LANDESUMWELTAMT BRANDENBURG d

Heft 1, 1998 n Einzelverkaufspreis 12,– DM NLu NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 2NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Impressum Naturschutz und Landschaftspflege Herausgeber: Landesumweltamt Brandenburg (LUA) Referat Öffentlichkeitsarbeit in Brandenburg Schriftleitung: LUA/Abteilung Naturschutz Dr. Matthias Hille Barbara Kehl Beirat: Dietrich Braasch 7. Jahrgang Heft 1, 1998 Dr. Martin Flade Dr. Bärbel Litzbarski Säugetierforschung als Grundlage für den Artenschutz Dr. Annemarie Schaepe Dr. Thomas Schoknecht Dr. Dieter Schütte Dr. sc. Friedrich Manfred Wiegank Inhaltsverzeichnis Dr. Frank Zimmermann Anschrift: Landesumweltamt Brandenburg Abt. N, PF 601061, 14410 Potsdam MICHAEL STUBBE Tel. 0331/277 62 16 Fax 0331/277 61 83 Geschichte und Perspektiven des Säugetierschutzes 4

Autoren werden gebeten, Manuskripte in Maschinen- DIETRICH DOLCH schrift (wenn möglich auf Diskette – WP-Fließtext) an Der Landesfachausschuß Säugetierkunde Brandenburg/Berlin die Schriftleitung zu senden. Fotos nach Absprache. Autoren erhalten einige Exemplare des betreffenden – Organisation, Arbeitsweise und Ergebnisse 16 Heftes. Die Redaktion behält sich eine Überarbeitung eingesandter Beiträge in Abstimmung mit den Autoren ANJA WEIDLING, MICHAEL STUBBE vor. Bereits in anderen Zeitungen veröffentlichte Bei- Feldhamstervorkommen in Abhängigkeit vom Boden 18 träge können nur in besonderen Fällen berücksichtigt werden. KERSTIN SELUGA Redaktionsschluß: 13.10.1997 Vorkommen und Bestandssituation des Feldhamsters in Sachsen-Anhalt Titelgestaltung: Rohde/Zapf - Historischer Abriß, Situation und Schlußfolgerungen für den Artenschutz 21 Gesamtherstellung, Vertrieb: UNZE-Verlagsgesellschaft mbH Alt Nowawes 83a ULRICH WEINHOLD 14482 Potsdam Zur Methodik radiotelemetrischer Untersuchungen am Feldhamster Tel. 0331/74 75 6 - 0 (Cricetus cricetus L. 1758) im Freiland 26 Fax 0331/74 75 6 - 20 ISSN: 0942-9328 LEO BACKBIER Bezugsbedingungen: Der Feldhamster in Niederländisch Limburg 29 Jährlich erscheinen 4 Hefte. Bezugspreis im Abonnement: 16,- DM pro Jahrgang RESOLUTION zur Rettung des Feldhamsters Cricetus cricetus L., 1758 – Abonnementsbestellungen sind an den Verlag zu rich- ten. Tier des Jahres 1996 32 Sonderhefte sind nicht Bestandteil des Abonnements. Der Einzelpreis wird jeweils gesondert festgesetzt. Er ULRICH ZÖPHEL schließt die Zustellkosten ein. Bestellungen sind an den Stand und Probleme der Fledermauskartierung in Ostdeutschland 32 Verlag zu richten. Die Lieferung erfolgt nach Zahlung einer Vorausrechnung. KURT FRANKE, DIETRICH HEIDECKE Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht un- Das Biber-Betreuernetz in Sachsen-Anhalt 36 bedingt die Meinung der Redaktion wieder. GOTTFRIED KOHLHASE Titel: Titel: „Wildtier in Menschenhand” Wolfswelpe Biberhof Torgau – Lernort in der Natur 37 Zeichnung: Micha Dudek, nach R. Du- dek JAN LANGBEIN, KLAUS-M. SCHEIBE, KNUT EICHHORN Rücktitel: Die „order in council“ zum Schutz des Untersuchungen zur Aktivitätsrhythmik beim europäischen Wildschaf Delphins „Pelorus Jack“ aus dem Jahre 1904 (Ovis ammon musimon) – Möglichkeiten der Indikation von „Störungen“ 38 Vignetten: Micha Dudek (4-36, 68, 74, 79, 80, 86, 89, 92, 97, 104, 107) HOLGER MEINIG Dietrich Dolch (32, 42-52, 63, 71, 98, Zur Artenverarmung von Kleinsäugercoenosen städtischer Ballungsräume 42 103, 108), Jana Teubner (60), Roland Boll (38, 64, 77) aus „Buch der Hege” Bd. 1 Haarwild, Hrsg. H. Stubbe, VEB MATHIAS HERRMANN Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin Verinselung der Lebensräume von Carnivoren – von der Inselökologie zur planerischen Umsetzung 45 Diese Zeitschrift ist auf Papier aus 100 % Sekundärfa- sern mit nordischem Umweltzeichen gedruckt. AXEL SCHMIDT Auflage: 1.700 Expl. Zur Verbreitungsgeschichte der Gartenspitzmaus Crocidura suaveolens in Ostdeutschland 49

DIETER KÖHLER Aspekte der Ethökologie und deren Bedeutung für den Schutz der Wasserspitzmaus (Neomys fodiens) 52

DIETRICH VON KNORRE Wie sicher können Wald- (Sorex araneus) und Schabrackenspitzmaus (Sorex coronatus) bei Gewöllanalysen erkannt werden ? 55

MARCUS PRIBBERNOW Biometrische Untersuchungen an Waldspitzmäusen (Sorex araneus Linné, 1758) und Schabrackenspitzmäusen (Sorex coronatus Millet, 1828) 58 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 3

HANS-WERNER MATERNOWSKI Liebe Leserinnen und Leser, Die Erfassung von Igel-Verkehrsopfern im Altkreis Oranienburg und weiteren Teilbereichen des Landes Brandenburg – ein Beitrag zur das erste Heft dieses Jahres veröffentlicht die Lösung faunistischer Fragestellungen 60 Beiträge einer gemeinsamen Tagung des Landesumweltamtes Brandenburg und des HANS-JÜRGEN KAPISCHKE Bundesfachausschusses Mammalogie beim Zum Erscheinungsbild der Wiederbesiedlung von bestellten Äckern Naturschutzbund Deutschland. durch den Maulwurf (Talpa europaea) 63 Diese Tagung, die verschiedene Partner des Säugetierschutzes unter einem Dach verein- KLAUS M. SCHEIBE, REINHOLD R. HOFMANN, UWE LINDNER te, sowohl ehrenamtlich wie auch beruflich Rekonstruktion natürlicher Ökosysteme unter Berücksichtigung der ursprünglichen engagierte Säugetierforscher und Ökologen, Größsäuger-Artengemeinschaft – Chancen für großräumigen Naturschutz 64 hatte unter anderem das Ziel, die Integrati- on der wissenschaftlichen Bemühungen zu UTTA NAPP ATHIAS ERRMANN J K , M H Forschung und Säugetierschutz zusammen- Artenschutzprojekt der Wildkatze: Der lange Weg von der Forschung zur Umsetzung 68 zuführen. Angesichts der globalen und regio- HEIKE FREYTAG-GRUNERT, RÜDIGER SCHRÖPFER nalen Probleme, die sich für den Lebens- Aktionsplan für eine Wiederansiedlung der Sumpfmaus Microtus oeconomus raum- und Artenschutz gegenwärtig ab- (PALLAS, 1776) in Nordwestdeutschland 71 zeichnen, betrachteten es das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung MANFRED WÖLFL des Landes Brandenburg und das Landesum- Der Luchs (Lynx lynx) in Bayern – Umgang mit einem Großraubtier weltamt Brandenburg als eine Aufgabe von 74 besonderer Bedeutung, die erste Tagung die- DIETRICH HEIDECKE, WALTER RIECKMANN ser Art und ihre Ziele zu unterstützen. Das soll Die Nutria – Verbreitung und Probleme – Position zur Einbürgerung 77 auch mit der Veröffentlichung der überarbei- teten Beiträge geschehen. Daraus erklärt sich JOHANNA SIEBER die Herausgabe dieses thematischen Heftes. 20 Jahre nach der Wiederansiedlung: Biber-Management unvermeidlich? 79 Um dem Anliegen der Tagung gerecht zu werden, finden Sie, liebe Leserinnen und Le- RUNDTISCHGESPRÄCH zum Thema Wiederansiedlungen 80 ser, neben den Fachbeiträgen in diesem Heft MICHAEL SCHNEIDER auch Rundtischgespäche und Poster, den je- Räuber-Beute-Systeme in heterogenen Lebensräumen – Zur Relevanz neuer weiligen Themenblöcken zugeordnet. theoretischer Konzepte in Landschaftsökologie und Naturschutz 80 Aufgrund des ungewöhnlichen Umfanges des Heftes, der höhere Kosten verursacht, JÜRGEN GORETZKI mußte die Schriftleitung nach Möglichkeiten Interessenkonflikt Rotfuchs 86 einer bescheideneren Form der Ausstattung suchen. Wir hoffen, daß dieses Heft dennoch UDO STIEBLING bei unseren Lesern Anklang findet. Der Rotfuchs, Vulpes vulpes (L., 1758), im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin: Ab der nächsten Ausgabe erwartet Sie wieder Erste Ergebnisse zur Populationsdichtebestimmung und Nahrungsökologie die bisherige Ausstattung von N und L. unter dem Aspekt des Artenschutzes 89 Schriftleitung HEINZ LITZBARSKI Prädatorenmanagement als Artenschutzstrategie 92

RUNDTISCHGESPRÄCH zum Interessenkonflikt Fuchs 97

CARINA VOGEL Ergebnisse telemetrischer Untersuchungen an einem Fischotter Lutra lutra L., 1758 in -Vorpommern 98

DIETRICH DOLCH, JENS TEUBNER, JANA TEUBNER Haupttodesursachen des Fischotters – Lutra lutra (L.,1758) im Land Brandenburg in der Zeit von 1990 bis 1994 101

JENS TEUBNER, JANA TEUBNER, DIETRICH DOLCH Vorstellungen zur Entwicklung eines Fischreusentyps für den Fischotterschutz 102

OLAF ZINKE Fischotterverluste in der Westlausitz und angrenzenden Gebieten in den Jahren 1985 bis 1995 103

INGRID HUCHT-CIORGA Vergleichende Beobachtungen zur Habitatnutzung von Luchsen (Lynx lynx) im Bayerischen Wald/Deutschland und im Berner Oberland/Schweiz 104

HANS-HEINRICH KRÜGER Zum Vorkommen und zur Ausbreitung der Wildkatze (Felis silvestris, Schreber 1777) im Südsolling 107

BEATRIX WUNTKE, INGO LUDWIG, MARCUS PRIBBERNOW Regionale und saisonale Unterschiede im Beutetierspektrum brandenburgischer Schleiereulen 108 4NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

MICHAEL STUBBE Geschichte und Perspektiven des Säugetierschutzes

Schlagwörter: Säugetierschutz, Historie, Säugetierschutzwarten, Gesetzgebung, Forschungsbedarf

1. Einleitung 26.09.1904 erließ die Regierung Neusee- ein bedeutender Eckpfeiler für den Säugetier- lands eine in der Geschichte einmalige Ver- schutz auf wissenschaftlicher Grundlage. Um die historischen Wurzeln des Säugetier- ordnung (order in council) zum Schutz dieses Ebenso sind die gegenwärtigen Bemühungen schutzes zu ergründen, muß man weit in die Einzeltieres der Art Grampus griseus (Rund- zur Herausgabe eines Europäischen Säuge- Menschheitsgeschichte zurückgehen. Es sind kopfdelphin). Für fünf Jahre wurde jeder- tieratlas durch Anthony J. Mitchell-Jones, Nutzung und Erhaltung des Wildtieres durch mann untersagt, diesen Delphin in der Cook- Friederike Spitzenberger (STUBBE u. STUBBE Domestikation hier ebenso wie ganz beson- Straße oder den angrenzenden Buchten, 1995) auch in Motivation für den Säugetier- ders die Haustierwerdung des Wolfes gegen Sunden und Wasserarmen zu fangen und bei schutz Europas sehr zu begrüßen. Wir hof- Ende der Jüngeren Altsteinzeit vor etwa Zuwiderhandlungen eine für die damalige fen, mit der in der Endphase stehenden Erar- 12 000 Jahren zum Schutze des Menschen Zeit hohe Geldstrafe angedroht. Leider ist beitung der Säugetierfauna Ostdeutschlands selbst, zum Schutz eines Hominiden aus der dieses innige Delphin-Mensch-Verhältnis dem Säugetierschutz ebenfalls wichtige Im- Ordnung Primates, vor seinen Konkurrenten, heute durch den jährlichen Massenmord an pulse zu geben. Artgenossen oder Feinden unter die Lupe zu Delphinen in Treibnetzen der Hochseefische- Dieser Beitrag kann nur ganz subjektiv und nehmen. Mit der Geschichte dieser jahrtau- rei nur noch mit einem peinlichen Schamge- lückenhaft ein Thema bearbeiten und an aus- sendealten Beziehung hat sich in jüngster fühl zu zitieren. Mark Twain prägte den Aus- gewählten Beispielen Sachverhalte und Ideen Zeit BENECKE (1994) in einer sehr gelunge- spruch: „Der Mensch ist das einzige Tier, das ordnen oder synthetisieren. Dabei steht der nen Monographie auseinandergesetzt. Der erröten kann oder sollte.“ Säugetierschutz in Deutschland im Mittel- Mensch, der so vielfältigen Nutzen vom Säugetierschutz bedeutet heute aus anthro- punkt, ohne jedoch den Blick für das interna- Haustier hat und letzten Endes seine Kultur pozentrischem Blickwinkel Erhaltung der tionale Geschehen zu verlieren. Somit kann nur mit der Hilfe des Haustieres errichten durch Homo sapiens hochgradig gefährde- jeder Einzelne weitere Mosaiksteine in dieses konnte, hat die Pflicht, nicht als Tyrann über ten Biodiversität. Der vor allem durch den Netz einfügen. der übrigen Welt zu stehen, sondern diese Menschen bewußt oder unbewußt heraufbe- nicht nur neben sich bestehen zu lassen, son- schworenen Artenverarmung wird versucht, 2. Arbeitshypothese dern auch zu pflegen (BAVINK 1941). Natur- mit regionalen und nationalen gesetzlichen schutz treiben, heißt gleichzeitig sich selbst Bestimmungen und internationalen Konven- Kann die Kulturevolution des Menschen der nützen! Auch Menschenschutz ist Säugetier- tionen entgegenzuwirken, Gemüter zu beru- Devastierung der Biodiversität Einhalt gebie- schutz! – ein aktuelles weltweites Thema ho- higen, Prophylaxe und Kosmetik zu betrei- ten? Gibt es überhaupt Schwellen – oder Ka- her Brisanz. ben, oft genug eher Papiertiger zu züchten renzwerte des Artentodes, die dem Men- Außer zum Haushund und Hauspferd hat der als den Ernst des evolutiven Eingriffs durch schen in seiner ungedrosselten Reprodukti- Mensch ein besonders inniges Verhältnis zu den Menschen tatsächlich zu begreifen oder on, Dispersion, Dismigration und verschwen- Delphinen entwickelt, weil sie unmittelbar Glauben zu schenken. Artenverarmung ist derischen Lebensraumnutzung Beschränkun- Menschen vor dem Ertrinken retteten und ein heimlicher schleichender Prozeß, der von gen auferlegen können? Erkenntnisse der wie keine andere wildlebende Säugetiergrup- vielen Menschen unbemerkt bleibt, ebenso Populationsökologie führen auch beim Men- pe zum Teil abenteuerliche Berichte initiierten wie das Ozonloch unsichtbar und nicht greif- schen nicht an intraspezifischen biotischen (PETZOLD 1979). Griechische Münzen (aus bar ist. wachstumsbegrenzenden Faktoren vorbei. Syrakus um 480 v. Chr.) und römische Siegel Von Gustav Kirk wurde 1967 der Terminus Entsprechende „Gewitterwolken“, beladen zeigten bereits Delphindarstellungen. So tau- Theriophylaxe geprägt, der Erhaltung, Be- mit Aids, BSE, Ebola-Virus etc., aber auch zu- chen auch Delphine schon in den Fabeln wahrung und Schutz der Säugetiere in ihrer nehmende Sterilität sind nicht nur am Hori- Äsops (um 600 v. Chr.) als Menschenretter Gesamtheit umfaßt. Die Notwendigkeit des zont aufgezogen, sie berühren uns bereits auf. Auch Aristoteles (384-321 v. Chr.) zitiert Säugetierschutzes basiert im wesentlichen hautnah. Wir betreiben seit Generationen in seiner „Historia animalium“ (um 330 v. heute auf den ungezügelten Eingriffen des aus anthropozentrischer Sicht eine Prophyla- Chr.) zeitgenössische Chronisten, die von der Menschen in den Naturhaushalt, mit dem er xe, deren durchgreifender Erfolg eher nega- leidenschaftlichen Zuneigung der Delphine selbst unentrinnbar verbunden ist. Seine Ver- tiv als positiv in weiter Perspektive zu beur- berichten. In seiner „Naturalis Historia“ er- antwortung gegenüber der Natur und deren teilen ist. Nach wie vor regieren Gewinn- wähnt der Römer Plinius, der Ältere, daß zur Bewahrung ist eine späte Erkenntnis, die ihre sucht, Verdrängung und Biotopverlust über Zeit des Kaisers Augustus in der Nähe Nea- Wurzeln in ethischen, kulturellen, wissen- klarer Erkenntnis im ungeschriebenen Gesetz pels ein Delphin den Sohn eines Fischers täg- schaftlichen, ästhetischen, sozialen, religiö- oder dem Codex der Selbsterhaltung. Das lich auf seinem Rücken über eine Meeres- sen, wirtschaftlichen, medizinischen, rechtli- beste Beispiel grenzenloser Verschwendung bucht zur Schule trug. Sein Neffe Plinius, der chen, erzieherischen, moralischen und ande- fruchtbarster Ackerflächen für überquellen- Jüngere, sowie weitere griechische Ge- ren Erwägungen hat, was dringend einer tie- den Luxus einer Wohlstandsgesellschaft mit schichtsschreiber oder Schriftsteller wie Plut- fen philosophischen Durchdringung bedarf immer neuen Gewerbegebieten, Autohäu- arch und Oppianus haben sich ebenfalls aus- (vgl. WOLTERS 1995). sern, Tankstellen und Supermärkten mit der führlich mit der Delphin-Mensch-Beziehung Kirk gründete weit vorausblickend 1970 die oft wohlwollenden Zustimmung von Ge- beschäftigt. Europäische Gesellschaft für Säugetierschutz meinderäten und Parlamenten aller Ebenen Zwischen 1888 und 1912 erlangte der Del- e. V. und die Zeitschrift „Säugetierschutz“, erlebt jeder einzelne in seiner Umgebung. phin „Pelorus Jack“ in der durch Klippen und deren Durchsetzungskraft und Wirkung je- Zerschneidung der Landschaft und Verkehrs- Untiefen von Seefahrern gefürchteten Cook- doch nur sehr begrenzt spürbar wurde. Auf explosion, Isolation und Gendrift stehen dem Straße, zwischen den beiden Hauptinseln europäischem Podium ist das von Jochen Säugetierschutz entgegen. War die Entwick- Neuseelands, Berühmtheit. Er geleitete Schif- Niethammer und Franz Krapp herausgege- lung der Landwirtschaft zu Beginn des 19. fe sicher durch diese Meerenge und am bene „Handbuch der Säugetiere Europas“ Jahrhunderts ein positiv stimulierendes Ele- MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 5

ment der mitteleuropäischen Landschaft Tierwelt gefährden können (KAHLKE 1981). „Bächlersche Regel“ besagt, daß stenöke Ar- (PLACHTER 1991), so nachteilig wirkten sich Erst im späten Paläolithikum hat der Mensch ten dann besonders gefährdet sind, wenn spätere Entwicklungen auf den Naturhaus- mit seiner fortgeschrittenen Technik und Teile ihres Körpers in den Augen des Volks- halt aus. spürbaren Zunahme seiner Siedlungsdichte in mythos bzw. abergläubischer Menschen als Der nachhaltigen ökologisch vertretbaren den Prozeß des klimabedingten Aussterbens Heilmittel gelten (KRUMBIEGEL 1955). Landnutzung unter den Bedingungen der In- der Großsäugetiere regional, besonders in Im alten Ägypten galten schädlingstilgende tensivlandwirtschaft kommt künftig auch für deren Rückzugsgebieten mit relativ geringen Arten wie Igel, Schleichkatzen und Katzen als den Säugetierschutz erstrangige Bedeutung Populationsdichten, verstärkt eingegriffen. heilig. Auch Wieseln kam als Nagetierverzeh- zu. Zur Erhaltung von Biodiversität müssen Artentod hat es in der Evolution immer gege- rern besonderer Schutz zu (KIRK 1968). Von EU-Maßnahmen (Flächenstillegung) ärmere ben. Es muß der philosophischen Aufberei- GESNER (1669) wurde gleiches aus dem Mit- und bessere Standorte (Böden) gleicher- tung dieses Sachverhaltes vorbehalten blei- telalter für die Wiesel in der Schweiz berich- maßen einbeziehen (SUCCOW 1993). Auf ben, den Menschen mit seinem Handeln und tet: „Theils Bauersleute haben die Wieselein gar die Energie- und Stoffflüsse und die latente seiner Vernunft und eigenen Evolution hier lieb und werth/dieweil sie allerley Mäuß/als Rat- natürliche Regelungsdynamik, die von der glaubhaft als natürliches Element oder ten/wilde Mäusse/Feldmäusse/Schärmäusse und anthropogen gesteuerten Stabilität und Labi- Störenfried einzuordnen. Das Verschwinden dergleichen fressen.“ lität überlagert wird, geht W. Haber (1980) des Urs (1627), die Ausrottung der Steller- 200 Jahre später setzt sich der Hallenser Zoo- ein. Hinzu kommt als interdisziplinäre Her- schen Seekuh und anderer prächtiger Tierge- logieprofessor Christoph G. A. Giebel (1869) ausforderung der Naturschutzforschung die stalten wie Quagga (1878) und Blaubock in seiner „Landwirthschaftlichen Zoologie“ schwerpunktmäßige Vernetzung populati- (um 1800) geht auf ihn zurück. erneut für den Schutz des Wiesels als nützli- onsökologischer und populationsgenetischer, Wenn wir uns in diesem Jahr des 250. Todes- ches Tier ein, was in Deutschland wiederum einschließlich sozio-biologischer Fragen tages von Georg Wilhelm Steller (1709 – erst 100 Jahre später mit der Unterschutz- (NEUHÄUSER, STUBBE, SCHUH 1990) sowie 1746) erinnern, wird uns die ganze Tragik der stellung des Mauswiesels im Jahre 1955 in die Rückkopplung zum sozio-ökonomischen Ausrottungsgeschichte der Riesenseekuh der DDR gelang, aber bis heute kein Allge- Verhalten des Menschen, welches die Prü- wieder bewußt. Sicherten die Seekühe mit meingut deutschen Naturschutzrechtes ist. fung der Umsetzbarkeit von Erkenntnissen in ihrem Fleisch, Fett und „ihrer Milch“ 1741 Wir bemühten uns mit großem Erfolg um naturschutzstrategisches und -politisches einst das Leben einiger Schiffbrüchiger der im nachhaltigen Mauswieselschutz durch Aus- Handeln berücksichtigen muß (MADER sibirischen Winter auf den Kommandeursin- schlupfmöglichkeiten bei Fallensystemen für 1987). seln gestrandeten Mannschaft um den in rus- den Wieselfang (STUBBE 1990). Auch dieses Säugetierschutz entwächst dem humanisti- sischen Diensten stehenden Dänen und Ka- Beispiel zeigt, daß wissenschaftliche Erkennt- schen Verständnis einer ganz kleinen Min- pitän Vitus Bering (der selbst dem Skorbut er- nis zur gesetzlichen Einmischung von Tierar- derheit. Säugetierschutz wurde nötig, um lag), so betrüblicher ist es, daß bereits 1768 ten und deren Vollschutz oft Jahrzehnte oder biologische Ressourcen zu erhalten und die- die letzte Hydrodamalis gigas dem Men- Jahrhunderte benötigt. Dies gilt im besonde- se nutzen zu können. Jagd und Jäger schlos- schen zum Opfer fiel, obwohl Steller noch ren Maße auch für den Fledermausschutz. sen sehr früh den Vertrag der Nachhaltigkeit, folgendes schrieb: „Die Menge dieser Thiere um Gegenwärtig steht das Mauswiesel in allen da Nutzung ohne Schonung, Abschöpfung diese eintzige Insel ist so groß, daß die Einwohner neuen deutschen Bundesländern sowie in ohne Reproduktion undenkbar sind. Mit der in Kamtschatja sich davon beständig allein Rheinland-Pfalz und Berlin unter Jagdschutz. Konvention von Rio wird ein neues ethisches ernähren können”. Dieser muß dringend im gesamten Areal Paradigma (WOLTERS 1995), das der Erde Der sich entwickelnde Handel und die Ex- durchgesetzt werden (STUBBE u. STUBBE als Ganzes eine „innere Werthaftigkeit“ zu- pansion des Menschen mit gewollten oder 1997). erkennt, propagiert und zur offiziellen UN- ungewollten Tierverfrachtungen und Fau- Erste Empfehlungen zum Schutz von Insekti- Ethik erhoben. nenfälschungen beförderte vielfach den Aus- voren gehen auf L. Oken (1838), S. Nilsson rottungsprozeß endemischer Arten. Aber (1847) und von Friedrich von Tschudi (1854) 3. Historisches auch die Jagd auf Pelztierarten führte welt- zurück. Der gesetzliche Insektivorenschutz weit zu erheblichen Bestandseinbußen. 1911 setzte erst relativ spät im 20. Jahrhundert ein. Daß Ausrottung von Säugetieren dennoch kam es zwischen den Anliegerstaaten des Eine Ausnahme machte Holland, wo seit unmittelbare Folge menschlichen Zugriffs Nordpazifik zu einer ersten internationalen 1880 der Igel und die Feldspitzmaus unter und gnadenloser Verfolgung war, ist histo- Vereinbarung zum Schutz des Nördlichen gesetzlichen Schutz gestellt wurden. risch belegt und durch unvorstellbaren Raub- Seebären (Callorhinus ursinus), womit Ar- Der Igelschutz hat heute, besonders unter bau an Naturressourcen und Wilderertum so- tenschutz und Nutzung einen tragfähigen den hohen Mortalitätsraten im Straßenver- wie organisiertes Verbrechen Alltagsge- Kompromiß schlossen. 1949 wurde in Was- kehr neue wirksame Ansätze für die Erhal- schichte. So begegnete der Mensch noch hington das Fischereiabkommen für den tung und Förderung der Art, zu erarbeiten. Mammut und Wollhaarnashorn und zehnte- Nordatlantik abgeschlossen, das auch die Li- Die Einrichtung von Rettungsinseln in Parks, te die Bestände. Die Urmenschen von Bil- mitierung der Verfolgung von Sattelrobbe Grüngürteln und ausgeräumten Landschaf- zingsleben, Homo erectus, und ihre Jagdtier- (Phoca groenlandica) und Klappmütze ten ist für den artspezifischen Schutz drin- fauna (vor ca. 350 000 Jahren) werden ein- (Cystophora cristata) einschloß. „So paradox gender denn je erforderlich. Zu den bekann- drucksvoll von MANIA u. DIETZEL (1980) es klingen mag, eine sinnvolle wirtschaftliche testen Vertretern des Igelschutzes gehörten dargestellt. Waldelefant, Waldnashorn, Nutzung der Wildtiere ist auf die Dauer gesehen Bernhard Grzimek (1909–1987) und Walter Wildpferd, Höhlenlöwe, Wisent, Ur, Hirsch- wohl in den meisten Gebieten die einzig sichere Poduschka (1922–1996). und Biberarten gehörten zu den Beutetieren. Möglichkeit der Arterhaltung auch außerhalb Im Rahmen dieses Beitrages ist an Arnold Die Megafauna verschwand in erstaunlich der Nationalparks und ähnlicher Schutzgebiete“ Freiherr von Vietinghoff-Riesch (1895– kurzer Zeit mit dem Vordringen des moder- (KIRK 1968). 1962) zu erinnern, der uns durch seine Studi- nen Menschen (overkill-Hypothese). Hierzu Die Wiedergeburt der menschlichen Seele in en an der Rauchschwalbe und am Sieben- liegt eine vorzügliche Zusammenstellung von der Gestalt von Tieren bewirkte in einigen schläfer sowie die Gründung der Vogel- BUNZEL-DRÜKE, DRÜKE u. VIERHAUS Religionen ein sehr tiefes Mensch-Tier-Ver- schutzwarte Neschwitz (1930) zu nachhalti- (1995) vor. Von führenden Paläontologen hältnis, das für andere Glaubensrichtungen ger Leistung anspornt. Er habilitierte sich werden die Hauptprozesse des Aussterbens kaum nachvollziehbar ist. Es rettete in einigen 1936, also vor 60 Jahren, in Tharandt mit der der eiszeitlichen Großsäuger im nördlichen Regionen der Erde vielen Arten das Überle- Schrift „Bedeutung des Naturschutzes bei Eurasien jedoch auf Klimaveränderungen ben. Andererseits wurden auch Säugetierar- der Wiedererweckung verschütteter Werte zurückgeführt (climate-change Hypothese). ten (wie Steinbock, Nashorn, Moschustier u. im Walde“. Die altpaläolithischen Wildbeuter und Jäger a.) zu „wandelnden Apotheken“ (HEDIGER Längst haben Zoologische Gärten das Flair ei- haben niemals den Bestand der eiszeitlichen 1948), was zu starker Gefährdung führte. Die ner Menagerie abgelegt und sich sehr ernst- 6NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

haft der Vermittlung biologischen Wissens unterscheiden. Von 1925 bis 1970 wurden in derner Wildbewirtschaftung im Rahmen der sowie der Rettung bedrohter Arten zuge- Rußland (ehem. Sowjetunion) 600 000 Jagd- Jagdgesetzgebung darstellen. wandt. Für den Säugetierschutz hat u. a. die tiere, darunter 45 Säugetierarten, umgesie- In diesem Zusammenhang ist besonders auf Erhaltung des Milu oder Père-David-Hirsches delt (PAVLOV et al. 1973). Saveljev (1996) li- Johann Matthäus Bechstein (1757–1822) und Przewalskipferdes Geschichte geschrie- stet für die ehemalige UdSSR sogar 56 Arten hinzuweisen, der 1795 zu Waltershausen/ ben (vgl. auch MARTIN 1975). auf, die aus wirtschaftlichen oder Schutz- Thüringen die welterste Vereinigung von Die Führung internationaler Zuchtbücher hat gründen umgesiedelt worden sind. Das Wald- und Wildforschern sowie Naturnut- wesentlich zur Erhaltung genetischer Vielfalt Hauptmotiv sollte heute sein, unwieder- zern mit der „Societät für Forst- und Jagd- beigetragen. In diesem Kontext wird an an- bringbare Werte der Biodiversität, besonders kunde“ gründete. Das Ideengut des Arten- derer Stelle auf Kurt Priemel eingegangen. bedrohte Arten, zu erhalten. Nach Schätzun- und besonders auch des Säugetierschutzes Aber ebenso ist hier die große deutsche Säu- gen von Boyer und Brown (1986) beabsich- formierte sich eher als im allgemeinen nach- getierforscherin Erna Mohr (1894-1968) zu tigt man in den USA auf 70 % des Territori- zulesen ist. Es ist eine Historie, die die Lei- nennen, deren Arbeiten, Engagement und ums die künstliche Ansiedlung jagdbarer stungen Bechsteins berücksichtigen und die Sachkenntnis in großer Breite dem Säugetier- Wildtiere zu intensivieren. Die Tätigkeit der neu aufgarbeitet werden muß. Der Natur- schutz immer wieder Impulse verliehen ha- „National Wildlife Rehabilitators Associati- schutz hat seine Wurzeln im tiefen Verständ- ben. Für den Wisentschutz haben besonders on“ ist auf dieses Ziel ausgerichtet, welches nis des Naturhaushaltes in unseren Wäldern, polnische Forscher wie August Dehnel (Bialo- aus ökologischer Sicht mehr als widersinnig im Dialog von Nutzung und langfristiger Re- wieza),° R. Graczyk (Poznan) u. a. sowie in ist, sofern nicht zwingende Gründe der Ar- produktion, aber auch der Freude des Men- Rußland M.A. Zablockij (Prioksko-Terrasnyj terhaltung vorliegen (s. a. GRIFFITH et al. schen an den Schönheiten der Natur und Zapovednik), Andrej G. Bannikov (1915– 1989) oder es Wiedereinbürgerungsprojekte dem bewußten Erleben einer faszinierenden 1985), Vladimir G. Heptner (1901–1975) u. sind. Vielfalt des Lebendigen. Bechstein faßte sei- a. große Verdienste erlangt. Hinzuweisen ist auf Oskar L. Tesdorpf nen Erkenntnisstand in der „Waldbeschüt- In diesem Zusammenhang ist auf einige (1854–1933), der zwischen 1903 und 1907 zungslehre“ (Gotha 1818) zusammen. BECH- große Wildgehege zu verweisen. So legte in der Göhrde und im Harz sein leidenschaft- STEIN wurde unter anderem durch die Aus- Friedrich von Falz-Fein (1863–1920) in den lich verfolgtes Ziel auf Erhaltung des Muffel- rottung gefährdeter Tiere dazu veranlaßt,den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der wildes und dessen Einbürgerung in deut- Schutz gewisser Arten als integrierenden Be- Ukraine in Askania Nova (heute Biosphären- schen Wildbahnen durchsetzte (WUTTKY standteil des Forstwesens anzustreben. Seine reservat) weiträumige Steppenschutzgebiete 1963). Tierschutzkonzeption soll schon 1820 ein Pro- an, um Reservate für einheimische und frem- jekt zur Erhaltung des Steinbocks in Italien de Tierarten zu schaffen. 1914 wurde er für 4. Jagd – Vorreiter des maßgeblich beeinflußt haben. Die Entwick- seine Leistungen vom Zaren in den Adels- Artenschutzes lung der Nachhaltswirtschaft kann als eines stand erhoben. Der Lainzer Tiergarten bei der bedeutendsten Vermächtnisse europäi- Wien wurde schon 1770 auf einer Fläche von Die sich vor allem im Mittelalter herausfor- scher Kultur an die gesamte künftige Mensch- 2 600 ha unter der Herrschaft von Maria The- menden Jagdregalien des Adels und der Lan- heit gesehen werden (HENNIG 1996 a). resia eingefriedet. Auf eine ähnliche Historie desherren sorgten für die Erhaltung der nutz- Bechstein besaß hervorragende Kenntnisse greift die Gründung des Favoriteparks Lud- baren Jagdtierfauna, weniger für die Erhal- auf dem Gebiet der Zoologie, sowohl zur Bio- wigsburg und des Sauparks Springe zurück tung wehrhafter oder konkurrierender Raub- logie der jagdbaren Arten als auch zur Or- (NIETHAMMER 1963). Zur Historie des Bi- säugetiere. Somit ist es lange vor der Formie- nitho- und Entomofauna. Er wurde durch berschutzes ist zu sagen, daß bereits 1886 die rung einer Naturschutzbewegung den Jagd- sein Elternhaus früh geprägt und seine Nei- Prinzessin Eugenie von Oldenburg, Gutsbe- interessen von geistlichen und weltlichen gungen zur Schönheit der Natur, aber auch sitzerin, ca. 25 km vom heutigen Zentrum Landesfürsten zu verdanken, daß Wildtiere zur Jagd und zur Erziehung von Kindern zum des berühmten Staatlichen Woronescher Na- erhalten blieben. Es sind Grundsätze, die auf bewußten Tiererlebnis entwuchsen diesem tuschutzgebietes entfernt, offenbar infolge populationsökologischer Grundlage bis in Naturverständnis. Von seiner Grundeinstel- der Ausrottung der bodenständigen Popula- unsere Tage auf wildbiologischem Gebiet lung zum Tier- und Jagdschutz sowie der Lie- tion fünf Biber aus Weißrußland als Grund- fortgeschrieben und wissenschaftlich unter- be zum Tier angeregt, verfaßte Bechstein sei- population an den Gewässern dieses Schutz- mauert wurden und heute die Leitsätze mo- ne „Kurze, aber gründliche Musterung aller gebietes freiließ und den totalen Schutz an- bisher mit Recht oder Unrecht von den Jä- ordnete (STUBBE 1997 b). Stellvertretend für gern als schädlich geachteten und getödeten die Leistungen der deutschen Zoologischen Thiere“, die 1792 in Gotha erschien und „al- Gärten ist an dieser Stelle an Heinrich Dathe len Naturforschern zur Prüfung und allen Forstkol- und sein Lebenswerk im Tierpark Berlin zu er- legien, Forstämtern, Förstern und Jägern zur Be- innern (H. STUBBE 1989). herzigung“ vorgelegt wurde. Umsiedlungen und Neueinbürgerungen sind BECHSTEIN geht bei seinen Betrachtungen mit größter Sorgfalt vorzunehmen, um Fau- vom Ganzheitsprinzip der Natur aus. Diese nenfälschungen tunlichst zu vermeiden und tiefe humanistische Grundeinstellung durch- genetisches Material nicht schlagartig zu zieht sein ganzes Lebenswerk: „daß kein „vernichten“, aber auch, um Artenschutz Glied in dem großen freyen Naturstaate um- nicht zu gefährden. Die Fehlentwicklungen sonst sey“. Er setzt sich für eine völlige Neu- mit dem passiven oder aktiven Vordringen bewertung tradierter Vorstellungen von von Marderhund, Waschbär und Mink sind Schädlich- und Nützlichkeit ein. Für ihn wird dafür beredte Beispiele. Es ist das große Ver- die naturwissenschaftliche Erkenntnis zum dienst von Günther Niethammer (1963) ge- obersten Gesetz, so daß er sich offen gegen wesen, die Einbürgerung von Säugetieren Ausrottung und Schießertum ausspricht: (und Vögeln) in Europa in einer großartigen „Entweder man muß ... den Förstern und Jägern Übersicht zusammengestellt zu haben. Ins- Gelegenheit verschaffen, sich die nötigen naturhi- gesamt ist jedoch infolge vieler Negativbei- storischen Kenntnisse zu verschaffen ... oder es spiele sehr kritisch zu prüfen, was die Einbür- werden einstweilen bey den Forstkollegien und gerung für den Säugetierschutz gebracht hat Forstämtern Naturalienkabinette notwendig ...“. (s. a. BUMP 1970, KING 1984, LEVER 1985). Abb. 1 1798 hielt Bechstein selbst eine Vorlesung in Es ist darüber hinaus sehr sorgfältig zwischen Günther Niethammer (1908–1974) seinem Forstinstitut in Waltershausen „Über Einbürgerung und Wiedereinbürgerung zu Foto: Archiv des Museums A. Koenig Bonn die Einführung von Schonzeiten für jagdbare MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 7

Abb. 2 J. M. Bechstein (1757–1822) Aus PFAUCH et al. (1972)

Tiere“. Für ihn war es ein wichtiges Anliegen, durch eigene Untersuchungen einheimische bedrohte Tierarten vor der Ausrottung zu be- Abb. 3 wahren. Titelseite von Bechsteins Publikation aus dem Jahre 1792 Das in drei Auflagen herausgegebene und bereits erwähnte Buch „Kurze, aber gründli- che Musterung aller ... Thiere“ gilt als erste 26. Februar 1870 war der Dachs vom 1. Ok- Bereits 1875 wurde der Allgemeine Deutsche wichtige Schrift für den Artenschutz. Bech- tober bis 30. November jagdbar. Zuwider- Jagdschutz-Verein gegründet, zu dessen Zie- stein weist auf den großen Nutzen der Fle- handlungen wurden mit 5 Talern bestraft. len Schutz und Erhaltung der wildlebenden dermäuse durch den Verzehr von forstschäd- Nach der Preußischen Jagdordnung vom 15. Tierwelt gehörten. 1904 begann auf Anre- lichen Insekten hin. In seinen Betrachtungen Juli 1907 verkürzte sich die Schonzeit um gung des ADJV in Deutschland die Wildmar- zu den Raubtieren geht er auf das Große zwei Monate, daß heißt, sie währte vom 1. kenforschung. Wiesel ein, welches nach genauen Beobach- Januar bis 31. August. Außerdem gab es eine Für den Baummarder ist belegt, daß es An- tungen 8 000 Mäuse gegenüber einem Auer- Klausel, nach der die Schonzeit der Dachse fang unseres Jahrhunderts (1913) seitens der hennenei vertilgt. Die Harmlosigkeit des aufgehoben werden konnte. Das Reichsjagd- Forstwirtschaft aktive Schutzbemühungen Dachses wird beschrieben, dessen Nützlich- gesetz vom 3. Juli 1934 legte nach MEHL- für diese seltener gewordene Marderart gab keit herausgestellt und die bisherige irrtümli- HARDT (1947) eine Bejagung vom 1. Juli bis (BUTZECK 1989, GRAF 1994). Die Entwick- che Verfolgung dieser Tierart kritisiert. Diese zum 15. Januar, das Bundesjagdgesetz vom lung des Baummarderbestandes und das er- Erkenntnisse schlugen sich sehr schnell zu 1. August bis 31. Oktober, fest. In der DDR forderliche Schutzmanagement in der DDR Gunsten des Säugetierschutzes in der Jagd- war die Zeit der Bejagung sehr sinnvoll auf wurde von STUBBE (1984) analysiert. gesetzgebung nieder, wie lediglich am Bei- die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember Es gibt aus den letzten Jahrzehnten für spiel des Dachses gezeigt werden soll. beschränkt, da eine Entnahme im August/ Deutschland keinen belegten Fall, daß durch Nach den „Allgemeinen Richtlinien bei Ver- September keine Nutzung bedeutete (STUB- Jagd in oder außerhalb von Schutzgebieten pachtung fiskalischer Jagden vom 20. Juli BE 1989). Hier muß die Jagdgesetzgebung eine Tierart in ihrem Bestand bedroht oder 1866“ galt in Preußen für den Dachs ein künftig progressive Naturschutzpolitik schrei- ausgerottet wurde. Das Gegenteil ist der Fall, neunmonatiger Jagdschutz: „Dachse darf der ben (vgl. HOFMANN u. STUBBE 1997). Jäger in den Reihen aktiven Naturschutzes Forstschutzbeamte innerhalb seines Schutzbezirkes Es ist bemerkenswert, daß der Fuchs gleich haben wesentlichen Anteil an der Erhaltung fangen. Um diese immer seltener werdende Wild- dem Wolf und Bären schon im Sachsenspie- von bedrohten Tierarten und Lebensraum- gattung, welche überhaupt nicht als Raubzeug zu gel (1215) vom Schutz ausgenommen und schutz (vgl. auch HENNIG 1996 b). Eines von behandeln ist, zu erhalten oder zu vermehren, steht ihn jedermann töten durfte. Infolge der vielen Beispielen ist die von der Landesjäger- dem Oberförster oder den höheren Vorgesetzten großen ökologischen Anpassungsfähigkeit schaft Niedersachsen in Norden-Norddeich jedoch frei, auch außerhalb der in § 1 der vorste- und eines beachtlichen Reproduktionspoten- 1971 gegründete Seehundaufzucht- und henden Jagdverpachtungs-Bedingungen für den tials ist die Art der häufigste Wildcanide in Forschungsstation, an der Winhold Schu- Dachs auf den 1. Dezember bis ultimo September Eurasien geblieben. Bereits vor über hundert mann hervorragende Arbeit geleistet hat. festgesetzte Schonzeit das Fangen oder Erlegen der Jahren (1883) schrieb Raoul von Dombrows- Weitere Aufnahmestationen für Jungrobben Dachse zeitweise ganz zu untersagen. Das Graben ki (1833-1896): befinden sich heute in Friedrichskoog (seit derselben darf nur in der Art stattfinden, daß das „Eine gewisse Species von Forstwirthen und Natio- 1985 in Trägerschaft des Landesjagdverban- Zerstören der Hauptbaue vermieden wird und es ist nalökonomen glaubte für die Schonung des Fuch- des Schleswig-Holstein und der Gemeinde), daher jedesmal die specielle Erlaubniß des Oberför- ses eine Lanze brechen zu sollen, während ihn die in den Tiergrotten Bremerhaven (staatliche sters erforderlich ... Das nächtliche Hetzen des Jägerei für vogelfrei erklärt und ihn unbarmherzig Einrichtung), in Esbjerg/Dänemark (staatliche Dachses ist gänzlich untersagt. Ebenso ist das verfolgt. Zwischen den beiden Extremen jedoch, Einrichtung) sowie in den Niederlanden in Schießen des Dachses auf dem Anstande am Baue, der Schonung und der Ausrottung, gibt es eine Pieterburen (private Einrichtung) und Ecoma- da hierbei erfahrungsgemäß viele Dachse ange- Mittelstraße; der gerechte echte Waidmann wird re auf Texel (Museum). Die Rückführung auf- schossen den Bau erreichen und dann verlorenge- sie ohne Wegweiser zu finden wissen und auf der- gegriffener Jungrobben (Heuler) hat für die hen, verboten“. selben wohl auch dem berufenen Naturforscher Stabilisierung der wildlebenden Seehundpo- Im Gesetz über die Schonzeit des Wildes vom begegnen.“ pulation heute keine Bedeutung. Deshalb 8NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

darf Touristenattraktion nicht zur Tabuisie- schen Fledermäuse“. Der Nutzen der Chiro- auer Hochbrücke westlich von Kiel) plötzlich rung natürlicher Vorgänge, sehr wohl aber pteren für Forstwirtschaft und Obstbau wird im Interesse des Säugetierschutzes stehen, ist zur weitgespannten Umwelterziehung ge- dabei herausgestellt. eher zufällig als gewollt, aber in künftige nutzt werden. 1830 wurde der aus Königsberg stammende Überlegungen von Architekten für säugetier- Julius Theodor Christian Ratzeburg (1801- schutzgerechtes Bauen einzubeziehen. Berg- 5. Fledermäuse als 1871) zum Professor der gesamten Natur- baubehörden sollten überall aktive Partner wissenschaften an die neu geschaffene des Fledermausschutzes sein. „Conservateure“ Forstakademie zu Eberswalde berufen. Er 1991 ist ein Agreement zum Schutz wan- unserer Wälder weist in seinen forstentomologischen Wer- dernder Fledermausarten Europas im Rah- ken wiederholt auf die Rolle der Fledermäu- men der Bonner Konvention erarbeitet wor- Als Zeitgenosse Bechsteins setzte sich beson- se hin und fordert den Schutz höhlentragen- den, das den Schutz von Lebensräumen und ders auch der Frankfurter Medizinalrat J. Ph. der Bäume. Quartieren besonders bedrohter Arten zum A. Leisler (1722-1813) schon nachhaltig für Der Breslauer Constantin Wilhelm Lambert Ziel hat und sich gegen fledermaustoxische den Chiropterenschutz ein (ALTUM 1872). Gloger (1803-1863) baute die ersten Fleder- Pestizide sowie gegen das bewußte Töten Am 2. Januar 1813 schrieb Leisler an den be- mauskästen. Seine Schriften „Kleine Ermah- und Fangen ausspricht. In Bristol (England) kannten Forstmann von Wildungen (zit. nung zum Schutze nützlicher Thiere“ (1858) wurde ein spezielles Sekretariat für dieses in- auch bei KIRK 1968): und „Die nützlichsten Freunde der Land- und ternationale Abkommen eingerichtet, wel- „Ich kann diese Gelegenheit nicht vorbeigehen las- Forstwirthschaft unter den Thieren“ (1858) ches das „Eurobat Chat“-Mitteilungsblatt sen, ohne Ihnen diese ungebührlich verachteten, ja müssen in diesem Zusammenhang unbedingt herausgibt. oft verfolgten Thiere bestens zu empfehlen, da sie, genannt werden (HINKEL u. MATZ 1995). wie ich versichern kann, im eigentlichsten Sinne Auch Ch. G. A. Giebel (1869) setzte sich in 6. Formierung gesetz- Conservateurs der Wälder sind. Denn sie nähren dem schon genannten Werk für die beson- sich hauptsächlich von solchen Nachtschmetterlin- dere Schonung der Chiropteren ein. Er gehört lichen Artenschutzes gen, deren Larven die vorzüglichsten Verheerungen mit zu den ersten, die dies so deutlich in der in Deutschland in unseren Wäldern anzurichten pflegen, und da wir Öffentlichkeit formulierten (STUBBE, 1989). ausser der Nachtschwalbe (Caprimulgus europae- Dies gelang durch Gesetz in Holland bereits Die Geschichte des Naturschutzes in us) keine nächtlichen Thiere haben, welche die Fle- 1880, in Ungarn 1901 und Salzburg 1909, in Deutschland beginnt im allgemeinen mit der dermäuse in dieser nützlichen Jagd unterstützen; so Finnland 1923, in Preußen aber erst mit einer industriellen Revolution in der zweiten Hälfte erhellet hieraus unwidersprechlich, dass unsere Schutzverordnung vom 10.03.1933 und für des vorigen Jahrhunderts. Durch eine Reihe schönen Wälder bald entlaubt dastehen würden, Gesamtdeutschland erst mit dem Reichsna- wichtiger Publikationen zur Säugetierfauna wenn meine Conservateurs zu sorgen aufhörten, da turschutzgesetz von 1935 (HINKEL u. MATZ wurden Erkenntnisse angereichert, die vor al- die nicht häufigen Nachtschwalben allein nur sehr 1995). lem den Einfluß des Menschen auf Verände- wenig würden ausrichten können. – Ich kann Ihnen Im internationalen Fledermausschutz er- rungen der Fauna spürbar werden ließen. einen überzeugenden Beweis hiervon liefern. Seit langte die Ausweisung der Carlsbadhöhlen Als wichtiger Wegbereiter hat Alexander von einigen Jahren wurden in den hiesigen Forsten (um in Neumexiko (USA) zum Nationalpark im Humboldt (1769-1859) einen unverrückba- Hanau) einige tausend alte Eichen, auf Befehl der Jahre 1930 besonderes Aufsehen. Infolge ren Platz in der Begriffswertung des „Natur- Franzosen, gefällt, und da dies zu der Zeit geschah, des DDT-Einsatzes sank die Anzahl der dort denkmals“ erlangt. Wenige Jahrzehnte spä- da die Fledermäuse ihren Winterschlaf hielten; so lebenden Guanofledermäuse (Tadarida me- ter prägte Ernst Haeckel (1834–1919) 1866 befanden sich oft mehrere hundert in einem einzi- xicana) von 9 Mio. auf ca. 200 000 Tiere den Begriff „Ökologie“. gen hohlen Aste, die dann muthwillig getödtet wur- (EISENTRAUT 1957, SCHOBER 1983). Die Zwischen 1864 und 1869 veröffentlichte Al- den, statt dass man sie, um ihren Schlaf fortsetzen in den 20er Jahren in Florida (Sugarloaf fred Edmund Brehm (1829–1884) eines der zu können, in einen anderen hohlen Baume hätte Key) gebauten Fledermaustürme dienten bedeutendsten Volkslesebücher, sein „Illu- einquartieren sollen. Der Erfolg hiervon war, dass wohl kaum einem längerfristigen Schutz mit striertes Thierleben“ in sechs Bänden, von die Processionsraupe (Bombyx processionea, L.) in dem Ziel der Moskitobekämpfung durch den Gegenden, wo jene Bäume weggehauen wor- Chiropteren, waren aber dennoch bemer- den, so ungeheuer sich vermehrt hat, dass im vori- kenswerte Überlegungen und Zeitdoku- gen Jahre ganze Wälder von ihr entlaubt wurden mente. und die schönsten Eichbäume kahl wie Besenreiser Auf dem umfassenden Schutz von Fleder- dastanden. – So viel ich als Laie in der Forstwirt- mäusen in Winterquartieren und Wochen- schaft, von Männern vom Handwerke habe erfah- stuben sowie die Einrichtung von Kastenre- ren können, ist noch in keiner Verordnung die Be- vieren kann hier nicht eingegangen werden. schützung und Erhaltung der Fledermäuse befohlen Dennoch muß an dieser Stelle auf die Ver- worden. Ihnen bleibt also die Ehre vorbehalten, die- dienste von Bodo Stratmann, Hubert Roer, ses zuerst zu bewirken, welches um so nothwendi- Günter Natuschke, Willi Issel, Joachim Haen- ger sein dürfte, da dem Vorurtheil des ungebildeten sel, Klaus Richarz, Wilfried Schober, Erwin Haufens nicht leicht entgegen gearbeitet werden Kulzer, Günter Heise, Axel Schmidt, Monika kann, wenn nützliche Wahrheiten nicht zugleich Braun und vielen anderen im Fledermaus- durch höhere Autorität ein desto nachdrücklicheres schutz der letzten Jahrzehnte herausragen- Gewicht erhalten. Noch bemerke ich, dass die Ge- den Persönlichkeiten verwiesen werden (u. a. frässigkeit der Fledermäuse so gross ist, dass die STUBBE 1989). Inzwischen gibt es ein um- 1 Zwergfledermaus (Vespert. Pipistrellus) in 1 /2 fangreiches Management und in Sachsen- Stunden 71 Fliegen bei mir in Gefangenschaft ver- Anhalt seit geraumer Zeit ein Infomobil zur zehrte, und Vespert. serotinus (der Spätling) in ei- Propagierung des Schutzes von Fledermäu- ner halben Stunde 12 Maikäfer frass. Wie viel sen. Mit dem privat finanzierten Fahrzeug schädliche Insecten werden also nicht schon nur soll ein neues Bewußtsein für die gefährdeten von einem dieser nützlichen Thiere während der Fledermausarten geweckt werden (Bernd Sommermonate vertilgt!“ Ohlendorf). 1817 veröffentlichte Heinrich Kuhl (1797- Daß heute alte Wehrmachtsbunker der 40er 1821) unter Einschluß der Ideen und Auf- Jahre (Ostwall bei Posen, Nietoperek/Poz- Abb. 4 zeichnungen seines Lehrers Leisler in Hanau nan), stillgelegte Bergwerkstollen oder mo- Horst Siewert (1902–1943) die vielfach zitierte Monographie „Die deut- derne Bauwerke und Brückenpfeiler (Levens- Aus SCHERPING (1950) MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 9

denen die ersten beiden den Säugetieren ge- tierschutz gezielt umzusetzen. Es war das be- widmet waren. Er konnte auf das sieben Jah- sondere Verdienst des Forschers und Wissen- re zuvor erschienene Werk von Johann H. schaftsorganisators Hans Stubbe (1902– Blasius (1857) zurückgreifen, das nach Bech- 1989), des langjährigen Leiters der Arbeits- steins „Gemeinnütziger Naturgeschichte“ zu gemeinschaft für Jagd- und Wildforschung, einem bedeutenden Standardwerk der Säu- mit dem „Buch der Hege“ Naturnutzern öko- getierforschung des 19. Jahrhunderts wurde. logisches Grundwissen im Sinne nachhaltigen Von Vater Brehm (Christian Ludwig) ist be- Ressourcenschutzes zu vermitteln: Natur- kannt, daß er darauf achtete, „daß Alfred schutz bedeutet Lebensschutz (H. STUBBE auch beobachtete, sammelte, für die Wissen- 1990). Ihm und Hermann Meusel ist die schaft brauchbare Jagdbeute streng aus- Gründung des Instituts für Landesforschung wählte und schutzbedürftige Tiere schonte“ und Naturschutz in Halle und seiner Filialen (HAEMMERLEIN 1985). zu verdanken. Er gilt außerdem als Initiator 1875 entstand der „Deutsche Verein zum der Idee zur Schaffung eines Netzes von Schutze der Vogelwelt“, aus dem 1907 der Wildforschungsgebieten, die als Freilandla- „Verein Jordsand“ hervorging. Schon um boratorien beispielhafte und kaum wieder er- 1870 wurden in den USA die ersten Natio- reichbare Datendokumentationen lieferten. nalparke gegründet (Yellowstone 1872). Ber- H. Stubbe setzte sich mit großem Engage- nard Altum (1824–1900), seit 1869 Lehrer ment für die Schaffung der einzigen, 1958 für Forstzoologie an der Forstakademie gegründeten zoologischen Forschungsstätte Eberswalde schrieb zu diesem Zeitpunkt in der Akademie der Wissenschaften, der (1872) seine wichtige “Forstzoologie, I. Säu- Forschungsstelle für Wirbeltierforschung am gethiere”, die erneut Forst und Jagd als wich- Tierpark Berlin (DATHE 1989), sowie für den tige Glieder des Säugetierschutzes heraus- Erhalt und Ausbau von Vogelschutzwarten stellte. Ebenso ist auf das von Carl Struck Abb. 5 ein. Bereits 1963 ist in einer Geburtstagslau- Hans Stubbe (1902–1989) (1832-1898) 1876 herausgegebene Buch Foto: N. Franke datio (Beitr. Vogelkd. 9) nachzulesen: „Sie „Die Säugethiere mit Berück- haben für die Zoologie mehr getan als man- sichtigung ausgestorbener Arten“ zu verwei- cher Zoologe“. sen. Struck wirkte als Gymnasiallehrer in Wa- Bereits 1926 gab es ein Naturschutzgesetz in Heute basiert Säugetierschutz auf Paragra- ren (Müritz) und gründete 1866 mit Freiherrn Sachsen-Anhalt. Mit der Thüringer Jagdver- phen des Bundesjagd- und Bundesnatur- H. von Maltzan das Warener Naturkunde- ordnung von 1926 wurde erstmals in schutzgesetzes, vor allem der Bundesarten- museum. Über die Anfänge der Säugetier- Deutschland die Hege zur Pflicht des Jagd- schutzverordnung, die detaillierte Festlegun- kunde in Mecklenburg-Vorpommern hat LA- rechts erhoben. gen zum Schutz, zur Aus- und Einfuhr, zur BES (1989) die wesentlichen Fakten zusam- Aus der Staatlichen Stelle für Naturdenkmal- Haltung, Zucht und Vermarktung enthält. Es mengestellt. pflege ging 1935 die Reichsstelle für Natur- betrifft jene Arten, die unter das Washingto- 1880 wurde von Ernst Rudorff die Schrift schutz und 1953 das Institut für Landschafts- ner Artenschutzabkommen fallen oder die „Über das Verhältnis des modernen Lebens pflege und Naturschutz hervor. Aus der spä- nach EG-Recht auch bei uns geschützt sind. zur Natur“ verfaßt und prinzipiell bereits die teren Bundesforschungsanstalt für Natur- Sie enthält außerdem jene Arten, die in gleiche Misere wie in unseren Tagen, 100 schutz und Landschaftsökologie entwickelte Deutschland „besonders geschützt“ oder Jahre später, beklagt. Durch Wilhelm Wete- sich 1993 das Bundesamt für Naturschutz. „vom Aussterben bedroht“ sind. kamp wurde 1898 im Preußischen Landtag Das Bundesministerium für Umwelt, Natur- Die Wirksamkeit der genannten Verordnung die Forderung auf gesetzlichen Schutz für die schutz und Reaktorsicherheit wurde 1986 ist begrenzt, da sie nicht gleichzeitig ein In- Denkmale der Entwicklungsgeschichte der etabliert. strument des Lebensraumschutzes ist! Sie Natur im Interesse von Forschung und Erzie- Die starke Gefährdung des Wisentbestandes schützt die Arten lediglich vor dem direkten hung erhoben. In Fortführung dieser Diskus- führte durch das Engagement von Kurt Prie- menschlichen Zugriff (Fangen, Sammeln sion wurde der Direktor des Danziger Mu- mel 1923 zur Gründung der „Internationalen oder Stören). Gegen Eingriffe der Forstwirt- seums, Hugo Conwentz (1855–1922), mit Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“ am schaft, von Baumaßnahmen und Verkehrs- der Ausarbeitung einer Denkschrift zur „Ge- Zoologischen Garten Frankfurt/Main. Bis planungen etc. bietet dieses Gesetz keine fährdung der Naturdenkmale und Vorschläge 1922 wurden im Internationalen Zuchtbuch Handhabe (PRIMACK 1995). In der gleichen zu ihrer Erhaltung“ beauftragt, die er 1904 nur noch 56 Wisente erfaßt (FLOERICKE Literaturquelle ist nachzulesen und mit Nach- vorlegte. Es wurden Leitlinien modernen Na- 1930). Mit der Gründung der Forschungs- druck zu unterstreichen, daß sich die Fach- turschutzes entwickelt. Mit der 1906 in Preu- stätte „Deutsches Wild“ Werbellinsee- leute einig sind, daß durch Sammeln nur ganz ßen eingerichteten „Staatlichen Stelle für Na- Schorfheide erfolgte 1934 unter Forstmeister wenige Arten gefährdet wurden und werden turdenkmalpflege“ begann in Deutschland Horst Siewert die Einrichtung eines Wisent- können. Auf diesem Sektor erschweren lang- der Staatliche Naturschutz. Leider hatte dies geheges. wierige Genehmigungsverfahren oder starke keine einheitliche Naturschutzgesetzgebung Diese spätere Stiftung Schorfheide sollte den Einschränkungen (selbst für Fledermausmu- zur Folge. Diese erfolgte erst 1935 durch das von den Fortschritten der Kultur bedrohten mien oder nicht erfolgreich bebrütete Vogel- Reichsnaturschutzgesetz. Tier- und Pflanzenarten als Schutzgebiet die- eier) aber die Arbeit von Wissenschaftlern 1909 kam es zur Gründung des Vereins für nen (NIETHAMMER 1963). Mit den Wirren und von vielen ehrenamtlichen Faunisten, Naturschutz und 1925 zum Ersten Deutschen des 2. Weltkrieges brachen diese Bemühun- denen der Naturschutz den Großteil des Wis- Naturschutztag (26.–28.7.1925). Als Be- gen wieder in sich zusammen. An dieser Stel- sens über die einheimische Fauna verdankt. gründer der Naturschutztage gilt Walter le ist daran zu erinnern, daß 1938 als Institut Es ist der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, Schoenichen. Nach 1945 wurde diese Bewe- der Forstlichen Hochschule die Forschungs- warum bei bestimmten Genehmigungsver- gung von Hans Klose und Hans Krieg wei- stelle für Jagdkunde Eberswalde eingerichtet fahren zwei oder gar drei verschiedene Ver- tergeführt, in der DDR wurde sie vom Kul- wurde, an der Joachim Beninde (1905–1939) waltungsbürokratien bemüht werden müs- turbund aufgegriffen. In der DDR kam es am bedeutende Forschungen am Rotwild initiier- sen und diese erhebliche Personalkapazitäten 4.8.1954 zur Verabschiedung des Natur- te. binden, warum z. B. ein Biologielehrer erst schutzgesetzes und 1970 zu jener des Lan- Der Säugetierschutz in der DDR bedarf an schriftlich eine Genehmigung beantragen deskulturgesetzes. Das Bundesnaturschutz- anderer Stelle einer ausführlichen Aufarbei- muß, um die Kaulquappe eines Lurches im gesetz trat 1976 in Kraft. Gegenwärtig wird tung und Würdigung. Es gelang, For- Unterricht zu zeigen und einer Kiesgrube ent- an einer Novellierung gearbeitet. schungsergebnisse innovativ für den Säuge- nehmen zu können, während der Betreiber 10 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

der Anlage die Grube jederzeit abpumpen oder planieren kann; warum der Kleinnager- Tabelle 1: Internationale Konventionen, die den Säugetierschutz tangieren fang für einen Biologen einer Genehmigung bedarf, während der Forst- oder Landwirt je- 12.10.1940 Convention on Nature Protection and Wildlife Preservation in the derzeit Giftköder ausbringen oder durch Um- Western Hemisphere (Washington) bruch Elementarkatastrophen größten Aus- 02.12.1946 International Convention for the Regulation of Whaling maßes ohne besondere Erlaubnis her- (Washington). – Mit einem Ergänzungprotokoll vom 19.11.1956 (Washington) beiführen kann. Hier muß Verhältnismäßig- 09.02.1957 Interim Convention on the Conservation of North Pacific Fur Seals keit Vorrang bekommen und der Biologe kla- (Washington). – Mit Ergänzungsprotokollen vom 08.10.63 (Washing- re Kompetenzen seines Berufsbildes wahr- ton), vom 07.05.76 (Washington) und 14.10.80 (Washington) nehmen können, die in einem Berufscodex 01.12.1959 Antarctic Treaty (Washington). Mit Ergänzungsprotokoll vom mit hoher ethischer Verantwortung gegen- 04.10.1991 (Madrid) über dem Lebendigen verankert werden soll- 15.09.1968 African Convention on the Conservation of Nature and Natural Re- ten und müssen! sources (Algier) 02.02.1971 Convention on Wetlands of International Importance Espesially as 7. Blick über die Grenzen Waterfowl Habitat (Ramsar). – Mit Ergänzungsprotokoll vom 03.12.82 (Paris) Es ist wichtig zu wissen, daß Säugetierschutz 11.02.1972 Convention for the Conservation of Antarctic Seals (London) in Zentralasien eine lange Tradition hat. Dies 23.11.1972 Convention for the Protection of the World Cultural and Natural Heri- läßt sich anhand der Jagdgesetzgebung bis in tage (Paris) das frühe Mittelalter zurückverfolgen (ZE- 03.03.1973 Convention on International Trade in Endangered Species of Wild VEGMID u. DAWAA 1973). Der verstärkte Fauna and Flora – CITES (Washington). Mit Änderungsbestimmungen Säugetierschutz begann in der 2. Hälfte des vom 03.04.1983 (Gaborone) 16. Jahrhunderts mit der Intensivierung des 15.11.1973 Agreement on the Conservation of Polar Bears (Oslo) Pelzhandels. Bereits 1778 wurde das bewal- 23.06.1979 Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild dete Bergmassiv Bogd-ul in der südlichen Animals (Bonn) Umgebung Ulan-Bators zum Naturschutzge- 19.09.1979 Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural biet erklärt und die Jagd auf alle Tierarten Habitats (Bern) verboten (DAWAA 1967; ZEVEGMID, STUB- 20.05.1980 Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources BE, DAWAA 1974; STUBBE 1996 b). Die Zu- (Canberra) sammenarbeit deutscher und mongolischer 24.01.1982 Protocol Agreement on the Conservation of Common Natural Re- Säugetierforscher und -schützer führte in sources (Khartoum) dieser Traditionslinie zur Realisierung eines 03.04.1982 Protocol concerning Mediterranean Specially Protected Areas (Gene- sehr erfolgreichen internationalen Natur- va) schutzprojektes zur Sicherung des Bestandes 08.06.1982 Benelux Convention on Nature Conservation and Landscape Protec- des Zentralasiatischen Bibers in der West- tion (Bruxelles) mongolei (STUBBE u. DAWAA 1983). 16.04.1983 Agreement for Cooperation and Consultation between the Central Neben dem Zobel und der Saiga gehörte in African States for the Conservation of Wild Fauna (Libreville) der früheren Sowjetunion auch der Biber zu 21.06.1985 Protocol concerning Protected Areas and Wild Fauna and Flora in the Eastern African Region (Nairobi) den Arten sehr erfolgreichen Säugetier- schutzes. Innerhalb weniger Jahrzehnte wur- 09.07.1985 ASEAN Agreement on the Conservation of Nature and Natural Resources (Kuala Lumpur) den die Restbestände der genannten Arten 18.03.1986 European Convention for the Protection of Vertebrate Animals used durch strengen Schutz und Wiedereinbürge- for Experimental and other Scientific Purposes (Strasbourg) rungskampagnen zu gesicherter Existenz und 24.11.1986 Convention for the protection of the Natural Resources and Environ- wirtschaftlicher Nutzung geführt. Für den Bi- ment of the South Pacific Region (SPREP Convention) (Nouméa) ber erwarb sich im Woronescher Natur- 21.09.1989 Protocol for the Conservation and Management of Protected Marine schutzgebiet Leonid Sergeevicˇ Lavrov (1911- and Coastal Areas of the South-East Pacific (Paipa/Colombia) 1992) internationale Anerkennung (STUBBE 18.01.1990 Protocol concerning Specially Protected Areas and Wildlife to the ˇ u. ROMASOV 1992). Für weitere Säugetier- Convention for the Protection and Development of the Marine Envi- arten wurden große Schutzgebiete eingerich- ronment of the Wider Caribbean Region (Kingston) tet, z. B. für den Wisent, Zobel, Desman, See- 16.10.1990 Agreement on the Conservation of Seals in the Wadden Sea (Bonn) otter u. a. So grandios die Erfolge des Biber- 07.11.1991 Convention concerning the Protection of Alps (Salzburg) schutzes sind, so umfassend sind die nicht 04.12.1991 Agreement on the Conservation of Bats in Europe (London) wiedergutmachbaren Fehler bei der Durch- 17.03.1992 Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic and mischung verschiedener Unterarten in meh- North Sea (New York) reren europäischen Ländern gewesen; ein 05.06.1992 Convention for the Conservation of the Biodiversity and the Protec- Paradebeispiel dafür, wie man es gerade tion of Wilderness Areas in Central America (Managua) nicht praktizieren sollte. 05.06.1992 United Nations Convention on Biological Diversity (Rio de Janeiro) Ein Meilenstein europäischen Säugetier- schutzes fällt in das Jahr 1868. Auf Betreiben von Maximilian Sila Nowicki (KIRK 1987) wurden durch Beschluß des galizischen Parla- 1933, welche die „International London KIRK (1968) hat diese Historie sorgfältig zu- ments in Lvov am 05.10.1868 in der Tatra Convention for the Protection of African sammengestellt. Murmeltier und Gemse unter Schutz gestellt. Flora and Fauna“ verabschiedete, die am Nach 20 Jahren folgte 1953 die dritte Konfe- Auf internationalem Parkett ist hervorzuhe- 14.1.1936 in Kraft trat. Erstmals wurde für ei- renz zum Schutz der Fauna und Flora Afrikas ben, daß bereits im Mai 1900 die Kolonial- nen Erdteil ein globales Schutzrecht verbrieft. in Bukavu, welche die Londoner Konvention mächte Deutschland und Großbritannien zu Es wurden „Schutzgebiete“ (wichtige Natio- überarbeitete, aber erst 1965 in Kampala einer ersten Konferenz zum Schutz jagdbarer nalparke) ausgeschieden, verbesserte Festle- (Uganda) sich weiter zu einer „Afrikanischen Wildarten Afrikas nach London einluden. Zu gungen zum Jagd- und Wildschutz getroffen Konvention zur Erhaltung des Wildes durch einer ersten Vereinbarung kam es jedoch erst sowie eine Kategorie von Tierarten mit Voll- kontrollierte Nutzung“ formieren konnte, die nach einer erneuten Londoner Konferenz schutz, eine andere mit Teilschutz festgelegt. 1968 in Algier in Kraft trat. 1983 und 1985 MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 11

gab es weitere Übereinkommen zum Schutz Verantwortung für die Natur programma- wirtschaftsbetriebe ist infolge der Optimie- der afrikanischen Fauna (vgl. Tab. 1). tisch stellen und aus Feigenblättern Wurzeln rung von Technik, Ernte, Umbruch und Bio- Bereits 1940 schlossen die amerikanischen und Bäume wachsen lassen (STUBBE 1996). zideinsatz weitgehend säugetierfeindlich. Sie Staaten die „Convention on Nature Protec- Hierfür gibt es über das Bundesumweltmini- trägt zur gravierenden Verarmung von Biodi- tion and Wildlife Preservation in the Western sterium (BMU) und das Bundesministerium versität bei. Neue Ansätze eines umwelt- Hemisphere“, in welche der Schutz wichtiger für Bildung und Forschung (BMBF) gute An- freundlichen Managements sind dringend an Säugetierarten integriert wurde: Trichechus sätze. Der internationale und nationale Aus- Pilotbeispielen zu erkunden. Hierbei kommen latirostris, Enhydra lutris, Rangifer caribou tausch von Informationen, zahlreiche Säuge- der Strukturierung der Agrarlandschaft (Hek- sylvestris. tierschutzsymposien und Projekte in aller ken, Hegebüsche) ebenso wie der herbst- In der Geschichte des gesetzlich verankerten Welt haben Regierungen aufgerüttelt, we- /winterlichen Stoppelbrache bei nächstjähri- internationalen Säugetierschutzes erlangte sentlich mehr als bisher zur Erhaltung der Bio- gen Sommerkulturen und der Reduzierung das Internationale Abkommen zur Begren- diversität an Ideen und vor allem Finanzen des Biozideinsatzes erstrangige Bedeutung zung des Walfanges (Washington 1946) be- beizutragen. In diesem Sinne ist auf folgende zu. Welche Rolle den Wirkstoffen in Herbizi- sondere Bedeutung, das in der Folgezeit im- Tagungen in jüngster Vergangenheit hinzu- den (Dicarboximide u. a.) als Fruchtbarkeits- mer wieder unterlaufen wurde und die weni- weisen: „Seminar on the management of blockern zukommt, ist mit größter Aufmerk- gen Walfangnationen ins Zentrum weltwei- small populations of threatened mammals“ samkeit zu verfolgen (STUBBE 1997). ter Kritik rückte. Die Washingtoner Arten- (Sofia 1993, publ. by the Council of Europe Unter den Nagern finden wir mit dem Biber schutzübereinkommen von 1973 über den 1994, Environmental encounters No. 17), das Paradebeispiel erfolgreichen Säugetier- internationalen Handel mit gefährdeten Tier- Säugetierschutz in der Slowakei „Vyskum ´ a schutzes. Die Art quittiert dankbar den und Pflanzenarten sowie die Bonner Konven- ochrana cicavcov na Slovensku“ (1994 in Schutz und die Förderung durch den Men- tion von 1979 zum Schutz wandernder Tier- Banská Bystrica, 1995 in Zvolen, beide Bände schen. Es ist die einzige relativ gut kontrol- arten sind Marksteine der weiteren interna- 1995 in Banská Bystrica publ.). lierte Art mit gesicherten Zahlen für den Ge- tionalen Verständigung (siehe Tab. 1). samtbestand. Hier hat sich das Institut für Zahlreiche nationale und internationale Or- 8. Status quo-Analyse – Zoologie der Martin-Luther-Universität vor ganisationen setzen sich heute für den Säu- erste Gedanken allem mit Rudolf Piechocki, Karl Uhlenhaut getierschutz ein, die bekanntesten unter ih- und Dietrich Heidecke und den zahllosen nen der WWF, die IUCN, Greenpeace, die Was haben wir im regionalen Säugetier- Monitoring-Mitarbeitern bleibende Verdien- Zoologische Gesellschaft Frankfurt und zahl- schutz Ostdeutschlands gegenwärtig er- ste erworben. Sie konnten auf dem Wirken reiche andere. Es ist dabei immer wieder zu reicht? Für fast alle Insektivoren- und Chiro- der „Dessauer Schule“ von Hermann Fried- hinterfragen, wo es an staatlicher Fürsorge pterenarten zeichnet sich ein negativer Popu- rich (1859–1929), Gustav Hinze (1879– mangelt und inwieweit nicht ein fester Pro- lationstrend ab, einige Arten scheinen ihre 1972), Kurt Wuttky (1902–1991) und so zentsatz des Bruttosozialproduktes in den Bestände stabilisiert zu haben, für den größ- markanter Persönlichkeiten und Biberväter Umwelt- und Artenschutz zur Erhaltung der ten Teil der Arten überhaupt ist die Kenntnis wie Franz Abendroth (1902-1978), Gustav Biodiversität zurückfließen muß. Unverges- des dynamischen Verhaltens sehr beschei- Laue (1887–1977) und Leopold Fuchs sen bleiben aus deutscher Sicht in diesem in- den, so daß ganz konkrete Einschätzungen (1905–1988) aufbauen. ternationalen Kontext des Säugetierschutzes zur Farce werden (STUBBE u. STUBBE 1995). Der Tiermaler Ernst Zehle (1876-1940) rief die Leistungen von Bernhard und Michael Die Situation des Feldhasen, aber auch jene bereits in den 20er Jahren zur Gründung ei- Grzimek (1959) sowie das Lebenswerk von des Wildkaninchens haben sich dramatisch nes Biberschutz-Vereins nach dem Vorbild Heinz Sielmann. zum Negativen entwickelt. Die Jagdverbände des Wisentschutz-Vereins auf (FLOERICKE Ein europäisches Naturschutzjahr 1995 muß haben sich gegenwärtig zu einem Bejagungs- 1927). Erst durch eine Regierungsverord- schlußfolgernd aus der Konferenz von Rio verzicht des Hasen ausgesprochen. Die ge- nung von 1915 (Friedrich II. Herzog von An- (1992) Bilanz ziehen, sich der menschlichen genwärtige Landnutzung der meisten Land- halt) stand der Biber unter Schutz. Auf die Vorschläge von Max Behr (1857–1934) wur- den von der 1920 gegründeten Vogelschutz- station Steckby aus in den 20er Jahren an der Elbe Biberrettungshügel angelegt. Auch sei- nen Nachfolgern im staatlichen Vogelschutz, Martin Herberg (1883–1966) und Max Dornbusch, war gleichzeitig der Biberschutz ein besonderes Anliegen. Das Biberschutzge- biet bei Lödderitz gehört zu den ältesten Re- servaten, die speziell dem Säugetierschutz in Deutschland dienten. Die Ideen von E. Zehle wurden erst Mitte der 50er Jahre umgesetzt, als K. Wuttky, H. Dathe (Tierpark Berlin), G. Hinze, F. Abend- roth und R. Piechocki den Arbeitskreis „Schutz und Erhaltung des Mittelelbe-Bi- bers“ gründeten, der später im „Arbeits- kreis zum Schutz der vom Aussterben be- drohten Tierarten“ aufging (vgl. STUBBE 1983). In diesem Zusammenhang ist auch an das Wirken von Hans Schiemenz (1920–1990), der jahrelang den Arbeitskreis leitete, zu erinnern. Die progressive Entwicklung des Bestandes der Hausratte im Verlauf der letzten Jahr- zehnte, die an das massive Wachstum von Haustierbeständen und die Resistenz gegen- Abb. 6 über einigen Rodentiziden gebunden war, Amtmann Max Behr mit seiner „Fotokanone“ (Deutsche Fotothek Dresden) wird von zweifelhafter Existenz sein. Dies gilt 12 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

auch für den vorübergehenden Populations- Christian Klouda, Wolfgang Köhler, Heinz spüren bekommt. Diese Situationsschilde- schub der Nutria, der durch unverantwortli- Kubasch, Ralph Labes, Stefan Labes, Heidi rung kann und soll nur ein ganz flüchtiger che Freisetzungen und eine Reihe milder Mau, Franziska Neubert, Norbert Prauser, Streifzug sein. Winter gefördert, verursacht wurde. Am gra- Peter Raschig, Holm Riebe, Horst Ruthen- vierendsten ist der Ausrottungsprozeß des berg, Reinhard Schipke, Ralf Schreyer, Axel 9. Vision und Wirklichkeit Feldhamsters vorangeschritten, über dessen Schmidt, Horst Schröder, Rüdiger Schröpfer, Status wir gegenwärtig relativ gut unterrich- Michael Striese, Jürgen Tamke, Jens Teubner, In diesem Zusammenhang ist auf die vom Eu- tet sind. Hier herrscht Forschungs- und Klaus Thiele, Werner Tschirch, Heiko Uthleb, roparat in Straßburg in Auftrag gegebene Handlungsnotstand, der nicht verpaßt wer- Paul Vogt, Siegfried Waurisch, Ursula Wil- Studie zum Stand und den Ursachen der Ge- den darf, falls wir die Art als wichtiges Glied mering, Olaf Zinke. fährdung von Säugetierarten zu verweisen. vieler Nahrungsketten nicht endgültig verlie- Der Dachsbestand hat spürbare Depressio- Sie wurde von C. J. Smit und A. van Wijn- ren wollen. Über die großräumige Dynamik nen überwunden und erreicht fast überall gaarden (1976) im Europarat eingebracht und den exakten Status der meisten Kleinna- wieder eine gesicherte Anzahl. Durch die be- und 1981 unter dem Titel „Threatened ger wissen wir nichts. Die jährlich wieder- deutende Verdichtung des Straßennetzes Mammals of Europe“ als Supplementband in kommenden Elementarkatastrophen des und die Verkehrsexplosion sind beträchtliche das Handbuch der Säugetiere Europas aufge- Ackerumbruchs können an den besten r- Mortalitätsraten zu verzeichnen. nommen. Der Status der gefährdeten Arten Strategen der offenen Landschaft nicht spur- Im Wildkatzenschutz sind gute Erfolge erzielt wird heute in allen einschlägigen Monogra- los vorüberziehen. Hier ist besonders auf Ge- worden. Es ist auf die Arbeiten von Rudolf phien (s. a. BURTON and PEARSON 1987) orge (1995) hinzuweisen, der die dramati- Piechocki sowie das Engagement von Frank sowie den Rotbüchern und Roten Listen so schen Veränderungen der Landnutzung, des Raimer, Harro Möller, Günter Worel und Ur- gut es geht aufgearbeitet (s. a. NOWAK et al. Inputs an Stickstoff und Agrochemikalien so- sula Heinrich hinzuweisen. Über die Zoologi- 1994). wie der Reduzierung von Ernteverlusten und schen Gärten Magdeburg, Thale (Hexen- Die Arbeit der International Union for Con- Uniformierung der angebauten Kulturen zu- tanzplatz) sowie die Forschungsstation Wie- servation of Nature and Natural Resources sammengefaßt hat und die Entwicklung seit senfelden wurden Tiere zur Einbürgerung in (IUCN) und seiner Specialist Groups hat in 1990 analysiert. Bayern bereitgestellt. den letzten Jahren bemerkenswerte Akzente Um die Erforschung und Kartierung von Der Luchs hat auf deutschem Boden im Na- gesetzt! Eine beachtliche Anzahl wurde auf Schläfervorkommen haben sich in den letz- tionalpark Sächsische Schweiz (BUTZECK et dem Säugetiersektor etabliert. Spezifische ten Jahrzehnten besonders Martin Görner al. 1988, RIEBE 1994), im Bayerischen Wald Publikationsreihen legen Zeugnis engagierter (Jena), Winfried Schulze (Sangerhausen) und und im Pfälzer Wald wieder Fuß gefaßt. Über Arbeit ab. A. Bitz (Mainz) bemüht. Auf Vietinghoff- die weitere Verbreitung wird gegenwärtig in- Wir brauchen in den deutschen Ländern end- Riesch wurde bereits verwiesen. In Bezug auf tensiv diskutiert. Sowohl Ulrich Wotschiko- lich Säugetierschutzwarten, die sich den Fra- den Säugetierschutz gelang es Görner, die wsky (1978) als auch Antal Festetics (1978) gen des Monitorings widmen und langzeit- „Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen e. V.“ haben sich nachhaltig mit der Wiedereinbür- ökologisches Datenmaterial anreichern, ver- zu gründen und den Atlas der bedrohten gerung des Luchses beschäftigt und auf be- dichten und programmatisch wirksam wer- Tierarten Thüringens sowie die Zeitschrift deutenden Symposien Bilanz gezogen. Im den lassen. Ohne die Etablierung dieser „Artenschutzreport“ herauszugeben. Für ostdeutschen Raum ist in Beziehung zum staatlichen Institutionen und ein Koopera- Sachsen ist auch an das große Engagement Luchsschutz und Säugetierschutz auch auf tionsnetz mit den Feldforschern und Natur- von Rudolf Zimmermann in der Schläferfor- das Wirken von Alfred Willy Boback und Die- schutzorganisationen bleibt Säugetierschutz schung zu erinnern. trich Graf hinzuweisen. Im Luchs- und im im regionalen, nationalen und internationa- Bei den Raubsäugern ist der Populati- Wolfsschutz ist eine enge Zusammenarbeit len Rahmen ein Wunschdenken. Ich rufe hier onstrend recht unterschiedlich zu beurteilen. mit den uns benachbarten Ländern anzustre- und heute alle deutschen Naturschutzmini- Während Rotfuchs und Steinmarder in ihren ben. Das erste deutsch-polnische Symposium sterien dazu auf, über die Ausweisung von Beständen deutlich zugenommen haben, ist über wandernde Säugetierarten fand im Ok- Säugetierschutzwarten nachzudenken. Die der Trend für Fischotter und kleine Musteli- tober 1993 in Frankfurt (Oder) statt (STUBBE besten Voraussetzungen hierfür hat das Land den einschließlich Iltis eher negativ, für den 1994). Brandenburg mit der Naturschutzstation Zip- Fischotter besonders dramatisch. Die Not- Die Neubürger Marderhund, Mink und pelsförde des Landesumweltamtes. Und es wendigkeit eines Monitorings ist für diese Art Waschbär reagieren mit weiterem Arealge- kann nicht sein, daß man eine Station nicht besonders zwingend, um Grundlagen für ei- winn und steigenden Beständen. Es sind Ent- so benennen kann, weil es diese Kategorie in nen progressiven Schutz durchzusetzen wicklungen, die nicht im Sinne des Schutzes der Gesetzgebung nicht gibt. Dann muß man (STUBBE 1993). Erste Schutzbemühungen der autochthonen Fauna stehen, andererseits diese Kategorie um den Terminus „Staatliche führten in der ehemaligen DDR zur Einrich- offenbar jedoch nicht aufzuhalten sind. Säugetierschutzwarte“ und auch „Staatliche tung von Fischotter-Schongebieten. Hier hat Um die Erforschung des Schweinswals und Insektenschutzwarte“ neben den fest eta- Bruno Weber (Haldensleben) gemeinsam mit die Sicherung der Totfunde aller Wal- und blierten Staatlichen Vogelschutzwarten er- der Bezirksarbeitsgruppe Artenschutz unter Robbenarten an der ostdeutschen Ostseekü- weitern. Das ist Umsetzung von Rio und der D. Heidecke im Bezirk Magdeburg wichtige ste hat sich Gerhard Schulze am Meeresmu- so gepriesenen Biodiversitätskonvention. Pionierarbeit geleistet. Den Fischotterschutz seum Stralsund besonders verdient gemacht. Die Aufgaben von Staatlichen Säugetier- in Niedersachsen und den internationalen Für die westliche Ostsee gelang dies in her- schutzwarten sind klar zu definieren. Ver- Verbund der Otterforschung hat besonders vorragender Weise Wolfhart Schultz am In- schiedene Säugetierarten, besonders die be- die „Aktion Fischotterschutz e. V.“ mit Claus stitut für Haustierkunde der Universität Kiel. drohten, bieten sich für ein Langzeitmonito- Reuther vorangebracht. Er und Antal Feste- An diesem Institut hat Günther Heidemann ring geradezu an. Hierher gehören u. a. die tics organisierten 1979 in Göttingen das 1. besonders in der Robbenforschung über vie- Chiropterenarten. Artenschutzprogramme Internationale Fischotter-Kolloquium. le Jahre engagiert gewirkt. bedürfen der ständigen Überwachung und Im deutschen Raum sind Otterschutz und Die Schalenwildbestände haben überall von Aktualisierung! Besonders unsere Thüringer Feldforschung darüber hinaus u. a. mit fol- der Bewirtschaftung in ihrem Artbestand pro- Fledermausforscher sind hier auf einem pro- genden Namen verbunden: Peter Allgeyer, fitiert und gelten einhellig im Rahmen des gressiven Weg. Hermann Ansorge, Steffen Behl, Udo Binner, Säugetierschutzes als gesichert. Dies darf je- Was sich aus den Erfahrungen des von uns Steffen Butzeck, Gerhard Creutz, Volker Die- doch nicht vertuschen, daß in zunehmendem organisierten internationalen Monitorings nemann, Dietrich Dolch, C. Engstfeld, Frank Maße Landschaftsfragmentierung Isolate „Greifvögel und Eulen Europas“ als wichti- Fiedler, Imke Hodl-Rohn, Thomas Hofmann, schafft, die den lokalen Artentod provoziert. gem Pilotprojekt auf der Ebene von Popula- Alfred Hundrieser, Werner Jorga, Peter Kal- Das Rotwild ist jene Großwildart, die in tionen und Zönosen mit gegenwärtig über lenbach, Gerhard Klafs, Reinhard Klenke, Deutschland diesen Druck besonders zu 300 Referenzflächen in 13 europäischen Län- MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 13

