Hansische Geschichtsblätter
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HANSISCHE GESCHICHTSBLÄTTER HERAUSGEGEBEN VOM HANSISCHEN GESCHICHTSVEREIN 122. JA H R G A N G 2004 Porta Alba Verlag Trier HANSISCHE UMSCHAU In Verbindung mit Norbert Angermann, Roman Czaja, Detlev Ellmers, Antjeka- thrin Graßmann, Rolf Hammel-Kiesow, Elisabeth Harder-Gersdorff, Carsten Jahnke, Stuart Jenks, Ortwin Pelc, Louis Sicking und Hugo Weezerka bearbeitet von Volker Henn ALLGEMEINES Thomas Behrmann, Der lange Weg zum Rezeß. Das erste Jahrhundert han sischer Versammlungsschriftlichkeit (Frühmittelalterliche Studien 36, 2002, 433-467). - Im Mittelpunkt der Ausführungen B.s steht die Frage, inwieweit sich „aus Form und Inhalt der hansischen Rezesse Aufschlüsse über Entstehung und Strukturen der hansischen Städtegruppe gewinnen (lassen)“ (435). Beginnend mit einer Versammlung in Wismar 1260/64, geht B. den Spuren der ältesten Städte versammlungen im (später) hansischen Raum nach, namentlich denen der wendi schen Städte, und untersucht das im Umfeld dieser Versammlungen entstandene Schriftgut vorrangig unter rechtsförmlichen Gesichtspunkten. Dabei dienen ihm Ausmaß und Art der Verschriftlichung als Indiz für die Stetigkeit und Festigkeit des Verbundes der Städte. In diesem Zusammenhang kommt der Aufzeichnung der Beschlüsse besondere Bedeutung zu, weil sie „den Handlungsrahmen der Be schließenden auch für die Zukunft“ (437) festlegen. B. kommt zu dem Ergebnis, daß es bis in die späten 50er Jahre des 14. Jhs. eine Rezeßschriftlichkeit in dem Sinne, daß unter Nennung der am Zustandekommen beteiligten Ratssendeboten die Beschlüsse einer Städteversammlung schriftlich fixiert worden wären, „um sie für ein späteres Treffen abrufbar zu machen“ (453), nicht gegeben hat. Noch der Beschluß der Lübecker Versammlung vom Januar 1358, den Handel mit Flandern einzustellen, sei in der Form einer Urkunde, nicht in der eines Rezesses aufge zeichnet worden und auch seiner Funktion nach nicht mit einem Rezeß zu ver gleichen. Erst im Zuge der Versammlungsaktivitäten im Kontext der Auseinan dersetzungen mit Valdemar Atterdag (nach 1361) habe sich die Rezeßtradition verfestigt, wobei sich „Zug um Zug das Gewicht von der bloßen Aufzeichnung der Beschlüsse zur weitergehenden, Protokollelemente enthaltenden Niederschrift des Versammlungsgeschehens“ (467) verschoben habe. Es handelt sich um einen überaus anregenden Aufsatz, der - auch wenn manche Überlegung wegen der Spärlichkeit der Überlieferung Vermutung bleiben muß - aus einem neuen Blick winkel heraus die Vorstellung bestätigt, daß die Hanse erst um die Mitte des 14. Jhs. wirklich Gestalt gewinnt. V. H. Hinweise auf Übersetzungen sind in der Hansischen Umschau eher unüblich, doch das Erscheinen von Rolf Hammel-Kiesows Buch „Die Hanse“ in lettischer Spra che (Rolfs Hamels-KTzovs, Hanza, Riga 2003, LU zurnäla „Latvijas Vesture“ fonds, 120 S., übs. von Valda Kvaskova) ist ein Ereignis von großer Bedeutung für die Rezeption der Hanse in Lettland. Diese aktuelle Gesamtdarstellung der han sischen Geschichte (vgl. HGbll. 