas stieß, was ich „Bestätigung von vorsichtigen Zweifeln“ nennen könnte – und nicht länger wusste, wie weit ich meine Zweifel nun in meinen Vortrag der Lieder einfließen lassen sollte. Nach einigen Konzerten hat sich nun so etwas wie eine eigene kritische Notenausgabe herauskristallisiert, die zum Zeitpunkt der Aufnahme aber sicherlich nicht abgeschlossen ist und ebenso wenig für alle Zeiten so bleiben wird wie sie nun nachzuhören ist. Auch die womöglich von Verlegerseite eingeforderte Kürzung des Zyklus von 20 auf 16 Lieder betreffend haben wir einen Vorschlag zu unterbreiten. Wir möchten aber die so beliebte und sich so richtig anfühlende Dramaturgie der Dichterliebe nicht stören. Vielmehr haben wir Lieder, Duette und Klavierwerke ausgewählt, welche die Dichterliebe atmosphärisch umgeben und welche als Prolog und Epilog zu erachten sind. Daneben sind sie unsere künstlerische Würdigung der Jubilarin Clara Schumann, deren 200. Geburtstag wir 2019 feiern. Julian Prégardien DICHTERS STIMMEN DEUTSCH VON HANSJÖRG EWERT Gehörshalluzinationen führten zu Robert Schumanns Nervenzusammenbruch und schließlich in die Heilanstalt. Bestürzt bemerkte seine Frau Clara, wie ihm alles zu unerhörter, bedrängender Musik wird. Er hörte Stimmen, nicht nur im Sinne der medizinischen Diagnose, sondern leibhaftige Stimmen von Engeln und Dämonen. Zeitlebens hatte er Stimmen gehört; seine Kompositionen sind voll von nachgehenden, inneren Stimmen, die unversehens auftauchen und verschwinden. In Florestan und Eusebius, Chiara und den anderen erfundenen Figuren der Davidsbündler versuchte er, die verschiedenen Stimmen seines Inneren zu bewältigen, indem er ihnen Namen und Gesichter gab. In einer nächtlichen Szene, die eigentlich zwei Liebende in einem heiteren Liederspiel zusammenführen sollte, gibt Schumann etwas von seinem Stimmenhören preis. Aus der Differenz von „Sinnen“ und „Singen“ erhebt sich die Stimme In der Nacht: Das Klavier etabliert eine idealtypische Denkerpose, aus der sich der Gesang einer weiblichen Stimme herausspinnt. Zu sich kommt das Lied erst im Zwiegesang, wenn auf das Stichwort ‚Liebe’ der Sänger hervorgerufen wird. Lange war Schumann unentschieden, ob er sich besser sprachlich oder musikalisch auszudrücken vermöchte. Es war wohl die Stimme einer angehimmelten verheirateten Frau, die ihn dazu brachte, das Dichten zu lassen und der inneren Stimme der Empfindung zu folgen. Von Agnes Carus hörte er 1827 Lieder von Schubert, und vermeintlich war es auch eine Melodie von Schubert, die ihm 1854 die Geister für seine letzten Klaviervariationen vor dem Sprung in den Rhein diktierten. Bevor der Komponist sich am Klavier auszusprechen vermochte, versuchte er es im Lied. Als seine Sängerin ihm die Lieder vorsingt, muss er zum ersten Mal seine innerlich gehörte Musik mit der realen Stimme einer Sängerin abgleichen – und fühlt sich nicht verstanden. Kurzes Erwachen DEUTSCH auf ein Gedicht von Justinus Kerner ist eines dieser Lieder, die er als eine Art Gesellenstück zur Begutachtung an namhafte Komponisten schickte. Man bescheinigte ihm zwar noch mangelhaften Tonsatz, aber eine hörbar eigene Stimme. Noch körperlos, wie eine traumbefangene Erinnerung, singt das Lied davon, was sich im „wunderschönen Monat Mai“ der Dichterliebe zur Deutlichkeit ausfantasieren wird. Sängers Trost ist 1840 zusammen mit weiteren Liedern nach Kerner entstanden. Wenn niemand mehr die Stimme des Sängers hört, gedenkt doch die Natur seiner in einer gleichsam mythischen Entsprechung, die in den letzten Zeilen des Liedes aus dem Klaviersatz herauswuchert. In der harmonischen Entrückung dieser Stelle wird die Stimme des Komponisten hörbar, der im alltäglichen Leben anstrengend schweigsam gewesen und so leise gesprochen haben soll, dass man ihn jedenfalls nicht als Sänger seiner Lieder identifizieren konnte. Seine Geliebte und Gattin Clara hat seine innerste Stimme am deutlichsten vernehmen können. Mehr noch als in Briefen tauschten sie in Tönen aus, was sie sich zu sagen hatten und wofür alle Worte nicht hinreichten. Die zweite ihrer Klavier-Romanzen op. 11 veröffentlichte Robert in seiner Zeitschrift und antwortete darauf mit seinen Romanzen op. 28, deren mittlere sie als das „schönste Liebesduett“ hörte und sich als Brautgeschenk wünschte. In dem beliebten Volkslied Wenn ich ein Vöglein wär finden beide Partner ein Modell für ihre Sehnsucht nach unkomplizierter, einfacher Zweisamkeit. Claras Version sucht im Kanon den Weg zu einer regelhaften Mehrstimmigkeit; Robert spinnt ein schlichtes romantisches Duett, das die verwirrenden inneren Stimmen im Lied bannt. Es dürfte eine der ersten Kompositionen nach seiner Hochzeit mit Clara gewesen sein. Später, in seiner Oper Genoveva, wird der männliche Part aus eben dieser geregelten Zweistimmigkeit ausbrechen und mit der Stimme des Begehrens der Frau Gewalt antun. Wie so oft bei Schumann erweist sich die Fragilität des einfachen Singens, unter dessen Oberfläche die selbstzerstörerische Verletzlichkeit lauert. Dass die Musik selbst beides sein kann, Verletzung wie Heilung, davon singt der Sänger Aus den DEUTSCH hebräischen Gesängen. Das Lied steht an einer Bruchstelle im Brautstrauß der Myrthen, den der Komponist tatsächlich Clara widmete und schön gebunden zur Hochzeit schenkte. Wie auf der Rückseite der Myrthen steht Die Löwenbraut. Wie im gesungenen Alptraum bedenkt die Ballade das mögliche Scheitern der ehelichen Verbindung; mehr noch, in der Verlustangst des Löwen offenbart sich das Gewaltpotenzial der Verheiratung. Nicht nur die zur Hochzeit geschmückte Braut im Text lässt an Clara denken: Die Erinnerung an