dern in dieser Hinsicht an Grundforderungen trollierte Abfang in sehr kleinen Größenord- praktische Umsetzung informiert. Zur Histo- gezeigt hat, ist folgendes (GEDEON 1994): nungen und die biomedizinische Beprobung rie der Säugetierforschung in den östlichen Ein derartiges Monitoring muß oder Nutzung durch Jagd immer wieder in Ländern haben wir mehrmals die wesentli- – kontinuierlich sein und über ein stabiles Frage gestellt werden und Feldforschung chen Fakten zusammengetragen (STUBBE Mitarbeiternetz verfügen, schließlich unmöglich wird oder bürokrati- 1983, STUBBE et al. 1991, STUBBE u. STUB- – Jahr für Jahr in den gleichen Kontrollgebie- sche Hürden einen Aufwand darstellen, der BE 1995). Diese Daten sind zu vervollständi- ten erfolgen oder dort in regelmäßigen In- dem Biologen das Know how entreißt und gen. Es wird ein erster, sicher unvollständiger tervallen von einigen Jahren wiederholt seine berufliche Qualifikation in Frage stellt. Überblick an Institutionen, Verbänden und werden, Der Mediziner stellt keinen behördlichen An- Gesellschaften in Deutschland gegeben, die – in seiner Methodik vergleichbar sein, trag zur Behandlung eines neuen Patienten sich in vielen Aufgabenbereichen dem Säu- – so viele Arten wie möglich einschließen, oder zur Ausstellung eines Rezeptes. getierschutz widmen. Einzelpersonen und – weite Landesteile abdecken, Es ist zu hoffen, daß die Deutsche Gesell- Zoologische Gärten sind zunächst nicht er- – alle Habitate, sowohl optimale als auch schaft für Säugetierkunde e. V. (DGS) (ge- faßt worden. Ein Verzeichnis von 39 Zoos, 68 marginale, berücksichtigen, gründet 1926), die nunmehr auch den Säu- weiteren Tierparks und 63 Wildparks ist so- – kurzfristige wie auch langfristige Populati- getierschutz in ihrem Statut verankert hat, eben in dem Buch „Deutschland Safari“ von onsveränderungen aufzeigen, sich wesentlich aktiver in der Durchsetzung F. Jantschke (1996) im Hallwag Verlag Bern – statistisch zuverlässig sein, von Grundprämissen und methodischen publiziert worden. – effizient und Rahmenbedingungen der ökologischen Er- Wir sollten diese Tagung nutzen, um mit dem – national sowie international kompatibel forschung von Säugetieren einbringt. Es ist Gefühl der persönlichen Bereicherung, aber sein. Rüdiger Schröpfer zu verdanken, das Positi- auch der Zusammengehörigkeit, künftige Wissenschaftlicher Vorlauf für das europä- onspapier der DGS zu „Markierungsmetho- Aufgaben des Säugetierschutzes in Angriff zu ische Haus ist dringend erforderlich. Staatli- den und damit verbundene Handhabungen, nehmen. Um an der Pyramide des Säugetier- che Säugetierschutzwarten sind keine isolier- die nicht einer Bewilligungspflicht für Tierver- schutzes und dem Progress der ökologischen ten abstrusen Gebilde, sondern fest in das suche gemäß Tierschutzgesetz vom 26.2. Feldforschung zu bauen, sollen zwei Resolu- staatliche, ehrenamtliche, wissenschaftlich- 1993 unterliegen“ weit vorangebracht zu tionen bzw. Empfehlungen eingebracht wer- organisatorische Netz auf regionaler, natio- haben. Er gilt darüber hinaus als Initiator des den: naler und internationaler Ebene eingebun- seit 15 Jahren jährlich stattfindenden Mar- 1. Rettung des Feldhamsters (Cricetus cri- den. Derartige Einrichtungen sind größten- derkolloquiums, eines Forums für Säugetier- cetus) als gefährdetster Säugetierart der teils nicht neu zu schaffen, sondern aus dem schutz und Erforschung von Musteliden. offenen Landschaft Deutschlands vorhandenen Pool biologischer Einrichtun- Nicht hoch genug muß die Arbeit der Zoolo- 2. Empfehlung zum Aufbau von Staatlichen gen in den Ländern mit klarer Zielrichtung zu gischen Gärten für die Umwelterziehung und Säugetierschutzwarten in den deutschen profilieren. Der Blick ist auf neue zukunft- den weiteren Aufbau von Erhaltungszuchten Bundesländern. strächtige Fragestellungen zu richten. gewertet werden. Hier bedarf es einer weite- Darüber hinaus fehlt in Deutschland ein For- Der Schutz von Lebensräumen ist mit der ren Profilierung und des partnerschaftlichen schungsinstitut, das wie in Bialowiezˇa/Polen Schaffung von Großschutzgebieten mit Na- Austausches zwischen Wissenschaft, Natur- oder Brno/Tschechien Säugetierforschung in tionalparken und Biosphärenreservaten auf schutz und breitester Volksbildung und gesi- einer großen disziplinären Breite, vor allem guten Wegen. Die diesbezüglichen Bemü- cherter finanzieller Förderung. auf ökologischem Gebiet betreibt. hungen in den letzten Tagen der DDR und in Zur Umsetzung des Säugetierschutzes gehört Neue Denk- und Experimentalansätze be- den heutigen ostdeutschen Bundesländern im besonderen Maße die Arbeit der Verbän- treffen heute nicht nur Lebensrauman- durch Michael Succow, Lebrecht Jeschke, de, die koordinierte Zusammenarbeit mit sprüche kleiner oder besonders geschützter Hans-Dieter Knapp und viele Mitstreiter sind Behörden und wissenschaftlichen Institutio- Arten, sie gelten in besonderem Maße auch heute bereits eine einmalige historische Lei- nen, mit einer Programmatik, die nicht be- der Wiederherstellung halbnatürlicher Syste- stung von unermeßlicher Reichweite. Die hindert, sondern progressiv nach vorne ge- me, in denen diverse große Pflanzenfresser- Schaffung von Korridoren zur Vernetzung richtet ist und Spannungsfelder abbaut. Säu- arten die Landschaft mitgestalten können. von Naturreservoiren ist nichts Utopisches. getierschutz benötigt eine solide populati- Die grundlegende Literatur hierzu haben Grünbrücken über Verkehrsadern haben für onsökologisch ausgerichtete Grundlagenfor- BUNZEL-DRÜKE, DRÜKE u. VIERHAUS den Säugetierschutz längst ihre Feuertaufe schung. Ohne dieses Wissen ist Säugetier- (1995) zusammengetragen. Folgt man derar- bestanden. Die Landesentwicklungspläne schutz nicht existent. Totfunde vom Ausster- tigen Ansätzen, so ist künftig (vgl. auch haben besonders für den Naturschutz der Zu- ben bedrohter Arten müssen als Zeitzeugen SCHERZINGER 1995 a, b) zwischen wald- kunft eine große Herausforderung zu reali- und gesellschaftliches Eigentum in dafür prä- baulich tragbaren Schalenwilddichten in den sieren. Hier muß und kann sich die Forstwirt- destinierten wissenschaftlichen Einrichtun- Forsten der Holzproduktion und der Dichte in schaft mit dem Konzept der erhaltenden Na- gen der Nachwelt erhalten bleiben. Hierfür größeren Naturreservaten als lebensraumge- turnutzung im Sinne der naturphilosophi- sind schnellstmöglich die gesetzlichen staltendes Element zu unterscheiden, was als schen Richtung der „Organik“ voll einbrin- Grundlagen zu überarbeiten bzw. neu zu Ergänzung zum herkömmlichen Naturschutz gen (HENNIG 1996 a). Erstmals für Deutsch- schaffen. verstanden werden muß. Ohne den Men- land wurde 1996 in Mecklenburg-Vorpom- Die Leistungen der säugetierökologischen schen wäre Mitteleuropa heute wahrschein- mern in den Großschutzgebieten die Forst- Feldforschung und des Säugetierschutzes in lich eine halboffene Wald-Weidelandschaft. wirtschaft der Naturschutzverwaltung zuge- Deutschland sowie deren Organisation sind Besonders der Nationalpark „Unteres Oder- ordnet, ein bis vor kurzem noch unvorstell- vielfältiger Natur. Über ein geschlossenes tal“ (Forschungsbericht SCHRÖPFER u. bares Modell. Wirken muß weiter nachgedacht werden. STUBBE 1996) könnte im länderübergreifen- Säugetierschutz und Umwelterziehung sind Mit der Tagung „Methoden feldökologischer den Kontext für derartige Großexperimente untrennbar miteinander verbunden. Hierher Säugetierforschung“ und unseren Symposi- eine Basis darstellen. Zur Einbeziehung der gehört auch die Einbettung der Forschung en zur Populationsökologie verschiedener Bergbau-Folgelandschaft als Lebensraum für und ihrer Methoden, die der Säugetierschutz Säugetiergruppen sowie von Greifvogel- und eine neue Großsäuger-Artengemeinschaft zur progressiven Weiterentwicklung braucht. Eulenarten haben wir ein Signal gesetzt. Zu- haben HOFMANN u. SCHEIBE 1994 eine Hier sei an das großartige Wirken von Martin mindest für den ostdeutschen Raum und für Projektskizze vorgelegt (zit. bei BUNZEL- Eisentraut erinnert, der in den 30er Jahren jene Bundesländer, aus denen neuere Säuge- DRÜKE et al. 1995, vgl. auch HOFMANN die Fledermausberingung in Deutschland tierfaunen vorliegen, sind wir einigermaßen 1995). einführte. Es kann nicht sein, daß seit Jahr- und dennoch sehr lückenhaft über den ge- Großflächige Schutz- und Vorrangräume für zehnten bewährte Feldmethoden, wie Tele- genwärtigen Stand und die Situation von den Arten-, Biozönose- und Landschafts- so- metrie, Markierung, Beringung oder der kon- Forschung, Ausbildung, Schutz und somit wie Prozeßschutz als Strategie des Natur- 14 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

schutzes werden von PLACHTER und REICH bundesdeutscher Ministerien und Sachver- establishment of long term European moni- (1994) gefordert, wobei die Zielobjekte des ständiger der deutschen CITES-Kommission toring programmes must be urgently brought Artenschutzes nicht nur seltene und gefähr- sowie erfahrener Expeditionist in der Erfor- forward. Species threatenend with extinction dete Arten, sondern ebenso Arten mit hoher schung biologischer Ressourcen Zentralasi- must be preserved for posterity. For these funktionaler Bedeutung sein sollten. Um dy- ens und Leiter von Projekten internationaler reasons a better legal framework is required. namische Prozesse zur Funktionsfähigkeit Tragweite. Ich habe mit diesem Katalog einen International conventions which are con- des Naturhaushaltes zu sichern, verdient der Teil meines integrativen Wirkens aufgelistet, cerned with species and habitat protection Prozeßschutz höchste Beachtung. um zu zeigen, daß es auch ohne Interessen- are assuming an increasing importance. Bechsteins Ideengut ist heute so aktuell wie konflikte zwischen Schutz und Nutzung von Wildlife conservation is the protection of life vor 200 Jahren. Der tiefen ökologischen Naturressourcen geht. Um in diesem Sturm itself. Mammals and habitats can only be Durchdringung von Ressourcenschutz und - zu bestehen, braucht man erstklassige Lehrer, protected in the future through large scale nutzung haben wir uns in der Gesellschaft für eine Mannschaft, eine Schule begeisterter protected and priority areas integrated with Wildtier- und Jagdforschung e. V. sowie zu- junger und alter Säugetierforscher, interdiszi- the countryside and the legal framework. vor in der Arbeitsgemeinschaft für Jagd- und plinäres Denken, Partner im persönlichen Population ecology and field research form Wildforschung sowie jeder einzelne in dem und beruflichen Bereich, die durch dick und the absolute and inalienable basis for mam- ihm am sinnvollsten erscheinenden Wir- dünn gehen, Kooperation und Zielstrebig- mal conservation. kungskreis gestellt, und wir werden diese keit, aber auch Faszination, Leidenschaft und Verantwortung, verbunden mit den Forst- Vision zur Leistung eines Gemeinschaftswer- Literatur und Jagdpraktikern sowie Land- und Wasser- kes, zur Verantwortung für gesellschaftlichen ALTUM, B. 1872: Forstzoologie. I. Säugethiere. -Berlin nutzern als wichtige Verbündete modernen Fortschritt und Erhaltung von Biodiversität. BAVINK, B. 1941: Ergebnisse und Probleme der Natur- wissenschaften. -Leipzig Säugetierschutzes und allen anderen ernst- Mein Dank gilt all denen, die in meiner Nähe BECHSTEIN, J. M. 1792: Kurze, aber gründliche Mu- haft an der Erhaltung der Biodiversität inter- an der Förderung des Säugetierschutzes mit- sterung aller bisher mit Recht oder Unrecht von dem essierten Naturnutzern, in die Zukunft tra- gearbeitet haben oder mit denen wir seit vie- Jäger als schädlich geachteten und getödeten Thiere. - gen. In der breiten Mitwirkung und Umset- len Jahren freundschaftlich verbunden in ei- Gotha:- BENECKE, N. 1994: Der Mensch und seine Haustiere. zung des Ideengutes modernen Wildtier- nem Boot sitzen. Unsere Stärke ist nicht die -Stuttgart. -572 S. schutzes auf solider wissenschaftlicher Emotion, es sind solide fachliche und sachli- BLAB, J. 1986: Grundlagen des Biotopschutzes für Tie- Grundlage, bei der Mobilisierung und Koor- che Leistungen, Ergebnisse harter For- re. -Bonn, Bad-Godesberg. -479 S. BLASIUS, J. H. 1857: Fauna der Wirbelthiere Deutsch- dination der Mitarbeiterbasis kommt dem schungsarbeit, mit denen wir überzeugen lands. -Bd. 1 Naturgeschichte der Säugethiere. -Braun- Naturschutzbund Deutschlands (NABU) eine müssen. Säugetierforschung ist Grundlage schweig. -549 S. besondere Verantwortung zu! des Säugetierschutzes. BOYER, D. A.; BROWN, R. D. 1988: A Survey of Trans- location of Mammals in the United States 1985. In: NIELSEN, L.; BROWN, R. D. (eds.): Translocation of Danksagung Wild Animals. -Milwaukee. -Kingsville: 1-11 10. Summary BUMP, G. 1970: Acclimatization of Game Animals in the United States. -Trans. Int. Congr. Game Biol. 9: Ergänzende Hinweise sind folgenden Perso- The roots of mammal conservation go a long 136-141 nen und Institutionen zu danken: Dolch, D. way back in human history. The great carni- BUNZEL-DRÜKE, M.; DRÜKE, J.; VIERHAUS, H. 1995: (Alt Ruppin), Görner, M. (Jena), Labes, R. vores and several larger mammal species Wald, Mensch und Megafauna. -LÖBF-Mitteilungen 4/1995: 43-51 (Schwerin), Ansorge, H. (Görlitz), Haensel, J. were exterminated with the advent of mod- BURTON, J.A.; PEARSON, B. 1987: Rare Mammals of (Berlin), Böttger, R. (Halle/Saale), Heidecke, ern man and improved hunting methods. the World. -London. -240 S. D. (Halle/Saale), Schwarz, J. (Klepelshagen), Important meaning was given to targetted BUTZECK, ST. 1989: Bemerkungen zur historischen Grummt, W. (Berlin), Orr-Ewing, D. (Glas- mammal protection by Johann Matthäus Entwicklung des Populationstrends von Baum- und Steinmarder – Martes martes (L.), Martes foina gow), Stubbe, C. (Eberswalde), Schipke, R. Bechstein. In 1795 he founded the Society (ERXLEBEN). -Populationsökologie marderartiger Säu- (Wartha), Heyne, P. (Mücka), Zehle, S. for the Service of Forestry and Hunting in getiere. Wiss. Beitr. Univ. Halle 1989/37 (P39): 371- (Hamburg), Meyke, F. (Wellington/Neusee- Waltershausen in Thuringia (Societät für 386 BUTZECK, St.; STUBBE, M.; PIECHOCKI, R. 1988: land), Baumgarten, L. (Halle/Saale), Schmidt, Forst- und Jagdkunde) and this provided a Beiträge zur Geschichte der Säugetierfauna der DDR. CH. R. (Frankfurt/Main), von Frisch, O. firm basis for the unification of forest, game, Teil 2: Der Luchs (Lynx lynx Linné 1758). -Hercynia (Braunschweig), Krapp, F. (Bonn), Podusch- hunting and mammal conservation. N.F. 25: 144-168 DATHE, H. 1989: Worte des Dankes. -Milu 7: 21-29 ka-Aigner, Ph. 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Westlausitz Kamenz 17: 78-83 MICHAEL STUBBE: GESCHICHTE UND PERSPEKTIVEN DES SÄUGETIERSCHUTZES 15

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Dägg- djuren. -Lund Sonderheft 1995 jetzt zu einem ver- NOWAK, E. 1989: Verzeichnis der in der Bundesrepu- minderten Preis von 9,– DM zu erhal- blik Deutschland herausgegebenen Roten Listen ge- fährdeter Tiere und Pflanzen. -Schr.-R. Landschaftspfl. ten beim u. Natursch. 29: 307-321 NOWAK, E.; BLAB, J.; BLESS, R. 1994: Rote Liste der gefährdeten Wirbeltiere in Deutschland. -Schriftenrei- Landesumweltamt Brandenburg he für Landschaftspflege und Naturschutz 42 (Bonn Bad-Godesberg). -191 S. Abt. N, PF 601061, 14410 Potsdam OKEN, L. 1838: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. -Stuttgart PAVLOV, M. P. et al. 1973/74: Acclimatization of sowie bei der Game Animals and Birds in the USSR. -Part I and II, Kirov UNZE Verlagsgesellschaft mbH PETZOLD, H.-G. 1979: Rätsel um Delphine. -Witten- Alt Nowawes 83 a berg Lutherstadt. 155 S. PFAUCH, W.; RÖDER, R. 1972: Johann Matthäus 14482 Potsdam Bechstein (1757-1822). -Südthür. Forsch. 7(8): 1-124 PLACHTER, H. 1991: Naturschutz. -Stuttgart, Jena 16 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

DIETRICH DOLCH Der Landesfachausschuß Säugetierkunde Brandenburg/Berlin – Organisation, Arbeitsweise und Ergebnisse

Schlagwörter: Säugetierschutz, Naturschutzbund, Landesfachausschuß, Arbeitsweise, Ergebnisse

1. Vorwort Fledermausforschung und -schutz begann menarbeit erhalten bleiben soll, die jedoch auch eine Zusammenarbeit auf Bezirksebene. den veränderten Strukturen, so z. B. der be- Das Thema der Tagung „Säugetierforschung Die Kooperation war locker, die Anzahl der vorstehenden Länderbildung angepaßt wer- als Grundlage für den Artenschutz“ ist Beteiligten gering, die Ergebnisse bescheiden den muß und das zur Durchsetzung der von gleichzeitig ein Programm. Es beinhaltet ne- und die Arbeit auf Fledermäuse begrenzt. den säugetierkundlich Interessierten vertre- ben vielen anderen Gesichtspunkten auch Das änderte sich mit der verstärkten Wieder- tenen Interessen ein starker Naturschutzver- den des Brückenschlags zwischen wissen- besiedlung der Mark durch den Elbebiber ab band als Partner wünschenswert sei. Andere schaftlicher Grundlagenforschung und dem, Ende der 60er Jahre. Das von Dr. Heidecke Fachgruppen standen in den neuen Bundes- im Idealfall auf dieser Grundlage aufbauen- auf DDR-Ebene geknüpfte Netz der ehren- ländern damals vor ähnlichen Problemen. den, Schutz. Erstgenannte ist in der Regel an amtlichen Biberbetreuer (HEIDECKE 1985), Die Säugetierfreunde Brandenburgs und Ber- Universitäten, Hochschulen und wissen- für welches er engagierte Naturschutzleute lins, genauer gesagt Ostberlins, schlossen schaftlichen Instituten angesiedelt. Letztes unterschiedlichen fachlichen Interesses ge- sich am 20.4.91 in Prieros (40 Teilnehmer) wird durch Behörden und Verbände vertreten wann, überzog, der Verbreitung des Bibers zum Landesfachausschuß Säugetierkunde und verwirklicht. folgend, auch nach und nach weite Teile Brandenburg/Berlin (LFA) zusammen und Die Rahmenbedingungen gibt der behördli- Brandenburgs. Mit der Arbeit dieser ehren- dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) che Naturschutz des Bundes und der Länder amtlichen Helfer, von denen einige sich mit an. Ihm gehören heute etwa 100 Personen vor. Eine im Idealfall sensibilisierte und inter- den Jahren zu ausgesprochenen Spezialisten an, von denen etwa 70 bis 80 % im NABU essierte Öffentlichkeit nimmt Einfluß, einer- entwickelten, konnte die Wiederbesiedlung organisiert sind. Die traditionellen Arbeits- seits auf den Umfang der Schaffung der recht genau verfolgt und dokumentiert wer- gruppen haben Bestand. Erfreulicherweise Grundlagen, anderseits auf die Rahmenbe- den. Dieses Beispiel, in dem eine große Grup- wuchs aber auch das Interesse für andere Ar- dingungen für deren Umsetzung. Diese und pe begeisterter Laien, angeleitet von einem ten, wie Igel, Siebenschläfer, Wolf, Hamster, die Mitwirkung bei der Ausfüllung des Rah- organisationsbefähigten, unermüdlichen und Baummarder, Maulwurf und weitere. mens ist eine ganz wesentliche Aufgabe des kompetenten Fachmann, der über viele Jah- Die LFA haben in Brandenburg durch je einen Verbandsnaturschutzes. Damit er diese auch re, eigentlich schon Jahrzehnte, eine kontinu- Vertreter im Beirat beim Landesvorstand Sitz richtig wahrnehmen kann, ist fachlich fun- ierliche Arbeit leistet, ist in Deutschland und und Stimme. Da der Beirat an allen Vor- diertes Wissen notwendig, verbunden mit vermutlich darüber hinaus einzigartig. Dies standssitzungen teilnimmt und an den mei- entsprechendem Engagement. könnte und sollte für weitere Vorhaben, auch sten Entscheidungen mitwirkt und diese mitt- Aber, und das sei nochmals ausdrücklich be- für solche der Säugetierforschung und des rägt ist gewährleistet, daß die Fachkompe- tont, das Fachwissen in den Verbänden muß -schutzes, Modellcharakter haben. tenz der verschiedenen LFA von vornherein Basis auch des Verbandsnaturschutzes sein. Auch auf anderen Gebieten fanden sich Inter- Berücksichtigung findet. Das soll ein Beispiel verdeutlichen: Wenn Ver- essenten: so z. B. bei Untersuchungen zur Ver- Trotz aller „Wenn“ und „Aber“ hat sich die bandsnaturschutz sich dafür einsetzt, den breitung von Kleinsäugetieren, hervorgegan- damalige Entscheidung des Zusammenge- Elbebiber wieder an der Elbe anzusiedeln, gen aus Gewölluntersuchungen zur Ernäh- hens mit dem NABU auch aus jetziger Sicht verliert er nicht nur seine Glaubwürdigkeit, rung unserer Eulen, und zur Verbreitung des als richtig erwiesen. Ob diese positive Bilanz sondern, und das ist fast noch schlimmer, Fischotters, ausgelöst durch die Umfrage von auch noch nach einigen Jahren so ausfällt, macht sich lächerlich. Prof. Stubbe zur Situation der Art in der DDR. wird ganz wesentlich davon abhängen, wie Vor diesem Hintergrund erscheint mir diese Allmählich verstärkte sich das Interesse an sich der Verband zukünftig zur Qualität der Tagung, die Vertreter aus allen Bereichen, säugetierkundlichen Arbeiten und dabei der Facharbeit positioniert. Jüngste Entwicklun- den wissenschaftlichen Einrichtungen, den Wunsch nach engerer Zusammenarbeit, nach gen auf Bundesebene lassen zumindest Behörden, den Verbänden und andere Inter- Austausch von Ergebnissen und deren Zu- Zweifel an der kontinuierlichen Weiterent- essierte zusammenführt, von ganz besonde- sammmenfassung. Hinzu kam, daß eine Ver- wicklung der naturschutzfachlichen Arbeit rer Bedeutung. tretung der Säugetierinteressen innerhalb des aufkommen und befürchten, daß diese na- Artenschutzes immer dringender wurde. Als turschutzpolitischen Aspekten geopfert wer- 2. Organisation Folge dieser Entwicklung entstand im Februar den könnte. Beide Ebenen der Arbeit sind für 1986 die „Bezirksarbeitsgruppe Säugetier- verantwortungsvollen und erfolgreichen Ver- Der Erfolg auf bestimmten Gebieten, auch schutz“ im damaligen Bezirk Potsdam. Sie bandsnaturschutz unverzichtbar. dem des Säugetierschutzes, wird von Orga- wurde von 65 Personen gegründet. Mit dem Landesumweltamt Brandenburg hat nisationsformen und -strukturen beeinflußt. In den übrigen Bezirken Brandenburgs, in sich eine gute Zusammenarbeit mit der für In Brandenburg gibt es eine starke Fachgrup- Cottbus, Frankfurt (Oder) und auch in Ost- den Säugetierschutz verantwortlichen Natur- pe Säugetierschutz auf Landesebene und berlin gab es keine vergleichbaren Struktu- schutzstation in Zippelsförde entwickelt. länderübergreifend zusammen mit Berlin. ren, die ein so umfangreiches Spektrum bün- Schwerpunkte der Arbeit sind dabei Fleder- delten. Dort arbeiteten „Einzelkämpfer“ oder 3. Arbeitsweise mausschutz und -forschung, Biberbetreu- kleine Gruppen, die sich fast ausschließlich und -ergebnisse ung, Kleinsäugerforschung und Otterschutz. dem Fledermausschutz widmeten. Die Anfänge reichen nunmehr über 30 Jahre Nach der Wende 1989 stand auch hier die Im Abstand von ca. zwei Jahren kommt der zurück (DOLCH 1989). Schon mit der 1965 Frage: wie weiter? Es bestand Einmütigkeit Landesfachausschuß zu einer Tagesveran- auf DDR-Ebene gegründeten Arbeitsgruppe darüber, daß die bewährte fachliche Zusam- staltung zusammen. DIETRICH DOLCH: DER LANDESFACHAUSSCHUß SÄUGETIERKUNDE BRANDENBURG/BERLIN 17

Auch in zweijährigem Rhythmus werden die 4. Ausblick 5. Summary an Fledermaus, Otter und Biber Interessier- ten zu eintägigen Fachtagungen, also Vor- Das große Ziel aller Säugetierfreunde Bran- The State Committee of Mammalogy Bran- tragsveranstaltungern mit genügend Raum denburgs und Berlins ist eine Säugetierfauna denburg/Berlin (Landesfachausschuß Mam- für den fachlichen Erfahrungsaustausch, ein- des Landes. In dieser soll der Wissensstand malogie Brandenburg/Berlin) of the German geladen. Diese Zusammenkünfte werden ge- über Verbreitung, biologische Grunddaten Nature Conservation Association (Natur- meinsam mit der Naturschutzstation in Zip- und Ökologie der Säugetiere im säugetier- schutzbund Deutschland) unites a large num- pelsförde durchgeführt. reichsten Bundesland Deutschlands umfas- ber of people both of the federal state of Jährlich finden mehrere Arbeitstagungen send dokumentiert werden. Die Artbearbei- Brandenburg an from Berlin interested in pro- der regionalen Arbeitsgruppen statt (Abb. ter, von denen die meisten Mitglied des LFA tecting mammals. 1). Die des ehemaligen Bezirks Potsdam sind, arbeiten schon intensiv daran. Diese The main fields of work are the bat research führt ihre Veranstaltung an einem Wochen- Säugetierfauna des Landes wird es uns er- and bat protection, caring for beavers, pro- ende im Juli durch, untersucht in kleinen möglichen, den Status der einzelnen Arten tecting otters and registring small mammals. Gruppen dabei ein ausgewähltes Territorium besser einschätzen zu können. Damit wird The structure of the organisation and the me- intensiv auf Fledermausquartiere und be- die Grundlage gebildet für erfolgverspre- thods of the State Committee are described zieht andere Säugetiere, wie Steinmarder, chende Schutzmaßnahmen für gefährdete in this paper. Igel und Maulwurf, in die Untersuchung mit Arten und notwendiges Management bei an- ein. Dabei werden auch Gewölle mit aufge- deren. Auch hier, so hoffen wir, bürgt die sammelt, die dann anschließend von Mit- gute naturschutzfachliche Zusammenarbeit Literatur DOLCH, D. 1989: Entwicklung, Arbeitsweise und -er- gliedern des LFA analysiert werden und de- zwischen NABU und LUA, Verband und gebnisse der Bezirksarbeitsgruppe Säugetierschutz des ren Ergebnisse unsere Datenbasis erweitern. Behörde, gesichert durch die Naturschutzsta- Bezirkes Potsdam - Populationsökologie von Fleder- So wurden in den letzten 12 Jahren bei die- tion in Zippelsförde, für den Erfolg. mausarten: -Wiss. Beitr. Univ. Halle 1989/20 (P36) 57-80. sen Veranstaltungen etwa 300 exakte Art- Optimistisch sind wir auch deshalb, weil die- DOLCH, D. u. TEUBNER, J. 1995 : Die Erfassung von nachweise, in der Regel Quartiernachweise, se Organisationsform Kontinuität über Jahre, Säugetieren mit Hilfe der Gewöllanalyse. -Naturschutz von 14 Fledermausarten erbracht und „ne- ja sogar Jahrzehnte garantiert. Das ist des- und Landschaftspflege in Brandenburg 4(3): 32-35 benbei“ noch etwa 35 000 Beutetiere aus halb so, weil die dabei geleistete Arbeit eh- HEIDECKE, D. 1985: Ergebnisse der Biberforschung und im praktischen Biberschutz in der Deutschen De- Gewöllen analysiert. Die wertvollsten Nach- renamtlich ist und damit in der Regel unab- mokratischen Republik. -Z. angew. Zool. 72: 205-211 weise dabei sind Wochenstuben von Mops- hängig von kurzatmigen Projekten und bei VERZEICHNIS der Artbearbeiter der Säugetierfauna fledermaus, Kleiner Bartfledermaus, Fran- der noch nach wie vor nicht das Geld, son- Brandenburgs. -Mitteilungen des LFA Mammalogie 1/1994 senfledermaus und Großem Mausohr. dern das Interesse der Beteiligten dominiert. Außerdem ergaben diese Untersuchungen Besonders wichtig war und ist, daß der LFA eine Vielzahl von Hinweisen zu weiteren immer auch durch ausgewiesene Fachleute Sommer- und Winterquartieren; 1996 wa- ermutigt wurde und Unterstützung bekam. Verfasser ren es allein über 60, denen dann im Nach- Insbesondere seien hier die Mitarbeiter der Dr. Dietrich Dolch hinein die örtlichen Mitglieder nachgehen Martin-Luther-Universität in Halle, Professor Dorfstraße 2 d und vielfach abklären. Die „Südbrandenbur- Dr. M. Stubbe und Dr. D. Heidecke genannt. D–16818 Radensleben ger“ Gruppe führt jährlich noch eine spezi- elle Winterquartiererfassung durch. Der Landesfachausschuß hat im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg den NABU- Beirat Säugetierpart der „Roten Liste der bedrohten Landesvorstand + Vertreter der Landesfachaus- Tierarten Brandenburgs“ erstellt. schüsse Der Bearbeitungsstand bei der Erfassung der Kleinsäugetiere mit Hilfe der Gewöllanalyse = Erweiterter Vorstand hat inzwischen in Brandenburg einen beacht- lichen Stand erreicht (DOLCH u. TEUBNER 35 Regional- bzw. Kreisverbände 6 Landesfachausschüsse (LFA) 1995). An diesem Ergebnis sind Mitglieder des LFA ganz wesentlich beteiligt. Ornithologie Besonders schlagkräftig und erfolgreich war Herpetologie Ichthyofaunistik bisher die „Zunft der Fledermausfreunde“. Entomologie Motor sind hier neben anderen die zum Teil Mykologie über 20 Jahre tätigen sechs Fledermausberin- ger. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Publika- Bundesfachausschuß (BFA) Mam- Mammalogie tionen aus diesem Kreis sind ebenso sichtba- malogie rer, vorweisbarer Erfolg wie die Vielzahl be- „Interessengruppen“ treuter Fledermauskastenreviere, gesicherter Sommer- und Winterquartiere, letztere vor Verknüpfung der Facharbeit Biberbetreuung auf Bundesebene allem als sinnvolle Abrüstungsmaßnahme Fischotterschutz Kleinsäugerforschung nach der Wende; aus vormals militärisch ge- nutzten Bunkern werden Fledermauswinter- Bundesarbeitsgruppe (BAG) Fledermausforschung quartiere. Der LFA ist Projektträger für die Fledermausschutz und -schutz Überwachung und ganzjährige Nutzung aus- gewählter Fledermauswinterquartiere in Regionalgruppen Brandenburg. Die langjährige und umfassende Betreuung Berlin der Biberreviere ist aber hier ebenso zu nen- Potsdam Abb. 1: Südbrandenburg nen wie die Einrichtung großflächiger Moni- Organisatorische Einordnung des Landesfach- Uckermark toringflächen zur Überwachung der in Bran- ausschusses Mammalogie innerhalb des NABU- Beeskow denburg noch fast flächendeckenden Fisch- Landesverbandes Brandenburg otterbestände. 18 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

ANJA WEIDLING, MICHAEL STUBBE Feldhamstervorkommen in Abhängigkeit vom Boden

Schlagwörter: Feldhamster, Vorkommen, Bauverteilung, Boden, Hamsterschutz

Einleitung denkarte der Reichsbodenschätzung (1936) 1.2 Ergebnisse verglichen. Der Feldhamster Cricetus cricetus (L., 1758) Anhand dieser großflächigen Kartierung 1.2.1 Hamstervorkommen konnte in der Vergangenheit als Bewohner wurden drei Untersuchungsflächen ausge- und Bodentyp der offenen Landschaft und Kulturfolger des wählt, die die größte Hamsterbaudichte auf- Die Untersuchungsflächen mit höherer Ham- Menschen zeit- und gebietsweise Massen- wiesen. Auf diesen Feldern erfolgte eine Ein- sterdichte befanden sich auf den besseren vermehrungen erreichen. Der Schaden für messung der Baue nach optischen Landmar- Böden – v. a. tiefgründigen Rendzinen und die Landwirtschaft war in solchen Gebieten ken, Fahrgassen und Schrittmaß so genau Schwarzerden. Auf reinen Verwitterungsbö- erheblich. Unter den heutigen Bedingungen wie möglich. den und skelettreichen Verwitterungsböden stellt die Agrarlandschaft in Mitteleuropa für Auf der Untersuchungsfläche „Wartweg“ befand sich auf einer Fläche von mehr als 10 den Hamster nur noch einen suboptimalen (Bodentyp: Braunerde-Tschernosem) wurde ha maximal ein bzw. kein einziger Hamster- Lebensraum dar, wie es der Rückgang des die Bauverteilung mit den Ergebnissen der bau. Diese Böden wurden, verglichen mit den Feldhamsters besonders seit den 60er Jahren Reichsbodenschätzung verglichen. Es sind tiefgründigeren, besseren Böden, nur in und verstärkt in den letzten zehn Jahren auf diesem Feld Flächen mit der Schätzung äußerst geringem Maße vom Feldhamster deutlich zeigt. Die Rückgangsursachen liegen L1Lö, L2Lö und L3Lö vorhanden. Das geolo- genutzt. in den veränderten landwirtschaftlichen Rah- gische Ausgangsmaterial für die Bodenbil- menbedingungen (u.a. SAINT GIRONS dung ist in jedem Fall Löß (Lö), die Bodenart 1.2.2 Bauverteilung 1973, PIECHOCKI 1979, WENDT1983, ist Lehm (L). Nach der Bodenschätzung gibt und Reichsbodenschätzung 1989, PELZERS et al. 1984, WEIDLING es jeweils 7 mögliche Zustandsstufen. Auf Auf dem Feld „Wartweg“ mit einer ermittel- 1996). diesem Feld kommen nur die 3 besten (1-3) ten Winterbaudichte von 1,3/ha und Som- Nur unter optimalen Bedingungen hinsicht- vor. Aufgrund des Flächenanteils der einzel- merbaudichte 1994 von 2,15 sowie 2,95 /ha lich der von der landwirtschaftlichen Produk- nen Zustandsstufen am Feld konnte ein Index 1995 waren die Hamsterbaue nicht gleich- tion relativ unabhängigen Faktoren wie Kli- I aus der Anzahl in jeder Zustandsstufe ge- mäßig auf die drei Zustandsstufen der Bo- ma, Relief und besonders auch Boden konn- fundener Baue (x) dividiert durch die erwar- denschätzung, die alle zur Anlage von Ham- te die Art Feldhamster bis heute unter den tete Anzahl von Bauen bei Gleichverteilung sterbauen genutzt wurden, verteilt (Tab. 1, Bedingungen der landwirtschaftlichen Indu- (E) gebildet werden. Dieser Index I beschreibt 2). strieproduktion und der EU-Agrarpolitik bei einem Wert > 1 eine Präferenz und bei Sowohl bei den Winterbauen als auch bei überleben. Mit vorliegender Arbeit wurden < 1 eine Meidung dieser Zustandsstufe. den Sommerbauen ergibt sich eine deutliche deshalb die heutigen Habitatanforderungen des Feldhamsters an den Boden sowohl großflächig anhand der Verbreitung des Feld- hamsters im früheren Bezirk Potsdam (Bran- Tabelle 1: Verteilung der Feldhamsterwinterbaue 1995 (n = 26) des Feldes „Wartweg“ auf die Bodenschätzungen in Abhängigkeit von denburg) als auch kleinflächig mittels Präfe- deren Flächenanteil renz und Meidung einzelner Bodentypen und Index I = X– Bodenarten in einem Untersuchungsgebiet E im Nordharzvorland (Sachsen-Anhalt) unter- sucht. Ergebnisse der Reichs- Flächenanteil erwartete Anzahl Baue reale Anzahl 1. Untersuchungen in bodenschätzung (%) bei Gleichverteilung (E) Baue (x) Index I

Sachsen-Anhalt L1Lö 32,6 8,5 15 1,76 1.1 Untersuchungsgebiet und L2Lö 39,5 10,3 9 0,87 Methode L3Lö 27,9 7,2 2 0,28 Im Nordharzvorland, im Randgebiet der Magdeburger Börde, erfolgten 1993–1995 Kartierungen von Hamstervorkommen im Tabelle 2: Verteilung der Feldhamstersommerbaue 1994 (n = 43) und 1995 Agrarraum der direkten Umgebung des Ha- (n = 74) des Feldes „Wartweg“ auf die Bodenschätzungen in kelwaldes (Kr. Aschersleben-Staßfurt). Klima- Abhängigkeit von deren Flächenanteil tisch befindet sich dieses Gebiet im Mittel- Index I = X– deutschen Trockengebiet. Eine Zusammen- E fassung zum Gebiet gibt STUBBE (1971). Es wurden alle Hamsterbaue, getrennt nach „belaufen“, „verlassen“, „zweifelhaft belau- Ergebnisse Flächen- erwartete Anzahl Baue reale Anzahl fen“ mit Angabe der Anzahl der Fallröhren der Reichsboden- anteil (%) bei Gleichverteilung (E) Baue (x) Index I und Schlupflöcher, kartiert. Die Kartierungen schätzung 1994 1995 1994 1995 1994 1995 erfolgten im Frühjahr/Frühsommer (Kartie- L1Lö 45,4 19,5 33,6 27 46 1,4 1,4 rung der Winterbaue) bzw. nach der Ernte im L2Lö 33,6 14,5 24,9 12 20 0,8 0,8 Spätsommer/Herbst für die Erfassung der L3Lö 21,0 9 15,5 4 8 0,4 0,5 Sommerbaue. Diese Karte wurde mit der Bo- ANJA WEIDLING, MICHAEL STUBBE: FELDHAMSTERVORKOMMEN IN ABHÄNGIGKEIT VOM BODEN 19

Präferenz für die beste Zustandsstufe 1 (In- nitäten und unterschiedliche Bodenausprä- landen dabei Tongehalte von 5 bis 10 % und dex I > 1, Tab. 1, 2), die einen neutralen, hu- gungen im Zusammenhang mit dem Relief Lehmgehalte von 20 bis 30 %. Diese bieten mosen Boden mit hoher Nutzwasserkapazität zurückführen. Die Felder mit höherer Ham- im Gegensatz zu Sand genug Halt und ver- darstellt, der locker und tiefgründig durch- sterdichte befanden sich nur auf Flächen mit hindern das Stagnieren von Wasser im Bau. wurzelt ist (SCHEFFER; SCHACHTSCHA- höherer Bodenqualität, tiefgründigen Rend- In der Tschechoslowakei wurde ebenfalls eine BEL1989). Gleichzeitig wird die schlechteste zinen und Schwarzerden. In der Börde im strikte Meidung der sandigen Böden und eine vorhandene Stufe 3, ein zunehmend verwit- Kreis Haldensleben deckt sich die nördliche Bevorzugung der lehmig-tonigen und lehmi- terter, versauerter und/oder verdichteter Bo- Verbreitungsgrenze des Hamsters sogar na- gen Böden festgestellt (GRULICH 1975). den, gemieden (Index I < 1, Tab. 1, 2). Die hezu mit der Lößgrenze und damit dem Vor- Demzufolge ist vor allem die Bodenart aus- Zustandsstufe 2 wird annähernd flächenpro- kommen von Schwarzerdeböden (WEBER schlaggebend. Der Humusgehalt hatte dage- portional genutzt (Index I um 1, Tab. 1, 2). 1960). Im Gegensatz dazu konnten gen keinen nachweisbaren Einfluß auf die Diese Präferenzen und Meidungen sind bei VOHRALÍK u. ANDERA (1976) in der Tsche- Verteilung der Hamsterbaue (LENDERS den Winterbauen deutlicher ausgeprägt als choslowakei beim Vergleich großflächiger 1985). Auf unseren Untersuchungsflächen bei den Sommerbauen, da der Index der Verbreitungskarten mit den dazugehörenden befanden sich jedoch die Standorte der Ham- Winterbaue mit I = 1,76 eine größere Prä- Bodentypen keinen Zusammenhang zwi- sterbaue bevorzugt auf der besten Zustands- ferenz von L1Lö als der der Sommerbaue schen Bauverteilung und Bodentyp feststel- stufe der Reichsbodenschätzung und damit (I = 1,4) angibt und die Meidung von L3Lö len, obwohl GRULICH (1975) dort eine be- auf Böden mit einem mächtigeren und hu- mit I = 0,28 bei den Winterbauen deutlicher vorzugte Besiedlung der Schwarzerden sowie mushaltigeren Ah-Horizont. Hingegen wur- als mit 0,4 und 0,5 bei den Sommerbauen ist Gleyböden fand. In den Niederlanden fand den schlechtere Zustandsstufen gemieden. (Tab. 1, 2) . LENDERS (1985) auch keinen Zusammen- Schwarzerden haben einen Ap/Ah-Horizont hang zwischen der Siedlungswahl des Ham- von mindestens 40 cm Mächtigkeit und bie- 1.3 Diskussion sters und dem Bodentyp, wohl aber der Bo- ten dadurch den besten Schutz vor dem Ein- Verwitterungsböden und skelettreiche Ver- denart. dringen von Bodenfrost in tiefere Bodenbe- witterungsböden sind ungeeignet für die An- Nach LENDERS (1985) erfolgt die Auswahl reiche. Die tieferen Winterbaue mit den lage von Erdbauen. Das Vorkommen einzel- des Bodens zur Bauanlage nach der Beschaf- großen Vorratskammern müssen einen guten ner Hamsterbaue auf diesen Böden läßt sich fenheit der obersten Bodenschicht, dem A- Schutz vor der kalten Witterung bieten. An- möglicherweise auf kleinräumige Inhomoge- Horizont. Bevorzugt werden in den Nieder- dererseits sollten sie eine ausreichende Luft- zirkulation sowie minimale Luftfeuchtigkeit gewährleisten, da sonst die Vorräte ver- schimmeln würden. Auch hier wirken sich mächtige Humushorizonte positiv aus und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer erfolg- reichen Überwinterung. Die deutlichere Abhängigkeit der Standorte der Winterbaue von der Bodenschätzung ist mit den größeren Ansprüchen an die tief an- gelegten, lange genutzten Baue zu erklären. Im Sommer sind die Ansprüche infolge der klimatisch günstigeren Jahreszeit wesentlich geringer, dadurch können zeitweilig auch ungünstigere Böden genutzt werden. Ein großer Teil der Sommerbaue sind auch Ne- ben- oder Schutzbaue zusätzlich zum Haupt- bau (KARASEVA u. SHILJAEVA 1965, GÓRECKI 1977). 2. Untersuchungen im früheren Bezirk Potsdam des Landes Brandenburg Die früher großflächig zusammenhängende Verbreitung des Feldhamsters in Mitteleuro- pa war v. a. auf die Lößgebiete beschränkt, da tiefgründige Löß- und Lehmböden zur Anlage der Baue notwendig sind (PETZSCH 1950). Der Feldhamster kann aber auch auf schlechteren Böden wie den pleistozän ge- prägten Diluvialböden Brandenburgs vor- kommen (FEILER 1989; DOLCH 1992, 1995). Auf diesen für den Hamster ungünsti- geren Böden kann die Bodenabhängigkeit der Hamstervorkommen besonders gut un- tersucht werden. Der Rückgang des Hamsters in Brandenburg ist besonders für den ehemaligen Bezirk Pots- dam gut dokumentiert (FEILER 1989; Abb. 1 DOLCH 1992, 1995). Verbreitungskarte des Feldhamsters im ehemaligen Bezirk Potsdam DOLCH 1992, 1995, ergänzt nach Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es noch DOLCH mdl. 1996 gebietsweise Massenvorkommen in den 20 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Flächen liegen, vor Ort D4-Flächen zugeord- net werden müssen. Böden der Standortein- heit D5 kommen vor allem bei Nauen und im Fläming vor. Genau in diesen Gebieten be- fanden sich die letzten gehäuften Nachweise bzw. die Nachweise aus der jüngsten Zeit nach 1990.

2.3 Diskussion Obwohl es sich bei diesem Vergleich nur um eine relativ grobe Bodenkarte auf Gemeinde- basis handelt, läßt sich eine sehr gute Über- einstimmung der Hamstervorkommen mit den besseren Böden feststellen. Die jüngsten Hamsternachweise decken sich mit Gebieten, in denen großflächiger bessere Böden vor- kommen, also gehäuftem Auftreten von D5- Flächen. Demzufolge bilden bessere Böden mit Tongehalten zwischen 20 % (lehmiger Sand SL) und 40 % (Lehm L) das Rückzugs- und Überlebensgebiet des Hamsters (s. a. LENDERS 1985). Aufgrund der Bodenbe- schaffenheit wird die Verbreitung des Feld- hamsters im früheren Bezirk Potsdam kaum flächendeckend, sondern diskontinuierlich und nur selten geschlossen gewesen sein.

3. Praktische Anwendun- gen für den Hamsterschutz

Aus diesen Ergebnissen läßt sich für den Feld- hamsterschutz folgendes ableiten: 1. Die besten Böden stellen Rückzugsgebie- te für den Feldhamster dar, der besonders in Ostdeutschland einen großflächigen Arealverlust und einen extremen Dich- terückgang zu verzeichnen hat. 2. Eine gezielte Suche nach Hamstervor- kommen ist möglich. Sie sollte anhand Abb. 2 von Bodenkarten erst kleinmaßstäbig zur Ausschnitt der Karte der natürlichen Standorteinheiten der DDR aus ROUBITSCHEK 1969 Eingrenzung eines groben Untersu- chungsgebietes (z. B. Landesbodenkar- ten) und dann großmaßstäbig zur genau- Kreisen Neuruppin/Kyritz und Gransee ner Karte der 24 natürlichen Standorteinhei- en Eingrenzung der zu betrachtenden (DOLCH 1992, 1995 ), diese Kreise (Neurup- ten der DDR (ROUBITSCHEK 1969) vergli- Flächen (Bodenschätzungen auf Meß- pin, Kyritz) galten zusammen mit den Kreisen chen. Diese wurden anhand der Bodengene- tischblattbasis) erfolgen. Nauen und Wittstock auch noch in den 60er se und dem Ausgangsmaterial der Bodenbil- 3. Schutzmaßnahmen sollten auf die besse- Jahren als Befallsgebiete, in denen zur Scha- dung in vier Gruppen zusammengefaßt. Jede ren Böden (Bodenart lehmiger Sand bis densabwendung eine gezielte Bekämpfung Gruppe wurde in sechs Stufen (1 bis 6) un- Lehm) mit Feldhamstervorkommen be- erfolgte (MASURAT u. STEPHANS 1960, terteilt, wobei die Stufe 6 die jeweils acker- schränkt werden. Bei kleinräumig großen 1963, 1964, 1965, MASURAT et al. 1966, baulich günstigste ist. In Brandenburg kom- Bodenunterschieden sollten nur die aller- 1967). men nur Diluvialböden (D) vor. Diese wurden besten Böden in Maßnahmen zum Ham- Die Nachweise aus jüngerer Zeit verteilen nach zunehmenden Tongehalten und stei- sterschutz (z. B. Ausgleichszahlungen für sich auf vier Schwerpunktgebiete (DOLCH genden Ackerwertzahlen geordnet. hamsterschonende Bewirtschaftung in 1992, 1995; Abb. 1): Sachsen-Anhalt) einbezogen werden. * Prignitz (Kreis Pritzwalk), früher bis in 2.2 Ergebnisse Nachbarflächen zu Hamstervorkommen den Kreis Wittstock Im früheren Bezirk Potsdam kommen Böden müssen bei relativ einheitlich guten Bö- * Kreis Brandenburg der Kategorie D1 bis D5 vor (Abb. 1), die den für Migrationen und Dismigrationen * Teltower Platte (FEILER 1989) ackerbaulich günstigste Stufe D6 fehlt. D5 in solche Programme einbezogen wer- * Nauener Platte bis 1989. enthält lehmige Sandböden und stark lehmi- den. Hinzu kommen Einzelnachweise von Ham- ge Böden, D4 reicht von lehmig über Sand bis 4. Derzeit ist eine Neubesiedlung schlechte- sterbauen südlich von Nauen (THIELE 1995 anlehmig. rer Böden nicht zu erwarten. Deshalb und mdl.) und aus dem Fläming bis zum Jahr Alle ehemaligen Hamstervorkommen befin- aufgrund der unzureichend bekannten 1993 (MEISSNER 1995, mdl. nach DOLCH den sich auf Böden mit höheren Tongehalten Habitatanforderungen des Feldhamsters 1996; mdl.). und Ackerwertzahlen, fast ausschließlich auf sollten keine Aus- und/oder Umsiedlun- D4 und D5 (Abb. 1 und 2). Da es sich um eine gen erfolgen. Wenn ein Feld ohne Ham- 2.1 Methode kleinmaßstäbige Karte auf Gemeindebasis sterbesatz ist, liegen sicherlich Gründe Eine Nachweiskarte der Hamstervorkommen handelt, ist nicht auszuschließen, daß Ham- dafür vor, z. B. eine schlechtere Boden- des früheren Bezirkes Potsdam wurde mit ei- stervorkommen, die nach der Abb. 2 auf D3- qualität. ANJA WEIDLING, MICHAEL STUBBE: FELDHAMSTERVORKOMMEN IN ABHÄNGIGKEIT VOM BODEN 21

MASURAT, G. u. STEPHANS, S. 1960: Das Auftreten ROUBITSCHEK, W. 1969: Standortkräfte in der Land- 4. Summary der wichtigsten Krankheiten und Schädlinge der land- wirtschaft der DDR. Agrargeographische Gemeindety- wirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen in pen. 1. Aufl. VEB Hermann Haack Geographisch-Kar- The distribution of burrows of the Common den Jahren 1958 und 1959 im Bereich der DDR. -Nach- tographische Anstalt Gotha/Leipzig. -103 S. hamster (Cricetus cricetus L.) in the sur- richtenbl. f. d. Dt. Pflanzenschutzdienst: 141-178, SAINT GIRONS, M.-C. 1973: Cricetus cricetus (Linna- rounding of the Hakel wood in the Land MASURAT, G. u. STEPHANS, S. 1963: Das Auftreten eus, 1758), le Hamster commun ou Hamster gris. In: der wichtigsten Krankheiten und Schädlinge der land- Les Mammifères de France et du Benelux. -Paris: 309- Sachsen-Anhalt were analysed in depend- wirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen im 313 ence of the soil type. In the former district Jahre 1962 im Bereich der Deutschen Demokratischen SCHEFFER, F. u. SCHACHTSCHABEL, P.1989: Lehr- Potsdam (Land Brandenburg) the decline of Republik. -Nachrichtenbl. f. d. Dt. Pflanzenschutz- buch der Bodenkunde. 12. neubearb. Aufl. v. dienst:185-215 SCHACHTSCHABEL, P.; BLUME, H.-P.; BRÜMMER, the hamster and its present distribution were MASURAT, G. u. STEPHANS, S. 1964: Das Auftreten G.; HARTGE, K.-H. u. SCHWERTMANN, U. Ferdinand compared with an agricultural soil map. Both der wichtigsten Krankheiten und Schädlinge der land- Enke Verlag. -Stuttgart. -419 S. investigations show that the Common ham- wirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen im STUBBE, M. 1971: Wald-, Wild- und Jagdgeschichte Jahre 1963 im Bereich der Deutschen Demokratischen des Hakel. -Arch. Forstwes. 20:115-204 ster prefer the agricultural best soils with high Republik. -Nachrichtenbl. f. d. Dt. Pflanzenschutz- VOHRALÍK, V. u. ANDERA, M. 1976: Rozˇsíˇreni kˇreˇcka portions of clay and silt. The distribution of dienst: 141-166 polního Cricetus cricetus (L.) v Ceskoslovensku. -Lynx burrows directly depends on the soil quality. MASURAT, G. u. STEPHANS, S. 1965: Das Auftreten Praha N. S. 18: 85-97 der wichtigsten Krankheiten und Schädlinge der land- WEBER, B. 1960: Der Hamster und seine Verbreitung These results were discussed with special wirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturpflanzen im im Kreis Haldensleben. -Jschr. Kreismus. Haldensleben links to hamster conservation. Jahr 1964 im Bereich der Deutschen Demokratischen 1: 57-62 Republik. -Nachrichtenbl. f. d. Dt. Pflanzenschutz- WENDT, W. 1983: Zur Bestandssituation des Feld- Literatur dienst: 154-177 hamsters Cricetus cricetus L. in der DDR. -Säugetierkd. DOLCH, D. 1992: Beiträge zur Säugetierfauna des MASURAT, G.; PESCHEL, R. u. STEPHANS, S. 1966: Inf. 27: 86-90 Landes Brandenburg. Dissertation Univ. Halle-Witten- Das Auftreten der wichtigsten Krankheiten und Schäd- WENDT, W. 1989: Feldhamster Cricetus cricetus L.. In: berg. -273 S. linge der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kul- STUBBE; H. Hrsg.: Buch der Hege Bd. 1 Haarwild: 667- DOLCH, D. 1995: Beiträge zur Säugetierfauna des turpflanzen im Jahre 1965 im Bereich der Deutschen 684 Landes Brandenburg - Die Säugetiere des ehemaligen Demokratischen Republik. -Nachrichtenbl. f. d. Dt. WEIDLING, A. 1996: Zur Ökologie des Feldhamsters Bezirks Potsdam. -Naturschutz und Landschaftspflege Pflanzenschutzdienst: 121-142 Cricetus cricetus L.; 1758 im Nordharzvorland. Di- in Brandenburg. Sonderh. -96 S. MASURAT, G.; PESCHEL, R. u. STEPHANS, S. 1967: plomarbeit Univ. Halle-Wittenberg. -120 S. FEILER, M. 1989: Daten zur Verbreitung des Hamsters Das Auftreten der wichtigsten Krankheiten und Schäd- Bodenschätzungskarten 1:10 000 auf Meßtischblatt- (Cricetus cricetus L.) im Bezirk Potsdam. -Veröff. Pots- linge der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kul- grundlage (Meßtischblatt 4133, 4134, 4233, 4234). - dam Mus 30: Beitr. Tierwelt Mark XI: 127-130 turpflanzen im Jahre 1966 im Bereich der DDR. -Nach- Halle GÓRECKI, A. 1977: Energy flow through the common richtenbl. f. d. Dt. Pflanzenschutzdienst: 137-168 hamster population. -Acta theriol. 22: 25-66 PELZERS, E.; COENDERS, F. u. LENDERS, A. 1984: Eni- GRULICH, I. 1975: Zum Verbreitungsgebiet der Art ge achtergronden van de toename van hamsters (Cri- Cricetus cricetus Mamm. in der Tschechoslowakei. - cetus cricetus L.) in Zuid-Limburg 1879-1915. -Natu- Verfasser Zool. Listy 24 (3): 197-222 urh. Maandblad 73(11): 207-213 Anja Weidling LENDERS, A. 1985: Het voorkomen van de hamster PETZSCH, H. 1950: Der Hamster. Die Neue Brehm- Cricetus cricetus L., 1758 in relatie tot bodemtextuur Bücherei. 1. Aufl. Akadem. Verlagsgesellsch. Geest u. Prof. Dr. Michael Stubbe en bodemtype. -Lutra 28: 71-94 Portig K.G. Leipzig. A. Ziemsen Verlag Wittenberg Lu- Institut für Zoologie/AG Tierökologie KARASEVA, E.V. u. SHILJAEVA, L.M. 1965: Stroenie therstadt. -55 S. Martin-Luther-Universität nor obyknovennogo chomjaka v zavisimosti ot ego PIECHOCKI, R. 1979: Über den Rückgang des Auf- vozrasta i sezona goda. -Bull. Moskauer Ges. der Na- kommens an Hamsterfellen in der DDR. -Brühl 20: 11- PF Universität Domplatz 4 turforscher Abt. Biol. 70 6: 30-39 13 D–06099 Halle/Saale

KERSTIN SELUGA Vorkommen und Bestandssituation des Feldhamsters in Sachsen-Anhalt – Historischer Abriß, Situation und Schlußfolgerungen für den Artenschutz

Schlagwörter: Hamster (Cricetus cricetus), Bestandsentwicklung, Agrarlandschaft, Artenschutz, Sachsen-Anhalt

1. Einleitung und größere Exklaven aufgelöstes Verbrei- ein reiches Nahrungsangebot auf kleinstem tungsbild (WERTH 1936). Raum erzeugte. Betrachtet man das ausgedehnte Gebiet zwi- In den tiefgründigen Lößzonen Mittel- Der Feldhamster kam demzufolge auch in schen Elsaß und Jenissej, in dem Feldhamster deutschlands existiert ein größeres zusam- Sachsen-Anhalt seit Jahrhunderten verbreitet (Cricetus cricetus L.) vorkommen, so menhängendes Vorkommen außerhalb des und häufig vor. Auch hier machte sich jedoch gehören Mittel- und Westeuropa bereits zu geschlossenen Areals der Art (Abb. 1). der seit etwa 30 Jahren als Folge der zuneh- den äußersten westlichen Vorposten am Kennzeichnend für diesen Raum waren stets menden landwirtschaftlichen Intensivierung Rand des Gesamtareals, das sich hauptsäch- sehr hohe Populationsdichten. Diese Son- in ganz Europa konstatierte negative Be- lich auf die Schwarzerdezonen Osteuropas derstellung Mitteldeutschlands ist die Folge standstrend (vgl. SMIT u. VAN WIJNGAAR- und Asiens konzentriert. Aufgrund der hete- der kontinental geprägten klimatischen Be- DEN 1981) bemerkbar. Im folgenden sollen rogenen geomorphologischen und edaphi- dingungen im mitteldeutschen Trocken- kurz einige Daten zur ehemaligen Verbrei- schen Gegebenheiten in Mitteleuropa und gebiet und der ausgezeichneten Boden- tung und Häufigkeit des Feldhamsters in der starken Abhängigkeit der Hamsterbe- qualität, die einem tief grabenden Step- Sachsen-Anhalt und schließlich zur heutigen siedlung von diesen Faktoren beschränken pentier wie dem Feldhamster optimale Le- Situation im Gebiet angeführt werden. Be- sich die Vorkommen des Feldhamsters hier bensbedingungen bieten. Hinzu kam die be- züglich Recherche und Auswahl der Quellen auf die klimatisch und edaphisch günstigsten reits frühzeitig und großflächig betriebene wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erho- Regionen. Hieraus resultiert ein in kleinere Ackernutzung in den Bördelandschaften, die ben. 22 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

„viele Gegenden der Provinz Sachsen sowie Zurückgeführt wird dies auf eine eventuelle der benachbarten Staaten fast beständig un- Ausbreitung nach Norden infolge vorausge- ter der Hamsterplage zu leiden“ hätten. Al- gangener Massenvermehrungen. Es ist daher lein in der Stadtflur von Wanzleben wurden durchaus möglich, daß auch in den nördli- demnach im Frühjahr 1898 14 500 Hamster cheren Regionen verstärkt Hamsterbeobach- gefangen, um Aschersleben im Frühjahr des tungen erfolgten. Zumindest zwei altmärki- Jahres 1900 sogar 177 500 Stück. In der Glei- sche Vorkommen um Genthin und bei Je- naer Flur fing ein einziger Hamsterfänger in- richow konnten nach 1950 noch belegt wer- nerhalb eines Monats im Frühherbst 7 800 den. Angaben zur Häufigkeit des Hamsters Hamster. Da eine Dichte von 5 Hamstern pro aus dieser Zeit sind rar, nicht zuletzt durch Morgen, d. h. 20 je ha, sehr häufig gewesen den zeitweiligen Zusammenbruch des deut- sein soll, werden diese Zahlen verständlich. schen Pflanzenschutzdienstes infolge der bei- den Weltkriege. Das Flugblatt Nr. 10, zuerst 2.2 Situation von 1900 bis 1965 vom Kaiserlichen Gesundheitsamt und später Das in der umfangreichen Arbeit von WERTH von der Biologischen Reichsanstalt für Land- (1936) aufgeführte Verbreitungsbild des und Forstwirtschaft herausgegeben, wies Hamsters entspricht etwa der Situation im stets auf den immensen Schaden hin, den der Zeitraum von der Jahrhundertwende bis zum Hamster zu verursachen imstande ist, und Anfang der 30er Jahre (Abb. 3). Es beruht auf forderte nachdrücklich zur unablässigen Abb. 1 den Daten von NEHRING (1894), ergänzt um Hamsterbekämpfung auf. Jährlich kamen Die Verbreitung des Feldhamsters in aktuelle Befunde und Daten des deutschen rund 2 Mio. Hamsterfelle, die überwiegend Deutschland, nach WERTH (1936). Pflanzenschutzdienstes aus den Jahren 1905 aus Deutschland stammten, in den Handel. bis 1932. Von den Pflanzenschutzämtern wurden Sachsen-Anhalt war auch in dieser Zeit wohl 1927, 1929 bis 31, 1937 und 1939 auf sach- links der Elbe mit Ausnahme des Harzes bis sen-anhaltinischem Gebiet verstärktes Ham- auf die Höhe des nördlichen Kreises Haldens- sterauftreten und starke Schäden an den 2. Historischer Abriß leben noch durchgängig besiedelt. In der Alt- landwirtschaftlichen Kulturen vermerkt. 2.1 Situation bis zum Ende des mark und im rechtselbischen Raum sind vom Mitte der 50er Jahre stellten sich die sachsen- 19. Jahrhunderts Hauptverbreitungsgebiet abgeschnittene Ex- anhaltinischen Hamstervorkommen entspre- Bereits SULZER (1774) erwähnte für das heu- klaven-Vorkommen auf kleinräumig von den chend Abb. 4 dar. Die Darstellung beruht auf tige Gebiet Sachsen-Anhalts, daß Hamster im Bodenverhältnissen her geeigneten Standor- den Meldungen des Pflanzenschutzdienstes Herzogtum Magdeburg, daneben im „An- ten vermerkt. Über die bereits oben ange- der DDR, der die Daten zum Auftreten von haltinischen und Quedlinburgischen“ sowie führten Fundorte hinaus werden Weißenfels landwirtschaftlichen Schädlingen überwie- bei Halberstadt und Blankenburg zu finden (massenhaft) und Halle (sehr zahlreich) ge- gend auf der Basis der Kreisterritorien erfaß- seien. Nach Angaben von SCHULZE (1890) nannt. Daneben soll die Art auch in der Alt- te. Aus schwach besiedelten Kreisen erfolg- kamen Feldhamster zum Ende des vergange- mark „ziemlich verbreitet und relativ zahl- ten allerdings über Jahre hinweg keine Mel- nen Jahrhunderts in der Magdeburger Börde reich“ gewesen und rechtselbisch bei Je- dungen des Pflanzenschutzdienstes, so daß und südlich des Harzes „häufig“, um richow vorgekommen sein. Ob der gesamte nur aus der Summe der Meldungen, nicht Aschersleben „gemein“ vor. Daneben wer- altmärkische Raum tatsächlich einmal besie- aber aus den jährlich erstellten Karten Rück- den Funde für Quedlinburg und Halle und delt wurde, ist unklar. Bei WEBER (1960) fin- schlüsse zu ziehen sind. Im Vergleich zu 1936 das Nordharzvorland um Osterwieck und den sich jedoch Hinweise, daß im Kreis Hal- zeigt sich keine wesentliche Arealverschie- Hornburg angeführt. Mit Sicherheit waren densleben zwischen 1915 und 1930 in meh- bung. Der nördliche Kreis Haldensleben ist dies jedoch nicht die einzigen Vorkommen reren Perioden Hamster auch weit nördlich nicht mehr besiedelt, jedoch kommt es 1955 auf dem heutigen Territorium des Landes der Lößgrenze auf Sandböden vorkamen. bis 60 noch einmal zu Ausbreitungsvor- Sachsen-Anhalt, denn schon NEHRING (1894) kommt nach seinen umfangreichen Recherchen zu dem Schluß, man könne „den ganzen mittleren und südlichen Theil der Provinz Sachsen, sowie auch den grösseren Theil des Her- zogtums Anhalt als ein bevorzugtes Wohngebiet des Hamsters bezeichnen“. Während ihm in der Altmark selbst keine Funde bekannt waren, wurde die Art von etwa Neuhaldensleben an südlich häufig gefunden, ebenso in der Mag- deburger Börde, um Magdeburg, Oschersle- ben, Halberstadt und Aschersleben. Auch zwischen Thüringer Wald und Harz sowie um Zeitz waren Hamster weit verbreitet. Insge- samt ergibt sich damit eine nahezu vollstän- dige Besiedlung des linkselbischen Teiles von Sachsen-Anhalt, mit Ausnahme der Harz- hochfläche und der Sandgebiete der Altmark (Abb. 2). Dieses Verbreitungsbild dürfte der aufgrund geologischer und edaphischer Be- dingungen im Gebiet potentiell möglichen Besiedlung recht nahekommen. Häufig war das Vorkommen von Feldham- stern mit hohen Populationsdichten gekop- Abb. 2 Abb. 3 pelt. Im Flugblatt der Landwirtschaftskam- Die Verbreitung des Feldhamsters in Sachsen- Die Verbreitung des Feldhamsters in Sachsen- mer für die Provinz Sachsen findet sich um Anhalt zum Ende des 19. Jahrhunderts, nach Anhalt zwischen 1905 und 1936, nach WERTH die Jahrhundertwende die Anmerkung, daß NEHRING (1894). (1936). KERSTIN SELUGA: VORKOMMEN UND BESTANDSSITUATION DES FELDHAMSTERS IN SACHSEN-ANHALT 23

(Abb. 4). Das Auftreten der höchsten Dichten ist nahezu identisch mit dem Vorhandensein von Schwarzerdeböden im Gebiet. Vor allem in den Jahren 1951 bis 54, 1956 bis 58 und 1964/66 schnellte die Anzahl abge- lieferter Hamsterfelle in die Höhe (Tab. 1), ebenso wurden Schäden größeren Ausmaßes gemeldet. 1952 wurden z. B. betroffene Ge- treideschläge zu 10 bis 90 %, Erbsen zu 10 bis 70 % und Ölfrüchte bis zu 100 % ge- schädigt. Der durch Hamster verursachte Ernteausfall wurde dabei allein im Kreis Oschersleben (heute Teil des Bördekreises) auf 72 000 Dezitonnen (600 000 DM) bezif- fert. Auch MÜLLER (1960) schildert ein- drücklich die großen Schäden an landwirt- schaftlichen Kulturen, die durch Hamster ver- ursacht wurden. Aus den Kreisen Dessau, Wittenberg, Roßlau und Gräfenhainichen ka- men in den 50er Jahren noch in geringer An- zahl Hamsterfelle zur Ablieferung, danach Abb. 4 nicht mehr. Die Verbreitung des Feldhamsters in Sachsen- Fang- und Fellstatistiken sind, wenn die Um- Anhalt zwischen 1950 und 1960, nach MÜLLER stände ihrer Entstehung und zeitgeschichtli- Abb. 5 (1960), ergänzt. In der doppelt schraffierten Zone che Ereignisse (wie z. B. mehrfacher Wechsel Die Verbreitung des Feldhamsters in Sachsen- war starkes Hamsterauftreten zu verzeichnen. der Organisation des Hamsterfanges, der Anhalt um 1979, nach WENDT (1984), verändert. Fangprämierung und der Erfassungsmoda- litäten, Möglichkeit der Abgabe der Felle im stößen in nördliche und westliche Richtung Nachbarkreis, z. T. Fellschmuggel großen che Umfrage bei den Kreisnaturschutzbeauf- (WEBER 1960). Die Lage der Nachweispunk- Ausmaßes) nicht genauer bekannt sind, in ih- tragten durch WENDT (1984). Die hieraus te im rechtselbischen Raum erscheint nicht rer Aussagekraft stark fehlerbehaftet und abgeleitete Verbreitung um 1979 bezieht identisch zu früheren Autoren. Da keinerlei können falsch interpretiert werden (vgl. WE- sich wieder auf Kreisgebiete als Grundlage Ortsangaben vorliegen, war eine Nachprü- BER 1982). Ab 1952 wurde wegen des stän- (Abb. 5). Deutlich ist der Rückgang von fung bisher nicht möglich. Im altmärkischen digen Mangels an Hamsterfallen bereits die Nachweisen aus der Altmark, nur zwei Nach- Raum sind unter der durch das Kreisraster chemische Bekämpfung mit Schwefelkohlen- weise im Kreis Genthin sind verbürgt. Bis auf verzerrten Darstellung die gleichen Exklaven stoff angewandt, was sich indirekt (in einer ein Vorkommen westlich von Zerbst fehlen zu vermuten, die bereits in früheren Zeitab- Abnahme der Fangzahlen) ebenfalls in der auch Nachweise aus dem rechtselbischen schnitten besiedelt waren. Fangstatistik niederschlägt. Aufgrund ihrer Raum. Begleitend zu drastischen Schrump- Ständig oder zeitweise starkes Hamsterauf- eingeschränkten Aussagekraft sollen die an- fungen des mitteldeutschen Hamsterareals treten war in den 50er Jahren auf mehr als geführten Zahlen zum Fellaufkauf daher nur im sächsischen Raum deutet sich somit auch zwei Dritteln der Fläche in den heutigen beispielhaft für das Ausmaß der direkten an- ein Rückzug der Art von isolierten und weni- Grenzen Sachsen-Anhalts zu verzeichnen thropogenen Eingriffe in die Hamsterpopula- ger geeigneten Standorten in Sachsen-An- tion stehen, die jahrzehntelang stattgefun- halt an. Die Kerngebiete des mitteldeutschen den haben. Ebenfalls zu beachten ist, daß Vorkommens, das Harzvorland und die diese hohe jährliche „Abschöpfung“ weitge- Magdeburger Börde sind jedoch noch dicht Tabelle 1: Anzahl aufgekaufter hend kompensiert werden konnte, solange besiedelt (vgl. WENDT 1984). Bei Dichtebe- Hamsterfelle in keine einschneidenden Veränderungen im stimmungen durch den Pflanzenschutz- Sachsen-Anhalt1) Lebensraum selbst stattgefunden hatten. Be- dienst wurden hier von 1980 bis 1983 im Jahr aufgekaufte Hamsterfelle reits PETZSCH (1950) vertrat die Ansicht, den Frühjahr bis zu 25 und im Herbst bis zu 80 1950 500 000 intensiven Methoden der modernen Land- Baue je ha ermittelt, eine Dichte von 10 Bau- 1951 1 335 000 wirtschaft sei der Hamster nicht mehr ge- en je ha kam nicht selten vor. In den jährli- 1952 2 484 634 wachsen. Zwar traten bei starkem Befall noch chen Berichten über das Auftreten der wich- 1953 2 218 199 Mitte der 60er Jahre häufig Dichten von 30 tigsten Krankheiten und Schädlinge der Kul- 1954 1 328 263 bis 50 Bauen je ha auf, die Fangzahlen in turpflanzen im Nachrichtenblatt des Deut- 1955 908 227 Sachsen-Anhalt bewegten sich allerdings nur schen Pflanzenschutzdienstes für das Gebiet 1956 1 249 353 noch um die Millionengrenze (HUBERT der DDR ist der Feldhamster jedoch letztma- 1957 1 948 792 1968). In Relation zum hohen Organisations- lig bereits im Jahr 1972 erwähnt. 1974 wur- 1958 1 806 812 1959 964 889 grad des Hamsterfanges ist dies bereits deut- de die Art aus der Liste der gefährlichen 1960 464 768 lich weniger als die oben angeführten 2 Mio., Pflanzenschädlinge gestrichen. 1961 268 168 wenn berücksichtigt wird, daß die ehemali- Eine starke Abnahme der Populationsdichte 1962 720 477 gen Bezirke Halle und Magdeburg, aus de- hatte sich in den Kreisen Sangerhausen, 1963 760 639 nen mit geringen Gebietsumlagerungen das Zeitz, Weißenfels, Merseburg und im Saal- 1964 1 085 670 jetzige Land Sachsen-Anhalt hervorging, kreis (JENTZSCH 1988, UNRUH 1987, 1965 796 889 mehr als 90 % des Hamsterfellaufkommens WENDT 1984) vollzogen. Lokal betraf eine 1966 1 277 332 der DDR stellten und diese die wirtschaftlich ähnliche Entwicklung auch Gemarkungen in- bedeutendsten Hamstervorkommen inner- nerhalb der Dichtezentren. Während hier der 1) Originaldaten veröffentlicht bei MÜLLER (1960), HUBERT (1968) und im Nachrich- halb Deutschlands besaß. Hamsterfang innerhalb weniger Jahre völlig tenblatt für den Deutschen Pflanzenschutz- zum Erliegen kam, da er nicht mehr lohnte, dienst, andere Quellen nennen für 2.3 Situation um 1980 wurde er vielerorts noch bis 1990 (Inkrafttre- 1950–53 z.T. abweichende Zahlen Zu Beginn der 80er Jahre erfolgte eine Erhe- ten der Bundesartenschutzverordnung im bung des Hamstervorkommens als schriftli- Beitrittsgebiet) weitergeführt. 24 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

3. Gegenwärtige Situation dern auch in Sachsen-Anhalt (Kat. 3, gefähr- Das Ziel der umfassenden Hamsterbekämp- det) auf der Roten Liste geführt (NOWAK et fung der DDR war zudem eine Bestandsre- Die in Abb. 6 enthaltenen Feldhamster- al. 1995, HEIDECKE u. STUBBE 1992). duktion, die Fraßschäden und Ernteverluste Nachweise im Meßtischblatt-Quadranten- möglichst minimierte, und nicht die Ausrot- Raster entstammen einer Fragebogen-Erhe- 4. Diskussion und tung des Feldhamsters. Es war gar nicht vor- bung des Zoologischen Institutes der Martin- stellbar, diese anpassungsfähige und ver- Luther-Universität Halle bzw. wurden durch Schlußfolgerungen für mehrungsfreudige Art jemals an den Rand Befragungen, Kartierungen und Literaturaus- den Artenschutz der Ausrottung bringen zu können. Und wertung erhalten. Nachweise vor 1985 bzw. schließlich verlief der Rückgangsprozeß zeit- aus der Literatur wurden nur aufgenommen, Der Feldhamster ist eines der wenigen heimi- lich und räumlich stark versetzt, so daß die wenn eine Zuordnung nach Meßtischblatt- schen Säugetiere, die nach der vom Men- staatlichen Stellen der DDR erst durch das Quadranten möglich war. schen geschaffenen strukturreichen Kultur- ständig abnehmende Fellaufkommen ab den Die jüngsten Funde konzentrieren sich in den landschaft vergangener Jahrhunderte auch 70er Jahren aufmerksam wurden. ehemaligen Dichtezentren im nördlichen und die intensiv genutzten Ökosysteme der mo- Die primäre Ursache dieser Entwicklung wird nordöstlichen Harzvorland und in der Mag- dernen Agrarlandschaft besiedeln konnten. in den Veränderungen der landwirtschaftli- deburger Börde. Daneben liegen jedoch auch Bis vor etwa 30 Jahren schien die Art auf- chen Produktionsweise gesehen, wobei die südlich des Harzes und um Naumburg, d. h. grund ihres hohen Fortpflanzungspotentials starke anthropogene Dezimierung beschleu- im Übergangsbereich zum ebenfalls noch und des breiten nutzbaren Nahrungsspek- nigend gewirkt haben könnte. Der nochma- weiträumig besiedelten Thüringer Becken trums mit den aus der zunehmend mechani- lige Bestandsabfall in Harzvorland und Mag- (vgl. ZIMMERMANN 1995), zahlreiche Fun- sierten und chemisierten Bewirtschaftung re- deburger Börde nach dem Auslaufen der de vor. Der Norden und Osten Sachsen-An- sultierenden Veränderungen des Lebensrau- Bekämpfungsmaßnahmen im Jahr 1990 un- halts blieben bisher ohne jeden aktuellen mes noch Schritt halten zu können. Der ste- terstreicht jedoch nachdrücklich, daß die Nachweis. Nur eine Beobachtung gelang D. tige Rückgang der Art hatte jedoch bereits Grenzen der Kompensationsfähigkeit des HEIDECKE im Jahr 1991 bei Jerichow. Aus begonnen (PIECHOCKI 1979). Daß dies erst Feldhamsters inzwischen überschritten sind. dem mittleren und südlichen Sachsen-Anhalt spät erkannt wurde, liegt zum einen darin be- Die Auswirkungen der gegenwärtig betriebe- gibt es zwar neuere Nachweise, daneben je- gründet, daß die Populationsdichte des Feld- nen Landwirtschaft auf die sensiblen Peri- doch nur sehr lange zurückliegende Funde. hamsters durchaus starke jährliche und oden im Jahreszyklus des Feldhamsters sind Dies sind zum größten Teil Regionen, in de- mehrjährige Schwankungen aufweisen kann. an anderer Stelle ausführlich diskutiert wor- nen schon Anfang der 80er Jahre eine Ab- nahme der Populationsdichte konstatiert wurde. Der Trend zur Auflösung ehemals zu- sammenhängender Vorkommen scheint sich demnach in den vergangenen 15 Jahren fort- gesetzt zu haben. Die Feststellung von Hamstervorkommen wird natürlich umso schwieriger, je zerstreu- ter die Art vorkommt und je geringer ihre Siedlungsdichte ist. Auch Landwirte wissen heutzutage oft nicht, daß auf ihren Feldern noch Hamster leben. Bei andauernder Suche sind daher sicher noch weitere Meldungen zu erwarten. Da eine ähnlich negative Entwick- lung der Hamsterbestände jedoch auch in an- deren Regionen Deutschlands stattgefunden hat (vgl. u. a. DOLCH 1995, POTT-DÖRFER u. HECKENROTH 1994, VOITH 1990, ZIM- MERMANN 1995), ist nicht anzunehmen, daß sich die dargestellte Situation damit we- sentlich verändert. Zur gegenwärtigen Siedlungsdichte lassen sich für das Nordharzvorland und die Börde als gegenwärtige Siedlungsschwerpunkte ungefähre Angaben machen. Von 1985 bis 1991 wurden bei analogen Zählungen des Pflanzenschutzdienstes nur noch maximal 9 (Frühjahr) bzw. 16 (Herbst) Baue gefunden. Das Auftreten des Hamsters konnte allge- mein nur noch als schwach eingestuft wer- den, lediglich einzelne Flächen ragten mit stärkerer Besiedlung heraus. Zwischen 1993 und 1996 wurden bei eigenen Kartierungen fast ausschließlich Dichten von weit unter 1 bis etwa 2 Baue je ha gefunden. Flächen bis zu 30 ha waren ohne einen einzigen Ham- sterbau. Selbst der einmalig ermittelte Maxi- malwert von 8 Bauen je ha entspricht nur etwa einem Fünftel der Dichte, die 1980 bis 1983 in der Region auf dichtbesiedelten Schlägen auftrat. Der Feldhamster wird inzwischen nicht nur Abb. 6 bundesweit (Kat. 2, stark gefährdet), son- Gegenwärtig vorliegende Nachweise des Feldhamsters in Sachsen-Anhalt. KERSTIN SELUGA: VORKOMMEN UND BESTANDSSITUATION DES FELDHAMSTERS IN SACHSEN-ANHALT 25

den: unzureichender Vorratseintrag im Spät- Den relativ hohen Zuwendungen von minde- NOWAK, E.; HEIDECKE , D.; BLAB, J. 1994: Rote Liste und Artenverzeichnis der in Deutschland vorkommen- sommer durch schnellen Ernteverlauf und so- stens 800 DM je ha stehen jedoch noch man- den Säugetiere (Mammalia). In: NOWAK, E.; BLAB, J; fortige Stoppelberäumung; Auspflügen der gelnde Akzeptanz der Landwirte und perso- BLESS, R. (eds.): Rote Liste der gefährdeten Wirbeltie- Jungtiere bei zu großer Pflugtiefe; Verände- nelle Probleme bei der Durchführung von re in Deutschland. -Schr.-R. f. Landschaftspflege u. Na- rung der Fruchtfolgen und des Anbauspek- Kontrollmaßnahmen gegenüber. Gegenwär- tursch. 2: 27-58 PETZSCH, H. 1950: Der Hamster. -Neue Brehm- trums, wodurch sich die Verfügbarkeit von tig ist dies die einzige greifbare Möglichkeit, Bücherei. Ziemsen Verlag. -Wittenberg Lutherstadt. Nahrung und einer schützenden Vegetati- etwas für den Feldhamster zu tun. Ob es -56 S. onsdecke im Jahresverlauf extrem ver- sinnvoll ist und zur Erhaltung der Art aus- PIECHOCKI, R. 1979: Über den Rückgang des Auf- kommens an Hamsterfellen in der DDR. -Der Brühl schlechtert hat; Schlaggrößen, die den Akti- reicht, mit hohem Finanzaufwand inmitten (Leipzig) (4): 11-13 onsradius der Tiere weit übersteigen (vgl. einer suboptimalen Umwelt lebensfreundli- POTT-DÖRFER, B.; HECKENROTH, H. 1994: Zur Si- PIECHOCKI 1979, SELUGA 1996, WEID- chere Inseln zu schaffen, ist allerdings frag- tuation des Feldhamsters in Niedersachsen. -Natursch. Landschaftspfl. Niedersachs. 32: 5-23 LING 1996, WENDT 1984, 1991). lich. Auf lange Sicht müssen andere Wege SCHULZE, E. 1890: Verzeichniss der Säugethiere von Für den Schutz des Feldhamsters, eines der beschritten werden. Das Umdenken zu einer Sachsen, Anhalt, Braunschweig, Hannover und Thürin- charakteristischsten Tiere der mitteleuropäi- generellen Extensivierung in der Landwirt- gen. -Z. Naturwiss. 63: 7-112 SCHWARTZ, M. 1920: Der Hamster. -Flugblatt Nr. 10 schen Agrarlandschaft, ergibt sich somit ein schaft hat erst begonnen, aber nur so kann der Biol. Reichsanstalt für Land- und Forstwirtsch.: 1-4 grundlegendes Problem: die zur Produktionslandschaft herabgewür- SELUGA, K. 1996: Untersuchungen zu Bestandssitua- Die Art kommt in Mitteleuropa fast aus- digte Feldflur wieder zu einem Lebensraum tion und Ökologie des Feldhamsters, Cricetus cricetus L. 1758, in den östlichen Bundesländern Deutschlands. schließlich auf intensiv genutzten Agrar- werden – nicht nur für Feldhamster. -Dipl.-Arbeit Univ. Halle flächen vor, gerade diese sind aber bislang SMIT, C. J.; VAN WIJNGAARDEN, A. 1981: Threate- Stiefkinder im Naturschutz. Zum einen gelten 5. Summary ned Mammals in Europe. Akad. Verlagsges. -Wiesba- diese Flächen nicht als wertvoll, da sie ökolo- den. SULZER, F. G. 1774: Versuch einer Naturgeschichte gisch stark verarmt und ständigen chemi- This paper presents a survey about the des Hamsters. - neu hsg. v. H. Petzsch. Verlag Natur- schen und mechanischen Eingriffen ausge- heavy decline of area and abundance of the kunde. -Hannover, Berlin-Zehlendorf (1949). -197 S., setzt sind. Andererseits sind die Möglichkei- common hamster (Cricetus cricetus) inside 15 Tafeln UNRUH, M. 1987: Beitrag zur Säugetierfauna des Krei- ten der Einflußnahme zu Zwecken des Natur- the territory of saxony-anhalt. Data from li- ses Zeitz. Eine faunistische und populationsökologische schutzes stark eingeschränkt, da nach § 1 (3) terature and archives, but also new field data Studie. -Dipl.-Arbeit Univ. Halle Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die and up-to-date-records from the common VOITH, J. 1990: Bestandserfassung des Feldhamsters (Cricetus cricetus L.) in Bayern. -Bayrisches Landesamt ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft hamster are shown. Reasons of endanger für Umweltschutz. -28 S. den Zielen des Naturschutzes dient. Sie stellt and possibilities of conservation for the spe- WEBER, B. 1960: Der Hamster und seine Verbreitung somit nach § 8 (7) folgerichtig auch keinen cies are discussed. im Kreis Haldensleben. -Jschr. Krs.mus. Haldensleben 1: 57-62 Eingriff in Natur und Landschaft dar und wird WEBER, W. 1982: Zur Reproduktion und Populations- Literatur von den Schutzvorschriften für besonders dynamik des Hamsters, Cricetus cricetus LINNE, 1758. ANONYMUS 19XX: Auf welche Weise soll der Ham- -Dipl.-Arbeit Univ. Halle geschützte Arten (§ 20f) entbunden. Ob- sterplage gesteuert werden? -Flugblatt der Landwirt- WEIDLING, A. 1996: Zur Ökologie des Feldhamsters schaftskammer für die Provinz Sachsen: 1-15 wohl die besonders geschützte Art Feldham- Cricetus cricetus L., 1758 im Nordharzvorland. -Dipl.- DOLCH, D. 1995: Beiträge zur Säugetierfauna des ster eigentlich nur vor ihrem „Hauptfeind“, Arbeit Univ. Halle Landes Brandenburg - Die Säugetiere des ehemaligen WENDT, W. 1984: Chronobiologische und ökologi- der ordnungsgemäßen Landwirtschaft ge- Bezirks Potsdam. -Natursch. u. Landschaftspflege i. sche Studien zur Biologie des Feldhamsters (Cricetus schützt werden müßte, ist dies praktisch in Brandenburg 3 (Sonderh.): 37 cricetus L.) unter Berücksichtigung volkswirtschaftli- HEIDECKE, D.; STUBBE, M. 1992: Rote Liste der Säu- Deutschland kaum möglich. Auf zugedach- cher Belange. -Diss. Univ. Halle getiere des Landes Sachsen-Anhalt. -Berichte des Lan- WENDT, W. 1991: Der Winterschlaf des Feldhamsters ten Rückzugsflächen, z. B. Stillegungs- desamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1: 9-12 Cricetus cricetus (L., 1758) - energetische Grundlagen flächen, läßt sich die Art nicht erhalten, da HUBERT, K. 1968: Erfahrungen mit der Hamster- und Auswirkungen auf die Populationsdynamik. -Po- bekämpfung in den Bezirken Halle und Magdeburg. - Getreideäcker und Feldfutterschläge stets pulationsökologie von Kleinsäugerarten. -Wiss. Beitr. Hercynia N. F. 5(2): 181-192 Univ. Halle 1990/34 (P 42): 67-78 bevorzugt besiedelt werden. Dazu kommt, JACOBI, A. 1901: Die Bekämpfung der Hamsterplage. WERTH, E. 1936: Der gegenwärtige Stand der Ham- daß die Mobilität der Tiere relativ groß ist und -Flugblatt Nr. 10 der Biol. Abt. für Land- und Forst- sterfrage in Deutschland. -Arbeiten aus der Biol. wirtschaft im Kaiserlichen Gesundheitsamt:1-4 die Population nicht zu klein sein darf, da eine Reichsanstalt f. Land- u. Forstwirtsch. 21: 201-253 JENTZSCH, M. 1988: Zur Säugetier-Fauna des Kreises hohe natürliche Mortalität zu verzeichnen ist. ZIMMERMANN, W. 1995: Der Feldhamster (Cricetus Sangerhausen. -Beitr. z. Heimatforschung 9: 31-32 cricetus) in Thüringen - Bestandsentwicklung und ge- Gegenwärtig sind eigentlich nur zwei Wege LANDESPFLANZENSCHUTZAMT Sachsen-Anhalt: Ar- genwärtige Situation. -Landschaftspfl. Natursch. Thür. chivmaterialien denkbar, um dem Feldhamster eine Chance 32: 95-100 zum Überleben zu geben. Zum einen sind das MÜLLER, K. R. 1960: Der Hamster und seine Bekämp- fung. Biol. Zentralanstalt der Akademie d. Landwirt- Ausgleichszahlungen für eine angepaßte, schaftswiss. Berlin. -Flugblatt Nr. 30: 1-27 hamsterfreundliche Bewirtschaftung einzel- NACHRICHTENBLATT f. den Deutschen Pflanzen- Verfasserin ner Flächen (z. B. spätere Stoppelberäumung, schutzdienst. Jg. 1921-39, 1946-90 Kerstin Seluga NEHRING, A. 1894: Die Verbreitung des Hamsters Verzicht auf tiefe Bodenbearbeitung). In (Cricetus vulgaris) in Deutschland. -Archiv f. Natur- Brucknerstraße 3 Sachsen-Anhalt ist dies seit 1995 möglich. gesch. 60(1): 15-32 D-06110 Halle/Saale

Wo gibt es noch Feld- Tiefpflügen, die schnelle und verlustarmer Der Schutz der letzten Bestände setzt eine hamster in Brandenburg? Ernte mit anschließendem Stoppelumbruch, genaue Kenntnis der Verbreitung voraus. Aus der verstärkte Einsatz von Pflanzenschutz- diesem Grund ist jede Beobachtung, sei es Auf der Gesamttagung Säugetiere des LFA im mitteln und Mineraldüngung. Die Lebensbe- nun ein Sichtnachweis, ein Gewöllfund, der November 1997 vollzog Anja Weidling das dingungen für den Feldhamster in der heuti- Fund eines Baues oder Verkehrsopfers, sehr Verschwinden des Feldhamsters in Branden- gen Agrarlandschaft sind generell nur noch wichtig. Deshalb wird um Meldung aller Be- burg seit Beginn dieses Jahrhunderts bis in die als suboptimal einzuschätzen, so daß er sich obachtungen (auch älterer) an die Natur- 90er Jahre nach. Seit 1990 gibt es nur noch lediglich in den hinsichtlich Klima und Boden schutzstation Zippelsförde (Landesumwelt- vier Fundortbestätigungen, drei davon in der am besten geeignetsten Gebieten noch hal- amt Brandenburg) gebeten (16827 Alt Rup- Umgebung von Nauen (Havelland). ten kann. pin, Tel./Fax: 033933/70816). Die Ursachen für den drastischen Rückgang Zum Schutz des Feldhamsters sollten Stop- des Feldhamsters sind in der Einführung mo- pelrestflächen bleiben, besiedelbare Acker- derner landwirtschaftlicher Produktionsme- randstreifen sowie Feldgehölze oder Schutz- Aus den „Mitteilungen des Landes- thoden zu suchen. Hierzu zählen vor allem streifen erhalten und mehrjährige Futterkul- fachausschusses Säugtierkunde Berlin – der Einsatz schwerer Maschinentechnik, das turen gefördert werden. Brandenburg” (LFA) 1/1998 26 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

ULRICH WEINHOLD Zur Methodik radiotelemetrischer Untersuchungen am Feldhamster (Cricetus cricetus L. 1758) im Freiland

Schlagwörter: Radiotelemetrie, Cricetus cricetus, Vorversuche, Freilandstudie

1. Einleitung 2. Material und Methode die sich gegenseitig beeinflussen. Für das Ge- wicht als limitierenden Faktor gibt es bereits Der Feldhamster (Cricetus cricetus L. 1758) 2.1 Auswahl der Sender Grenzwertangaben (KENWARD 1987), sie ist ein typischer Vertreter unserer Kulturland- Auf dem internationalen Markt gibt es mitt- sind daher nicht in der Tabelle aufgeführt. So schaft. Als Konsument zahlreicher Vegetabi- lerweile zahlreiche Anbieter und Hersteller wird für Tiere über 50 g Körpergewicht eine lien, vor allem aber von Kulturpflanzen und von radiotelemetrischen Geräten. Sender für maximale Zuladung von 4 bis 6% empfoh- aufgrund seines hohen Reproduktionspoten- Kleinsäuger gehören bei gut sortierten Fir- len. Dies würde bei einem 300 g schweren tials wird der Hamster auch heute noch vie- men ebenso zum Angebot wie Sender für Hamster ein Sendergewicht von bis zu 18 g lerorts als Schädling gehandelt. Vögel und Fische. Da Feldhamster bisher nur zulassen. Damit läge auch die batterieabhän- Heutzutage ist der „Schädling“ Feldhamster mit thermosensiblen Implantatsendern und gige Lebensdauer mit etwa 20 Monaten fest. jedoch bedeutungslos, und die Gründe für unter kontrollierten Bedingungen zur Studie Allgemein gilt jedoch, stets die geringst mög- die inzwischen landesweit erfaßte Abnahme des Winterschlafes telemetriert wurden liche Zuladung zu verwenden, welche eine der Bestände (WENDT 1984, VOITH 1990, (LENDERS et al. 1986, SCHMITT 1992, erfolgreiche Durchführung des Versuchs POTT-DÖRFER u. HECKENROTH 1995, WENDT 1995, WASSMER u. WOLLNIK noch erlaubt (KENWARD 1987). ZIMMERMANN 1995, SELUGA 1996, 1997), diese Art der Telemetrie sich aber für Die gewünschte Lebensdauer eines Senders WEINHOLD 1996b) sind nur zum Teil wis- das Freiland nicht empfiehlt, müssen schon orientiert sich jedoch auch an der Versuchs- senschaftlich untersucht. Obwohl viel über bei der Anschaffung der Sender und ihrer An- planung, ob z. B. Individuen über einen län- die allgemeine Biologie des Hamsters gear- bringung am Tier bestimmte Kriterien in Be- geren oder kürzeren Zeitraum untersucht beitet wurde, weiß man wenig über die tracht gezogen werden: werden sollen. Im vorliegenden Fall bestand Autökologie dieses Tieres und seine Bezie- – mögliche Beeinträchtigungen für das Tier die Absicht, Feldhamster während ihrer ge- hungen zur modernen Agrarlandschaft. So – unkomplizierte Applikation unter Frei- samten Aktivitätsperiode zu telemetrieren, so fehlen z. B. Daten zur räumlichen Organisa- landbedingungen daß Sender mit einer Lebensdauer von 6 Mo- tion, zum Migrationsverhalten, zur Ressour- – Gewicht des Senders naten bei einem Gewicht von 5 g und einer cennutzung und dem jahreszeitlichen Rhyth- – Lebensdauer der Sender. Reichweite von 500 bis 1000 m als ausrei- mus im Freiland. Im Rahmen einer mehrjähri- In der folgenden Tabelle (Tab. 1) sind die im chend angesehen wurden. gen Studie über die Ökologie des Feldham- Hinblick auf die Lebensweise und Biologie Nach Abwägung der einzelnen Applikati- sters auf intensiv genutzten landwirtschaftli- des Feldhamsters gängigsten Applikationssy- onstypen fiel die Entscheidung zugunsten chen Flächen im Ballungszentrum Mann- steme unter den oben genannten Gesichts- des für Säuger am häufigsten verwendeten heim-Heidelberg werden zu diesen und wei- punkten vergleichend aufgeführt. Gewicht Typs, den Halsbandsender (hier: Modell Fa. teren Fragen Daten erhoben. Dies stellt hohe und Lebensdauer der Sender sind Größen, Biotrack, UK). Anforderungen an die im Freiland anzuwen- dende Methodik, da der Hamster aufgrund seiner meist nocturnen Lebensweise kaum zu Diagramm 1: Backentaschenfüllung von Cricetus cric. (n=36) beobachten ist. Neben den klassischen Me- Mengen in Klassen thoden der Freilandforschung, wie Fang- Mais Wiederfang und Bautenzählungen, werden 40 35 ohne Sender seit 1994 Feldhamster erstmalig während des 30 gesamten Jahres radiotelemetriert. Im fol- 25 mit Sender genden sollen die für die Telemetrie von Feld- % 20 15 hamstern wichtigsten methodischen Kriteri- 10 en und Erfahrungen vorgestellt und für et- 5 0 waige Folgestudien, im Sinne eines Erfah- 1-5g 6-10g 11-15g 16-20g 21-25g 26-30g 31-35g 36-40g rungsberichtes, nutzbar gemacht werden.