119, 2001, 203f.) füllt eine Lücke in der dürftigen 192 Hansische Umschau Wissenslandschaft. Ilgvars Misäns, wiss. Redaktor der lettischen Ausgabe, erklärt diesen Umstand mit der nationalen Geschichtsauffassung, die dem deutschen Bei trag gleichgültig oder sogar feindselig gegenüberstand. In seinem Vorwort „Hanse und wir“ (Hanza un mes, 7-11) fasst er kurz die Bedeutung der Hanse für die Städte im heutigen Lettland zusammen und weist auch darauf hin, dass der Name „Hanse“ im Wirtschaftsleben Lettlands derzeit überaus populär ist. Hoffentlich wird die Hanse auch im Forschungsleben ihren Platz erobern. Der Weg dafür ist jetzt durch die Prägung der zentralen Termini (z. B. ,tieslbas vienoties‘ = Einungs recht) vorbereitet worden. K. Zvirgzdips Peter Oestmann, Ferdinand Frensdorff (1833-1931), Professor (in: Nieder sächsische Juristen. Ein historisches Lexikon mit einer landesgeschichtlichen Ein führung und Bibliographie, hg. von Joachim Rückert und Jürgen Vortmann, Göt tingen 2003, 252-258), würdigt das wiss. Lebenswerk Frensdorffs, der als Schüler von Georg Waitz mit seinen Forschungen zum lübischen Recht, zu den Stadtrech ten u. a. von Visby, Ripen, Hannover und Braunschweig, insbesondere aber mit seiner vorbildlichen Edition der „Dortmunder Statuten und Urtheile“ (1882) wich tige Beiträge zur hansischen Stadtrechtsgeschichte geliefert hat. V. H. An den Historiker Wilhelm Christian Hermann Stieda wird aus Anlass seines 150. Geburtstages von Norbert Angermann erinnert (Ostdeutsche Gedenktage 2001/2002, Bonn 2003, 189-191). Besonders bekannt ist Stiedas Edition des Vek- kinchusenschen Briefwechsels (1921). Durch die Erschließung weiterer Quellen - so der „Revaler Zollbücher und Quittungen des 14. Jahrhunderts“ - und gewis senhafte Detailforschung machte sich der aus dem Baltikum stammende Gelehrte darüber hinaus um die Hanseforschung sehr verdient. M. Lührs Regesten Kaiser Friedrichs 111. (1440-1493) nach Archiven und Bibliotheken ge ordnet, hg. von Heinrich Koller, Paul-Joachim Heinig und Alois Nie- derstätter, H. 16: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, bearb. von Eberhard Holtz (Wien 2002, Böhlau Verlag, 185 S.). - Die Neubearbeitung der Regesta Imperii Friedrichs III. im Bereich der ostdeutschen Bundesländer hat neben Thüringen (Heft 10) und Sachsen (Heft 11) jetzt auch Sachsen-Anhalt erfaßt. Die nach dem bewährten Schema (Einleitung, Urkundenverzeichnis, Regesten, Quellen- und Literaturver zeichnis, Register) gegliederte Publikation verzeichnet 233 Regesten zu insgesamt 232 Friedrich III.-Urkunden, die - vom Original bis zum erschlossenen Deperdi- tum - in 22 Archiven, Bibliotheken und Museen von Sachsen-Anhalt ausfindig gemacht wurden. Da die Grenzen des 1991 konstituierten Bundeslandes die hi storisch gewachsenen Herrschaftsräume im mittleren Elbe-Raum durchschneiden, beziehen sich die aus den Regesten zu gewinnenden Informationen auf ein wenig homogenes Gebiet (mit entsprechend verwickelter Archivgeschichte), in dessen schwach konturiertes politisches Machtgefüge bedeutende geistliche Territorien (die Hochstifte Magdeburg, Halberstadt, Merseburg und Naumburg, die Abteien Quedlinburg und Gernrode), einige weltliche Herrschaften (wie die der Fürsten von Anhalt, der Grafen von Mansfeld, Stolberg-Wernigerode, Honstein u. a.) so wie die Städte