Diagramm 2: Backentaschenfüllung von Cricetus cric. (n=36) Mengen in Klassen Weizen

40 35 ohne Sender 30 mit Sender 25 % 20 15 10 5 0 Abb. 1 1-5g 6-10g 11-15g 16-20g 21-25g 26-30g 31-35g 36-40g 41-45g Halsbandsendertypus, der für die Vorversuche und später im Freiland verwendet wurde. Abb. 2 ULRICH WEINHOLD: ZUR METHODIK RADIOTELEMETRISCHER UNTERSUCHUNGEN AM FELDHAMSTER (CRICETUS CRICETUS L. 1758) IM FREILAND 27

2.2 Halsbandverträglichkeit Um die in Tab. 1 genannten möglichen Be- Tabelle 1: Vergleichende Auflistung der gängigsten Applikationstypen einträchtigungen für das Tier zu untersuchen, für Telemetriesender unter Berücksichtigung ihrer möglichen Auswirkungen auf den Feldhamster wurden in einem Vorversuch zunächst zwei gekäfigte Feldhamster mit Sendern (Abb. 1) Applikationstyp Applikation und bisherige Potentielle Beeinträchtigungen versehen. Das Anlegen des Halsbandes ge- Verwendung für Cricetus cricetus. schah unter leichter Äthernarkose. Für einen Zeitraum von acht Wochen wurde das Ver- halten der Tiere und deren Wohlbefinden na- Implantat Peritoneal oder subcutan. Bei Sepsis nach Operation. hezu täglich überprüft. Eine Gewichtskon- verschiedenen Tiergruppen Mehrtägige Entnahme des trolle nach vier und acht Wochen gab Auf- erprobt. Tieres aus seiner natürlichen schluß über den Ernährungszustand der Umgebung zur Erfolgskontrolle der Operation. Postoperative Hamster. Parallel dazu wurden die Tiere auf Mortalität bedingt durch etwaige Entzündungen der Haut am Hals un- Abstoßungsreaktionen. tersucht. Fütterungstests mit neun Tieren sollten im Rucksack Geschirr wird über die Vorder- Eingeschränkte Bewegungs- weiteren Verlauf der Voruntersuchungen ab- extremitäten gezogen und vor freiheit, Behinderung der klären, ob das Halsband den Gebrauch der der Brust befestigt, Sender liegt Grabtätigkeit. Abschürfungen Backentaschen behindert oder sogar die dorsal. Wird für Vögel und der Haut an Achseln, Brust und Sammeltätigkeit unterbindet. Zu diesem Primaten angewandt Rücken durch Hängenbleiben an Zweck wurden Versuche mit zwei verschie- (KENWARD 1987). Wurzeln und Engstellen. Haut- denen Getreidekorngrößen (Mais und Wei- irritationen durch Verschmut- zung des Geschirres. zen) durchgeführt. Die vom Hamster jeweils eingetragene Menge (Ausgangsmenge Aufklebbarer Sender wird an vorher Hautirritationen durch Klebstoff. 60 g), unabhängig vom Füllgrad der Backen- Sender kahlrasierter Stelle dorsal, Beeinträchtigung der Thermo- taschen, wurde gemessen und die Einzelwer- cranial oder caudal aufgeklebt, regulation durch Rasur. Verlet- te anschließend in Klassen (5 g Intervalle) zu- oder direkt auf Fell/Gefieder zungen der Haut bei wühlenden sammengefaßt. Pro Tier wurden je vier Tests geklebt. Wird häufig für Vögel Formen durch Abreißen und mit und ohne Halsbandsender durchgeführt, und Fledermäuse eingesetzt. Hängenbleiben an Wurzelwerk so daß für jede Versuchsreihe bei neun Tieren Bei Säugern nur für Kurzzeit- oder Engstellen. 36 Einzelwerte zur Auswertung kamen. studien einsetzbar (KENWARD 1987).

3. Ergebnisse Halsband Befestigung am Hals, Sender Behinderung der Backentaschen. liegt ventral. Wird am Hautirritationen durch Abschür- 3.1 Halsbandverträglichkeit häufigtsen für Säuger aller fungen. Strangulation durch Wie aus Tab. 2 hervorgeht, konnten während Größen angewandt Hängenbleiben an Wurzelwerk. der acht Wochen dauernden Voruntersu- (KENWARD 1987). chungen keine durch den Halsbandsender hervorgerufenen gesundheitlichen Beein- trächtigungen der beiden Tiere festgestellt Halsbandsender trugen, nicht die maxima- Korngrößen eine untergeordnete Rolle werden. Die Feldhamster zeigten unmittelbar len Füllmengen erreichten, wie in den Tests spielt, denn sowohl mit, als auch ohne Sen- nach dem Anlegen des Senders keinerlei Ab- ohne Sender (Mais: Max. 36 g ohne Sender, der liegen weit über 50 % der Werte in ei- wehrreaktionen, wie sie z. B. bei Eichhörn- 28 g mit Sender, Weizen: Max. 42 g ohne nem Bereich von 6 bis 20 g an eingetra- chen (KENWARD 1987) beschrieben wer- Sender, 25g mit Sender). Da sich die Backen- genem Getreide pro Test. den. Dies hängt sicherlich mit der Narkose taschen bis über die Schulterblätter ausdeh- Mittelt man die vier Einzelwerte pro Ver- zusammen, welche ein für das Tier weitge- nen, wird der caudale Teil durch das Hals- suchstier und Test und prüft diese auf Signi- hend streßfreies Anbringen erlaubt. Auch in band eingeengt und steht somit als „Stau- fikanz, so ergibt sich kein signifikanter Unter- den folgenden Tagen und Wochen konnten raum“ nicht mehr zur Verfügung. Es wird je- schied zwischen den Backentaschenfüllun- bei den Kontrollen keine gegen das Halsband doch ebenfalls ersichtlich, daß die maximale gen mit und ohne Sender (p < 0,01 zweisei- gerichteten Verhaltensweisen beobachtet Ausnutzung der Backentaschen bei beiden tig, Mann-Whitney) werden. Die Nahrungsaufnahme und damit verbunden der Ernährungszustand, welcher Tabelle 2: Körpergewichte der Versuchshamster im Vorversuch anhand der Messung des Körpergewichts als Parameter für den Ernährungszustand und Notizen nachvollzogen werden kann, blieb stabil. zur Halsbandverträglichkeit

3.2 Backentaschen Datum Fh. 1 Gewicht Fh. 2 Gewicht Verträglichkeit Halsband Ein Hauptaugenmerk galt neben der generel- len Halsbandverträglichkeit den Backenta- 23.02.1994 (Besenderung) 253g 320g kein Wert schen. 23.03.1994 (Kontrolle) 253g 304g gut (ohne Befund) 21.04.1994 (Entsenderung) 333g 362g gut (ohne Befund) Es zeigte sich, daß die Hamster ihre Backen- taschen in gewohnter Manier benutzten. Je nach Motivation füllten sie diese unter- Tabelle 3: Senderfrequenz, Gewicht und Geschlechtsverteilung schiedlich stark. In manchen Fällen wurde der ersten vier Sendertiere zu Beginn der Studie im Juni 1994 auch nur eine Backentasche genutzt. Das (m = männlich, w = weiblich) gleiche Verhalten demonstrierten die Tiere auch nach der Entsenderung, so daß ein Datum/Uhrzeit Senderfrequenz (Khz) Körpergewicht (g) Geschlecht störender Einfluß des Halsbandes auf die 14.06.1994/06:20 150 341 m Sammeltätigkeit nicht offensichtlich wur- 14.06.1994/19:25 120 303 w de. 14.06.1994/20:35 80 370 m Aus den Diagrammen 1 und 2 (Abb. 2) wird 14.06.1994/21:00 60 344 w deutlich, daß die Tiere, während sie einen 28 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

4. Erprobung im Freiland

Der positive Verlauf der Vorversuche, vor al- lem in Hinblick auf die Halsbandverträglich- keit und Akzeptanz sowie die Backenta- schennutzung, lassen eine Verwendung von Halsbandsendern an Feldhamstern im Frei- land zu. Nach Abschluß der Vorversuche wurden zunächst vier Feldhamster im Frei- land gefangen und besendert. Die Tiere wurden mit Wippfallen direkt vor ihren Bauen gefangen, anschließend leicht

mit CO2 sediert, um ein streßfreies Anlegen des Senders zu ermöglichen, vermessen, ge- Abb. 3 wogen und wieder an den Bauen ausgesetzt. Verteilung der Besendert wurden nur Hamster, deren Kör- einzelnen Lokalisationen pergewicht 200 g nicht unterschritt, so daß für ein adultes sich bei einem Sendergewicht von 5 g eine Männchen maximale Zuladung von 2,5 % ergab. (fh80plot.bmp). Mit Hilfe der Sender konnten nicht nur die Aufenthaltsorte der Tiere während ihrer Akti- vitätsphasen bestimmt, sondern auch der Tabelle 4: Untersuchungszeitraum und Verbleib der vier Sendertiere Wechsel von Bauen und das individuelle im Jahr 1994 Schicksal verfolgt werden. So wurde von zwei Tieren (s. Tab. 4) nach geraumer Zeit le- Nr. Tier (entspricht der Zeitspanne in Tagen (Zeitraum) Gründe für Abbruch/ diglich der gänzlich unversehrte Sender wie- Senderfrequenz) Unterbrechung dergefunden. Da die Sender auf der unge- schützten Ackerkrume lagen und auch ein Fh 60 82 (14.06.-5.09.94) Sender gefunden Wiederfang nicht gelang, liegt der Verdacht Fh 80 82 (14.06.-5.09.94) Winterschlaf nahe, daß beide Individuen Beutegreifern Fh 100 82 (14.06.-5.09.94) Winterschlaf Fh 120 (1. Tier) 41 (14.06.-25.07.94) Sender gefunden zum Opfer fielen. Bereits gebrauchte, unversehrte Sender konnten wieder verwendet werden. Tabelle 5: Kontrollfang von zwei Sendertieren aus dem Freiland etwa acht Wochen nach der Besenderung 4.1 Peilungen Ortungen wurden von den Feldgrenzen aus Nr. Tier Datum/Uhrzeit Körpergewicht (g)/ Körpergewicht (g) Zustand Sender mittels Triangulation (AMLANER u. McDO- (entspricht Verfassung bei Besenderung NALD 1980, KENWARD 1987, WHITE u. der Sender- GARROT 1990) ermittelt und auf einer frequenz) Grundkarte mit Maßstab 1:2500 eingetra- gen. Die Peildistanz lag meist zwischen 50 bis Fh 80 11.08.1994/6:00 395 370 gut, Antenne 100 m und ermöglichte die genauesten Lo- kein halsband- geknickt. kalisationen. Bei größeren Entfernungen bedinger Befund wurde versucht, sich der Signalquelle so weit Fh 150 16.08.1994/6:15 348 341 Antenne ab- kein halsband- gebissen, Sender zu nähern, daß eine sichere Peilung vorge- bedingter Befund ausgetauscht. nommen werden konnte. Dabei dienten die Jetzt Fh 100. Feldraine zwischen den Kulturen als Pfade, so daß ein Eindringen in die Kultur selbst nicht vonnöten war. Die eigene Position im Gelän- Tabelle 6: Übersicht über den Erhebungszeitraum 94/95 von drei de wurde mit einem Pedometer bestimmt. Feldhamstern, die 1994 erstmalig besendert wurden War eine genaue Lokalisation aufgrund der Feldgröße oder Distanz zur Signalquelle nicht Nr. Tier (entspricht Erhebungszeitraum in Weiterer Verlauf Lebensdauer des möglich, konnte lediglich der Aktivitätsstatus der Senderfrequenz) Monaten (Zeitspanne) Senders in Monaten und die Feldfrucht, in welcher sich das Tier aufhielt, notiert werden. Jedes Tier wurde Fh 80 12 (14.06.94- Ende Winterschlaf 11 mindestens einmal pro Peilgang geortet. Die 16.06.95) zwischen 24.03.- Auswertung der Peilkoordinaten wurde mit 16.04.95, Wiederfang und Senderaustausch Hilfe der Programme IDRISI und Ranges V am 2.05.95, Totfund durchgeführt. am 16.06.95 Fh 100 12 (14.06.94- Ende Winterschlaf mit 10 (Signal Sender 4.2 Ende der Aktivitätsperiode (vormals 150!) 6.06.95) Neuer Bauwechsel am 100 am 6.06.95 Nach Abschluß der Erntearbeiten wurden die Sender (100) 3.03.95, danach keine erloschen) Hamster wiedergefangen, um ihre körperli- am 16.08.94! oberirdische Aktivität che Verfassung wie auch den Zustand der feststellbar, Tier ver- Sender zu kontrollieren. mutlich im Bau ver- Beide Feldhamster sowie ein weiteres am storben. Fh 120 (3. Tier) 7 (3.08.94- Ende Winterschlaf am 6 (Signal am 3.8.1994 neu gefangenes Tier beendeten, 24.03.95) 24.03.1995, danach 3.03.95 erloschen) wie aus Tab. 6 ersichtlich, Anfang September keine weiteren Daten, ihre oberirdischen Aktivitäten und überwin- Tier verschollen. terten mit Halsbandsender erfolgreich. Trotz der begrenzten Lebensdauer der Sender von ULRICH WEINHOLD: ZUR METHODIK RADIOTELEMETRISCHER UNTERSUCHUNGEN AM FELDHAMSTER (CRICETUS CRICETUS L. 1758) IM FREILAND 29

6 Monaten waren im Frühjahr 1995 noch radiotracked using collar tags. It further proo- WASSMER, Th. u. WOLLNIK, F. 1997: Timing of Tor- por Bouts during Hibernation in European Hamsters zwei von drei Sendern aktiv, so daß das wei- ves that with the aid of radio telemetry it is (Cricetus cricetus L.). -Comparative Physiology B. 167, tere Schicksal von zwei Tieren unmittelbar possible to get more detailed and long term S. 270-279. nach der Überwinterung verfolgt werden information about this mostly nocturnal ani- WEINHOLD, U. 1996 b: Die Verbreitung des Feld- hamsters (Cricetus cricetus L.) in Baden-Württ. -Z. konnte. mal which is hard to observe in the wild. Säugetierkd. Vol. 61.Sonderh.70. Jahrestag.: 69-70 WENDT, W. 1984: Chronobiologische und ökologi- 5. Summary Literatur sche Studien zur Biologie des Feldhamsters (Cricetus AMLANER, Ch. J. u. MACDONALD, D. W. 1980: A cricetus L.) unter Berücksichtigung volkswirtschaftli- cher Belange. -Diss. Fak. Naturwiss. Martin-Luther- To obtain data about spatial organisation, handbook on biotelemetry and radiotracking. - Perga- mon Press, Oxford. -804 S.. Univ. Halle-Wittenberg. -147 S. habitat use and migration of the common KENWARD, R. E. 1987: Wildlife Radio Tagging. - Aca- WENDT, W. 1995: Telemetrische Körpetemperaturm- hamster, a radio telemetric field study was demic Press, London. -222 S. essungen an wachen und winterschlafenden Feldham- stern (Cricetus cricetus L. 1758). -Säugetierkd. Inf. 4 carried out in June 1994, following trials with LENDERS, A. 1986: Temperatuurvoelige Radioteleme- trie als Onderzoekmethode bij de Hamster Cricetus (19): 33-43 captive animals. Initially 4 animals were cricetus (L. 1758). -Lutra, Vol. 29, S. 261-267 WHITE, G. C. u. GARROT, R. A. 1990: Analysis of tagged with 5 g collar tags with a signal POTT-DÖRFER, P. u. HECKENROTH, H. 1994: Zur Si- Wildlife Radio-Tracking Data, 373 S. -Academic Press. -London range of approx. 500 m. Bearings were taken tuation des Feldhamsters in Niedersachsen. - Natursch. u. Landschaftspfl. Nieders. 32: 5-23 ZIMMERMANN, W. 1995: Der Feldhamster (Cricetus with a hand held 3-element yagi antenna SULZER, F. G. 1774: Versuch einer Naturgeschichte cricetus) in Thüringen-Bestandsentwicklung und ge- within a distance of 50 – 100 m from the sig- des Hamsters. - Neu hrsg.v. Dr. H. Petzsch. Verlag Na- genwärtige Situation. -Landschaftspflege und Natur- schutz 32 (4): 95-100 nal source. The experiences made so far turkunde. -Hannover u. Berlin-Zehl. 1949. -197 S.. SCHMIDT, B. 1992: Telemetrische Erfassung von Kör- show that this method does not seem to in- pertemperatur und Gesamtaktivität beim Europäischen fluence the animals fitness in the wild. Three Feldhamster (Cricetus cricetus) unter natürlichen Um- individuals hibernated successfully, showing weltbedingungen. -Dipl. Universität Konstanz. -112 S.. Verfasser SELUGA, K. 1996: Untersuchungen zur Bestandssitua- that food gathering for winter storage is not tion und Ökologie des Feldhamsters, Cricetus cricetus Ulrich Weinhold disturbed by the collar tags, thus verifying tri- L. 1758, in den östlichen Bundesländern Deutschlands. Zoologisches Institut al results. Mortality and injuries due to the - Diplomarbeit Univ. Halle-Wittenberg, 120 S. der Universität Heidelberg VOITH J. 1990: Bestandserfassung des Feldhamsters tags were not observed. The study shows (Cricetus cricetus) in Bayern. -Bayer. Landesamt f. Um- Im Neuenheimer Feld 230 that common hamsters can be successfully weltsch. -S.. D–69120 Heidelberg

LEO BACKBIER Der Feldhamster in Niederländisch Limburg

Schlagwörter: Feldhamster, Bestandsaufnahme, Rückgang, Artenschutz, Niederländisch Limburg

Die Basis für ein Artenschutzprogramm bildet LENDERS u. PELZERS 1986, KREKELS u. doch auf 45 % der Fläche war nur ein Feld- eine umfangreiche Bestandsaufnahme. Die Gubbels 1996). hamsterbau pro km2. Verbreitung der Art und die Populationsgröße Die Verbreitung wurde meist, soweit be- Aber bei einer Kontrolle 1996 wurde nach der im Untersuchungsgebiet müssen hinreichend kannt, an Hand von Feldhamsterbauen nach Ernte in beiden Konzentrationsgebieten von genau bekannt sein. Es ist festzustellen, ob die der Ernte auf Getreideäckern und Meldun- 1994 kein einziger Feldhamsterbau gefun- Population von sich aus benachbarte Gebiete gen von Dritten ermittelt. Die Bestandserhe- den. Es ist an Hand dieser Ergebnisse festzu- erneut besiedeln kann. Darüber hinaus ist für bung 1994 fand in jenen Gebieten statt, in stellen, daß der Feldhamster in Limburg sehr ein Artenschutzprogramm unabdingbar, die denen in den letzten Jahren noch Feldham- stark bedroht ist. Daran ändert auch nicht, Ursachen, weshalb die Tierart im Verbrei- sterbaue gefunden worden waren. tungsgebiet an den Rand des Aussterbens ge- In den Niederlanden kommt der Feldhamster raten ist, zu erforschen. nur in Limburg vor. Es war ursprünglich ein Im Verbreitungsgebiet des Feldhamsters in geschlossenes Vorkommen, das etwa die Li- Südlimburg leben fast 700 Einwohner pro nie Roermound und Mönchen-Gladbach er- qm2. Mittellimburg dagegen ist wesentlich reichte (Abb. 1). dünner besiedelt. Nördlich von Roermound, z. B. in der Nähe Die Landwirtschaft ist im Vergleich zu den von Venlo, wurden vereinzelt Feldhamster- neuen Bundesländern sehr intensiv. Im Süden baue und Totfunde gemeldet (BACKBIER u. ist die Landschaft hügelig, mit einem gerin- GUBBELS). gen Waldanteil und sich abwechselnden Wiesen und Äckern. Die Böden sind humus- 2. Ursachen des armer Löß. Im nördlichen Teil des Verbrei- Rückgangs tungsgebietes ist die Landschaft leicht wellig. In den höher gelegenen Gebieten überwie- 1962 und 1994 erfolgte die Bestandserfas- gen sandhaltige Lehmböden. Hier ist der An- sung nur während der Sommermonate. 1980 teil der Äcker größer. und 1985 dagegen wurden während dieses langen Zeitraumes sämtliche Funde von Feld- 1. Bestandsaufnahme hamsterbauen registriert. Daraus erklärt sich die etwas weitere Verbreitung in dieser Zeit- In der niederländischen Provinz Limburg (Nl) spanne. Abb. 1 wurde mehrfach über Vorkommen des Feld- Bei der Bestandserhebung 1994 wurden aus- In Limburg gab es ursprünglich ein geschlossenes hamsters publiziert (HUSSON 1949, VAN nahmsweise auf einer Fläche von 2 km2 eine Vorkommen, das etwa die Linie Roermound und MOURIK 1962, PELZERS u. LENDERS 1985, Baudichte von mehr als 10 km2 gefunden, je- Mönchen-Gladbach erreichte. 30 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

daß später noch eine etwas größere Popula- tungsgebietes des Feldhamsters der Fall Rodentizide kommen, insbesondere bei tion westlich von Aachen im Grenzgebiet zu war, ist es zwecklos, dort nach der Ernte zu Hackfrüchten, am Ackerrand voll zum Ein- Deutschland aufgefunden wurde. suchen. satz. Böschungen werden im Frühjahr teil- Es stellte sich heraus, daß der Bestand dieser Gülle vertreibt übrigens nicht nur den Feld- weise sogar völlig tot gespritzt. Art nicht nur mit einem substantiellen Popu- hamster, sondern auch andere Säugetiere. Ackerränder mit Wildkräutern gibt es lationsrückgang verbunden ist, sondern auch Gefördert wird nur das Wachstum von kaum noch in den Agrargebieten. der Status als Kulturfolger gelitten hat. Kul- Gräsern und Getreide, nicht aber das der Wenn man Wintergetreidefelder im Früh- turfolger können als nicht-domestizierte Art, düngungsempfindlichen Ackerwildflora. ling untersucht, findet man dort fast keine anthropogen geschaffene Möglichkeiten · Getreideäcker werden bis zu neunmal im oder gar keine Ackerwildkräuter. zum Nahrungserwerb und zur Besiedlung Jahr mit selektiv wirkenden Herbiziden, Diese sind jedoch wichtige Äsungspflanzen besser als andere Arten nutzen. Bisher wur- Fungiziden, Wachstumsregulatoren und für eine Vielzahl hier lebender Tiere. den in Limburg Bestandsaufnahmen des Insektiziden während der Frühlingsmona- Der Verlust an dikotylen Kräutern in der Feldhamsters immer nach der Ernte auf te gespritzt. In den Niederlanden werden Ackerlandschaft hat deshalb besonders Äckern durchgeführt. Man glaubte jahrzehn- im Durchschnitt pro Jahr und Hektar 20 kg einschneidende Folgen. telang, daß die Äcker den eigentlichen Feld- aktiver Wirkstoff auf landwirtschaftlicher Der Biotop Acker ist durch Extreme ge- hamsterbiotop darstellen. Nutzfläche verbracht gegenüber 4,2 kennzeichnet. So ist er nach dem Pflügen Als wichtigste pflanzliche Ernährungsgrund- kg/J/ha in den alten Bundesländern eine Wüste und vor der Ernte des Getrei- lage wurde Getreide angenommen, sowohl Deutschlands (REIJNDERS 1991). des vielfach ein Schlaraffenland. die Samen wie auch im Frühjahr und Sommer Der direkte Beweis der Tötung oder der Im Frühjahr sind die während des Winter- die grünen Pflanzenteile. Beeinflussung des Feldhamsters durch schlafes abgemagerten Feldhamster be- Darüber hinaus wurde er als ortstreu angese- Agrochemikalien kann nur selten, meist sonders auf Futter angewiesen. Die nur hen. nicht oder nur schwer erbracht werden. mit niedriger Vegetation bestockten Felder Inzwischen werden jedoch immer häufiger Nach Ausbringung dieser Mittel sind wohl bieten den nahrungssuchenden Tieren auch andere Biotope als Fundort von Feld- aber die Folgen ohne weiteres bemerkbar. wenig Versteckmöglichkeiten. Deshalb hamstern gemeldet. Insbesondere die Anwendung solcher Mit- sind die Hamster auf die Deckung an den Man kann heute an Hand von fundiertem tel mit breiter Wirkung, wie Fungizide oder verbliebenen Acker- und Wiesenrändern, Grundlagenwissen verschiedene Ursachen Insektizide, sind ein Grund dafür, daß nach auf Böschungen und Hohlwegen ange- aufzählen, weshalb der Feldhamster bedroht der Ernte kein einziger bewohnter Feld- wiesen. ist: hamsterbau auf dem Getreideacker vor- In Limburg gibt es seit Jahren Diskussionen · In Limburg wurde von Sachverständigen handen ist. über den Wert der Böschungen, Wegrän- schon immer das Tiefpflügen als eine Be- · Bei der Auflistung der Futterpflanzen des der und Hohlwege als wichtige Sekundär- drohung des Hamsters angesehen. In den Feldhamsters (z. B. PETZSCH 1950) wer- biotope für den Feldhamster. südlich gelegenen Lößgebieten wird fast den auch Kartoffeln und Rüben erwähnt. Das jährlich wiederholte Mähen von Bö- ausschließlich bis zu 25 cm Tiefe gepflügt. Diese werden in Westeuropa ausschließlich schungen und Wegrändern ist nur für Im nördlichen Vorkommen, wo lehmige unter strikt ökonomischen Gesichtspunk- Feld- und andere Wühlmäuse günstig, für Sandböden vorherrschen, wird oft tiefer ten angebaut. Damit ist verbunden, daß die übrige Flora und Fauna jedoch eine Ka- gepflügt. eine Unmenge landwirschaftlicher Schutz- tastrophe. Die durch das regelmäßige Das bedeutet das jähe Ende für so man- mittel aufgebracht werden. Dadurch kön- Mähen entstehende geschlossene Gras- chen sommerlichen Feldhamsterbau. nen diese Futterquellen vom Hamster nicht wurzelschicht wird vom Feldhamster nicht In Westeuropa waren bisher keine Winter- oder nur bedingt genutzt werden. So wer- mehr besiedelt, denn er bevorzugt offenen baue des Feldhamsters gefunden worden. den z. B. auf Kartoffeln 60 bis 80 kg oder Boden, um seine Baue anzulegen. Wenn Von Limburg war nicht genau bekannt, auf Zuckerrüben 10 bis 20 kg/J/ha aktive man die Bedeutung der Acker- und Weg- wie tief Winterbaue sind. Hier sind die Schutzmittel verbracht (REIJNDERS 1991). ränder und damit die ökologische Infra- Winter weniger kalt als im Osten (LEN- Daneben gibt es in den Ackerbaugebieten struktur der Feldflur unterschätzt, über- DERS u. PELZERS 1984), und deshalb bie- eine stark eingeschränkte Fruchtfolge sieht man einen wichtigen Teilbiotop des ten auch flacher liegende Baue ausrei- (GUBBELS et al. 1994b), die das Nah- Feldhamsters. Eine intakte ökologische In- chend Frostschutz. rungsangebot für den Hamster weiter ein- frastruktur sollte in landwirtschaftlich in- Neuerdings wurden mehrere Winterbaue engt. tensiv genutzten Gebieten Stabilität be- im südlichen Verbreitungsgebiet in Lim- Ob Mais ungeeignet ist für den Feldham- deuten. burg gefunden, die mehr als 1 m Tiefe er- ster, bleibt vorerst noch unklar. So wird GEORGE (1995) fand z. B. eine Reihe Ur- reichen (GUBBELS et al, 1994c). Der tiefste Mais sehr spät gesät, sehr stark mit Herbi- sachen, weshalb nach der Wende, im Jah- Bau in der Limburger Börde erreichte ziden behandelt und mehrmals mecha- re 1990 in den neuen Bundesländern Be- 3,30 m. Im nördlichen Verbreitungsgebiet nisch bearbeitet, nachdem er vorher kräf- stände bestimmter Vogelarten in den befindet sich etwa 1 m unter dem lehmi- tig mit Gülle gedüngt wurde. An den Mais- Ackergebieten stark zurückgingen. Seine gen Sandboden eine eisenhaltige Schicht pflanzen wurden bis jetzt keine Fraßschä- Befunde stimmen mit unseren Erkenntnis- (Ortstein). Deshalb können dort die Win- den von Feldhamstern beobachtet. Auch sen überein. terbaue nicht so tief angelegt werden Baue des Feldhamsters wurden in Daß der Boden der offenen Landschaft kei- (LENDERS mündl.). Maisäckern bisher nicht gefunden. Den- nen hohen Stellenwert in den Augen der Ver- · Als weitere Ursache für den Rückgang des noch ist im Herbst das Sammeln von Mais- waltung und der Politiker hat, ist nicht nur ein Feldhamsters wurde die Gülledüngung auf körnern durch Feldhamster beobachtet westeuropäisches Problem. Äckern bisher kaum oder gar nicht er- worden. Die Folge davon ist, daß in den Ballungsge- wähnt (vgl. SCHÖPFER 1974). Die Schlaggröße ist noch günstig und be- bieten Wohnsiedlungen, neue Industrie- In den Niederlanden werden fast 15 Mio trägt weniger als 8 ha (ANON. 1990). Sie gelände und Freizeitanlagen vorzugsweise Schweine und etwa 4 Mio Rinder (ANON. ist damit recht gering gegenüber denen auf nicht verseuchten Böden angelegt wer- 1990) gehalten. Seit alters her ist bekannt, der neuen Bundesländer Deutschlands. den. Das hat einen enormen Flächenver- daß man Feldhamster mit Jauche oder Gül- · Als ein weiteres Problem für den Rückgang brauch zur Folge. Dieser engt den besiedel- le vertreiben kann. Wenn im Frühjahr eine der Art muß die Bewirtschaftung des baren Raum für den Feldhamster immer wie- zentimeterdicke Schicht aus Gülle vor dem Ackerrandes gesehen werden. Heutzutage der weiter ein. Als weitere Folge steigt der Pflügen auf den Äckern liegt, wie es vor ei- wird immer über den Ackerrand hinaus ge- Grundpreis. Das wiederum führt dazu, daß nigen Jahren noch an einigen Stellen auf pflügt; außerdem wird dieser oft reichlich der verbleibende Agrarraum intensiv genutzt Feldern in Limburg innerhalb des Verbrei- mit Herbiziden und Gülle mitversorgt. werden muß. LEO BACKBIER: DER FELDHAMSTER IN NIEDERLÄNDISCH LIMBURG 31

3. Problem der reicht werden soll aber eine komplexe Lö- Literatur sung, die sichert, daß auch die übrige, meist ANONYMUS 1990: Statistisch Jaarboek 1990. Cen- Bestandsaufstockung traal Bureau voor de Statistiek, ‘s-Gravenhage sehr stark bedrohte Ackerfauna und -flora BACKBIER, L.; GUBBELS, E.; WEIDLING, A. u.WEIN- Feldhamster sind in der heutigen Agrarland- vom Artenschutz des Feldhamsters profitie- HOLD, U. 1977: Der Hamster, eine schwer bedrohte schaft zu sehr zum Wandern zwischen den ren kann. Tierart (in Vorb.) BACKBIER, L.A.M. u. GUBBELS, E.J. 1997: Säugetiere Futterquellen gezwungen – sie wurden zu Das wichtigste Kapitel des Artenschutzpro- als Prädatoren des Hamsters (Cricetus cricetus) im Nomaden in einer Kultursteppe. Die moder- gramms ist ein Ackerrandstreifenprogramm westlichen Verbreitungsgebiet. Stichting Hamster- nen landwirtschaftlichen Produktionsmetho- für Teile des Südlimburger Lößgebietes mit- werkgroep Limburg GEORGE, K. 1995: Neue Bedingungen für die Vogel- den lassen fast keine ständige Besiedlung der tels finanzieller Ausgleichsmaßnahmen für welt der Agrarlandschaft in Ostdeutschland nach der Ackerbiotope über längere Zeitabschnitte die Bauern. Es wird dort versucht, den Be- Wiedervereinigung. -Orn. Jber. Mus. Heineanum 13: mehr zu. Der Feldhamster von heute ist da- stand des Feldhamsters zu stabilisieren. 1-25 GUBBELS, E.J.; GUBBELS, J.E.; GUBBELS-BROERS, her in Limburg ein Tier, das vielfach überse- Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist S.L.M. u. Backbier, L.A.M. 1994a: De Korenwòòf hen wird, denn in Böschungen, Ackerrand- aber, daß Ackerbrachen, die im Rahmen Cricetus cricetus. I. Een eerste verkenning. Natuurhi- streifen usw. ist er nur unvollständig, mit von EU-Landwirtschaftsprogrammen auch in storisch Maandblad 83: 164-167 GUBBELS, E.J.; BACKBIER, L.A.M. u. GUBBELS, J.E. großem Einsatz an Zeit und etwas Glück Limburg laufen, bis jetzt nur ausnahmsweise 1994b: De Korenwòòf, Cricetus cricetus. II. Winter- nachzuweisen. Die Restvorkommen weisen für ein paar Monate vom Hamster besiedelt waarnemingen. -Natuurhistorisch Maandblad 83: geringe Populationsdichten auf und sind ver- wurden! Im restlichen Verbreitungsgebiet 212-215 GUBBELS, E.J.; BACKBIER, L.A.M.; GUBBELS, J.E. u. streut. Wegen des ständigen Nomadisierens gibt es eine andere besondere Form des GUBBELS, J.S 1994c: Korenwòòf Cricetus cricetus. III. hat er nicht genügend Gelegenheit, seinen Hamsterschutzes. Winterburchten. -Natuurhistorisch Maandblad 83: Wintervorrat anzulegen. Erhöhte Winter- Dort erhalten die Landwirte eine Zuwendung 231-236 sterblichkeit, vor allem bei Jungtieren und von 200 Gulden/Jahr, wenn sie um bewohn- HUSSON, A.M. 1949: Over het voorkomen van de Hamster Cricetus cricetus (L), in Nederland. Publ. -Na- Weibchen, kann die Folge sein. Außerdem ist te Hamsterbaue auf jeden Einsatz von Agro- tuurhistorisch Genootschap in Limburg. Reeks II: 13- anzunehmen, daß die schleichende Vergif- chemikalien und auf die Ernte verzichten. Die 54 tung seiner verbleibenden Futterquellen den auf den ersten Blick begrüßenswerte Maß- LENDERS, A. u. PELZERS, E. 1983: Reconstructie van een hamsterburcht. -Natuurhistorisch Maandblad 72: Feldhamster überdies besonders anfällig für nahme hat allerdings den Nachteil, daß diese 93-99 Krankheiten macht und seine Reproduktion Vegetationsinseln auch attraktiv für Prädato- LENDERS, A. u. PELZERS, E. 1986: Distribution of the negativ beeinflußt. ren sind und daß dadurch der Feldhamster common hamster (Cricetus cricetus L.) in the Nether- lands. -Z. f. Säugetierkde. 51: 90-96 Die Methoden des Artenschutzes sollten der trotzdem gefährdet ist (BACKBIER u. GUB- Mourik, W.R. van 1962: De Hamster, Cricetus cricetus Erhaltung und Wiederherstellung vollwerti- BELS 1997). (L) in Nederland. R.I.V.O.N., Bilthoven, Nederland, 56 ger Biotope dienen. Ohne sie ist jedes Arten- Das Artenschutzprogramm soll mittels Mo- pp. plus bijlagen PELZERS, E. u.LENDERS, A. 1985: Verspreidingsonder- schutzprogramm von vornherein zum Schei- nitoring kontrolliert und verfolgt werden. zoek naar de hamster tern verurteilt. Wir haben die Situation des Feldhamsters (Cricetus cricetus L.) in Nederland. H.V.R., St. Odiliën- Es ist wichtig, den voneinander isolierten schon öfter in der Presse und im Rundfunk berg, 16 pp. plus bijlagen Petzsch, H. 1950: Der Hamster. -Die Neue Brehm- Restpopulationen die Möglichkeit zu geben, ausgiebig darstellen können. Ein Faltblatt Bücherei. Leipzig, Wittenberg. -55 S. sich zu festigen und zu vergrößern. Dazu sind und eine Ausstellung sind vorhanden. Na- REIJNDERS, L. 1991: Bestijdingsmiddelen. Boom. - ökologische Strukturen in der Landschaft turschutzvereine bitten regelmäßig um Vor- Meppel notwendig, die dem Feldhamster Nahrung träge usw. SCHRÖPFER, R. 1973: Zum Vorkommen des Feld- hamsters (Cricetus cr. cricetus Linné 1758) in der nord- bieten und den Biotopverbund zwischen den Die Niederländische Regierung hat zwar die deutschen Tiefebene. -Natur und Heimat 33(4): 97-99 einzelnen Subpopulationen sichern, um ein Konvention von Bern und die Habitatrichtli- Überwechseln zu ermöglichen. nie unterschrieben, die Umsetzung in einen Verfasser Ansonsten läuft der Feldhamster ohnehin wirksamen Schutz der Feldhamsterbiotope Leo Backbier über kurz oder lang Gefahr, wegen geneti- und der -vorkommen läßt leider immer noch van Galenstraat 64 scher Verarmung bei geringer Reproduktion auf sich warten. Dieses Manko wirkt negativ Nl–6163 XW Geleen und kleinsten Beständen, begünstigt durch auf die untergeordneter Behörden. Man ist lokale Katastrophen, gebietsweise auszuster- zu sehr von gutem Willen einzelner Mitarbei- ben. Die vorgesehene ökologische Struktur- ter abhängig. Erwähnt werden muß auch, verbesserung dient darüber hinaus einem daß der Feldhamster noch oft in nicht von großen Teil von Fauna und Flora. Flurbereinigung geschädigten Gebieten vor- In Limburg gibt es Gegenden, wo der Feld- kommt, die für Industrie, Wohnsiedlungen hamster jetzt nicht ohne weiteres in der Lage oder Straßenbau vorgesehen sind oder in ist, verlorenes Terrain wieder zu besiedeln, Stadtnähe liegen. Dort ist das Tier praktisch weil Siedlungen, Verkehrswege und Indu- ungeschützt. striegelände zu dicht ineinander verschach- Der Feldhamster steht in den Niederlanden telt sind, und den Biotopverbund nachhaltig zwar in der Roten Liste, allerdings ohne den zerstört haben. Status einer bedrohten oder gar gefährdeten Die Situation des Feldhamsters in Flandern, Art. Wallonien und im Rheinland kann zur Zeit nicht beurteilt werden, weil dort bis jetzt kei- 5. Fazit ne so umfangreichen Bestandsaufnahmen wie in Limburg stattfanden. Teilbestandsauf- Es ist festzustellen, daß in der hochentwickel- nahmen in den genannten Gebieten lassen ten Agrarlandschaft der Feldhamster zwar eine ähnliche Situationen wie in Limburg ver- ein Tier von Feld und Flur ist, aber kein aus- muten. schließliches Ackertier mehr sein kann. Gibt es Feldhamster in den Niederlanden, 4. Artenschutz für dann dort, wo Böschungen, Waldränder und Hohlwege oder ein einsichtiger Bauer, der ex- Nur noch kleiner Restbestand! Feldhamster tensiv wirtschaftet, zu finden sind. Zum Preis von 6,– DM zu beziehen Maßnahmen im Zuge des Artenschutzpro- Die freie Landschaft wird bisher als ein ver- über UNZE Verlag GmbH, gramms Feldhamster, die jetzt in Limburg an- meintlich unerschöpfliches Reservoir angese- Alt Nowawes 83 a, gelaufen sind, haben bisher nur eine Teilver- hen und bedenkenlos verbraucht. 14482 Potsdam besserung des Ackerbiotops zum Ziel. Er- 32 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

AN DIE FORSCHUNGSRESSORTS DER KULTUS- UND UMWELTMINISTERIEN DER ÖSTLICHEN BUNDESLÄNDER DEUTSCHLANDS SOWIE NIEDERSACHSENS, BADEN-WÜRTTEMBERGS, BAYERNS UND RHEINLAND-PFALZ

NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND UND LANDESUMWELTAMT BRANDENBURG Resolution zur Rettung des Feldhamsters Cricetus cricetus L., 1758 – Tier des Jahres 1996

Die Teilnehmer der 1. Fachtagung „Säuge- ge Bewirtschaftung und die verarmte Frucht- Schutz- und Managementkonzeptionen zu tierforschung als Grundlage für den Arten- folge wirkten und wirken sich negativ auf entwickeln! Diesbezügliche Forschungsvor- schutz“ des Bundesfachausschusses Mam- den Hamsterbestand aus. Dies führte seit haben sollten daher schnellstmöglich an malogie des Naturschutzbundes Deutsch- Ende der 60er Jahre zu einer stark rückläufi- mehreren Institutionen in Angriff genommen lands und des Landesumweltamtes Branden- gen Populationsentwicklung. Dieser Prozeß und finanziell von den Ländern mit Restbe- burg vom 16.05. bis 19.05.1996 in Schmer- nimmt gegenwärtig gravierende Ausmaße ständen von Feldhamstern nachhaltig unter- witz (Hoher Fläming) bringen ihre tiefe Sorge an. Vielerorts ist der Hamster inzwischen ver- stützt werden. Rettung von Biodiversität ist um die Erhaltung des Feldhamsters, einer der schwunden und selbst in den ehemaligen Umsetzung der Konvention von Rio de Ja- gefährdetsten Säugetierarten der Agrarland- Schwerpunktgebieten wie dem nördlichen neiro! schaft Deutschlands, zum Ausdruck. Harzvorland, der Magdeburger Börde und Der Feldhamster ist seit Jahrtausenden eine dem Thüringer Becken kaum noch in stabilen Schmerwitz, den 16.5.1996 Leit- und Charakterart der mitteleuropäi- Populationen anzutreffen. Der Hamster gilt schen und besonders der mitteldeutschen als Indikator einer gesunden Landschaft. Kontaktadresse für alle an einem For- Fauna und offenen Landschaft. Ohne sofortige Schutzmaßnahmen wird sich schungsverband interessierten Landesmini- Die fortschreitende Intensivierung der land- dieser Trend weiter fortsetzen. Die Art ist be- sterien: wirtschaftlichen Produktion und der rapide reits jetzt bundesweit „stark gefährdet“ und Institut für Zoologie der Martin-Luther-Uni- Zusammenbruch der Biodiversität an Nutz- in mehreren Bundesländern „vom Ausster- versität Halle-Wittenberg pflanzen veränderte den Lebensraum derart, ben bedroht“ (Rote Liste der Wirbeltiere der Arbeitsgruppe Tierökologie daß die Anpassungsfähigkeit des Hamsters BRD 1994). Trotz seiner Volkstümlichkeit ist Prof. Stubbe ihre Grenzen erreichte. Besonders schnelle über die Lebensweise des Hamsters noch Domplatz 4, und verlustarme Aberntung der Felder mit Vieles unbekannt. Kenntnisse zur Ökologie PF Universität sofortigem Stoppelumbruch, die großflächi- der Art sind jedoch unerläßlich, um effiziente D–06099 Halle/Saale

ULRICH ZÖPHEL Stand und Probleme der Fledermaus- markierung in Ostdeutschland

Schlagworte: Fledermausmarkierung, Artenschutz, Populationsökologie, Freizeitforschung, Säugetiere

1. Einleitung der Universität Berlin eine Markierungszen- fort (s. EISENTRAUT 1960b). Die Koordinie- trale ein und gewann weitere Beringer für die rung der Fledermausberingung in Ost- Die Fledermausforschung mit der dabei einge- Arbeit. deutschland übernahm in Abstimmung die setzten Beringungsmethode ist ein Gebiet, auf Zweigstelle Dresden des Institutes für Land- dem Freizeitforscher maßgebliche Beiträge lei- 2. Fledermausmarkierung schaftsforschung und Naturschutz Halle. Das sten. Deshalb soll es hier ausführlicher darge- in der DDR entsprach dem Profil dieser 1953 gegründe- stellt werden. Schon aus der Gefährdungssi- ten und mit Naturschutzforschung befaßten tuation der Artengruppe ergibt es sich, daß Die Entwicklung der Fledermausmarkierung Einrichtung der Akademie der Landwirt- sich die Beringer in ihrer Arbeit in besonderem in der DDR wird nur im Überblick dargestellt, schaftswissenschaften der DDR. In Zusam- Maße dem Schutzgedanken verpflichtet für eine ausführliche Übersicht s. ZÖPHEL menarbeit mit 6 bis 11 Beringern organisier- fühlen müssen und selbst auch aktiv beim und HIEBSCH (1994). te in Dresden Herr H. Richter die Arbeit. Es Schutz der einheimischen Arten tätig sind. Nach dem Krieg wurden Fledermausringe ab wurden die vom Museum Alexander Koenig Die Fledermausmarkierung blickt auf ost- 1951 zunächst von der Vogelwarte Radolfzell ausgegebenen Ringe verwendet und die Be- deutschem Boden auf eine geradezu welthi- ausgegeben und in geringem Umfang auch ringungs- und Wiederfunddaten für Ost- storische Tradition zurück. In Brandenburg in Ostdeutschland verwendet. Ab 1960 setz- deutschland dokumentiert und parallel nach begann M. Eisentraut 1932 parallel zu Expe- te die Zentralstelle für die Fledermausberin- Bonn übermittelt. rimenten in den USA damit und beringte bis gung die Arbeit wieder unter Leitung von M. Der Fortgang der politischen Ereignisse ver- 1950 über 7 000 Mausohren (EISENTRAUT Eisentraut am Zoologischen Forschungsinsti- hinderte die weitere Zusammenarbeit beider 1960a). Er richtete im Zoologischen Museum tut und Museum Alexander Koenig in Bonn Einrichtungen. Ohne die Bildung einer selb- ULRICH ZÖPHEL: STAND UND PROBLEME DER FLEDERMAUSMARKIERUNG IN OSTDEUTSCHLAND 33

ständigen Beringungszentrale hätte die Fle- In der zweiten Stufe der Zentralkartierung gend Freizeitforscher. Beringungsprogramme dermausmarkierung in Ostdeutschland nicht (HIEBSCH 1983, HIEBSCH u. HEIDECKE von Forschungseinrichtungen gab es in Ost- fortgeführt werden können. 1987) schlug sich auch der bedeutende An- deutschland kaum. Damit ist der Umfang der Für die Fledermausmarkierung in der DDR er- teil an faunistischer Forschungsarbeit nieder, Arbeit stark vom Freizeitfond und einem ho- wies es sich als vorteilhaft, daß mit dem Erlaß der von den Beringern geleistet wurde und hen Maß an Enthusiasmus abhängig. Seitens der Beringungsanordnung vom 30.01.1964 durch die gekoppelte Arbeit von Beringungs- der Zentrale wurde gefordert, die Beringung eine klare gesetzliche Basis bestand. In der und Kartierungszentrale direkt in dieses Pro- auf klar umschriebene Untersuchungsprojek- Beringungsanordnung sind bestimmte An- jekt einfloß. te zu konzentrieren. forderungen an die Beringer festgeschrieben. Über die Markierung hinaus bemühte sich ein Die Beharrlichkeit der Mitarbeiter bei der Be- Auf mehr traditioneller Basis haben sich die Großteil der Beringer um eine Bestandsüber- arbeitung ihrer Beringungsprogramme ist ein Beringerprüfungen und die regelmäßigen Ar- wachung durch genaue Zählungen in den großes Plus der Freizeitforscher und zugleich beitstagungen der Beringer entwickelt, die Quartieren und die Ermittlung des Reproduk- eine Notwendigkeit für populationsökologi- wesentlich zur Qualifiktation der einzelnen tionserfolges (z. B. OLDENBURG u. HACKE- sche Untersuchungen an den relativ langlebi- Beringer und ihrer Arbeit beitrugen. Bewährt THAL 1989, TRESS et al. 1989) sowie um die gen Fledermäusen. Über 50 % der Beringer hat sich auch die Praxis zur Zulassung der Be- Aufklärungsarbeit zum Fledermausschutz. haben in Untersuchungszeiträumen von ringungsanwärter. Die Bewerber sollten Eine zentrale Bedeutung erhielt die Schriften- mehr als 8 Jahren mit ihrer Beringungs- und schon längere Zeit im Fledermausschutz aktiv reihe NYCTALUS. Zwischen 1960 und 1995 Kontrolltätigkeit wertvolle Datenserien erar- tätig sein. Dadurch bestehen zumeist gute sind u. a. in dieser Zeitschrift etwa 90 Beiträ- beitet. Im Rahmen der zeitlich meist eng be- Vorkenntnisse, und das Schutzanliegen wur- ge über Fledermausvorkommen und ihren fristeten Projekt-Forschung wäre das kaum de verinnerlicht. Direkte Voraussetzung für Schutz erschienen, deren Autoren vorrangig möglich gewesen. Von Beginn an sind die die Zulassung als Beringer war das Absolvie- Beringer sind. Herren G. Natuschke und J. Haensel unun- ren eines zweitägigen Lehrganges, der mit ei- terbrochen dabei. Nur 12 Beringer (ca. 25 %) ner Prüfung abgeschlossen wurde (u. a. Ar- 3. Stand der Fledermaus- haben eine sporadische Arbeit geleistet. tenkenntnis, Fertigkeiten bei der Beringung, Der Beringungsanteil der einzelnen Arten gesetzliche Grundlagen). markierung und (Tab. 1) spiegelt nur sehr bedingt deren wirk- Eine wichtige Bedingung für die Entwicklung wichtige Ergebnisse liche Häufigkeit wider, sondern er wird deut- abgestimmter Beringungsprogramme und lich durch die Spezialisierung der Beringer auf den Kontakt unter den Beringern waren die Im Zeitraum von 1960 bis 1995 wurden im einzelne Arten, den Kenntnisstand ihrer Le- seit 1965 in zweijährigem Rhythmus und an Einzugsbereich der Beringungszentrale ca. bensgewohnheiten und die angewandte Un- wechselnden Orten durchgeführten Beringer- 118 000 Fledermäuse markiert. Die Abb. 1 tersuchungsmethodik überprägt. tagungen. Neben dem Bericht der Zentrale (s. gibt einen Eindruck von den jährlichen Antei- Sinn erhält die Beringung erst durch Wieder- HIEBSCH 1971, 1973, RICHTER 1968) waren len. Nach der Anlaufphase bis zum Beginn funde. Vom Gesamtmaterial liegen über die Diskussion anstehender Probleme, der Er- der 1970er Jahre pegelte sich die jährliche 25 000 vor. Nach der Anzahl schwankt der fahrungsaustausch, Exkursionen und beson- Beringungszahl etwa zwischen 3 000 und Anteil zwischen etwa 2 % bei der Nordfle- ders auch Fachvorträge die Schwerpunkte. 4 000 Markierungen ein und ist jetzt auf dermaus und 52 % beim Mausohr. Das ist Herr H. Hiebsch, der 1971 die Aufgaben der reichlich 5 000 angestiegen. Die erhöhten aber an sich wenig aussagekräftig, da kurzfri- Beringungszentrale übernahm, vermittelte die Zahlen für die Jahre 1969 und 1985 sind auf stige Wiederfänge des gleichen Individuums Leitlinien der Arbeit an die ehrenamtlich täti- eine Änderung des Meldeturnus zurückzu- darin eingeschlossen sind. Für die Bearbei- gen Beringer mit der nötigen Sensibilität. führen. tung detaillierter Fragestellungen ist das ver- Ursprünglich war die Beringungstätigkeit auf Von den zugelassenen Beringern haben ins- wendbare Material oft um ein Vielfaches ge- die Erkundung des Zugverhaltens der Arten gesamt 50 Personen Markierungen an Fle- ringer. Der Anteil der Tot-Wiederfunde liegt ausgerichtet und konzentrierte sich zunächst dermäusen vorgenommen. Sie sind überwie- bei etwa 1 % der beringten Tiere oder, um ein noch stark auf die Winterquartiere. Anfang der 1970er Jahre wurde die Markierungs- tätigkeit im Winterhalbjahr auf ausgewählte Quartiere beschränkt. Zur gleichen Zeit begannen stärker populati- onsökologisch ausgerichtete Untersuchun- gen, bei denen die waldbewohnenden Fle- dermausarten einen Schwerpunkt bildeten. Zur Erforschung der Populationsbiologie der Rauhhautfledermaus und des Abendseglers wurden wichtige Beiträge geleistet (z. B. HACKETHAL u. OLDENBURG 1984, HEISE 1982, 1985, SCHMIDT 1984, 1990, STRAT- MANN 1978). Im Zusammenhang mit der Untersuchung der „Waldfledermäuse“ sam- melten gerade die Beringer umfangreiche Er- fahrungen bei der Gestaltung von Fleder- mauskästen und ihrem praktischen Einsatz (z. B. HAENSEL u. NÄFE 1982). In der Mitte der 1970er Jahre setzte sich im Fledermausschutz stärker die Idee des Bio- topschutzes durch und in die Untersuchun- gen wurden bestandsverändernde Faktoren einbezogen. Besonders im Blick auf gebäu- debewohnende Fledermausarten gewann auch unter den Beringern der praktische Quartierschutz und die Betreuung der be- kannten Quartiere weiter an Aufmerksam- Abb. 1 keit. Anzahl der jährlich in Ostdeutschland markierten Fledermäuse und Anzahl der aktiven Beringer 34 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

von Daten, die über die Prüfung von Berin- Tabelle 1: Anzahl der von 1960 bis 1995 markierten Individuen der gungsdaten in geplanten Veröffentlichungen einzelnen Fledermausarten hinausgehen, können aber gegenwärtig Fledermausart Anzahl der Beringungen % der nicht geleistet werden. Neben dieser Arbeit Beringungen wurde die gute Tradition der Beringertagun- gen beibehalten und bisher sind zwei Tagun- Wasserfledermaus (Myotis daubentoni) 23 226 19,6 gen durchgeführt worden (1992 in Lindow Gr. Mausohr (Myotis myotis) 19 688 16,6 und 1994 in Beeskow). Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) 18 889 16,0 Der Text für ein Abkommen über das Betrei- Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) 18 822 15,9 ben der Beringungszentrale zwischen den Gr. Abendsegler (Nyctalus noctula) 11 654 9,8 fünf neuen Bundesländern liegt seit längerem Braunes Langohr (Plecotus auritus) 8 519 7,2 vor. Er orientiert sich am Länderabkommen Fransenfledermaus (Myotis nattereri) 6 965 5,9 zur Vogelberingungszentrale, das vor einiger Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) 2 141 1,8 Gr. Bartfledermaus (Myotis brandti) 1 926 1,6 Zeit abgeschlossen wurde. Der Entwurf fand Kl. Bartfledermaus (Myotis mystacinus) 1 643 1,4 – z. T. mit geringfügigen Änderungswün- Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) 1 347 1,1 schen – die Zustimmung der Umweltministe- Graues Langohr (Plecotus austriacus) 1 103 0,9 rien aus vier Ländern. Das Abkommen soll so Nordfledermaus (Eptesicus nilssoni) 897 0,8 gestaltet werden, daß ein Beitritt weiterer Kl. Abendsegler (Nyctalus leisleri) 851 0,7 Länder möglich ist. Mit dem Abschluß und Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini) 340 0,3 dem Inkrafttreten des Abkommens wird sich Teichfledermaus (Myotis dasycneme) 155 0,1 die Arbeitsfähigkeit der Markierungszentrale Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) 134 0,1 erheblich verbessern. Das betrifft die perso- Kl. Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) 124 0,1 Summe 118 424 100,0 nelle Situation, denn es ist vorgesehen, einen Sachbearbeiter (Teilzeit) einzustellen. Auf dieser Grundlage wird es auch möglich, neue Beringungsprogramme und die Qualifikation weiteres Beispiel zu nennen, der der Fern- FENS u. HIEBSCH 1989, STEFFENS et al. von Beringungsanwärtern wieder aufzuneh- Wiederfunde (> 100 km) der Rauhhautfle- 1989), wobei bei der zweiten Art schon die men sowie auf Anforderung der beteiligten dermaus bei 0,4 %, d. h. 1 von 250 bering- Grenzen einer statistischen Auswertung Länder bestimmte Aufbereitungen und Aus- ten Tieren. deutlich wurden. wertungen vorzunehmen. Weiterhin ist vor- Umstritten ist besonders die Beringung im gesehen, einen Beirat mit Ländervertretern Winterquartier. Ihr Anteil wurde durch die 4. Fledermausmarkierung zu bilden, der die Vorgabe der wissenschaft- Konzentration auf eine begrenzte Zahl von lichen Aufgabenstellung formuliert und die Winterquartieren tendenziell eingeschränkt in Ostdeutschland seit Grundsätze für die organisatorisch-techni- und liegt gegenwärtig bei ca. 40 %. Da ab der deutschen Einheit sche Durchführung der Fledermausberin- November mit den bisher angewandten Me- gung festlegt. thoden bei den meisten Arten auch keine ex- Zum Fortgang der Fledermausmarkierung im Die Genehmigungsverfahren zur Fleder- akte Altersbestimmung mehr möglich ist, ist vereinten Deutschland wurde bei einem Ge- mausmarkierung werden in den einzelnen die Aussagefähigkeit des so gesammelten spräch zwischen den Vertretern beider Zen- Ländern unterschiedlich gehandhabt. Ge- Materials hinsichtlich Lebensdauer und Po- tralen am 5.6.1991 in Bonn vereinbart, die genwärtig ist die Markierungszentrale in die- pulationsstruktur eingeschränkt. Jedoch kön- Arbeit in den traditionellen Einzugsgebieten se Verfahren nicht einbezogen. Ein Antrags- nen einige Fragestellungen, so etwa bei den fortzusetzen. Mit der Auflösung der Akade- verfahren für Markierungen von Mopsfleder- beiden Bartfledermausarten, der Fransen- mieeinrichtungen der einstigen DDR gemäß mäusen in Thüringen, das sich schon über ei- und Mopsfledermaus bisher nur mit Winter- Einigungsvertrag per 31.12.1991 ging die nen längeren Zeitraum hinzieht, zeigt all die beringung angegangen werden, da zu weni- Dresdner Zentrale in das Sächsische Landes- Probleme, die mit dem gegenwärtigen Über- ge, für die Beringung geeignete Sommer- amt für Umwelt und Geologie über. Ver- gangszustand und dem Fehlen klarer Rege- quartiere bekannt sind. Die vorliegenden Er- handlungen zur Regelung der Organisation lungen verbunden sind. Auch durch Be- fahrungen geben keine Hinweise dafür, daß der Fledermausmarkierung in den neuen schlüsse des geplanten Beirates würde es durch die mit der Beringung verursachten Bundesländern sind zwischen den Umwelt- möglich, für die Genehmigungsverfahren Störungen höhere Verluste in den Winter- ministerien der ostdeutschen Länder im eine Angleichung und größere Klarheit zu er- quartieren auftreten würden. Gange. Gegenwärtig werden die Kosten für reichen. Es ist sicherlich sinnvoll, sich für den Eine exakte Altersbestimmung ist eine we- die Fledermausmarkierung in den fünf Bun- Verfahrensablauf an der Vogelberingung zu sentliche Voraussetzung für viele populati- desländern von Sachsen allein getragen. Auf- orientieren. In Sachsen wurde im September onsökologische Fragestellungen. Ein wach- grund dieser Situation ist es momentan nur 1995 als dem ersten Bundesland eine Vogel- sender Beringungsanteil sicher bestimmter möglich, die bestehenden Beringungspro- beringungsverordnung erlassen, die sich al- Jungtiere, der jetzt fast 50 % erreicht, ent- gramme fortzuführen und die laufenden lerdings erst in der Praxis bewähren muß. Bei spricht dem Bestreben der Zentrale. Dabei Wiederfundmeldungen zu bearbeiten. Das der Vogelberingung erfolgt die Antragstel- muß auch zukünftig berücksichtigt werden, ist nicht ohne einen zusätzlichen persönli- lung für die Zulassung von Beringern und für daß für statistisch verwertbare Aussagen ein chen Einsatz möglich, da von den Mitarbei- die Verlängerung der Beringungserlaubnis Mindestumfang an Beringungen nicht unter- tern in der Naturschutzabteilung des Sächsi- durch die Zentrale. Damit ist gesichert, daß schritten werden darf und die hohe Jugend- schen Landesamtes vielfältige Aufgaben zu die Beringungsprogramme von der Zentrale mortalität einen entsprechenden Datenum- bewältigen sind und hier die personelle Si- ausgearbeitet wurden oder mit dieser abge- fang erfordert, um in höheren Altersklassen tuation im bundesweiten Vergleich beson- stimmt sind. überhaupt noch Wiederfunde tätigen zu ders ungünstig ist. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung von können. Inzwischen ist es gelungen, die Bearbeitung Beringungsprogrammen, der Formulierung Durch die Markierungszentrale erfolgte Ende der Wiederfundmeldungen vollständig rech- des wissenschaftlichen Forschungsbedarfes der 1980er Jahre eine Auswertung der vorlie- nergestützt zu erledigen und einen Teil der und der Nutzung von Vorteilen und Spezifika genden Wiederfunddaten hinsichtlich popu- vorliegenden Wiederfunde in eine Daten- der ehrenamtlichen und universitären For- lationsökologischer Parameter. Die Ergebnis- bank aufzunehmen. Dadurch verbessern sich schung bestände für die Zukunft eine Mög- se sind bisher für das Mausohr und die zukünftig die Recherchemöglichkeiten sehr. lichkeit darin, laufende Untersuchungen der Zwergfledermaus publiziert worden (STEF- Umfangreichere Arbeiten zur Aufbereitung ehrenamtlichen Beringer mit Diplomarbeiten ULRICH ZÖPHEL: STAND UND PROBLEME DER FLEDERMAUSMARKIERUNG IN OSTDEUTSCHLAND 35

oder Dissertationen zu verknüpfen. Die these collaboratives marked approximately HIEBSCH, H. 1973: Bericht über die Fledermausmar- kierung im Jahre 1973/74. -Nyctalus (5): 1-5 Möglichkeiten sind besonders dort gut, wo 118 000 bats. Currently some 5 000 animals HIEBSCH, H. 1983: Faunistische Kartierung der Fleder- sich kleine Arbeitsgruppen bilden. Hervorzu- are ringed every year. mäuse in der DDR. Teil 1. -Nyctalus (N.F.) 1: 489-503 heben sind in diesem Zusammenhang auch Until 1992 the ringing campaigns were co- HIEBSCH, H. u. HEIDECKE, D. 1987: Faunistische Kar- die externen Promotionen von HEISE (1992) ordinated by the Institute of Conservation tierung der Fledermäuse in der DDR. Teil 2. -Nyctalus (N.F.) 2: 213-246 und SCHMIDT (1992) an der Universität Hal- and Environmental Studies in Dresden OLDENBURG, W. u. HACKETHAL, H. 1989: Zur Be- le (Saale). Es ist aber bedauerlich, daß in wei- („Zweigstelle des Instituts für Landschafts- standsentwicklung und Migration des Mausohrs, tere, inzwischen abgeschlossene oder begon- forschung und Naturschutz“) in co-operation Myotis myotis (Borkhausen, 1797) (Chiroptera: Ves- pertilionidae), in Mecklenburg. -Nyctalus (N.F.) 2: nene Qualifizierungsarbeiten die Markie- with the Department of Bat Marking („Zen- 501-519 rungszentrale nicht einbezogen wurde (TU tralstelle für Fledermausmarkierung“) in RICHTER, H. 1968: Stand der Fledermausberingung in Dresden, Universität Halle). Aus einer Zu- Bonn. In 1992 the Saxon State Authority of der Deutschen Demokratischen Republik. -Milu 2: 343-347 sammenarbeit würden sicherlich beide Seiten Environment and Geology („Sächsisches SCHMIDT, A. 1984: Zu einigen Fragen der Populati- einen Nutzen ziehen. Landesamt für Umwelt und Geologie“) con- onsökologie der Rauhhautfledermaus, Pipistrellus Vom Bundesfachausschuß (BFA) „Fledermaus- tinued the bat ringing campaigns. This paper nathusii (Keyserling und Blasius, 1839). -Nyctalus (N.F.) 2: 37-58 schutz“ des Naturschutzbundes Deutschland outlines the current state of its work and re- SCHMIDT, A. 1990: Fledermausansiedlungsversuche (NABU) wurde ein Positionspapier zur Fle- search. in ostbrandenburgischen Kiefernforsten. -Nyctalus dermausberingung erarbeitet, an dessen Future activities will take into account the ex- (N.F.) 3: 177-207 SCHMIDT, A. 1992: Phänologisches Verhalten und Formulierung sich die Markierungszentrale cellent experiences of the past and continue Populationseigenschaften der Rauhhautfledermaus Pi- maßgeblich beteiligte. Nach ausführlicher organising the adequate events, e.g. the reg- pistrellus nathusii (Keyserling und Blasius, 1839) in Diskussion verkörpert dieser Anforderungs- ular Conference of Bat Ringers every two Ostbrandenburg. -Dissertation Halle. -88 S. katalog die Ansichten der Landesfachaus- years. We consider the incorporation of this STEFFENS, R. u. HIEBSCH, H. 1989: Populationsökolo- gische Beiträge aus langjähriger Fledermausberingung schüsse der im BFA beteiligten Bundesländer. experience into explicit guidelines as most und Wiederfundauswertung am Beispiel des Mausohrs Erfreulich ist, daß sich auch neue For- important. An agreement on establishing and (Myotis myotis). In: HANÁK, V.;HORÁCEK,ˇ J. u. GAIS- schungsvorhaben, die vom Bund initiiert running a central bat marking authority is LER, J. (Hrsg.): European bat research 1987. Charles Univ. Press. -Praha: 543-550 werden, ausdrücklich der Markierung als ei- being prepared. STEFFENS, R.; HIEBSCH, H. u. WÄCHTER, A. 1989: ner Untersuchungsmethode bedienen. Das Methodische Ansätze und Ergebnisbeispiele der Fle- steht auch mit dem Regionalabkommen zur dermauswiederfundauswertung. In: HEIDECKE, D. u. Literatur STUBBE, M. (Hrsg.): Populationsökologie von Fleder- Erhaltung der Fledermäuse in Europa (vom EISENTRAUT, M. 1960a: Die Wanderwege der in der mausarten. -Wiss. Beitr. Martin-Luther-Univ. Halle- 04.12.91) im Rahmen der Bonner Konventi- Mark Brandenburg beringten Mausohren. -Bonn. zool. Wittenberg 20: 339-354 on zum Schutz wandernder Tierarten in di- Beitr. 11: 112-123 STRATMANN, B. 1978: Faunistisch-ökologische Beob- EISENTRAUT, M. 1960b: Die Fledermausberingung, achtungen an einer Population von Nyctalus noctula rekter Übereinstimmung, wonach For- ihre Entwicklung, ihre Methode und ihre Bedeutung im Revier Ecktannen des StFB Waren (Müritz). -Nycta- schungsprogramme im Zusammenhang mit für die wissenschaftliche Forschung. -Bonn. zool. Beitr. lus (N.F.) 1: 2-22 der Erhaltung und Hege von Fledermäusen 11: 7-21 TRESS, C.; TRESS, J. u. HENKEL, F. 1989: Methodik HACKETHAL, H. u. OLDENBURG, W. 1984: Beobach- und Ergebnisse der Bestandskontrolle von Myotis gefördert werden sollen. Im Forschungs- und tungen und Überlegungen zur Fortpflanzungsbiologie myotis. In: HEIDECKE, D. u. STUBBE, M. (Hrsg.): Po- Entwicklungs-Vorhaben „Untersuchungen der Rauhhautfledermaus, Pipistrellus nathusii (Keyser- pulationsökologie von Fledermausarten. -Wiss. Beitr. und Empfehlungen zur Erhaltung der Fleder- ling und Blasisus, 1839). -Nyctalus (N.F.) 2: 72-78 Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg 20: 139-155 HAENSEL, J. u. NÄFE, M. 1982: Anleitungen zum Bau mäuse in Wäldern“ des Bundesamtes für Na- ZÖPHEL, U. u. HIEBSCH, H. 1994: Fledermausmarkie- von Fledermauskästen und bisherige Erfahrungen mit rung in Ostdeutschland - Erfahrungen und Perspekti- turschutz (12/95 bis 05/98) sind Untersu- ihrem Einsatz. -Nyctalus (N.F.) 1: 327-348 ve. -Nyctalus (N.F.) 5: 27-36 chungen zum Zugverhalten von Abendsegler HEISE, G. 1982: Zu Vorkommen, Biologie und Ökolo- gie der Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) in und Rauhhautfledermaus u. a. mit Hilfe der der Umgebung von Prenzlau (Uckermark), Bezirk Neu- Beringung vorgesehen. Mehrere Beringer aus brandenburg. -Nyctalus (N.F.) 1: 281-300 Ostdeutschland beteiligen sich an diesem HEISE, G. 1985: Zu Vorkommen, Phänologie, Ökolo- Projekt. gie und Altersstruktur des Abendseglers (Nyctalus Verfasser noctula) in der Umgebung von Prenzlau/Uckermark. - Nyctalus (N.F.) 2: 133-146 Dr. Ulrich Zöphel 5. Summary HEISE, G. 1992: Ergebnisse populationsökologischer Sächsisches Landesamt für Umwelt Untersuchungen am Abendsegler (Nyctalus noctula und Geologie Schreber, 1774). -Dissertation Halle. -72 S. In East , bats are ringed by honorary HIEBSCH, H. 1971: Bericht über die Fledermausmar- Wasastr. 50 collaboratives. Between 1960 and 1995 kierung in den Jahren 1969-1971. -Nyctalus (3): 55-59 D–01445 Radebeul

Konversionsflächen in Fangterminen wurden zwischen 5 und 11 Ar- serotinus), Großes Mausohr (Myotis myotis), ten sowie 16 bis 59 Tiere gefangen. Darunter Wasserfledermaus (Myotis daubentoni), Brandenburg – waren (neben anderen seltenen und sehr sel- Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Große einmalige Artenvielfalt bei tenen Arten) auch die in Brandenburg als sehr Bartfledermaus (Myotis brandti), Kleine Bart- Fledermäusen? selten anzunehmende Bechstein- (Myotis fledermaus (Myotis mystacinus). bechsteini) und Nordfledermaus (Eptesicus Die Ergebnisse sind ein „Nebenprodukt“ ei- Netzfänge, die auf dem ehemaligen Trup- nilssoni). Beide Arten zeigten deutliche Hin- nes vom Landesumweltamt Brandenburg un- penübungsplatz Jüterbog/Ost (TF, MTB/Q weise für eine im Gebiet erfolgte Reproduk- terstützten Projektes zur Statusabklärung der 3946/3) 1997 durchgeführt wurden, zeigten tion, die bislang in Brandenburg nicht be- Nordfledermaus in Brandenburg. Es wird ge- sehr bemerkenswerte Ergebnisse zur Fleder- kannt war. meinsam von der NABU-Fachgruppe der mausfauna. Die Fänge erfolgten über einem Weitere Fangergebnisse: Großer Abendseg- Mammalogen des Landkreises Teltow-Flä- kleinen Quelltümpel, ca. 20 x 50 m messend. ler (Nyctalus noctula), Kleiner Abendsegler ming und der Naturschutzstation Zippelsför- Die Fangzeiten lagen im Mai und Juli; es wur- (Nyctalus leisleri), Zwergfledermaus (Pipist- de durchgeführt. de in 4 Nächten gefangen. Dabei konnten 14 rellus pipistrellus), Mopsfledermaus (Barba- der 17 bisher in Brandenburg nachgewiese- stella barbastellus), Braunes Langohr (Pleco- Nach D. Steinhauser, D. Dolch „Mitteilungen nen Fledermausarten an diesem einen Fang- tus auritus), Graues Langohr (Plecotus aus- des Landesfachausschusses Säugetierkunde platz festgestellt werden. Zu den einzelnen triacus), Breitflügelfledermaus (Eptesicus Brandenburg – Berlin” 2/1997 36 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

KURT FRANKE, DIETRICH HEIDECKE Das Biber-Betreuernetz in Sachsen-Anhalt

Schlagwörter: Biber, Artenschutz, Bestandserfassung

1. Einleitung amtlicher Betreuer von Biberrevieren, das in dieser Form wie auf jährlichen Arbeitsta- wesentliche Impulse von W. Horn (Natur- gungen allen ehrenamtlichen Mitarbeitern Wenn heute Naturschutzverbände zu Paten- schutzverwaltung Magdeburg) erhielt. zugänglich gemacht. Dieser ständige Kon- schaften für den Biber oder andere gefähr- sens zwischen Forschung und praktischer dete Tierarten aufrufen und für die Bundes- 3. Arbeitsgruppe Naturschutzarbeit darf als wichtigste Moti- gartenschau 1999 in Magdeburg eine Elb- Biberschutz vation zur ehrenamtlichen Tätigkeit im Bi- ebiberfamilie zum Maskottchen gewählt berschutz bezeichnet werden. wird, so kommt damit die Bedeutung von Mit der Gründung der Biologischen Station Akzeptanz und Lobby einer Tierart im öf- Steckby (vormals und heute wieder Staatli- 4. BAG Artenschutz fentlichen Meinungsbild für deren Überle- che Vogelschutzwarte) übernahm diese benschance zum Ausdruck. Und in der Tat 1970 auf Empfehlung des Arbeitskreises zum In der zweiten Hälfte der 70er Jahre erfuhr dokumentieren Leidensweg und Rettung der Schutz vom Aussterben bedrohter Tiere Ko- die Aufgabenstellung einen Wandel. Elbebiber, daß die einzige in Mitteleuropa er- ordinationsaufgaben für Biberschutz und - Während die Biologische Station Steckby halten gebliebene Biberpopulation – zudem forschung. Aufbauend auf der traditions- vorrangig das Management der Biberum- eine eigenständige Unterart – ihre Existenz und erfahrungsreichen Tätigkeit des Biber- siedlungen wahrnahm, entwickelte sich die dem Einsatz engagierter Naturschützer und Betreuernetzes entfaltete sich unter Anlei- ehrenamtliche Tätigkeit zu stärkerer Eigen- einer ihr wohlgesonnenen breiten Öffent- tung durch die Biologische Station Steckby ständigkeit. Mit Ausdehnung der Biberpopu- lichkeit verdankt. So verweist HINZE (1934) ein breites Forschungsprogramm. Die jährli- lation entstanden bezirkliche Arbeitsgruppen auf die bereits von Friedrich Wilhelm I. von chen Biberzählungen wurden zur metho- im Rahmen der Bezirksarbeitsgruppen (BAG) Preußen erlassenen Schutzbestimmungen disch verfeinerten Kartierung mit einheitli- Artenschutz. Neben ihrer Betreuungs- und für den Biber. Dem Wirken von FRIEDRICH, cher Symbolik ausgebaut und auf alle Bezir- Kartierungstätigkeit waren die ehrenamtli- BEHR und MERTENS sind die Einführung ke mit Bibervorkommen ausgedehnt. Bereits chen Helfer zunehmend bei der Beratung für ganzjähriger Schonzeiten und weiterer 1972 beteiligten sich 170 ehrenamtliche Hel- biotoperhaltende Maßnahmen und Konflikt- Schutzerlasse zu Beginn unseres Jahrhun- fer an der Betreuung von 135 durchschnitt- lösungen vor Ort gefragt. Sie gaben Anlei- derts zu verdanken. lich 5 bis 10 km2 großen Kartierungsab- tung für die Dränierung von Biberdämmen, Ausgelöst wurden diese Erlasse durch über- schnitten. Jeder Mitarbeiter erhielt jährlich den Gehölzverbißschutz in Gärten, Winter- zeugende Dokumentationen zur präkeren Kartierungsblätter, eine Arbeitsanleitung mit fütterungen, Pappel- und Weidenpflanzun- Bestandssituation und aufklärende Artikel Signaturliste und von Jahr zu Jahr unter- gen sowie forstliche Einschlagsplanung. All über Biologie, Lebensweise, ökologische schiedliche Fragebögen zur Erfassung histo- diese Aufgaben werden bis zum heutigen und kulturelle Bedeutung sowie Möglichkei- rischer, ökologischer u. a. Daten zum Revier. Zeitpunkt weiterhin kontinuierlich wahrge- ten des Schutzes und der Lebensraumerhal- Neben dieser Aufgabe sorgten die Betreuer nommen und dies bei ständiger Ausdehnung tung (Schutz der Auen, Pflanzung von Wei- für eine Überwachung der Biberansiedlun- und Zunahme der Biberpopulation, wobei den, Errichtung von Rettungshügeln). Das gen, Aufklärung der Öffentlichkeit und Ha- sich der Kreis der Gebietsbetreuer nicht we- Ergebnis war ein Wiedererstarken der Popu- bitatpflege in Zusammenarbeit mit Landeig- sentlich vergrößerte. Nicht zuletzt ist dieser lation, die 1939 auf ca. 400 Biber geschätzt nern und -nutzern (Wasser-, Forst- und andauernden, intensiven, ehrenamtlichen, wurde. Landwirtschaftsbetrieben) sowie für die Ber- unbezahlten Tätigkeit mit engagierter Über- gung tot aufgefundener Biber zur Untersu- zeugungsarbeit in der Öffentlichkeit, Frei- 2. Arbeitskreis chung im Zoologischen Institut der Martin- zeitverzicht und Duldsamkeit in der eigenen Luther-Universität. Familie, die höchste Anerkennung verdient, Biberfreunde Aus diesem sinnvollen Zusammenwirken im Laufe der letzten 25 Jahre eine Verdopp- Als nach dem zweiten Weltkrieg der Elbe- von Naturschutzbehörden und -helfern, lung der Zahl der Biberansiedlungen in Sach- biber abermals arg in Bedrängnis geriet, bil- landnutzenden Einrichtungen, Bürgern (An- sen-Anhalt zu verdanken. dete sich um HINZE, HINSCHE, WUTTKY, wohnern) und wissenschaftlichen Einrich- ABENDROTH, HELD und WANCKELl der Ar- tungen entstand ein effizientes Schutzsy- 5. Arbeitskreis Biberschutz beitskreis Biberfreunde, der bald Anschluß an stem für den Elbebiber. Alle über das Betreu- den Arbeitskreis zum Schutz vom Aussterben ernetz ermittelten Daten, einschließlich der Nach der Wende differenzierte sich der Ar- bedrohter Tiere am Institut für Landschafts- Angaben zur aktuellen Schutzsituation, fan- beitskreis Biberschutz in weitgehend selbst- forschung und Naturschutz Halle fand. Seine den ihren Niederschlag in mehreren For- ändige Landesarbeitsgruppen. Weiterhin Aktivitäten lösten eine kontinuierliche Über- schungsberichten, Publikationen und Emp- zentral angeleitet (Martin-Luther-Univer- wachung der letzten Bibervorkommen, die fehlungen für Schutzmaßnahmen (DORN- sität Halle), bildete sich, orientiert am Bran- beispielgebende Todesursachenforschung BUSCH u. RICHTER 1972, HEIDECKE u. denburger Beispiel, der Arbeitskreis Biber- durch Piechocki und eine erste (leider miß- DORNBUSCH 1978, Behandlungsrichtlinien schutz im Naturschutzbund Deutschland glückte) Biberumsiedlung an die Müritz aus. für Biberschongebiete in der DDR 1975). (NABU) Sachsen-Anhalt. Mit den Kreis-Re- Mit dem ersten Naturschutzgesetz der DDR Auf deren Grundlage entstand zum Habitat- formen wurde das Kartierungssystem verän- 1954 wurde der Biber als vom Aussterben schutz ein umfassendes Netz von Natur- dert. Unter Beibehaltung der inzwischen bedrohte Art unter Schutz gestellt und nach- schutz- und Biberschongebieten vorrangig ausgereiften Kartierungsmethodik wurde folgend ab 1957 wurden die wertvollsten im Gebiet der mittleren Elbe, die u. a. zum das Revierkataster nach Meßtischblatt-Qua- Vorkommensgebiete zu Natur- und Land- Bestandteil der für die Kreisgebiete erstellten dranten geordnet. Die Erhebungsdaten (Sta- schaftsschutzgebieten erklärt. Landschaftspflegepläne wurden. Die Ergeb- tus der einzelnen Reviere und ökologische In den damaligen Bezirken Halle und Magde- nisse der jährlichen Biberzählungen und Parameter) werden PC-gestützt gespeichert burg entwickelte sich in Zusammenarbeit von ökologischen Grundlagenforschung wurden und sind beliebig geordnet abrufbar. Somit Naturschutzverwaltungen und Kreisnatur- im jährlich erscheinenden Mitteilungsblatt ist es möglich, eine schnelle Übersicht, ge- schutzbeauftragten ein festes Netz ehren- der Arbeitsgruppe Biberschutz publiziert und ordnet nach Kreisgebieten oder Gewässersy- KURT FRANKE, DIETRICH HEIDECKE: DAS BIBER-BETREUERNETZ IN SACHSEN-ANHALT 37

stemen, zu erhalten. Für das Jahr 1995 wur- HEIDECKE, D. u. DORNBUSCH, M. 1978: Verbreitung 6. Summary und Ökologie, Schutz und Förderung des Elbebibers den auf 70 Meßtischblattquadranten von Castor fiber albicus Matschie (1907) in der DDR. - 100 Betreuern 721 Biberreviere mit 1 760 Bi- The formation of the beaver conservation Arch. Naturschutz u. Landschaftsforsch. 18: 151-160 bern ermittelt, d. h., daß von jedem Betreu- group and its sequel of success is portrayed. HEIDECKE, D. 1983: Bestandssituation des Elbebibers er durchschnittlich 7 Reviere, im konkreten Early beaver conservation started with the und Schutzmaßnahmen in der DDR. -Mitt. BAG Ar- tenschutz Magdeburg 6 (2): -8 S. Fall 4 bis 20 Reviere, kontrolliert und die Be- publications by FRIEDRICH 1890 and the ac- HEIDECKE, D. 1984: Arbeitsanleitung zur Biberbe- obachtungen der zentralen Auswertung zu- tivites of BEHR and has developed since 1960 standserfassung und -kartierung. -Mitt. BAG Arten- geleitet wurden. Die jährlichen Arbeitsta- into an extensive network of voluntary con- schutz Magdeburg 7(2): -6 S. HEIDECKE, D. 1985: Ergebnisse und Probleme beim gungen 1994 in Kamern, 1995 in Schlaitz, servationists. Public relations work, perma- Schutz des Elbebibers. -Naturschutzarb. Berlin u. 1996 in Bertingen verliehen vielen Mitarbei- nent control of beaver territories combined Brand. 21(1): 6-12 tern neue Impulse. In einigen Kreisen konn- with annual census and the active support by HEIDECKE, D. u. DORNBUSCH, M. 1986: ökologisch begründetes Artenschutzprogramm Elbebiber - Castor te hierdurch die Tätigkeit im ehrenamtlichen the beaver-management secured a stable fiber albicus Matschie, 1907. In: GÖRNER, M.: Ver- Biberschutz aufs Neue aktiviert und Nach- population develeopment. Currently, there zeichnis der Säugetiere der DDR und Angaben zu wuchs als Ersatz für krankheits- und alters- are about a 100 group members monitoring ihrem Schutzstatus. -Säugetierk. Inf. 2: 383-386 HINZE, G. 1934: Unsere letzten deutschen Biber. halber ausscheidende Mitarbeiter gewon- 1760 beavers in 720 settlements. Dünnhaupt. -Dessau nen werden. HINZE, G. 1950: Der Biber. Akademie-Verlag Berlin: 4- Abschließend sei an dieser Stelle allen Biber- Literatur 6, 20-36 S. betreuern für ihre beispielgebende, langjähri- Behandlungsrichtlinien für Biberschongebiete der DDR. -Naturschutzarb. Berlin u. Brand. 11 (1975) (1): ge ehrenamtliche Tätigkeit zum Schutz des 26-29 Verfasser Bibers und die lückenlosen Dokumentation DORNBUSCH, M. u. RICHTER, J. 1972: Maßnahmen Kurt Franke seiner Bestandsentwicklung herzlich ge- zum Schutz und zur Hege des Elbebibers. -Beilage Na- Marienstraße 1 turschutzarb. Berlin u. Brand. 8(2): 2-4 dankt. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit wird auch DORNBUSCH, M.; GöRNER, M. u. HEIDECKE, D. D–06785 Oranienbaum zukünftig eine der tragenden Säulen des Bi- 1983: Beiträge zum Artenschutz, Programme zum berschutzes bleiben. Denn allein gesetzlicher Schutz ausgewählter Tierarten. -Separatdruck ILN Hal- Dr. Dietrich Heidecke le. -56 S. Schutz genügt nicht, wird er nicht mit Leben FRIEDRICH, H. 1894: Die Biber an der mittleren Elbe. Ahornweg 3 erfüllt und aktiv umgesetzt. Baumann. -Dessau D–06179 Bennstedt

GOTTFRIED KOHLHASE Biberhof Torgau – Lernort in der Natur

Schlagwörter: Biberhof Torgau, Öffentlichkeitsarbeit, Biberbetreuer

Am 18. Februar 1995 eröffnete der sächsi- NABU auf diesem für die Öffentlichkeitsar- Anleitung seiner Mitglieder. Erst ein flächen- sche Umweltminister A. Vaatz das Natur- beit so günstigen Standort mit einem Feucht- deckendes Betreuernetz gewährleistet den schutzzentrum (NSZ) am Großen Teich Tor- gebiet von nationaler Bedeutung, das unmit- praktischen Schutz des Nagetieres und ver- gau, das Mitglieder und Freunde des Natur- telbar vor den Toren der Stadt Torgau liegt hindert Konfliktsituationen Biber – Mensch schutzbundes Deutschland (NABU) in einer und gleichzeitig eine so großartige Natur bie- bzw. hilft diese zu lösen. zweijährigen Ausbauzeit aus einem repara- tet. Besonders die bestehenden Fachgruppen turbedürftigen Wohnhaus errichteten. Insbesondere für Kinder, Schüler und Ju- „Ornithologie“, „Elbebiber“, „Fledermäuse“ Damit entstand erstmals in Deutschland ein gendliche werden altersgerechte Vorträge, und „Süßwasserfische“ leisten einen wichti- Naturschutzhaus, das als Schwerpunkt seiner Exkursionen, Naturführungen sowie Projekt- gen Beitrag zum Artenschutz. Spezialisten Öffentlichkeitsarbeit den Biber in den Mittel- tage gestaltet. Sehr interessiert und begei- betreuen z. B. Weiß- und Schwarzstorch, punkt stellt. stert sind natürlich die Kinder, wenn es die Austernfischer und Brachvogel, Fischotter Daß es gerade im Kreis Torgau angesiedelt „Natur pur”, also „zum Anfassen“ gibt. Eine und Bachneunauge sowie Lurche. Jährlich ist wurde, liegt in dem reichhaltigen Bibervor- solche Situation ist für sie z. B. das Fangen vom NSZ der Bau eines 2 Kilometer langen kommen und den jahrzehntelangen Erfah- und Bestimmen von Fischen in NABU-Tei- Lurchschutzzaunes abzusichern. Gegenwär- rungen im Schutz mit dieser Tierart im Kreis. chen, das „Biberstreicheln“, das Aufsuchen tig bemüht sich der NABU-Kreisverband Für die Errichtung des Biberhofes waren wei- von Biberburgen und -staudämmen sowie Er- durch Flächenkauf für Biber und Kranich den tere wesentliche Gründe die Schutzbedürf- kennen von Vogelstimmen am Großen Teich. Lebensraum zu sichern, da oft nur in dieser tigkeit des Bibers und die Sicherung seines Gerade die Vögel sind in diesem Feuchtge- Weise die Konflikte mit der Landwirtschaft Lebensraumes durch eine Vielzahl verschie- biet zahlreich. Über 100 Vogelarten brüten in und weiteren Land- sowie Wassernutzern im dener Maßnahmen sowie deren Kontrolle. diesem strukturreichen Feuchtgebiet und Interesse der Tiere gelöst werden können. Nicht zuletzt beeinflußten die Fachgruppe noch einmal soviel sind als Gäste anzutreffen. „Elbebiber“ nach der Wende im Altkreis Tor- In den Herbst- und Wintermonaten finden gau sowie der NABU-Kreisverband die Ent- sich bis zu 20 000 Wildgänse auf dem Ge- scheidung für die Errichtung und den Stand- wässer ein. ort des Biberhofes. Für die Tätigkeit des Naturschutzzentrums Mit einer Besucherzahl von 2 217 wurde interessieren sich jedoch nicht nur Natur- 1995 ein Ergebnis erreicht, das nur schwer- freunde oder die Schulen aus dem Heimat- lich zu überbieten ist. Die große Resonanz bei kreis und aus Sachsen, sondern auch aus den Verfasser Jung und Alt für die Naturschönheiten des anderen Bundesländern und dem Ausland Gottfried Kohlhase Kreises, insbesondere den Elbebiber, wurde gibt es Anfragen zum Besuch und Wünsche Leiter des Naturschutzzentrums von den Verantwortlichen des Hauses und zur Unterstützung in Naturschutzfragen. Biberhof Torgau dem NABU-Kreisvorstand mit großer Freude Zu den wichtigsten Aufgaben des NSZ gehört Dahlener Straße 19 aufgenommen. Nicht umsonst beharrte der der Aufbau des Biberbetreuernetzes und die D–04860 Torgau 38 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

JAN LANGBEIN, KLAUS-M. SCHEIBE, KNUT EICHHORN Untersuchungen zur Aktivitätsrhythmik beim europäischen Wildschaf (Ovis ammon musimon) – Möglichkeiten der Indikation von „Störungen“

Schlagwörter: Mufflon, Ovis ammon musimon, Speichertelemetrie, Aktivitätsmuster, Geburt

1. Einleitung riner Endmoränenbogens. Etwa 70 % des Zur Verhaltensmessung wurde das Speicher- Gebietes sind mit forstlichen Kulturen (Pinus telemetriesystem Ethosys eingesetzt. Dieses Für ein erfolgreiches Wildtiermanagement in silvestris, Populus tremula) bestanden System ermöglicht die simultane Erfassung den heutigen, anthropogen überformten Na- (BRIEDERMANN 1992). Die Population der motorischen Aktivität und des Nah- turräumen, ist die Kenntnis der räumlichen wurde 1980 durch die Aussetzung von vier rungsaufnahmeverhaltens bei freilebenden und zeitlichen Organisation des Verhaltens Tieren (2/2) begründet. Drei der Tiere Wildtieren. Ein Meßsystem (300 g) in Hals- der Tiere eine wesentliche Voraussetzung. stammten aus dem Einstandsgebiet Alexis- bandform registriert über interne Beschleuni- Während durch den Einsatz moderner Me- bad (Ostharz), ein Tier kam aus dem Tierpark gungs- und Lagesensoren Gesamtaktivität, thoden der Verhaltensregistrierung (Nacht- Hoyerswerda (BRIEDERMANN 1993a). Im Nahrungssuchverhalten und Nahrungsauf- sichttechnik, Verhaltenstelemetrie) in den Jahre 1993 wurde der Gesamtbestand auf nahme des Untersuchungstieres. Die Infor- letzten Jahren umfangreiche Informationen 135 Tiere geschätzt (LE PENDU et al. 1995). mation über das jeweilige Verhalten wird zur Raumnutzung von Wildtieren erarbeitet werden konnten (CEDERLUND 1989; GREEN u. BEAR 1990; DUBOIS et al. 1992; SCHMIDT 1992; BOITANI et al. 1994; DU- BOIS et al. 1994), sind die Kenntnisse zur zeitlichen Strukturierung des Verhaltens bei vielen Arten noch lückenhaft. Dies liegt vor allem an den Voraussetzungen, die für die fundierte Analyse der Zeitmuster des Verhal- tens erforderlich sind. Wildtiere müssen sich in ihrer natürlichen Umwelt in zumindest zwei extern vorgegebenen zeitlichen Dimen- sionen orientieren, der Tages- und der Jah- reszeit. Dies bedeutet, daß die Datenerfas- sung langfristig (möglichst über geschlossene Jahreszyklen) und in kurzen, möglichst äqui- distanten Meßintervallen erfolgen muß (SCHUH 1977; LANGBEIN et al. 1997). Gleichzeitig kommt es darauf an, eine Beein- flussung der Tiere durch die Datenerfassung selbst zu minimieren. Bisher liegen in Deutschland nur wenige Arbeiten zur Zeit- struktur des Verhaltens heimischer Großsäu- ger in ihrem natürlichen Lebensraum vor, die diesen Ansprüchen gerecht werden (WITT 1980; GEORGII 1981; GEORGII 1984). In der vorliegenden Arbeit wurde im Rahmen eines Pilotprojektes die langfristige und kon- tinuierliche Registrierung von Aktivitäts- und Nahrungsaufnahmeverhalten freilebender, weiblicher Mufflons (Ovis ammon musimon pallas, 1811) realisiert. Dabei kam das neu- entwickelte Speichertelemetriesystem Etho- sys zum Einsatz (SCHEIBE et al. 1995). Neben der Untersuchung der tageszeitlichen Struk- tur des Verhaltens soll im Rahmen des Pro- jektes die Wirkung jahreszeitlicher Einflüsse und externer „Störgrößen“ analysiert wer- den. 2. Material und Methode Das Verbreitungsgebiet der untersuchten Mufflonpopulation liegt im Nordosten des Landes Brandenburg (52°59’ nördlicher Brei- Abb. 1 Die mittleren monatlichen Tagesmuster der Aktivität von fünf Muffelschafen in den Monaten März (a) te, 13°50’ östlicher Länge) und hat eine Aus- und April (b). Die Verhaltensregistrierung erfolgte mit dem Speichertelemetriesystem Ethosys. Der dehnung von etwa 890 ha. Geologisch Darstellung liegen Meßintervalle von 15 Minuten zugrunde. Die Nachstunden sind als schwarze und die gehört es zu den Talsandterrassen des Cho- Dämmerungsperioden als graue Balken über der Abszisse aufgetragen. JAN LANGBEIN, KLAUS-M. SCHEIBE, KNUT EICHHORN: UNTERSUCHUNGEN ZUR AKTIVITÄTSRHYTHMIK BEIM EUROPÄISCHEN WILDSCHAF 39

sekündlich registriert. Nach Ablauf eines fest 1995). Im Februar 1995 wurden fünf freile- Verhaltensdaten erfolgte unter Verwendung eingestellten Speicherintervalls (in dieser Un- bende Mufflonschafe der oben genannten der Softwareprogramme INSTAT 2.03 und tersuchung 15 Minuten) wird ein summari- Population mit dem Speichertelemetriesy- SPSS für Windows 6.0. scher Gesamtwert für die einzelnen Verhal- stem Ethosys ausgerüstet. Angaben zu den tensweisen berechnet und im Halsband ge- Untersuchungstieren sowie die Zeiträume 3. Ergebnisse speichert. Zum Auslesen der in den Meßhals- der Verhaltensregistrierung sind in Tabelle 1 bändern gespeicherten Verhaltensdaten zusammengefaßt. Die Datenübernahmesta- Die Präzision der Verhaltensmessung mit über Funk dient eine solarenergiegespeiste tion wurde durch eine 24-Stunden-Videoü- Ethosys wurde an Hausschafen in Weidehal- Datenübernahmestation. Die Installation berwachung gefilmt. Zur Beleuchtung in den tung überprüft. Für den Zusammenhang zwi- dieser Station erfolgt zweckmäßigerweise an Nachtstunden dienten mehrere Infrarot- schen dem elektronisch gemessenen Verhal- einem von den Untersuchungstieren regel- scheinwerfer. Die Aufzeichnung erfolgte ten (mit Ethosys) und parallel durchgeführten mäßig aufgesuchten Ort, wie z. B. einer durch einen time-lapse Videorekorder. Die visuellen Beobachtungen ergaben sich bei al- Salzlecke (wie in dieser Arbeit). Zur Übertra- Videos lieferten Informationen über die Häu- len Halsbändern und für alle erfaßten Verhal- gung der Verhaltensdaten von der Datenü- figkeit der Anwesenheit von Mufflons an der tensweisen hochsignifikante Korrelationen bernahmestation auf den PC existiert eine Salzlecke und über auffällige Veränderungen (LANGBEIN et al. 1995). spezielle Sofware. Dabei wird für jedes Hals- im Verhalten der Tiere, wie etwa längere Die 24-Stunden-Muster der motorischen Ak- band eine Monatsdatei (dBase-Format) auf Phasen der Abwesenheit, sichtbare Anzei- tivität und der Nahrungsaufnahme in den der Grundlage der voreingestellten Meßin- chen von Krankheiten oder das Führen eines Monaten März und April sind in Abbildung 1 tervallänge angelegt, in die die registrierten Lammes nach der Geburt. Anhand der Vi- und 2 dargestellt. Zwischen beiden Verhal- Verhaltensdaten einsortiert werden. Zur aus- deoaufzeichnungen konnten wir nachwei- tensparametern bestand eine enge Bezie- führlichen technischen Beschreibung des Sy- sen, daß alle Tiere in der Zeit zwischen dem hung. Die berechneten Korrelationskoeffizi- stems liegen verschiedenen Publikationen 21.3. bis 12.4. ein Lamm gesetzt hatten. Die enten lagen zwischen 0,9775 und 0,9970 (p vor (SCHEIBE et al. 1995; SCHLEUSENER statistische Auswertung der registrierten < 0,0001). Im März (Abb. 1a und 2a) zeigten die Tagesmuster für alle Muffelschafe fünf gleichmäßig über den Tag verteilte Akti- vitätsschübe. Die Phasen höchster Aktivität lagen in den Zeiträumen der Morgen- und Abenddämmerung. Dabei war der abendli- che Aktivitätsschub sowohl in der zeitlichen Länge als auch in seiner Intensität stärker ausgeprägt. Insgesamt fielen 12 bis 15% der Tagesgesamtaktivität in die Zeit der Dämme- rung. Der morgendliche Aktivitätsbeginn und das abendliche Aktivitätsende waren mit der nautischen Dämmerung (Sonne 12% unter dem Horizont) synchronisiert. Am Morgen begannen die Schafe etwa 30 Minuten nach dem Hellwerden aktiv zu werden. Am Abend verringerten sie die Aktivität zeitgleich mit Einbruch der Dunkelheit. Die Maxima dieser beiden Aktivitätschübe fielen mit dem Zeit- punkt von Sonnenauf- bzw. -untergang zu- sammen. Eine weitere Aktivitätsphase gerin- gerer Intensität lag in der Zeit zwischen 12:00 bis 14:00 Uhr. Ausgeprägte Ruhephasen zeigten alle Tiere vor der Morgen- und nach der Abenddämmerung. Morgens in der Zeit zwischen 3:00 und 5:00 Uhr und abends von 19:30 bis 21:30 Uhr. Auch in den Nachtstun- den waren die Muffelschafe aktiv. Zwei Akti- vitätsphasen lagen in der Zeit zwischen 21:30 bis 23:30 Uhr und 0:30 bis 03:00 Uhr. Die Aktivität in den Nachtstunden erreichte in etwa dieselbe Höhe wie in den Hauptakti- vitätsschüben während der Dämmerungspe- rioden. Das relative Verhältnis von Aktivitäts- anteilen am Tag und in der Nacht (bezogen auf die tatsächliche Länge von Tag und Nacht) lag für alle Tiere bei etwa eins (Tier 1 = 1,12; Tier 2 = 0,99; Tier 3 = 1,04; Tier 4 = 1,16; Tier 5 = 0,81) . Dabei zählten zur Nacht die Stunden zwischen nautischer Dämme- rung am Abend und nautischer Dämmerung am Morgen. Im April fand ein umfassender Umbau der 24-Stunden-Muster des Verhaltens gegen- über dem Vormonat statt (Abb. 1b und 2b). Abb. 2 Übereinstimmung in den Tagesmustern der Die mittleren monatlichen Tagesmuster der Nahrungsaufnahme von fünf Muffelschafen in den Monaten März (a) und April (b). Die Verhaltensregistrierung erfolgte mit dem Speichertelemetriesystem einzelnen Untersuchungstiere bestand nur Ethosys. Der Darstellung liegen Meßintervalle von 15 Minuten zugrunde. Die Nachstunden sind als noch für die Lage von Aktivitätsbeginn am schwarze und die Dämmerungsperioden als graue Balken über der Abszisse aufgetragen. Morgen und Aktivitätsende am Abend und 40 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

hinsichtlich der nächtlichen Aktivitätsperi- ode. Eine klar strukturierte Abfolge von Akti- vitäts- und Inaktivitätsphasen fanden wir im April nicht mehr. In den Hellstunden traten eine Vielzahl kleinerer Aktivitätsschübe zu in- dividuell unterschiedlichen Zeiten auf. In den Nachtstunden zeigten die Tiere nur noch eine Aktivitätsperiode in der Zeit zwischen 21:30 und 02:00 Uhr. Die Aktivität in der Hellzeit war gegenüber dem März erhöht. Das relati- ve Verhältnis von Tages- zu Nachtaktivität lag deutlich über eins (Tier 1 = 1,85; Tier 2 = 1,23; Tier 3 = 1,77; Tier 4 = 1,80; Tier 5 = 2,16). Die Synchronisation zwischen Akti- vitätsbeginn und -ende und der Dämmerung hatte sich verringert. Morgens begannen die Tiere erst 20 Minuten nach der nautischen Dämmerung aktiv zu werden und abends stellten sie die Aktivität bereit 20 Minuten vor Einbruch der Dunkelheit ein. Die Hauptakti- vitätsphasen veränderten ihre zeitliche Lage im Tagesgang in Abhängigkeit vom Untersu- chungsmonat. Der Abstand zwischen den Aktivitätsperioden in der Morgen- und Abenddämmerung vergrößerte sich entspre- chend der zunehmenden Tageslänge. Die beiden nächtlichen Aktivitätsphasen zeigten dagegen in den kürzeren Nächten im April die Tendenz, zu einer einzigen Aktivitätsperi- ode zu verschmelzen. Im März waren die Schafe 7 bis 10 Stunden pro 24 Stunden ak- tiv. Davon wendeten sie 5 bis 7 Stunden für die Nahrungsaufnahme auf (Tabelle 2). Im April stiegen bei drei Schafen die Tagesge- samtaktivität und die Zeit der Nahrungsauf- nahme gegenüber dem Vormonat an (Mann- Whitney Test; p < 0,01). Der Anteil der Nah- rungsaufnahmezeit an der Gesamtaktivität lag für die Tiere in beiden Untersuchungsmo- naten zwischen 70 und 80 %. 4. Diskussion Mit dem neuentwickelten Speicherteleme- triesystem Ethosys ist die langfristige und si- noch mit optischen Sichtmarken versehen SAMBRAUS 1991; LANGBEIN u. NICHEL- multane Erfassung unterschiedlicher Verhal- war, konnten wir zu keinem Zeitpunkt der MANN 1993). Man kann davon ausgehen, tensparameter an freilebenden Groß-säugern Untersuchung feststellen. Anders als in den daß ähnlich enge Zusammenhänge auch für möglich. Besonders hervorzuheben ist die Arbeiten von BAMBERG am Damwild (1985; wildlebende Wiederkäuerarten bestehen absolute Kontinuität und die hohe Dichte der 1987) gab es auch bei der Reintegration der (JARMAN u. JARMAN, 1973; GEORGII Meßwerterfassung mit diesem System, die besenderten Tiere in bestehende Sozialver- 1981; NICHELSON u. Husband 1992). Von mit keiner anderen, gegenwärtig verfügba- bände kein Problem. Die Tiere konnten teil- manchen Autoren wird Aktivitäts- und Nah- ren Technik (Radiotracking, Satellitenortung) weise schon am Tag nach dem Anlegen des rungsaufnahmezeit sogar gleichgesetzt (SPI- erreicht wird. In der hier vorliegenden Unter- Halsbandes in Begleitung anderer, nichtmar- NAGE 1968; BEIER u. McCULLOUGH 1990). suchung registrierten wir das Verhalten von kierter Tiere an vertrauten Plätzen (Salzlecke) Bedingt durch den relativ geringen Nähr- fünf freilebenden Mufflonschafen über ins- beobachtet werden. Dies ist im Vergleich zu stoffgehalt pflanzlicher Nahrung sind Gras- gesamt 412 Tiertage mit 39 552 Datensät- den oben erwähnten Untersuchungen er- fresser während der gesamten Aktivitätszeit zen. Ethosys ist für viele Fragestellungen, die wähnenswert, da auch beim Mufflon dem überwiegend mit der Nahrungssuche und - die Langzeitregistrierung integrativer Verhal- optische Sinn eine herausragende Bedeutung aufnahme beschäftigt. Andere Verhaltens- tenskomponenten freilebender Wildtiere bei der Wahrnehmung der Umwelt zukommt weisen wie etwa Komfortverhalten, Sozial- voraussetzen, eine ideale Technik. Einschrän- (NIETHAMMER u. KRAPP 1986; BRIEDER- verhalten, Sexualverhalten und Spielverhal- kend muß gesagt werden, daß sich dieses Sy- MANN1993a; TOMICZEK u. TÜRCKE ten nehmen nur einen vergleichsweise gerin- stem zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch 1995). Die schnelle Wiedereingliederung der gen Teil des Tages ein. Saisonal bedingte Ver- nicht für die Erfassung des Verhaltens migrie- Halsbandtiere in ein Rudel hat seine Ursache änderungen in der Aktivitätszeit werden zu- render Arten eignet, da das Auslesen der in wahrscheinlich in der hohen Sozialappetenz meist durch das jahreszeitlich veränderte den Halsbändern gespeicherten Informatio- die für Mufflons nachgewiesen wurde (BRIE- Nahrungsangebot und die Verdaulichkeit der nen nur an bestimmten, im Gelände fest in- DERMANN 1993b). verfügbaren Nahrung induziert (CEDER- stallierten Stationen erfolgt. Diese Stationen Ein hoher Grad der Synchronisation zwischen LUND 1989; CEDERLUND et al. 1989). müssen von den Tieren in bestimmten Ab- motorischer Aktivität und Nahrungsaufnah- Die enge Kopplung zwischen der endogen ständen (alle 3 bis 4 Wochen) aufgesucht meverhalten wurde zuerst für pflanzenfres- gesteuerten Verhaltensrhythmik und dem werden. Reaktionen der Untersuchungstiere sende Großsäuger in Menschenhand nach- natürlichen Hell-Dunkel-Wechsel (ASCHOFF auf das Meßhalsband, das zusätzlich auch gewiesen (SAMBRAUS 1978; PORZIG u. 1954) konnte bereits für verschiedene Wild- JAN LANGBEIN, KLAUS-M. SCHEIBE, KNUT EICHHORN: UNTERSUCHUNGEN ZUR AKTIVITÄTSRHYTHMIK BEIM EUROPÄISCHEN WILDSCHAF 41

wiederkäuer nachgewiesen werden: (Gemse zunehmend die Mutter vor, wann und wie between motor activity and grazing for all – BRIEDERMANN1967; Steinbock – FOX et lange das Lamm trinken darf (SHAKLETON animals. The daily activity of the sheep was 7 al. 1992; Schneeziege – PEDEVILLANO u. u. HAYWOOD 1985; ALADOS u. ESCOS to 10 hours. 70 to 80 per was spent for graz- WRIGHT 1987; Wildziege – NICHELSON u. 1988; FESTA-BIANCHET 1988). Somit ist die ing. We found a high degree of synchronisa- HUSBAND 1992; Rothirsch – GEORGII 1981; Verhaltensrhythmik des Muttertieres in den tion between the behaviour patterns and the GEORGII 1984; SEMIADI et al. 1993). ersten Wochen nach der Geburt durch die in- natural light-dark-cycle. We assumed this cy- Während in vielen Untersuchungen der Zeit- dividuell noch sehr verschiedenen Rhythmen cle to be the dominant zeitgeber for the ani- punkt von Sonnenauf- und -untergang als von Aktivität und Nahrungsaufnahme der mals in their habitat. The structure of the dai- der entscheidende Zeitgeber für die Synchro- einzelnen Lämmer beeinflußt. Entsprechend ly patterns in March were identical for all nisation von Verhaltensrhythmik und Um- finden wir in den Aktivitätsmustern im April sheep. The main activity periods were shown weltperiodizität angesehen wird (HOEFS eine Vielzahl kurzer Aktivitätsschübe gerin- at dawn and dusk as well as before and after 1974; ERKINARDO et al. 1983; SKOGLAND ger Intensität und große individuelle Unter- midnight. Significant resting periods happen- 1984; COLLINS u. SMITH 1989), hat für das schiede zwischen den einzelnen Untersu- ed before dawn and after dusk. There was no Mufflon die nautische Dämmerung diese chungstieren. difference in the relative amount of motor ac- Funktion. Wildschafe, die sich in erster Linie Tierarten, die ursprünglich tagaktiv sind, kön- tivity between day and night. The almost optisch orientieren (TOMICZEK u. TÜRCKE nen infolge unterschiedlicher Störfaktoren complete change of the behaviour patterns in 1995), beginnen und beenden ihre Akti- mehr oder weniger stark Verhaltensanteile in April were discussed in relation to physiologi- vitätsphasen in den Dämmerungsperioden die Nachtstunden verlagern (BÖTTCHER u. cal and behavioural changes caused by lamb- etwa zeitgleich mit dem Hell- bzw. Dunkel- BRIEDERMANN 1989; GREEN u. BEAR 1990; ing. werden. Bei Untersuchungen an Rothirschen SCHMIDT 1992). Solche Störgrößen können in den Alpen kam GEORGII (1981) zu ähnli- z. B. hohe Umgebungstemperaturen, eine chen Ergebnissen. Daß diese Kopplung am starke Insektenbelastung oder auch ein hoher Literatur Abend stärker ausgeprägt ist, hat wahr- Grad anthropogen bedingter „Störungen“ im ALADOS, C.L. u. ESCOS, J. 1988: Parturition dates and scheinlich ernährungsphysiologische Ursa- Lebensraum sein (Tourismus, Jagd) (BEIER u. mother-kid behaviour in Spanish ibex (Capra pyrenai- ca) in Spain. -J. Mamm. 69: 172-175 chen. Nach der langen abendlichen Freßpha- McCULLOUGH 1990; MAUBLANC et al. ASCHOFF, J. 1954: Zeitgeber der tierischen Jahrespe- se ist der Pansen bei allen Tiere gut gefüllt, 1992; HAYES u. KRAUSMAN 1993). In der riodik. -Die Naturwissenschaften 41: 49-55 und mit Einbruch der Dunkelheit beginnt eine untersuchten Population wurden hohe Antei- BAMBERG, F. 1985: Untersuchungen zu gefangen- schaftsbedingten Verhaltensänderungen beim Dam- längere Ruhephase, die in erster Linie dem le an Nachtaktivität in Monaten festgestellt, wild (Cervus dama, Linné, 1758). -Beitr. z. Wildbiol.: 5 Wiederkauen dienen dürfte. Einen einheitli- in denen keiner dieser Faktoren direkt ein- BAMBERG, F.B. 1987: Zur Verwendung von Hals- chen Beginn der Ruheperiode am Abend wirkte. Allerdings muß berücksichtigt wer- bandsendern in der Biotelemetrie beim Damwild. -Z.f. stellte auch KOCH (1968) bei Rindern in ex- den, daß sich bei einer sehr langen Jagdsaison Jagdwiss. 33: 71-77 BEIER, P. u. McCULLOUGH, D.R. 1990: Factors influ- tensiver Weidehaltung fest. Am Morgen ist (August – Februar) die Abschußzahlen für das encing white tailed deer activity patterns and habitat die in den Nachtstunden aufgenommene Muffelwild in der untersuchten Population in use. -Wildlife Monographs 109: 1-51 Nahrung noch nicht vollständig verdaut, so den letzten drei Jahren etwa verdoppelt ha- BOITANI, L.; MATTEI, L.; DOMITILLA, N. u. CORSI, F. 1994: Spatial and activity patterns of wild boar in Tus- daß die morgendliche Aktivitätsphase zeitlich ben. Wir schlußfolgerten, daß der hohe Anteil cany, Italy. -J. Mamm. 75: 600-612 verzögert zum Hellwerden und für die einzel- an Nachtaktivität im Monat März, der im Ge- BÖTTCHER, W. u. BRIEDERMANN, L. 1989: Der Ein- nen Tiere auch weniger einheitlich beginnt. gensatz zu bisherigen Aussagen zur Akti- fluß von Verhaltensweisen des Muffelwildes auf seine Bejagung. -Beitr. z. Jagd- und Wildforsch. 16: 43-48 Die Bedeutung des natürlichen Hell-Dunkel- vitätsrhythmik beim Muffelwild steht (PFEF- BRIEDERMANN, L. 1967: Zum Ablauf der sommerli- Wechsels für die Zeitstruktur des Verhaltens FER 1967; TOMICZEK u. TÜRCKE 1995), chen Aktivitätsperiodik des Gamswildes (Rupicapra r. wird auch durch die variable Lage der nächt- eine direkte Folge der intensiven jagdlichen rupicapra [L.1758]) in freier Wildbahn. -Der Zool. Gar- ten 33: 279-305 lichen Aktivitätsschübe deutlich. Ergebnisse Verfolgung darstellt. Frühere Untersuchun- BRIEDERMANN, L. 1971: Ermittlungen zur Aktivitäts- anderer Untersuchungen zeigen, daß in den gen haben gezeigt, daß die Tiere der unter- rhythmik des europäischen Wildschweines (Sus s. scro- sehr kurzen Dunkelphasen im Juni überhaupt suchten Population auch in anderen Monaten fa L.). -Der Zool. Garten 40: 302-327 BRIEDERMANN, L. 1989: Beobachtungen zum Ge- keine Nachtaktivität mehr auftritt (LANG- (Juli bis September) in den Nachtstunden sehr burtsverhalten und zur Mutterfamilienbildung beim BEIN et al. 1997). Erst ab Juli etabliert sich er- aktiv sind (LANGBEIN et al. 1996). Dies Mufflon (Ovis ammon musimon Schreber, 1782). - neut ein mitternächtlicher Aktivitätspeak, der spricht für eine hohe Plastizität im Verhalten Beitr. z. Jagd- und Wildforsch. 16: 112-116 mit zunehmenden Länge der Nacht ab Sep- der Wildschafe. Inwieweit diese Verhaltens- BRIEDERMANN, L. 1992: Ergebnisse von Untersu- chungen zur Reproduktion des Mufflons (Ovis ammon tember in zwei getrennte Aktivitätsphasen verlagerungen beim Mufflon reversibel sind, musimon). -Z. f. Jagdwiss. 38:16-25 übergeht (KOCH 1968; KOVALCIKOVA u. wie z. B. für das Wildschwein nachgewiesen BRIEDERMANN, L. 1993a: Unser Muffelwild. Verlag KOVALCIK 1978; LANGBEIN et al. 1996). In werden konnte (BRIEDERMANN 1971), läßt Neumann-Neudamm. -Morschen-Haina BRIEDERMANN, L. 1993b: Über die Spuren früher Do- den ersten 3 bis 4 Wochen nach der Geburt sich in letzter Konsequenz nur in „ungestör- mestikation oder später innerartlicher Kreuzung beim wird die Verteilung der Aktivität über den ten“ Populationen überprüfen. europäischen Mufflon Ovis ammon (orientalis) musi- Tag, sowie die Verhaltensrhythmik des Scha- mon Pallas, 1811. -Beitr. z. Jagd- und Wildforsch. 18: 39-51 fes weitgehend durch das Lamm bestimmt. 5. Summary CEDERLUND, G. 1989: Activity patterns in moose and Seine Prägung auf das Muttertier erfolgt in- roe deer in the north boreal forest. -Holarctic Ecology nerhalb der ersten 3 bis 4 Lebenstage We continuously recorded motor activity and 12: 39-45 CEDERLUND, G.; BERGSTROM, R. u. SANDGREN, F. (TSCHANZ 1962; BRIEDERMANN1989). feeding behaviour of five female mouflon 1989: Winter activity pattern of females in two moose Dabei spielt für das Lamm die Wahrnehmung sheep (age 3 to 5 years) of a population at populations. -Can. J. Zool. 67: 1516-1522 optischer und akustischer Reize die entschei- Niederfinow (Germany, State Brandenburg) COLLINS, W.B. u. SMITH, T.S. 1989: Twenty-four hour behaviour patterns and budgets of free ranging dende Rolle. Darüber hinaus muß das Jung- during March and April 1995. For data reindeer in winter. -Rangifer 9: 2-8 tier in engem Kontakt zur Mutter seinen Le- collection we used the storage-telemetry-sy- DUBOIS, M.; GERARD, J.-F. u. MAUBLANC, M.-L. bensraum kennenlernen. Auch die Auswahl stem ETHOSYS. The main component is an 1992: Seasonal movements of female Corsican der richtigen Futterpflanzen wird an der Sei- electronic collar (weight 300 gram) which re- mouflon (Ovis ammon) in a mediterranean mountain range, southern France. -Behav. Processes 26: 155- te der Mutter gelernt (BRIEDERMANN cords the animal behaviour every second and 166 1993a). Eine Verlagerung der Aktivität in die summarised the data over a period of 15 mi- DUBOIS, M.; BON, R.; CRANSAC, N. u. MAUBLANC, Hellzeit hilft bei der Realisierung dieser Pro- nutes. Whenever the animal visits a special M.-L. 1994: Dispersal patterns of corsican mouflon ewes: importance of age and proximate influences. - zesse. In den ersten 3 bis 4 Lebenswochen „link-station“ (e.g. at a salt lick), the stored App. Anim. Behav. Sci. 42: 29-40 bestimmt das Lamm auch die Anzahl und die data is transferred from the collar to the sta- ERKINARDO, E.; HEIKURA, K.; LINDGREN, E.; PULLIA- Länge der täglichen Saugakte (POINDRON tion. We calculated the daily pattern of ac- NINEN, E. u. SULKAVA, S. 1983: Studies on the daily activity of semi-domestic reindeer (Rangifer tarandus et al. 1993; POINDRON et al. 1994; L`Heu- tivity and grazing over a period of one L.) and wild forest reindeer (Rangifer t. fennicus Lonnb.) reux et al. 1995). Erst nach dieser Zeit gibt month. We found significant correlation’s in eastern Finnland. -Acta Zool. Fennica 175: 29-31 42 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

FESTA-BIANCHET, M. 1988: Nursing behaviour of big- LE PENDU, Y.; BRIEDERMANN, L.; GERARD, J.F. u. tierforschung. Bd. 1. Wiss. Beitr. Univ. Halle: 45-50 horn sheep correlates of ewes age, parasitism, lamb MAUBLANC, M.L. 1995: Inter-individual associations SCHMIDT, K. 1992: Über den Einfluß von Fütterung age, birthday and sex. -Anim. Behav. 36: 1445-1454 and social structure of a mouflon population (Ovis ori- und Jagd auf das Raum-Zeit-Verhalten von alpinem FOX, J.L.; SINHA, S.P. u. CHUNDAWAT, R.S. 1992: Ac- entalis musimon). -Behav. Processes 34: 67-80 Rotwild. -Z. f. Jagdwiss. 38: 88-100 tivity patters and habitat use of ibex in the Himalaya MAUBLANC, M. L.; DUBOIS, M.; TEILLAND, P. u. Schuh, J. 1977: Biorhythmen und ihre Bedeutung für die mountains of India. -J. Mamm. 73: 527-534 CUGNASSE, J.M. 1992: Effects of recreational and hun- Wildbiologie. -Beitr. z. Jagd- u. 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EICHHORN, K. 1997: try, Williamsburgh (USA), March 26 – 31, 1995 Institut für Zoo- und Wildtierforschung Verhaltensmuster und Budgets einzelner Verhaltens- SCHLEUSENER, TH. 1995: Gerätesystem Ethosys zum im Forschungsverbund Berlin e.V. weisen bei freilebenden europäischen Wildschafen automatischen Erfassen ethologischer Daten an Nutz- (Ovis ammon musimon Pallas, 1811). -Z. f. Jagdwis- und Wildtieren. In: STUBBE, M.; STUBBE, A. u. HEI- Alfred-Kowalke-Str. 17 sensch. 43: 35-47 DECKE, D. (Hrsg.) Methoden feldökologischer Säuge- D–10315 Berlin

HOLGER MEINIG Zur Artenverarmung von Kleinsäuger- coenosen städtischer Ballungsräume Schlagworte: Isolation, Verinselung, Artenverarmung, Insectivora, Rodentia

1. Einleitung ner durch landwirtschaftliche Nutzung iso- von Migrationen erreichbar sind. Im Rahmen lierten Population der Gelbhalsmaus (Apode- verschiedener Untersuchungen habe ich Während bei größeren Säugern, wie bei- mus flavicollis) in der Soester Börde (Nord- mich mit den Kleinsäugergesellschaften sol- spielsweise den Carnivoren, die Auswirkun- rhein-Westfalen) in nur 5 km Entfernung cher, über lange Zeiträume hinweg isolierter gen von Lebensraumverinselungen relativ vom geschlossenen Verbreitungsgebiet, be- Gebiete faunistisch befaßt, genetische Unter- einfach durch Befragung der Jagdberechtig- reits eine signifikante Reduktion des Hetero- suchungen stehen noch aus. ten, Spurensuche oder Baukontrolle nachzu- zygotiewertes festgestellt werden (ALF weisen sind (s. HERRMANN, dieser Band), 1995). Ob dies aber tatsächlich langfristig zu 2 Untersuchungen von waren diese bei den Kleinsäugern aus den einem Ausfall der Art im betreffenden Gebiet Kleinsäugercoenosen Ordnungen Insektenfresser und Nagetiere führen wird, ist nicht prognostizierbar. bislang kaum erfaßbar. In vielen städtischen Ballungsräumen gibt es 2.1 Hardt/Wuppertal Erst durch die Einführung biochemischer und heute große Parkanlagen oder auch mehr Gebietsbeschreibung molekularbiologischer Methoden sind die natürlichen Vegetationsverhältnissen ent- Zentral in Wuppertal liegt die 36 ha große Auswirkungen meßbar geworden. Durch den sprechende Naherholungsgebiete, über de- Parkanlage „Hardt“. In diesem Park gibt es Nachweis herabgesetzter Heterozygotie ren Kleinsäugerbestände nur wenig bekannt eine Vielzahl von Habitattypen, von Buchen- (verringerter Genbestand) verinselter Popu- ist. Diese Grünflächen sind durch Straßen althölzern über Streuobstwiesen bis zu klassi- lationen gegenüber Populationen aus einem und Bebauung vom Umland abgeschnitten. schen Parkbereichen. Die Hardt ist seit ca. geschlossenen, mehr oder minder homogen Es muß davon ausgegangen werden, daß sie 200 Jahren vom Umland abgeschnitten. Bis strukturierten Verbreitungsgebiet wurden er- für Kleinsäuger noch viel weniger als die In- ca. 1870 war das Gebiet ackerbaulich, durch ste Auswirkungen sichtbar. So konnte bei ei- selhabitate in der Agrarlandschaft im Laufe Wohnbebauung oder als Steinbruch genutzt. HOLGER MEINIG: ZUR ARTENVERARMUNG VON KLEINSÄUGERCOENOSEN STÄDTISCHER BALLUNGSRÄUME 43

Danach wurde es in eine zentrale Parkanlage umgewandelt. Tabelle 1: Potentielle und tatsächliche Vorkommen von Kleinsäugern in 1 Material und Methode der Parkanlage „Hardt“, Wuppertal/Nordrhein-Westfalen Wenn man lange Zeit in einem Landschafts- Maulwurf Talpa europaea - raum gefangen hat, weiß man nicht nur, wel- Schabrackenspitzmaus Sorex coronatus - che Arten vorkommen, sondern man ent- Zwergspitzmaus Sorex minutus - wickelt auch eine Vorstellung, welche Arten Hausspitzmaus Crocidura russula + in den jeweiligen Habitattypen anzutreffen Rötelmaus Clethrionomys glareolus + sind. Ich habe 15 Jahre direkt an dieser Park- Schermaus Arvicola terrestris + anlage gewohnt und jede Maus aufgesam- Kleinwühlmaus Microtus subterraneus - melt, die tot zu finden war. Außerdem wurde Feldmaus Microtus arvalis + intensiv mit Schlagfallen und Bodenfallen das Erdmaus Microtus agrestis + Waldmaus Apodemus sylvaticus + gesamte Angebot an Habitattypen während Hausmaus Mus domesticus + 5 Jahren abgefangen. Bei einer Gegenüber- Wanderratte Rattus norvegicus + stellung der möglichen und der tatsächlichen Eichhörnchen Sciurus vulgaris + Vorkommen ergibt sich das aus Tab. 1 zu ent- nehmende Bild. 1 (eigene Daten) Ergebnisse Am augenfälligsten ist das Fehlen des Maul- wurfs (Talpa europaea). Besonders hinweisen möchte ich auch auf das Fehlen der Rotzahn- Tabelle 2: Potentielle und tatsächliche Vorkommen von Kleinsäugern im 1 spitzmäuse (Gattung Sorex) (der ökologische NSG „Berger Mühlental“, Bochum/Nordrhein-Westfalen „Waldspitzmaustyp“ wird im atlantisch ge- Maulwurf Talpa europaea + prägten Landschaftsraum im wesentlichen Schabrackenspitzmaus Sorex coronatus - durch die Schabrackenspitzmaus Sorex coro- Zwergspitzmaus Sorex minutus - natus vertreten, MEINIG 1991) und der Wasserspitzmaus Neomys fodiens - Kleinwühlmaus (Microtus subterraneus). Hausspitzmaus Crocidura russula + Erd- (Microtus agrestis) Feld- (M. arvalis) Rötelmaus Clethrionomys glareolus + und Schermaus (Arvicola terrestris) konnten Schermaus Arvicola terrestris + nur auf einer Teilfläche, einer Streuobstwiese, Kleinwühlenmaus Microtus subterraneus - nachgewiesen werden. Feldmaus Microtus arvalis + Erdmaus Microtus agrestis + Auch die beiden Carnivorenarten Steinmar- Zwergmaus Micromys minutus - der (Martes foina) und Iltis (Mustela putori- Waldmaus Apodemus sylvaticus + us), von denen regelmäßige Beobachtungen Hausmaus Mus domesticus + aus nur 1 500 m Entfernung vorliegen, nutz- Wanderratte Rattus norvegicus + ten die Parkanlage lange Zeit nicht als Streif- Eichhörnchen Sciurus vulgaris + gebiet. Erst im April 1994 wurde ein überfah- rener Iltisrüde gefunden, im April 1996 zum 1 (eigene Daten, Ruhr-Universität Bochum) ersten Mal ein Steinmarder beobachtet. Die- se Entwicklung hängt wahrscheinlich mit den steigenden Dichten der beiden Arten in die- sem Teil des Rheinlandes zusammen. Herme- Mitt.). Beobachtungen und Totfunde wurden Westfalen) wurden 5 Bodenfallen (Tiefe 45 lin (Mustela erminea) und Mauswiesel (M. ebenfalls einbezogen. cm, Durchmesser 20 cm) installiert. Diese nivalis) treten nach wie vor nicht auf. Ergebnisse wurden während 5 Jahren, von 1987 bis Nach der Habitatausstattung könnten noch 1991, jeweils im September 30 Tage (150 2.2 Berger Mühlental/Bochum zwei Arten mehr als in der Parkanlage Fangnächte/Jahr) lang betrieben. Die Ergeb- Gebietsbeschreibung „Hardt“ auftreten: Wasserspitzmaus (Neo- nisse schwanken von Jahr zu Jahr erheblich Das Naturschutzgebiet „Berger Mühlental“ mys fodiens) und Zwergmaus (Micromys mi- und zeigen ein Bild der Populationsentwick- liegt zwischen den Ruhrgebietsstädten Bo- nutus). Beide konnten nicht nachgewiesen lung und Dichte der Hausspitzmaus (Croci- chum und Herne in Nordrhein-Westfalen. werden (Tab. 2). dura russula) im jeweiligen Jahr (Abb. 1). Bei Die Fläche des Naturschutzgebietes beträgt Der Maulwurf tritt auf. Dagegen fehlen auch nur einem Untersuchungsjahr könnte man zu 18 ha, es wird von einem Landschaftsschutz- hier wieder die Rotzahnspitzmäuse und die falschen Rückschlüssen kommen. gebiet von 220 ha umgeben. Bis ca. 1850 Kleinwühlmaus. Eine andere Fläche, ebenfalls in Wuppertal, wurde das Gebiet überwiegend ackerbaulich wurde 1975 nach dem Bau einer Autobahn und zur Weidewirtschaft genutzt und war 3. Diskussion als Parkanlage eingerichtet. Ab 1987 wurde fast waldfrei. Ab 1900 prägte der Bergbau die Pflege extensiviert. In den folgenden 5 das Bild. Verbliebene Waldbestände wurden Durch Isolation bedingte Störungen sind Jahren konnten in 5 Fallen des oben be- abgeholzt und die Abwässer der Kohlewä- über die Vollständigkeit oder Nicht-Vollstän- schriebenen Typs ausschließlich Feldmäuse sche wurden in den Bach geleitet: pro Jahr digkeit der zu erwartenden Kleinsäugercoe- (Microtus arvalis) nachgewiesen werden und 40 000 t phenolhaltiger Schlamm. Dieser nose erfaßbar. das auch nur, wenn die Fläche relativ trocken wurde ab 1906 in die Kanalisation geleitet. Am einfachsten zu erfassen und bereits am war (Abb. 2). Im Untergrund der Parkanlage Ab 1920 wurde aufgeforstet (alle Angaben längsten bekannt ist, daß der Maulwurf stark ist Lehm vom Autobahnbau eingebracht aus ZEHNTER et al. 1991). Fast alle heutigen isolierte Innenstadtbereiche früher oder spä- worden, so daß nach starken Niederschlägen Waldbestände stammen aus dieser Zeit. ter aufgeben muß (z. B. JOHANNESSON- das Wasser häufig bis kurz unterhalb der Material und Methode GROSS 1987, RAHM u. DIETRICH 1987). Grasnarbe ansteht und so die Feldmaus die Im Berger Mühlental wurde während zweier Negativ-Nachweise bei mausartigen Klein- Fläche nur in trockenen Perioden von der Au- Jahre mit Schlag- und Bodenfallen gefangen. säugern sind nur nach langen und intensiven tobahnböschung aus besiedeln kann. Beson- Außerdem konnte auf Material aus Barber- Untersuchungen absicherbar. Hierfür möchte ders bei der Feldmaus ist auch zu berücksich- fallen von vier Jahren aus Praktikumsveran- ich einige Beispiele anführen. tigen, daß ihr Auftreten oder Fehlen auf einer staltungen der Ruhr-Universität Bochum Auf einer ca. 200 m2 großen Teilfläche der suboptimalen Fläche davon abhängen kann, zurückgegriffen werden (GALFOFF, mündl. Parkanlage „Hardt“ (Wuppertal/Nordrhein- ob sich die Art großräumig gerade in einer 44 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Abb. 1 Abb. 2 Fänge der Hausspitzmaus (Crocidura russula) und der Waldmaus (Apodemus Fänge der Feldmaus (Microtus arvalis) auf einer Probefläche in Wuppertal von sylvaticus) auf einer Probefläche des Untersuchungsgebietes 1987 bis 1991. Weitere Erläuterungen im Text. „Hardt“/Wuppertal von 1987 bis 1991. Weitere Erläuterungen im Text.

Gradation befindet oder nicht. Eine Stichpro- lich davon ausgegangen werden kann, daß Literatur be im Herbst 1995 ergab, daß inzwischen die Arten fehlen. Dies könnte im Sozialver- ALF, R. 1995: Untersuchung zur genetischen Struktur von isoliert lebenden Populationen der Gelbhalsmaus auch Rötelmaus (Clethrionomys glareolus) halten der streng territorial organisierten Rot- (Apodemus flavicollis (MELCHIOR 1834)) in einer in- und Maulwurf (Talpa europaea) die Fläche zahnspitzmäuse (z.B. CROIN MICHIELSEN tensiv genutzten Agrarlandschaft. -Diplomarbeit Univ. besiedelt haben. Die Besiedlungsvorgänge 1966) begründet sein, was sich stark von Bonn. -83 S. BOYE, P. u. MEINIG, H. 1997: Amphibienlandfallen aus der freien Landschaft, die in diesem Fall dem der Hausspitzmaus unterscheidet (CAN- aus der Sicht des Säugetierschutzes. In: HENLE, K. u. möglich sind, dauern noch an, eine Beurtei- TONI u. VOGEL 1989). Dieses dürfte auch zu VEITH, M. (Hrsg.): Methoden der Feldherpetologie. - lung der Fäche als Kleinsäugerlebensraum ist der relativen Resistenz der Hausspitzmaus Mertensiella 5: 365-376 immer noch nicht abschließend möglich. gegenüber Aussterbeereignissen in stark iso- BURGMANN, M.; CANTONI, D. u. VOGEL, P. 1992: Shrews in suburbia: an application of Goodman’s ex- Andere Arten treten in so geringen Dichten lierten Gebieten führen (BURGMANN et al. tinction model. -Biol. Conserv. 61: 117-123 auf, daß sie nur schwierig nachzuweisen sind 1992). CANTONI, D. u. VOGEL, P. 1989: Social organization bzw. unter der Nachweisgrenze liegen. Im Das Fehlen der Kleinwühlmaus in den and mating system of free-ranging, greater white- toothed shrews, Crocidura russula. -Anim. Behav. 38: Rahmen einer faunistischen Kartierung konn- Flächen hängt wahrscheinlich auch mit ihrer 205-214 te 1986 im Liesertal bei Daun (Rheinland sozialen Struktur in punktuell verbreiteten CROIN MICHIELSEN, N. L. 1966: Intraspecific and in- Pfalz) die Sumpfspitzmaus (Neomys anoma- Familiengruppen und ihrem gegenüber an- terspecific competition in the shrews Sorex araneus L. and Sorex minutus L. -Arch néerl. Zool. 17: 73-174 lus) nachgewiesen werden (MEINIG u. RA- deren Wühlmäusen nur geringen Reproduk- HERRMANN, M. 1997: Die Verinselung der Lebens- DERMACHER 1989). Es handelte sich um tions- und damit Wiederbesiedlungspotenti- räume von Carnivoren - von der Inselökologie zur pla- den dritten Nachweis der Art im Regierungs- al zusammen. nerischen Umsetzung. -Natursch. u. Landschaftspflege i. Brandenburg (i. diesem Heft) bezirk Trier. Während einer anderen Untersu- Die oben angeführten Ergebnisse veran- MEINIG, H. 1991: Zur Verbreitung und Ökologie von chung bei Wittlich, ebenfalls im Liesertal in schaulichen, zu welch dauerhaften Artenver- Sorex araneus L., 1758 und S. coronatus MILLET 1828 einer Luftlinienentfernung von 25 km, wur- armung die zunehmende Verinselung der (Mammalia, Insectivora) im Kreis Mettmann und in der Stadt Wuppertal. -Jber. naturw. Ver. Wuppertal 44: 5- den 1990 Habitate entdeckt, die ein Vor- Landschaft durch die menschliche Bautätig- 14 kommen der Sumpfspitzmaus wahrscheinlich keit führt. Sie sollen nicht als Argumentati- MEINIG, H. u. RADERMACHER, H. 1989: Zwei neue machten. Trotz intensiver Fangversuche und onsbasis dazu dienen, isolierte Flächen mit Nachweise der Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus) Gewöllanalysen dauerte es drei Jahre, bis ein verschwundenen Arten zu „bereichern“, aus der Eifel. -Decheniana 142: 44-46 JOHANNESSON, K. 1987: Sind Städte Maulwurfswü- Nachweis in einer Gewöllprobe gelang. sondern vor Augen führen, wie arm unsere sten? Ein Beitrag zur urbanen Verbreitung von Talpa Untersuchungen, die tatsächlich das Fehlen Umwelt bei weiterem Landschaftsverbrauch europaea L. In: KLÖS, H.; FRÄDRICH, G. H. u. NIE- von Arten nachweisen sollen, müssen über unweigerlich werden wird. Dem sollte nach MITZ, C. (Hrsg.): 61. Hauptvers. d. D. Ges. Säuge- tierkde. Kurzfass. Vorträge u. Posterdemonstrationen. mehrere Jahre, mit verschiedenen Fallenty- Möglichkeit entgegengewirkt werden; be- Parey Verlag. -Hamburg u. Berlin: 24 pen und nach Möglichkeit unter Einbezie- stehenden Isolationen sollte, wo immer mög- RAHM, U. u. DIETRICH, H. R. 1987: Wildlebende Säu- hung von Totfunden und Gewöllanalysen lich, durch vernetzende Maßnahmen, auch getiere in der Stadt Basel. -Verh. d. Naturforsch. Ges. Basel 97: 1-16 vorgenommen werden. im innerstädtischen Bereich, entgegenge- ZEHNTER, H.-C.; PETERS, U. u. BEZOLD, F. 1991: Das Das Fehlen der Arten in den Untersuchungs- wirkt werden. Naturschutzgebiet Tippelsberg/Berger Mühle im Nor- gebieten „Hardt“ und „Berger Mühlental“ den Bochums. -Selbstverlag: - 24 S. ist wahrscheinlich weniger auf genetische 4. Summary Verarmung als vielmehr auf die Unfähigkeit einiger Arten, Flächen wieder zu besiedeln, The disappearing of small mammal species in wenn ihre Habitatansprüche eigentlich wie- long-time isolated innercity areas is docu- der gedeckt wären, zurückzuführen. Auffällig mented. Mole (Talpa europaea), red-toothed ist das Fehlen der Rotzahnspitzmäuse, die ein shrews (genus Sorex and Neomys), common noch geringeres Wiederbesiedlungspotential pine vole (Microtus subterraneus) and har- zu besitzen scheinen als der Maulwurf und vest mouse (Micromys minutus) seem to be das der Kleinwühlmaus. very susceptible to extinction. Possible rea- Verfasser Bodenfallenfänge zeigen gegenüber anderen sons and the difficulties in making sure a Holger Meinig Fallentypen eine hohe „Spitzmauslastigkeit“ small mammal species really is not occuring in Haller Straße 52a (vgl. BOYE u. MEINIG 1997), so daß tatsäch- a certain area, are discussed. D–33824 Werther NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 45

MATHIAS HERRMANN Verinselung der Lebensräume von Carnivoren – Von der Inselökologie zur planerischen Umsetzung

Schlagworte: Inselökologie, Populationsgefährdungsgrad-Analyse, Carnivoren, Artenschutz, Planung

1. Einleitung so verhalten (Abb. 1). Bedeutet dies aber auch, daß einzelne Arten verschwinden, Von 16 einheimischen Carnivorenarten wenn die Biotopinseln in der Kulturlandschaft Deutschlands, stehen 8 in der Roten Liste als immer kleiner werden? Nationalparks kön- ausgestorben oder gefährdet (NOWAK, HEI- nen als Natur-Inseln in der Kulturlandschaft DECKE u. BLAB 1994). Früher war die jagdli- verstanden werden. NEWMARK (1987) un- che Verfolgung die häufigste Ursache für das tersuchte in 14 nordamerikanischen Natio- Aussterben von großen Säugetierarten. Die nalparks, wieviel Säugetierarten nach deren Rückkehr von ausgestorbenen Arten wie Ausweisung ausgestorben sind. Er kam zu Wolf (PROMBERGER u. SCHRÖDER 1994, dem erschreckenden Ergebnis, daß in 12 der HARTLEB 1998) und Luchs (HERRMANN 14 Nationalparks auch nach der Unterschutz- 1997, WÖLFL 1997) zeigt, daß bei der Jagd stellung Säugetierarten ausstarben. Auf ei- ein Prozeß des Umdenkens eingesetzt hat. nen Zusammenhang mit der Flächengröße Zunehmend treten aber andere Gefähr- deutet hin, daß desto mehr Arten ausstarben, dungsursachen in den Vordergrund. Die Zer- je kleiner der Nationalpark war. Auch diese störung von Habitatstrukturen und die Untersuchung bestätigte den exponentiellen Schmälerung der Nahrungsbasis steht heute Zusammenhang zwischen Flächengröße und insbesondere bei kleinen Säugetierarten an Artenzahl, eine Verzehnfachung der Flächen- erster Stelle der Gefährdungsursachen. Die größe führte etwa zu einer Halbierung der Überlebenschancen der großen Arten wer- Aussterberate. den zusätzlich durch die Zerschneidung und Zersiedelung der Landschaft vermindert 3. Durch Verinselung der (SHAFFER 1981). Warum die Verinselung Lebensräume bedingte von Lebensräumen für Carnivorenarten ge- Abb. 1 fährlich sein kann und wie dieses Thema bei Gefährdungsursachen Zahl der Säugetierarten auf unterschiedlich Planungsfragen aufgegriffen werden kann, großen Hochplateaus in den westlichen USA soll im folgenden dargestellt werden. Bisher Wenn dieser Zusammenhang zwischen (nach BROWN 1971) standen in diesem Zusammenhang Fragen Flächengröße und Artenzahl zutrifft, bedeu- der Schutzgebietskonzeption im Vorder- tet dies aber auch für jede einzelne Art, daß grund (GILPIN 1980, HIGGS u. USHER 1980, die Wahrscheinlichkeit auszusterben zu- 1986) zu befürchten. Wie diese aussehen, ist SIMBERLOFF u. ABELE 1982, BURKEY 1989, nimmt, wenn ihr Lebensraum und damit ihre jedem Tierzüchter bekannt. Sinkt die Zahl der HERRMANN 1991a). Hier soll gezeigt wer- Populationsgröße verkleinert wird. Welche Tiere in einer Population unter 10, kommt den, daß populationsökologische Effekte von Gefährdungsfaktoren sind abhängig von der eine hohe Gefährdung durch Zufallsprozesse Barrieren auch bei Fragen der Eingriffspla- Populationsgröße? In erster Linie sind popu- (GILPIN u. SOULE 1986) hinzu. So ist bei- nung berücksichtigt werden müssen. lationsgenetische Effekte als Gefährdungs- spielsweise die Wahrscheinlichkeit groß, daß faktoren zu nennen, die von der Populations- in derartig kleinen Populationen in einer Ge- 2. Flächengröße und größe abhängen. neration nur Männchen oder Weibchen auf- Artenzahl Die genetische Vielfalt ist ein wichtiges Maß treten oder alle Tiere der Population von ei- für die Vitalität von wildlebenden Populatio- ner Naturkatastrophe hinweggerafft werden. MACARTHUR und WILSON (1967) legten nen. Nur wenn eine ausreichende Vielfalt von Weitere Faktoren, die nicht direkt mit der Po- die Grundsteine der Theorie der Inselökolo- Allelen in einer Population vorhanden ist, pulationsgröße in Zusammenhang stehen, gie. Inzwischen wurde anhand vieler Beispie- kann sichergestellt werden, daß auch seltene aber mit zunehmender Verkleinerung und le der Zusammenhang zwischen Artenzahl Umweltereignisse, wie z. B. Seuchenzüge, Isolierung geeigneter Lebensräume als Ge- und Inselgröße untersucht (DIAMOND u. nicht zum Aussterben der Art führen. Daß fährdungsfaktoren in den Vordergrund MAY 1980, SIMBERLOFF 1976, COLE 1981, sich Krankheitserreger in genetisch vielfälti- rücken, sind die Zerschneidung der Streifge- HOVESTADT et al. 1992). Es gilt: je größer gen Populationen schlechter ausbreiten als in biete von Individuen, die entlang der Barrie- die Fläche einer Insel, desto größer die Ar- genetisch einheitlichen Populationen, ist be- ren leben und die erhöhte Mortalität bei tenzahl. Als Faustregel kann gelten, daß eine kannt. Sind die Populationen klein, nimmt die Wanderungen zwischen Inseln. Auf diese Verzehnfachung der Fläche eine Verdoppe- genetische Vielfalt schneller ab als sie durch Gefährdungsfaktoren soll im folgenden noch lung der Artenzahl erlaubt (WILCOX 1980, Mutationen neu entstehen kann. FRANKLIN eingegangen werden. KURT 1983). Je effektiver die Barriere zwi- (1980) hat für Säugetiere einen Richtwert an- schen den Inseln ist, desto unwahrscheinli- gegeben: mindestens 500 Individuen sind 4. Das Konzept der cher ist eine natürliche Wiederbesiedlung notwendig, um die genetische Vielfalt inner- (BROWN u. KODRIC-BROWN 1977, SIM- halb einer Population zu erhalten. Kurzfristig minimalen überlebens- BERLOFF u. ABLE 1982, BURKEY 1989). In- kann die Populationsgröße auch unter diesen fähigen Population zwischen hat sich gezeigt, daß dieser Zusam- Wert absinken. Wird aber eine effektive Po- menhang nicht nur für Inseln im Meer gilt pulationsgröße von unter 50 reproduzieren- SHAFFER (1981) zeigt auf der Basis der oben (BROWN 1971, MATTHIAE u. STEARNS den Tieren unterschritten, ist nicht nur eine dargestellten Zusammenhänge einen Weg, 1981), sondern daß sich isolierte Lebensräu- genetische Verarmung, sondern es sind auch mit dem sich die minimale Größe einer über- me an Land hinsichtlich ihrer Artenzahl eben- negative Folgen von Inzucht (RALLS et al. lebensfähigen Population berechnen läßt. 46 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Um die minimale überlebensfähige Populati- on zu berechnen, muß definiert werden wel- che Aussterberate in Kauf genommen wird. Sie kann willkürlich z.B. auf 99 % Überle- benswahrscheinlichkeit in 1 000 Jahren fest- gelegt werden. Um alle für die Berechnung notwendigen Informationen einzubeziehen, ist eine Analyse des Populationsgefährdungs- grades (SOULE 1986, HOVESTADT et al. 1992) notwendig. Unter den spezifischen Umständen ist zu prüfen, ob die Konzepte für die Umsetzung in die Praxis taugen (SIM- BERLOFF u. ABELE 1976, CAUGHLEY 1994). In einer Populationsgefährdungsgrad-Analy- se für eine Art ist eine Vielzahl von Faktoren, wie z. B. der Heterozygotiegrad der Popula- tion, das Paarungssystem, die Generations- länge, das Verbreitungsverhalten, die Popu- lationsstrategie (r-k) und Dichteschwankun- gen und die Struktur der Metapopulationen zu berücksichtigen (LEVIN et al. 1984, CON- NER 1988, HANSKI u. GILPIN 1991). Wie bei biologischen Systemen häufig zu beobachten ist, wirkt eine Vielzahl von Faktoren in ver- schiedener Weise auf die betroffene Popula- tion. Wie diese Faktoren wirken, ist nur in Ansätzen verstanden, so daß es sehr aufwen- dig ist, eine exakte Zahl zu ermitteln, wie groß die minimale überlebensfähige Popula- tion unter den spezifischen Bedingungen sein muß (DIAMOND 1976). Langfristige Unter- suchungen wären notwendig, um das Puzzle der biologischen Faktoren richtig zu verste- keine Dachse hen. Auf der anderen Seite schreitet die Frag- mentierung der Lebensräume in der Kultur- heutige Dachsvorkommen landschaft unaufhaltsam voran. Weitere Ar- ten sind vom Aussterben bedroht. Dies macht es notwendig, trotz aller Bedenken, Abb. 3 für Planungsprozesse Richtwerte zur Verfü- Dachsvorkommen in dem von Autobahnen zerschnittenen Waldgebiet südlich Frankfurts gung zu stellen. Beispielrechnungen für ein- zelne Faktoren der Populationsgefährdungs- gradanalyse zeigen, daß die von FRANKLIN pergröße zunimmt (SCHOENER 1966). Des- furt/M. ging (HERRMANN u. MÜLLER- (1980) angegebenen Zahlen von 50 bzw. halb sind insbesondere die großen Carnivo- STIEß 1992). Der Stadtwald Fankfurt/M. ist 500 Tieren sehr niedrig angesetzt sind (HO- ren geeignete Zielarten (MÜHLENBERG im Norden und Westen durch die Siedlungs- VESTADT et al. 1992, KORN 1994). Sie sol- 1989, RECK et al. 1991), wenn es um den gürtel entlang des Rheins und Mains be- len in Ermangelung besserer Zahlen jedoch Schutz großräumig zusammenhängender Le- grenzt, im Südosten ist er über Trittsteine mit für Planungsfragen als Mindestwerte zu- bensräume geht (KORN 1994). den Waldgebieten des Rodgau verknüpft. grunde gelegt werden. Fünf mehrspurige Schnellstraßen (B40a, A5, Welche Arten sind in der Kulturlandschaft 5. Beispiel 1: Der Dachs B43, B459, B46) zerschneiden den Stadtwald durch Verinselung in besonderem Maße ge- in Nord-Süd-Richtung. Im Süden durch- fährdet? Generell gilt, daß der Flächen- Dachse (Meles meles) sind in Deutschland schneidet die A3 das Waldgebiet von Ost anspruch von Carnivoren höher ist als der weit verbreitet. Der durch Tollwut und Bau- nach West. Zusätzlich führen mehrere ge- von Herbivoren oder Omnivoren (Abb. 2) begasung verursachte Populationszusam- zäunte Bahnlinien und zweispurige Straßen und daß der Flächenanspruch mit der Kör- menbruch ist inzwischen weitgehend kom- durch das Waldgebiet (Abb. 3). Die ersten pensiert und die meisten geeigneten Lebens- Autobahnen (A3, A5) wurden bereits in den räume sind wieder besiedelt. In Bereichen, 30er und 40er Jahren gebaut. Die übrigen wo Dachse heute noch fehlen, gibt es ande- mehrspurigen Straßen wurden seit Ende der re Ursachen. Dachse scheinen empfindlich 60er Jahre fertiggestellt. Heute zählt man al- auf eine Fragmentierung ihrer Lebensräume lein am Frankfurter Kreuz 270 000 Fahrzeuge zu reagieren (AARIS-SOERENDSEN 1987, pro Tag. Die heute von Fernstraßen um- MULDER 1989, HERRMANN 1991b, LAN- schlossenen Waldinseln sind zwischen 2 und KESTER et al. 1991). Dabei sind die Zer- 1208 ha groß. Geht man von einer Dichte schneidung der Reviere durch Straßen und von 2Tieren/100 ha aus (STUBBE 1989), so die hohe Verkehrsmortalität die wichtigsten könnten zumindest 6 bis 24 Dachse in den Faktoren. VAN DEN ZEE et al. (1992) konn- fünf größten Waldinseln (332 bis 1208 ha) ten belegen, daß der Rückgang des Dachses leben. Diese potentiellen Populationsgrößen mit der Dichte des Straßennetzes korreliert. liegen aber in einem Bereich, in dem eine Deshalb wurden Dachse als Indikatorart ge- akute Gefährdung durch Zufallsereignisse Abb. 2 wählt, als es um die Untersuchung und Dar- und Inzucht gegeben ist. Die Erfassung der Flächenanspruch von Carnivoren und Herbivoren stellung der Auswirkung von Barrieren auf Dachsvorkommen im Stadtwald Frank- (nach SCHOENER 1968) das Artenspektrum im Stadtwald Frank- furt/M. zeigte dann auch das befürchtete Er- MATHIAS HERRMANN: VERINSELUNG DER LEBENSRÄUME VON CARNIVOREN 47

gebnis. Keine dieser Waldinseln weist heute über die Verkehrswege gebaut werden müs- bis 40 Tieren ein Überleben ermöglichen noch Dachsvorkommen auf (Abb. 3), obwohl sen, um die Waldgebiete wieder miteinander (Abb. 4). Um nicht zu stark durch Zufallspro- der Raum früher von Dachsen besiedelt war zu vernetzen. Den ausgestorbenen Arten soll zesse gefährdet zu sein, sollte die Population und die Habitate als geeignet einzustufen damit die Chance der Rückkehr gegeben möglichst schnell über die Mindestzahl von sind. Ein Gebiet von insgesamt 7700 ha war werden und weitere Verluste aufgrund der 10 Tieren anwachsen und den gesamten zur zum Zeitpunkt der Erfassung (1992) ohne Isolation von Lebensräumen sollen vermie- Verfügung stehenden Lebensraum besie- Dachsvorkommen. Die nächsten bewohnten den werden. deln. Da die Gefahr von Inzuchteffekten Dachsbaue befinden sich ca. 10 km entfernt sinkt, wenn einzelne Tiere zwischen den Po- in Waldgebieten bei Mörfelden und Dietzen- 6. Beispiel 2: Der Luchs pulationen wandern, ist die Sicherstellung bach, wo mindestens 2 000 ha unzerschnit- von Wanderkorridoren vordringlich. Die Po- tene Waldflächen zur Verfügung stehen und Seit 1993 werden immer wieder Luchse (Lynx pulation erscheint langfristig nur überlebens- eine Anbindung an andere Waldgebiete ge- lynx) im Pfälzerwald beobachtet. Inzwischen fähig, wenn es gelingt, die Barrieren (z. B. geben ist. Die letzten Dachse verschwanden sind von BERTHOLD (1997) und dem Büro Autobahn A4 bei Sarverne, A36 bei Mulhou- im Nordwesten des Stadtwaldes, der seit den ÖKOLOG über 100 Meldungen zusammen- se) ausreichend durchlässig zu gestalten. Eine 40er Jahren schon durch Straßen isoliert war, getragen worden. Die Fläche, aus der diese Vernetzung über die Südvogesen und den bereits 1959. 1970 wurde noch ein Dachs im Hinweise stammen, umfaßt derzeit etwa Jura muß bis in die Alpen reichen, um die Po- Ostteil geschossen, der seit Ende der 60er 1000 km2. Die Gründerpopulation ist jedoch pulation langfristig oberhalb von 500 Tieren Jahre vollständig von Straßen umschlossen klein (<10 Tiere), und es stellt sich die Frage, zu stabilisieren. ist. Im südlichen Teil des Stadtwaldes gibt es inwieweit der derzeit besiedelte Raum für Planungshinweise seit 1975 keine Nachweise von Dachsen den Aufbau einer überlebensfähigen Popula- Für den Artenschutz bedeutet dies, daß als mehr. Mindestens drei Dachse, die versuch- tion ausreicht und ob eine Vernetzung bisher wichtige Grundlage für die Abschätzung der ten, in das Waldgebiet einzuwandern, wur- isolierter Vorkommen notwendig ist. Wenn Gefährdung der Population die Migrationsra- den in den letzten 10 Jahren an den Straßen, man von einer Dichte von 0,8 bis 1,3 Luch- te zwischen den Metapopulationen ermittelt die den Stadtwald umgeben, überfahren. sen pro 100 km2 (BREITENMOSER et al. werden muß. Der Schutz bzw. die Wieder- Planungshinweise: 1996) ausgeht, ergibt sich ein Flächenbedarf herstellung von Wanderkorridoren ist eine Anhand des Beispiels „Dachs” wurde der von 37 500 bis 62 500 km2 für eine Populati- der wichtigsten Maßnahmen um eine langfri- schleichende Artenschwund in einem stark on von 500 Tieren. Alle Gebiete, in denen der stig überlebensfähige Population zu erhalten. zerschnittenen Waldgebiet für die Öffent- Luchs in Mitteleuropa in den letzten Jahr- Deshalb wurde die Erstellung eines Vernet- lichkeit nachvollziehbar dargestellt. Es wurde zehnten wiederangesiedelt wurde, bzw. in zungskonzeptes als vordringlich empfohlen. auf die Bedeutung hingewiesen, die die Wie- die er wieder einwanderte, sind deutlich klei- Das Beispiel Luchs zeigt aber auch deutlich, derherstellung von Verbindungswegen für ner. Im Pfälzerwald und in den Nordvogesen daß die Größe der gesamten Schutzgebiete die Arten in diesem Raum hat. Eine der wich- stehen maximal 3 000 km2 Lebensraum für nicht ausreicht um für überlebensfähige Teil- tigsten Forderungen war, daß Tierpassagen den Luchs zur Verfügung. Dies wird etwa 25 populationen einen ausreichenden Lebens-

Verbreitungsgebiete (Ei=Eifel, Hu= Hunsrück, Pf=Pfälzerwald, St=Stromberg, Ta=Taunus, So=Solling, Ha=Harz) Wiederansiedlungen in Bayern (1=Spessart, 2=Steigerwald, 3=Regental)

Abb. 4 Abb. 5 Für Luchse geeignete Areale entlang der Oberrheinebene, angestrebte Verbreitung der Wildkatze in Deutschland (geschätzter derzeitiger Bestand) Bestandszahlen und Vernetzungsmöglichkeiten 48 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 raum zu bieten. Die Ausarbeitung und Um- nung der Flächen, die für die minimalen 9. Summary setzung eines Schutzkonzeptes, daß den überlebensfähigen Populationen zu Verfü- ganzen potentiellen Lebensraum und die An- gung stehen, müssen solche Randzonen The theory of the island biogeography pre- sprüche der Landnutzer berücksichtigt, ist berücksichtigt werden. dicts, that on large islands in general the deshalb notwendig. Aufgrund der geringen Planungshinweise number of species is higher than on small is- Individuenzahl der Gründerpopulation wur- Die Landesplanung hat im Verbreitungsge- land. This has been proofed by many studies, de empfohlen zu prüfen, welche Möglichkei- biet der Wildkatze besonderes Augenmerk also in terrestrical ecosystems. It is known, ten es gibt, möglichst schnell den Zielbestand auf die Sicherung von großräumig unzer- that the risk of extinction increases with zu erreichen. schnittenen Bereichen zu legen. An den Ver- decreasing population size of a species. In kehrswegeneubau in den betroffenen Gebie- particular large carnivores, having large terri- 7. Beispiel 3: ten sind besonders strenge Kriterien zu legen. tories, are endangered by isolation. The con- Die Wildkatze Weitere Barrieren können die ganze Art in cept of the minimal viable population will ihrem Verbreitungszentrum gefährden, des- help to understand the negative influences of Die Wildkatze (Felis silvestris) besiedelt heu- halb sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen the isolation and may help to draw rough te in Deutschland weniger als 10% ihres ur- nicht vorstellbar. guidelines for conservation practice. Such sprünglichen Areals (Abb. 5). Die Verbreitung rough guidelines are necessary, because the ist auf mehrere, vollständig isolierte, Insela- 8. Grenzen des Konzeptes destruction and isolation of the habitats in- reale beschränkt. Das Vorkommen in Süd- creases fast. Nevertheless, the limit, using the westdeutschland und den angrenzenden der minimalen concept of the minimal viable population in Ländern (Nordostfrankreich, Ostbelgien, Lu- überlebensfähigen conservation, are discussed. xemburg) ist das letzte bedeutende Rück- Populationen Three examples of using the concept of the zugsareal in Mitteleuropa (STAHL u. ART- minimal viable population are given: ROIS 1995). Ziel des von ÖKO-LOG durch- Die genaue Abschätzung der minimalen 1. Because it is known that in isolation geführten Artenschutzprojektes Wildkatze überlebensfähigen Populationen stößt bis badger populations are highly vulnera- (KNAPP u. HERRMANN 1997) ist es, Schutz- heute auf Schwierigkeiten, da die notwendi- ble, this species was selected to focus maßnahmen für diese Population zu ent- gen Grundlageninformationen für kaum eine habitat fragmentation by main roads in wickeln. Die Population im Pfälzerwald wird Population vorliegen oder nur mit hohem an woodland area south of Frankfurt/ auf 200 bis 600 Tiere geschätzt. Sie setzt sich Aufwand erhoben werden können. Außer- Main. During the study, it turned out that in den Nordvogesen fort. Die Populationen in dem sind in diesem Konzept bis heute eine badgers have become extincted in an Eifel und Hunsrück umfassen zusammen ganze Anzahl von Problemen nicht endgültig area of 7700 ha. etwa 700 bis 1800 Tiere. Da diese Populatio- gelöst. Beispielhaft sei hier auf folgende Fra- 2. There are several observations indicating nen zu den größten mitteleuropäischen Wild- gen hingewiesen: that the lynx reestablished in the paladi- katzenpopulationen gehören, kommt ihnen – Wie groß muß eine Population sein, damit an forest since 1993. Because the area is für den Erhalt der genetischen Vielfalt ein be- evolutive Prozesse ablaufen können? not large enough to give space for a via- sonderer Stellenwert zu. Die Zahl der Tiere – In welchem Zusammenhang steht Evoluti- ble population, the needs of migration liegt aber nicht deutlich über dem von onsgeschwindigkeit und Inzucht in Meta- corridors for lynx in the Rhein-area has to FRANKLIN (1980) genannten Mindestwert populationen? be pointed out. von 500 Tieren. Deshalb darf dieses Verbrei- – Wie wirkt der Genaustausch zwischen Me- 3. The wildcat population in south-west tungsgebiet der Wildkatze keinesfalls weiter tapopulationen auf die Überlebensfähig- Germany, north-east France, Luxemburg von Barrieren, wie sie große Straßen darstel- keit? and Belgium ist the only population in len, zerschnitten werden (KNAPP u. HERR- – Warum weisen manche Arten auch nach central Europe having more individuals MANN 1998). FRENCH et al. (1988) und populationsgenetischen Flaschenhälsen than determined for a minimal viable KITCHENER et al. (1992) vermuten aufgrund eine hohe genetische Diversität auf und population. The risk of isolating these ihrer morphometrischen Ergebnisse, daß in bauen trotz Inzucht vitale Populationen population by main roads was pointed Schottland in Phasen, in denen die Wildkat- auf? out in a species conservation plan. zenpopulation stark dezimiert und auf ein – Inwieweit verhindern Barrieren zwischen kleines Areal beschränkt waren, eine Vermi- Metapopulationen die Ausbreitung von Literatur schung mit Hauskatzen stattfand. Kleine iso- Krankheitserregern und tragen so zum AARIS-SOERENSEN, J. 1987: Past and present distri- lierte Populationen der Wildkatze sind also Überleben der Art bei? bution of badgers (Meles meles) in the Copenhagen area. Biological Conservation 41:159-165 nicht nur durch genetische Verarmung und – In welchem Ausmaß dürfen Areale mit Re- BERTHOLD, F. 1997: Der Luchs im Pfälzerwald. Son- Inzucht, sondern auch durch die Hybridisie- produktionsüberschuß und Areale mit feh- derheft Ministerium für Umwelt und Forsten rung mit Hauskatzen gefährdet. Da in der lender Reproduktion im Raumanspruch BREITENMOSER, C.; BREITENMOSER, U.; CAPT, S.; TESTER, U. u. ROCHAT, N. 1996: Der Luchs und wir. von uns untersuchten südwestdeutschen Po- der minimal überlebensfähigen Population -Schweizer Naturschutz spezial 6. SBN. -35 S. pulation derzeit noch keine Anzeichen für vertreten sein? BROWN, J. H. 1971: Mammals on mountaintops: no- eine Vermischung gefunden wurden, kommt Trotz dieser ungeklärten Fragen wird das neuilibrium insular biogeography (945). -The American dem Erhalt dieser, zum letzten großen mittel- Konzept der minimalen überlebensfähigen Naturalist 105 (945): 467-478 BROWN, J. H. u. KODRIK-BROWN, A. 1977: Turn- europäischen Verbreitungsareal gehörenden Population als ein geeignetes Instrument an- over rates in insular biogeography: effect of immigra- Population eine besondere Bedeutung zu. gesehen, wenn es um den Schutz von tion on extinction. -Ecology 58: 445-449 Offensichtlich wirken aber nicht nur Ver- großflächigen Lebensräumen geht. Orien- BURKEY, T. V. 1989: Extinction in nature reserves: the effect of fragmentation and the importance of migra- kehrswege als Ausbreitungsbarrieren. Meh- tiert sich die Planung an den Rauman- tion between reserve fragments. -OIKOS 55: 75-81 rere Waldgebiete unseres Untersuchungs- sprüchen großer Carnivorenarten, sind auch CAUGHLEY, G. 1994: Directions in conservation bio- raumes sind, obwohl das Nahrungs- und ausreichend große Lebensräume für kleinere logy. -Journal of animal ecology 63: 215-244 COLE, B. J. 1981: Colonizing abilities, island size, and Strukturangebot günstig ist, in den Randzo- Arten sichergestellt. Das Konzept der klein- the number of species on archipelagoes (5). -The Ame- nen nicht von Wildkatzen besiedelt. Gemein- sten überlebensfähigen Population sollte rican Naturalist 117(5): 629-638 sam ist diesen Bereichen, daß es sich jeweils zukünftig bei Planungsprozessen stärker CONNER, R. N. 1988: Wildlife populations: minimaly viable or ecologicaly functional. -Wildlife Sociery Bulle- um bevorzugte Ausflugsgebiete großer Städ- berücksichtigt werden. Ein Wildtierkorridor- tin 16: 80-84 te (z. B. Pfälzerwald bei Bad Dürkheim) han- system, wie es beispielsweise in der Schweiz DIAMOND, J. M. 1976: Island Biogeography and Con- delt. Wir vermuten deshalb, daß die starke derzeit erarbeitet wird, könnte helfen, die servation: Strategies and Limitations. -Science 193: 1027-1029 touristische Erschließung die Randzonen Vorkommen großer Carnivorenarten und ein DIAMOND, J. M. u. MAY, R. 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AXEL SCHMIDT Zur Verbreitungsgeschichte der Gartenspitzmaus Crocidura suaveolens in Ostdeutschland

Schlagwörter: Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens), Verschleppungsverbreitung, Klimaerwärmung, geographische Schädellängenverteilung, Ostdeutschland

1957), der Dubrow bei Königswusterhausen während in weiten Gebieten trotz aufmerk- 1. Einleitung (SCHNURRE 1961) und Oderberg (RICHTER samer Suche keine Nachweise gelangen Das südpaläarktische Verbreitungsgebiet der 1963; Abb. 1). Bei der Festlegung der westli- (südl. Oderbruch, Region Eisenhüttenstadt, Gartenspitzmaus zieht sich streifenförmig chen Verbreitungsgrenze gliederte RICHTER Spreewald, Westbrandenburg, Berlin (West); vom Atlantik (Spanien, Westfrankreich, Ma- (1963) Südwestsachsen bis über die Grenze BANZ 1985, E. Grimmberger, SCHMIDT rokko) durch Europa und Asien bis zum Stil- zu Thüringen (Caselwitz) und Ostbranden- 1987, WENDLAND 1971). len Ozean (Korea, Japan). burg bis Küstrin dem Areal der Gartenspitz- Die ersten Nachweise der Gartenspitzmaus maus zu und ging offensichtlich von der üb- 2. Arealausdehnung und für Ostdeutschland stammen aus Sachsen lichen Annahme einer durchgehenden, je- (1926). Für die 30er Jahre konnte hier auf ein doch nicht ausreichend dokumentierten Be- Siedlungsverdichtung „ansehnliches Vorkommen“ geschlossen siedlung aus (Abb. 2). Das bestätigte sich in in Ostdeutschland werden (RICHTER 1963). In diese Zeit (1936 der Folgezeit nicht. In Brandenburg konnten bis 1940) fielen auch die ersten Nachweise in den folgenden Jahrzehnten lediglich in der Zwischen 1976 und 1985 kamen weitere für Brandenburg, die überwiegend östlich der Nähe des alten Fundortes Frankfurt (Oder) Funde am Rande der bekannten Arealteile Oder lagen (Reppen, Frankfurt [O.], Küstrin, und nördlich der sächsischen Vorkommen dazu, in der Oberlausitz, in West- und Süd- Lagow; STEIN 1940). Die nächsten Funde ka- neue Nachweise erbracht werden (Abb. 3; brandenburg, im östlichen Mittelbranden- men aus Trebus bei Fürstenwalde (STEIN FIEBIG et al.1988, SCHMIDT 1977b, 1987), burg und in Ost-Berlin. Besonders auffällig 50 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

rückken während der Ausbreitung nicht möglich war. Immer wieder ging die Besied- lung einer Region von isolierten Fundorten aus, an denen sich wahrscheinlich nach Ver- schleppung durch den Menschen (Transport von Erde, Kompost, Gärtnerei- und Baum- schulware, Schutt u. ä., SCHMIDT 1987; An- thropochorie) Populationsinseln bildeten, die schließlich mit benachbarten zusammen- wuchsen (Abb. 1, 3, 4). Die Voraussetzung für eine hohe Rate der Verschleppung, hohe Dichte in den alten Siedlungsgebieten (SCHMIDT 1987), war in den letzten beiden Jahrzehnten besonders gut gegeben, denn es häuften sich auffällig heiße und trockene Sommer. 3. Anthropochorie als Ursache für die Verschiedenheit benachbarter Populationen Eine Ausbreitung durch Anthropochorie bringt es mit sich, daß die Gründer von Po- pulationsinseln außerhalb des Areals ganz zufälliger und obwohl benachbart, völlig ver- schiedener Herkunft sein können. Schon früher war aufgefallen, daß die Schädellänge Abb.1 (Codylobasallänge [Cb]) brandenburgischer Nachweise der Gartenspitzmäuse mit der von polnischen Gartenspitzmaus und slowakisch-mährischen etwa gleich ist, in Ostdeutschland und Westpolen während die von sächsischen, böhmischen, bis 1955. bayrischen und südwesteuropäischen unter- einander sehr ähnlich ist, jedoch zu den erst- genannten einen deutlichen Abstand hat waren die Neufeststellungen in der weiteren erkennen, die sogar noch voll im Fluß ist und (SCHMIDT 1977b). Die Mittelwertunter- Umgebung des alten Fundortes Oderberg durch die Klimaerwärmung (z. B. MUNR schiede der Cb von Schädeln aus Ostbran- (Nordostbrandenburg), westlich von Berlin 1994, 1995) beschleunigt wird. Dabei verlief denburg zu denen aus Polen und Nordost- (West) und westlich der Elbe in Sachsen-An- die Ausbreitung im Osten (kontinentalere Kli- brandenburg sind nicht signifikant (a > 50 %, halt (Abb. 4; ANSORGE 1994, BANZ 1985, matönung) schneller als im Westen. t-Test), auch nicht die aus Westbrandenburg FIEBIG et al.1988, DOLCH 1985, JORGA Hier am Nordand des Areals fehlt der Zu- zu denen aus Westsachsen (a > 25%) bzw. 1980, GAWLIK u. BANZ 1982, GRIMMBER- sammenhang von Lebensräumen, die von der Oberlausitz (a > 5 %) sowie die zwischen GER 1981, LITZBARSKI u. JASCHKE 1986). der Gartenspitzmaus besiedelt werden kön- Schädeln aus der Oberlausitz und Westsach- Diese Entwicklung wurde im darauf folgen- nen, so daß ein kontinuierliches, aktives Vor- sen (a > 5 %). Dagegen sind die Differenzen den Jahrzehnt (1986 bis 1995) noch weit zwischen der Serie aus Nordwestbranden- übertroffen, indem massenhaft Fundorte burg zu denen aus Nordost- und Ostbran- westlich und nördlich Berlins, in Nordost- denburg hoch gesichert (a < 0,1 %), desglei- brandenburg und Westsachsen hinzukamen chen die zwischen Ostbrandenburg und (Abb. 4; BICKENBACH 1990, DOLCH 1995, Westsachsen (a < 0,1 %). Wahrscheinlich DÜRR et al. 1989 u. 1991, LITZBARSKI et al. signifikant ist die Differenz zwischen Her- 1993, MATERNOWSKI 1992, SCHIMMEL- künften aus Ostbrandenburg und der Ober- PFENNIG 1995, SCHOBER 1990, WOR- lausitz (a < 2 %; Abb. 5). SCHECH 1994 u. schr.). Daneben verdienen Entsprechend der zufälligen Herkunft und mehrere Funde zwischen den alten Sied- Genausstattung der wenigen, jeweiligen Po- lungsgebieten Sachsens und Ostbranden- pulationsgründer fehlt auch eine klinale Va- burgs sowie weit im Westen registrierte Fun- riation völlig. Die Unterschiede dürften sich de (Klebitz, Südwestmecklenburg-Vorpom- nur langsam verwischen, da die Populations- mern; H. J. Kapischke und Calbe, Sachsen- dichten in den Verbreitungsinseln schnell an- Anhalt; M.Wunschik) Aufmerksamkeit. Auch steigen und eine genetische Durchmischung im Osten wurde die Südgrenze von Meck- nur am Rande nach Populationsvereinigun- lenburg-Vorpommern überschritten und mit gen oder durch Einschleppen anderer Her- Pasewalk der nördlichste Fundort in Mitte- künfte erfolgen kann. Diese Verhältnisse tref- leuropa dokumentiert (BLOHM u. HEISE i. fen auch auf das europäische Verbreitungs- Dr., EICHSTÄDT u. EICHSTÄDT 1989, EICH- gebiet nördlich des mediterranen Arealteils STÄDT u. LEMKE 1988, ERFURT u. STUBBE zu. Hier ist eine Entscheidung zur klinalen 1986, HEISE 1988, HUNDRIESER 1989). Abb.2 Änderung der Größe „vorerst nicht sicher zu Nach der chronologisch aufgearbeiteten Ver- Nachweise der Gartenspitzmaus im nordwest- treffen“ und es ist „schwierig, Unterarten ab- breitungsgeschichte läßt sich eine Ausbrei- lichen Arealteil und Entwurf der westlichen zugrenzen“ (VLASAK u. NIETHAMMER tung (SCHMIDT 1987) bis in die heutige Zeit Verbreitungsgrenze; aus RICHTER 1963. 1990). AXEL SCHMIDT: ZUR VERBREITUNGSGESCHICHTE DER GARTENSPITZMAUS CROCIDURA SUAVEOLENS IN OSTDEUTSCHLAND 51

Abb.3 Abb.4 Nachweise der Gartenspitzmaus bis 1955 (Quadrat), von 1956 bis 65 Nachweise der Gartenspitzmaus von 1976 bis 85 (Dreiecke) und von 1986 (Dreieck) und 1966 bis 75 (Punkte). bis 95 (Punkte) außerhalb der Siedlungsgebiete bis 1975 (schraffiert, isolierte Fundorte als x).