Magdeburg, Halle, Halberstadt und Quedlinburg einbezogen waren, das aber letztlich von den sächsischen Kurfürsten dominiert blieb. Das unbestreit bare, in der Überlieferung gleichsam gespiegelte, politische Übergewicht Kursach- Allgemeines 193 sens erhellt auch daraus, daß beinahe ein Drittel der hier erfaßten Urkunden bereits in anderen Regestenheften bearbeitet worden ist. Angesichts seiner wenigen Kon takte zum Kaiserhof erscheint der mittlere Elbe-Raum in der 2. Hälfte des 15. Jhs. insgesamt als eine königsferne Region (wobei der Blick auf die offenkundig hohe Verlustquote der Archivalien das Urteil zu relativieren vermag). Aus diesem Ge biet heraus weisen einige Urkunden, die sich auf Thüringen (besonders Erfurt) und „landfremde“ Adelsfamilien wie die der Herren von Weinsberg und der Herren von Eppstein-Königstein beziehen. Unter den hier verzeichneten Gratial-, Gerichts und „Reichsachen“ (Landfrieden, Juden, Hilfsgebote und Einladungen zu „Reichs tagen“, die auch Territorialstädte wie Halle einbeziehen) seien besonders heraus gestellt: eine bisher unbekannte, wohl für das Hamburger Domkapitel ausgefertigte Erneuerung der „Karolina de ecclesiastica libertate“ Karls IV. zugunsten der Ham burger und Magdeburger Kirchenprovinz (Nr. 167); die den Grafen von Mühlin- gen gewährten Privilegien für den Handel (Getreide, Mehl, Wein, Bier) auf der Elbe über Magdeburg nach Hamburg, von wo aus Heringe, Textilien und anderes Kaufmannsgut zurückgeführt werden durften (Nr. 73, 74, 78, 102, 105-107); der Konflikt, der sich aus den widersprüchlichen Bestätigungen der konkurrierenden, zur gleichen Zeit abgehaltenen Jahrmärkte in Halle und Leipzig entwickelt (Nr. 67, 86, 88-96, 101); ein kurioser, bis zum kaiserlichen Kammergericht getragener Streit um die Ehre einer Bäckerin, welcher der Halberstädter Bäckerinnung die Acht einbringt, unter deren zahlreichen Exekutoren auch die Stadt Braunschweig fungiert (Nr. 115, 116, 149). E. Voltmer Was machte eine mittelalterliche Siedlung zur Stadt? fragt Franz Irsigler (Uni versität des Saarlandes. Universitätsreden 51, Saarbrücken 2003, 17^44) auf der Suche nach einer Definition von „Stadt“, die erkennen läßt, „wann ein mittelal terlicher Stadtwerdungs- oder gar Stadtgründungsprozeß abgeschlossen ist, wann eine Siedlung ... jenen Entwicklungs- und Ausstattungsstand erreicht hat, der die Verwendung des Begriffs Stadt rechtfertigt“ (24). Vf. analysiert dazu die relativ gut dokumentierten Stadtgründungsvorgänge im nordfranzösischen Ardres und in Lippstadt und ergänzt seine eigene, seit 1978 in verschiedenen Arbeiten vorge schlagene Definition von „Stadt“ um das Kriterium der gemeindlichen Selbstver waltung. Stadt ist demnach „eine vom Dorf und nichtagrarischen Einzwecksied lungen unterschiedene Siedlung relativer Größe mit verdichteter, gegliederter Be bauung, beruflich spezialisierter und sozial geschichteter Bevölkerung, Selbstver waltungsorganen, einer auf Gemeindestrukturen aufbauenden, freie Lebens- und Arbeitsformen sichernden Rechtsordnung sowie zentralen Funktionen politisch herrschaftlich-militärischer, wirtschaftlicher und kultisch-kultureller Art für eine bestimmte Region oder regionale Bevölkerung“ (44). Letztlich