4. Erhöhung der des Bergbaus angetroffen (I. Landeck). W. Danksagung Populationsdichte Maternowski stellte die Gartenspitzmaus neu in Lehnitz, Kr. Oberhavel, „nach umfangrei- Neben der zitierten Literatur wurden neue, Über den Anstieg der Populationsdichte in chen Erdtransporten aus dem Raum Nauen“ unveröffentlichte Angaben berücksichtigt. den letzten Jahrzehnten (Sommerwitterun- fest. Der Gipfel der Landeskrone bei Görlitz Allen Damen und Herren wird hiermit herz- gen) bzw. nach Erscheinen in einem unbesie- (ca. 420 m), von dem Nachweise vorliegen, lichst gedankt: H. Ansorge, J. Blank, T. Blohm, delten Gebiet geben Langzeituntersuchun- ist durch den breiten Laubwald des Berges P. Borkenhagen, D. Dolch, T. Dürr, E. Grimm- gen von Schleiereulengewöllen Auskunft, (ca. 1 km) von Lebensräumen der Garten- wenn jährliche Populationsschwankungen spitzmaus getrennt (REISE u. HANELT 1991). durch Bildung von Jahresgruppen nicht mehr In Görlitz-Nord wurde 1 Tier im 5. Stock ei- in Erscheinung treten. Während der Garten- nes Plattenneubaus gefunden (H. Ansorge). spitzmausanteil in alten Gewölluntersuchun- Da entsprechende Transportabläufe (s. o.) bis gen (bis in die 70er Jahre) im Durchschnitt zur Wende von Bayern nach Thüringen und 0,082 % (n=57336) betrug, stieg er in neue- von Brandenburg nach Berlin (West) fehlten, rer Zeit auf 0,135 % (n=71300; ERFURT u. gibt es keine Besiedlungshinweise für Thürin- STUBBE 1987). In Westbrandenburg stieg er gen von Süden aus und blieb Berlin (West) bis nach der Neubesiedlung von durchschnittlich Ende 1992 ganz unbesiedelt (SCHMIDT 0,11 % (1986 bis 89, vorher 0 %) über 1987, KÖHLER 1996). 0,38 % (1990 bis 1993) auf 1,22 % (1994 bis 1995; JASCHKE 1995). 4. Summary 5. Fallbeispiele für In East Germany the Lesser white-toothed Anthropochorie shrew is futher increasing its distribution area assisted by climactic warming and anthropo- Einige Einzelfunde zeigen besonders deutlich, chorie. Following the foundation and growth daß sie durch Verschleppung verursacht wor- of population islands new areas of distribu- den sind. In Strausberg fand I. Tetzlaff ein Tier tion have developed (mosaik concentration). auf dem asphaltierten Sportplatz im Neubau- Through the chance nature of origin and gebiet in der Nähe von Arbeiten zur Schaf- gene equipment there is no cline variation of Abb.5 fung von Grünanlagen. Bei Finsterwalde features north of the Mediterranian distribu- Geographische Variation der Condylobasallänge wurde 1 Tier auf einer Rekultivierungsfläche tion area. der Gartenspitzmaus. 52 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

berger, G. Heise, B. Höntzsch, H. J. Kapisch- wählter Kleinsäugerarten in der DDR. -Hercynia N. F. REISE, H. u. HANELT, M. 1991: Ökofaunistik und po- 23 (3): 257-304 pulationsdynamische Aspekte der Kleinsäuger eines ke, R. Labes, S. Labes, W. Maternowski, W. GAWLIK, M. u. BANZ, K. 1982: Zur Nahrungsökologie Basaltberges in der Oberlausitz. In: Populationsökolo- Mädlow, H. Meinig, C. Miera, H. Miethe, M. der Waldohreule (Asio otus, L.) innerhalb des Berliner gie von Kleinsäugerarten. -Wiss. Beitr. Univ. Halle 34: Müller, G. Natuschke, P. Neubauer, A. Meis- Stadtgebietes. -Beitr.Vogelkd. 28: 275-288 299-309 sner, G. Pelz, M. Pribbernow, H. Riebe, K. GÖRNER, M. 1973: Ergebnisse von Gewöllanalysen RICHTER, H. 1963: Zur Verbreitung der Wimperspitz- der Schleiereule (Tyto alba) im südthüringischen Grab- mäuse (Crocidura, Wagler, 1832) in Mitteleuropa. - Thiele, K. Worschech, M. Wunschik, O. Zin- feld. -Hercynia N. F. 10: 127-142 Abh. u. Ber. Staatl. Mus. Tierkde. Dresden 26(10): ke. GÖRNER, M. 1975: Interessante Kleinsäugernachwei- 219-242 se (Insektivora und Chiroptera) aus Uhugewöllen. - SCHIMMELPFENNIG, R. 1995: Zur Kleinsäugerfauna Veröff. Mus. Gera 2(3): 131-132 des Truppenübungsplatzes Döberitz - Ermittlung typi- GÖRNER, M. 1977: Weitere Nachweise der Sumpf- scher Theriozönosen. -Method. feldök. Säugetier- Literatur spitzmaus (Neomys anomalus), der Gartenspitzmaus forsch. 1. -Wiss. Beitr. Univ. Halle: 295-302 ANSORGE, H. 1994: Datenliste Gartenspitzmaus Cro- (Crocidura suaveolens) und der Kleinäugigen Wühl- SCHMIDT, A. 1976: Zur Bestimmung der Gartenspitz- cidura suaveolens (unveröff.) maus (Pitymys subterraneus) im Süden der DDR. - maus (Crocidura suaveolens (PALLAS)) und Feldspitz- BANZ, K. 1985: Zur Verbreitung der Gartenspitzmaus, Faun. Abh. 6: 219-224 maus (C. leucodon (HERMANN)) nach Schädelmerk- Crocidura suaveolens (Pallas), und der Feldspitzmaus, GÖRNER, M. 1979: Zur Verbreitung der Kleinsäuger malen. -Abh. u. Ber. Mus. Maurit. Altenburg 9: 149- Crocidura leucodon (Herm.), in Berlin und Umgebung. im Südwesten der DDR auf der Grundlage von Gewöl- 152 -Milu 6: 463-471 lanalysen der Schleiereule (Tyto alba Scop.). -Zool. SCHMIDT, A. 1977a: Zur Ernährungsökologie der BICKENBACH, E. 1990: Erstnachweis der Gartenspitz- Jb.Syst. 106: 429-470 Schleiereule, Tyto alba Scopoli. -Beitr. z. Vogelkd. maus Crocidura suaveolens (PALLAS) im Kreis Luckau. GRIMMBERGER, E. 1981: Nördlichster Nachweis der 23(4): 233-244 -Biolog. Stud. Luckau 19: 106 Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens) in der DDR. - SCHMIDT, A. 1977b: Neue Funde der Gartenspitz- BLOHM, T. u. HEISE, G. 1996 i. Dr.: Weitere Funde der Naturschutzarb. Berlin u.Brandbg. 17(2): 58 maus (Crocidura suaveolens) im Osten der DDR. -Na- Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens) in der nördli- JASCHKE, M. 1991: Ergebnisse der Kleinsäugerkartie- turschutzarb. Berlin u. Brandbg. 13(3) 67-71 chen Uckermark. -Säug. Inform. rung im Bezirk Potsdam. -Populationsökologie von SCHMIDT, A. 1987: Weitere Funde der Gartenspitz- CREUTZ, G. 1966: Die Wirbeltiere des Neschwitzer Kleinsäugerarten. -Wiss. Beitr. Univ. Halle 34: 207-216 maus (Crocidura suaveolens) im Bezirk Frankfurt Parkes. -Aufsätze zu Vogelsch. u. Vogelkd. 2: 42-64 JASCHKE, W. 1995: Zur Ausbreitung und Etablierung (Oder). -Naturschutzarb. Berl. u. Brandenbg. 23(1): DOLCH, D. 1985: Neue Fundorte der Gartenspitzmaus von Feldspitzmaus (Crocidura leucodon [Herrmann 17-24 (Crocidura suaveolens). -Säug. Inform. 2(9): 254 1780]) und Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens SCHNURRE, O. 1961: Lebensbilder märkischer Wald- DOLCH, D.; DÜRR, T.; HAENSEL, J.; HEISE, G.; PO- [Pallas1811]) im westlichen Brandenburg. -Natursch. käuze (Strix aluco L.). -Milu 1: 83-124 DANY, M.; SCHMIDT, A.; TEUBNER, J. u. THIELE, K. u. Landschaftspfl. in Brdbg.4 (4): 33-35 STEIN, G. H. W. 1940: Zur Verbreitung einiger 1992: Rote Liste. 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Forschung am Waldkauz (Strix aluco L.). -Beitr.Vo- Abh. u. Ber. Naturkdl. Mus. Maurit. Altenburg 8: 77- DÜRR, T.; JASCHKE, M. u. THIELE, K. 1989: Neue Er- gelkd. 23 (6): 313-329 80 kenntnisse über die Verbreitung der Feldspitzmaus LITZBARSKI, H. u. JASCHKE, M. 1986: Erste Ergebnis- VLASAK, P. u. NIETHAMMER, J. 1990: Crocidura sua- (Crocidura leucodon) und Gartenspitzmaus (C. sua- se der Gewölluntersuchungen im Rahmen der veolens (Pallas,1811) - Gartenspitzmaus. In: NIET- veolens) im Bezirk Potsdam. -Veröff. Potsdam Mus. kleinsäugerfaunistischen Kartierung im Bezirk Pots- HAMMER, J. u. KRAPP, F.: Handbuch der Säugetiere Beitr. z. Tierwelt d. Mark 11: 104-112 dam. -Mitt. Bezirksarbeitsgr. Artenschutz 1: 18-41 Europas. Bd. 3/1: 397-428 DÜRR, T.; THIELE, K. u. JASCHKE, M. 1991: Zur Ver- LITZBARSKI, H.; JASCHKE, W.; SCHÖPS, A. 1993: Zur WENDLAND, V. 1971: Die Wirbeltiere West-Berlins. - breitung der Garten- (Crocidura suaveolens) und der ökologischen Wertigkeit von Ackerbrachen. -Na- Sitzungsber. d. Ges. Naturforsch. Freunde zu Berlin Feldspitzmaus (C. leucodon) im Bezirk Potsdam. -Po- tursch. u. Landschaftspflege in Brandenbg. 1: 26-30 (N.F.) 11: 5-128 pulationsök. Kleinsäugerarten. -Wiss. Beitr. Univ. Hal- MATERNOWSKI, H. W. 1992: Erste Funde der Gar- ZÖPHEL, U. 1985: Kleinsäugerfunde im Bezirk Karl- le 34: 33-37 tenspitzmaus (Crocidura suaveolens) im Nordwesten Marx-Stadt durch Analyse von Schleiereulengewöllen. EICHSTÄDT, W. u. EICHSTÄDT, H. 1989: Die Säuge- Berlins. -Säug. Inform. 3 (16): 465 -Naturschutzarb. u. naturkundl. Heimatforschg. in tiere des Kreises Pasewalk. -Natur u. Natursch. i. Meck- MUNR (Hrsg.) 1994: Klimaschutzbericht Land Bran- Sachsen 27, 24-35 lbg.-Vorp. 27: 19-64 denburg. -Potsdam: 1-34 EICHSTÄDT, W. 1991: Zum Vorkommen der Garten- MUNR (Hrsg.) 1995: Klimaveränderungen wirken sich spitzmaus auch auf das Land Brandenburg aus. Presseinformation Die Abbildung in der Vignette S. 49, 52 zeigt die Feld- (Crocidura suaveolens) im Osten des Bezirkes Neu- RASCHIG, P. 1986: Ein Beitrag zur Kleinsäugerfauna spitzmaus brandenburg. -Populationsök. Kleinsäugerarten. Wiss. der Kreise Jessen und Herzberg (Elster) auf der Grund- Beitr. Univ. Halle 34: 39-42 lage von Gewöllesammlungen. -Naturschutzarb. Berl. Verfasser EICHSTÄDT, W. u. LEMKE, H. 1988: Zur Verbreitung u. Brandenbg. 22(3): 79-82 Dr. Axel Schmidt der Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens). -Natur- REINL, S. 1975: Die Gartenspitzmaus (Crocidura sua- schutzarb. Mecklenbg. 31(2): 44 veolens mimula Pallas 1811) in Leipzig gefunden. -Na- Storkower Straße 11 ERFURT, J. u. STUBBE, M. 1986: Die Areale ausge- tura regiones Lipiensis 3: 60 D–15848 Beeskow

DIETER KÖHLER Aspekte der Ethökologie und deren Bedeutung für den Schutz der Wasserspitzmaus Neomys fodiens

Schlagworte: Wasserspitzmaus, Neomys fodiens, Mammalia, Verhaltensökologie, Artenschutz

1. Einführung Habitat zu behaupten. Charakteristisch sind ihre Häufigkeit in früheren Zeiten beträcht- u.a.: Borstensäume entlang der Zehen, ein lich höher gewesen sein. Ein Umstand, der Die größte einheimische Spitzmausart, die Borstenkiel an der Schwanzunterseite, spezi- sich aus älterem Schriftentum ableiten läßt. Wasserspitzmaus, Neomys fodiens, ist we- ell strukturierte Grannenhaare und ein dich- Zum Beispiel berichtet der „Vogelpastor“ gen ihrer semiaquatischen Lebensweise ein tes hydrophobes Fell. C.L. BREHM (1826) in der von ihm heraus- interessanter Bestandteil unserer Fauna. Sie Obwohl die Wasserspitzmäuse gegenwärtig gegebenen Zeitschrift ORNIS in einem weni- besitzt eine Reihe morphologischer Anpas- nicht so selten sind, wie oft vermutet, und ihr ger bekannten, doch sehr eindrucksvollen sungen, die es ihr ermöglichen, sich in diesem Bestand relativ stabil ausgebildet ist, dürfte Artikel über Wasserspitzmäuse. Er beschreibt DIETER KÖHLER: ASPEKTE DER ETHÖKOLOGIE UND DEREN BEDEUTUNG FÜR DEN SCHUTZ DER WASSERSPITZMAUS NEOMYS FODIENS 53

u.a. die guten Beobachtungsmöglichkeiten in Nähe menschlicher Siedlungen und gibt dar- über hinaus Empfehlungen, wie die Art mit der Büchse zu jagen sei. Auch Anfang dieses Jahrhunderts wird noch von gehäuftem Auf- treten der Art berichtet. Veränderungen des Lebensraumes, Fragmentierungen der Land- schaft und Verfolgungen führten zum Rück- gang. Gegenwärtig ist die Art in den Roten Listen der Bundesländer zu Recht in die Kate- gorie 3 (gefährdet) eingeordnet. 2. Nahrungsverhalten Ihre Nahrung sucht die Wasserspitzmaus so- wohl auf dem Land als auch unter Wasser. Der Anteil aquatischer Beutetiere schwankt zwischen 33 und 95 % (NIETHAMMER 1978 u.a.). Bei der Auswahl der Beuteobjekte betätigt sie sich als typischer Nahrungsop- portunist. Es ist daher nicht verwunderlich, daß bei N. fodiens das breiteste Beutetier- spektrum von 10 untersuchten paläarkti- schen Spitzmausarten festgestellt wurde (CHURCHFIELD 1994). Dabei wird jedoch eine Selektion betreffs der Größe vorgenom- Abb. 1 men. Der Vergleich der aufgenommenen ter- Abhängigkeit der Freßzeit (in s) von Gehäusegröße (in mm) der erbeuteten Wasserschnecken restrischen Beutetiere zwischen N. fodiens * Lymnaea stagnalis und den im Untersuchungsgebiet syntop o Stagnicola palustris vorkommenden Sorex araneus und S. minu- tus ergab für N. fodiens eine Präferenz größerer Beuteobjekte (CHURCHFIELD terschiedlicher Futterorte als auch sich verän- Um die Aufladung aufrecht zu halten, krie- 1984). dernde Schwimmwege zu diesen Futterplät- chen die Tiere nach dem Tauchgang durch Unter den Beutetieren können Wasser- zen. Im Durchschnitt hatten sie nach 42 Ver- dichten Pflanzenbewuchs. Fehlen derartige schnecken z. T. einen hohen Anteil einneh- suchen die Position des neuen Futterortes er- Möglichkeiten oder streicht man mit einem men. Größe und Artzugehörigkeit der lernt. Die tauchenden Tiere orientierten sich Antistatiktuch über das Fell, geht diese Ei- Schnecken sind Parameter, die über deren vermutlich vorrangig mit Hilfe des kinästheti- genschaft verloren und das Fell wird naß. Eignung als Nahrung entscheiden. Das Auf- schen Sinnes. Im Nahbereich nutzen sie beißen der Gehäuse der Schlammschnecke hauptsächlich ihren Tastsinn. 4. Intra- und inter- Stagnicola palustris z. B. bereitet ihnen weit- Die tauchende Wasserspitzmaus besitzt ei- spezifisches Verhalten aus mehr Mühe als das von Lymnaea stagna- nen Auftrieb von 0,74 g/cm3, das entspricht lis. Eine Schalendicke von > 0,3 mm ist für die 38,9 % des Körpergewichtes (KÖHLER Die Wasserspitzmaus reagiert, im Gegensatz Tiere nicht zu bewältigen (KÖHLER 1984). 1991a). Das bedeutet, die tauchende Spitz- zu anderen Soricinen, weniger aggressiv ge- Simultanwahlversuche, in denen N. fodiens maus muß mit einem hohen Vortrieb diesen genüber Artgenossen. Von SANDEN (1933) zwischen den beiden o.g. Wasserschnecken- starken Auftrieb überwinden und vermag beobachtete im Winter mehrere Tiere, die arten bzw. zwischen unterschiedlichen nicht, wie hin und wieder berichtet, am Ge- sich an einer günstigen eisfreien Stelle dicht Größenklassen von L. stagnalis zu unter- wässerboden entlang zu laufen. Der Auf- beieinander unter Eisbrocken aufhielten. In scheiden hatte, ergaben eine Bevorzugung trieb versetzt sie wiederum in die Lage, Beu- Untersuchungen mit radioaktiv markierten großer Exemplare. Die genaue Differenzie- te von nahezu dem eigenen Gewicht anzu- Wasserspitzmäusen stellte CANTONI (1993) rung der Beute wird unter Wasser i.d.R. nicht landen. Mit Blei gefüllte 12,8 g schwere einen Aktionsraum für N. fodiens entlang ei- vorgenommen, denn die Tiere transportieren Schneckengehäuse brachten Wasserspitz- ner ca. 54 m langen Uferlinie fest. Andere nicht selten Steine o.ä. unverwertbare Mate- mäuse (Eigengewicht: 16,0 g) noch an die Autoren ermittelten 20 bis 24 m (ILLING et rialien an Land (KÖHLER 1984). Oberfläche. al. 1981) bzw. 80 m (RICHTER 1953) und Die Bestimmung der Behandlungszeit (Be- Die maximale Tauchzeit betrug in Gefan- STEIN 1975 errechnete 300 bis 500 m. Die ginn Aufbeißen der Schale bis Beendigung genschaft im Durchschnitt 11,5 s (n = 11) Reviere der einzelnen Tiere überlappen sich des Fressens des Körpers) ergab für 5 Was- (KÖHLER 1991a). Geographische Unter- im Grenzbereich und erstrecken sich parallel serspitzmäuse, daß mit zunehmender Größe schiede in der Tauchdauer scheinen, ent- zur Uferlinie. Meist haben sie nur eine gerin- der Schneckenschale (<= 25,0 mm) diese Zeit sprechend den ökologischen Erfordernissen, ge Ausdehnung in den uferabgewandten linear und danach exponentiell anstieg (Abb. zu existieren. CHURCHFIELD (1984) ermit- Bereich. Van BEMMEL u. VOESENEK (1984) 1). telte in England für Tiere, die in flachen fingen in einem Abstand von 50 cm vom Wasserkressebeeten lebten, eine Tauchzeit Ufer nur noch einen Anteil von 6,2 % N. fo- 3. Lokomotion von 4,0 s. SCHLOETH (1980) registrierte in diens. Diese hohe Uferbindung erklärt die unter Wasser der Schweiz max. 24 s für Spitzmäuse, die in geringe Repräsentanz in den Populationsun- einem 2 m tiefen Bach nach Nahrung such- tersuchungen an Kleinsäugern. In einer Der Tauchvorgang ist energieaufwendig und ten. zweijährigen Untersuchung der Kleinsäuger- deshalb versuchen die Tiere, diesen möglichst Kennzeichend für die tauchende Wasser- zönose am Ufer eines Fließgewässers erga- effektiv zu gestalten. So vermögen sie Beu- spitzmaus ist das silbrige Fell, hervorgerufen ben sich folgende Dominanzbeziehungen: teaggregationen zu nutzen und erhöhen da- durch die zwischen den Haaren verbliebene N. fodiens (35,4 %), Apodemus agrarius mit ihre Chancen, in möglichst kurzer Zeit Luft. Diese hydrophobe Eigenschaft des Fel- (34,2 %), S. araneus (29,1 %) und A. flavi- ausreichend Beutetiere aufzunehmen. In Ex- les wird in bedeutendem Maß durch die elek- colis (1,3 %). Wie die Brandmaus erreicht perimenten erlernten sie sowohl die Lage un- trostatische Aufladung der Haare bewirkt. die Wasserspitzmaus in diesem Saumbiotop 54 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

den eudominanten Status. Nicht berücksich- auswirkt. Infolge des höheren Körpergewich- Nahrung zu suchen. RUTHARDT (1990) er- tigt ist die Schermaus, die als Ufergestalter tes benötigt N. fodiens in dieser Jahreszeit, in mittelte im terrestrischen und aquatischen eine wichtige Rolle in der Zoozönose ein- der Mangel an Kleintieren besteht bzw. diese Bereich die gleiche Anzahl von Beuteobjek- nimmt. Durch ihre Grabtätigkeit schafft sie schwierig aufzuspüren sind, eine größere An- ten, aber im Winter ist an Land die Biomasse auch für N. fodiens die erforderlichen Re- zahl von Beutetieren oder braucht länger als größer. Ein ausreichend breiter unbewirt- quisiten. die kleineren Sorex-Arten, um sie in ausrei- schafteter Gewässerrandstreifen, der genü- chender Menge zu erlangen (vgl. AITCHIN- gend terrestrische Nahrung bietet, kann da- 5. Lebensraum SON 1987). Bei den Sorex-Arten ist zwar die her während dieser Jahreszeit sehr wichtig Relation Körperoberfläche : Körpervolumen sein. Entscheidend ist, daß es gelingen muß, Die Bedeutung der Uferstrukturen für die ungünstiger, und damit sind die thermischen die Fließgewässer entsprechend ihrer ökolo- Wasserspitzmaus hat SCHRÖPFER (1983) Verluste größer, jedoch, und das ist entschei- gischen Bedeutung in unserer Landschaft zu überzeugend dargestellt. Der Autor konnte dend, benötigen diese für ihren täglichen erhalten bzw. ihnen diese Funktion durch Re- nachweisen, daß reichstrukturierte Uferbe- Energiebedarf die absolut geringere Anzahl naturierung oder Revitalisierung und behut- reiche häufiger aufgesucht werden, und die von Beuteobjekten. Kalte Winter können so- same Pflege wieder zuzuweisen. Dabei soll- Spitzmäuse in diesen Bereichen länger ver- mit einen erheblichen Einfluß auf die Abun- ten insbesondere die folgenden Schwerpunk- weilen. Strukturärmere Abschnitte werden danz der Population ausüben. Der Winter te berücksichtigt werden (s. GUNKEL 1996, rasch durchquert. Reichgegliederte, gut 1995/96 mit einer außergewöhnlich langen WATERSTRAAT 1991): strukturierte Ufer bieten den nötigen Schutz Kälteperiode, geringen Schneelagen und a. Keine Krautungsmaßnahmen in Natur- vor Feinden. Anzutreffen sind die Wasser- mehrmonatiger Eisbedeckung ließ einen er- schutzgebieten und naturnahen Fließge- spitzmäuse an unterschiedlich gestalteten heblichen Rückgang der Wasserspitzmaus wässern, möglichst eine Selbstentwick- Uferpartien. An Stellen, wo durch Auskol- erwarten. Jedoch das Gegenteil war der Fall. lung gewähren; falls kein ausreichender kungen die Strömung gemindert wird bzw. Mit einem Fallenbesatz von 17 % konnten im Abfluß möglich ist, nur halbseitige und Flachwasserbereiche vorhanden sind, suchen März und April mehr Tiere gefangen werden abschnittweise Gewässerunterhaltungs- besonders die an stark strömenden Gewäs- als nach den milden Wintern der Vorjahre maßnahmen. sern lebenden Wasserspitzmäuse bevorzugt (1994 = 7 %, 1995 = 0 %). Die im Herbst un- b. Belassen von Totholz im Gewässer, da nach Nahrung (KÖHLER 1991b). Des weite- terbliebene Krautung des Untersuchungsge- durch diese natürlichen Wehre sich ren benötigt sie aber auch Uferpartien, die wässers könnte ein wesentlicher Grund für wechselnde Strömungsverhältnisse ein- durch einen steileren Böschungswinkel ein diesen unerwarteten Effekt gewesen sein. stellen, die länger eisfrei bleiben können. direktes Abtauchen vom Ufer aus ermögli- c. Keine Böschungsarbeiten und Uferbefe- chen. Unterschiedliche Strömungsbedingun- 7. Schutzmöglichkeiten stigungen, die zu einer Zerstörung der gen sind ein wichtiges Strukturelement für N. Uferstrukturen führen. fodiens. Nach der Habitatwahl ist N. fodiens Ursachen für den langfristigen Rückgang d. Durch Extensivierung eines mindestens als stenök einzustufen. Obwohl unter Bedin- sind in erster Linie in Veränderungen der Ge- 5 m breiten Uferstreifens sollen naturna- gungen der ökologischen Entspannung (eco- wässerstruktur zu suchen und weniger in der he Verhältnisse erreicht werden. logical release), wie von der Insel Texel (Nie- direkten Verfolgung durch den Menschen. e. Arbeiten sind nur in mehrjährigen Ab- derlande) bekannt, die Wasserspitzmaus Eine Verschlechterung der Wasserqualität ständen auszuführen, um negative öko- nicht nur aquatische Lebensräume besiedelt, wird bis zu einem bestimmten Grad toleriert, logischen Folgen zu minimieren. sondern auch die nicht besetzten Nischen der kann sich aber indirekt über den Rückgang f. Kein weiterer Verbau von Gewässern. fehlenden Soriciden (vgl. van LAAR 1981). der Beutetiere auf das Vorkommen der Was- g. Einordnen der Gewässer in langfristige serspitzmaus auswirken. Naturschutzplanungen auf Kreisebene 6. Verbreitung und Der Verbau der Gewässerufer zerstört klein- und Erstellen von Gewässerplänen, die Populationsdichte räumige Strukturen und fördert die Isolierung die Belange des moderen Naturschutzes der Metapopulationen. Gewässerunterhal- umfassend berücksichtigen. Die Populationsdichte der Wasserspitzmaus tungsmaßnahmen führen zu erheblichen lo- Die Wasserspitzmaus besitzt trotz ihrer ist wesentlich geringer als die der Waldspitz- kalen Populationseinbrüchen bei verschiede- stenöken Habitatwahl, eine breite ökologi- maus. Für Deutschland ermittelte STEIN nen Tiergruppen. Diese Maßnahmen, deren sche Valenz und ist durch aus in der Lage, (1975) anhand der Auswertung von Gewöll- Notwendigkeit seit langem umstritten ist, be- verlorene Habitate wieder zu besiedeln. untersuchungen ein Verhältnis von 100 S. wirken meist nur eine geringfügige Absen- araneus : 5,1 N. fodiens. DOLCH (1995) er- kung des Wasserspiegels. Sie führen aber im 8. Summary hielt nur ein Verhältnis von 100 : 1,0, wobei Uferbereich, infolge des Maschineneinsatzes beträchtliche lokale Schwankungen zu regi- zu Zerstörungen der Ufervegetation, Verlust Neomys fodiens is considered to be endan- strieren waren. Es steht jedoch außer Zweifel, an Kleinstrukturen und zur Verringerung des gered in all German laender, but it does not daß auch Gewöllanalysen für N. fodiens die Makrozoobenthos. be as rare as often reported. On one hand the Bestandssituation nur unzureichend reflektie- Sie bringen die Vegetation ständig in ein An- lack of special investigations leads to this im- ren. Erforderlich ist die Erfassung der ökolo- fangsstadium mit erheblichen Biomassezu- pression and on the other hand in general gischen Populationsdichte, d. h. die Dichte, wächsen und unterbinden die Ausbildung studies on population density of micromam- die ausschließlich auf die N. fodiens zusagen- von stabilen Folgestadien (WATERSTRAAT mals or in investigations of owl pellets this de Fläche bezogen wird. 1991). Besonders in naturnahen Fließgewäs- shrew is incompletly represented. Gegenüber den anderen Soricinen weist N. sern und natürlich in Naturschutzgebieten In former times Neomys was more common, fodiens folgende Vorteile auf: müssen derartige Maßnahmen unterbleiben. even in the vicinity of human buildings, as 1. Sie vermag sowohl terrestrische als auch Besonders Herbstkrautungen, auch wenn sie written e.g. by C. L. Brehm. Habitat loss by aquatische Nahrung zu nutzen. unter anderen Aspekten das Mittel der Wahl regulation of running waters or destruction 2. Physisch ist sie den anderen syntop vor- sind, entwerten diese Uferbereiche bis in den of banks and their surrounding are the main kommenden Arten überlegen. Frühsommer hinein. Erst mit verstärktem causes of its population decrease. During the Damit ergibt sich die Frage, weshalb besitzt Aufkommen der Vegetation eignen sie sich pessimal seasons this species needs also die Wasserspitzmaus – trotz der theoretisch wieder als Lebensraum für N. fodiens. Gera- enough terrestial food sources, because it bestehenden Möglichkeit – keine weitere de in einer schwierigen Jahreszeit können may hardly be capable to dive under ice and Verbreitung. diese Gewässerbereiche nicht genutzt wer- search for food on the ground under these Ein wichtiger limitierender Faktor ist offenbar den. Weiterhin kann man davon ausgehen, circumstances. Therefore intact stripes of ve- der höhere absolute Nahrungsbedarf, der daß N. fodiens nicht in der Lage ist, im Win- getation along the banks may increase the sich besonders in der pessimalen Jahreszeit ter unter dem Eis zu tauchen und dort nach Water shrew’s chance to survive. Besides a DIETER KÖHLER: ASPEKTE DER ETHÖKOLOGIE UND DEREN BEDEUTUNG FÜR DEN SCHUTZ DER WASSERSPITZMAUS NEOMYS FODIENS 55

short review of some behavioural aspects re- Landes Brandenburg - Die Säugetiere des ehemaligen SANDEN v., W. 1933: Die Wasserspitzmaus. In: GUJA: Bezirkes Potsdam. -Naturschutz und Landschaftspfle- Leben am See der Vögel. -Königsberg:129-143 commandations for improving the conditions ge in Brandenburg, Sonderheft 3: 1-95 SCHLOETH, R. 1980: Freilandbeobachtungen an der of the habitat were given. GUNKEL, G. 1996: Renaturierung kleiner Fließgewäs- Wasserspitzmaus, Neomys fodiens (Pennant 1771), im ser. G. Fischer Jena, Stuttgart. -471 S. Schweizerischen Nationalpark. -Rev. suisse Zool. 87: ILLING, K.; ILLING R. u. KRAFT, R. 1981: Freilandbe- 937-939 Literatur obachtungen zur Lebensweise und zum Revierverhal- SCHRÖPFER, R. 1983: Die Wasserspitzmaus (Neomys AITCHINSON, C.W. 1987: Review of winter trophic ten der Europäischen Wasserspitzmaus, Neomys fodiens Pennant 1771) als Biotopgüteanzeiger für relations in soricine shrews. -Mammal. Rev. 17:1-27 fodiens (Pennant 1771). -Zool. Beitr. 27: 109-122 Uferhabitate an Fließgewässern. -Verh. Dtsch. Zool. BREHM, C.L. 1826: Die einheimischen Wasserspitz- KÖHLER, D. 1984: Zum Verhaltensinventar der Was- Ges. 1983: 137-141 mäuse. -Ornis 2. Reprint Zentralantiquariat der DDR serspitzmaus (Neomys fodiens). -Säugetierkdl. Inform. STEIN, G.H.W. 1975: Über die Bestandsdichte und ihre 1987: 25-56 2: 175-199 Zusammenhänge bei der Wasserspitzmaus, Neomys BEMMEL, A.C. van u. VOESENEK, L.A.C.J. 1984: The KÖHLER, D. 1991a: Notes on the diving behaviour of fodiens (Pennant). -Mitt. Zool. Mus. Berlin 51: 187- home range of Neomys fodiens (Pennant 1771) in the the Water shrew, Neomys fodiens (Mammalia, Sorici- 198 Netherlands. -Lutra 27: 148-153 dae). -Zool. Anz. 227: 218-228 WATERSTRAAT, A. 1991: Unterhaltung, Bewirtschaf- CANTONI, D. 1993: Social and spatial organization of KÖHLER, D. 1991b: Notizen zum Vorkommen von tung und Ausbau von Fließgewässern - Naturschutz im free-ranging shrews, Sorex coronatus and Neomys fo- Neomys fodiens am mittleren Jenissej. -Säugetierkd. Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen und diens (Insectivora, Mammalia). -Anim. Behav. 45: 975- Inf. 3: 227-234 ökologischen Anforderungen. 2. Neubrandenburger 995 LAAR, V. van 1981: The wadden sea as a zoological Wasserkolloquium. -BWK Bd. 1993: 81-92 CHURCHFIELD, S.1984: An investigation of the popu- barrier to the dipersal of terrestrial mammals. In: lation ecology of synoptic shrews inhabitating water- WOLFF, W.J. Report 10. Terrestrial and freshwater cress beds. -J. Zool. 204: 229-240 fauna of the Wadden Sea area: 231-266 CHURCHFIELD, S. 1994: Foraging strategies of RICHTER, H. 1953: Zur Kenntnis mittelsächsischer So- shrews, and the evidence of field studies. In: MERRITT, riciden. -Z. Säugetierkde 18: 171-181 Verfasser J.F.; KIRKLAND jr. G.L. u. ROSE, R.K.: Advances in the RUTHARDT, M. 1990: Ein öko-ethologischer Ansatz biology of shrews. -Carnegie Mus Nat. Hist. Spec. zur Erklärung der semiaquatischen Lebensweise der Dr. Dieter Köhler Publ. Nr. 18: 77-88 Wasserspitzmaus (Neomys fodiens Pennant 1771). Hänflingsteig 10 DOLCH, D. 1995: Beiträge zur Säugetierfauna des Dissertation Universität Osnabrück. D–12685 Berlin

DIETRICH VON KNORRE Wie sicher können Wald- (Sorex araneus) und Schabrackenspitzmaus (Sorex coronatus) bei Gewöllanalysen erkannt werden ?

Schlagwörter: Waldspitzmaus (Sorex araneus), Schabrackenspitzmaus (Sorex coronatus), Ge- wöllanalyse, Schädelmerkmale, Verbreitung

1. Einleitung Zeit nur anhand ihrer Karyotypen oder mit Gewölluntersuchungen, als Voraussetzung biochemischen Methoden eindeutig diffe- für eine flächendeckende Kleinsäugerfauni- Seit den inzwischen klassischen Arbeiten von renziert werden konnten. Dank gründlicher stik, erheblich reduzieren. Die bereits beton- UTTENDÖRFER und MÄRZ zur Ernährung Studien, insbesondere von HAUSSER und te starke Variabilität der Schädelmerkmale der Greifvögel und Eulen stützt sich die Fau- JAMMOT (1974), PIEPER (1978), HAND- bedingt jedoch, daß immer wieder Funde ge- nistik der Kleinsäuger in hohem Maße auf die WERK (1987), HAUSSER (1990) u. a. gelang macht werden, deren eindeutige Zuordnung Ergebnisse aus der Analyse von Eulengewöl- es in neuerer Zeit, Schädelmerkmale zu fin- len. Diesbezügliche Befunde sind das Resul- den, die eine Unterscheidung der beiden Ar- tat zeitaufwendiger Untersuchungen, die ten mit Hilfe von Diskriminanzfunktionen er- überwiegend von Freizeitforschern, die sich möglichen. Erschwerend kommt jedoch bei in die Methodik der Gewöllanalyse eingear- diesem Artenpaar hinzu, daß die ausgewähl- beitet haben und die Kleinsäuger nach Zäh- ten Meßstrecken eine erhebliche geographi- nen und Schädelfragmenten, somit nach sche Variation zeigen, weshalb die Befunde morphologischen Merkmalen unterscheiden, nicht unbesehen auf andere Gegenden über- geleistet werden. tragen werden können. Mit der fortschreitenden Entdeckung nahver- In einer sehr gründlichen Studie haben TUR- wandter und daher skelett- bzw. zahnmor- NI und MÜLLER (1993 und 1996) an einem phologisch sehr ähnlicher Artenpaare prak- größeren Material flächendeckend für Ba- tisch in allen Familien der heimischen den-Württemberg von biochemisch sicher Kleinsäuger ergaben und ergeben sich jedoch bestimmten Tieren die morphologischen für viele Freizeitforscher Grenzen, die ihnen Schädelmerkmale überprüft und dabei zei- durch ihre technischen Hilfsmittel gesetzt gen können, daß beim Vorliegen kompletter sind. Bislang gelang es jedoch immer wieder Schädel eine sichere Arttrennung mit einer durch subtile Untersuchungen, differenzie- Diskriminanzfunktion möglich ist. Damit läßt rende morphologische Merkmale zu finden, sich die bislang bestehende Unsicherheit für die mit einfachen Meßinstrumenten objektiv erfaßbar sind und damit auch dem nur auf Abb. 1 private Mittel angewiesenen Forscher die Verwendete Meßstrecken am Oberschädel (FV = Abstand der Foramina vascularia; PB = Abstand weitere Arbeit ermöglichen. der Postglenoidforstätze) und am Unterkiefer Ein besonders schwer zu trennendes Arten- (Caudalfläche des Processus articularis) nach paar bilden die beiden nah verwandten Arten TURNI u. MÜLLER (1996) zur Differenzierung Wald- und Schabrackenspitzmaus, die lange zwischen Wald- und Schabrackenspitzmaus 56 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Schwierigkeiten bereitet. Werden derartige fragliche Stücke dann als Einzelfunde Fach- kollegen zur Überprüfung vorgelegt, sind Fehldiagnosen nicht auszuschließen. Die richtige Determination solcher Schädel kann jedoch relativ leicht erhöht werden, wenn die Variationsbreite der lokalen Serie mit Berück- sichtigung findet. Seit den ersten Nachweisen von Sorex coro- natus in der hessischen Rhön durch PIEPER (1978) konnte auch mit dem Auftreten die- ser Art weiter östlich gerechnet werden – eine Vermutung, die durch die Befunde von ER- FURT (1986) sowie ERFURT und STUBBE (1986) offenbar ihre Bestätigung fand. Um- fangreichere Messungen an Schädelserien von verschiedenen Thüringer Fundpunkten ließen jedoch Zweifel an den östlich der Rhön erfolgten Nachweisen aufkommen. Vorliegende Untersuchung erfolgte im Rah- men der Festlegung der östlichen Verbrei- Abb. 2 Verteilung der Quotienten aus den ermittelten Meßstrecken am Oberkiefer – Überlappungsbereich tungsgrenze von Sorex coronatus, deren Ver- zwischen 3,7 bis 3,9 lauf in Thüringen vermutet wurde. Mein be- sonderer Dank gilt Herrn Dr. J. Erfurt (Halle), der mir in kollegialer Weise seine gesamten fraglichen Serien und Einzelfunde aus dem Bestand der Sammlung des Zoologischen In- stitutes der Universität Halle heraussuchte und zur Überprüfung zur Verfügung stellte sowie Herrn H. Turni (Tübingen), der mir bei der Einarbeitung in seine Untersuchungsme- thode behilflich war. 2. Methode und Diskussion Entsprechend den Angaben bei HANDWERK (1987) sowie TURNI und MÜLLER (1993 u. 1996) wurden zur Diagnose der Oberkiefer der Quotient aus dem Abstand der Postgle- noidfortsätze und dem Abstand der Forami- na vascularia (Lochmitte) gebildet sowie am Unterkiefer aus den gut meßbaren Strecken (Höhe und Breite) an der Caudalfläche des Abb. 3 Processus articularis (genaue Abbildung der Verteilung der Quotienten aus den ermittelten Meßwerten am Unterkiefer – Überlappungsbereich Meßstrecken s. TURNI u. MÜLLER 1996) zwischen 1,7 und 1,8 (Abb.1). Nur bei frischem Gewöllmaterial war eine exakte Zuordnung der beiden Kie- ferhälften und damit eine Bestimmung mit der von TURNI und MÜLLER (1993 u. 1996) mitgeteilten Diskriminanzfunktion möglich. Diese Schädel boten jedoch die Möglichkeit, die lokale Variationsbreite der Quotienten für Ober- und Unterkiefer getrennt zu nutzen und damit auch ältere Gewöllfunde in die Untersuchung einzubeziehen. In der graphi- schen Umsetzung (Abb. 2 u. 3) ergibt sich je- weils für beide Quotienten an Schädeln aus Westthüringen ein Doppelgipfel, mit einem kritischen, da artlich nicht sicher zu differen- zierenden Übergangsbereich. Für die weitere Betrachtung erscheint es jedoch wesentlich, daß an Fundstellen, an denen beide Arten sympatrisch vertreten sind, sie etwa zu glei- chen Anteilen in der Liste der Beutetiere nachgewiesen werden konnten (Abb. 4). Of- fenbar bestehen keine oder nur geringe Un- terschiede in den ökologischen Ansprüchen Abb. 4 beider Arten. Entsprechende Schlüsse lassen Typischer Doppelgipfel von einem Fundort mit sympatrischen Vorkommen von S. araneus und S. sich auch aus den Beobachtungen von BER- coronatus. MTBQ = Meßtischblattquadrant GER u. a. (1992) für ihre Befunde aus dem DIETRICH VON KNORRE: WIE SICHER KÖNNEN WALD- UND SCHABRACKENSPITZMAUS BEI GEWÖLLANALYSEN ERKANNT WERDEN ?57

Westfälischen Bergland ableiten. Zusammen Quotient im Überschneidungsbereich zu Sor- gens sich z. T. zwischen benachbarten Dör- mit den Ergebnissen aus den exakt durch die ex coronatus liegt. Werden derartige Schädel fern extrem scharf abzeichnet (Abb. 6). Ähn- Diskriminanzfunktion getrennten Schädeln jedoch herausgelöst und einzeln betrachtet, lich deutlich verläuft auch die Nordgrenze der konnte dadurch die lokale Variationsbreite so kann dies leicht die Ursache für eine Fehl- Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus) in Ost- und der Überschneidungsbereich ermittelt diagnose sein (Abb. 5). Bemerkenswert ist in thüringen (v. KNORRE unveröff.). Während werden. Daraus läßt sich folgern, daß in einer diesem Zusammenhang, daß die auf der an dem einen Fundplatz (Kirchturm) noch der eingipfeligen Serie, dessen Hauptgipfel durch Grundlage der Analyse von Schleiereulenge- prozentuale Anteil beider Arten auch bei wie- die Variationsbreite von Sorex araneus gebil- wöllen ermittelte Verbreitungsgrenze von derholten Aufsammlungen nahezu 1 : 1 be- det wird auch diejenigen Schädel noch zu Sorex coronatus in der östlichen Rhön und im trägt, fehlt Sorex coronatus bereits im Nach- Sorex araneus gestellt werden müssen, deren weiter nördlich angrenzenden Teil Thürin- bardorf oder ihr Anteil sinkt auf 25 : 1 ab. Durch die räumliche Nähe beider Fundstellen (unter 5 km) kann ein Wechsel der Schleier- eule und damit eine Verschleppung dieser einzelnen Spitzmaus dabei nicht ausgeschlos- sen werden. 3. Summary It is possible to differentiate between Sorex arenareus and Sorex coronarus by the char- acteristics if their skull. To awoid wrong diag- nosis it is necessary to investigate the variety of the measured values and to interpret single finds in the overlapping area of the curves of the two species as extreme values and not as a proof of the other species. Abb. 5 Verteilung der Quotienten von Unterkiefermeßdaten von 7 unterschiedlichen Fundplätzen aus dem Grenzbereich von Sorex coronatus. MTBQ 5227/3 mit Nachweisen beider Arten; MTBQ 5227/2 zwei Aufsammlungen, dabei ein Einzelfund von Sorex coronatus Literatur BERGER, M.; FELDMANN, R.; REHAGE, N.O. u. SKI- BA, R. 1992: Kleinsäugetier-Zönosen bachbegleitender Feuchtgebiete des südwestfälischen Berglandes. -Abh. Westf. Mus. Naturkd. -Münster 54: 1-47 ERFURT, J. 1986: Nachweis der Schabrackenspitzmaus (Sorex coronatus MILLET, 1828) für die DDR. -Säuge- tierkdl.Inf. 2 (10): 337-339 ERFURT, J. u. STUBBE, M. 1986: Die Areale ausge- wählter Kleinsäugerarten in der DDR. -Hercynia N.F. 23: 257-304 HANDWERK, J. 1987: Neue Daten zur Morphologie, Verbreitung und Ökologie der Spitzmäuse Sorex araneus und S.coronatus im Rheinland. -Bonn. zool. Beitr. 38: 273-293 HAUSSER, J. 1990: Sorex coronatus MILLET, 1828 – Schabrackenspitzmaus. In: Handbuch der Säugetiere Europas. Bd. 3/1. Hrsg.: J. NIETHAMMER u. F. KRAPP, AULA-Verlag Wiesbaden: 279-286 HAUSSER, J. u. JAMMOT, D. 1974: Etude biométrique des machoires chez les Sorex du groupe araneus en eu- rope continentale (Mammalia, Insectivora). -Mamma- lia 38: 324-343 PIEPER, H. 1978: Zur Kenntnis der Spitzmäuse (Mam- malia, Soricidae) in der Hohen Rhön. -Beitr.Na- turkd.Osthessen 13/14: 101-106 TURNI, H. u. MÜLLER, E.F. 1993: Unterscheidung von Waldspitzmaus (Sorex araneus) und Schabrackenspitz- maus (Sorex coronatus) anhand von Schädelmerkma- len. -Poster anläßlich der 67. Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde in Tübin- gen. Kurzfassung der Vorträge und Posterdemonstra- tion: 71 TURNI, H. u. MÜLLER, E.F. 1996: Unterscheidung der Spitzmausarten Sorex araneus L., 1758 und Sorex coronatus MILLET, 1828 mit Hilfe einer neuen Diskri- minanzfunktion. -Z.Säugetierkd. 61: 73-92

Verfasser Dr. Dietrich von Knorre Abb. 6 Meßtischblattquadranten mit Funden von Gewöllserien im Bereich der östlichen Verbreitungsgrenze der Friedrich-Schiller-Universität Jena Schabrackenspitzmaus in Thüringen, die auf Vorkommen der beiden Spitzmausarten überprüft wurden. Phyletisches Museum Geschlossene Kreise entsprechen Vorkommen der beiden Arten (S. corponatus u. S. araneus), offener Vor dem Neutor 1 Kreis nur Nachweis der Waldspitzmaus (S. araneus) D–07743 Jena 58 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

MARCUS PRIBBERNOW Biometrische Untersuchungen an Waldspitzmäusen (Sorex araneus Linné, 1758) und Schabrackenspitzmäusen (Sorex coronatus Millet, 1828)

Schlagwörter: Morphologie, Waldspitzmaus (Sorex areneus), Schabrackenspitzmaus (Sorex coronatus) Key words: morphology, Common Shrew (Sorex areneus), Jersey Shrew (Sorex coronatus)

1. Einleitung spezifische und regionale Variabilität ist je- Voraussetzung für diesen Test ist, mußte vor- doch zu groß, um die Tiere sicher bestimmen her mit Hilfe der Lillifors-Modifikation des Die morphologisch sehr ähnlichen Arten Sor- zu können (OLERT 1973, HANDWERK Kolmogoroff-Smirnoff-Tests (SACHS 1992) ex araneus (Waldspitzmaus) und Sorex coro- 1987, NEET 1992). die Wahrscheinlichkeit einer solchen Vertei- natus (Schabrackenspitzmaus) lassen sich Untersuchungen zur Schädelmorphologie lung ermittelt werden. karyologisch (MEYLAN 1964) wie auch bio- führten zu einer Reihe von biometrischen chemisch (CATZEFLIS et al. 1982) relativ ein- Merkmalen. So beschreibt OLERT (1973) 3. Ergebnisse deutig trennen. Für feldbiologische Arbeiten eine gewisse Differenzierung der Unterzahn- größeren Umfangs sind diese Methoden je- reihenlängen, jedoch mit einem relativ gro- Im Laufe der Untersuchung zeigte sich, daß doch zu aufwendig. Daher wurde in den letz- ßen Überschneidungsbereich. anhand der Schädelform, wie z. B. der von ten Jahren nach geeigneteren Bestimmungs- Mit der von HAUSSER und JAMMOT (1974) HAUSSER und JAMMOT (1974) angegebe- methoden gesucht. entwickelten Diskriminanzfunktion gelang nen Neigung des Processus coronoideus, kei- Äußerlich unterscheiden sich die beiden Ar- erstmals eine biometrische Trennung des von ne eindeutige Unterscheidung zwischen S. ten nur wenig. Zwar sind in der Fellfärbung ihnen untersuchten Schweizer Materials. Al- araneus und S. coronatus möglich ist. Erst mit gewisse Unterschiede erkennbar, die intra- lerdings muß die Funktion wegen der geo- Hilfe von Meßwerten gelang eine Differen- graphischen Variabilität beider Arten regio- zierung zwischen beiden Arten. nalen angepaßt werden. Außerdem ist die Ohne hier auf alle Meßstrecken genauer ein- Meßmethode relativ aufwendig, so daß die- gehen zu können, läßt sich festhalten, daß ses Verfahren für Gewöllanalysen ungeeignet sich mit zwei von HANDWERK (1987) be- erscheint. schriebenen Indices das Material am besten HANDWERK (1987) fand weitere Meß- und einfachsten trennen ließ. Die dafür ver- strecken am Ober- und Unterkiefer, die zur wendeten 4 Meßstrecken zeigten signifikan- Determination herangezogen werden kön- te Unterschiede zwischen den Merkmalsver- nen. Mit Hilfe von zwei Maßen am Processus teilungen beider Arten (t-Test, α=0,05). Von articularis erreichte er eine fast vollständige den 280 untersuchten Individuen konnten Trennung der beiden Arten. Bisher war aber damit 97,8 % eindeutig bestimmt werden. noch unklar, inwieweit sich diese Methode Dies gelang trotz der breiten geographischen überregional anwenden läßt. Verteilung der Fundorte, ohne die Grenzwer- Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, die te regional anpassen zu müssen. Qualität der vorliegenden Unterscheidungs- Nach HANDWERK (1987) ist bei S. araneus merkmale zu prüfen. Neben der Genauigkeit die Postglenoidbreite (Pgl) meist größer als sollte dabei auch die schnelle und einfache der Abstand der Maxillarfortsätze (Zyg), bei Handhabung ein wichtiges Kriterium sein, S. coronatus dagegen meist kleiner (Abb. 1). um die Methoden in umfangreicheren fauni- Auch das von mir untersuchte Material zeigt stischen Untersuchungen verwenden zu kön- deutliche Unterschiede hinsichtlich dieser nen. Merkmale. Der Überschneidungsbereich der gebildeten Indices beschränkt sich auf den 2. Material und Methode Wert 0,99 (Tab. 1). Ein weiteres Merkmal leitet sich aus Unter- Für die Untersuchung wurden 280 Exempla- schieden in der Form des Processus articula- re aus der Sammlung des Museums für Na- ris ab. In der Kaudalansicht ist bei S. corona- turkunde Berlin herangezogen. Das Material tus die untere Kaufläche kleiner als bei S. ara- stammt von verschiedensten Fundorten. Ne- neus und der Gesamtumriß erscheint schlan- ben Präparaten aus ganz Deutschland sind ker. Aus den Maßen Höhe (H) und Breite (B) auch 63 französische und 13 niederländische des Proc. articularis (Abb. 1) ergibt sich ein Tiere enthalten. Anhand dieser heterogenen Index H/B (HANDWERK 1987), der einen re- Zusammenstellung ließ sich gut die überre- lativ geringen Überschneidungsbereich (1,45 gionale Gültigkeit der Bestimmungsmerkma- bis 1,47) aufweist (Abb. 2). le testen. Die Messungen wurden unter einem Stereo- 4. Diskussion mikroskop mit Okularmikrometer vorgenom- Abb. 1 men. Um die Unterschiede zwischen den In der vorliegenden Untersuchung erwiesen Meßstrecken am Oberkiefer und an der Merkmalsverteilungen beider Arten zu prü- sich die von HANDWERK (1987) beschriebe- Kaudalfläche des Processus articularis (Schädel fen, wurde der t-Test (LORENZ 1988) durch- nen Indices Pgl/Zyg und H/B als zuverläßige von S. araneus). geführt. Da eine Normalverteilung der Daten Bestimmungsmerkmale. Allerdings mußten MARCUS PRIBBERNOW: BIOMETRISCHE UNTERSUCHUNGEN AN WALDSPITZMÄUSEN UND SCHABRACKENSPITZMÄUSEN 59

messen werden. Die beiden Arten Sorex ara- Tabelle 1: Grenz- und Mittelwerte der Indices Pgl/Zyg und H/B neus und S. coronatus lassen sich so mit hin- reichender Genauigkeit unterscheiden. Der _ S. araneus S. coronatus_ Index n x +_s min-max n x +_s min-max Meßaufwand ist relativ gering, so daß sich auch umfangreicheres Material, wie es z. B. Pgl/Zyg 113 1,05 0,03 0,99-1,12 89 0,95 0,02 0,88-0,99 bei Gewöllanalysen anfällt, schnell bearbei- H/B 152 1,31 0,06 1,16-1,47 128 1,60 0,08 1,45-1,84 ten läßt. In Anbetracht der Grenzfälle sollte jedoch ein Erstnachweis für ein Gebiet auf mehreren Exemplaren basieren. dazu die von ihm angegebenen Grenzwerte terschiedliche Meßmethode sein. Statt mit ei- etwas abgeändert werden. ner Schiebelehre wurde in dieser Untersu- Danksagung Beim Pgl/Zyg-Index ist der Unterschied nicht chung mit einem Okularmikrometer gemes- gravierend. Der hier ermittelte Wert von 0,99 sen. Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Für die Anregung und Unterstützung bei die- liegt nur geringfügig unter dem von HAND- von ihm untersuchten Populationen auch ser Arbeit möchte ich mich bei Frau Dr. R. WERK (1987) ermittelten Grenzwert von eine größere Variationsbreite aufweisen. Angermann herzlich bedanken. 1,00. Für den H/B-Index jedoch gibt er einen Betont werden muß, daß der H/B Index sich wesentlich größeren Überschneidungsbe- am besten für die Bestimmung eignet. Der reich an (1,44 bis 1,51). Der von mir gefun- Proc. articularis ist selten beschädigt, woge- Literatur CATZEFLIS, F.; Graf, J.-D.; HAUSSER, J. u. VOGEL, P. dene Grenzbereich von 1,45 bis 1,47 fällt gen die Maxillarfortsätze oftmals abgebro- 1982: Comparaison biochimique des musaraignes du deutlich kleiner aus. chen sind. Außerdem kann in Zweifelsfällen genre Sorex en Europe occidentale (Soricidae, Mam- Eine Ursache könnte möglicherweise die un- zum Vergleich auch die zweite Mandibel ver- malia). -Z. zool. Syst. Evolut.-forsch. 20: 223-233 HANDWERK, J. 1987: Neue Daten zur Morphologie, Verbreitung und Ökologie der Spitzmäuse Sorex ara- neus und Sorex coronatus im Rheinland. -Bonn. zool. Beitr. 38: 273-297 HAUSSER, J. u. JAMMOT, D. 1974: Etude biométrique des mâchoires chez les Sorex du gruope araneus en Eu- rope continentale (Mammalia, Insectivora). -Mamma- lia 38: 324-343 LORENZ, R. 1988: Grundbegriffe der Biometrie. 2. Aufl. G. Fischer Verl. -Stuttgart: 160-173 MEYLAN, A. 1964: Le polymorphisme chromosomique de Sorex araneus L. (Mamm., Insectivora). -Rev. suis- se Zool. 71: 903-983 NEET, C. R. 1992: The use of fur colour characters to distiguish the sibling species Sorex araneus and Sorex coronatus (Insectivora, Soricidae): a field test in a zone of parapatric contact. -Z. Säugetierk. 57: 176-178 OLERT, I. 1973: Schädelmessungen an rheinischen Wald-und Schabrackenspitzmäusen. -Bonn. zool. Beitr. 24: 366-372 SACHS, L. 1992: Angewandte Statistik. Springer Verl. -Berlin. -610 S.

Verfasser Marcus Pribbernow Abb. 2 Charlottenburger Str. 2 Häufigkeitsverteilung der H/B-Indizes beider Arten (S. coronatus-Werte gespiegelt). D–13086 Berlin

Artenschutzrechts- des WA für alle Arten der Anhänge A, B, zum nationalen Recht herzustellen, trat am und C. 13.6.1997 die Dritte Änderungsverordnung novellierung Vermarktungsmöglichkeiten für legal erwor- der Bundesartenschutzverordnung in Kraft. bene, z. B. in Gefangenschaft gezüchtete Ex- Es gelten damit zentrale Vorschriften der Am 1.6.1997 trat die neue EG-Artenschutz- emplare von Anhang-A-Arten, werden über Bundesartenschutzverordnung und des Bun- verordnung VO(EG) Nr. 338/97 in Kraft. Einzelfallgenehmigungen und Züchterbe- desnaturschutzgesetzes überwiegend weiter. Sie tritt an die Stelle der alten VO(EG) scheinigungen für die Vermarktung freigege- So bestehen für die Haltung von Exemplaren Nr. 3626/8. Zusammen mit der ebenfalls neu ben. Naturentnommene Exemplare dieser geschützter Wirbeltiere nach wie vor Mel- in Kraft getretenen Durchführungsverord- Arten benötigen in bestimmten Fällen eine de-, Kennzeichnungs-, Buchführungspflich- nung 939/97 regelt sie die Überwachung des Transportgenehmigung. Für legal gezüchtete ten (Letzgenanntes bei kommerziellem Ge- Handels mit Exemplaren geschützter Tier- A- und B-Arten fallen nach alter EG-Verord- werbe). Die Anhänge der geänderten Bun- und Planzenarten. nung vorgeschriebenen CITES-Bescheinigun- desartenschutzverordnung beinhalten jetzt Die Verordnung ist für alle Mitgliedstaaten gen weg. Die Länder Brandenburg und Berlin ausschließlich national besonders geschützte der Europäischen Union verbindlich und un- bemühen sich derzeit auf Ebene der Bundes- und vom Austerben bedrohte Arten. Die Ver- mittelbar geltend. länder um eine mehrheitliche Empfehlung für bote des § 20 f BNatSchG (Zugriffs-, Besitz- Die Arten des Washingtoner Artenschutz- die Anwendung eines entsprechenden und Vermarktungsverbote) gelten für diese übereinkommen und darüber hinaus weitere Zuchtnachweisformulars unter anderem um Arten. geschützte Arten sind in vier Anhängen (A, B, Nachweismöglichkeiten für Inlandsnach- Abzuwarten bleiben die Umsetzung von Be- C, D) gelistet. Neu ist die Trennung von in zuchten zu erleichtern sowie das Käuferver- stimmungen zur Umsetzung der Fauna- Mitgliedstaaten der EG national geschützten halten so zu steuern, daß Inlandsnachzucht- Flora-Habitat Richtlinie und die Neufassung Arten und denen der EG-Verordnung. So sind en bestimmter Arten naturentnommenen des noch gültigen Abschnittes 5 (Arten- z.B. alle in der EG beheimateten Greifvogel- Artgenossen vorgezogen werden und so schutz) des BNatSchG voraussichtlich im Jahr und Eulenarten in Anhang A aufgeführt. langfristig Naturentnahmen zurückgefahren 1998. Einfuhr und Ausfuhrgenehmigungspflichten werden. gelten in Verschärfung der Bestimmungen Um den Bezug der neuen EG-Regelungen F. Plücken 60 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

HANS-WERNER MATERNOWSKI Die Erfassung von Igel-Verkehrsopfern im Altkreis Oranienburg und weiteren Teilbereichen des Landes Brandenburg – Ein Beitrag zur Lösung faunistischer Fragestellungen

Schlagwörter: Igel (Erinaceus europaeus L.), Verkehrsopfer, Mortalität, Oranienburg, Oberhavel

1. Einleitung deckenden Nachweis für diese Art im keine neue Methode. Ähnliche Untersuchun- Kreis Oranienburg? gen erfolgten bei Kiel durch GROSSHANS Die Erfassung der Säugetier-Verkehrsopfer ist – Sind Aussagen zum jahreszeitlichen Akti- und am Neuenberger See in der Schweiz eine geeignete Methode zur Beantwortung vitätsablauf möglich? durch BERTHOUD (zit. nach HOLZ. u. NIET- verschiedener faunistischer Fragestellungen. – Sind Tendenzen der Zu- und Abnahme HAMMER 1990). ESSER und REICHHOLF Teilaussagen zur Verbreitung, zur Reproduk- der Verkehrsopfer ersichtlich? (1980) erfaßten von 1976 bis 1980 die tion, zum Lebensraum sowie zu Fragen der – Sind Verbreitungsschwerpunkte erkenn- Straßenmortalität des Igels entlang der Siedlungsdichte einzelner Arten lassen sich bar? Strecke von München nach Bad Füssing in hieraus herleiten. Aus diesen Fragestellungen heraus wurde für Südbayern und werteten die Ergebnisse um- Geeignet ist diese Methode allerdings nur die vorliegende Arbeit nachfolgende Zielstel- fangreich aus. BLÜMEL u. BLÜMEL (1980) bei den Arten, deren Bestimmung relativ lung formuliert: führten diese Arbeit in der Oberlausitz von leicht ist, denn oft muß die Artbestimmung im • Aufzeigen einer faunistischen Untersu- 1974 bis 1977 durch. DOLCH (1995) nutzte Vorbeifahren erfolgen. Der Igel ist, bedingt chungsmethode, die durch Einbeziehung u.a. die Igel-Verkehrsopfer zur Kartierung der durch sein charakteristisches Aussehen, hier- vieler Interessierter durchaus auswertbare Specie im Land Brandenburg. zu besonders geeignet. STUBBE et al. (1991) Ergebnisse erbringt, sowie gleichzeitig auf Grundlage dieser Arbeit war die Mitwir- empfehlen zur großflächigen Igelkartierung das Problem der Verkehrsopfer hinweist kung einer großen Zahl von Mitarbeitern deshalb auch die Erfassung der Verkehrs- und damit einen Beitrag zur Einbeziehung und Interessierten. Aufgrund von wachsen- opfer. größerer Bevölkerungskreise in die Belange dem Interesse hat sich im Laufe der Zeit ein Der Igel gehört wohl zu den Säugetierarten, des Biotop- und Artenschutzes leistet. Mitarbeiterstamm entwickelt, durch den es die durch den Straßenverkehr die größten • Das Dokumentieren von Informationen möglich wurde, den Altkreis Oranienburg Verluste erleiden. Die Rheinisch-Westfäli- und Daten, um in der Auswertung bzw. im in weiten Bereichen zu bearbeiten und auch schen Igelfreunde sprechen in ihren Informa- Vergleich mit zukünftigen Erfassungen Verkehrsopfermeldungen aus anderen Krei- tionsblättern von 500 000 Igeln, die jährlich in Entwicklungen erkennbar zu machen. sen des Landes Brandenburg zu erhalten. der Bundesrepublik überfahren werden. Diese Die Erfassung der Igel-Verkehrsopfer erfolgt Angaben beziehen sich aber nur auf die west- 3. Untersuchungsgebiet seit 1990 und wird fortgesetzt. Die hier vor- lichen Bundesländer. Detaillierte Angaben zu liegende Auswertung betrachtet den Zeit- kleineren Raumeinheiten fehlen, wobei es ge- Die Erfassung der Igel-Verkehrsopfer erfolg- raum von 1990 bis 1995. wiß auch regionale Unterschiede gibt. te überwiegend im Altkreis Oranienburg, der Folgende Kriterien wurden dabei zugrunde Bei allen im vorliegenden Beitrag benannten resultierend aus der Kreisgebietsreform heu- gelegt: Igeltotfunden wird als Art vom Braunbrust- te Bestandteil des Landkreises Oberhavel ist Erfaßt wurden alle toten Igel auf den igel (Erinaceus europaeus L.) ausgegangen, und damit zum Land Brandenburg gehört. Straßenverkehrswegen und unmittelbar im da für das Gebiet der DDR und daraus resul- Des weiteren liegen Igel-Verkehrsopfermel- Randbereich. Dazu wurde an alle Mitarbeiter tierend auch für den Altkreis Oranienburg dungen aus dem restlichen Territorium des ein Erfassungsbogen verteilt, in dem nach kein nachprüfbarer Beleg des Weißbrustigels Kreises Oberhavel und aus den Kreisen Funddatum, dem genauen Fundort ein- (Erinaceus concolor M.) aus der Zeit nach Uckermark, Havelland, Barnim, Ostprignitz- schließlich einer kurzen detaillierten Beschrei- 1945 bekannt ist (ANSORGE 1987). Ruppin sowie Potsdam/Land vor, deren Um- bung, nach dem Alter – aufgeschlüsselt nach fang jedoch noch relativ gering ist. der Körpergröße in adulte oder juvenile Ex- 2. Ziel- und Fragestellung Der Altkreis Oranienburg grenzt nördlich an emplare – und nach dem Geschlecht gefragt Berlin und hat eine Größe von 857 km2 Die wird. Diese Arbeit ist das Resultat einer Fragestel- Einwohnerzahl liegt bei 130 000. Letztes konnte nur situationsbedingt beant- lung, die Ende der 80er Jahre aufgrund der Aufgrund seiner Lage werden weite Bereiche wortet werden, da es nicht möglich ist, auf ei- vielen verkehrstoten Igel entstand, und die des Altkreises Oranienburg, extrem vom ner stark befahrenen Straße das Tier zu si- damals lautete: Wie viele Igel werden im Alt- Straßenverkehr frequentiert. Es führen 78 km chern und das Geschlecht zu bestimmen. kreis Oranienburg Opfer des Straßenver- Bundesstraßen, 211 km Landes- und 33 km Aufgrund der benannten Faktoren waren kehrs? Der Autor begann dementsprechend Kreisstraßen sowie 670 km kommunale dann auch die Ergebnisse zum Geschlecht der im Jahr 1990 mit der kontinuierlichen Erfas- Stadt- und Gemeindestraßen durch das Igel zahlenmäßig gering. Auf eine Auswer- sung aller Igel-Verkehrsopfer. Es schlossen Kreisgebiet. Weiterhin wird der Altkreis Ora- tung wurde deshalb in dieser Arbeit verzich- sich schnell weitere Interessierte an. nienburg von 49 km Autobahn durchquert tet. Die Ziel- und Fragestellungen dieser Erfas- (Landratsamt Oberhavel, Dezernat für Wirt- Eine Altersbestimmung der Tiere nach der sung entwickelte sich mit bzw. durch die Ar- schaft, mündl.1996). Körpergröße (aus dem Fahrzeug) hat sich beit, so daß heute nachfolgende Fragen for- nicht als sinnvoll erwiesen, denn auch adulte muliert werden können: 4. Methode Igel können aufgrund von schlechtem – Wie viele Igel werden jährlich Opfer des Ernährungs- oder Gesundheitszustand wie Straßenverkehrs im Kreis Oranienburg? Die Erfassung der Igel-Verkehrsopfer zur Be- Jungigel wirken (ANSORGE u. NEUMEIER – Ergeben die Verkehrsopfer einen flächen- antwortung faunistischer Fragestellungen ist mündl.). HANS-WERNER MATERNOWSKI: DIE ERFASSUNG VON IGEL-VERKEHRSOPFERN 61

Zum Jahresende kamen die Fragebögen • Wie viele Igel werden jährlich Opfer des zum Internationalen Insektivoren-Schutz be- zurück. Es erfolgte eine detaillierte Zusam- Straßenverkehrs im Altkreis Oranien- züglich des Igels: „Sie sind in keiner Weise menfassung mit teilweiser Auswertung, die burg? gefährdet, es gibt genug von ihnen, ihre be- jedem Mitarbeiter zusammen mit dem neuen Im Jahr 1993 wurden 190 Igel-Verkehrsopfer ruhigende Fortpflanzungsrate gewährleistet, Erfassungsbogen zugestellt bzw. übergeben im Altkreis Oranienburg erfaßt, 1994 waren daß nicht alle überfahren werden…“ Hof- wurde. es 198 Tiere, und 1995 erfolgte die Registrie- fentlich behält der anerkannte Wissenschaft- rung von 169 verkehrstoten Igeln (s. a. Tab. ler mit seiner Einschätzung recht. 5. Ergebnisse 1). Das sind aber wohlgemerkt nur die Tiere, • Kartierung der Totfunde die nach einem Verkehrsunfall auf der Straße Eine Kartierung der Ergebnisse ergibt eine na- Von 1990 bis 1995 wurden im Kreis Orani- oder dem Straßenrand verblieben und da- hezu flächendeckende Verbreitung des enburg und weiteren Bereichen des Landes durch sichtbar waren. Der Anteil der Tiere, Braunbrustigels (Erinaceus europaeus) im Brandenburg insgesamt 896 Igel-Verkehrs- die noch das nahe Gebüsch erreichten und Altkreis Oranienburg und eine weite Verbrei- opfer festgestellt. dort verendeten, ist schwer schätzbar. tung der Art im Kreis Oberhavel und seinen Bezogen auf den Altkreis Oranienburg sind Die anfangs formulierte Frage konkret zu be- benachbarten Randbereichen. Daraus resul- es 707 Igel, die in diesem Zeitraum im be- antworten, ist schwierig. Als grobe Schät- tierend konnte die noch recht lückenhafte nannten Gebiet erfaßt wurden (Tab. 1). zung kann man, die erhobenen Daten zu- Kartierung des Braunbrustigels in Branden- Eine Analyse der Verkehrsopferdaten ergibt grunde legend, davon ausgehen, daß im Alt- burg (DOLCH 1995) in Teilbereichen weiter eine Reihe von Aussagen, die nachfolgend kreis Oranienburg in den Jahren 1993 bis vervollständigt werden (Abb. 1). betrachtet werden. Besonders geeignet sind 1995 jährlich mindestens 300 bis 350 Igel • Jahreszeitliche Verteilung der Aktivität dazu die Daten aus den Jahren 1993 bis Opfer des Straßenverkehrs wurden. Die Igel unterliegen in ihrer Aktivität einem 1995, da sich in diesem Zeitraum immer zwi- Die verkehrsbedingt hohe Mortalität des ausgeprägten Jahresablauf, der sich eindeu- schen 22 und 24 Mitarbeiter an der Erfassung Igels und die daraus resultierende Gefähr- tig durch die Anzahl der verkehrstoten Tiere beteiligten und damit eine gewisse Vergleich- dung der Art unterstreicht explizit die Einstu- belegen läßt. Erkennbar sind Spitzenwerte in barkeit gewährleistet wird. Aufgrund der fung in die Rote Liste des Landes Branden- den Monaten Juli bis September für das Ge- deutlich geringeren Zahl von Mitarbeitern burg (DOLCH et al.1992) als potentiell ge- biet des Kreises Oranienburg. Ermittelt man werden dementsprechend die Daten aus den fährdete Art. insgesamt den Durchschnittswert, so wurden Jahren 1990 bis 1992 nur teilweise in die Dagegen vertritt PODUSCHKA (1995) eine im Monat August gefolgt vom September die nachfolgende Auswertung integriert. andere Ansicht. Er schreibt in einer Bilanz höchsten Werte erreicht (vgl. Tab. 1). Ähnliche Untersuchungen bei Kiel durch GROSSHANS 1978 (zitiert nach HOLZ u. NIETHAMMER 1990) erbrachten Spitzen- werte in den Monaten Juni bis August. An- dere Ergebnisse erzielten REICHHOLF u. ES- SER (19981) in Bayern. Neben einem Maxi- mum im Juni wurde nach dem Absinken der Totfunde ein zweiter Spitzenwert im Oktober ermittelt. • Tendenzen der Zu- und Abnahme der Verkehrsopfer Betrachtet man die Ergebnisse des Kreises Oranienburg hinsichtlich der Zu- oder Ab- nahme der Verkehrsopfer, so ist nach etwa gleich hohen Werten in den Jahren 1993 und 1994 (190 bzw. 198 Opfer) ein deutlicher Rückgang für das Jahr 1995 mit 169 Tieren ersichtlich. Die Ursache für diesen Rückgang zu benennen, ist aufgrund eines fehlenden Gesamtüberblicks hinsichtlich aller Faktoren, die auf eine Population einwirken, nicht möglich. Gewiß spielen aber die hohe Morta- litätsrate auf den Straßen und die Vernich- tung geeigneter Lebensräume eine nicht un- maßgebliche Rolle. • Sind Verbreitungsschwerpunkte erkenn- bar? Aus den Verkehrsopfern lassen sich Rück- schlüsse auf den bevorzugten Lebensraum ziehen. Analysiert man die Verkehrsopfer der Jahre 1993 bis 1995 des Altkreises Oranien- burg nach dem Fundort, so ergibt sich ein deutlich größerer Anteil der Totfunde für den menschlichen Siedlungsbereich (s.Tab. 2). Außerhalb dieser Bereiche wurden nur zwi- schen 9,1 % und 10 % der Verkehrsopfer re- gistriert. Hier muß bemerkt werden, daß auch diese Funde überwiegend im größeren Grenzbereich zu Siedlungsräumen erfolgten. Damit wird die bevorzugte Nutzung des Abb. 1 menschlichen Siedlungsraumes durch diese Kartierung der im Zeitraum von 1990 bis 1995 erfaßten Igel-Verkehrsopfer im Land Brandenburg Tierart nochmals bestätigt (z. B. ESSER u. (Kartengrundlage: Landesumweltamt Brandenburg) REICHHOLF 1980). 62 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

bruch), D. Bollgrün (Velten), D. Chrobot Tabelle 1: Igel-Verkehrsopfer der Jahre 1990 bis 1995, erfaßt im Altkreis (Vehlefanz), P. Daebel (Nassenheide), S. De- Oranienburg, aufgegliedert nach dem Fundmonat witz (Hennigsdorf), P. Fahrendholz (Berlin), T. Jahr/Monat 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Summe Ø/Jahr Fiedler (Bergfelde), D. v. Grzymala (Borgs- dorf), R. Heigel (Liebenwalde), A. Hundrieser Januar 0 0 0 0 0 0 0 0 (Hennigsdorf) B. Kronenberg (Oranienburg), H. Krüger (Freienhagen), S. Massow (Berlin), Februar 0 0 0 0 0 1 1 0,2 B. Mauer (Borgsdorf), R. Nessing (Himmel- pfort), N. Priemuth (Hennigsdorf), H.-J. Roh- März00002240,7de (Berlin), B. Schendel (Gransee), H.-W. Schmidt (Nassenheide), W. Schulz (Berlin), April 1 0 3 7 3 1 15 2,5 W. Senger (Kremmen), J. Sprößig (Menz), B. Starke (Oranienburg), I. Stolpe (Velten), E.- Mai 4 0 3 17 17 7 48 8,0 M. Telchow (Zehlendorf), H. Tesmar (Mar- Juni 1 3 6 19 18 28 75 12,5 witz), U. Wagner (Berlin), N. Wilke (Gran- see), M. Wolf (Mühlenbeck), Juli 2 4 16 25 40 38 125 20,8 Hierfür sei allen gedankt. Des weiteren sei al- len anderen Mitarbeitern gedankt, die einzel- August 12 13 27 40 31 38 161 26,8 ne Daten und Informationen lieferten.

September 9 22453 39 31 158 26,3 Literatur ANSORGE, H. 1987: Der Status des Weißbrustigels, Oktober 0 2 13 22 36 22 95 15,8 Erinaceus conculor, in der DDR. -Säugetierkundl. In- formation 2(11): 399-402 BLÜMEL, H. u. BLÜMEL, R. 1980: Wirbeltiere als Op- November 1 1 3 7 9 1 22 3,7 fer des Straßenverkehrs. -Abh. u. Berichte des Natur- kundemuseums Görlitz. Bd. 54(8): 19-23 Dezember 0 0 0 0 3 0 3 0,5 DOLCH, D.; DÜRR, T.; HAENSEL, J.; HEISE,G.; PO- DANY,M.; SCHMIDT, A.; TEUBNER, J.; THIELE, K. Summe 30 25 95 190 198 169 707 1992:Rote Liste. Gefährdete Tiere im Land Branden- burg. Hrsg. Min. f. Umwelt, Naturschutz und Raumordnung. -UNZE-Verlagsgesellschaft mbH. - Anzahl der Potsdam: 1-288 Mitarbeiter 1 2 4 23 22 24 DOLCH, D. 1995: Beiträge zur Säugetierfauna des Landes Brandenburg - Die Säugetiere des ehemaligen Der jeweilige Spitzenwert ist fett und unterstrichen dargestellt. Der zweithöchste Wert ist Bezirks Potsdam. -Natursch. u. Landschaftspflege i. Brandenburg. Sonderheft 1995: 1-95 unterstrichen. ESSER, J. u. REICHHOLF, J. 1980: Die Höhe der Igel- verluste auf bayrischen Straßen. -Sonderdr. Bericht 4. Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Lau- fen/Salzbach: 1-4 Tabelle 2: Anzahl der Verkehrsopfer im bzw. außerhalb des HOLZ, H. u. NIETHAMMER J. 1990: Erinaceus euro- Siedlungsbereichs, bezogen auf den Altkreis Oranienburg paeus Linnaeus, 1758 - Braunbrustigel, Westigel. In: Handbuch der Säugetiere Europas. Bd. 3/1. Hrsg. J. Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 NIETHAMMER u. F. KRAPP. AULA-Verlag. -Wiesba- den: 27-49 PODUSCHKA, W. 1995: Internationaler Insektivoren- Anzahl der Verkehrsopfer Schutz 1970 - 1995 - Eine Bilanz. In: Säugetierkundl. insgesamt 30 25 95 190 198 169 Mitt. 36(4): 175-178 REICHHOLF, J. u. ESSER, J. 1981: Daten zur Mortalität Anzahl der Verkehrsopfer des Igels (Erinaceus europaeus) verursacht durch den im Siedlungsbereich 28 25 92 172 180 152 Straßenverkehr. -Sonderdr. Z. f. Säugetierkunde Bd. 46/4: 216-222 STUBBE, M.; HEIDECKE, D.; STUBBE, C. u. GÖRNER, Anzahl der Verkehrsopfer außerhalb M. 1991: Künftige Aufgaben der Säugetierökologie in von Siedlungsbereichen 2 0 3 18 18 17 den östlichen Ländern Deutschlands. -Säugetierkundl. Information 3(15): 321-329 Anzahl der Verkehrsopfer außerhalb von Siedlungsbereichen in % 9,5 9,1 10

Anzahl der Mitarbeiter 1 2 4 23 22 24 Verfasser Hans-Werner Maternowski Havelkorso 184 D–16565 Lehnitz 6. Summary came obvious. The mapping out of the spe- cies was completed. From 1990 till 1995 a registration of the hedgehogs which become a sacrifice of traf- Danksagung fic was carried out in the district of Oranien- burg as well as other parts of the Federal Unterstützung bei dieser Arbeit erhielt ich State of Brandenburg. An amount of 896 durch den Naturschutzbund Deutschland, dead hedgehogs was registered of which 707 Landesverband Brandenburg, Landesfach- dead animals were found in the district of ausschuß Mammalogie und den Kreisver- Oranienburg. band Oranienburg sowie durch die Mitarbei- The analysis of data revealed that the peak of ter der Naturschutzstation Zippelsförde, einer losses was recorded between July and Sep- Einrichtung des Landesumweltamtes Bran- tember. A second peak couldn‘t be discover- denburg. ed. An der Erfassung der Verkehrsopfer beteilig- The preference of the hedgehog (Erinaceus ten sich insbesondere: europaeus L.) for the human living area be- M. Behrendt (Lehnitz), S. Behrendt (Leege- NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 63

HANS-JÜRGEN KAPISCHKE Zum Erscheinungsbild der Wiederbesiedlung von bestellten Äckern durch den Maulwurf (Talpa europaea) [POSTER]

Schlagwörter: Maulwurf (Talpa europaea), Maulwurfshaufen, Ackerflächen Key words: Mole (Talpa europaea), burrow activity, cultivated fields

Europäische Maulwürfe (Talpa europaea) be- lung möglich. Schließt sich jedoch schnell sich die Maulwurfshaufen nur wenige Meter siedeln vorrangig Wiesen, Raine, Gartenland, eine weitere Bodenbearbeitung und Aussaat (3 bis 8) parallel zum Rain 10 bis 15 m lang z. T. waldbestockte Standorte, aber auch auf den Feldern an, wird eine baldige (Wie- auf einer Geraden oder gar, 50 bis 80 m da- Äcker (u. a. STEIN 1955, ANGERMANN der-)Besiedlung durch Maulwürfe an den Ak- von entfernt ebenso auf dem Acker. 1995). tivitätsspuren (JOHANNESSOHN-GROSS Bereits wenige Tage nach dem Auflaufen der Die saisonale Abfolge von Arbeiten und Be- 1994), vor allem an den Haufen ausgeworfe- Saat, war diese Maulwurfstätigkeit festzu- wuchs auf den Feldern führt zu starken Ver- ner Erde, erkennbar. stellen, unabhängig davon, ob das Feld mit änderungen ihres Lebensraumes. Für Maul- In einem sächsischen Gebiet (Weißeritzkreis, Wintergetreide oder Raps bestellt war. würfe ist aufgrund der strengen subterranen Kreise Meißen, Riesa-Großenhain) konnte im Bei wiederholter Betrachtung der Flächen Lebensweise – der einzigen Möglichkeit, als Winterhalbjahr 1995/96 beobachtet werden, nach Wochen, konnte sich das Bild der Hau- Vertreter der Insectivora dieser Größe, ohne daß, anders als auf Wirtschaftswiesen, Wei- fenanordnung zu „diffuser Verteilung“ ge- Winterschlaf zu überleben (STEIN 1975) – den und im Wald, deren Besiedlung durch wandelt haben. Immer waren jedoch gerad- das Pflügen der Herbstfurche zumeist die Maulwürfe an der diffusen Verteilung linige Strukturen vorausgegangen. Diese Li- Zerstörung ihrer Existenzgrundlage. Somit ist („Streuselkuchen“) der Erdhaufen sichtbar nien waren in den meisten Fällen mit der nur an Rainen oder in benachbartem Grün- wird, auf Äckern zunächst lineare Strukturen Drillfurche übereinstimmend, d. h. wurde land eine ständige, weil ungestörte Besied- in Erscheinung treten. Entweder befinden quer zum Rain gedrillt, war auch die Anlage der Haufen quer zum Rain. (Sporadische Be- obachtungen in Brandenburg, Landkreis Oder-Spree, führten zum gleichen Ergebnis.) In nur wenigen Fällen war eine Verbindung Anlagestrukturen von Maulwurfshaufen auf ebenen Flächen schräg zwischen Rain und Haufenlinie vor- handen, die auf einen möglichen Zusammen- Verteilung linear diffus hang der Bausysteme Rain – Acker hinweist. So bleibt offen, wie die Maulwürfe die Form Linie, Reihe “streuselartig“ Strecken zwischen Rain und freier Acker- fläche (vor allem in den Fällen, in denen sich Anlage gerade zum Rain/zur Furche die Linien 80 oder 100 m vom Rain entfernt schräg zum Rain/zur Furche “vernetzt“ befinden) überwinden. Werden zu diesem Zweck doch auch längere Strecken oberir- Habitat Acker (häufige Form) Wiesen, Weiden, Raine, Wald disch zurückgelegt? Überstehen wenigstens (häufige Form) einige Exemplare das Tiefpflügen? Die Interpretation des beschriebenen Erschei- Jahreszeit Acker: zu Beginn des Acker: zum Ende des Winters nungsbildes bleibt weiteren Untersuchungen Winterhalbjahres (Endstadium) vorbehalten. Offenbar reichen schmale (Ausgangsstadium) Feldraine jedoch nicht aus, um als Refugien für den Winter zu genügen, so daß der Acker Bodenbedeckung bewachsen vegetationsfrei (häufige Form) recht bald nach der Bearbeitung wieder be- siedelt wird.

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4. Ableitung von Schutzmaßnahmen – Raingröße Verfasser – Vernetzung von Refugien Dr. Hans-Jürgen Kapischke Lockwitzgrund 123/1A D–01257 Dresden 64 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

KLAUS M. SCHEIBE, REINHOLD HOFMANN, UWE LINDNER Rekonstruktion natürlicher Ökosysteme unter Berücksichtigung der ursprünglichen Großsäuger-Artengemeinschaft – Chancen für großräumigen Naturschutz

Schlagwörter: Großsäuger, Nahrungsaufnahme, Nischennutzung, Ökosystemgestaltung, Nutzungskonzepte, Sukzessionsmanagement

1. Einleitung arten und ihre Beziehung zu Landschafts- 2. Die ursprüngliche strukturen aufgezeichnet. Nur ein geringer Natur wird als das gesetzmäßige Zusammen- Artengemeinschaft der Anteil des potentiellen Artenspektrums ist wirken der nichtmenschlichen Dinge be- Großsäuger und ihre heute noch in Mitteleuropa vertreten schrieben und damit in den Gegensatz zu (Abb.1). künstlichen, technischen oder menschlich- ökologische Funktion Es erhebt sich die Frage, ob die verbliebenen kulturellen Strukturen gestellt. Sie enthält Unzweifelhaft ist eine Artengemeinschaft Tierarten die ökologischen Funktionen der nach Aristoteles das Prinzip ihrer Bewegung, von großen Säugetieren Bestandteil der mit- ursprünglichen Artengruppe erfüllen kön- damit ihrer Entwicklung und Reproduktion in teleuropäischen Naturlandschaft, die heute nen. Auch nahe verwandte Arten sind in Le- sich selbst. Natur impliziert das vom Men- nur noch in unvollständigen Relikten vorhan- bensraumnutzung und Nahrungswahl unter- schen ungestörte Wirken selbstregulativer den ist. BUNZEL-DRÜKE et al. (1994) haben schiedlich spezialisiert, wenn ihre ökologi- Prozesse. Natürliche Ökosysteme können das Schicksal der ursprünglichen Großtier- schen Nischen auch teilweise überlappen. So damit nur Systeme sein, die sich ohne den Eingriff des Menschen langfristig stabil hal- ten. Eine solche langfristige Stabilität schließt zyklische Schwankungen um ein Mittel ein. Seit der Mensch die Fähigkeit erworben hat, durch seine spezifischen Leistungen tiefgrei- fend gestaltend in natürliche Systeme einzu- greifen und sich dem Wirken der natürlichen Regulationsmechanismen zeitweise zu ent- ziehen, kann er nicht mehr als Teil der Natur aufgefaßt werden. Diese Fähigkeit ent- wickelten bereits die steinzeitlichen Men- schen, die im Verlauf der neolithischen Revo- lution Tier- und Pflanzenarten in ihrer Aus- breitung wesentlich beeinflußt haben und ganze Landschaften durch ihr Wirken verän- derten. Dies trifft umso mehr für die rezenten Kulturen zu, die nun erstmals über die Fähig- keit verfügen, den Bestand des globalen öko- logischen Gefüges zu zerstören. Andererseits hängt aber die Existenz und Entwicklungs- fähigkeit des Menschen und seiner Kulturen nach wie vor von natürlichen Faktoren ab. Die langfristige Stabilität der großen ökologi- schen Regelmechanismen stellt hierfür die Grundlage dar. Daher ist es notwendig, das Verständnis für diese Zusammenhänge zu entwickeln und gerade auch in unserer stark vom Menschen geprägten Landschaft zu zei- gen, wie natürliche Ökosyseme funktionie- ren und durch gezieltes menschliches Wirken bewahrt bzw. rekonstruiert werden können. Schutzgebiete können ihre Aufgabe nur er- füllen, wenn sie als funktionelle Einheiten Abb. 1 langfristig aus sich selbst heraus stabil sind. Gegenüberstellung der Selbstregulative Prozesse in Ökosystemen Großtierarten, von denen Vertreter setzen die intakten Beziehungen zwischen al- in Mitteleuropa (speziell im Kreis Soest) ohne das Auftreten des len ihren wesentlichen natürlichen Elementen Menschen vorkommen müßten voraus. Langfristige Stabilität ist nur in Bioto- (oben) mit den derzeit im Kreis pen mit der kompletten natürlichen Artenbe- Soest vorkommenden Arten setzung und dem Wirken der natürlichen (unten) (aus: BUNZEL-DRÜKE et abiotischen Faktoren, insbesondere ausrei- al. 1994). chender räumlicher Ausdehnung, zu erwar- ten (VAN WIEREN 1991). K. M. SCHEIBE, R. HOFMANN, U. LINDNER: REKONSTRUKTION NATÜRLICHER ÖKOSYSTEME – CHANCEN FÜR GROSSRÄUMIGEN NATURSCHUTZ 65

konnte z. B. PETRAK (1992) eine ganzjährig geringe Nischenüberlappung zwischen Dam- und Rehwild bestimmen, wobei die jahres- zeitliche Nutzung der Vegetation die unter- schiedliche Spezialisierung deutlich ausweist. Wenn also rein von der Artenanzahl her rund 70 % der Pflanzenfresserarten nicht mehr in natürlichen Populationen vorkommen, kann ein mit allen wichtigen Elementen funktionel- les Ökosystem nicht erwartet werden. Vor der intensiven Besiedelung wurde das Flachland Mitteleuropas durch die Standort- bedingungen und die großen Pflanzenfresser geprägt (GEISER 1992, BEUTLER 1992, 1996). Pflanzenfresser können zwar nicht die natürlichen Sukzessionsvorgänge grundle- gend verändern, jedoch verlängern sie die frühen Sukzessionsstadien und beeinflussen die Artenzusammensetzung der späteren Stadien (DAVIDSON 1993). Zu ihnen gehör- ten unterschiedlich spezialisierte Tierarten, die gemeinsam ergänzend die unterschiedli- chen Komponenten der Vegetation nutzten. Abb. 2 Sie lassen sich nach morphologischen Merk- Die Ernährungstypen der großen Pflanzenfresser Europas. malen den drei Typen Konzentratselektierer, Unterschiede im Verdauungssystem werden durch die unterschiedliche Pansenausbildung symbolisiert, Rauhfutterfresser und Intermediärtyp zuord- Unterschiede im Verhalten durch den Typ des Nahrungsaufnahmerhythmus (aus: HOFMANN 1995). nen (Abb. 2). Dabei repräsentieren sowohl unterschiedlich spezialisierte Wiederkäuer als auch nicht wiederkäuende Pflanzenfresser wie Pferde und Omnivore ein breites Spek- auf Offenlandschaften angewiesen sind bzw. system unter dem prägenden Einfluß der trum von ökologisch unterschiedlich ausge- in der Lage sind, diese zu erhalten. Großsäuger stabil gehalten haben, wobei richteten Typen. Ihre Ernährungsweise korre- Gerade die großen Grasfresser sorgten ehe- zeitlich und örtlich durchaus stark abwei- spondiert mit Raumnutzung, Zeitstruktur des mals für offene Flächen und strukturierten chende Bedingungen wie der Zusammen- Verhaltens, Fluchtverhalten und Sozialstruk- damit wesentlich das Landschaftsbild (KAU- bruch einer Population infolge Nahrungs- tur (HOFMANN 1989). LE 1991, SCHERZINGER 1995, DAVID mangels durch zu hohe Populationsdichte Unter ungestörten Verhältnissen zeigen auch 1995). Infolge des Grasens freilebender Tiere und ein allmählicher Wiederaufbau nach Er- heute die verschiedenen Pflanzenfresserar- steigt die Artenvielfalt eines Gebietes we- holung der Vegetation eingeschlossen sind. ten ihre unterschiedliche ökologische Spezia- sentlich an (VAN WIEREN 1991). Verschiede- Beispiele für diese Konstellation können heu- lisierung und besetzen spezifische ökologi- ne samenbildende Arten werden durch Ver- te nur noch Inselpopulationen liefern (z. B. sche Nischen (PETRAK 1992, 1993). Früher breitung mit dem Kot der pflanzenfressenden REALE u. BOUSSÈS 1995). Diese örtlich dif- trugen einzelne Arten zur Freihaltung von Säugetiere gefördert (ISH-SHALOM-GOR- ferenzierten Zeitstrukturen entsprechen dem Lichtungen und zur Ausbildung lichter Wäl- DON 1993), andere durch das bloße Freihal- Mosaik-Zyklus-Konzept, wie es von REM- der bei (BUNZEL-DRÜKE et al. 1994). Arten ten der Fläche oder durch das Aufbrechen MERT (1991) entwickelt wurde. wie Wisent (Bison bonasus), Ur (Bos primi- des Bodens (z. B. Wildschweine). Wesentlich Wesentlich für die Ausbildung eines langfri- genius) und Wildpferde (Equus ferus) sowie ist auch die Selektionswirkung von Wildtieren stigen Zyklus sind Pflanzen, die spezifische der Rothirsch (Cervus elaphus) dürften vor- auf Pflanzengemeinschaften. Die Auflocke- Abwehrmechanismen gegen Fraßschäden wiegend Gräser auf offenen Flächen, andere rung von Dickungen durch selektiven Verbiß entwickelt haben. Dies können Pflanzenin- Arten wie der Elch (Alces alces) spezielle An- führt zu höherer Biodiversität und damit Sta- haltsstoffe (z. B. Tannine) oder Geruchsstoffe teile der Baum- und Strauchvegetation ge- bilität im Ökosystem (PETRAK 1993). Die (ätherische Öle) sein, aber auch mechanische nutzt haben. Das Rehwild (Capreolus ca- Ausbildung von Wechseln, Kotstellen, Schutzvorrichtungen wie Stacheln und Dor- preolus) nutzte ursprünglich vorwiegend Suhlen, das Wühlen, Scharren, die Anlage nen (Schlehen). Bilden sie dichte Bestände, spezialisiert nährstoffreiche Teile der Bäume von Bauten und hinterlassene Kadaver er- wofür eine intensive Beweidung die Voraus- und Sträucher sowie die krautreiche Boden- höhen die Diversität in einem Biotop. Damit setzungen schafft, können in ihrem Schutz vegetation. Im Winter nahm die Nutzung der werden ökologische Nischen für andere Ar- wiederum verbißempfindliche Gehölze auf- Gehölzvegetation durch diejenigen Arten zu, ten geschaffen und die Biomasse ungleich- wachsen, bis sie durch Verbiß nicht mehr ge- die in der Lage waren, ihre Ernährungsstrate- mäßig verteilt. fährdet sind. gie den wechselnden Bedingungen anzupas- Die Populationsdichte dieser großen Pflan- sen, wie der Rothirsch (Intermediärtypen). zenfresser wurde durch das Nahrungsange- 3. Der Einfluß des Aber auch die spezialisierten Arten verfügen bot und durch die Beutegreifer reguliert. Sie Menschen über eine begrenzte Möglichkeit zur jahres- selektierten schwache und kranke Alttiere, zeitlichen Anpassung (HOFMANN 1989). besonders auf der sozial und energetisch In diese natürlichen Verhältnisse griff bereits Vergleicht man nun die rezenten Pflanzen- stark belasteten männlichen Seite. Haupt- der frühe Mensch ein. Seine verbesserte fresserarten mit diesem Typenspektrum, wird sächlich aber regulierten und selektierten sie Thermoregulation (Reduktion der Behaa- deutlich, daß besonders die Rauhfutter-Fres- einen wesentlichen Prozentsatz an Jungtie- rung, Schwitzen) ermöglichten ihm ausdau- ser in ihren Wildformen in Mitteleuropa nach ren in der Population. Es bestand damit ein ernde schnelle Bewegung auch in heißen Ge- Arten- und Individuenzahl nicht mehr ausrei- ökologisch selbstregulatives System, in dem bieten. Bipedie war die Voraussetzung für chend vorhanden sind. Bei der Einschätzung ein Stoffkreislauf vom Boden über die Vege- den Gebrauch von einfachen Jagdwaffen. Ein ihrer ökologischen Funktion müsssen wir be- tation zu den Pflanzenfressern, über Faeces entwickeltes Sozialverhalten und Kommuni- achten, daß gerade diese Artengruppe durch und Aas zurück zum Boden bestand, wobei kation ermöglichten koordinierte Aktionen ihre Größe, Körperkraft, ihre Nahrungsan- die Fleischfresser einen Nebenzweig bildeten. mehrerer Individuen. Kleidung und Schutz- sprüche und ihr Sozialverhalten besonders Mittelfristig wird sich dieses komplexe Öko- bauten weiteten seinen Aktionsraum in käl- 66 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

tere Gebiete aus. Seiner Jagdstrategie hatten oder einer ursprünglichen Haustierrasse) und sagen über zu erwartende Populationsdich- Großtiere, die allein durch ihre Körpergröße der Wisent zu berücksichtigen, weiterhin ten schwierig. Wir schlagen daher vor, kaum die Fähigkeit zur Furcht entwickelt ha- können bei geeigneten Biotopen auch zunächst mit kleinen Startpopulationen be- ben dürften, kein geeignetes Verhalten ent- Mufflons ihre ökologische Nische als selekti- hutsam zu beginnen. Die Größe dieser Start- gegenzusetzen. Bereits mit primitiven Jagd- ve Grasfresser finden. Wildpferde stehen populationen muß sich an intakten sozialen waffen, besonders aber im Verlauf der neo- ebenfalls nur noch in Form ursprünglicher und reproduktiven Gruppen der betreffen- lithischen Revolution infolge der Erfindung Haustierrassen zur Verfügung, hier bietet sich den Arten orientieren. Daraus ist abzuleiten, von Fern-Waffen und anderer hocheffektiver der polnische Konik an. Er geht auf den eu- daß für die entscheidenden Arten ein Territo- Jagdmethoden, wurden ihre Populations- ropäischen Waldtarpan zurück und kommt rium von mindestens 3-5 000 ha zur Verfü- dichte und das Artenspektrum nachhaltig ihm wahrscheinlich heute noch in Körper- gung stehen sollte. verändert (SCHÜLE 1990). Versuche zur Re- form und Verhalten sehr nahe (JEZERSKI u. konstruktion natürlicher ökologischer Zu- JAROWSKI 1995). Es leben in Polen mehrere 5. Nutzungsmöglichkeiten sammenhänge können sich also nur an einem Herden völlig frei. Der große Konzentratse- Zustand vor dieser Periode intensiven lektierer Elch beginnt bereits in unser Territo- Auch naturnahe Ökosysteme sind in unse- menschlichen Einwirkens orientieren. rium einzuwandern und könnte durchaus rem Raum heute weitgehend durch vorange- Auch heute stehen die Wildtiere weiterhin von selbst geeignete und geschützte Gebiete gangene direkt gestaltende Maßnahmen und unter einer starken Einflußnahme des Men- besiedeln. Gleiches trifft für den Prädator mittelbare Einflüsse des Menschen geprägt schen. Es besteht ein direkter Einfluß auf die Wolf (Canis lupus) zu, während der Luchs sowie räumlich begrenzt. Ohne die Pflege Populationen über die Jagd, die neben der (Lynx lynx) zu einem geeigneten Zeitpunkt durch geeignete Managementmaßnahmen Bestandsverringerung nunmehr auch die Le- wieder eingebürgert werden müßte. Wie be- sind diese Einflüsse nicht zu kompensieren bensweise der Tiere wesentlich beeinflußt reits eine biologisch richtige Veränderung der bzw. ist eine annähernd natürliche Entwick- (Abb. 3). Die großen Säugetiere konnten in Einstellung zum Rothirsch mit Veränderung lung unter diesen Bedingungen kaum zu er- der evolutiv kurzen Periode der Konfrontati- der Bejagungsweise eine oft als Waldschäd- warten. Ein Management sollte aber mittel- on mit dem jagenden Menschen kein ange- ling eingeschätzte Tierart zum ökologisch und langfristig weitgehend reduziert und borenes Feindbild für den Prädator Mensch wertvollen Regulationsfaktor werden läßt, möglichst auf die vorsichtige Beeinflussung entwickeln. Ihr Verhalten ist jedoch heute zeigt z. B. das Pilotprojekt Monschau (DAVID natürlicher selbstregulativer Prozesse einge- durch erlernte und sozial tradierte Scheu vor 1995). schränkt werden (KAULE 1991). Dies kann dem Menschen allgemein gekennzeichnet. Voraussetzung für die Etablierung dieses Ar- von der Spitze einer Nahrungskette aus erfol- Sie sind nicht in der Lage, zwischen Men- tenspektrums in einem Gebiet ist vor allem gen. schen mit Jagdintention und harmlosen Spa- ein ausreichend großer Lebensraum. Eine Wie z. B. auch die Geschichte der Konfronta- ziergängern zu unterscheiden (SCHERZIN- Vorstellung von den Mindestgrößen gibt die tion zwischen feudalen Jagdinteressen und GER 1991). Die fast ständige Anwesenheit Gegenüberstellung von Territorien und den Interessen der Bauern zeigt, kann ein des Menschen im gesamten Lebensraum des Streifgebieten der verschiedenen Arten (Abb. Versuch zur langfristigen Stabilisierung na- Wildes zwingt es somit vielfach zur zeitlichen 4). Dabei darf die große Variabilität, die ja vor turnaher Ökosysteme nur unter Einbezie- Verlagerung seiner Aktivität in die Dunkelheit allem von den Ernährungsbedingungen und hung berechtigter Lebensansprüche der an- und zur übermäßigen Nutzung der Vegetati- ihren Variationen im Jahresverlauf abhängt, sässigen Bevölkerung zum Erfolg führen. Da- on in den dichten Jungholzbeständen, wo- nicht übersehen werden. her ist es wichtig, von vornherein nach mög- durch ein unverhältnismäßig hoher Verbiß- Da Kenntnisse über das komplexe Zusam- lichen Nutzungen und der Erschließung von druck entsteht. Verkehr, Touristik und Sport menwirken der genannten Großsäuger un- Arbeitsmöglichkeiten für zumindest einen wirken ähnlich standortbestimmend und be- tereinander und mit der Vegetation wissen- Teil der ländlichen Bevölkerung zu fragen. unruhigend wie eine allzulang ausgedehnte schaftlich nie gesichert wurden, sind Voraus- Dies steht in Übereinstimmung mit der For- Jagdsaison (PETRAK 1985, POHLMEYER 1991, STOCK et al. 1994, SCHNIDRIG-PE- TRIG u. INGOLD 1995).

4. Rekonstruktion ursprünglicher Ökosysteme

Versuche zur Rekonstruktion natürlicher öko- logischer Zusammenhänge müssen die Schlüsselrolle der großen Säugetiere bei der Gestaltung langzeitig stabiler Ökosysteme berücksichtigen. In den Niederlanden wurde bereits mit der schrittweisen Realisierung ei- nes entsprechenden Vorhabens auf einem Gebiet von nur etwa 2 000 ha begonnen (WALLIS DE VRIES 1994). Es bestehen heute sowohl auf den Territorien größerer ehemaliger Truppenübungsplätze als auch in der Braunkohlefolgelandschaft in Brandenburg die Voraussetzungen zur Reali- sierung eines beispielhaften Versuchs zur Re- konstruktion eines kompletten mitteleu- ropäischen Ökosystems unter Einbeziehung der Großsäuger. Neben den ohnehin in sol- Abb. 3 chen Gebieten vorkommenden Wildschwei- Die Nahrungsaufnahme der Pflanzenfresser wird durch ihre Standortwahl bedingt, die wiederum von nen, europäischen Rehen und dem Rothirsch der Distanzorientierung im Dienst der Feindvermeidung abhängt. Erst im Nah- und Kontaktfeld wird die sind insbesondere die Rauhfutterfresser Rind Nahrung bewertet und über die Aufnahme entschieden. Aufmerksamkeit (Vigilanz) konkurriert mit (z. B. in Form der Auerochsen-Rückzüchtung Nahrungsaufnahmeverhalten. K. M. SCHEIBE, R. HOFMANN, U. LINDNER: REKONSTRUKTION NATÜRLICHER ÖKOSYSTEME – CHANCEN FÜR GROSSRÄUMIGEN NATURSCHUTZ 67

staltete Großsäuger-Artengemeinschaft zum Modell für eine nachhaltige Naturnutzung unter völlig neuen Vorzeichen werden, wie sie auch im Interesse der Erhaltung der Ar- tenvielfalt gefordert wird (DUNCAN u. JAR- MAN 1993, FÉRON 1995). Damit werden sich Schutz- und Nutzungsaspekte gegensei- tig unterstützen statt wie bisher oft als Wi- derspruch aufzutreten. 6. Ausblick und Aufgaben Das Vorhaben wirft viele offene Fragen auf, die in seinem Verlauf zu klären sind. Es sind damit aber die Grundlagen für eine neue Form des Biotopschutzes zu legen. Insbeson- dere sind die Wirkungen der Großsäugerar- tengemeinschaft auf die Biotopstruktur zu verfolgen und dabei Hinweise für die Beein- flussung der Populationsdichte abzuleiten. Es müssen auch neue Verfahren zur Entnahme von Tieren aus natürlichen Populationen ent- wickelt werden, die eine Beeinflussung des Verhaltens der verbleibenden Tiere weitge- hend ausschließen, wenn die eigentliche Ziel- stellung erreicht werden soll. Es bestehen heute sowohl auf den Territorien größerer ehemaliger Truppenübungsplätze als auch in der Braunkohlefolgelandschaft in Brandenburg die Voraussetzungen zur Reali- sierung eines beispielhaften Versuchs. Unter biologisch richtiger Einbeziehung der großen Säugetiere in Schutz- und Renaturierungs- konzepte kann ein Beitrag zum Erhalt wert- voller Offenlandschaften und zur Erhaltung der Lebensgrundlagen einer großen Anzahl weiterer Tier- und Pflanzenarten geleistet werden (GORDON et al. 1990, ROBERTSON Abb. 4 1991, BOKDAN u. WALLIS DE VRIES 1992, Zusammenstellung von Angaben über Lebensweise und Streifgebiete der für das Multispeziesprojekt HOFMANN u. SCHEIBE 1994). relevanten Arten. Für die Schlüsselarten der Pflanzenfresser kann ein Gebiet von 3-5 000 ha als ausreichend eingeschätzt werden. Die Prädatoren , insbesondere der Wolf, werden es nur partiell nutzen. 7. Summary In central European ecosystems as elsewhere, the community of various large mammals is mel „Schutz durch Nutzung“, die sich auch in Besucher in wissenschaftliche Aufgabenstel- an ecological key element. Natural cycles of afrikanischen Schutzgebieten zu bewähren lungen einbezogen werden können. landscape development can not be expected beginnt (BARNES 1993). Neben der touristischen Nutzung kann auf without them. These species, differently spe- Der hohe Erholungswert einer naturnahen, der mittelfristig notwendigen Regulation der cialised in the course of evolution, are able to strukturierten Landschaft steht an erster Stel- Populationsdichte auch ein gewisser produk- change the structure of landscapes with open le der Nutzungsmöglichkeiten. Dabei spielen tiver Effekt eines solchen Ökosystems fußen. spaces or transitional structures which ac- der Wechsel der Struktur, der Wechsel von So ist in begrenztem Umfang eine Vermark- commodate many other species. For the re- geschlossenen und offenen Flächen, unter- tung lebender Tiere denkbar. Z. B. könnten construction of the original species commu- schiedliche Pflanzengesellschaften und offe- überzählige Jungpferde oder Wildrinder wie- nity of large mammals in the land of Bran- ne Wasserflächen eine entscheidende Rolle. der in die Hand des Menschen übergeben denburg, suitable areas on former open coal Er kann durch die sichtbare Präsenz von werden, wo sie für die Haltung unter natur- mines and military training camps are be- Wildtieren, die den Menschen bei geeigne- nahen Bedingungen besonders geeignet coming available. They can form the basis of tem Verhalten nicht als Störquelle und Be- sind. Die notwendige Gewöhnung an den extensive natural reserves, in which both pro- drohung werten, wesentlich gesteigert wer- Menschen, die zeitweise Haltung und den tection and utilisation of natural resources den. Die hohe Attraktivität, die freilebende Verkauf könnten spezialisierte bäuerliche Be- can be achieved as a dynamic type of nature Wildtiere entwickeln, kann zur weiteren Aus- triebe übernehmen. Ähnlich wird bereits mit conservation. einandersetzung mit Naturvorgängen und den Koniks in Polen und mit den Dülmener zum erlebnisgeprägten Verständnis der aktu- Pferden verfahren. Die anderen Arten kön- ellen Umweltprobleme und Entwicklungs- nen zur Gewinnung von hochwertigem tendenzen hinführen. Darauf aufbauend, Wildbret genutzt werden, wofür alternative Literatur sollte ein gesteuerter Tourismus mit der not- Verfahren zur bisher üblichen Jagd zu ent- BARNES, J.I. 1993: Economic and ecological features of livestock and wildlife utilisation in Africa. In: BAKER, wendigen Infrastruktur entwickelt werden, wickeln und zu erproben sind. Im Verlauf des M.J. (Ed.) 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BOUSSÈS, P. 1995: Interactions agoni- vation of biological richness of european wetlands. - stiques en fonction de la densite et de la structure dans Uwe Lindner Bull. d’Ecol. 21: 49-60 une population insulaire de mouflons (Ovis musimon). Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) HOFMANN, R.R. 1989: Evolutionary steps of ecophy- -Rev. Ecol. (Terre Vie) 50: 49-67 im Forschungsverbund Berlin e. V. siological adaptation and diversification of ruminants: REMMERT , H. 1991: Das Mosaik – Zyklus – Konzept a comparative view of their digestive system. -Oecolo- und seine Bedeutung für den Naturschutz: Eine Über- PF 1601103 gia 78: 443-457 sicht. -Laufener Seminarbeitr. 5: 5-15 D–10252 Berlin

JUTTA KNAPP, MATHIAS HERRMANN Artenschutzprojekt der Wildkatze: Der lange Weg von der Forschung zur Umsetzung

Schlagwörter: Wildkatze, Artenschutz, Gefährdungsfaktoren, Landnutzung, Schutzmaßnahmen

1. Einleitung VOGT u. GRÜNWALD 1991). Gezielte Maß- der Basis einer Literaturauswertung und eige- nahmen zum Schutz der Wildkatze wurden ner qualitativer Ergebnisse wurde eine Liste Die Wildkatze (Felis silvestris) ist eine der sel- trotz der Seltenheit der Art bisher nicht ent- von Faktorengruppen, die auf die Wildkatze tensten und gefährdetsten Säugetierarten Eu- wickelt und umgesetzt. Deshalb wurde vom einwirken, zusammengestellt: ropas. Sie hat in Mitteleuropa nur in wenigen Landesamt für Umweltschutz Rheinland- – Bewirtschaftungsform und -intensität Reliktarealen überlebt. Trotz der ganzjährigen Pfalz und vom Umweltministerium des Saar- – Strukturelemente jagdlichen Schonung seit 1934 hat sie es nicht landes das Artenschutzprojekt Wildkatze in – Landschaftszerschneidungen geschafft, ihr ursprüngliches Areal wiederzu- Auftrag gegeben, in dem: – Mortalität besiedeln. In der Roten Liste Deutschlands – das derzeitige Verbreitungsgebiet der – Störungen (NOWAK, HEIDECKE u. BLAB 1994) wird sie Wildkatze festgestellt und – Hybridisierung. deshalb als stark gefährdet eingestuft. Ver- – ein Maßnahmenkatalog zur Verbesserung Um die Bedeutung dieser Faktoren im Unter- breitungsschwerpunkt in Deutschland ist der der Situation der Wildkatze erarbeitet wer- suchungsraum zu bewerten bieten sich zwei südwestdeutsche Raum (Eifel, Hunsrück und den soll. Lösungsansätze an: Pfälzerwald). Weitere Vorkommen gibt es im Im folgenden soll unser Ansatz zur Entwick- Harz, Solling und einigen Waldgebieten Hes- lung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen 2.1 Populationsorientierte sens und Thüringens. Umfassende For- für die Wildkatze dargestellt werden. Bewertung schungsarbeiten über die Lebensrauman- Mit Hilfe von flächendeckenden Befragun- sprüche liegen aus Deutschland aus den letz- 2. Gefährdungsursachen gen der Forstbeamten (KNAPP u. MÜLLER- ten Jahrzehnten nicht vor (PIECHOCKI und ihre Ermittlung STIEß 1995) versuchen wir die Verbreitung 1990). Untersuchungen zur Verbreitungssi- und Populationsparameter (HERRMANN u. tuation im südwestdeutschen Raum liegen Um einen Maßnahmenkatalog zum Schutz KNAPP in Vorb.) zu erfassen. Durch die Kor- teilweise schon länger zurück oder sind der Wildkatze zu entwickeln, ist es notwen- relation von Verbreitungsdaten und Informa- lückenhaft (HALTENORTH 1957, HERR- dig zu wissen, welche Faktoren maßgeblich tionen über Faktorengruppen lassen sich Hy- MANN 1990, RÖBEN 1974, VOGT 1985, auf die Wildkatzenpopulation einwirken. Auf pothesen entwickeln, welche Faktoren JUTTA KNAPP, MATHIAS HERRMANN: ARTENSCHUTZPROJEKT DER WILDKATZE: DER LANGE WEG VON DER FORSCHUNG ZUR UMSETZUNG 69

tatsächlich bedeutsam für die Populations- tersuchung konnte in weiteren Räumen ein ein drastischer Rückgang der Kleinsäuger in entwicklung sein könnten. gleichartiger Zusammenhang festgestellt diesem Bereich. werden. Obwohl es viele Hinweise auf die Die Forderung an die Landwirtschaft lautet, 2.2 Individuenorientierte besondere Störungsempfindlichkeit der die Grünlandnutzung im 100 m-Saumbereich Bewertung Wildkatze gibt (RAIMER 1989, VOGT 1985, um Waldgebiete von mehr als 10 ha Größe Spurensuche und Telemetrie in Kombination VOGT u. GRÜNWALD 1991), fehlen bis verstärkt zu fördern. mit Habitatkartierungen (HERRMANN in heute systematische Untersuchungen zu die- Vorb.) sind Methoden um Datenmaterial für sem Thema. Im Zweifelsfall müssen jedoch 3.3 Jagd eine individuenorientierte Bewertung zusam- bei einer derartig seltenen Art auch ohne ab- Versehentliche Abschüsse und Fehlfänge in menzutragen. Die Telemetrie ist derzeit die gesicherte Erkenntnisse Schutzmaßnahmen den noch erlaubten Totschlagfallen scheinen beste Möglichkeit, um zu einer Bewertung ergriffen werden. In Gebieten, in denen die immer noch das Verbreitungsgebiet der einzelner Gefährdungsfaktoren zu kommen. Wildkatze weiter überleben soll, müssen die Wildkatze zu begrenzen. Darauf deutet die Ein Vergleich des Verhaltens einzelner Indivi- Waldbesucher durch Lenkungsmaßnahmen starke Korrelation zwischen Hochwildjagd- duen in Optimal- und Pessimalhabitaten von ruhigen Kernzonen ferngehalten wer- gebieten, in denen kaum Raubwildbejagung könnte weitreichende Ergebnisse erbringen. den. stattfindet, und dem Vorkommen der Wild- Derzeit konnte jedoch im Rahmen dieses Pro- Die Forderung an die Forstwirtschaft lautet, katze hin. Überall dort, wo Niederwildjagd jektes keine Finanzierung einer Telemetrie- den Erschließungsgrad des Waldes von im mit einer scharfen Raubwildbejagung kombi- studie erreicht werden. Die Suche nach Landesdurchschnitt in Rheinland-Pfalz 50 bis niert ist, fehlt die Wildkatze bzw. kommen Schneespuren wurde durchgeführt. Da 60 m/ha (im Pfälzerwald sogar 80 bis 90 einwandernde Exemplare immer wieder zu Schnee im südwestdeutschen Verbreitungs- m/ha) durch Verringerung der Wegedichte Tode. Systematische Untersuchungen über raum selten ist und die Wildkatzen in schnee- bis zum betriebswirtschaftlichen Optimum die Todesursachen bei Wildkatzen fehlen. Bei freie Tallagen ausweichen, ist die Aussage- (Bergland 30 m/ha, Ebene 20 m/ha; KEILEN den zufällig bekannt gewordenen Todesfäl- kraft in Bezug auf Anzahl und Verteilung der mdl. Mitt.) zu vermindern. Außerdem müs- len (Zusammenstellungen bei HOSSFELD Spuren jedoch eingeschränkt. sen sich gezielte Maßnahmen der Besucher- 1991, PIECHOCKI 1990, PFLÜGER 1987, Der Schutz der Wildkatze kann nicht durch lenkung an den Ruhezonen der Wildkatze RAIMER 1989 u. VOGT 1985) gehen im ein statisch-konservierendes Naturschutz- orientieren. Durchschnitt 61 % auf jagdliche Gründe zu- konzept verfolgt werden (SCHERZINGER rück. 1990). Die Areale, die für den Erhalt einer mi- 3.2 Landwirtschaft Durch Information und Sensibilisierung der nimalen überlebensfähigen Population not- Den überwiegenden Anteil der Nahrung der Jagdausübungsberechtigten versuchen wir wendig sind (HERRMANN 1991, SHAFFER Wildkatze bilden kleine Nagetiere. Einen eine Verringerung der Fehlabschüsse und 1981), lägen mit über 100 000 ha weit über großen Anteil dieser Kleinsäuger erbeutet die den Verzicht auf Fallenjagd zu erreichen. den Flächengrößen, in denen in Deutschland Wildkatze außerhalb des geschlossenen Wal- Deshalb werden von uns derzeit Informati- konservierender Naturschutz politisch durch- des. STAHL (1986) fand beispielsweise einen onsveranstaltungen in allen Forstämtern setzbar ist. Deshalb konzentrieren sich die Anteil von 33 % Feldmäusen in der Nahrung (n=110) und vielen Hegeringen im Saarland Ansätze zum Schutz der Wildkatze auf die der Wildkatze. Deshalb kommt dem Erhalt und in Rheinland-Pfalz durchgeführt. Einwirkungsmöglichkeiten auf Flächennutzer von Waldwiesen und extensiv genutzten Die Forderung an die Jagd lautet, durch um- und Landesplaner: Waldrändern eine besondere Bedeutung im fassende Information der Jagdausübungsbe- – Forstwirtschaft Wildkatzenschutz zu. Die Intensivierung der rechtigten die Zahl der Fehlabschüsse deut- – Landwirtschaft landwirtschaftlichen Produktion vollzieht sich lich zu reduzieren und die Fallenjagd in Wild- – Jagd auch in diesen Waldrandlagen. Die Folge ist katzengebieten einzustellen. – Landesplanung.

3. Beispiele für Maßnahmenvorschläge zum Wildkatzenschutz

Für jeden der oben aufgeführten Bereiche wird an einem Beispiel die Ableitung der Schutzziele und die Vorschläge zur prakti- schen Umsetzung im Wildkatzenschutz er- läutert.

3.1 Forstwirtschaft Im Pfälzerwald ist die Wildkatze fast flächen- deckend verbreitet. Nur in einem am östli- chen Rand gelegenen Teilbereich des Pfälzer- waldes um Bad Dürkheim fehlen Wildkatzen- nachweise (Beobachtungen, Totfunde), so- wohl in unserer Erhebung als auch bei VOGT (1985). Die Habitatqualität (Nahrung, Struk- turierung, Klima) ist in diesem Bereich min- Abb. 1 destens als gleichwertig einzustufen wie im Zerschneidung von Lebensräumen übrigen Pfälzerwald. Eine Analyse zeigt, daß der Wildkatzenpopulationen in dieser Bereich vom Fremdenverkehr sehr Südwestdeutschland durch stark betroffen ist, da es sich um das bevor- bestehende (grün) und geplante zugte Ausflugsgebiet der Städte Ludwigsha- (rot) mehrspurige Straßen in den fen und Mannheim handelt. Bereits VOGT Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland (Grundlagenkarte: (1985) vermutete einen Zusammenhang Verbreitung der Wildkatze aus zwischen dem Fehlen der Wildkatze und der VOGT und GRÜNWALD 1991 Besucherfrequenz. Im Rahmen unserer Un- und HERRMANN 1991) 70 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

and to those involved in environmental plan- Tabelle 1: Zahl der Fährten je km und Schneenacht ning. Examples of how to carry out those steps will be given. They include: reducing Bereich Graacher B 50 alt Hunsrück- 500m-Umfeld Höhenweg höhenstraße Hunsrück- the number of small roads/paths through the Spuren von ... höhenstraße forest, increasing the grassland along the je km edge of the forest, a ban on trap hunting and Wildkatze 2,4 0,2 0 0 a ban on building new roads through areas Dachs 1,0 0 0,2 0 where wildcats live.

Baummarder/ Literatur Steinmarder 1,5 0,4 0,5 1,1 FRANKLIN, J.R. 1980: Evolutionary change in small Rotfuchs 6,5 7,6 2,3 11,2 populations. In: SOULE, M.E. u. WILCOX, B.A. (Hg.): Conservation Biology: An evolutionary-ecological per- Rotwild 0 0 0,2 2,8 spective. -Sunderland: 135-150 HALTENORTH, T. 1957: Die Wildkatze. Die Neue Rehwild 23,3 12,0 4,1 19,2 Brehm-Bücherei 189. A. Ziemsen Verlag. Wittenberg Schwarzwild 4,5 0 0 0 Lutherstadt. -101 S. HERRMANN, M. 1990: Verbreitung und Bestandssi- Feldhase 4,1 4,0 1,7 14,3 tuation der Wildkatze (Felis silvestris, Schreber 1777) im Saarland (19/2). In: RIEWENHERM, S. u. LIETH, H. (Hrg.): Verhandl. d. Ges. f. Ök. (19/2): 200-205 HERRMANN, M. 1991: Säugetiere im Saarland (Ver- 3.4 Landesplanung in den nächsten 100 Jahren erhalten werden breitung, Gefährdung, Schutz). Michel Verlag. -Ott- weiler. -166 S. Die Wildkatze ist in ihrer Verbreitung in soll. In Ermangelung exakter Informationen HOSSFELD, E. 1991: Verbreitung und Lebensraum der Deutschland auf Vorkommen in kleinen In- über die populationsgenetische Situation der Wildkatze (Felis silvestris) im Taunus. Diplomarbeit selarealen, die voneinander isoliert liegen, Wildkatze soll dieser Wert hier zugrunde ge- J.W. Goethe-Universität Frankfurt. -107 S. KNAPP, J. u. MÜLLER-STIEß, H. 1995: Befragung als beschränkt. Die Wanderbereitschaft der Indi- legt werden. Telemetriestudien in benachbar- eine Standardmethode zur Erfassung von großen und viduen ist gering (PIECHOCKI 1986), so daß ten Populationen zeigen, daß in optimalen mittelgroßen Säugern. In: STUBBE, M. (Hrg.): Metho- von einer fast vollständigen Isolation der Po- Lebensräumen nicht mehr als 0,2 bis 0,5 den feldökologischer Säugetierforschung. Martin-Lu- 2 ther-Universität Halle/Saale: 35-38 pulationen auszugehen ist. Neben agrarisch Wildkatzen pro km leben können. Dies be- NOWAK, E.; HEIDECKE, D. u. BLAB, J. 1994: Rote Li- intensiv genutzten Räumen scheinen auch deutet, daß man für eine minimal überle- ste und Artenverzeichnis der in Deutschland vorkom- breite Straßen und Siedlungsachsen effektive bensfähige Population 100 000 bis 250 000 menden Säugetiere (Mammalia) In: Rote Liste der ge- fährdeten Wirbeltiere in Deutschland. -Schr.-R. f. Barrieren für Wildkatzen darzustellen (HERR- ha zusammenhängendes Areal benötigt. Landschaftspfl. u. Natursch. -42 S. MANN 1990, PIECHOCKI 1990). In Arealen, Die Forderung an die Landesplanung lautet PFLÜGER, H. 1987: Die Wildkatze in Hessen. Merkheft die durch breite Verkehrswege und Sied- deshalb, sicherzustellen, daß zusammenhän- zum Schutz der Wildkatze. Bund Umwelt und Natur- lungsachsen von dem Hauptverbreitungsge- gende Areale nicht weiter durch Barrieren, schutz. -22 S. PIECHOCKI, R. 1986: Ausbreitung, Verluste, Gewich- biet abgeschnitten sind, wie dem Donners- wie z. B. moderne Hochleistungsstraßen, zer- te und Maße der Wildkatze (Felis silvestris) in der berg im nördlichen Pfälzerwald und dem schnitten werden. Wo solche Barrieren be- DDR. -Hercynia N.F. 23(2): 125-145 Warndt im südwestlichen Saarland, ist ein reits existieren, müssen biotopverbindende PIECHOCKI, R. 1990: Die Wildkatze (Felis silvestris). Die Neue Brehm-Bücherei. A. Ziemsen Verlag Witten- deutlicher Rückgang der Wildkatzenbeob- Bauwerke, wie z. B. Grünbrücken, nachgerü- berg Lutherstadt. -232 S. achtungen zu verzeichnen bzw. liegen aus stet werden. RAIMER, F. 1988: Die Wildkatze in Hessen und Nie- den letzten Jahren keine Totfunde als Beleg- Dies sind nur erste Ansätze, um am Beispiel dersachsen. Kassel: Diplomarbeit Ökologische Um- weltsicherung exemplare vor. Zur Zeit sind mehrere Ver- einer Art und ihrer Bedürfnisse Strategien zu RAIMER, F. 1989: Die Wildkatze in Hessen und Nie- kehrsprojekte in der Realisation oder Pla- entwickeln, die einen Erhalt der biologischen dersachsen (Historischer Überblick, Biologie, Mei- nung, die eine weitere Zerschneidung der Vielfalt erlauben. Die hier aufgezeigten Maß- nungsbild). Diplomarbeit GH Kassel RÖBEN, P. 1974: Die Verbreitung der Wildkatze (Felis Wildkatzenlebensräume bedeuten würden nahmen kommen nicht nur der Wildkatze, silvestris) in der Bundesrepublik Deutschland. -Säuge- (Abb. 1). Systematische Erhebungen zur sondern auch einer Vielzahl weniger spekta- tierkundl. Mitt. 22: 244-250 Trennwirkung von Verkehrswegen auf Wild- kulärer Arten zugute. Ein „Runder Tisch“, an SHAFFER, M.L. 1981: Minimum Population Sizes for Species Conservation (2). -BioScience 31(2): 131-134 katzenpopulationen fehlen. Deshalb wurden dem Vertreter aus Forst, Jagd, Naturschutz, SCHERZINGER, W. 1990: Das Dynamik-Konzept im von uns bei Schneelage Wildkatzenspuren Verkehrs- und Landesplanung zusammensit- flächenhaften Naturschutz. Zieldiskussion am Beispiel parallel zu Wegen und verschieden stark be- zen und über mögliche Umsetzungswege der der Nationalpark-Idee (6). -Natur und Landschaft fahrenen Straßen ausgezählt (insgesamt 37,4 vorgeschlagenen Maßnahmen beraten, ist 65(6): 292-298 STAHL, P. 1986: Le Chat forestier d‘Europe (Felis km). Die Untersuchungen wurden im Rah- notwendig. Zusätzlich muß erreicht werden, silvestris Schreber, 1977). Exploitation des ressources men der UVS zur B 50 (neu) in den Wintern daß sich viele Personen für den Schutz der et organisation spatiale, Thèse Université Nancy I. 1992/93 und 1993/94 durchgeführt (Tab. Wildkatze einsetzen, um dieser Art eine -357 S. VOGT, D. 1985: Aktuelle Verbreitung und Lebensstät- 1). Der Graacher Höhenweg ist ein Feld- Rückkehr in noch geeignete Bereiche ihres ten der Wildkatze (Felis silvestris SCHREBER 1777) in Wald-Weg mit wassergebundener Schotter- ursprünglichen Verbreitungsgebietes zu er- den linksrheinischen Landesteilen von Rheinland-Pfalz decke. Die B 50 alt ist eine mäßig befahrene lauben. und Beiträge zu ihrer Biologie. In: Landesamt für Um- weltschutz: Beitr. z. Landespfl. in Rheinland-Pfalz. Bundesstraße. Die Hunsrückhöhenstraße ist -Oppenheim: 130-165 eine zweispurige stark befahrene Fernverbin- 4. Summary VOGT, D. u. GRÜNWALD, A. 1991: Die Wildkatze dungsstraße. Die mäßig befahrene Bundes- (Felis silvestris). -Mainzer Naturwissenschaftl. Archiv 13: 347-355 straße (B 50 alt) wies wesentlich geringere The Southwest of Germany is one of the few Überquerungsraten als der Feld-Wald-Weg remaining regions in central Europe where auf. Die stark befahrene Bundesstraße you are still able to find wildcats (Felis silve- (Hunsrückhöhenstraße) wurde überhaupt stris). Our project – Artenschutzprojekt Wild- Verfasser nicht von Wildkatzen überquert (Tab. 1). Es katze – with the background of protecting Jutta Knapp ist davon auszugehen, daß schon zweispuri- wildcats, has the aim to count the wildcats in ÖKO-LOG Freilandforschung ge Straßen für Wildkatzen eine Barrierewir- „Saarland“ and „Rhineland-Palatinate“ Kirchgasse 1 kung ausüben. („Länder“ of the Federal Republic of Ger- D–66440 Blieskastel FRANKLIN (1980) gibt auf der Basis popula- many) and find out about their distribution in tionsgenetischer Berechnungen einen Richt- these regions. Based on the results, possible Mathias Herrmann wert von 500 adulten Säugern an, der nicht threats to the wildcats will be analysed. The ÖKO-LOG Freilandforschung unterschritten werden sollte, wenn die gene- recommended steps to protect the wildcats Hof 30 tische Vielfalt mit hoher Wahrscheinlichkeit are addressed to foresters, hunters, farmers D–16247 Parlow NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 71

HEIKE FREYTAG-GRUNERT, RÜDIGER SCHRÖPFER Aktionsplan für eine Wiederansiedlung der Sumpfmaus Microtus oeconomus (PALLAS, 1776) in Nordwestdeutschland

Schlagwörter: Aktionsplan, Microtus oeconomus, Wiederansiedlung, Population Viability Analysis

1. Einleitung Naturschutz und Landschaftspflege-Kollo- 9,5 cm bis 16,1 cm etwas größer, lang- quium [ANL/ BFANL] in Augsburg, 1981) ein schwänziger und häufig auch etwas dunk- Die Universität Osnabrück plant die Wieder- Managementkonzept zu entwickeln. Als Bei- ler als die nah verwandte Erdmaus Microtus ansiedlung der Sumpfmaus Microtus oeco- trag zum Thema „Säugetierforschung als agrestis. Der Schwanz weist eine stärkere nomus in der Diepholzer Moorniederung am Grundlage für den Artenschutz“ soll der für Ringelung auf (TAST 1982). Dümmer in Nordwestdeutschland. Dieses die Wiederansiedlung der Sumpfmaus aus- Die Sumpfmaus bevorzugt sumpfige und Projekt stellt einen Vorstoß in die Familie der gearbeiteten Aktionsplan anhand eines Fließ- nasse Wiesen, Bruchwälder, Flachmoore, Arvicolidae dar, die bisher aufgrund der we- diagramms vorgestellt werden (Abb. 1). Schilf- und Binsenbestände und die Umge- niger spektakulären Spezies im Artenschutz bung von Söllen und Gewässerufern. Dieser kaum Beachtung fand. Die Sumpfmaus wur- 2. Zur Biologie der Zielart relativ spezielle Anspruch an den Lebens- de 1981 als bedrohte Art aufgeführt (SMIT u. raum ist wohl auch der Grund für das Ver- WIJNGAARDEN 1981, vgl. MALLINSON Die Sumpfmaus – auch Nordische Wühlmaus schwinden dieser Art aus Teilen ihres ur- 1978). Zur selben Zeit hat NOWAK (ELLEN- genannt – ist mit einer Kopfrumpflänge von sprünglichen Areals. BERG u. NOWAK 1981) auf den Areal- schwund von Microtus oeconomus hinge- wiesen und die Idee geäußert, diese Wühl- mausart für eine Wiederansiedlung ins Auge zu fassen. Sie steht auf der Roten Liste der Säugetiere Niedersachsens (HECKENROTH 1991), wo sie unter Kategorie 1 als vom Aus- sterben bedroht zu finden ist. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, für eine Rückge- winnung des westlichen Arealausläufers im nordwestdeutschen Raum mit der Ansied- lung eines „Impfdems“ den Grundstein für eine Subpopulation zu legen. Eine weitere Notwendigkeit ergibt sich aus dem Management der in der Umgebung der Ansiedlungsfläche liegenden Naturschutz- flächen. Für die gesamte Region waren Wei- den und Mähweiden typisch, auf denen die Feldmaus (Microtus arvalis) derart häufig war, daß man von einem Feldmausplagege- biet sprach (FRANK 1956). Im Naturschutz- management werden nun diese Wiesen- flächen im Winterhalbjahr überstaut. Das führt zum Verschwinden der Feldmaus. Da stark vernäßte, kühlere Habitate entstehen, kann hier ein Artenaustausch erwartet wer- den, sofern Microtus oeconomus im Gelände vorkommt. Diese Flächen würden zuneh- mend von der Sumpfmaus besiedelt werden. Das bedeutet, daß auf diese Weise im Hin- blick auf die Säugetierartendiversität (Ni- schenbesetzung) im Gebiet (SCHRÖPFER 1992) und im Hinblick auf eine Nahrungsket- tenlänge (Räuber-Beute-Beziehung: Wühl- maus – Prädator), sich die Wiederansiedlung dieser Wühlmausart geradezu anbietet. Zu Beginn eines derartigen Vorhabens ist es notwendig, in Anlehnung an die Empfehlun- gen für die Wiederansiedlung gefährdeter Tiere des International Union for Conservati- on of Nature and Natural Resources (IUCN) (KLEIMAN et al.1994) bzw. an die der Augs- burger Konventionen (verabschiedet durch das Akademie für Naturschutz und Land- Abb. 1 schaftspflege/Bundesforschungsanstalt für Zeitliche Abfolge und Verknüpfung der Planungsschritte einer Wiederansiedlung 72 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

3. Aktionsplan Vorkommen – ist durch Meliorationsmaß- nahmen, wie z. B. Deichbau, Gewässeraus- (vgl. Abb. 1) bau, Trockenlegungen, und zunehmende Zu Beginn eines Ansiedlungsprojekts stellt Kultivierung durch Weidewirtschaft stark ge- sich die Frage nach dem heutigen Status und fährdet (SMIT u. WIJNGAARDEN 1981). Aus den Ursachen für den Populationsrückgang. der nordwestdeutschen Tiefebene ist sie Schaut man sich die gegenwärtige Gesamt- durch großräumige Melioration besonders verbreitung der Sumpfmaus in Europa an der Niedermoore verschwunden. Zwar blie- (Abb. 2), dann kann man neben einem zu- ben großräumige Hochmoorkomplexe erhal- sammenhängenden Verbreitungsgebiet öst- ten, doch sind diese keine Lebensräume für lich der Elbe und in Nordskandinavien einzel- die Sumpfmaus. Diese Situation gilt für die ne isolierte Reliktpopulationen in den Nieder- gesamte Diepholzer Moorniederung. Dabei landen, im Grenzbereich zwischen Öster- scheint es der stenotopen Sumpfmaus nicht Abb. 3 Abhängigkeit der Überlebenswahrscheinlichkeit reich, Ungarn und der Tschechischen Repu- zu gelingen, aus eigener Kraft „trockene einer (Wiederansiedlungs-) Population von blik, in Südskandinavien und in Finnland fin- Ausbreitungsbarrieren“ zu überschreiten, so verschiedenen Faktoren (Population Viability den. daß die Wiederbesiedlung geeigneter Habi- Analyis), verändert nach BALLOU 1992 In Niedersachsen wird Microtus oeconomus tate ohne unterstützende Maßnahmen nicht auf der Roten Liste unter Kategorie 1 als vom möglich ist. Aussterben bedroht eingestuft (HECKEN- Die Suche nach einem geeigneten Wieder- nur bis zu wenigen Metern über dem Mee- ROTH 1991). Aktuelle Nachweise fehlen ansiedlungsgebiet, das eine genügend große resspiegel liegen. Hier sind große Röhrichtge- (REICHSTEIN 1970, JORGA 1971). Histori- „carrying capacity“ für eine vitale Population biete sowie weite Flachmoore mit typischen sche Funde aus dem 1. bis 5. Jahrhundert bei gewährleistet, steht bei einem Ansiedlungs- Seggensümpfen und Feuchtwiesen anzutref- Bremerhaven und Föhr bzw. aus dem 8. bis projekt an erster Stelle. In unserem Fall haben fen. Seit ca. 5 Jahren werden weite Teile der 11. Jahrhundert auf der Halbinsel Eiderstedt wir die Diepholzer Moorniederungen um den den Dümmer umgebenden extensiv bewei- dokumentieren jedoch die frühere Besied- Dümmer See (westliches Niedersachsen) ge- deten oder gemähten Wiesenflächen winter- lung Nordwestdeutschlands (REICHSTEIN wählt. halbjährlich überflutet, so daß sich nur für 1972). Den Dümmer, der im Durchschnitt 0,5 bis 1,5 eine Wühlmausart, die kühle und nasse Ha- Der Bestand – insbesondere in den isolierten m tief ist, umgeben weite Niederungen, die bitate besiedeln kann, großräumig Flächen entwickeln. Hinzukommen ausgedehnte Röhrichte, die den Dümmer-See säumen und als Habitate zur Verfügung stehen. Ein Teil der Niederung ist – insbesondere aufgrund des Artenreichtums an Sumpf- und Wasser- vögeln – unter Schutz gestellt. Hier hat die Universität Osnabrück/Arbeits- gemeinschaft (AG) Ethologie eine ca. 2 ha große Fläche mit Röhricht- und Binsenbe- stand gepachtet, von der aus die Wiederan- siedlung in Angriff genommen werden soll. Die Fläche steht seit 8 Jahren unter ständiger Beobachtung. Aktuell wird seit August 1995 eine Untersuchung zur Artendiversität und zur Populationsstruktur sowie zur Populati- onsdynamik innerhalb dieser Kleinsäugetier- zönose durchgeführt. Dabei ergab sich er- wartungsgemäß, daß im feuchten Röhricht- gebiet die Erdmaus dominiert. Da Erdmaus und Sumpfmaus aufgrund ähn- licher ökologischer Ansprüche vikariieren (vgl. Zusammenstellung bei JORGA 1971), stellt sich die Frage, inwieweit die Anwesen- heit der Erdmaus eine erfolgreiche Wiederan- siedlung der Sumpfmaus behindern könnte. In für die Sumpfmaus geeigneten Habitaten kann diese die Erdmaus verdrängen (vgl. TAST 1966, 1968; HENTTONEN et al. 1977). Da die Daten hierzu jedoch alle indirekt aus Fallenfängen resultieren, führen wir zur Zeit eigene ethologische Gehegeuntersuchun- gen durch. Dabei stehen die Interferenzen zwischen den beiden Wühlmausarten in dya- dischen Situationen im Mittelpunkt. Diese noch nicht abgeschlossene Untersuchung deutet ebenfalls darauf hin, daß die explora- tivere Sumpfmaus gegenüber der konflikt- vermeidenden Erdmaus dominant ist. Dennoch scheint es ratsam, die Startbedin- Abb. 2 Rezentes Verbreitungsgebiet von Microtus oeconomus in Europa (verändert nach SMIT u. gungen für die Wiederansiedlungspopulati- WIJNGAARDEN 1981) on durch eine Umsiedlung der Erdmäuse zu * prähistorische Funde aus dem 4. – 11. Jhd. nach REICHSTEIN 1972 verbessern. Diese Aktionen sollten im Aus- ox Wiederansiedlungsgebiet setzungsjahr möglichst im Frühjahr, wenn die HEIKE FREYTAG-GRUNERT, RÜDIGER SCHRÖPFER: AKTIONSPLAN FÜR EINE WIEDERANSIEDLUNG DER SUMPFMAUS IN NORDWESTDEUTSCHLAND 73

Dichten der Wühlmauspopulationen noch me Paarungssystem den höheren Fortpflan- Annahmen vielversprechend. Da man jedoch relativ gering sind, und nochmals kurz vor der zungserfolg verspricht. die Migrationsrate und u. a. auch den Kon- geplanten Wiederansiedlung durchgeführt Aus diesem Grund wurde im Hinblick auf die kurrenzdruck der anderen Wühlmäuse werden. Dabei sind wir uns selbstverständlich Wiederansiedlung die Entscheidung getrof- schwer vorhersehen kann, ist in Abhängig- bewußt, daß die Umsiedlung langfristig nicht fen, aus Paaren hervorgegangene Verwandt- keit vom aktuellen Verlauf eine 2. Ansied- eine Interferenz mit der Erdmaus ausschließt. schaftsgruppen (Sippen) zu bilden und diese lungsphase geplant. Neben der Frage nach der Wahl der Ausbrin- jeweils geschlossen an verschiedenen Punk- Jedes Wiederansiedlungsprojekt sollte einer gungsfläche ist die Suche nach einer geeig- ten auf der Wiederansiedlungsfläche anzu- wissenschaftlichen Erfolgskontrolle unter- neten Gründerpopulation vordringlich Die siedeln. Die Tiere können somit bereits im liegen. Aus diesem Grund wird sowohl die wiederanzusiedelnden Tiere sollten der ehe- Vorfeld intakte Sozialstrukturen ausbilden, Wiederansiedlung als auch die weitere Ent- maligen Population taxonomisch und ökolo- was unseres Erachtens die Eingewöhnung für wicklung der Sumpfmauspopulation über gisch möglichst ähnlich sein. die Individuen erleichtert. wenigstens 3 Jahre wissenschaftlich betreut Im Institut werden Zuchtgruppen aus drei Die Sippen werden zunächst in großen und dokumentiert. verschiedenen Populationen, aus Vlaardin- Zuchtboxen gehalten und mindestens zwei gen/Niederlande (hier handelt es sich um die Wochen vor der Ausbringung an die Nah- 4. Summary Unterart: Mic. oec. arenicola), aus dem Na- rung des Freilandes adaptiert. Das heißt, daß tionalpark Unteres Odertal und aus Bialowie- Gräser u. ä. aus der Umgebung der Wieder- An action-plan for a reintroduction of the za/Polen (beide M. o. stimmingi) aufgebaut. ansiedlungsfläche geschnitten und die Tiere Root vole Microtus oeconomus is presented Von der geographischen Lage her beurteilt, durch dieses Angebot an die nach der An- by a floating diagram. First of all, the present wären sowohl die Tiere aus den Niederlanden siedlung zur Verfügung stehende Nahrung status and the possible causes for the species’ als auch die aus dem Odertal geeignet (vgl. gewöhnt werden. decline have to be analysed. Next, an appro- Abb. 3). Da es sich jedoch bei den niederlän- Bei der Durchführung der Wiederansiedlung priate habitat as well as a suitable founder dischen Tieren um eine über lange Zeit be- ist der Zeitpunkt von besonderer Bedeutung. population have to be chosen. stehende „verinselte“ Population am Rande Einerseits muß das Ansiedlungshabitat be- Taking the ethology of the focused species des Verbreitungsareals handelt, sind geneti- reits genügend Nahrung bieten, andererseits into account the habitat has to be prepared sche Drifteffekte nicht auszuschließen. Die darf die Saison noch nicht zu weit fortge- immediately before the reintroduction. In ad- Wahl einer Gründerpopulation, die auf Tiere schritten sein, da sich Sumpfmäuse zwischen dition, the animals have to be adapted to zurückgeht, die aus einem zusammenhän- März und September/Oktober fortpflanzen. their future forage. The realization of the ac- genden Verbreitungsgebiet stammen, wie z. Im vorliegenden Fall scheint somit der Früh- tion requires a precise timetable and – de- B. aus dem Oder-Gebiet, ist somit aus popu- sommer der geeignete Zeitpunkt für das Aus- pending on the prognosis of success and on lationsgenetischer Sicht sinnvoll. bringen der Tiere zu sein. Die zweite wichti- the real course – possibly a second reintro- Um den populationsgenetischen Aspekt ge Frage, die sich hinsichtlich der Durch- duction phase. A scientific evaluation of the noch näher zu untersuchen, werden in der führung stellt, ist die nach der Anzahl der Tie- success for at least three years is necessary. Arbeitsgruppe zur Zeit Analysen zur Variabi- re bzw. beim hier geplanten Vorgehen nach lität der DNA innerhalb und zwischen Indivi- der Anzahl der Verwandtschaftsgruppen. Literatur duen der drei Subpopulationen durchge- Dabei muß auch überlegt werden, ob die An- ANL/BFANL-Kolloquium 1981: Empfehlungen für die Wiedereinbürgerung gefährdeter Tiere. In: Wiederein- führt. Dazu wird die PCR-Diagnostik (das Po- siedlung – wie in den Augsburger Konventio- bürgerung gefährdeter Tierarten, Tagungsbericht lymerase-Chain-Reaction-Verfahren) ver- nen empfohlen – in zwei Schritten erfolgen 12/81. Hrsg.: Akademie für Naturschutz und Land- wendet, mit der sich bei geeigneter Wahl des soll. schaftspflege. -Laufen/Salzach: 113-114 Zufallsprimers bestimmte DNA-Abschnitte Die Entscheidung hierzu ist im Rahmen der BALLOU, J. 1992: Small population overview. In: Vor- tex manual – A stochastic simulation of the extinction amplifizieren und gelelektrophoretisch auf- Möglichkeiten in erster Linie von der Erfolgs- process, Section 3. Hrsg.: LACY, R. u. KREEGER, T. Chi- trennen lassen. Die Analyse des Bandenmu- prognose abhängig. cago Zoological Society. -Chicago. -30 S. sters verschiedener Proben deutet bisher auf Hierfür sollte zunächst die Entwicklung einer ELLENBERG, H. u. NOWAK, E. 1981: Welche Tierarten könnten künftig angesiedelt werden. In: Wiederein- ähnliche genetische Variabilität zwischen den hypothetischen Population modelliert wer- bürgerung gefährdeter Tierarten, Tagungsbericht Individuen einer Subpopulation hin. Dieses den. In einer Population Viability Analysis 12/81. Hrsg.: Akademie für Naturschutz und Land- Verfahren liefert aber zur Zeit noch kein ein- (PVA), wie sie z. B. mit dem von der Interna- schaftspflege. -Laufen/Salzach: 96-107 FRANK 1956: Grundlagen, Möglichkeiten und Metho- deutiges Entscheidungskriterium, konterka- tional Union for Conservation of Nature and den der Sanierung von Feldmausplagegebieten. - riert aber auch nicht die Wahl einer Gründer- Natural Resources (IUCN) empfohlenen Si- Nachrichtenblatt des deutschen Pflanzenschutzdien- population aus dem Odertal aufgrund der mulationsprogramm VORTEX durchgeführt stes 8 (10): 147-158 HECKENROTH, H. 1991: Rote Liste der in Niedersach- Lage im zusammenhängenden Verbreitungs- werden kann (LACY u. KREEGER 1992), wer- sen und Bremen gefährdeten Säugetierarten – Über- areal. den deterministische und stochastische Fak- sicht (1. Fassung, Stand 1. 1. 1991) mit Liste. -Natur- Die Zucht der Wiederansiedlungstiere erfolgt toren interaktiv verknüpft. Dadurch können schutz Landschftspfl. Niedersachs. (26): 161-164 HENTTONEN, H.; KAIKUSALO, A.; TAST, J. u. VII- nach einem genauen Kombinationsplan, Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer TALA, J. 1977: Interspecific competition between small nach dem eine möglichst hohe genetische erfolgreichen Wiederansiedlung, über die zu rodents in subarctic and boreal ecosystems. -OIKOS Variabilität erreicht werden soll. Hierfür wer- erwartende Populationsgröße sowie über die 29: 581-590 den die Tiere paarweise gehalten und die Entwicklung der genetischen Variabilität ge- KLEIMAN, D. G.; STANLEY PRICE, M. R. u. BECK, B. B. 1994: Criteria for reintroductions. In: Creative conser- Jungtiere als Subadulte aus verschiedenen wonnen werden. Selbstverständlich basiert vation: Interactive management of wild and captive Familien wieder paarweise zusammenge- eine derartige Voraussage auf zahlreichen animals. Hrsg.: OLNEY, P. J. S.; MACE, G. M. u. FEIST- bracht. Annahmen (Abb. 3). So muß man z. B. die NER, A. T. C. -London: 287-302 LACY, R. C. u. KREEGER, T. 1992: VORTEX manual – Die monogame Zucht ergibt sich nicht nur Habitatqualität abschätzen, mögliche Kata- A stochastic simulation of the extinction process. -Chi- aus praktischer, sondern auch aus ethologi- strophen berücksichtigen und verschiedene cago Zoologicall Society. -Chicago scher Sicht. In 5 Beobachtungsgruppen, in Annahmen hinsichtlich möglicher Inzuchtde- MALLINSON, J. 1978: The Shadow of Extinction. - London: 52-57 denen die Tiere polygyn – in diesem Fall 1 pression, demographischer Schwankungen, REICHSTEIN, H. 1970: Zum Vorkommen der Nordi- Männchen und 2 Weibchen – gehalten wur- Migration und mehrerer Fortpflanzungsva- schen Wühlmaus, Microtus oeconomus (Pallas, 1776) den, konnten bei den 10 Weibchen in 2 Mo- riablen machen. Ebenfalls ist bei einer Wie- in historischer Zeit in Schleswig-Holstein (Nord- deutschland). -Z. Säugetierkunde 35: 147-159 naten nur 4 Würfe gezählt werden. Dieser deransiedlung die Zusammensetzung der REICHSTEIN, H. 1972: Ein Nachweis der Nordischen Wert liegt weit unter der durchschnittlichen Gründerpopulation von Bedeutung. Wühlmaus, Microtus oeconomus (Pallas,, 1776) aus Wurfhäufigkeit bei Paaren (hier konnten in 2 In Bezug auf die Wiederansiedlung der dem vorgeschichtlichen Nordwest-Deutschland. -Z. Säugetierkunde 37: 98-101 Monaten bei 10 Paaren 11 Würfe registriert Sumpfmaus ist bei einer Ausgangspopulation SCHRÖPFER, R. 1992: Biotopschutzmaßnahmen für werden) und deutet darauf hin, daß – zumin- von 20 bis 25 Verwandtschaftsgruppen die Säugetiere im Dümmer-Gebiet. -NNA-Berichte (2): 44- dest unter Zuchtbedingungen – das monoga- Prognose selbst unter relativ pessimistischen 48 74 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

SMIT, C. J. u. WIJNGAARDEN van, A. 1981: Threate- oeconomus (Pallas), upon the habitat selection of the Verfasser ned mammals in Europe. In: Supplementary Volume of field vole, Microtus agrestis (L.), in northern Finland. - Handbuch der Säugetiere Europas. Hrsg.: NIETHAM- Ann. Acad. Scient. Fennicae (A IV) 136: 1-23 Dr. Heike Freytag-Grunert MER, J. u. KRAPP, F. Akademische Verlagsgesellschaft. TAST, J. 1982: Microtus oeconomus (Pallas 1776) – Prof. Dr. Rüdiger Schröpfer -Wiesbaden: 44-47 Nordische Wühlmaus, Sumpfmaus. In: Handbuch der Universität Osnabrück TAST, J. 1966: The root vole, Microtus oeconomus Säugetiere Europas. Bd. 2/1. Hrsg.: NIETHAMMER, J. FB Biologie/Chemie (Pallas), as an inhabitant of seasonally flooded land.- u. KRAPP, F. Akademische Verlagsgesellschaft. -Wies- Ann. Zool. Fenn. 3: 127-171 baden: 374-396 D–49069 Osnabrück TAST, J, 1968: Influence of the root vole, Microtus

MANFRED WÖLFL Der Luchs (Lynx lynx) in Bayern – Umgang mit einem Großraubtier

Schlagwörter: Luchs (Lynx lynx), Bayern, Verbreitung, Management, Artenschutz, „human dimensons“

1. Raubtier oder etablierten Individuen (WÖLFL 1996). Die und Gruppierungen aufgezählt, die unter Population reproduziert erfolgreich. Die Aus- den derzeitigen Umständen zumeist negativ Beutegreifer – eine breitung vollzieht sich jedoch nur zögerlich, auf die Toleranz und Akzeptanz der breiten Titelbegründung da in das Vorfeld abwandernde Jungtiere vie- Öffentlichkeit gegenüber dem Luchs einwir- lerorts ein ähnliches Schicksal wie vor 20 Jah- ken. In der Wissenschaft hat sich schon seit länge- ren erwartet (Abb. 1). Der Luchs ist im Jagdgesetz als jagdbare, aber rer Zeit der Begriff Beutegreifer etabliert. Die- ganzjährig geschonte Tierart aufgeführt se Begriffsänderung ist Ausdruck eines sich 3. Der Luchs im (DOERENKAMP 1994). Gleichzeitig er- ändernden Bildes von den Prädatoren, weg scheint er in der Roten Liste in der Kategorie von einer subjektiven, menschenbezogenen Mittelpunkt sozio- Vom Aussterben bedroht (KRAUS et al. Sicht hin zu einer Einbettung der Fleischfres- ökonomischer 1993). Aus dieser rechtlichen Zwitterstellung ser in das ökologische Gesamtgefüge. Spannungen heraus resultieren ungeklärte Zuständigkei- Was in der Wissenschaft inzwischen als ten in den Behörden bis hinauf in die Mini- selbstverständlich betrachtet wird, ist in der Viele Faktoren rücken die Tierart Luchs in den sterien. täglichen Praxis vor Ort noch kaum zu Mittelpunkt menschlichen Interesses. Aus- Die Forschung könnte dringend notwendige, spüren. Immer noch herrscht eine negative wirkungen auf die Toleranz und Akzeptanz ortsbezogene Daten liefern und dadurch bis- Sicht auf Raubtiere, ja sogar auf Raubzeug dieser Tierart haben das Verhalten und die her nicht vorhandene Grundlagen für eine bei einem Großteil der Landnutzer vor. Tier- Standpunkte vieler verschiedener Gruppie- sachliche Diskussion schaffen. Jedoch zeich- arten werden klassifiziert und eingeordnet, rungen. In Abb. 2 sind einige dieser Faktoren net sich Forschung oft durch Praxisferne aus. nach vordergründigem Nutzen und Schaden für den Menschen bewertet. Mit der bloßen Begriffsänderung von Raubtier hin zu Beute- greifer haben der Artenschutz und die Wis- senschaft bisher noch nicht allzu viel erreicht - das zu glauben hieße der Praxis mit Scheu- klappen zu begegnen. 2. Wiederansiedlung und derzeitige Verbreitung Anfang der 70er Jahre wurde der Luchs im Bayerischen Wald wiederangesiedelt - ohne vorbereitende Öffentlichkeitsarbeit und ohne den Einbezug der Interessensgruppen vor Ort (FESTETICS 1981). Wen wundert es heu- te, daß der Luchs so in das Spannungsfeld menschlicher Interessen und Ideologien ge- langte. Landnutzer fühlten sich einmal mehr übergangen und halfen sich seinerzeit auf ihre Art. Der Luchs überlebte de facto nur im Staatswald und im Nationalparkgebiet. 1982 bis 1989 siedelten tschechische Fach- leute insgesamt 17 Tiere karpatischen Ur- sprungs im Böhmerwald an (CERVENY et al. 1994). Nach der Grenzöffnung 1991 wan- derten vermehrt Tiere der sich ausbreitenden Population in den inneren Bayerischen Wald Abb. 1 ein. Inzwischen ist der Luchs dort Standwild Derzeitige Verbreitung und Ausbreitungstendenzen des Luchses geworden. Man rechnet derzeit mit 10 bis 15 im Bayerisch-Böhmischen Grenzgebiet. MANFRED WÖLFL: DER LUCHS (LYNX LYNX) IN BAYERN – UMGANG MIT EINEM GROSSRAUBTIER 75

den Versäumnissen der Vergangenheit, v.a. in der Altlast der damaligen Wiedereinbürge- rungsaktion, begründet. Deshalb dürfen Pla- ner künftiger Wiederansiedlungen diese Ver- säumnisse bei derart hochkarätigen Tierarten nicht mehr wiederholen. Prestigedenken und Pressewirksamkeit sind hier fehl am Platz. Es existieren wohlklingende Richtlinien für Wie- dereinbürgerungen (Augsburger Konvention 1981). Beispielsweise sollten die Ursachen der Ausrottung bekannt und abgestellt sein, eine vorbereitende Öffentlichkeitsarbeit und eine begleitende Dokumentation des Projek- tes sind unverzichtbar. Säugetierforschung als Grundlage für den Artenschutz bedeutet in Bezug auf den Luchs in Nordostbayern, daß sich Forschung und Wissenschaft hier ihrer großen Verantwor- tung stellen müssen, mit praxisnahen und transparenten Methoden objektives und be- greifbares Wissen zu liefern. Grundlagenda- ten zur Raumnutzung und Beutewahl des Luchses sind unverzichtbar. Jedoch muß For- Abb. 2 schung hier unbedingt mehr sein als ein rei- Der Luchs im Mittelpunkt sozio-ökonomischer Spannungen. nes, vielleicht sogar etwas abgehobenes und weltfremdes Datensammeln. In der Feldar- beit und im Datenerhebungsprozeß müssen Es besteht in der Bevölkerung und in den schweren Stand. Der unglückliche Wieder- die Berührungspunkte zu den Menschen vor Behörden die Befürchtung, daß einmal mehr einbürgerungsversuch in den 70er Jahren ist Ort als einmalige Chance genutzt werden, wieder nur Papier für die Schublade produ- als große Altlast in praktisch jeder Diskussion um praktische Aufklärungsarbeit zu leisten. ziert wird. zu spüren. Zusätzlich ist der Luchs nach wie So läßt sich beispielsweise die Methodik der Es ist erstaunlich, welche Vorstellungen man- vor ein Prestigeobjekt. Konkurrenz gibt es Radiotelemetrie zur anschaulichen Öffent- cherorts über den Luchs herrschen. Diese Un- deshalb nicht nur zwischen Luchs und Jägern, lichkeitsarbeit verwenden. Es nützt wenig, in kenntnis führt oft zu Extremmeinungen, so- sondern auch innerhalb des Naturschutzes. Nordostbayern mit HomeRange-Daten aus wohl auf Landnutzer- als auch auf Arten- Ein Einbezug der Landnutzer in zukünftiges der Schweiz zu argumentieren. Denn die schutzseite. So zeichnen althergebrachte Luchsmanagement fehlt bisher gänzlich. Je- hohe Mobilität und Großräumigkeit des Überlieferungen den Luchs immer noch als doch ist in Mitteleuropa ein Lebensraum- Luchses übersteigt unsere mitteleuropäische blutrünstige, rehmordende Bestie, neuere schutz für derart großräumige Arten wie dem Vorstellungen von tierischen Lebensrauman- Wunschvorstellungen dagegen verklären Luchs unter Menschenausschluß unmöglich. sprüchen bei weitem. den Luchs in Bezug auf den Schalenwildver- Viele der oben angesprochenen Punkte ha- Für die Forschung stellen sich wesentliche biß als willkommenen Retter des Waldes oder ben ein tiefes Mißtrauen bei den Menschen Fragen, z. B. gar als einen Gütezeiger für ein wieder intak- vor Ort ausgelöst: gegenüber dem Natur- (1) welchen Einfluß der Luchs auf seine tes Ökosystem Wald. schutz, der Forschung, den Behörden, den Hauptbeuteart, das Rehwild (besonders Die traditionelle Abneigung gegen Beute- Politikern. Das Gefühl des Übergangen-Wer- in Bereichen, wo intensiv gefüttert wird, greifer ist nach wie vor tief in der Landwirt- dens, eine scheinbare Ohnmacht gegenüber d. h. Nahrung geklumpt vorkommt) hat. schaft verwurzelt, begründet in der durchaus der Bürokratie herrscht vor. Die schlechten (2) Besitzt der Luchs ein Nahrungsterritori- berechtigten Befürchtung vor Übergriffen Erfahrungen mit der damaligen Wiederein- um? Hängt also die Territoriumsgröße auf Haustiere. Diese Haltung ist unter dem bürgerungsaktion haben frustriert. Der von der Rehwilddichte ab? Sind Home- Aspekt einer immer noch fehlenden verbind- Luchshaß ist oftmals nur Ausdruck zwi- Range-Größen beispielsweise aus der lichen Schadensregelung verständlich. schenmenschlicher Konflikte. Als eine Art Schweiz überhaupt übertragbar (dort Die Jagd steht dem Luchs sehr mißtrauisch Sündenbock können Menschen ihre Frustra- gibt es z. B. keine Rehwildfütterungen)? gegenüber. Nach wie vor fehlt eine klare Stel- tion an dieser Tierart auslassen, um der für sie (3) Welche andere Faktoren sind wichtig (z. lungnahme des Landesjagdverbandes zu die- bedrohlichen Allianz von Politik und Natur- B. Rückzugsgebiete, Wetterschutz)? ser Thematik. Vor Ort fühlen sich die betrof- schutz zu trotzen. All diesen Fragen gilt es nachzugehen, aber fenen Revierinhaber deshalb nicht ernst ge- nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die nommen und einmal mehr übergangen. Zu- 4. Lösungsansätze Forschung muß Leute vor Ort einbeziehen. sätzlich spielt das Konkurrenzdenken eine Denn nur wer mehr über eine Sache weiß, große Rolle, v.a. im Bezug auf das Rehwild. Der Luchs steht im Zentrum unterschiedlicher wird Interesse zeigen und auch Verantwor- Im Tierschutz wird der Luchs oft verniedlicht. menschlicher Interessen, die sowohl ideolo- tung zu übernehmen bereit sein. Vor allem ist Die damit verbundene Emotionalisierung gisch als auch wirtschaftlich begründet sind. eine ehrliche Zusammenarbeit mit der wich- verschärft vorhandene Gegensätze. Ein Akzeptanz und Toleranz für diese Tierart las- tigsten Zielgruppe, der Jägerschaft, nötig. nüchterner Umgang mit Wildtieren und de- sen sich demnach nur erreichen, wenn diese ren kontrollierte Bewirtschaftung fehlt in Mit- Interessenskonflikte erkannt, angesprochen, 5. Perspektiven teleuropa. Schwankungen von einem Extrem diskutiert und Lösungen dazu gefunden wer- in das andere sind die Regel (z. B. Greifvo- den. Andernfalls wird der Luchs in Nordost- Die Perspektiven für ein langfristiges Überle- gelschutz, Fuchs- und Rehwildbewirtschaf- bayern weiterhin in staatseigenen Gebieten ben des Luchses in Mitteleuropa erscheinen tung). Mit Extrempositionen werden aber sein Dasein fristen oder – was gar nicht so un- unter den populationsbiologischen Gesichts- Probleme mit Konfliktarten nicht zu lösen wahrscheinlich ist – wieder gänzlich von der punkten als günstig. Um Effekte einer gene- sein. Bildfläche verschwinden. tischen Inzuchtdepression zu minimieren, Der Arten- und Naturschutz hat im Untersu- Die negative Stimmung in Nordostbayern sollten Populationen großer Säugetiere eine chungsgebiet bezüglich des Luchses einen bezüglich des Luchses liegt in erster Linie in Größenordnung von mehreren hundert Tie- 76 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

ren nicht unterschreiten (NEUHÄUSER 1991). Bei den Raumansprüchen des Luchses von durchschnittlich 100 km2 pro Adulttier (BREITENMOSER et al. 1993) sind derartig große und zusammenhängende Flächen in Mitteleuropa nur auf länderübergreifender Ebene vorhanden. Ergänzend bietet sich zur Erhaltung und Förderung des Luchses im Al- penraum (SCALP: Status and Conservation of the Alpine Lynx Population; BREITENMO- SER 1995) ein ähnlicher Ansatz für den zen- traleuropäischen Raum an (Abb. 3; CELTIC: Conservation of the European Lynx – Mana- gement and International Cooperation; WÖLFL, unveröff). Ein Austausch von Indivi- duen des Böhmerwaldes mit Tieren der au- tochthonen slowakischen Population er- scheint über die Trittsteine Fichtel-, Elster- und Erzgebirge, der sächsischen und böhmi- schen Schweiz und dem Altvatergebirge möglich. Ebenso können Individuen über das Mühl- und Waldviertel Österreichs und das mährische Stufenland hinein in den Bereich der Kleinen Karpaten abwandern. Die hohe Mobilität des Luchses könnte einen Aus- tausch zwischen den bestehenden Populatio- nen jetzt schon ermöglichen. Die grenzna- Abb. 3 Konzept der Metapopulationen für den Luchs in Mitteleuropa. hen, oft extensiv genutzten Mittelgebirge und Hochebenen in Mitteleuropa erscheinen bei ausreichendem Populationsdruck als ge- authorities have put the lynx issue between ulation in the Swiss Jura Mountains. -London. -J. Zool. 231: 449-464 eignete Wanderungskorridore. social and economic human interests. Emo- CERVENY, J.; BUFKA, L.; POJAR, B. 1994. Der Luchs - Um die Vision der Metapopulationen für den tions, based on interhuman conflicts, lead the die Rückkehr eines früheren Bewohners im Böhmer- Luchs in Zentraleuropa Wirklichkeit werden discussions and block an objective and fact- wald. Myslivost 10/19 (dt. Übers.) Festetics Antal. 1981. Die Wiedereinbürgerung des Luchses in Europa. zu lassen, sind grenzüberschreitende Maß- based management of the species. Practical In: Der Luchs in Europa (Ed. A. FESTETICS). Kilda-Ver- nahmen erforderlich. Eine länderübergreifen- and honest research in the region might be lag: 224-254 de Koordination der Schutzbemühungen er- the answer to this human-based conflicts and HELL, P. u. SLAMECKA, J. 1996: Current status of the scheint in diesem Zusammenhang als selbst- could lead to a reasonable species manage- lynx (Lynx lynx) in Slovakia. In: Lynx in the Czech and Slovak Republics (Eds. P. KOUBEK u. J. CERVENY). In- verständlich. Sie bedarf jedoch einer groß- ment. stitute of Landscape Ecology, Brno. XXX Nova series räumigen Denkweise und des regelmäßigen 1996(3): 16-33 KRAUS, M.; Heusinger, Nitsche. 1993: Säugetiere. Informations- und Erfahrungsaustausches. In Literatur Rote Liste gefährdeter Tierarten in Bayern. Hrsg.: Augsburger Konvention 1981: Empfehlungen für die den Arealen bereits bestehender Teilpopula- Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung Wiedereinbürgerung gefährdeter Tiere. Akademie für und Umweltfragen. Manz-AG. -München: 12 tionen, vor allem in der autochtonen Popula- Naturschutz und Landschaftspflege/Bundesfor- NEUHÄUSER, P. 1991: Populationsmanagement und tion der Slowakei (HELL u. SLAMECKA schungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökolo- Artenschutz aus genetisch-demographischer Sicht. Ge- gie. Augsburg, 9. Dezember 1981 1996), muß die antropogen verursachte org Thieme GmbH. Biol. Zent.bl. 110. -Leipzig: 87-113 DOERENKAMP, J. 1994: Bundesjagdgesetz. 7. Aufl. Mortalität in jedem Fall soweit gesenkt wer- WÖLFL, M. 1996: Kartierung und Dokumentation der BLV München. -61 S. Vorkommen des Luchses (Lynx lynx) in den Landkrei- den, daß ein Populationsüberschuß entste- BREITENMOSER, U. 1995: Recovery of the Alpine lynx sen Regen, Deggendorf und Straubing-Bogen. Regie- population: conclusions from the first SCALP report. hen kann und Jungtiere zur Abwanderung rung von Niederbayern. -Landshut: -21 S. gezwungen werden. Für das langfristige Vortrag bei der Conference on the Status and Conser- vation of the Alpin Lynx Population. Engelberg, Überleben ist eine Akzeptanzverbesserung Schweiz; 7-10. Dezember 1995 Verfasser gegenüber des Beutegreifers Luchs dringend BREITENMOSER U.; KACZENSKY, P.; DÖTTERER, M.; Dipl.-Biol. Manfred Wölfl notwendig. Am geeignetsten erscheint hier- BREITENMOSER-WÜRSTEN, C.; CAPT, S.; BERN- HARD, F.; LIBEREK, M. 1993: Spatial organization and Hüttenzell 5 für die fachlich fundierte und ehrliche Öf- recruitment of lynx (Lynx lynx) in a reintroduced pop- D–94372 Rattiszell fentlichkeitsarbeit. Zudem müssen verbindli- che Regelungen im Bezug auf die vom Luchs verursachten Schäden geschaffen werden. In einem weiteren Schritt ist die Unzerschnit- Die „Rote Liste und Liste der Brutvögel des Landes tenheit noch vorhandener Naturräume als Brandenburg (1997)“ ist zu einem Preis von 12,– DM potentielle Wanderungskorridore zu sichern käuflich zu erwerben beim bzw. bei im Bau befindlichen oder geplanten Landesumweltamt Brandenburg, Abt. N, Verkehrstraßen auf deren Durchlässigkeit für PF 601061, 14410 Potsdam großräumig wandernde Säugetierarten zu sowie bei der achten. UNZE Verlagsgesellschaft mbH Alt Nowawes 83 a, 14482 Potsdam 6. Summary Human dimensions in wildlife management In Vorbereitung für 1998 get more and more important. In north- ist die Rote Liste der Gold,- Falten- und Wegwespen eastern Bavaria, these human dimensions des Landes Brandenburg. play the key role concerning further lynx Sie erscheint in der „Naturschutz- und Landschafts- (Lynx lynx) management. Ignorance or self- pflege in Brandenburg“ als Beilage zu Heft 2. interest of single persons, institutions and NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 77

DIETRICH HEIDECKE, WALTER RIECKMANN Die Nutria – Verbreitung und Probleme – Position zur Einbürgerung

Schlagwörter: Neozoon, Nutria, Verbreitung, Naturschutz, Konfliktfelder

1. Einleitung (vgl. STUBBE 1989, STUBBE et al. 1994) setz- aufgezeigt, und es wird zur Mitteilung weite- te mit Auflösung der zahlreichen Nutriafar- rer Nachweise und Beobachtungen angeregt. Heute zählt eine neue Art, die bereits Mitte men und unbedachter Freilassung ganzer der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts aus Zuchtbestände eine regelrechte Expansion 2. Verbreitung und Trend Südamerika über die Farmhaltung in Europa der Nutria ein. Zunehmend gemeldete Kon- eingeführte Nutria, Myocastor coypus zur flikte mit der Wasser- und Landwirtschaft ga- Basierend auf den im Literaturverzeichnis zi- heimischen Fauna. Anfänglich erlagen Farm- ben dem Deutschen Verband für Wasserwirt- tierten Quellen und durch zahlreiche Mittei- flüchtlinge stets dem Einfluß strenger Winter, schaft und Kulturbau Anlaß, diese Art bei der lungen ergänzt, wird mit der Abb. 1 das Auf- so daß die Gefahr ungewollter Auswilderun- Erarbeitung des Merkblattes „Bisam, Biber, treten der Nutria vor und nach 1989 charak- gen und einer Etablierung in freier Wildbahn Nutria – Erkennungsmerkmale und Lebens- terisiert. (Allen Gewährsleuten sei an dieser verkannt wurde. Aber in der zweiten Hälfte weisen – Gestaltung und Sicherung gefähr- Stelle für die Bereitstellung ihrer Beobach- des 20. Jahrhunderts gelang es einer kleinen deter Ufer, Deiche und Dämme“ zu berück- tungsdaten herzlich gedankt!) Die Karte Population zuerst an der Rur und später in sichtigen. Die hierbei erzielten, noch recht zeigt, daß die Nutria heute nicht mehr lokal der klimatisch günstigen Oberrhein-Ebene, bescheidenen ersten Ergebnisse werden in und nur temporär, sondern bereits über wei- sich fest anzusiedeln und auszubreiten. Im diesem Beitrag vorgestellt, die neuen auch te Räume, insbesondere in den neuen Bun- Gebiet der DDR wiederholt lokal auftretend den Naturschutz betreffenden Konfliktfelder desländern, flächig verbreitet ist. In der Oberrheinebene, an der Rur, im Ruhrgebiet und Emsland, im Gebiet der mittleren Elbe, vor allem an der Saale und Mulde, im Spree- und Haveleinzugsgebiet sowie an den Ge- wässern der Altmark haben sich starke, z. T. mehrere hundert Tiere zählende Populatio- nen gebildet, die kontinuierlich im Bestand zunehmen und sich in benachbarte Gebiete – bis in die Niederlande – ausbreiten. Da sich diese Populationen stabil etabliert haben und ohne stützende Maßnahmen über mehrere Jahre reproduzieren, muß die Nutria per de- finitionem heute als heimische Tierart be- zeichnet werden. 3. Biozönotische Einnischung In die ökologische Gilde der herbivoren se- miaquatischen Säugetiere paßt sich die Nutria gut ein, da sie eine im europäischen Gewäs- ser-Ökosystem freie Nische besetzen kann (vgl. SCHRÖPFER u. STUBBE 1992, Abb. 2). Somit bestehen für die Einbürgerung dieser Art gute Voraussetzungen, zumal die Nutria als ursprünglicher Besiedler ausgedehnter Flachwasser- und Überschwemmungsgebiete

Abb. 2 Ökologische Nischen semiaquatischer herbivorer Abb. 1 Säugetiere (varKRL: Index aus dem Verhältnis Nachweise der Nutria in der Bundesrepublik Deutschland (Raster TK 1 : 25 000; offene Kreise Kopf-Rumpf-Längen in mm) aus: SCHRÖPFER u. Nachweise vor 1989, volle Kreise Nachweise auch nach 1989) STUBBE 1992 78 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Südamerikas an unterschiedliche Gewässer- verursacht. So sind in den harten Wintern Agrar- und Gartenkulturen. Für den Natur- habitate adaptiert ist. Doch wie reagiert das 1995/96 und 1996/97 an den brandenburgi- schutz stellt die Nutria ein Konkurrenzpotenti- Ökosystem auf die neue Art? Vermag sich die schen Gewässern, den Altwassern der Elbe und al für heimische Floren- und Faunenelemente Art problemlos einzunischen? vereisten Bächen kleine Populationen – wie er- dar. Angesichts zunehmender wasser- und Welche wirtschaftlichen Einflüsse sind in den wartet – nahezu vollständig ausgewintert. landwirtschaftlicher Schäden, der Unsicher- betroffenen Gebieten zu erwarten? Nachfol- Doch ein natürliches Aussterben durch klima- heiten für den Floren- und Faunenschutz wie gend wird versucht, mit der Interpretation er- tische und prädative Faktoren ist nicht zu er- epizootischer Bedenken erscheint eine gesetz- ster Untersuchungsergebnisse auf diese Fra- warten, da die Populationen an Gewässern wie liche Regelung zur Verhinderung der Einbür- gen zu antworten. der Saale, Mulde und Neiße in den stadtnahen gerung der Nutria notwendig. Hierzu besteht Die Nutria besiedelt in Mitteleuropa die unter- und innerstädtischen Bereichen nur geringe parlamentarischer Handlungsbedarf, um eine schiedlichsten Gewässertypen, wobei im Ver- Auswinterung (bis 20 %) erfahren und damit gesetzliche Basis zu schaffen. Eine denkbare gleich zum Biber und Bisam eine geringere als Reproduktionszellen erhalten bleiben. Lösung wäre der Nutriafang durch speziell be- Bindung an das Gewässer festzustellen ist. Sie auftragte Personen (Bisamfänger), vor allem ist an fließenden wie stehenden Gewässern 5. Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungs- vorwiegend in der offenen Landschaft anzu- gefahr und des Schutzes von Fischotter und treffen, bevorzugt aber ruhige Wasserzonen, Im Verhalten der „auswildernden“ Nutria las- Biber. Hingegen ist fraglich, ob die in einigen vegetationsreiche Altarme, Buchten, Lagu- sen sich zunehmend Anpassungen erkennen. Bundesländern durch Sonderregelung ange- nen, Seen und kleine Bäche mit geringer Fließ- Die Nachkommen der ursprünglich „hand- strebte Bejagung das Nutria-Problem zu lösen geschwindigkeit. Sie meidet offensichtlich ge- zahmen Farmtiere“ entwickeln sich zuneh- vermag, zumal hiermit der Jägerschaft zusätz- schlossene Waldgebiete. Besonders konzen- mend zu dämmerungs- und nachtaktiven Tie- lich die Schadensregulierung zugemutet wird. triert tritt sie an Gewässerabschnitten in Sied- ren mit höherer Fluchtdistanz. So sind Nutrias Für alle Lösungen und Entscheidungen er- lungsnähe auf, auch in großen Städten. Gün- in naturnahen Habitaten während der Vege- scheint aber ein umfangreicheres Grundwis- stiges Mikroklima, Fütterungen und Schutz tationsperiode heute, wenige Jahre nach der sen notwendig. Und so ergeben sich für die durch Anwohner fördern hier die Bestands- Freilassung, kaum noch zahlenmäßig zu erfas- Wissenschaft wie für die naturkundliche Hei- entwicklung. Als Wohnstätten nutzen sie zu- sen. Auch in der Bauanlage sind Anpassungs- matforschung die Aufgaben einer intensive- mindest in der Vegetationsperiode häufig of- erscheinungen zu erkennen. Die großen Kolo- ren faunistischen, eth-ökologischen sowie ve- fene Sassen, die an ausgebauten Ufern ober- nien weisen eine Vielzahl tiefer Erdröhren auf, terinärmedizinischen Bearbeitung dieser Art, halb der Steinschüttungen liegen. Diese Ei- in denen sich die Tiere vor den Witterungsun- wozu dieser Beitrag anregen möchte. genschaft befähigt die Art sogar zur Besied- bilden schützen können. Gegenüber dem Bi- lung ausgebauter Uferstrecken. An gewachse- sam zeigt sich die Nutria recht aggressiv. Erste 8. Summary nen Ufern gräbt die Nutria zunehmend – in Anzeichen einer Abnahme des Bisambestan- Anpassung an die europäischen Winterbedin- des an von der Nutria besiedelten Gewässern The coypus is the latest member of the Ger- gungen – Ufer- und Wurzelüberhänge sowie scheinen das aus der Literatur bekannte Kon- man mammal fauna. Escape farm animals Bisambaue zu großen Erdbauen aus, deren kurrenzverhalten zu bestätigen. Auch gegen- founded stable populations in the wild which Eingänge in der Regel in Höhe der Wasserlinie über dem Biber scheint die Nutria zu konkur- were continuously reinforced since 1990. liegen, also gut sichtbar sind. Selten tragen sie rieren. Einzelne bestätigende Beobachtungen Distribution maps illustrate its current situa- in Flachwassergebieten lose Pflanzenhaufen und das Besetzen von (leerstehenden?) Biber- tion in Germany. Areas of conflicts with agri- auf, die Bisam- oder Biberburgen ähneln. Das burgen wurden bereits mitgeteilt. culture and watersupply are discussed. The ist z. B. der Fall, wenn vom Biber geschnittene possibility of epizootic is pointed out. Hölzer verwendet werden. Doch diesen „Bur- 6. Die Nutria – ein gen“ fehlt ein innerer Wohnkessel. Literatur epizootisches BORKENHAGEN, P. 1993: Atlas der Säugetiere Schles- In der Ernährung und damit in der Standort- wig-Holstein. -Hrsg. Landesamt für Naturschutz und wahl präferiert die Nutria Feld- und Garten- Gefahrenpotential Landschaftspflege Schleswig-Holstein. -Kiel. kulturen (Farmeffekt?) und verursacht somit DOLCH, D. 1995: Die Säugetiere des ehemaligen Be- zirks Potsdam. -Naturschutz und Landschaftspflege in bereits erhebliche Schäden in Getreide-, Während nach den bisherigen Kenntnissen Brandenburg. Sonderheft: 42 Mais- und Rübenfeldern. An naturnahen Ge- die freilebenden Nutriapopulationen durch MÜLLER-USING, D. 1965: das Vorkommen der Nutria wässern nutzt sie offenbar ein breites Spek- Parasiten und Infektionskrankheiten keine in Deutschland. -Z. Jagdwiss. 11: 161-164 trum von Wasser-, Ufer- und Landpflanzen. überdurchschnittliche Mortalität erfahren, SCHRÖPFER, R.; FELDMANN, R. u. VIERHAUS, H. 1984: Die Säugetiere Westfalens. -Abh. Westf. Mus. Übernutzungserscheinungen sind bisher erscheint gerade unter dem epizootischen Naturk. Münster 46 (4): 1-393 nicht bekannt; doch besteht die Gefahr einer Aspekt die heimische Fauna durch diesen SCHRÖPFER, R. u. STUBBE, M. 1992: The diversity of negativen Einflußnahme auf bestandsgefähr- „Newcomer“ gefährdet. Es ist bekannt, daß European semiaquatic mammals within the continuum of running water systems - an introduction to the sym- dete Florenelemente. Ebenso sind Ufergehöl- die Farmbestände z. T. hochgradig salmonel- posium. - Semiaquatische Säugetiere, Wiss. Beitr. Univ. ze verbißgefährdet. Bei Nahrungsmangel im len- und coli-verseucht waren. Außerdem Halle: 9-14 Winter und bei Hochwasser schält die Nutria sind Nutrias als potentielle Überträger von STUBBE, H. 1989: Buch der Hege Bd. 1 Haarwild. -DLV Berlin. 5. Aufl.: 630-639 in erheblichem Ausmaße ufernahe Gehölze. Trichinose und Leptospirose bekannt. Diese STUBBE, M.; STUBBE, A. u. HEIDECKE, D. 1994: Säu- Fakten stellen bei erfolgreicher Einbürgerung getierarten und deren feldökologische Erforschung im der Nutria sowohl den Natur- wie den Seu- östlichen Deutschand. -Tiere im Konflikt 3. Martin-Lu- 4. Populationsbiologie ther-Universität Halle-Wittenberg. -52 S. chenschutz vor neue ungelöste Aufgaben. WESTERMANN, W. 1984: Nutria, Sumpfbiber (Myo- Die bisher beobachteten Bestandszuwächse castor coypus) in Schmaldiemen bei Cumlosen, Prieg- lassen eine starke Reproduktionskraft der nitzer Elbniederung. -Naturschutzarb. Meckl. 27(1): 7. Einschätzung des 49-5 Nutria vermuten. Die Tiere werden unter Neozoons „Nutria“ Freilandbedingungen offenbar mit 6 bis 8 Monaten geschlechtsreif und werfen jährlich Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich Verfasser zweimal durchschnittlich 5 Junge. Eine jah- die Nutria bereits stabil in der mitteleuropäi- Dr. Dietrich Heidecke reszeitliche Anpassung besteht nicht. Auch in schen Fauna etabliert hat und numerisch Ahornweg 3 den Wintermonaten wurden Jungtiere beob- eine Faunenbereicherung darstellt, aus wirt- D–06179 Bennstedt achtet. Die natürlichen Verluste durch Freß- schaftlicher und Naturschutzsicht aber äußerst feinde erscheinen gering. Aperiodisch hohe problematisch erscheint. Für den Wasserbau Dr. Walter Rieckmann Mortalitätsraten werden vor allem durch und die Landwirtschaft ergeben sich zusätzli- Pflanzenschutzamt strenge Winter mit langen che Konfliktfelder mit erheblichem Gefähr- Wunstorfer Landstraße 9 Vereisungsperioden und hoher Schneelage dungspotential in der Ufersicherung wie in D–30453 Hannover NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 79

JOHANNA SIEBER 20 Jahre nach der Wiederansiedlung: Biber-Management unvermeidlich?

Schlagwörter: Biber (Castor fiber), Wiederansiedlung, Biber- Management, Konfliktvermeidung, Österreich

1. Die Vorgeschichte mit Einbrüchen). Die ersten Verkehrsopfer ansiedlungsgebieten, z. B. Steiermark, wurden gemeldet. Slowenien, Südungarn auswildern) Biber (Castor fiber) waren in Österreich – wie Wir schätzen die Biberpopulation heute, 20 5. Kompensation für Schäden in den meisten Ländern Europas – bereits im Jahre nach Beginn der Wiederansiedlung, auf (möglichst keinen direkten finanziellen 18. Jahrhundert selten und wurden schließ- mindestens 500 Individuen. Ausgleich, sondern versuchen, Uferstrei- lich Mitte des 19. Jahrhunderts völlig ausge- fen stillzulegen = aus der Nutzung neh- rottet (Pelz, Bibergeil, Fastenspeise). 4. Das dritte Jahrzehnt men) Mehr als 100 Jahre später begannen Wieder- und später? 6. Nachdenken über zukünftige Bejagung einbürgerungsversuche in den Nachbarlän- (Zuwachsraten beobachten; Fang- oder dern (Deutschland, Schweiz). In Österreich In den nächsten Jahren ist (ohne dramatische Abschußmethoden diskutieren; Quote wurden zwischen 1976 und 1982 insgesamt Populationseinbrüche durch epidemische bestimmen, die für die Population ver- 34 Tiere (vorwiegend polnischen und schwe- Krankheiten oder klimatische Ereignisse wie träglich ist). dischen, aber auch einige wenige kanadi- große Hochwässer) ein weiteres, vorerst ra- schen Ursprungs) in den östlichen Donau- sches Anwachsen der Biberzahl zu prognosti- Vielen Dank! Auen ausgewildert, später noch rund 10 Tie- zieren. Es ist durchaus noch genügend „opti- re freigelassen. maler“ Habitat vorhanden, um etwa die dop- ...an meinen Kollegen Franz Bratter, der ei- pelte Anzahl der heute hier lebenden Biber im nen Teil der Feldarbeit unter nicht immer an- 2. Das erste Jahrzehnt Osten Österreichs (inkl. ungarische und slo- genehmen Bedingungen erledigte und viele wakische Grenzgebiete) zu verkraften. praktische Probleme löste, und ...brachte keine eindrucksvollen Ergebnisse. Voraussetzung dafür ist aber, daß ein Koexi- ...an unsere Hunde, die durch ihren freudigen Vorerst konnte der Biberbestand nur durch stenz-Modus zwischen Bibern bzw. Land- Enthusiasmus bei der Arbeit immer aufmun- Nachbesetzen erhalten werden. Erst ab und Forstwirtschaft gefunden wird (siehe ternd auf uns wirken. 1983 gab es höhere Nachwuchsraten, die „Lösungsmöglichkeiten“). ...an die Subventionsgeber, die unsere Arbeit ersten Subadulten wanderten bis zu 20 km Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte hat ermöglichen (Gemeinde Wien und NÖ Lan- ab. Von 1985 an entwickelte sich die kleine sich die öffentliche Meinung über Biber lang- desregierung). Population besser. Die March (Grenzfluß sam verändert: es begann mit teilweise zur Slowakei) wurde langsam besiedelt, die großer Begeisterung über die „neue“ Tierart; 5. Summary „Eroberung“ der Slowakei selbst begann danach wurden die Biber (weil nachtaktiv, über die March-Zuflüsse, das rechte Do- kaum zu sehen und dadurch unauffällig) eher Nearly all European beaver (Castor fiber) nau-Ufer (zwischen Haslau und Regels- uninteressant; zuletzt häuften sich Klagen populations with exeption of some small brunn) wurde besiedelt, Einwanderungen über Biberschäden, besonders in landwirt- groups were destroyed by overhunting dur- in die ersten beidufrigen Nebenflüsse der schaftlich intensiv genutzten Habitaten, all- ing the last century. As most of the other Donau (Schwechat, Fischa, Rußbach) folg- gemein herrscht jedoch noch eine durchaus reintroduction experiments in Central Europe ten. positive Einstellung den Tieren gegenüber. the Austrian projekt developed most satisfy- Am Ende des ersten Jahrzehnts schätzen wir Um eine Eskalierung von Konfliktsituationen ingly, too (the population grew from about die gesamte Population auf 100 bis 150 Indi- zu vermeiden, schlagen wir folgende Lö- 40 released animals to a number of recently viduen. sungsmöglichkeiten vor: estimated 500!). As the beaver ar dispersing to private land 3. Das zweite Jahrzehnt 1. regelmäßige Bestandskartierung und with agricultural and forestry use causing Vorhersage der weiteren Ausbreitung some damage we now have to work out …führte zu einem raschen Anwachsen der (Geografisches Informationssystem management procedures not in conflict with Individuenzahl und einer weiteren starken [GIS]? Gibt es bereits digitalisiertes aims of nature conservation. Dispersion, besonders nach Süd- bzw. Nord- Material?) osten. Es gab erste Ansiedlungen an der 2. Abklärung der Fragen: Thaya, die über die March erreicht wurde, – wo sind die Biber erwünscht? Schottergruben und kleinere Bäche im Wein- – wo werden die Biber toleriert? viertel wurden angenommen. Bemerkens- – wo sollen sie nicht zuwandern? wert ist, daß die Biber die Großstadt Wien – wo müssen sie vertrieben (gefan- durchquerten und umrundeten und so ihren gen) werden? Siedlungsraum rund 50 km donau-abwärts (Auf Kartierung s. o. zurückgreifen, erweiterten (bis Krems!) bzw. in den Wiener- Schäden detailliert aufnehmen und wald einwanderten (über den Wienfluß und bewerten.) Verfasserin den Liesingbach). 3. Aufklärung der betroffenen Bevölkerung, Johanna Sieber Es kam immer häufiger zu Ansiedlungen in Anbieten von Hilfe bei Anwendung be- Konrad Lorenz-Institut den von Menschen genutzten Gebieten und währter Methoden zur Schadenminimie- für Vergleichende Verhaltensforschung damit zu ersten Konfliktsituationen mit Land- rung der Österreichischen und Forstwirtschaft (Vernässungsschäden 4. Lebendfang und Versetzen Akademie der Wissenschaften durch Anstau, Fraßschäden in Mais- und Rü- (sogenannte „Problemtiere“ möglichst Savoyenstraße 1a benfeldern, Untergrabungen von Uferwegen familienweise fangen, in neuen Wieder- A–1160 Wien 80 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Rundtischgespräch zum Thema Wiederansiedlungen

Ausgehend von der ethischen Verantwor- – die Aussterbeursachen gisch begründete Programme zu entwickeln, tung der Gesellschaft zur Wahrung des Na- – für eine Minimalpopulation ausreichend den Sinn und Wert dieser Projekte für jeder- turerbes (Teil des nationalen Kulturgutes s.l.) große und intakte Lebensräume durch mann einleuchtend zu begründen und Ziel sind Wiederansiedlungen ein sinnvoller Be- ökologische und toxikologische Areal- sowie Konsequenzen zu definieren. Hierbei standteil von Artenschutzkonzepten. Ihre analyse erscheint es sinnvoll, Pädagogen und Journa- Praktizierung ist jedoch von Art zu Art zu prü- – die Einnischungseffekte auf die Biozöno- listen in die Werbung für die Projekte und de- fen. Aufgabe der Wissenschaft ist hierbei die se ren Umsetzung einzubinden. Ausgereifte Entwicklung ökologisch begründeter Kon- – und Wirkungen auf Naturhaushalt, Konzepte sind über die Verbände in die brei- zepte, möglichst auf mindestens nationaler Landnutzung und Öffentlichkeit (Kon- te Öffentlichkeit vor Ort zu tragen. Diese Ebene, mitunter auch regional untersetzt. fliktfelder) Aufgabe ist ihr wichtigster Beitrag. Hierfür wird eine Unterscheidung von ver- exakt ermittelt und als tragbar definiert wur- Mit erfolgter Wiederansiedlung dürfen die schollenen (ausgerotteten oder ausgestorbe- den. Projekte nicht als abgeschlossen behandelt nen) und bestandsgefährdeten Arten emp- Bei der Entwicklung von Wiederansiedlungs- werden, sondern sind möglichst zehn Jahre fohlen. Besonders vor dem Hintergrund der konzepten für die einzelnen Arten sind so- von Projektträgern und Wissenschaftlern un- Finanzierung sind Prioritäten für Arten zu set- wohl zoogeographisch-populationsgeneti- ter Erfolgskontrolle zu halten. Wissenschaft- zen, die international als extrem vom Aus- sche wie auch biozönotische (ökologische) liche Begleitprogramme sollten die Überwa- sterben bedroht eingestuft werden, wie z. B. Konsequenzen auszuleuchten. Wiederan- chung der Bestandsentwicklung der Grün- für den Europäischen Nerz Mustela lutreola. siedlungen sollen die Biozönosen stabilisieren derpopulation (mittels Markierung), die Aus- Für ausgerottete Arten, für welche berechtig- bzw. deren Biodiversität erhöhen, d. h. um wirkungen auf die Biozönose, entstehende te Zweifel an einer erfolgreichen Wiederan- verlorene Arten wieder bereichern. Konfliktfelder sowie Meinungswandel und siedlung bestehen, – dies betrifft vor allem Ihre Einnischung in die Biozönose sollte aber Reaktionen der Öffentlichkeit beinhalten. die großen Carnivoren – erscheinen vorerst nicht dazu beitragen, andere Faunen- wie Die Diskussion zum Thema Wiederansiedlun- ideell vorbereitende Programme sinnvoller Florenelemente aus der Biozönose zu ver- gen, über Ziel und Notwendigkeit oder Ver- als ein der Öffentlichkeit aufgezwungener drängen (z. B. Konkurrenz von Luchs und zicht, sollte zukünftig noch intensiver weiter- Aktionismus. Die langfristige Entwicklung Wildkatze; Uhu und Wanderfalke; negative geführt werden, um tragbare, gesellschaft- von Einwanderungskorridoren, z.B. für Fisch- Einflußnahme herbivorer Arten auf bestands- lich akzeptable, national wie international otter, Luchs, Wolf, Robben, Wildkatze, Elch gefährdete Pflanzenarten und Vegetations- mehr einheitliche Konzepte eines sinnvoll und Biber wird als ein wesentlich realistische- gesellschaften) oder unbeabsichtigte epide- und zweckmäßig in die Kulturlandschaft ein- res Ziel empfohlen. Hingegen erscheint für mische Einflüsse auf Mensch und Biozönose gepaßten Artenschutzes zu entwickeln. Kleinsäugetierarten eine Wiederansiedlung zu bewirken. innerhalb dieser Korridore unbedingt not- Eine der wesentlichen Voraussetzungen – das wendig, da diesen Arten eine vergleichbar zeigte die Vergangenheit – ist die Erzielung zusammengestellt: weittragende Expansionspotenz fehlt. Wie- gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz von Dr. Dietrich Heidecke deransiedlungen sind nur dann aussichtsreich Wiederansiedlungsprojekten. Aufgabe der Ahornweg 3 und sinnvoll, wenn Wissenschaft ist es, in Vorleistungen ökolo- D–06179 Bennstedt

MICHAEL SCHNEIDER Räuber-Beute-Systeme in heterogenen Lebensräumen – Zur Relevanz neuer theoretischer Konzepte in Landschaftsökologie und Naturschutz

Schlagwörter: Lebensräume, Räuber-Beute-Systeme, Landschaftsökologie, Fragmentierung, Prädation

1. Heterogenität Heterogenität geprägt sind. Solche Hetero- fen, ihr Aussehen verändert und die natürli- genitäten können die unterschiedlichsten Ni- chen Lebensräume von Pflanzen und Tieren in der Natur veaus ökologischer Organisation beeinflus- beeinflußt. Man hat allerdings erst vor recht In der Vergangenheit tendierten ökologische sen, vom Verhalten des Individuums über die kurzer Zeit angefangen, die Auswirkungen Studien – sowohl solche empirischer als auch Dynamik von Populationen bis hin zur Struk- der Fragmentierung von Habitaten auf Indi- solche theoretischer Natur – dazu, Populatio- tur und Funktion von ganzen Lebensgemein- viduen, Populationen und Lebensgemein- nen von Pflanzen und Tieren so zu betrach- schaften (MAY u. SOUTHWOOD 1990). schaften zu untersuchen (SCHNEIDER 1992). ten, als ob sie in einer homogenen Welt leb- Das Vorhandensein räumlicher Heterogenität Empirische wie theoretische Untersuchungen ten. Heutzutage wird es allerdings immer of- hat nicht nur natürliche Ursachen. Seit den machen klar, daß eine lokale Lebensgemein- fensichtlicher, daß viele Arten Lebensräume Anfängen der Landwirtschaft hat der schaft nicht mehr länger isoliert vom Mosaik bewohnen, die von räumlicher und zeitlicher Mensch formend in Landschaften eingegrif- der umgebenden Landschaft betrachtet wer- MICHAEL SCHNEIDER: RÄUBER-BEUTE-SYSTEME IN HETEROGENEN LEBENSRÄUMEN 81

den kann (ZONNEVELD u. FORMAN 1990). daß vorhandene und relevante ökologische ROUGHGARDEN et al. 1989, WISSEL 1989, Für den Naturschutz ist es hier auch wichtig, Theorie aus verschiedenen Gründen (darge- YODZIS 1989), sind es nur zwei Konzepte die Konsequenzen von Fragmentierungen stellt z. B. von KAREIVA 1989 und HENLE mit Bezug zum Faktor Raum, die breiten Ein- auf Ökosysteme zu beachten und sich nicht 1994) bei der Entscheidungsfindung oft nicht gang in den Naturschutz gefunden haben. nur auf biogeographische Aspekte zu be- beachtet oder unkritisch und stereotyp ver- Traditionell ist dies die Inselökologie (‘theory schränken (HOBBS 1993). Außerdem ist es wendet wird (HENLE 1994, POETHKE u. of island biogeography’, MACARTHUR u. notwendig, neben den abiotischen Faktoren WISSEL 1994). Es scheinen eher traditionelle WILSON 1967), und wiederentdeckte Über- auch Veränderungen in biotischen Interaktio- Annahmen und Konventionen den Weg zu legungen zur Dynamik von Metapopulatio- nen zu untersuchen (OKSANEN u. SCHNEI- weisen (BRÖRING u. WIEGLEB 1990), an- nen (LEVINS 1969, GYLLENBERG u. HANSKI DER 1995). statt, wie im englischen Sprachraum, stärker 1992, HANSKI u. GYLLENBERG 1993). Einen mechanistische Vorgehensweisen mit der Ba- guten Überblick über die Bedeutung und An- 2. Landschaftsökologie, sis in ökologischer Theorie einzusetzen, um wendung von ökologischer Theorie im Na- Lösungsvorschläge basierend auf theoreti- turschutz geben POETHKE u. WISSEL (1994) Naturschutz und schen Modellen zu erarbeiten (SCHNEIDER und HENLE (1994). ökologische Theorie 1992). Um den Einfluß von Veränderungen in der 3. Räuber-Beute-Systeme Landschaftsökologie, die Wissenschaft, die Umwelt auf verschiedene Arten vorhersagen sich mit dem Studium von Landschaften, zu können, ist es wichtig, die verschiedenen Dem Einfluß von räumlicher Heterogenität räumlichen Mustern und ihrer Entstehung Mechanismen zu kennen, die natürliche Sy- auf einzelne Arten und auf Interaktionen in- auseinandersetzt (URBAN et al. 1987), ist steme regulieren. Allgemeine Ideen darüber, nerhalb von einzelnen Trophieebenen ist in eine recht junge Disziplin in der internationa- wie unterschiedliche Prozesse in der Natur der Ökologie breiter Raum gewidmet wor- len ökologischen Forschung (vgl. FORMAN zusammenwirken, sind bei der Planung von den (für Literaturübersichten siehe z. B. u. GODRON 1981, 1986, FORMAN 1983). Untersuchungen hilfreich. Dabei ist es wich- BRIGHT 1993 und ANDRÉN 1994). Ganz an- Sie hat ihre Anfänge in den stark vom Men- tig, solche Ideen in Modellen, z. B. in mathe- ders sieht es aus, betrachtet man das Zusam- schen überformten Lebensräumen Mitteleu- matischer oder graphischer Form, darzustel- menspiel von Arten auf unterschiedlichen ropas und in Untersuchungen zur Bekämp- len, um testbare Vorhersagen treffen zu kön- trophischen Ebenen. Trotz einer ganzen Rei- fung von Nagetieren in der Sowjetunion zwi- nen. Generelle Modelle sind oft von einem he von exzellenten Untersuchungen über schen den Weltkriegen (WIENS u. MILNE System auf andere übertragbar und können Räuber-Beute-Systeme (z. B. MECH 1966, 1989, SCHREIBER 1990, HANSSON 1995, dabei helfen, realistische Antworten auf Na- KRUUK 1972, SCHALLER 1972) fanden LIDICKER 1995). turschutzfragen zu finden (OKSANEN u. große räumliche Skalen kaum Beachtung. Die klassische Art von Landschaftsökologie, SCHNEIDER 1995). Wie WIENS (1995) fest- Die Effekte von Prozessen auf Landschaftsni- wie sie in Mitteleuropa betrieben wird, ist stellte, wird man sich ohne guten und ange- veau wurden bis vor kurzem weitgehend ig- stark mit Naturschutzgesichtspunkten ver- paßten theoretischen Unterbau schwer tun, noriert (aber vgl. HANSSON 1977, PULLIAI- knüpft und aus diesem Grunde eine recht an- zu verstehen, wie der mosaikartige Charakter NEN 1981, ANGELSTAM et al. 1984, 1985, gewandte Disziplin (SCHNEIDER 1992). von Landschaften ökologische Phänomene LINDSTRÖM 1989, DONCASTER u. KREBS Trotz der nahen Verbindung mit der Ökolo- beeinflußt. Trotz einer großen Diversität an 1993, BISSONETTE u. BROEKHUIZEN 1995), gie ist es gerade im Naturschutz offenbar, theoretischen Modellen in der Ökologie (vgl. und dies obwohl der Faktor Raum offensicht- lich auch bei karnivoren Säugetieren eine wichtige Rolle spielt. Beispiele dafür sind die saisonalen Vertikalwanderungen vom Schneeleoparden (Panthera uncia) im Hima- laya (SCHALLER 1977) und vom Wolf (Canis lupus) in den Rocky Mountains (THOMP- SON 1952), die ihren jeweiligen Beutetieren folgen. Die resultierende Konzentration von Beutetieren auf einer kleineren Fläche im Winter sollte in eine erhöhte Prädationsrate münden. Allerdings scheinen Untersuchun- gen hierzu nicht besonders zahlreich zu sein. Ein weiteres Beispiel ist die räumliche Organi- sation von Weißwedelhirschen, die sich in den Pufferzonen zwischen Wolfsrevieren in Nordamerika konzentrieren (LEWIS u. MUR- RAY 1993). Sollten die Wölfe ihre Ressourcen in den zentralen Teilen ihres Revieres er- schöpfen, dann stehen die Hirschbestände in den Pufferzonen als Alternative zur Verfü- gung, auch wenn dabei das Risiko innerartli- cher wölfischer Agression stark ansteigt (TAYLOR u. PEKINS 1991). Im Krüger-Natio- nalpark Südafrikas beeinflussen Löwen (Panthera leo) unterschiedliche Huftierarten unterschiedlich stark, je nachdem, ob eine Art stationär ist oder saisonale Wanderungen macht (MILLS u. SHENK 1992). Hier be- Abb. 2 stimmt also die räumliche Verteilung einer Abb. 1 Zwei Situationen mit unterschiedlichen Folgen. Beuteart im Jahreslauf die Stärke der Prädati- Die fiktive Landschaft des Modells, bestehend A: der Habitatpatch ist größer als der individuelle on durch die Großkatzen. Als abschließendes aus Habitatflecken (= Patches), dem Lebensraum Lebensraum der Räuber und beherbergt so eine der Räuber mit einer hohen Beutetierdichte, ganze Räuberpopulation. Beispiel seien Luchse (Lynx lynx) im Berner welche eingebettet sind in eine räuber- B: jeder Räuber nutzt mehrere, kleine Oberland in den Alpen angeführt. Diese nut- unfreundliche Matrix mit wenig Beute. Habitatpatches in seinem Lebensraum. zen offenbar Streifgebiete, die in kleinere Ge- 82 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

biete aufgespalten sind, welche durch Wech- sel perlschnurartig verbunden werden (I. HUCHT-CIORGA, mündl. Mitt.).

4. Neue Modelle mit landschaftsökologischer Relevanz

Im folgenden wird versucht, einige theoreti- sche Konzepte mit landschaftsökologischer Anknüpfung allgemeinverständlich vorzustel- len und dabei anzuregen, die vorhandenen nützlichen Ideen aufzugreifen und mittels konkreter Fragestellungen zu formulieren, die dann in der Praxis getestet und mit deren Hil- fe Naturschutzkonzepte auf eine breitere theoretische Basis gestellt werden können. Der Beitrag konzentriert sich darauf, wie die Dynamik von Räuber-Beute-Systemen (hier Carnivor-Herbivor-Beziehungen) auf Land- schaftsniveau mit Fragen des Natur- und spe- Abb. 5 ziell des Artenschutzes korreliert werden kann Ein einzelner Räuber nutzt mehrere Patches Abb. 3 – unter weitgehender Bezugnahme auf die Ar- nacheinander. Beim Wechseln von einem Patch zum nächsten werden auch diejenigen Beutetiere Schwache Individuen werden aus dem beit von OKSANEN u. SCHNEIDER (1995). Habitatpatch gedrängt und müssen in der Matrix gefressen, die in der Matrix entdeckt werden. leben, wo sie die wenigen dort vorkommenden Auch dies ist ein Fall von überschwappender Beutetiere jagen. Dieses wird als 4.1 Veränderung von Prädation. ‘überschwappende Prädation’ bezeichnet (spill- Lebensräumen over predation). Durch anthropogene Einflußnahme werden die Lebensräume von Arten bzw. Populatio- ches (d. h. Lebensraumtyp 1) größer oder nen einer Art fragmentiert. Die Anzahl und kleiner sind als das Streifgebiet (= home die Größe der verbliebenen Lebensraumfrag- range) eines einzelnen Räubers. Zu unter- mente wird oftmals noch weiter verringert, scheiden ist also zwischen einer Situation, wo was unter anderem dazu führt, daß die Ab- ein Habitatpatch eine ganze Räuberpopulati- stände zwischen den Fragmenten zunehmen. on beherbergt (Abb. 2 A) (OKSANEN 1990, Der Mensch verändert die Verteilung von OKSANEN et al. 1995), und einer zweiten Si- Beutetieren, wie er auch die Produktivität tuation, wo ein einzelner Räuber mehrere einzelner Habitatpatches steigern kann. Auf Habitatpatches braucht, um zu überleben der anderen Seite kann auch die Qualität sol- (Abb. 2 B) (OKSANEN et al. 1992). cher Patches nachlassen und die Bedeutung von Randeffekten kann zunehmen (vgl. auch 4.3.1 Situation 1: viele Räuber ANDRÉN 1994). All diese Veränderungen in einem Patch beeinflussen die Interaktionen von Räubern Hier betrachtet man passenderweise Model- und ihrer Beute in einer gegebenen Land- le zur Habitatwahl der Räuber. Bei drei oder schaft und spielen eine Rolle bei der Dynamik noch mehr Habitattypen unterschiedlicher der einzelnen Populationen. Qualität, die gleichzeitig in einem Gebiet vor- Im Beitrag werden Modelle vorgestellt, die kommen und den Räubern zur Verfügung beschreiben, was passiert, wenn der Lebens- stehen, werden diese Modelle recht schnell raum von Räuber und Beute zerstückelt wird. ziemlich kompliziert. In dem in Abb. 1 vorge- stellten Fall von Habitatpatches gleicher 4.2 Das grundlegende Modell Qualität in einer Matrix können die Räuber Man stelle sich eine Landschaft vor, die aus also nur zwischen zwei unterschiedlichen Le- zwei unterschiedlichen Lebensraumtypen bensraumtypen wählen. besteht und in der ein Räuber und die Beute- Gibt es intra- und interspezifische Agressi- tierarten A und B koexistieren (Abb. 1). Le- vität zwischen den Räubern, so spricht man bensraumtyp 1 ist das Habitat des Räubers. von despotischer Habitatwahl (‘ideal despo- Es besteht aus distinkten Habitatflecken (= tic habitat choice’, FRETWELL 1972) (Abb. Patches) und beherbergt wegen seiner hohen 3). Hier werden schwache Individuen aus den Produktivität eine entsprechend hohe Dichte Patches gedrängt und müssen notgedrungen der Beute A. Die Habitatpatches sind einge- in der Matrix (d.h. Lebensraumtyp 2) leben. bettet in eine Matrix gebildet vom Lebens- Dort jagen sie die Beute B so lange, bis sie raumtyp 2. Wegen seiner geringen Produkti- verhungern oder abwandern. Auf diese Wei- vität und der damit niedrigen Beutetierdichte se beeinflußt die Räuberpopulation ein Ge- (hier Beute B) ist dieser Lebensraum ungeeig- biet, das normalerweise überhaupt nicht als net für den Räuber. Lebensraum der Räuber angesehen wird. Abb. 4 Dieser Vorgang des Überwanderns von Räu- Welcher Anteil der in der Matrix lebenden 4.3 Anpassungen bern wurde von Holt ‘spill-over predation’ Beutetiere überschwappender Prädation zum Ausgehend von dieser Situation behandeln genannt (HOLT 1984), frei übersetzt etwa Opfer fällt, hängt ab vom Verhältnis der Areale, die von den unterschiedlichen Lebensraumtypen nun verschiedene theoretische Modelle un- ‘überschwappende Prädation’. eingenommen werden. Weitere Erläuterungen terschiedliche Fallbeispiele. Dabei ist es zuerst Die Beutepopulation in der Matrix wird siehe Text. einmal wichtig zu wissen, ob die Habitatpat- natürlich beeinflußt. Wie stark diese Beein- MICHAEL SCHNEIDER: RÄUBER-BEUTE-SYSTEME IN HETEROGENEN LEBENSRÄUMEN 83

flussung ist, hängt ab vom Verhältnis der 4.3.1.2 wenig Habitat, viel Matrix Diese werden natürlich auch konsumiert. Auf Flächen, die von Habitat und Matrix einge- (Abb. 4 B) diese Weise kommt es auch hier zu über- nommen werden. In diesem Fall ist die totale Beutepopulation schwappender Prädation. Die Beinflussung in der Matrix groß. Gleichzeitig müssen aber der Beute B sollte umso größer sein, je länger 4.3.1.1 Viel Habitat, wenig Matrix nur wenige Räuber von den Patches in die sich der Räuber in der Matrix aufhält. Je klei- (Abb. 4 A) Matrix einwandern. Folglich ist der Einfluß ner die einzelnen Patches sind, desto öfter In diesem Fall sind die Beutetierpopulationen der Räuber nur gering. muß der Räuber von einem in den nächsten in der Matrix klein, und gleichzeitig schwap- wechseln und desto öfter befindet er sich in pen viele Räuber über. Die Konsequenz da- 4.3.2 Situation 2: ein Räuber nutzt der Matrix. Je weiter die Patches auseinander von ist eine starke Beeinflussung der Beute in mehrere Habitatpatches und liegen, desto länger wird der Weg zwischen der Matrix. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wechselt zwischen diesen hin ihnen und desto länger dauert die Reise des wenn bei isolierten Matrixfragmenten die und her Räubers. Einwanderungsquote auf Seiten der Beute Hier trifft die Theorie des optimalen Nah- Die Dauer der Reise zwischen den Patches gering ist. Wie bei allen Randeffekten hat rungserwerbs (‘optimal foraging theory’, hat auch einen großen Einfluß auf die Beute natürlich die Geometrie der Fragmente eine STEPHENS u. KREBS 1986), und insbesonde- A, die in den Patches lebt. Nach Charnovs große Bedeutung, denn auch hier wird vor al- re Ideen über die Auswahl der Patches Grenzwerttheorem (‘marginal value theo- lem die Zone der Matrix beeinflußt, die den (‘patch choice’), Vorhersagen darüber, wie rem’, CHARNOV 1976) bestimmt die Reise- Habitatpatches am nächsten liegt. Der relati- sich ein Räuber in seinem Streifgebiet verhal- dauer zwischen den Patches, wie lange der ve Einfluß der Räuber ist umso größer, je ten sollte, um seine Jagd zu optimieren (Abb. Räuber einen Fleck ausbeuten sollte, bevor er größer der Anteil an der Gesamtfläche ist, der 5). Auf seinem Weg zwischen den Patches, zum nächsten aufbricht. Wie schon erwähnt von der Randzone in einem Fragment einge- wo der Räuber die Beute A jagt, kann er ge- ist die Reisedauer wiederum abhängig vom nommen wird. legentlich auf Individuen der Beute B treffen. Abstand zwischen den Patches, welcher sich, z. B. durch anthropogene Einflußnahme (Ro- dung von Feldgehölzen, Zuschütten von Tümpeln oder ähnliches), ändern kann. Die Abbildung 6 stellt die vier unterschiedli- chen Situationen A bis D dar. Von A über B und C nach D verringert sich die Anzahl der Patches im System im Laufe der Zeit. Je we- niger Patches vorhanden sind, desto länger wird die Reise zwischen ihnen, und desto we- niger Räuber haben Platz im System (wenn man annimmt, daß jeder Räuber eine gewis- se Anzahl von Patches braucht). Je länger die Dauer der Reise zwischen den Patches ist, de- sto länger bleibt der Räuber in jedem Patch. Dies bedeutet, daß die Beutepopulation in je- dem Patch stärker ausgebeutet wird (aufge- fressene und ausgewanderte Beutetiere) und somit ein niedrigeres Niveau erreicht, wenn der Räuber schließlich weiterzieht. Gleichzei- tig hat aber auch die Beutepopulation in je- dem Patch länger Zeit, sich durch Reproduk- tion und Einwanderung zu erholen. Somit ist die Dichte der Beute höher, wenn der Räuber schließlich wieder in diesem Patch ankommt. Aus einem größeren Abstand zwischen den Patches resultieren also stärkere Schwankun- gen in der Beutetierdichte, die vom Räuber verursacht werden. Ab einer gewissen unte- ren Grenze der Patchanzahl stirbt die Räu- berpopulation aus. Da die Räuber jetzt kei- nen regulierenden Einfluß mehr auf ihre Beu- te ausüben (vgl. GRELLMANN u. SCHNEI- DER 1991), paßt sich deren Dichte jetzt der von den Ressourcen bestimmten Tragfähig- keit des Habitats an. Fluktuationen in der Po- pulationsdichte sind jetzt rein stochastische Schwankungen oder auf eine Übernutzung der Ressourcen zurückzuführen. 5. Implikationen für den Naturschutz 5.1 Die Anwendung in der Praxis Abb. 6 In der Praxis sollten selbstverständlich die Im Laufe der Zeit (A B C D) nimmt die Anzahl der Patches in einem Gebiet immer weiter ab. obengenannten Modelle nicht die alleinige Daraus resultieren ein immer größerer Abstand zwischen den einzelnen Patches und eine immer kleiner werdende Räuberpopulation. Je länger ein Räuber zwischen zwei Patches unterwegs ist, umso länger Grundlage bei der Entscheidungsfindung im bleibt er in jedem einzelnen von ihnen. Daraus ergibt sich eine immer geringere Besuchsfrequenz und Naturschutz sein, da sie nur einen kleinen Teil eine immer stärkere Ausbeutung bei jedem Besuch, was zu immer stärkeren Schwankungen in der eines gegebenen Systems beschreiben. Beutedichte führt. Ab einer gewissen unteren Grenze der Patchanzahl sterben die Räuber aus (Fall D). Trotzdem muß klar sein, daß in vielen Fällen 84 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

eine Nichtbeachtung von räumlicher Struktur Zeitweise ist deren Dichte sehr gering, und lich in weiten Teilen ihres Streifgebietes keine und von Interaktionen zwischen den Arten kleine Populationen haben eine relativ ho- Beute mehr und konzentrieren ihre Aktivität das angestrebte Schutzziel in Frage stellen he Aussterbewahrscheinlichkeit. Gleichzeitig jetzt auch um die Fütterungen. Dort treffen kann. Insbesondere muß hierbei immer wie- befindet sich der Räuber lange in der Matrix sie sehr oft auf Beute, und die Prädationsrate der betont werden, daß Schutzgebiete nicht und kann somit die Beute dort auch stark be- steigt entsprechend an. Der Einfluß von Räu- isoliert von der umgebenden Landschaft be- einflussen. bern auf ihre Beute kann sehr stark an sol- trachtet werden können. 5.1.2 Szenario 2: chen Stellen sein. Luchse in Schweden z. B. Ausgehend von den aufgezeigten theoreti- Das Schutzziel ist die Erhaltung eines Räubers scheinen an Winterfütterungen Rehe viel schen Überlegungen muß die erste Frage bei 5.1.2.1 Eine Räuberpopulation bewohnt stärker zu jagen als im Sommer (eig. Beob.), der Umsetzung in der Praxis sein: welcher Art einen großen Habitatpatch in Finnland Weißwedelhirsche (I. HÄKKINEN, ist das Ziel der Schutzbemühungen – ein Ist der Habitatpatch sehr groß, dann findet pers. Mitt.), in der Schweiz wiederum Rehe Konsument (hier: Räuber) oder eine potenti- eine große Räuberpopulation Platz darin, de- (HALLER u. BREITENMOSER 1986, BREI- elle Ressource (hier: Beute)? Außerdem müs- ren Aussterbewahrscheinlichkeit gering ist. TENMOSER u. HALLER 1993) und in Öster- sen natürlich viele andere ökologische Cha- Ist eine Matrix vorhanden, können überzäh- reich Rothirsche (Cervus elaphus) (GOSSOW rakteristika der Arten Eingang in die Schutz- lige Räuber auswandern, eine Übernutzung u. HONSIG-ERLENBURG 1986. Eine ähnliche konzeption finden. Handelt es sich um Spe- der Beute wird verhindert und das ganze Sy- Situation ergibt sich durch die Art und Weise, zialisten oder Generalisten in Bezug auf Le- stem wird stabilisiert. Allerdings darf die wie Rentiere (Rangifer tarandus) in Schwe- bensraum und Nahrungsspektrum? Welches Qualität der Matrix nicht allzu gering sein, den überwintern. Die rentierzüchtenden Sa- sind die lokomotorischen Fähigkeiten, wie sonst ist die Auswanderungstendenz der men halten große Herden freilaufender Ren- sieht die normale Raumausnutzung der Arten Räuber zu niedrig. Eine Matrix von akzepta- tiere in relativ kleinen Gebieten, wo die Tiere aus? Insbesondere die räumliche Dimensio- bler Qualität läßt Räuber eine gewisse Zeit einfacher zu kontrollieren sind und wo sie nierung der Schutzkonzeption muß den An- überleben. Diese haben dann unter Umstän- auch zugefüttert werden (eig. Beob.). Die sprüchen und Fähigkeiten der Zielarten an- den die Chance, wieder in den Habitatpatch Verluste durch Luchs, Wolf und Vielfraß gepaßt werden. Im Planungsstadium kann es zurückzuwandern und freigewordene Terri- (Gulo gulo) können hier sehr groß sein bei einer vorgegebenen Gesamtgröße eines torien zu besetzen. Somit wird sich die Popu- (BJÄRVALL et al. 1990). Schutzgebietes etwa die Möglichkeit geben, lationsdichte der Räuber im Patch im Laufe Solch große Verluste durch Carnivoren verur- viele kleine Areale zu schützen, oder aber ein der Zeit nicht sehr stark verändern. sachen meist Konflikte zwischen den Räu- einziges, großes Gebiet als Reservat auszu- 5.1.2.2 Ein Räuber nutzt mehrere Patches bern und den Besitzern oder Jägern der Huf- weisen. Je nach Artenpool kann dabei die be- in seinem Territorium tiere. Oftmals werden Stimmen laut, die eine ste Lösung von Fall zu Fall verschieden sein. Eine große Anzahl von Patches sichert eine Dezimierung der Räuberpopulationen for- 5.1.1 Szenario 1: große Räuberpopulation. Liegen die Patches dern. Allerdings sind die Populationen der Das Schutzziel ist die Erhaltung von potenti- nahe zusammen, dann hat der Räuber keine Großcarnivoren in Europa heute ziemlich ellen Beutetieren sowohl in den Patches, in Schwierigkeiten (z. B. in Form von Straßen, klein und deshalb in ihrer Existenz bedroht denen der Räuber lebt, als auch in der Matrix Eisenbahnlinien oder ähnlichem) bei der (COUNCIL OF EUROPE 1989, BREITENMO- 5.1.1.1 Eine Räuberpopulation bewohnt Wanderung von einem Patch zum nächsten. SER u. BREITENMOSER-WÜRSTEN 1990, einen großen Habitatpatch Gleichzeitig wird die lokale Beutepopulation BERGSTRÖM et al. 1993, PROMBERGER u. (vgl. 4.3.1.) in jedem Patch nur wenig genutzt, eine Über- SCHRÖDER 1993). Deshalb stehen diese Ar- In diesem Fall ist das Vorhandensein einer nutzung und damit die Gefahr lokalen Aus- ten in vielen Ländern unter Schutz. Allerdings Matrix von Bedeutung. Gibt es eine Matrix, sterbens wird vermieden. Lokales Aussterben fallen Konflikte zwischen Ökologie und Öko- dann können überzählige Räuber aus dem der Beute würde die effektive Anzahl der Pat- nomie meist zuungunsten der Carnivoren Patch auswandern, wenn die Populations- ches im System vermindern, und weniger aus. Die Erkenntnisse, die mit Hilfe theoreti- dichte dort zu hoch wird. Dadurch kommt es Patches bedeuten weniger Lebensraum für scher Modelle in der Landschaftsökologie ge- zu einer Stabilisierung des Räuber-Beute-Sy- Räuber. Liegen die Patches weit auseinander, wonnen werden können, können dabei hel- stems, und eine starke Übernutzung der Beu- dann muß die Matrix von solcher Qualität fen, eine räumliche Aufteilung von Räuber- te im Patch wird somit vermieden. Allerdings sein, daß das Überleben des Räubers und Beutepopulationen zu finden, die die muß dabei die Fläche, die von der Matrix ein- während seiner Wanderungen gesichert ist Wahrscheinlichkeit von Verlusten minimiert genommen wird, groß genug sein, damit der (z.B. genug Beute, keine Bejagung von und gleichzeitig das Überleben der Räuber- Einfluß der einwandernden Räuber gering menschlicher Seite, wenige Verkehrswege populationen sichert. So sollten z. B. große bleibt und die dortige Beute nicht gefährdet usw.). Die Habitatpatches selbst müssen Rentierherden Skandinaviens in kleinere auf- wird. dann von so hoher Qualität sein, daß ein lo- gespalten werden, die von den Räubern we- 5.1.1.2 Ein Räuber nutzt mehrere kales Aussterben der dortigen Beute unwahr- niger leicht gefunden werden und deren Aus- Patches in seinem Territorium scheinlich ist und die Beute sich von dem beutung schwieriger ist. Die Winterfütterung (vgl. 4.3.2) niedrigen Niveau, auf das sie der Räuber bei von jagdbaren Huftieren und die damit ver- Hier sollten die einzelnen Habitatpatches seinen Besuchen drückt, schnell wieder erho- bundene Konzentration von Beutetieren soll- entweder möglichst nahe beieinander liegen, len kann. te vermieden werden, um den Einfluß z. B. oder sehr weit voneinander entfernt sein. von Luchsen gering zu halten und damit auch Liegen die Patches sehr nahe zusammen, 5.2 Fallbeispiel: Großcarnivoren die Verärgerung der Jagdausübungsberech- dann ist die Reisedauer zwischen den Patches Einige spezielle Probleme, die Menschen mit tigten. für den Räuber gering. Aufgrund dessen wird Großcarnivoren haben (oder umgekehrt), die Beutepopulation in den einzelnen Patches können recht genau mit o.g. theoretischen 6. Schlußbemerkung bei jedem Besuch des Räubers nur wenig aus- Modellen beschrieben werden. Mit Hilfe die- gebeutet, bevor dieser weiterzieht. Außer- ser Modelle sollten sich auch Lösungsansätze Der Faktor Raum spielt also eine bedeutende dem befindet sich der Räuber nur kurze Zeit für diese Probleme aufzeigen lassen. So wer- Rolle beim Zusammenspiel von Räuber und in der Matrix und hat somit nur wenig Gele- den in vielen Teilen der Welt Huftiere wäh- Beute. Je nach Aussehen des Habitates be- genheit, die dortige Beutepopulation zu be- rend ‘schlechter Zeiten’ gefüttert, um die einflußt der Räuber seine Beute in unter- einflussen. Liegen die Patches dagegen sehr Überlebensrate dieser populären Arten zu er- schiedlichem Maße, und die Struktur des Le- weit auseinander, dann stirbt die Räuberpo- höhen. Die Huftiere konzentrieren sich um bensraumes wiederum wird heutzutage in pulation aus und hat somit keinerlei Einfluß die Fütterungen und bauen dort hohe Popu- weiten Gebieten vom Menschen vorgege- mehr. Liegen die Patches weit, aber nicht lationsdichten auf, während die umliegenden ben. Anthropogene Lebensraumfragmentie- weit genug, auseinander, dann wird die Beu- Gebiete entvölkert werden. Die von diesen rung kann unerwartete sekundäre Folgen ha- te in den Patches sehr stark ausgebeutet. Arten abhängigen Carnivoren finden plötz- ben auf Grund unbekannter aber wichtiger MICHAEL SCHNEIDER: RÄUBER-BEUTE-SYSTEME IN HETEROGENEN LEBENSRÄUMEN 85

biotischer Interaktionen. Die Erhaltung der BRÖRING, U. u. WIEGLEB, G. 1990: Wissenschaftli- MILLS, M.G.L. u. SHENK, T.M. 1992: Prädator-prey cher Naturschutz oder ökologische Grundlagenfor- relationships: the impact of lion predation on wilde- räumlichen Struktur von Landschaften muß schung? -Natur und Landschaft 65: 283-292 beest and zebra populations. -Journal of Animal Ecolo- deshalb ein unumgänglicher Teil des Natur- CHARNOV, E.L. 1976: Optimal foraging, the marginal gy 61: 693-702 schutzes sein. value theorem. -Theoretical Population Biology 9: 129- OKSANEN, T. 1990: Exploitation ecosystems in 136 heterogeneous habitat complexes. -Evolutionary Eco- COUNCIL OF EUROPE 1989: Workshop on the situa- logy 4: 220-234 Dank tion and protection of the Brown bear (Ursus arctos) in OKSANEN, T. u. SCHNEIDER, M. 1995: The influence Europe. Environmental Encounter Series No. 6. Coun- of habitat heterogeneity on prädator-prey dynamics. Ich danke Tarja Oksanen für eine stimulieren- cil of Europe. -Strasbourg. -80 S. Landscape approaches in mammalian ecology and DONCASTER, C.P. u. KREBS, J.R. 1993: The wider conservation. Hrsg.: LIDICKER, W.Z.Jr. University of de Zusammenarbeit und die eingehende Dis- countryside - principles underlying the responses of Minnesota Press. -Minneapolis: 122-150 kussion ihrer Ideen. Doris Grellmann gab mammals to heterogeneous environments. -Mammal OKSANEN, T.; OKSANEN, L. u. GYLLENBERG, M. wertvolle Kommentare zu diesem Manu- Review 23: 113-120 1992: Exploitation ecosystems in heterogeneous habi- FORMAN, R.T.T. 1983: An ecology of the landscape. tat complexes II: Impact of small-scale heterogeneity skript. -BioScience 33: 535. on prädator-prey dynamics. -Evolutionary Ecology 6: FORMAN, R.T.T. u. GODRON, M. 1981: Patches and 383-398 structural components for a landscape ecology. -Bio- OKSANEN, T.; POWER, M. u. OKSANEN, L. 1995: 7. Summary Science 31: 733-740 Ideal free habitat selection and consumer-resource FORMAN, R.T.T. u. GODRON, M. 1986: Landscape dynamics. -American Naturalist 146: 565-585 Many species occur in habitats which are ecology. John Wiley and Sons. -New York. -620 S. POETHKE, H.J. u. WISSEL, C. 1994: Zur Bedeutung characterized by spatial heterogeneity. Aim- FRETWELL, S.D. 1972: Populations in a seasonal envi- von Theorie und mathematischen Modellen für den ronment. Princeton University Press. -Princeton, N.J. - Naturschutz. -Zeitschrift für Ökologie und Naturschutz ing at nature conservation, classical land- 217 S. 3: 131-137 scape ecology studies the impact of man- GOSSOW, H. u. HONSIG-ERLENBURG, P. 1986: Ma- PROMBERGER, C. u. SCHRÖDER, W. 1993: Wolves in made habitat fragmentation. Relevant ecolo- nagement problems with re-introduced lynx in Austria. Europe - status and perspectives. Wildbiologische Ge- gical theory is, however, often neglected in Cats of the world: biology, conservation and manage- sellschaft München. -München. -136 S. ment. Hrsg.: MILLER, S.D. u. EVERETT, D.D. National PULLIAINEN, E. 1981: Winter habitat selection, home this process. Wildlife Federation. -Washington D.C.: 77-83 range, and movements of the pine marten (Martes Spatial heterogeneity has ecological conse- GRELLMANN, D. u. SCHNEIDER, M. 1992: Konkur- martes) in a Finnish Lapland forest. -Worldwide Fur- quences on the individual, population, and renz und Prädation in natürlichen Systemen: die Theo- bearer Conference Proceedings 2: 1 068-1 087 rie der Ausbeutungs-Ökosysteme (Theory of Exploita- ROUGHGARDEN, J.; MAY, R.M. u. LEVIN, S.A. 1989: community level. A local system of interac- tion Ecosystems). -Verhandlungen der Gesellschaft für Perspectives in ecological theory. 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Oxford University Umeå University Alps. -Journal of Wildlife Management 57: 135-144 Press. -Oxford: 1-22 S–901 87 Umeå BRIGHT, P.W. 1993: Habitat fragmentation - problems MECH, L.D. 1966: The wolves of Isle Royale. Fauna of and predictions for British mammals. -Mammal Review the National Parks of the United States Fauna Series 7. Schweden 23: 101-111 National Park Service. -Washington. -210 S. E-mail: [email protected] 86 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

JÜRGEN GORETZKI Interessenkonflikt Rotfuchs Schlagwörter: Bestandessituation Rotfuchs, Meinungsvielfalt, Artenschutz und -vielfalt, Management

1. Problemstellung terung, Beutegreifer und Krankheiten beein- 3. Der Interessenkonflikt flußt und limitiert werden (LINDSTRÖM Rotfuchs Die ökologische Rolle des Fuchses im Un- 1989, MACDONALD 1981). Unter den öko- gleichgewicht der mitteleuropäischen Kultur- logischen Bedingungen mitteleuropäischer Der drastischen Bestandeszunahme der landschaften wird von verschiedenen Inter- Kulturlandschaften scheiden Witterung und Fuchspopulationen und den dementspre- essengruppen außerordentlich differenziert Beutegreifer als Einflußgrößen auf Fuchspo- chend möglichen ökosystemaren Auswirkun- bewertet. Lange Zeit stand ausschließlich die pulationen weitestgehend aus. Als Ernäh- gen steht eine beachtenswerte Meinungs- Bekämpfung der Tollwut im Mittelpunkt der rungsgeneralist nutzt der Rotfuchs die Nah- vielfalt gegenüber. Betrachtung und Behandlung dieser Tierart. rung nach ihrer jeweiligen Verfügbarkeit, auf Eine Auswahl von Positionen, in denen sich Wissenschaftliche Ansätze zur Klärung popu- ein bestimmtes Beutespektrum muß nicht die Standpunkte verschiedener Interessen- lationsökologischer Phänomene des perma- zurückgegriffen werden. Dementsprechend gruppen widerspiegeln, sei nachfolgend wer- nenten Populationsanstieges sowie der Not- können Fuchspopulationen in Kulturland- tungsfrei zitiert: wendigkeit und Machbarkeit eines Fuchsma- schaften sowie suburbanen und urbanen Le- Der Deutsche Tierschutzbund stellt 1992 an nagements waren demgegenüber völlig un- bensräumen unabhängig von der Dichte und den Bundeslandwirtschaftsminister den An- terrepräsentiert und entsprachen keinesfalls Dynamik potentieller Beutetiere existieren, trag, den Fuchs nicht mehr zu bejagen. Die den jeweiligen Erfordernissen. Gemessen am da die Zivilisation und eine hochentwickelte Tötung eines Beutegreifers ist ein Verstoß ge- bisherigen bedeutenden Mitteleinsatz zur Landnutzung „Ersatznahrung“ für Füchse gen das Tierschutzgesetz, da es sich um eine Bekämpfung der Fuchstollwut in Deutsch- im Überfluß verfügbar machen. Verunfallte Tötung ohne jeden vernünftigen Grund han- land (CLAUS 1993) kann von der dringend Tiere entlang der Verkehrswege, Gescheide delt. „Eine Bejagung von Beutegreifern ist ... erforderlichen begleitenden Fuchsforschung von erlegtem Wild, Abfälle, Müll, Wander- ökologisch nicht notwendig. Das Räuber- Beu- auch heute noch nicht gesprochen werden. ratten, Kadaver verwilderter Haustauben te-Gleichgewicht stellt sich noch selbst ein.“ Die Beurteilung eines möglichen Einflusses u.v.a.m. stellen ein bedeutendes und keines- FROMMHOLD (1995) in „Naturschutz heu- des Kulturfolgers und Ernährungsgenerali- falls populationslimitierendes Nahrungsre- te“: „Überhandnehmen können Fuchspopula- sten Fuchs auf sein Beutespektrum wurde servoir für den Rotfuchs dar. Ist die Landnut- tionen ohnehin nicht – soziale Faktoren sorgen lange Zeit infolge Fehlens ausreichend fun- zung durch den Menschen einerseits für die dafür, daß Reinecke jährlich nur soviel Nach- dierter wissenschaftlicher Erkenntnisse stark Eutrophierung der Landschaften und damit wuchs bekommt, wie sein Lebensraum vertra- emotional überlagert und häufig von ökolo- für die andauernde Verbesserung der Nah- gen kann.“ gischem Wunschdenken geprägt vorgenom- rungsgrundlage des Rotfuchses verantwort- Waldbauprofessor BURSCHEL (1993) in men und widerspiegelte größtenteils unter- lich, so bedingt sie andererseits einen bedeu- „Forst und Holz“: „Fuchs, Du sollst die Mäuse schiedlich motivierte Gruppeninteressen. tenden negativen Einfluß auf Fuchspopula- fressen!... Der Fuchs lebt ganz überwiegend von Demgegenüber ist gegenwärtig festzustel- tionen. Unabhängig von der natürlichen Mäusen, Regenwürmern, Insekten, Obst, ande- len, daß inzwischen vorliegende Erkenntnis- Mortalität, Krankheiten und jagdlichen ren Vegetabilien, Aas. Die Reihenfolge gibt die se, die den Einfluß des Fuchses auf bodenbe- Maßnahmen bewirken z. B. Verkehr, Ver- Bedeutung als Nahrungskomponente an.“ wohnende Arten, insbesondere auf Arten mit bauung, Technikeinsatz in der Landschaft Die Einstellung der Bejagung des Fuchses hohem Gefährdungsgrad, belegen, von eini- und unsachgemäße Pestizidanwendung an- wird gefordert. gen Autoren nicht zur Kenntnis genommen dauernde Verluste in Fuchspopulationen. Es SCHNEIDER (1992), maßgeblich an der Ent- oder aufgrund ungenügender Literatur- ist daher davon auszugehen, daß die perma- wicklung des Verfahrens der oralen Immuni- kenntnisse nicht berücksichtigt werden. nent in ihrer sozialen und territorialen Struk- sierung von Füchsen gegen Tollwut in tur gestörten Fuchspopulationen mit opti- Deutschland beteiligt: „Die Tollwut ist jedoch 2. Zur gegenwärtigen malen Ernährungsbedingungen Mechanis- keineswegs ein Populationsregulativ für Füch- men der Selbstregulation nur temporär und se... Der Impferfolg wird jedoch von gewissen Bestandessituation lokal entwickeln. Mit hoher Wahrscheinlich- Kreisen für eine Zunahme der Fuchspopulation des Fuchses keit reproduzieren daher die Fuchspopulatio- und damit für die Verbreitung des kleinen nen in Mitteleuropa gegenwärtig überwie- Fuchsbandwurms, ... , verantwortlich gemacht. Seit Anfang der siebziger Jahre sind in gend an der Obergrenze des genetisch fi- Die in der Jagdpresse zitierten Angaben sind ir- Deutschland die Fuchspopulationen aus re- xierten Reproduktionspotentials der Art. Der reführend, falsch und unethisch und haben zu gional unterschiedlichen Gründen auf über geringe Anteil nicht an der Fortpflanzung einer Verunsicherung der Jägerschaft und der 300 % angestiegen. Die Entwicklung der beteiligter Fähen unterstreicht diesen Sach- Öffentlichkeit geführt.“ Jagdstrecken und neue populations-ökologi- verhalt (ANSORGE 1990). RÜHE (1992), Universität Göttingen: „Erfolg sche Untersuchungen am Rotfuchs (GO- Infolge dessen können die durch Krankheiten auf die dringliche Reduzierung der vom Fuchs- RETZKI et al. 1997) belegen diesen Sachver- (Tollwut, Räude), Landnutzung (insbesonde- bandwurm ausgehenden Gefährdung läßt das halt nachdrücklich. re Verkehr) und stärkere jagdliche Eingriffe sofortige Einstellen der Tollwutimpfungen von Der Opportunist Rotfuchs findet in den heu- bedingten Verluste in Fuchspopulationen Füchsen erwarten. Die Tollwut dürfte dann in- tigen Kulturlandschaften Mitteleuropas opti- außerordentlich schnell relativiert werden. nerhalb kurzer Zeit die Populationsdichte der male Lebensbedingungen und ist flächen- Zur Bestandessituation des Rotfuchses ist un- Füchse senken...“ deckend bis in Ballungsgebiete und Stadt- ter Beachtung der Entwicklung der Jagd- PRESSE-INFO des Naturschutzbundes kerne von Großstädten verbreitet. Fuchspo- strecke in Deutschland festzustellen, daß vi- (NABU) Nordrhein-Westfalen: „Es könnte pulationen können in naturnahen und gering tale Fuchspopulationen flächendeckend und sein, daß durch die Tollwutbekämpfung der anthropogen beeinflußten Lebensräumen mit bisher nicht erreichten Individuenzahlen Teufel durch den Beelzebub ausgetrieben wur- durch das Nahrungsangebot, intraspezifi- in unseren Kulturlandschaften vorhanden de. Das Risiko, an Tollwut zu erkranken, ist für sche soziale und territoriale Strukturen, Wit- sind. Menschen als geringer zu veranschlagen, als die JÜRGEN GORETZKI: INTERESSENKONFLIKT ROTFUCHS 87

Infektion durch Fuchsbandwürmer. Zudem läßt brüterschutzgebieten des Binnenlandes spektrum und ihre ökologische Rolle im Un- sich der Tollwutvirus auch nach der Infektion (BLOCK et al. 1993, ESCHHOLZ 1996, RYS- gleichgewicht unserer Kulturlandschaften ist noch bekämpfen, bei Fuchsbandwurmerregern LAVY 1994) gegenüber, in denen derzeit nicht in der Redaktion einer Naturschutzzeit- gelingt das nicht.“ durch zunehmende und belegbare Beute- schrift auf dem unhaltbaren Niveau von GUTHÖRL u. KALCHREUTER (1995): greifereinflüsse die Schutzziele weitestge- FROMMHOLD (1995), gleichfalls nicht in ei- „Während die Hasenpopulationen auf verrin- hend relativiert werden. Unverständlich ist in nem Bundesamt für Naturschutz (BOYE gerte Fuchsdichten stets sofort positiv reagier- diesem Zusammenhang der auch derzeit im- 1996), aber auch keineswegs am Jäger- ten, fand sich in der Literatur keine Dokumen- mer wieder angemeldete Forschungsbedarf stammtisch festlegbar. Die Einnischung von tation einer ähnlichen Reaktion auf Jagdver- zur direkten und augenscheinlichen Klärung Opportunisten in die derzeit verfügbaren Le- zicht, ....“ des Feindeinflusses von Füchsen auf gefähr- bensräume erfolgt unabhängig von den BOYE (1996) will zur Situation des Feldhasen dete Arten. Mit einiger Sicherheit können wir Wunschvorstellungen des Menschen in Ab- in Deutschland eine „wissenschaftliche Lage- für den Erhalt die letzten Großtrappen, Birk- hängigkeit von den ökologischen Rahmen- beurteilung“ vornehmen: „Die intensive land- hühner, Alpenstrandläufer und vieler weite- bedingungen durch die jeweilige Art selbst. wirtschaftliche Flächennutzung, Straßenverkehr rer Arten weit mehr tun, als mittels Infrarot- Dringend geboten ist eine Versachlichung und möglicherweise die Jagd und durch sie ver- kamera den „endgültigen“ Beweis zu erbrin- der Diskussion auf der Grundlage zu erarbei- stärkte ökologische Störeffekte haben Einfluß gen, daß sie auch tatsächlich und direkt durch tender fundierter und verallgemeinerungs- auf die Bestandesentwicklung (des Hasen), Prä- den Fuchs erbeutet werden. fähiger wissenschaftlicher Erkenntnisse in datoren dagegen nicht.“ Wissenschaftliche Experimente an Restpopu- Verbindung mit der ebenso dringend not- lationen gefährdeter Arten zur Klärung von wendigen Abkehr von ideologisierten Denk- 4. Konfliktlösung? Räuber-Beute-Beziehungen dürften auf- und Handlungsansätzen. grund des vorhandenen Kenntnisstandes we- Effizienter Artenschutz, artenschutzrelevan- Die Vielfalt der Meinungen zur ökologischen der den aktuellen Erfordernissen im Arten- ter Vertragsnaturschutz, die Entwicklung von Rolle des Fuchses in unseren Kulturland- schutz noch dem sich aus der Populations- langfristigen Strategien der Tierseuchen- schaften ist außerordentlich groß und kon- entwicklung einiger opportunistischer Beute- bekämpfung sowie die Erarbeitung und Er- trovers. Mindestens ebenso beeindruckend greifer ergebenden Handlungsbedarf ent- probung von Management-Konzepten auch wie das Phänomen Fuchs selbst sind einige sprechen. Darüber hinaus sind sie sowohl für Opportunisten sind ohne grundlegend Positionen hinsichtlich ihrer Entfernung zu moralisch als auch ökonomisch suspekt. verbesserte Kenntnisse zur Populationsöko- seriösen, wissenschaftlich untersetzten Be- Insbesondere durch den anhaltenden drasti- logie bestimmter Beutegreifer nicht mehr wertungsgrund- und Lösungsansätzen. Die schen Anstieg der Fuchspopulationen in realisierbar. Für die Umsetzung ziel- und leit- generelle Infragestellung der Beeinflußbar- Deutschland seit Mitte der 80er Jahre hat sich artenorientierter Landnutzungsstrategien ist keit bestimmter Beutetierpopulationen durch die Situation in jüngster Zeit dramatisch zu- die Schaffung qualitativer und quantitativer Prädatoren dokumentiert mangelnde aktuel- gespitzt. Ein nachhaltiger Einfluß weiterer Grundlagen zur ökologischen Bewertung von le Literaturkenntnisse (z. B. BEAUCHAMP et Prädatoren wie Steinmarder, Marderhund, „Problemarten“ unverzichtbar. Hier sind die al. 1996, LINDSTRÖM et al. 1994, MARC- Waschbär, Hauskatze und Rabenvögel auf für die Forschung bei Bund und Ländern Ver- STRÖM et al. 1988, SOVADA et al. 1995) bodenbewohnende Arten mit hohem Ge- antwortlichen gefragt und in die Pflicht zu oder trotz vorhandener Kenntnisse die feh- fährdungsgrad ist wahrscheinlich, wird aber nehmen, da die Förderschwerpunkte nicht im lende Bereitschaft, Positionen zu ändern und infolge fehlender wissenschaftlicher Erkennt- geringsten den diesbezüglich vorhandenen Standpunkte zu korrigieren. Diesem Sachver- nisse zur Populationsentwicklung ebenfalls Defiziten entsprechen. Das Land Branden- halt stehen die Alarmsignale aus den Seevo- stark kontrovers und emotional überlagert burg hat zwar einen Managementplan für gelschutzgebieten an unseren Küsten (DIER- diskutiert. Wölfe, die eigentlich noch gar nicht da sind, SCHKE et al. 1995) sowie aus den Wiesen- Der Einfluß von Beutegreifern auf ihr Beute- und das „Problem“ Wolf hat im Umweltmi- nisterium höchste Priorität, ähnlich wie in Niedersachsen die eventuell im Harz zu be- gründende Luchspopulation. Wie wir aber in unseren vom Menschen in hohen Populati- onsdichten besiedelten und intensiv genutz- ten Kultur- und Erholungslandschaften mit dem Fuchs und anderen mehr oder weniger große Probleme verursachenden Arten um- zugehen haben, wissen wir nicht. Das bereits über ein Jahr in Arbeit befindliche Positions- papier des NABU zum Rotfuchs , das im Er- gebnis der Diskussion um die „Position“ von FROMMHOLD (1995) in Angriff genommen wurde, ist ein beredtes Zeugnis für den „In- teressenkonflikt“ und dokumentiert bisher in beeindruckender Weise die große Entfer- nung zu den aktuellen Erfordernissen und zum derzeitigen Wissensstand. Gegenwärtig dürfte eine deutliche Verringe- rung des Prädatorendruckes auf in ihrem Be- stand bedrohte bodenbewohnende Arten gegenüber dem notwendigen langfristigen Abb. 1 Rückbau der Kulturlandschaften kurz- und Fuchsstrecken in Deutschland mittelfristig das „Machbare“ im Artenschutz Seit dem Anfang der siebziger Jahre sind die Fuchsstrecken in Deutschland von weniger als 200 000 auf sein und hochaktuellen Erfordernissen ent- fast 700 000 angestiegen. Hohes Anpassungsvermögen, beachtliche Reproduktionsleistungen von 5 bis sprechen! Die Untersuchungen von GO- 6 Welpen pro Wurf, die Eutrophierung der Kulturlandschaften, verringerter Jagddruck und RETZKI u. PAUSTIAN (1982), SIEFKE (1993) Tollwutfreiheit sind die Ursachen dafür. Der Streckenabfall in den Jahren 1990 und 1991 in der DDR entspricht nicht der Entwicklung der und STUBBE (1974) belegen weit über dem Fuchspopulation, sondern hat seinen Grund in den veränderten jagdlichen Rahmenbedingungen nach Durchschnitt liegende jagdliche Eingriffs- der Wende. möglichkeiten in Fuchspopulationen. Sollte 88 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

eine nachhaltige Minderung des Prädatoren- tenschutz durch extensive Landwirtschaft im Rahmen SWENSON, J. E. 1994: Disease reveals the prädator: des Schutzprojektes „Großtrappe“. -Natur und Land- Sarcoptic mange, red fox predation, and prey popula- druckes auf Arten mit hohem Gefährdungs- schaft 68 (11): 565-575 tions. -Ecology 75(4):1 042-1 049 grad nicht gelingen, ist zu befürchten, daß BOYE, P. 1996: Ist der Feldhase in Deutschland ge- MACDONALD, D. W. 1981: Resource dispersion and zukünftig bestimmte Bastionen des Arten- fährdet? -Natur und Landschaft 71 (4): 167-174 the social organization of the red fox (Vulpes vulpes). schutzes aufgegeben werden müssen und BURSCHEL, P. 1993: Fuchs, Du sollst die Mäuse fres- -Proc. Worldwide Furbearer Conf. 1(2): 918-949 sen. -Forst und Holz 48 (2): 45-46 MARCSTRÖM, V.; KENWARD, R. E. and ENGREN, E. die gegenwärtige Artenvielfalt nicht mehr er- CLAUS, D. 1993: Gemeinsame Mittel und Einsätze der 1988: The impact of predation on boreal tetraonids halten werden kann. Es bleibt zu hoffen, daß Bundesländer. -Vortrag, 8. Round Table: „Tollwut- during vole cycles: an experimental study. -Journal of die Vision von artenarmen und opportuni- bekämpfung durch orale Immunisierung des Fuchses Animal Ecology 57: 859-872 gegen die Tollwut in der Bundesrepublik Deutsch- NABU, Landesverband Nordrhein-Westfalen 1992: stendominierten Kulturlandschaften in ab- land“, Frankfurt (Oder), 16. u. 17. September 1993 Warnung an Waldbeerensammler. -Presse-Info 64 sehbarer Zeit nicht zur Realität wird! DEUTSCHER TIERSCHUTZBUND 1992: Schreiben an RÜHE, F. 1992: Immunisierung, nur ein Flop? -Unsere den Bundeslandwirtschaftsminister. Jagd 7:12-13 DIERSCHKE, V.; HELBIG, A. J.; BARTH, R. 1995: Or- RYSLAVY, T. 1994: Zur Bestandessituation ausgewähl- 5. Summary nithologischer Jahresbericht 1994 für Hiddensee und ter Vogelarten in Brandenburg. Jahresbericht 1993. - Umgebung. -Ber. Vogelw. Hiddensee 12: 41-96 Natursch. u. Landschaftspflege i. Brand. 3: 4-13 Since the beginnig of the 70ies the fox popu- ESCHHOLZ, N. 1996: Großtrappen (Otis t. tarda L., SCHNEIDER, L. G. 1992: Orale Tollwutimpfungen 1758) in den Belziger Landschaftswiesen. -Natursch. u. beim Fuchs und der kleine Fuchsbandwurm (E.m.). - lation in Germany has increased to more than Landschaftspflege i. Brand. 5 (1/2): 37-40 Tierärztl. Umschau 47: 809-812 300 %. A high predation on rare species is FROMMHOLD, D. 1995: Feindbild Fuchs. -Natur- SIEFKE, A. 1993: Füchse ohne Ende? -Wild und Hund known. The ecological role of the red fox in schutz heute 2: 40 96 (25): 76-79 GORETZKI, J. u. PAUSTIAN, K.-H. 1982: Zur Biologie SOVADA, M. A.; SARGEANT, A. B. and GRIER, J. W. culture landscapes is estimated in different des Rotfuchses Vulpes vulpes (L., 1758) in einem land- 1995: Differential effects of coyotes and red foxes on ways. A comprehensive discussion on fox wirtschaftlich genutzten Gebiet. -Beitr. zur Jagd- und duck nest success. -J. Wildl. Manage. 59(1):1-9 problems is neccessary. At this time we really Wildforschung 12: 96-107 STUBBE, M. 1974: Zur Populationsbiologie des Rot- have to minimice the fox population in Ger- GORETZKI, J.; AHRENS, M.; STUBBE, C.; TOTTEWITZ, fuchses, Vulpes vulpes.-II.-Beitr. zur Jagd- und Wild- F., GLEICH, E. u. SPARING, H. 1997: Zur Ökologie des forschung 8: 385-395 many. Rotfuchses auf der Insel Rügen: Ergebnisse der Jung- fuchsmarkierung. -Beitr. zur Jagd- und Wildforschung 22: 187-199 Literatur UTHÖRL, V. u. KALCHREUTER, H. 1995: Zum Einfluß ANSORGE, H. 1990: Daten zur Fortpflanzungsbiologie des Fuchses auf das Vorkommen des Feldhasen. -Feld- Verfasser und zur Reproduktionsstrategie des Rotfuchses, Vul- studie und Literaturauswertung im Auftrag des Rhein- Dr. Jürgen Goretzki pes vulpes, in der Oberlausitz. -Säugetierk. Inf. 3 (14): land-Pfälzischen Ministeriums für Landwirtschaft, Bundesforschungsanstalt 185-199 Weinbau und Forsten. -188 S. BEAUCHAMP, W.D.; NUDDS, T. D. and CLARK, R. G. LINDSTRÖM, E. 1989: Food limitation and social re- für Forst- und Holzwirtschaft 1996: Duck nest success declines with and without gulation in a red fox population. -Holarctic Ecol. 12: Institut für Forstökologie und Walderfassung prädator management. -J. Wildl. Manage. 60 (2): 258- 70-79 Fachgebiet Wildtierökologie und Jagd LINDSTRÖM, E. R.; ANDRÉN, H.; ANGELSTAM, P.; 264 Alfred-Möller-Straße 1 BLOCK, B.; BLOCK, P.; JASCHKE, W.; LITZBARSKI, B.; CEDERLUND, G.; HÖRNFELDT, B.; JÄDERBERG, L.; LITZBARSKI, H. u. PETRICK, S. 1993: Komplexer Ar- LEMNELL, P.-A.; MARTINSSON, B.; SKÖLD, K. and D–16225 Eberswalde

Untersuchungen zur in der Naturschutzstation Zippelsförde des Bei der Umsetzung des Projektes konnte auf Landesumweltamtes Brandenburg eine ge- langjährige praktische Erfahrungen der Na- Lebensraumgestaltung und naue Dokumentation der Todesursachen und turschutzstation Zippelsförde, z. B. auf den Biotopvernetzung für den Fundpunkte geführt wird, konnten in die Un- erfolgreichen Bau etlicher Trockenröhren und Fischotter tersuchungen einbezogen werden. Dabei die Schaffung zahlreicher otterfreundlicher – ein Projekt des Naturschutzbundes wurden bisher 76 der kontrollierten Stellen Durchlässe und Brücken zurückgegriffen Deutschland (NABU) als für den Otter gefährlich erkannt und Lö- werden. sungsvorschläge zur Abhilfe erarbeitet. Die Durchführung des Projektes wurde erst Der Südosten Brandenburgs, der Landkreis Da die Untersuchungen noch nicht abge- mithilfe finanzieller Förderung durch das Mi- Spree-Neiße, ist ein Unfallschwerpunkt im schlossen sind, wird sich die Anzahl der er- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Land. Obwohl die Ursachen dafür weitge- kannten Gefahrenpunkte sicher noch er- Raumordnung des Landes Brandenburg, hend bekannt sind - wie z. B. viele Gefah- höhen. Damit entsteht für das untersuchte durch weitere finanzielle Unterstützung renstellen durch unzureichend gestaltete Territorium, den Landkreis Spree-Neiße, eine durch den Landkreis Spree-Neiße, die Ge- Kreuzungsbauwerke, gehäuft Straßen- ausgezeichnete und bisher einmalige Grund- meinde Kolkwitz und das Brandenburgische führungen, die Otterlebensräume zerschnei- lage zur flächendeckenden Gefahrenmini- Straßenbauamt Cottbus möglich. Der Land- den, großflächige zerstörerische Eingriffe in mierung. Die Realisierung ist z. B. als Aus- kreis unterstützte das Vorhaben auch tatkräf- den Biotopverbund als eine der Folgen des gleichsmaßnahme bei Straßenerneuerungen tig bei der Überwindung der wenigen großen Bergbaus und noch hohe Siedlungsdichte des und -neubauten und durch gezielte Einfluß- und zahlreichen kleinen Probleme. Die Peit- Otters - fehlen bisher Detailkenntnisse. Die- nahmen bei anderen flächenverbrauchenden zer Edelfisch GmbH stand dem Vorhaben se sind jedoch notwendige Voraussetzung, Planungsvorhaben denkbar. Auch direkte aufgeschlossen gegenüber. um Gefahrenstellen abzubauen und Tierver- Projekte zur Entschärfung solcher Gefahren- Ein erfolgreicher Abschluß des Projektes wird luste zukünftig zu minimieren. punkte, wie im Teil zwei des vorliegenden dazu beitragen, die Bestandssituation des An diesen Überlegungen setzt das Projekt Projektes, sind möglich. Dabei wird die Ge- Fischotters in Nordostdeutschland zu festi- des Naturschutzbundes Deutschland, das aus fahrenstelle, an der die B 115 das Glinziger gen. Stabile Bestände in Brandenburg lassen zwei Teilen besteht, an. Teichgebiet bei Kolkwitz quert, durch den Reproduktionsüberschüsse erhoffen. Diese Im Zuge der laufenden wildbiologischen Un- Bau von zwei in Kürze fertiggestellten könnten dazu beitragen, westlich angrenzen- tersuchungen der ersten Teils wurden bisher Trockenröhren und die Schaffung von Struk- de Gebiete wiederzubesiedeln. fast 200 potentielle Gefahrenstellen geprüft turen unterhalb der Brücke am Koselmühlen- und umfassend bewertet. Die bisher in die- fließ, kombiniert mit teilweiser Zäunung, hof- sem Bereich verunglückten Tiere, von denen fentlich nicht mehr auftreten. Dr. D. Dolch NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 89

UDO STIEBLING Der Rotfuchs, Vulpes vulpes (L., 1758), im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin – Erste Ergebnisse zur Populationsdichtebestimmung und Nahrungsökologie unter dem Aspekt des Artenschutzes

Schlagwörter: Rotfuchs (Vulpes vulpes), Populationsdichte, Nahrungsspektrum, Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin

1. Einleitung sphärenreservates Schorfheide-Chorin. Auf- baue mit 2,5 multipliziert und somit die Po- grund des Oberflächenreliefs und der Land- pulationsdichte bestimmt, wobei der Wert Mit dem Beginn der flächendeckend durch- nutzung überwiegen auf der mit 90% vor- 2,5 den Prozentsatz nichtträchtiger Fähen geführten oralen Immunisierung der Füchse wiegend landwirtschaftlich genutzten Fläche einschließt (STUBBE 1989). gegen die Tollwut in den neuen Bundeslän- die Bereiche der mit großflächig von Struk- Zur Ermittlung des Nahrungsspektrums wur- dern kam es in den Impfgebieten zu einem turelementen ausgeräumten Grundmorä- de die Analyse von 113 Mageninhalten Rückgang der Tollwutinzidenz bis hin zum Er- nenplatte. Im Nord- und Südwesten des Un- durchgeführt. Es handelte sich dabei um Mä- löschen der Tollwutseuche (STÖHR et al. tersuchungsgebietes befinden sich reichlich gen der Füchse, die aufgrund der Nachunter- 1994, SCHLÜTER u. MÜLLER 1995). strukturierte Landschaftsbereiche mit Feld- suchungen zur Tollwutimmunisierung an das Gleichzeitig konnte durch den Wegfall der söllen, Feldgehölzen und Grenzhecken, wäh- Staatliche Veterinär- und Lebensmittelunter- Tollwut als ein wichtiger Regulationsfaktor rend sich im Südosten durch Melioration be- suchungsamt in Frankfurt (Oder) im Zeit- für die Fuchspopulationen und reduzierte Be- einflußtes Dauergrünland anschließt. raum vom 1.12.1994 bis zum 31.3.1995 ein- jagung ein starker Anstieg der Abundanz des Im Untersuchungsgebiet werden im Rahmen gesandt wurden. Fuchses nachgewiesen werden (GORETZKI eines Verbundprojektes des Ministeriums für Die Determination der Nahrungsbestandteile 1995a, b; 1998). Bildung, Wissenschaft, Forschung und Tech- erfolgte über eine Vergleichssammlung und Die Zunahme der Fuchsbesätze führte in den nologie (BMBF-DBU) seit 1994 bestandsge- Haarstrukturanalysen. Zur Auswertung der Großtrappenschongebieten und in den Wie- fährdete Vogelarten wie Kranich (Grus grus), Mageninhaltsanalysen wurde die Anzahl der senbrüterschutzgebieten des Landes Bran- Rebhuhn (Perdix perdix), Wachtel (Coturnix Fuchsmägen mit dem entsprechenden Nah- denburg zu einem gravierenden Eingriff des coturnix) und Grauammer (Emberiza caland- rungsbestandteil und seine Vorkommens- Fuchses auf bodenbrütende Vogelarten mit ra) zu populationsökologischen Untersu- häufigkeit in den Mägen (Frequenz [%]) er- einem hohen Gefährdungsgrad (BLOCK et al. chungen herangezogen. Bei den Siedlungs- mittelt. Darüber hinaus erfolgte die Erfassung 1993, RYSLAVY 1994, RYSLAVY et al. 1995). dichteuntersuchungen in Abhängigkeit von des quantitativen Anteils der Nahrungskom- Als besonders alarmierend erweist sich zur der Landnutzung wurde der Prädationsdruck ponenten in Anlehnung an die Studie von Zeit die geringe Nachwuchsrate bei den Wie- des Fuchses, der im Zusammenhang mit ANSORGE (1991). senbrütern, die primär auf Gelege- und Jung- landschaftsökologischen Bewertungsmaß- Das Nahrungsspektrum wurde durch die Be- vogelverluste durch Füchse zurückzuführen nahmen stets einkalkuliert werden muß, bis- stimmung der von November 1994 bis Juni ist (RYSLAVY 1994, RYSLAVY et al. 1995, her jedoch nicht berücksichtigt, so daß die 1995 in Baunähe aufgefundenen Nahrungs- LITZBARSKI et al. 1998). vorliegende Studie in diesem Gebiet begon- reste aus dem Untersuchungsgebiet ergänzt. Aufgrund der Prädation durch Füchse und nen wurde. andere Beutegreifer werden zunehmend Pro- Aufgrund des zu erwartenden geringen 4. Ergebnisse jekte des Bodenbrüterschutzes in Frage ge- Stichprobenumfanges bei den nahrungsöko- stellt und kostenintensive Maßnahmen des logischen Untersuchungen wurde das Unter- 4.1 Populationsdichtebestimmung Vertragsnaturschutzes relativiert (GORETZKI suchungsgebiet auf den ca. 1000 km2 großen Im Verlauf der Baukartierung wurden 143 1995a, LITZBARSKI 1998). Untersuchungsraum ausgedehnt. Er setzt sich Fuchs- und 34 Dachsbaue sowie 12 Baue, die Zur Zeit wird deshalb kontrovers diskutiert, aus den Territorien des Altkreises Angermün- von beiden Tierarten genutzt wurden, erfaßt ob, in welchem Umfang und mit welchen de und des Stadtkreises Schwedt zusammen. (Tab. 1). Von den insgesamt 189 Bauen wa- Methoden ein regulatorischer Eingriff in die Das gesamte Gebiet ist durch glaziale Ober- ren den Jägern 89 Baue (47%) bekannt. Fuchspopulation notwendig ist (GORETZKI flächenformen der Weichseleiszeit geprägt Bei 105 Fuchsbauen (1,7 Fuchsbaue/km2) 1998). und gehört den naturräumlichen Großeinhei- handelte es sich um befahrene Baue, von de- Aus diesem Problemfeld heraus wurden ten „Rückland der Mecklenburgischen Seen- nen 84% in der offenen Landschaft gefun- 1994 im Nordosten des Biosphärenreservates platte“ und „Odertal“ an (SCHOLZ 1962). den wurden. Schorfheide-Chorin Untersuchungen zur 24 Baue wurden im Mai als Wurfbaue erfaßt. Ökologie des Fuchses im Rahmen einer Di- 3. Methodik Das entspricht einer Baudichte von 0,3 Wurf- plomarbeit begonnen, um für künftige Studi- bauen/km2. en zur Ermittlung des Einflusses des Fuchses Von November 1994 bis März 1995 wurde Die Populationsdichtebestimmung anhand auf in ihrem Bestand gefährdete Tierarten er- unter Mitwirkung der Jägerschaft im gesam- der Wurfbaukartierung ergab im Untersu- ste Grundlagen zu schaffen (STIEBLING ten Untersuchungsgebiet eine Kartierung der chungsgebiet einen Frühjahrsbesatz von 0,72 1995). Fuchs- und Dachsbaue durchgeführt. Altfüchsen/km2. Anfang Mai 1995 erfolgte die Kontrolle der Unter Berücksichtigung eines angenomme- 2. Untersuchungsgebiet kartierten Baue und die Erfassung der Wurf- nen Zuwachses von 4 bis 6 Welpen/Wurf ist baue, die anhand der glattgewalzten Spiel- von einem Sommerbesatz von 2,48 bis 3,24 Beim Untersuchungsgebiet für die Populati- plätze der Welpen und umherliegender Beu- Füchsen/km2 auszugehen. onsdichtebestimmung handelt es sich um ei- tereste leicht zu erkennen sind (STUBBE nen 8 296 ha großen, für das nordostdeut- 1965). 4.2 Nahrungsökologie sche Tiefland repräsentativen Landschafts- Ausgehend von einem Geschlechterverhält- Eine Gesamtübersicht über die Vorkommens- ausschnitt in der Schutzzone 3 des Bio- nis von 1,5 : 1 wurde die Anzahl der Wurf- häufigkeit der einzelnen Nahrungsobjekte in 90 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

den Fuchsmägen (Frequenz) und den Anteil der Gesamtzahl der bestimmten Kleinsäuger. ten Vögel mit einer Frequenz von 17,7 % des jeweiligen Objektes an der insgesamt Mit 42,4 % nahm die Nahrungsgruppe Fall- und einem Biomasseanteil von 18,7 %, wo- aufgenommenen Biomasse der Fuchsnah- bzw. Unfallwild den größten Anteil an der bei das Haushuhn (Gallus gallus f. domesti- rung zeigt Tab. 2. Gesamtbiomasse der aufgenommenen ca) mit 12 % den Biomasseanteil der Wildvö- Kleinsäuger bildeten mit einer Frequenz von Fuchsnahrung ein. Hierbei handelte es sich gel um fast das Doppelte übertraf. 53,3 % die am häufigsten aufgenommene um Schwarzwild (Sus scrofa) mit 28,7 %, Der Anteil an Wirbellosen im Nahrungsspek- Nahrungsgruppe. Ihr Anteil an der Gesamt- Rehwild (Capreolus capreolus) mit 12 % und trum war mit einer Frequenz von 7,1 % nur biomasse ist mit 10,7 % jedoch nur gering. Rotwild (Cervus elaphus) mit 1,7 %. Mit sehr gering. Mit 46 % dominierten Vertreter der Gattung 22,1 % konnten die genannten Wildarten in In 31,9 % der untersuchten Fuchsmägen Microtus mit einem Biomasseanteil von 25 Mägen erfaßt werden. konnten Nahrungsbestandteile pflanzlichen 10,4%. Sie hatten einen Anteil von 87 % an An zweiter Stelle der animalischen Kost folg- Ursprungs ermittelt werden. Sie hatten mit weniger als 10 % nur einen geringen Anteil an der aufgenommenen Biomasse. Eine be- Tabelle 1: Anzahl der Baue und Baudichte im Untersuchungsgebiet sondere Bedeutung erlangten Früchte (Äpfel, Birnen, Hagebutten) mit einem Biomassean- Anzahl der Baue Anteil [%] Baudichte [Baue/km2] teil von 6,8 %. Neben tierischen und pflanzlichen Nahrungs- Baue (total) 189 100 2,3 komponenten konnten in 5 Fuchsmägen Fuchsbaue (total) 143 76 1,7 Fuchsbaue (befahren) 105 56 1,3 (4,4 %) auch Abfälle anthropogenen Ur- Fuchsbaue (nicht befahren) 38 27 0,5 sprungs (Foliestücke, Alufolie, Kunstdarm, Dachsbaue (total) 34 18 0,4 Leder) ermittelt werden. Dachsbaue (befahren) 24 13 0,3 In Tab. 3 sind die an den Fuchsbauen aufge- Dachsbaue (nicht befahren) 10 5 0,1 fundenen Nahrungsobjekte aufgeführt. Dachs-Fuchs-Baue 12 6 0,2 Mit einem Anteil von 55 % dominierten Vö- gel im Nahrungsspektrum, wobei die Reste von Haushühnern (Gallus gallus f. domesti- Tabelle 2: Nahrungsobjekte aus 113 analysierten Fuchsmägen ca) mit 15 % und Fasanen (Phasianus colchi- us) mit 10 % besonders häufig im Bereich der Nahrungsobjekte Durchschnittliche Anzahl der Frequenz Bio- Baue gefunden wurden. Biomasse des Nah- Mägen mit [%] masse Säugetiere hatten an der Gesamtzahl der rungsobjektes [g] Nahrungs- anteil Nahrungsreste einen Anteil von 45 %, wobei objekten [%] das Reh (Capreolus capreolus) mit 23 % do- Mammalia 79 70,0 66,7 minierte. Microtus arvalis 30 18 16,0 5,2 Microtus agrestis 30 2 1,8 0,2 5. Diskussion Microtus spec. 30 34 30,1 5,0 Microtus 52 46,0 10,4 5.1 Populationsdichtebestimmung Sorex araneus 7 2 1,8 0,2 Die zeitaufwendige Baukartierung während Apodemus spec. 25 2 1,8 0,1 der Wintermonate erwies sich als entschei- Micromys minutus 5 2 1,8 <0,1 dende Grundlage der Wurfbauerfassung, da „Kleinsäuger“ 54 53,3 10,7 Lepus europaeus 600 2 1,8 3,4 Vulpes vulpes 600 1 0,9 1,7 Cervus elaphus 600 1 0,9 1,7 Tabelle 3: Nahrungsobjekte Capreolus capreolus 600 7 6,2 12,0 im Bereich der Baue Sus scrofa 600 17 15,0 28,7 „Fall- bzw. Unfallwild“ 25 22,1 42,4 Nahrungsobjekte Individuen- Anteil Sus scrofa f. dom. 600 3 2,6 5,1 zahl [%] Oryctolagus cuniculus f. dom. 600 2 1,8 3,4 „Haustiere“ 5 4,4 8,5 Mammalia 28 45 Aves 20 17,7 18,7 Erinaceus europaeus 12 Podiceps cristatus 600 1 0,9 1,7 Lepus europaeus 58 Anas spec. 600 1 0,9 1,7 Cervus elaphus 12 Alauda arvensis 40 1 0,9 0,1 Capreolus capreolus Parus major 20 1 0,9 0,1 (adult/juvenil) 12/3 18/5 Passer spec. 25 3 2,6 0,2 Sus scrofa 23 Passer montanus 20 1 0,9 0,1 Vulpes vulpes (juv.) 1 2 Corvus spec. 400 3 2,6 2,7 Felis silvestris catus 23 Aves (Kleinvogel) indet. 25 1 0,9 0,1 Ovis ammon f. dom. 12 „Wildvögel“ 12 10,6 6,7 Aves 34 55 Gallus gallus f. dom. 600 8 7,1 12 Ardea cinerea 12 „Hausgeflügel“ 8 7,1 12 Anas platyrhynchos 23 Fleisch, Fett, Knochen- Buteo buteo 12 splitter indet. 10 bis 300 9 8,0 3,2 Perdix perdix 35 Annelida 1 0,9 <0,1 Phasianus colchicus 710 Lumbricus spec. 5 1 0,9 <0,1 Fulica atra 12 Insecta 7 6,2 1,2 Vanellus vanellus 12 Lepidoptera indet. Raupen 2 5 4,4 1,2 Tyto alba 12 Carabidae indet. 0,5 2 1,8 <0,1 Alauda arvensis 23 Vegetabilien 36 31,9 9,7 Sturnus vulgaris 23 Früchte, Knollen, Samen 26 23,0 7,4 Garrulus glandarius 12 Gras, Stroh 10 8,9 2,3 Corvus frugilegus 12 Abfälle 5 4,4 0,2 Gallus gallus f. dom. 10 15 Leere Mägen 15 13,3 Anser anser f. dom. 12 UDO STIEBLING: DER ROTFUCHS, VULPES VULPES (L., 1758), IM BIOSPHÄRENRESERVAT SCHORFHEIDE-CHORIN 91

allein mit dem Wissensstand der Jäger die Brut- und Aufzuchtzeit der Bodenbrüter er- standsgefährdeter Tierarten ihre Erbeutung Hälfte aller Würfe nicht registriert worden folgt. durch einen Ernährungsgeneralisten überpro- wäre. portional abnimmt und sich die Verluste auf Die vorliegenden Ergebnisse zeigen erneut 5.2 Nahrungsökologie zufällige Begegnungen beschränken, wird die den hohen Aufwand und die Schwierigkeiten Die Analyse der 113 Fuchsmägen aus dem Abnahme der Verluste jedoch teilweise oder bei der Bestimmung der Abundanz einer der Untersuchungsraum und die Determinierung vollständig durch die Zunahme des Arterhal- bekanntesten einheimischen Säugetierspe- der Nahrungsreste im Bereich der Baue des tungswertes der erbeuteten Individuen kom- cies innerhalb eines kurzen Untersuchungs- Untersuchungsgebietes ergab ein breites pensiert (HOLLDACK u. GERSS 1988). Mit zeitraumes. Diese Tatsache sollte besonders Nahrungsspektrum mit einem hohen Anteil der Zunahme der Populationsdichte des Prä- bei künftigen Entscheidungen über einen re- an leicht verfügbarer Nahrung. dators Fuchs erhöht sich jedoch die Begeg- gulatorischen Eingriff in die Fuchspopulatio- Mit einem Anteil von 53,3 % überwogen nungswahrscheinlichkeit mit dem Beutetier nen berücksichtigt werden, für die die derzei- Kleinsäuger, die in allen Nahrungsanalysen wieder, was derzeit aufgrund steigender tige und anzustrebende Fuchsdichte bekannt mitteleuropäischer Füchse ähnlich häufig Fuchsbesätze nach der oralen Tollwutimmuni- sein sollte. auftreten (z. B. WITT 1976, MATEJKA et. al. sierung zunehmend beobachtet werden kann. Eine Weiterführung der Untersuchungen zur 1977, CREUTZ 1978, KOZENA 1988, AN- Vervollständigung des Baukatasters ist eine SORGE 1991), wobei Arten der Gattung Danksagung grundlegende Voraussetzung für die Präzisie- Microtus stets bevorzugt werden. rung der Populationsdichtebestimmung und Von besonderer Bedeutung ist der hohe Bio- Bei den Betreuern meiner Diplomarbeit, zur Abschätzung des Prädationsdruckes, wo- masseanteil an Fall- und Unfallwild mit Herrn Dr. habil. R. Schneider, Humboldt-Uni- bei auch weitere Methoden der Abundanz- 42,4 %, was vermutlich auf die hohe Scha- versität zu Berlin, Projektgruppe Naturschutz bestimmung zu nutzen sind. lenwilddichte, den erhöhten Jagddruck und und Herrn Dr. J. Goretzki, Bundesforschungs- Mit einer Populationsdichte von 0,72 Alt- die erhöhten Unfallzahlen mit Schalenwild anstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Institut füchsen/km2 wurde im Untersuchungsgebiet zurückzuführen ist (STIEBLING 1995). für Forstökologie und Walderfassung Ebers- durch die Wurfbaukartierung ein Mindestbe- Die Nutzung von Aas als leicht verfügbare walde bedanke ich mich für den fachlichen satz an Altfüchsen im Frühjahr ermittelt, der Zusatznahrung wurde während der Winter- Beistand. mit dem langjährigen Durchschnitt von 0,6 monate auch von PROFT et al. (1975), LUTZ Ein weiterer Dank für die breitwillige Unter- bis 0,7 Füchsen/km2 in den 70er Jahren auf (1978) und ANSORGE (1991) ermittelt. stützung meiner Arbeit geht an Herrn Dr. H. dem Territorium der ehemaligen DDR ver- Die begonnenen Untersuchungen zum po- Ansorge, Naturkundemuseum Görlitz, die gleichbar ist (PAUSTIAN u. GORETZKI 1982). tentiellen Nahrungsangebot zeigten, daß die Leitung des Biosphärenreservates Schorfhei- Im Nordteil des Landkreises Garmisch-Par- Ernährungsbedingungen des Fuchses im Un- de-Chorin, die Mitarbeiter des Staatlichen tenkirchen mit einem vergleichbaren Wald- tersuchungsgebiet und im Untersuchungs- Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungs- anteil wurde nach der oralen Tollwutimmuni- raum offensichtlich keinen limitierenden Fak- amtes in Frankfurt (Oder) und des Veterinär- sierung bereits ein Frühjahrsbesatz von 1,77 tor für die Fuchspopulation darstellen (STIEB- und Lebensmittelüberwachungsamtes in An- Füchsen/km2 erfaßt (VOS 1993). Ähnlich LING 1995). germünde, die Untere Jagdbehörde des hoch lag der Frühjahrsbesatz im Bereich der WITT (1976) und ANSORGE (1991) stellten Landkreises Uckermark, die Oberförsterei Belziger Landschaftswiesen im Land Bran- ebenfalls fest, daß viele potentielle Nah- Neuhaus und die Jägerschaft Greiffenberg. denburg mit 1,6 bis 1,8 Füchsen/km2 (HART- rungsquellen wie Kleinsäuger und Wildvögel LEB 1995). Auf der Insel Rügen erfaßte GO- vom Fuchs nicht genutzt werden, was auf ein 6. Summary RETZKI (1995b) eine Fuchsdichte von 3,8 hohes Nahrungsangebot zurückzuführen ist Füchsen/km2. und dem Fuchs eine selektive Nahrungswahl A red fox population was investigated in an Es muß auch im Untersuchungsgebiet von ei- ermöglicht. agricultural area of about 8 296 ha in the ner weitaus höheren Populationsdichte aus- Der geringe Anteil an Feldhasen (Lepus euro- Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin from gegangen werden. Als Gründe hierfür sind zu paeus), Rebhühnern (Perdix perdix) und wei- November 1994 to Juli 1995. The study is a nennen: teren bodenbrütenden Vogelarten im ermit- first basis for further examinations to deter- – eine Dunkelziffer an übersehenen Bauen telten Nahrungsspektrum könnte auf den er- mine the possible negative influence of red während der Kartierung (ZIMEN 1982), sten Blick die Annahme von MATEJKA et. al. foxes on endangered animal species. – die Anlage von schwer auffindbaren (1977) bestätigen, daß der Fuchs keine spür- The minimum population density in spring Wurfbauen kurz vor dem Wölftermin baren Einflüsse auf die genannten Beutearten 1995 determined by breeding dens mapping (WEBER 1985), haben kann. Dabei ist jedoch zu berücksich- was 0,72 adult foxes/km2. – die Anlage von Wurfplätzen in Sied- tigen, daß sich die vorliegenden Magenin- 113 red foxes killed through hunting and ac- lungsbereichen (HARRIS 1977) und haltsanalysen auf das Winterhalbjahr bezie- cidents were collected in a larger territority of – die Nutzung oberirdischer Wurfplätze hen und die Funde an den Bauen nur einen the Uckermark during the winter period from (GORETZKI, persönl. Mitt.). Bruchteil des Nahrungsspektrums widerspie- November 1994 to March 1996. The stom- Darüber hinaus könnten aufgrund von terri- geln. ach contents of these red foxes and food re- torialen und sozialen Strukturen die Füchse Darüber hinaus ist die ökologische Bedeu- mains collected at dens in the study area im Untersuchungsgebiet in sozialen Gruppen tung des Fuchses aus dem ermittelten Nah- could be used for feeding ecological studies. leben (vgl. MACDONALD 1981). Dieses rungsspektrum generell nicht ableitbar, da es In the food of red foxes from agricultural area Phänomen ist jedoch über eine Wurfbaukar- keinen Aufschluß darüber gibt, ob das aufge- of the Uckermark small rodents were found tierung allein nicht erfaßbar und muß in wei- nommene Tier vom Fuchs selbst getötet oder in 53,3 % of samples, with a dominance of teren Untersuchungen geklärt werden. Ein als Aas aufgenommen wurde (WITT 1976). Microtus about 87 %. Carrion of deer, red Gruppenleben wäre Ausdruck einer sehr ho- Störungen durch die Anwesenheit des Präda- deer and wild boar had the biggest part of hen Populationsdichte und hätte einen zu- tors und während seiner Nahrungssuche, der biomass in the fox food with 42,2 %.The re- nehmenden Prädationsdruck auf die Popula- Gesundheitszustand der Beutetiere sowie In- sults of the study of food ecology show a tionen bestandsgefährdeter Tierarten im Un- dividuen, die getötet, jedoch nicht gefressen wide spektrum of food with a big part of tersuchungsgebiet zur Folge. werden, bleiben unberücksichtigt. easily avaiable food resources. Darüber hinaus ist der Populationsanstieg Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Tat- nach der Wölfperiode auf über 3 Füchse/km2 sache, daß bei Beutearten mit einer geringen Literatur und der damit verbundene erhöhte Nah- Populationsdichte bereits die Entnahme weni- ANSORGE, H. 1991: Die Ernährungsökologie des Rot- rungsbedarf aufgrund der Welpenaufzucht ger Individuen einen erheblichen Einfluß auf fuchses, Vulpes vulpes, in der Oberlausitz während des Winterhalbjahres. -Abh. Ber. Naturk. Mus. Görlitz 65 : gerade im Hinblick auf Artenschutzaspekte ihre Populationsentwicklung haben kann. 1-24 von Bedeutung, da er zum Zeitpunkt der Während mit der Abnahme der Abundanz be- BLOCK, B.; BLOCK, P.; JASCHKE, W.; LITZBARSKI, B.; 92 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

LITZBARSKI, H. u. PETRICK, S. 1993: Komplexer Ar- (Vulpes vulpes [L.]) im „Nationalpark Bayerischer Fuchsimpfung gegen Tollwut - Ergebnisse und Erfah- tenschutz durch extensive Landwirtschaft im Rahmen Wald“. -Z. Jagdwiss. 24: 1-9 rungen aus den ostdeutschen Bundesländern. - des Schutzprojektes „Großtrappe“. -Natur u. Land- MACDONALD, D. W. 1981: Resource dispersion and Tierärztl. Umschau 49(2): 203-211 schaft 68(11): 565-576 the social organization of the red fox (Vulpes vulpes). STUBBE, M. 1965: Zur Biologie der Raubtiere eines ab- CREUTZ, G. 1978: Zur Ernährung des Rotfuchses, Vul- -Proc. Worldwide Furbearer Conf. 1(2): 918-949 geschlossenen Waldgebietes. -Z. Jagdwiss. 11: 73-102 pes vulpes (L. 1758), in der DDR. -Zool. Garten N.F. MATEJKA, H.; RÖBEN, P. u. SCHRÖDER, E. 1977: Zur STUBBE, M. 1989: Fuchs Vulpes vulpes (L.). In: STUB- 48: 401-417 Ernährung des Rotfuchses, Vulpes vulpes (Linne, BE, H. (Hrsg.): Buch der Hege. Band 1, Haarwild. S.: GORETZKI, J. 1995a: Reineke - Opportunist und Ge- 1758), im offenen Kulturland. -Z. Säugetierk. 42: 347- 344-382. Dt. Landwirtschaftsverlag. -Berlin. -705 S. winner. -Unsere Jagd 45(2): 9-10 357 VOS, A. 1993: Aspekte der Dynamik einer Fuchspopu- GORETZKI, J. 1995b: Wechselwirkung zwischen Toll- PAUSTIAN, K.-H. u. GORETZKI, J. 1982: Maßnahmen lation nach dem Verschwinden der Tollwut. -Diss., wutbefall und Populationsdynamik beim Rotfuchs auf zur Bewirtschaftung des Fuchses in der DDR. -Beitr. Univ. München der Insel Rügen. -Statistischer Bericht über das Jagd- Jagd- u. Wildforsch. 12: 120-129 WEBER, D. 1985: Zur Baubenutzung und ihrer Funkti- wesen in Mecklenburg-Vorp. i. Jagdjahr 1994/1995 PROFT, G.; SCHÖNBORN, W. u. PITZSCHKE, H. on beim Fuchs (Vulpes vulpes L.). -Z. Säugetierk. 50: (3). Hrsg.: Min. f. Landw. u. Natursch. d. Landes Meck- 1975: Untersuchungen über die Nahrung des Rotfuch- 356-368 lenburg-Vorp.: 48-51 ses im Bezirk Gera. -Landschaftspfl. u. Natursch. in WITT, H. 1976: Untersuchungen zur Nahrungswahl GORETZKI 1998: Interessenkonflikt Fuchs. -Natursch. Thüringen 12: 50-56 von Füchsen (Vulpes vulpes Linne 1758) in Schleswig- u. Landschaftsplf. i. Brand. 1 (in diesem Heft) RYSLAVY, T. 1994: Zur Bestandssituation ausgewähl- Holstein. -Zool. Anz. Jena 197: 377-400 HARRIS, S. 1977: Distribution, habitat utilization and ter Vogelarten in Brandenburg - Jahresbericht 1993. - ZIMEN, E. 1982: Tollwut, Fuchs und Mensch. -Die age structure of a suburban fox (Vulpes vulpes) popu- Natursch. u. Landschaftspflege i. Brandenburg 3: 4-13 Pirsch 34(6), 34(7) u. 34(8): 352-357, 432-435 u. 516- lation. -Mammal Rev. 7: 25-39 RYSLAVY, T.; STEIN, A. u. ZERNING, M. 1995: Zur Be- 519 HARTLEB, K.-U. 1995: Zur Ökologie des Rotfuchses standssituation ausgewählter Vogelarten in Branden- Vulpes vulpes (L., 1758) im Landschaftsschutzgebiet burg - Jahresbericht 1994. -Natursch. u. Landschafts- „Belziger Landschaftswiesen“. -Dipl.-Arbeit, Martin- pflege in Brandenburg 4: 4-13 Luther-Univ. Halle-Wittenberg SCHLÜTER, H. u. MÜLLER, T. 1995: Tollwutbekämp- HOLLDACK, V. u. GERSS, W. 1988: Die Bedeutung fung in Deutschland. Ergebnisse und Schlußfolgerun- des Arterhaltungwertes (AEW) für die Bewertung der gen aus über 10jähriger Bekämpfung. -Tierärztl. Um- Predation. -Z. Jagdwiss. 34: 205-211 schau 50: 748-758 KOZENA, I. 1988: Diet of the red fox (Vulpes vulpes) SCHOLZ, E. 1962: Die naturräumliche Gliederung in agrocoenoses in Southern Moravia. -Acta Sc. Nat. Brandenburgs. Hrs.: Päd. Bezirkskabinett. -Potsd.: 1-93 Brno 22(7): 1-24 STIEBLING, U. 1995: Untersuchungen zur Ökologie Verfasser LITZBARSKI, H. 1998: Prädatorenmanagement als des Rotfuchses, Vulpes vulpes (L., 1758), in einem Dipl.-Biologe Udo Stiebling Artenschutzstrategie. -Natursch. u. Landschaftspfl. i. Ausschnitt der uckermärkischen Agrarlandschaft. - Brand. 1 (in diesem Heft) Dipl.-Arbeit, Humboldt-Univ. zu Berlin Bahnhofstraße 10 LUTZ, W. 1978: Beitrag zur Nahrung des Rotfuchses STÖHR, K.; STÖHR, P. u. MÜLLER, T. 1994: Orale D–16278 Wilmersdorf

HEINZ LITZBARSKI Prädatorenmanagement als Artenschutzstrategie

Schlagwörter: Bodenbrüter, Verluste, Jagdstrecken, NSG, Agrarlandschaft

1. Einleitung durch Prädatoren verursacht, vor allem durch die noch regelmäßig befruchtete Eier legen, den Fuchs, dessen Bestand in den zurücklie- erfolgreich brüten und auch wieder Küken Fuchs kontra Bodenbrüter, so läßt sich die genden 5 Jahren deutlich zugenommen hat. aufziehen. In beiden Gebieten begannen Thematik zugespitzt formulieren, auf die im Die folgenden Aussagen zur Problematik 1988 großflächige Extensivierungsmaßnah- folgenden näher eingegangen wird. „Fuchs und Bodenbrüterschutz in Branden- men auf insgesamt 1600 ha. Von 1990 bis Bei Projekten zum Schutz von Großtrappen burg“ beziehen sich nicht auf intensiv ge- 1995 wurden die Flächen mit extensiver Be- und wiesenbrütenden Limikolen sind gegen- nutzte Agrarlandschaften, in denen die Le- wirtschftung auf 4 441 ha ausgedehnt. Im wärtig hohe Verluste an Gelegen, Jung- und bensgrundlagen für Kiebitze, Große Brachvö- Rahmen des Schutzprojektes „Großtrappe“ teilweise auch Altvögeln zu beklagen. gel, Uferschnepfen, Rotschenkel und Groß- konnten damit die Lebensbedingungen für Das betrifft z.B. die Belziger Landschaftswie- trappen bereits vernichtet sind, sondern auf zahlreiche Wiesenbrüter verbessert werden sen (ESCHHOLZ 1996), die Feuchtgebiete an Gebiete, in denen der Lebensraum für diese (BLOCK et al. 1993)1. der Unteren Havel (HAASE briefl. 1996), die Arten seit Jahren mit hohem finanziellen Auf- Für die Großtrappen bedeutet das vor allem Laszinswiesen und Malxeniederung bei Cott- wand großflächig gesichert und restauriert eine Senkung der Gelegeverluste bei Land- bus (KRÜGER, LITZKOW mündl. 1996) und wird. wirtschaftsarbeiten von ehemals 60 bis 90 % das Havelländische Luch (LITZBARSKI et al. Es werden Informationen über die aktuelle Si- auf weniger als 10 %. Das wird in beiden Ein- 1996) tuation gegeben, als Grundlage für weiter- standsgebieten vor allem erreicht durch flexi- Diese Verluste sind mit Sicherheit nicht direkt führende Diskussionen und Entscheidungen bel gestaffelte Mahd- und Beweidungstermi- anthropogen bedingt. Die früher üblichen, in den zuständigen Ministerien, die zur Lö- ne, die konsequent die jährlich wechselnde verlustreichen Störungen durch Bewirtschaf- sung der Problematik dringend erforderlich Lage der Brutplätze und den Ablauf des Brut- tungsmaßnahmen zur Fortpflanzungszeit sind. geschehens berücksichtigen. Eine Vorausset- werden heute in diesen Gebieten im Rahmen zung dafür ist neben dem Vertragsnatur- des Vertragsnaturschutzes durch natur- 2. Zur Situation schutz eine sehr zeit- und personalaufwendi- schutzgerechte Nutzungstermine unterbun- ge Kontrolle der Brutgebiete von Mitte April den. ausgewählter bis Mitte Juli. Außerdem werden in diesen Gebieten die Vogelarten Im Einstandsgebiet „Havelländisches Luch“ Brutflächen extensiv so bewirtschaftet und hatte sich seit dem Beginn des Schutzprojek- 2.1 Großtrappe gepflegt, daß sich die Habitatstrukturen und das Nahrungsangebot für die bestandsgefähr- In den Schutzgebieten „Belziger Land- deten Arten günstig entwickeln (LITZBARSKI schaftswiesen“ (4 110 ha) und „Havelländi- 1 Das Projekt wird finanziert durch die Landesregie- rung Brandenburg und die Zoologische Gesell- 1993, 1995, LITZBARSKI et al. 1993 a). sches Luch“ (5 548 ha) leben die beiden ein- schaft Frankfurt von 1858 – Hilfe für die bedrohte Die aktuellen Verluste werden maßgeblich zigen Großtrappengruppen Deutschlands, Tierwelt HEINZ LITZBARSKI: PRÄDATORENMANAGEMENT ALS ARTENSCHUTZSTRATEGIE 93

tes im Jahre 1979 der Bestand der Großtrap- rung des Nahrungsangebotes und der Habi- Alter) bei 0,11 Jungtrappe/Henne/Jahr. Das pen von 17 auf 35 Tiere im Jahre 1990 er- tatstrukturen für die Küken und die Vermin- ist das 10fache dessen, was bis 1989 in den höht. derung von anthropogen bedingten Störun- Zeiten einer intensiven Landnutzung auf die- Dieser positive Trend war in erster Linie eine gen ein. sen Flächen erreicht wurde. Der Wert müßte Folge der Auswilderung handaufgezogener Allerdings ist der Anteil von knapp 30 % aber etwa 3 bis 5fach höher liegen, um eine Jungtrappen (LITZBARSKI et al. 1993 b). Der führender Hennen bereits sehr gering, was Bestandssicherung bzw. einen -zuwachs zu Bestandszuwachs wurde erreicht, obwohl auf hohe Kükenverluste in den ersten drei Le- erreichen. durch 5 Winterfluchten mit Verlusten von 50 benswochen hinweist. Diese werden bei den Das bedeutet, daß die Optimierung der Ha- bis 60 %, sowie 7 Anflugopfern im Winter kleinen Küken sicher auch von anderen Prä- bitatstrukturen auf den Brutflächen, die Ver- 1984/85 an einer neuen Freileitung im Ge- datoren als dem Fuchs verursacht. besserung des Nahrungsangebotes und der biet wiederholt massive Abgänge auftraten. Wenn knapp 30 % der Weibchen es schaf- Schutz der Gelege und Küken vor Weidevieh Ab 1988 brüteten die Großtrappen hier erst- fen, ihre Jungen durch die ersten 3 Lebens- und Landwirtschaftsmaschinen in diesen Ein- mals wieder erfolgreich im Freiland. Trotz- wochen zu bekommen, dann wäre eine standsgebieten für die Erhaltung der Art al- dem verringerte sich bis 1995 die Gruppe auf Nachwuchsquote von mindestens 0,2 lein nicht ausreichen. 22 Tiere, obwohl die Tiere in allen Wintern im Küken/Henne zu erwarten, also deutlich In drei gut untersuchten Trappengebieten in Gebiet verblieben waren. Die jährliche Ver- mehr, als wir gegenwärtig mit den Werten Östereich und Westungarn wird der Zusam- lustrate an Alttieren für Jahre ohne Winter- unter 0,1 erreichen. Die Verluste der von menhang zwischen der landwirtschaftlichen flucht hat sich nach 1990 von 20,1 % auf Hennen geführten Jungtrappen sind jedoch Nutzungsintensität, dem Jagddruck auf Prä- 38,0 % erhöht. Eine Überalterung der Trap- im Sommer und Herbst sehr hoch. Sie lagen datoren und der Nachwuchsrate der Trap- pen, wie für viele Restbestände typisch, spielt 1988/89 bei 20 % (in 5 Familien), 1990/91 penbestände sehr deutlich. hier als Ursache für den Rückgang der Altvö- bei 57 % (7 Familien) und 1992 bis 95 bei Im Nationalpark Hanság wird der Trappenbe- gel keine Rolle. 76 % (17 Familien). stand, ähnlich wie in Brandenburg, durch die Die Verluste fallen vor allem in die Fortpflan- Im Einstandsgebiet „Belziger Landschafts- Schaffung von großflächigen Ruhezonen mit zungszeit der Großtrappen zwischen März wiesen“ stabilisierte sich der Bestand der Brachen bzw. extensiver Bewirtschaftung ge- und August. Bei 10 der 13 verlorengegange- Großtrappen mit dem Beginn der intensiven fördert (Anteil bei 25 %). Die Intensität der nen Tiere weisen die Indizien auf den Fuchs Schutzbemühungen von 1988 bis 1991 bei Fuchsbejagung ist gering, bei hohen Verlu- als Prädator hin. 34 bis 37 Tieren. Von 1991 bis 1995 hat sich sten an Jungtrappen. 1992 bis 1994 lag die Die Verlustrate der handaufgezogenen Jung- ihre Anzahl bis auf 24 Tiere vermindert. Die mittlere Nachwuchsrate der 12 bis 14 Hen- trappen in den ersten drei Monaten der Aus- Verlustursachen bei erwachsenen Trappen, nen bei 0,02 Jungtrappen/Henne/Jahr (REI- wilderungszeit hat sich von 11 % (bis 1990) sofern sie bei den Totfunden benannt oder TER, PATAK briefl. 1994). auf 23 % (ab 1991) erhöht. Auch in diesen wenigstens über Indizien eingegrenzt werden In einem benachbarten Einstandsgebiet mit Fällen weisen die Indizien vor allem auf den konnten, haben sich in diesem Gebiet wie intensiv genutzten Ackerflächen, die durch Fuchs hin. Die Verluste durch den Habicht folgt verändert (ESCHHOLZ 1996, Tab. 2). Streifen von Rotationsbrachen (Anteil bei haben nicht zugenommen. Offenbar werden Mit dem Abbau einer Freileitung am Balz- 5 %) niederwildfreundlich gestaltet sind, er- die unerfahrenen, handaufgezogenen Jung- platz wurde eine wichtige Gefahrenquelle für reichen die 3 bis 5 Bruthennen 0,44 Jung- trappen ohne Führung durch eine Henne be- die Hähne beseitigt. trappen/Henne/Jahr, allerdings bei intensiver sonders leicht Opfer der Füchse. Die Situati- Bei den vier 1992 bis 1995 in der Balzzeit auf Bejagung des Fuchses (WURM briefl. 1996). on bei den im Freiland von Hennen geführ- dem Balzplatz tot gefundenen Hähnen wei- Im dritten Beispiel vereinigen sich extensive ten Küken ist allerdings auch nicht wesentlich sen die Indizien auf den Fuchs als Prädator Landnutzung und Flächengestaltung zu günstiger. hin. Gunsten des Niederwildes auf der Gesamt- In den ersten 2 bis 3 Lebenswochen sind In der Kernzone des Vorkommens konnten fläche mit einer sehr intensiven Bejagung der Trappenküken in der hohen Vegetation nur die Hennen- und Gelegeverluste als Folge Prädatoren. Das Ziel ist die jagdwirtschaftli- ausnahmsweise zu beobachten. Zur Beurtei- von Bewirtschaftungsmaßnahmen auch hier che Nutzung des hohen Nachwuchses beim lung der Verlustrate werden deshalb hier nur weitgehend unterbunden werden. Seit 1988 Niederwild. Befunde von Hennen mit älteren Küken ver- gibt es auch in diesem Einstandsgebiet jähr- Unter diesen Bedingungen zogen die an- wendet (Tab.1). lich erfolgreiche Trappenbruten, allerdings fangs 13 und jetzt 23 Bruthennen von 1992 Die Zunahme der Trappenküken, die die er- auch hier mit sehr hohen Jungvogelverlusten. bis 1995 im Mittel 0,86 Jungtrappen/Hen- sten kritischen Lebenswochen überstehen, Zwischen 1991 und 1995 lag die mittlere ne/Jahr auf. Die Hennen ziehen vor dem Be- weist auf eine Verbesserung der Lebensbe- Nachwuchsrate für beide Gebiete (insgesamt ginn der Jagdzeit im Herbst mit dem dann be- dingungen hin. Das schließt die Verbesse- 18 bis 20 Hennen im fortpflanzungsfähigen reits flüggen Nachwuchs auf umliegende Ackerflächen ab (WURM briefl. 1996).

2.2 Limikolen Tabelle 1: Reproduktion bei der Großtrappe (Havelländisches Luch) Im Naturschutzgebiet (NSG) „Untere Havel“ Zeitraum Anteil (%) Hennen Küken/Henne/Jahr ist die Förderung der Brutlimikolen ein we- mit Küken > 21 d (Ende Dezember) sentliches Schutzziel, dem die Steuerung der Wasserstände, die differenzierten Bewirt- 1979 – 1987 0,9 0,009 schaftungstermine, die gesamte extensive 1988 – 1989 16,1 0,13 Nutzung des Grünlandes dient. 1990 – 1991 18,9 0,08 Trotzdem ist die Nachwuchsrate sehr gering 1992 – 1995 29,9 0,09 (HAASE briefl. 1996, Tab. 3). Auch in der Malxeniederung bei Cottbus zie- hen in den letzten 4 Jahren bei den Arten Kie- Tabelle 2: Verlustursachen bei Großtrappen von 1973 bis 1995 in den Bel- bitz, Großer Brachvogel und Uferschnepfe ziger Landschaftswiesen (nach ESCHHOLZ 1996) weniger als 10% der Brutpaare erfolgreich Junge auf (KRÜGER, LITZKOW mündl., Na- Zeitraum/ Wiesenmahd vermutlich Freileitung unbekannt turschutzstation Lakoma, 1996). Ursachen Fuchs u. a. Im Schutzgebiet „Havelländisches Luch“ ha- ben sich zusätzlich zum Kiebitz (30 bis 1973 – 1989 5368 1991 – 1995 2 6 - - 60 BP) und Großen Brachvogel (8 bis 12 BP) vor allem in den wieder hergerichte- 94 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Gründliche Untersuchungen zur Fuchsdichte Tabelle 3: Brutpaare (BP) und erfolgreiche Brutpaare (BPm) im NSG „Belziger Landschaftswiesen“ bele- ausgewählter Wiesenbrüterarten 1993 bis 1996 in der gen für 1993 1,8 und für 1994 1,6 Füchse/ Großen Grabenniederung 2 (HAASE, Naturschutzstation Parey, briefl. 1996) km (Untersuchungsgebiet: 2 430 ha, HART- LEB 1995). Jahr/Art Kiebitz Uferschnepfe Rotschenkel Großer Brachvogel Kontrollen der Fuchsbaue auf 1 400 ha im BP BPm BP BPm BP BPm BP BPm NSG „Havelländisches Luch“ ergaben 1994/95 eine mittlere Dichte von 3,9 Tie- 1993 93 2 8 1 16 1 7 0 ren/km2. Diese hohe Dichte im Vergleich zu 1994 60 6 9 1 5 2 8 1 den Belziger Landschaftswiesen kann mögli- 1995 25 4 5 2 7 3 7 2 cherweise von der geringen Größe des unter- 1996 36 4 11 1 11 1 10 0 suchten Gebietes beeinflußt sein, anderer- seits auch im Zusammenhang mit dem we- sentlich größeren Strukturreichtum im Havel- ten Vernässungsbereichen Bekassine (über den Seevogelschutzgebieten an der pom- land und den in diesem Gebiet nicht so aus- 20 BP), Uferschnepfe (2 bis 4 BP) und Rot- merschen Ostseeküste ist gegenwärtig die gedehnten Überflutungsflächen stehen. schenkel (1 bis 3 BP) neu angesiedelt. hohe Fuchsdichte die bedeutendste negative Eine für Ostdeutschland verhältnismäßig ge- Obwohl auf den Naßflächen im Frühjahr das Einflußgröße (DOST, GRAUMANN, zit. bei ringe Fuchsdichte mit 0,7 bis 1,2 Tieren/km2 Schleppen und Walzen zur Wiesenpflege un- GORETZKI 1996). ermittelte STIEBLING (1995) für 1994 in ei- terbleibt und auch durch sehr späte Mahd- nem 83 km2 großen Untersuchungsgebiet in und Beweidungstermine keine Gelege- und 2.3 Rebhuhn der uckermärkischen Agrarlandschaft. Etwa Kükenverluste zu verzeichnen sind, liegt die Das Rebhuhn findet im Rahmen des Arten- in dieser Größenordnung lag im Havelland Nachwuchsrate bei diesen Arten (ohne Da- schutzes in Brandenburg nur wenig Beach- die Fuchsdichte in den Jahren 1988/89 vor ten von der Bekassine) unter 0,3 Jungvö- tung. Da die Art jedoch ein Indikator zur dem starken Rückgang der Fuchsstrecken gel/Brutpaar/Jahr. Kennzeichnung der Situation vieler Boden- und dem Beginn der Immunisierungen gegen Bei normaler Nutzungsintensität gehen im brüter in der Agrarlandschaft ist, sollen eini- die Tollwut. Wirtschaftsgrünland bei Uferschnepfen und ge Bestandszahlen genannt werden. Bei einem Experiment zur Regulierung der Großem Brachvogel häufig 20 bis 25 % der In der „Großen Grabenniederung“ (2000 ha) Fuchsbestände wurden 1992 auf der Insel Gelege direkt durch die Bewirtschaftung der des NSG „Untere Havel Nord“ wurden 1991 Hiddensee (Mecklenburg Vorpommern) Ab- Flächen verloren (GLUTZ 1977). 1,2, im Jahr 1993 0,65 und 1996 0,05 Revie- schußquoten ermittelt, die auf eine Dichte Mindestens in gleicher Höhe lagen in den re/km2 ermittelt (HAASE, Naturschutzstation von deutlich über 2,6 Füchsen/km2 schließen sechziger und siebziger Jahren auch die Ver- Parey, schriftl. 1996). lassen (SIEFKE 1993 zit. bei GORETZKI luste durch Prädatoren. Trotzdem betrug die Im NSG „Havelländisches Luch“ lag die Dich- 1996). Mehrjährige Kontrollen der Fuchs- Nachwuchsrate damals auf Wirtschaftsgrün- te der Rebhuhnreviere/km2 auf 5 000 ha baue, verbunden mit umfangreichen Markie- land z. B. bei Kiebitz, Großem Brachvogel kontrollierter Fläche nach den katastrophalen rungen von Füchsen, ergaben für den Kreis und Upferschnepfe in der Regel zwischen 1,0 Verlusten im Winter 1978/79 bei 0,16, im Rügen bereits 1991 einen Frühjahrsbestand und 1,5 Jungvögel/ Paar/Jahr (GLUTZ 1975, Jahr 1989 bei 1,7 und 1995 bei 0,28. von 3,8 Tieren/km2, mit weiter steigender 1977). Die Erholung des Rebhuhnbestandes bis Tendenz (GORETZKI 1996). Gegenwärtig entfallen in den genannten Ge- 1989 erfolgte hier trotz der intensiv geführ- Als wesentliche Ursachen für die rasche Zu- bieten Brandenburgs weitgehend die Gele- ten Landwirtschaft. Allerdings ist die Land- nahme der Fuchsbestände sind zu nennen geverluste, die unmittelbar durch die Bewirt- schaft sehr strukturreich. (REICHERT 1989, GUTHÖRL 1994, GO- schaftung verursacht werden. Trotzdem be- Nach 1990 stieg der Anteil von extensiv ge- RETZKI 1995, 1996): trägt die Nachwuchsrate nur 20 bis 30 % nutzten Flächen und Ackerbrachen im * die flächendeckende Immunisierung der dessen, was vor 1990 bei intensiver Grün- Schutzgebiet auf 2 495 ha an. Damit sind die Füchse gegen Tollwut, die damit als wich- landbewirtschaftung möglich war. Rebhühner deutlich weniger Störungen tigster Regulationsfaktor nach 1990 aus- In den aufgeführten Limikolenbrutgebieten durch Landwirtschaftsmaschinen und Wei- fällt und ist der Fuchs in hoher Dichte ständig präsent devieh ausgesetzt, sie haben wesentlich ver- * der deutliche Rückgang der Fuchsbeja- und selbst tagsüber regelmäßig, oft in meh- besserte Ernährungsbedingungen und Dek- gung ab 1990 im Zusammenhang mit der reren Exemplaren, zu beobachten. kungsmöglichkeiten erhalten. Ihren drasti- Neuordnung des Jagdwesens in Ost- An der Unteren Havel dringen die Füchse in schen Rückgang konnte das nicht verhin- deutschland (z. B. Verbot des Fuchsfangs die gemischten Brutkolonien von Ufer- dern. mit Tellereisen, Einstellung der Prämien- schnepfe, Kiebitz und Rotschenkel ein, ohne Man darf bei den Überlegungen zur Wirk- zahlungen u. a.). daß die Brutvögel sie ernsthaft daran hindern samkeit derartiger Extensivierungsmaßnah- Auch bei der gegenwärtig sehr hohen Be- können. Die häufig erfolgreiche Abwehr von men die „Rechnung nicht ohne den Wirt“, standsdichte sind bei einer unverändert anfliegenden Nebelkrähen oder Rohrweihen hier also nicht ohne Berücksichtigung der guten Nachwuchsrate der Füchse von funktioniert offenbar beim „Fußgänger“ Prädatoren machen. 200 % und einer deutlichen Verlängerung Fuchs nicht. Hat der Fuchs erst durch wieder- der Lebenserwartung noch keine Anzeichen holte Übergriffe das Gefüge der Brutkolonien 3. Zur Situation des einer Selbstregulation zu erkennen (GO- zerstört, sind die verbliebenen Brutpaare RETZKI 1996). Das trifft auch für das Ha- auch nicht mehr wirkunsgvoll in der Lage, Fuchses in diesen velländische Luch zu, wo 1995/96 die Größe Luftfeinde abzuwehren. Totalverluste sind Gebieten der Gehecke weiterhin bei 4 bis 5 Jungfüch- häufig die Folge (HAASE mündl. 1996). sen lag. Die Ressourcenkapazität ist offenbar Über den Rückgang der Nachwuchsrate 3.1 Bestandsdichte so optimal, daß die gegenwärtig hohen beim Großen Brachvogel im Zusammenhang Nach einer landesweiten Analyse lag der Fuchsdichten durch sie keineswegs begrenzt mit steigenden Fuchsbeständen wird auch Fuchsbestand 1979/80 in den damaligen werden. aus Baden-Württemberg (EINSTEIN 1992, Kreisen Rathenow und Belzig bei 0,5 Tie- BOSCHERT, EINSTEIN 1996), Bayern (DOE- ren/km2 (BRIEDERMANN, DITTRICH 1982). 3.2 Maßnahmen zur Bestands- RENKAMP 1994) und Österreich (UHL Im Zusammenhang mit dem Beginn des minderung der Füchse 1996) berichtet. Ähnliche Erkenntnisse teilte Schutzprojektes „Großtrappe“ wurde dieser Auf Grund der oben geschilderten Situation SCHMALZER (1996) von einem Birkwildpro- Besatz als bedenklich hoch eingeschätzt intensivierten Mitarbeiter des Landesum- jekt im österreichischen Waldviertel mit. In (LITZBARSKI, LOEW 1983). weltamtes Brandenburg (LUA) in den betrof- HEINZ LITZBARSKI: PRÄDATORENMANAGEMENT ALS ARTENSCHUTZSTRATEGIE 95

fenen Naturschutzgebieten die Zusammen- war die Einführung der Erlegungsprämie nur hat. Anlaß waren die rückläufigen Brutergeb- arbeit mit den Jägern und forderten diese be- ein möglicher, allerdings wichtiger Ansatz zur nisse beim Großen Brachvogel und Kiebitz reits 1992 zu einer wirkungsvolleren Beja- Erhöhung der Fuchsstrecke. (DOERENKAMP 1994). gung der Fuchsbestände auf. Der Förderver- In beiden Gebieten wurde vor allem die Zu- ein „Großtrappenschutz“ e. V. begann im sammenarbeit mit den Jägern, der unteren 4. Diskussion Herbst 1992 mit der Prämienzahlung (30,– Jagdbehörde und dem Kreisjagdverband ver- DM/Fuchs) im NSG „Havelländisches Luch“. stärkt. Es fanden gemeinsame Veranstaltun- Die Problematik „Fuchs und Schutz von Bo- Vom LUA werden seit 1993 im Rahmen des gen statt, auf denen die Problematik der Prä- denbrütern“ wird seit Jahrzehnten kontro- Schutzprojektes „Großtrappe“ in den Belzi- datoren im Rahmen der Artenschutzprojekte vers diskutiert. Deshalb sollen einige Aussa- ger Landschaftswiesen und im Havelländi- dargestellt und Methoden sowie Organisati- gen vorangestellt werden, um Grundpositio- schen Luch Prämien (50,– DM) für erlegte onsformen einer intensiveren Fuchsbejagung nen zu verdeutlichen: Füchse bezahlt. Die Jäger legen die Lunten in demonstriert und diskutiert wurden. * Der seit Jahrzehnten anhaltende Bestands- den Naturschutzstationen Baitz und Buckow Von den Jägern in den Belziger Landschafts- rückgang der wiesenbrütenden Limikolen vor, wo auch Ort und Zeitpunkt des Erlegens wiesen wurde ein Hegering „Großtrappe“ und Großtrappen in Brandenburg ist in er- notiert werden. Die Prämienzahlung ist be- gebildet. ster Linie eine Folge der Zerstörung ihrer grenzt auf die beiden Naturschutzgebiete Ein weiterer Schritt zur Effektivierung der Lebensräume durch die Intensivierung der und ihr Umfeld. Diese Regelung ist schwer zu Fuchsbejagung war 1994 der Kauf von Jung- Landnutzung. Ein wirksamer Schutz für kontrollieren, doch wird sie nach bisherigen fuchsfallen für rund 8 000,– DM durch den diese Arten muß deshalb vor allem bei der Erkenntnissen von den Jägern weitgehend Förderverein „Großtrappenschutz“ e. V. Die Sicherung und Optimierung ihrer Lebens- eingehalten. Vorgesehen ist, künftig nicht deutsche Sektion des Internationalen Jagdra- räume ansetzen. nur die Luntenspitzen einzusammeln, son- tes zur Erhaltung des Wildes (CIC) hat den * Aus diesem Grunde ist nicht die Dezimie- dern die kompletten Körper anzunehmen. Förderverein dabei finanziell wirkungsvoll rung von Prädatoren Arbeitsschwerpunkt Damit kann einem „Handel“ mit Lunten vor- unterstützt. 1995 wurden für weitere in diesen Schutzprojekten, sondern der gebeugt werden, vor allem ergeben sich da- 10 000,– DM durch das LUA verschiedene Schutz und die gezielte Gestaltung der Le- durch Möglichkeiten für eine Datensamm- Fallensysteme für die Jägerschaft in den bensräume über differenzierte Maßnah- lung zur Biologie des Fuchses im Schutzge- Schutzgebieten bereitgestellt. men des Vertragsnaturschutzes und der biet. Die Reaktionen der Jäger in den Schutzge- Landschaftspflege. Da das Areal, aus dem die erlegten Füchse bieten auf die sehr konkrete Zusammenarbeit * Die Situation in den zurückliegenden stammen, nur annähernd umrissen werden mit dem Naturschutz sind recht differenziert, 5 Jahren macht jedoch deutlich, daß die kann, sind die hohen Fuchstrecken aus den jedoch vom Grundsatz her zustimmend. Die Schutzprojekte „Wiesenbrütende Limiko- Schutzgebieten „Belziger Landschaftswie- Zusammenarbeit reicht vom sichtbaren len“ und „Großtrappe“ in Brandenburg sen“ und „Havelländisches Luch“ zum Ver- Bemühen um einen verstärkten Fuchsab- ohne eine Bestandsregulation bei den Prä- gleich mit anderen Gebieten nur bedingt und schuß über das Ausleihen zusätzlicher Fang- datoren auf absehbare Zeit keinen Erfolg zur Kalkulation der möglichen Besatzdichte in technik bis hin zum gemeinsamen Einrichten haben werden. diesen Gebieten nicht geeignet. von Fanggärten mit den entsprechenden Fal- Auf der einen Seite steht der Fuchs als klarer Die Fuchsstrecke konnte seit 1993 in beiden lensystemen. Die regelmäßige Kontrolle der „Gewinner“ der jahrzehntelangen Nut- Schutzgebieten deutlich gesteigert werden Fangeinrichtungen übernehmen die Jäger zungsintensivierung in der Landwirtschaft, (Tab. 4). häufig selbst oder erteilen den Mitarbeitern auf der anderen Seite stehen die bestandsge- Für 1996 ist in den Schutzgebieten eine wei- der Naturschutzstationen die Genehmigung fährdeten Bodenbrüter als eindeutige „Ver- tere Steigerung der Fuchsstrecke um etwa dazu. lierer“ dieser Entwicklung, in der die meisten 20 % zu erwarten. Eine wirkungsvolle Unterstützung bei der ihre Lebensräume verloren haben. Die punk- Ähnlich hohe Werte mit einer Strecke von 5,3 Fuchsbejagung fehlt in der Regel nur bei den tuellen Erfolge des Naturschutzes bei der Ver- Füchsen/km2 wurden bereits 1992 auf der Jägern, die zur Jagd von auswärts weit anrei- besserung der Lebensbedingungen für die Insel Hiddensee notiert (SIEFKE 1993, zit. bei sen, also verhältnismäßig wenig Zeit im Re- Bodenbrüter durch langfristige und teilweise GORETZKI 1996). vier verbringen. Sie haben in ihrer bisherigen finanziell sehr aufwendige Schutzprojekte Der Ministererlaß zur Fuchsbejagung in Jagdpraxis häufig noch keine konstruktive bleiben auf der Strecke, denn ihnen gegen- Mecklenburg-Vorpommern fordert für das Zusammenarbeit mit dem Naturschutz erlebt über steht flächendeckend ein durch Tollwut- Jagdjahr 1996/97 sogar landesweit eine und sind deshalb zurückhaltend. immunisierung zusätzlich geförderter und Fuchsstrecke von 5,0/km2 (Unsere Jagd In Bayern hat die Schutzgemeinschaft Am- sich dynamisch entwickelnder Fuchsbestand. 1996). Die Erlegungsprämie wurde auf 15,– mersee Süd e. V. mit dem Landesjagdverband Sicher ist, daß der Wiesenbrüternachwuchs DM festgesetzt. zusammengearbeit, der den Betreuern des oder auch eine Trappe, die der Fuchs am In den Schutzgebieten „Havelländisches NSG „Vogelfreistätte Ammersee Südufer“ Balzplatz oder auf dem Nest reißt, für den Luch“ und „Belziger Landschaftswiesen“ mit Spezialisten für die Fuchsjagd geholfen Fuchs nur Gelegenheitsfutter sind, das bei dem reichhaltigen Nahrungsangebot in den Schutzgebieten nur einen unbedeutenden Tabelle 4: Zur Entwicklung der Fuchsstrecke/km2 in den Kreisen Belzig Teil am Gesamtfutterverbrauch der Tiere aus- und Rathenow macht. Für die bestandsbedrohten Arten sind (BRIEDERMANN, DITTRICH 1982, Kreisjagdbehörden 1990 diese Verluste jedoch von existentieller Be- briefl., eigene Erhebungen 1995) deutung. Aus diesem Grunde wurde 1992 als Sofort- Gebiet/ 1979/1980 1988/1989 1990 1993*) 1995*) maßnahme mit der intensiveren Fuchsbeja- Jahre gung in den NSG „Havelländisches Luch“ und „Belziger Landschaftswiesen“ begon- Kreis nen. Belzig 0,5-0,6 1,0-1,2 0,49 ? 7,9 Auf Grund der unzureichenden Kenntnisse Kreis über die wirkliche Rolle der verschiedenen Rathenow 0,5-0,6 1,1-1,2 0,36 1,5 5,8 Prädatoren in den Schutzgebieten und über die methodischen Aspekte der massiven *) 1993 und 1995 bezieht sich die Fuchsstrecke jeweils nur auf die 4110 ha, bzw. Fuchsbejagung bestehen über die langfristi- 5548 ha der beiden Schutzgebiete. gen Erfolgsaussichten dieser Eingriffe gegen- wärtig noch große Unsicherheiten. 96 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Mit diesem Schritt hin zur intensiven Fuchs- Konzepte zum Fuchsmanagement gibt for working basic correlations in prädator bejagung war die Hoffnung verbunden, die (HARTLEB et al. 1996), bleiben weiterhin management and damming rabies by alter- auch als Anforderung an das Ministerium für methodische Bedenken und außerdem Zwei- native methods instead of shooting the fox- Umwelt, Naturschutz und Raumordnung fel darüber, ob der erforderliche hohe Jagd- es. Brandenburgs gegangen ist, daß diese Maß- druck mit jahrelanger Kontinuität aufrechter- Literatur nahme unbedingt zu untersetzten ist mit Un- halten werden kann. ANORDNUNG zur Oralen Immunisierung der Füchse tersuchungen über die Rolle der verschiede- Aus diesem Grunde wird auf gezielte For- Frühjahr 1996 (12.04.1996 bis 03.05.1996). Min. f. nen Prädatoren in derartigen Schutzgebieten schungen zur Erarbeitung intelligenterer Lö- Ernährung, Landwirtsch. u. Forsten Potsdam vom 22. März 1996 und vor allem durch konkrete Bemühungen sungen gedrängt. BLOCK, B.; BLOCK, P.; JASCHKE, W.; LITZBARSKI, B.; zur Veränderung der gegenwärtigen Strate- Gerade angesichts der Erkenntnisse, daß die LITZBARSKI, H. u. PETRICK, S. 1993: Komplexer Ar- gie bei der Tollwutbekämpfung. mit der Immunisierung wachsenden Fuchs- tenschutz durch extensive Landwirtschaft im Rahmen des Schutzprojektes „Großtrappe“. -Natur und Land- Leider ist zu diesen Fragen in den vergange- bestände auch einen sich ständig ver- schaft 68(11): 565-576 nen Jahren wenig Konkretes passiert. größernden „Pool“ nicht immunisierter Tiere BOSCHERT, M. u. EINSTEIN, J. 1996: Vortrag auf der Über die Berechtigung des Prädatorenmana- beherbergen (REICHERT 1989, STÖR, KAR- Tagung: Prädatorenmanagement als Artenschutzstra- gements als Maßnahme des Artenschutzes GE 1992, BRANDL et al. 1994, GUTHÖRL tegie. Uni. Wien BRANDL, R.; JELTSCH, F.; GRIMM, F.; MÜLLER, M. u. wird sehr unterschiedlich geurteilt. 1994), also eine Bestandsreduzierung der KUMMER, G. 1994: Modelle zu lokalen und regiona- Viele Kritiker verweisen auf ökologische Füchse auch aus seuchenhygienischer Sicht len Aspekten der Tollwutausbreitung. -Ökologie u. Grundgesetze, daß die Beutegreifer ihre Beu- zur Sicherung der Immunisierungsergebnisse Naturschutz 3: 207-216 BRIEDERMANN, L. u. DITTRICH, G. 1982: Die Fuchs- te nicht ausrotten oder daß sich die Bestände notwendig bleibt, sollte möglichst aufge- strecke in der DDR in Beziehung zu einigen ökologi- der Beutegreifer in einem natürlichen Prozeß schlossen über umweltverträglichere Lösun- schen Faktoren. -Beitr. z. Jagd- und Wildforschung XII: selbst regulieren. Dabei wird offenbar über- gen der Tollwutbekämpfung nachgedacht 60-67 DOERENKAMP, J. 1994: Stadel-Jagd. -Die Pirsch 6: sehen, daß gegenwärtig in der Agrarland- werden. 29-31 schaft in erster Linie der Mensch und nicht Im Hinblick auf die gegenwärtig extrem ho- EINSTEIN, J. 1992: Jahresbericht 1992 über das Natur- die Natur reguliert und daß der Fuchs eben- hen Fuchsdichten und die europaweiten Er- schutzgebiet Federsee. -Naturschutzzentrum Feder- see. -Bad Buchau: 4-34 so wie die bestandsgefährdeten Bodenbrüter fahrungen über die Schwierigkeiten einer Be- ESCHHOLZ, N. 1996: Großtrappen (Otis t. tarda, L., durch den Menschen zu „Problemarten“ ge- standsregulierung der Füchse mit Hilfe der 1758) in den Belziger Landschaftswiesen. -Natursch. u. worden sind. Jagd, sind Aufrufe zur weiträumigen intensi- Landschaftspflege i. Brand. 4: 37-40 GLUTZ von BLOTZHEIM, U. N.; BAUER, K. M. u. BEZ- Auch ethische Gründe spielen verständlicher- ven Fuchsbejagung, wie der Ministererlaß in ZEL, E. 1975, 1977: Handbuch der Vögel Mitteleuro- weise bei der ablehnenden Haltung einiger Mecklenburg-Vorpommern („Unsere Jagd“ pas. -Wiesbaden. Bd. 6: 451-454, Bd. 7: 208-209, 337 Kritiker zur Fuchsbejagung eine Rolle und 1996) sicher ein wichtiges Signal, aber wahr- GORETZKI, J. u. PAUSTIAN, K.- H. 1982: Zur Biologie müssen unbedingt Beachtung finden. scheinlich keine Maßnahme mit nachhaltigen des Rotfuchses Vulpes vulpes (L., 1758) in einem in- tensiv landwirtschaftlich genutzten Gebiet. -Beitr. Andere Gegner des „Prädatorenmanage- Erfolgsaussichten. Vor allem darf diese Maß- Jagd- u. Wildforschung XII: 96-107 ments“ verweisen darauf, daß die Jäger seit nahme nicht die Suche nach anderen Regu- GORETZKI, J. 1995: Opportunist und Gewinner. -Un- Jahrzehnten eine Prädatorenbekämpfung zur lierungsmöglichkeiten ersetzen. sere Jagd 2: 8-10 GORETZKI, J. 1996: Wechselwirkung zwischen Toll- Rettung der Niederwildbestände fordern und Modellberechnungen zeigen eine sehr wir- wutbefall und Populationsdynamik beim Rotfuchs auf der Naturschutz diese Vorgehensweise abge- kungsvolle und nachhaltige Tollwutimmuni- der Insel Rügen. -Weidwerk in Mecklenburg-Vorpom- lehnt hat. Das stimmt natürlich, und diese sierung im Zusammenwirken mit „Sterilisa- mern 5: 9-10 GUTHÖRL, V. 1994: Fuchs frißt Hase - und was dabei Forderung der Jäger nach einer verstärkten tionen“ zur Bestandsminderung (REICHERT herauskommt. -Weidwerk 12: 18-21 Bejagung der Prädatoren wurde in der Regel 1989). Der Einsatz von Wirkstoffen zur Min- HARTLEB, K.- U. 1995: Zur Ökologie des Rotfuchses auch berechtigt zurückgewiesen. derung der Reproduktion (JOCHLE, JOCHLE Vulpes vulpes (L., 1758) im Landschaftsschutzgebiet „Belziger Landschaftswiesen“. -Diplomarb. Univ. Hal- Es darf bei dieser Argumentation nicht ver- 1993, MARKS et al. 1996) könnte ohne ho- le-Wittenberg gessen werden, daß früher in derartigen Fäl- hen Jagddruck zur Minderung der Fuchsdich- HARTLEB, K.- U. u. STUBBE, M. 1996: Rotfuchs (Vul- len vom Schutz des Niederwildes in aus- te führen und zusammen mit der Immunisie- pes vulpes) und Großtrappe (Otis tarda) in den Belzi- ger Landschaftswiesen - Notwendigkeit und theoreti- geräumten Agrarlandschaften die Rede war. rung die Effektivität der Tollwutbekämpfung sche Ableitungen zur lokalen Rotfuchskontrolle. -Beitr. Heute ist über die Situation in Gebieten zu wesentlich verbessern. Dem Artenschutz Jagd- und Wildforschung 21: 287 - 298 entscheiden, in denen wichtige Grundvor- wäre mit den geringen Fuchsbeständen JOCHLE, W. u. JOCHLE, M. 1993: Reproduction in a aussetzungen für das Überleben der zu ebenfalls geholfen. feral cat population and its control with a prolactin in- hibitor (cabergoline). -Journ. of Rerproduction and schützenden Arten durch ein aufwendiges Fertility. Supplement 47: 419-424 Management gesichert oder wieder herge- 4. Summary LITZBARSKI, B. u. LITZBARSKI, H. 1993b: Zur künstli- stellt wurden. Diese neuen Inhalte in der Ar- chen Aufzucht und Auswilderung sowie Nachzucht von Großtrappen in der Naturschutzstation Buckow. - gumentation aus Naturschutzsicht verstehen There is a crisis for conservation projects for Bongo 21: 65-78 die Jäger sehr wohl. breeders of wet meadow land especially for LITZBARSKI, B. u. LITZBARSKI, H. 1996: Zur Situation Falsch ist in diesem Zusammenhang auch das waders and Great Bustard Otis tarda in Bran- der Großtrappe Otis tarda in Deutschland. -Vogelwelt 117: 213-224 Argument, mit diesem Prädatorenmanage- denburg. LITZBARSKI, H. 1993: Das Schutzprojekt „Großtrap- ment würde der Naturschutz der Schießlust Although there have been taken intensive pe“ in Brandenburg. -Berichte zum Vogelschutz - vor- der Jäger entgegenkommen. Alle Erfahrun- and successful steps for preservation and res- mals : Berichte der Deutschen Sektion des Internatio- nalen Rates für Vogelschutz 31: 61-66 gen in den letzten Jahren zeigen, daß für die toration of their habitats the populations of LITZBARSKI, H. 1995: Extensive Landnutzung, Land- Jäger die vom Naturschutz gewünschte in- these species are not increasing. The popula- schaftspflege und -gestaltung im Schutzprojekt tensive Bejagung der Prädatoren sehr zeit- tions of Great Bustard and Partridge Perdix „Großtrappe“. -In SCHWÖPPE, W. & TERLUTTER, H. (Hrsg.): NATURA 2000 - Gibt es Zukunftsperspektiven und kostenaufwendig ist. perdix have been decreasing. It is supposed für Naturwerte in der europäischen Kulturlandschaft ?: Aus den Reihen der Fuchsspezialisten kom- that the Red Fox Vulpes vulpes is responsible 93-103 men gelegentlich kritische Äußerungen, die for these raised losses. LITZBARSKI, H. u. LOEW, M. 1983: Die Entwicklung vor allem darauf zielen, daß die Fuchsbestän- The increased metapopulation of Red Fox der Großtrappenbestände unter den Bedingungen des Bezirkes Potsdam. -Naturschutzarb. Berlin u. Branden- de mit der Jagd alleine nicht so weit reduziert could propably explained by reduced hunting burg, Beiheft 6: 5-16 werden können, wie es der Schutz der Bo- activity and immunizing against rabies and LITZBARSKI, H. u. EICHSTÄDT, D. 1993 a: Natur- denbrüter erfordert. Diese Bedenken werden led to high densities (3,8 foxes/km2 in schutz und Landwirtschaft im Großtrappenschonge- biet Buckow, Krs. Rathenow. -Natursch. u. Land- von den Mitarbeitern im Naturschutz geteilt. spring). On this account in 1992 hunting of schaftspflege i. Brand. 2: 37-45 Obwohl es einige positive Beispiele, aller- Red Fox was intensified in Great Bustard na- MARKS, C. A.; NIJK, M.; GIGLIOTTI, F.; BUSANA, F. dings aus Zeiten mit deutlich geringerer ture reserves. Hunters get reward for each u. R. V. SHORT 1996: Preliminary field assessment of a cabergoline baiting campaign for reproductive con- Fuchsdichte (STUBBE et al. 1977, GORETZKI, killed fox and can advance traps for free. trol of the Red Fox (Vulpes vulpes). -Wildlife Research PAUSTIAN 1982), und neuere, interessante Further research programms are necessary 23: 161-168 HEINZ LITZBARSKI: PRÄDATORENMANAGEMENT ALS ARTENSCHUTZSTRATEGIE 97

MINISTERERLASS zur Fuchsbejagung. -Unsere Jagd mik beim Rotfuchs auf der Insel Rügen. -Weidwerk in Verfasser 11: 14 Mecklenburg-Vorpommern 5: 9-10 REICHERT, H.- U. 1989: Simulationsstudien zur Aus- STIEBLING, U. 1995: Untersuchungen zur Ökologie Dr. Heinz Litzbarski breitung und Bekämpfung der Tollwut bei Füchsen mit des Rotfuchses, Vulpes vulpes (L., 1758), in einem Landesumweltamt Brandenburg, einem stochastischen, räumlichen Modell. -Diss. Univ. Ausschnitt der Uckermärkischen Agrarlandschaft. -Di- Naturschutzstation Buckow Tübingen plomarb. Humboldt-Univ. Berlin Dorfstraße 34 SCHLÜTER, H. 1993: Rotrock unter Kontrolle ? -Unse- STÖHR, K. u. KARGE, E. 1992: Kann man sich zurück- re Jagd 10: 24-25 lehnen ? -Unsere Jagd 2: 8-9 D–14715 Buckow SCHMALZER, A. 1996: Vortrag auf der Tagung: Prä- STUBBE, M. u. STUBBE, W. 1977: Zur Populationsbio- datorenmanagement als Artenschutzstrategie. Univ. logie des Rotfuchses, Vulpes vulpes. III. -Hercynia N. Wien F. 14: 160-177 SIEFKE, A. 1993: zit. in: GORETZKI, J. 1996: Wechsel- UHL, H. 1996: Vortrag auf der Tagung: Prädatoren- wirkung zwischen Tollwutbefall und Populationsdyna- management als Artenschutzstrategie. Univ. Wien

Rundtischgespräch zum Interessenkonflikt Fuchs

Verschiedene Standpunkte zur Strategie des Fuchsbejagung gänzlich einzustellen und die Dem steht der Standpunkt entgegen, daß Artenschutzes und zum Sinn und Zweck der Zunahme des Fuchses bis zu einer nicht be- eine ganzjährige Bejagung zumindest räum- Jagd prägten das Rundtisch-Gespräch zum kannten Kapazitätsgrenze zu akzeptieren, da lich begrenzt möglich und bei lokalen Proble- Thema „Rotfuchs“. die Ursachen dafür in den anthropogenen men mit dem Fuchs auch nötig ist. Folgende grundsätzliche Probleme standen Veränderungen des Naturhaushaltes liegen. – Tollwut-Immunisierung im Mittelpunkt des Gespräches: Durch die Anpassungsfähigkeit des Fuchses Das Problem der Tollwutimpfung wurde nur – Bestandszunahme wäre der Bestand grundsätzlich nicht mit der kurz diskutiert. Grundsätzlich ist die medika- Die allgemeine biologisch-ökologische Situa- Bejagung zu regeln. mentöse Beeinflussung von Wildtieren nicht tion des Rotfuchses in Deutschland wurde – Gefährdete Beutetiere anzustreben. Es bestand aber keine einheitli- weitgehend übereinstimmend bewertet. Die Die Teilnehmer des Rundtisch-Gespräches che Meinung zur Tollwut-Immunisierung der Diskussionsteilnehmer sehen eine enorme stimmten darin überein, daß der Fuchs einen Füchse. Zunahme des Fuchsbestandes als Tatsache entscheidenden negativen Einfluß auf bereits Auch die Rolle der Fuchspopulation als po- an. Direkte Erfassungen auf definierten Un- gefährdete Beutetier-Populationen (Trappe, tentielles Reservoir verschiedener Zoonosen tersuchungsflächen bestätigen dies neben Birkhuhn, wiesenbrütende Limicolen) haben und Parasitosen wurde unterschiedlich ein- den als Weiser für die Populationsdichte dis- kann. Dies ist durch Fakten belegt, darf aber geschätzt. Die weitere Fortführung laufender kutierten Jagdstrecken. nicht pauschal verallgemeinert werden. Si- Untersuchungen ist hier notwendig. Der weitere Verlauf der Bestandsentwicklung chere Aussagen können durch spezielle Un- – Fazit sollte als eine der Grundlagen in der Bewer- tersuchungen möglich werden. Insgesamt wurde die biologisch-ökologische tung des Rotfuchses langfristig erfaßt wer- Zu einer lokalen intensiven Bejagung des Situation des Rotfuchses nach den belegten den. Fuchses bestand überwiegend Zustimmung. Fakten übereinstimmend bewertet, aber – Bejagung oder Duldung? Die gesamte Strategie des Artenschutzes überwiegend unterschiedlich interpretiert. Gegensätzliche Meinungen bestanden zu wurde aber auch in Frage gestellt, da Schutz- Die Frage, was mit dem Fuchs geschehen jagdlichen Eingriffen in den Fuchsbestand. maßnahmen für eine Art immer andere Arten soll, beantworteten die Teilnehmer aber Sie resultieren aus generell unterschiedlicher beeinträchtigen würden. grundsätzlich verschieden. Hier bestand nur Einschätzung der Effizienz und Wirkung der – Sommerbejagung in Sonderfällen (gefährdete Beutetiere) eini- Bejagung. Die Bejagung sollte zur Nutzung des Fuchses germaßen Konsens. Es wurde zum einen die intensive Bejagung – in irgendeiner Weise führen und möglichst möglichst Bewirtschaftung – gefordert, um nicht als bloße Vernichtung des Tieres erfol- zusammengestellt: den Bestand zu verringern. Der Fuchs könn- gen. Dr. Hermann Ansorge te bei seiner heutigen Dichte in der Praxis Ein großer Teil der Diskussionsteilnehmer ver- Staatliches Museum zwar nicht durch die Jagd reguliert werden, neinte die Bejagung im Sommer – insbeson- für Naturkunde Görlitz dies wäre aber grundsätzlich möglich. dere zur Zeit der Jungenaufzucht – und die PF 300154 Dem stand die Empfehlung gegenüber, die Tötung der Welpen am Bau. D–02806 Görlitz

Verkehrstod beim Dachs auch mit der Ranz und Geburt des Nach- würmer (9mal), Wurzelteile (7mal), Getrei- wuchses). de- oder Maiskörner (4mal), Obst (3mal), Die Mehrheit der Dachse wurde an Straßen Mäuse (2mal). Darüber hinaus wurden 2mal In den Jahren 1992 bis 1997 registrierten T. gefunden, auf denen mit hoher Geschwin- je eine Hummel, 1 Blindschleiche, 1mal zwei Langgemach und P. Sömmer (Naturschutz- digkeit gefahren wird. Eine Meidung durch Erdkröten sowie Reste von Wirbeltieren; Vo- station Woblitz/Landesumweltamt Branden- die Tiere läßt sich anhand des Materials nicht geleier oder Jungvögel hingegen nie gefun- burg) 74 Straßenopfer beim Dachs. ableiten. den. Soweit noch bestimmbar handelte es sich um Sofern eine wissenschaftliche Verwertung Die Funddaten wurden der mit dem Säuge- 29 Männchen und 22 Weibchen. der Funde noch sinnvoll erschien, wurden die tierschutz betrauten Naturschutzstation Zip- In der der jahreszeitlichen Aufschlüsselung Dachse dem Institut für Zoo- und Wildtier- pelsförde übermittelt. der Funde zeigt sich eine ausgeprägte Häu- forschung Berlin übergeben. Hier dienten sie fung in den Monaten März bis Mai. Vermut- vor allem parasitologischen Untersuchungen. lich hängt dies mit größerer Aktivität der Tie- Die Analyse von 25 Mageninhalten ergab Aus den „Mitteilungen des Landesfachaus- re nach der Winterruhe zusammen (verstärk- folgende Nahrungsreste: Grünpflanzen (19- schusses Säugetierkunde Brandenburg – Ber- te Nahrungsaufnahme in dieser Zeit, evt. mal), Kerbtiere bzw. Larven (15mal), Regen- lin” 1/1998 98 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

CARINA VOGEL Ergebnisse telemetrischer Untersuchungen an einem Fischotter Lutra lutra L., 1758 in Mecklenburg-Vorpommern

Schlagwörter: Fischotter (Lutra lutra), Telemetrie, Raumnutzung, Aktivität, Warnow

In den Jahren 1992 bis 1995 wurde in einem während 5 bis 7 Tage in einem Quarantäne- Senderkontakt während der nächtlichen Pei- Forschungsprojekt der Aktion Fischotter- gehege auf ihren Gesundheitszustand hin lung am 2.3.1993 abrupt ab. Trotz wochen- schutz e.V., Hankensbüttel, erstmals ver- überwacht und, mit einem Implantatsender langen intensiven Suchens am Boden und per sucht, mittels moderner Telemetrietechnik sowie einem Nacken-Klebesender (Fa. GFT, Flugzeug konnte das Tier nicht wieder ge- Daten aus einer Population freilebender Bordesholm) versehen, am Fangort wieder funden werden. Es muß davon ausgegangen Fischotter in Deutschland zu gewinnen. Ba- freigelassen. Während das im Dezember werden, daß der Implantatsender nach nur sierend auf einem Kooperationsvertrag zwi- 1992 gefangene adulte Otterweibchen über 8wöchiger Laufzeit seine Funktion eingestellt schen dem Umweltministerium Mecklen- einen Zeitraum von zwei Monaten teleme- hatte. burg-Vorpommern (jetzt: Ministerium für trisch verfolgt werden konnte, brach der Knapp 6 Monate später wurden im Aufent- Landwirtschaft und Naturschutz) und der Funkkontakt zu dem im Mai 1993 gefange- haltsgebiet der Otterfähe zwei Jungotter be- Aktion Fischotterschutz e.V. wurde eine Kon- nen Otter, einem subadulten Rüden, bereits obachtet. Dies mag ein Hinweis darauf sein, zeption erarbeitet, die neben dem Fang und in der zweiten Beobachtungsnacht ab. Nach- daß die Fähe auch weiterhin im angestamm- der telemetrischen Beobachtung mehrerer dem das Tier trotz 10wöchiger intensiver Su- ten Revier lebte und nicht abgewandert war. Otter auch die Erfassung der Habitatausstat- che durch mehrere Peilteams selbst mittels tung, der Habitatnutzung und der Gefähr- Flugzeug nicht mehr gefunden werden 2. Raumnutzung dung des Otters einschloß. Finanziert wurde konnte, muß von einem Ausfall des Teleme- die Otterstudie von der Aktion Fischotter- triesenders ausgegangen werden. Die Freilassung der am 30.12.1992 gefange- schutz e.V. mit Mitteln aus dem Karl-Kraus- Im Zeitraum zwischen dem 7.1.1993 und nen Otterfähe erfolgte nach vorheriger An- Gedächtnis-Fond e.V., Bonn. dem 2.3.1993 wurde die Otterfähe an 55 Ta- bringung der Telemetriesender in der Nacht gen bzw. in den Nächten mittels Radio-Tele- vom 5.1. auf den 6.1.1993, um 1.45 Uhr am 1. Untersuchungsgebiet metriesender beobachtet, dabei ihr Tages- Fangort. In der dritten Beobachtungsnacht aufenthalt sowie die Raumnutzung während konnte der Einstand des Otters in einem Me- und Untersuchungs- der Nacht erfaßt und die Aktivitätszeiten pro- liorationsgraben im Bereich des Warnow- methoden tokolliert. Während der 8 Nächte konnten oberlaufes westlich des Freilassungsortes keine Peilungen getätigt werden. Insgesamt festgestellt werden. Die Fähe hielt sich dort in Fang und Telemetrie der Otter erfolgten in ei- wurde die Fähe im Januar 1993 während 11 einem Bisambau auf und jagte während der nem ca. 75 km2 großen Untersuchungsraum Nächten kontinuierlich von Sonnenunter- Nacht im Bereich des Flußlaufes und der an- im Gebiet der Oberen und Mittleren Warnow gang bis Sonnenaufgang beobachtet; in wei- grenzenden Gräben. Diese waren zum Zeit- in Mecklenburg-Vorpommern, Kreis Parchim teren 3 Nächten riß der Funkkontakt zum punkt der Beobachtung fast vollständig zu- (Altkreise Schwerin-Land und Sternberg). Im Sender ab, so daß nur aus einem Teil der gefroren und mit einer 10 cm hohen Wasser- Untersuchungsraum befinden sich mehrere Nacht Daten vorliegen. Im Februar 1993 schicht überstaut. Unter diesen Rahmenbe- Seen von 10 ha bis 260 ha Größe, als größter konnte der Aufenthalt und die Aktivität des dingungen konnte der Fang von Fischen Flußlauf die Warnow sowie zufließende Otters während 12 Nächten kontinuierlich nachgewiesen werden. Bäche und in den Niederungen ausgedehnte erfaßt werden; aus 7 Nächten liegen nur un- In der übernächsten Nacht wechselte die Ot- Grabensysteme. vollständige Peilungen vor (3 x Signalabriß, 4 terfähe, dem Lauf eines in die Warnow mün- Insgesamt sechs Holz- und vier Holz-Draht- x Abbruch der Peilung). denden Baches folgend, in ein etwa 5 km Kastenfallen wurden zwischen 1992 und An 7 Tagen im Januar und 4 Tagen im Febru- entferntes Bruchgebiet. Hier konnte sie 1995 am Ufer der Warnow und in kleineren ar wurde nur der jeweilige Tageseinstand des während der folgenden Wochen regelmäßig Gräben im Einzugsbereich der Seen aufge- Tieres mittels Telemetrie erfaßt. Da die beobachtet werden. Sie nutzte dabei sowohl stellt. Die Hälfte der Fallenstandorte mußten Annäherung an den Ruheplatz auf maximal die Waldbestände (Erlenbruchwald, feuchter aufgrund anthropogener Störungen mehr- 50 m erfolgte, konnte die exakte Lage des Laubmischwald, Birkenbruchwald) als auch fach verlegt werden. Andere Standorte wur- Baues bzw. des Unterschlupfes nur in Einzel- die in dem Gebiet liegenden Wiesenflächen den über einen Zeitraum von zwei Jahren fällen festgestellt werden. und Gräben zum Wechsel zwischen den ver- und mehr beibehalten. In diesem Zeitraum Sowohl der Tageseinstand als auch die an- schiedenen Jagdgebieten. Ein zweites Ein- standen die Fallen an 5 646 Fangtagen fän- schließenden nächtlichen Aktivitäten wurden standsgebiet, welches von der Otterfähe gig (1 Fangtag = 1 Falle steht 1 Tag fängig). zweimal im Januar 1993 und fünfmal im Fe- ebenfalls genutzt wurde, lag nördlich des Die Fallen wurden täglich mittels Funksender bruar 1993 erfaßt. In diesen Fällen erfolgte Bruchgebietes und war von diesem durch (Fa. GFT, Bordesholm) abgehört und regel- somit eine 24 h-Beobachtung des Otters. Die eine Wasserscheide getrennt. Hierbei handel- mäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit hin über- Dauer der kontinuierlichen nächtlichen Pei- te es sich um einen 31 ha großen See im Be- prüft. Unregelmäßig wurden die Fallen mit lungen betrugen während dem Großteil der reich des geplanten Naturschutzgebietes Otterkot, Fisch bzw. verschiedenen Duftstof- Beobachtung mehr als 10 Stunden, so daß „Demener Rinne“, welcher durch ausge- fen beködert. Es zeigte sich jedoch keine po- insgesamt über 340 Stunden an Telemetrie- dehnte Schilfbestände und Weidengebüsche sitive Beeinflussung des Fangergebnisses. daten eines einzelnen Otters zusammen ka- charakterisiert ist. Der See steht über einen Neben unbeabsichtigten Beifängen (15 x men. Graben mit mehreren anschließenden Seen Mink, 1 x Iltis, 1 x Dachs) konnte am Nachdem der Klebesender der Otterfähe ab- und dem Mittellauf der Warnow in Verbin- 30.12.1992 und am 8.5.1993 jeweils ein Ot- gefallen und die Signale des Implantatsen- dung. Obwohl der Fähe keine direkte Wan- ter gefangen werden. Die Tiere wurden ders schwächer geworden waren, brach der dermöglichkeit entlang eines Gewässers oder CARINA VOGEL: ERGEBNISSE TELEMETRISCHER UNTERSUCHUNGEN AN EINEM FISCHOTTER LUTRA LUTRA L., 1758 IN MECKLENBURG-VORPOMMERN 99

Feuchtgebietes zur Verfügung stand, wech- tergang (frühestens 18.30 Uhr, spätestens Von den hier vorherrschenden Einzelhöfen selte sie regelmäßig zwischen beiden Ein- 1.35 Uhr) und kehrte spätestens zu Sonnen- und kleinen Dörfern sind nur geringe Störun- standsgebieten. Die Wechsel erfolgten jede aufgang (7.00 Uhr) in den Tageseinstand gen und Eingriffe in den Uferbereich der zweite oder dritte Nacht; in einem Fall konn- zurück. Während der Nacht war die gesamte Warnow und damit den Lebensraum des Ot- te das Hin- und Zurückwechseln im Verlaufe Aktivitätszeit auf 1 bis 4 einzelne Aktivitäts- ters zu erwarten. Direkt an das Flußufer gren- ein und derselben Nacht nachgewiesen wer- phasen verteilt, wobei aber nur Daten aus 21 zen Feuchtweiden, Kohldistelwiesen und den. Die von der Fähe genutzten Pfade von 34 Telemetrienächten berücksichtigt Hochstaudenfluren, so daß sich überall ein konnten hierbei nicht genau bestimmt wer- werden konnten. Die erste Aktivitätsphase mindestens 8 m breiter ungenutzter Streifen den, doch liegen zwischen beiden Einstands- begann meist vor Mitternacht, worauf eine zwischen Fluß und Nutzfläche befindet. gebieten mindestens 1000 m, welche der Ruhephase von 1 bis 4 Stunden folgt. In der Die zur Feindvermeidung, Migration und Otter im günstigsten Falle über einen Acker zweiten Nachthälfte kam es zu weiteren Ak- Fortpflanzung wichtige Deckung der Vegeta- und entlang eines Weges bzw. durch kleine- tivitätsphasen und teilweise zum Wechsel des tion im Lebensraum der telemetrierten Otter- re Waldstreifen zu überwinden hatte. Das ge- Einstandsgebietes. fähe wurde nach dem Verfahren von samte Streifgebiet, in welchem die Otterfähe MÜHLENBERG (1989) untersucht. Hier zeig- mindestens einmal gepeilt werden konnte, 4. Weitere te sich, daß wie erwartet Röhricht- und betrug nach der Minimum-Convex-Polygon- Untersuchungen Schilfbestände den besten (Sicht-)Schutz bie- Methode 450 ha. Hierbei hielt sich der Otter ten. Schilfröhricht scheint allein durch seinen während 60 % der Nächte im rund 85 ha Neben der Erfassung der räumlichen und dichten Wuchs, seine flächenhafte Ausdeh- großen nördlichen Einstandsgebiet auf und zeitlichen Aktivität der Otterfähe wurden im nung und seine Wuchshöhe einen herausra- während 27 % der Nächte im 59 ha großen Untersuchungsgebiet mehrere Kartierungen genden Wert als deckungsbietende Vegetati- südlichen Einstandsgebiet. Während 13 % durchgeführt. Eine systematische Suche ent- onsform für den Otter zu haben. Es prägt der Beobachtungsnächte konnte der Aufent- lang der Warnow erbrachte im Winter auch die Hauptaufenthaltsorte des Otters im haltsort nicht bestimmt werden. Innerhalb 1992/93 weitere Nachweise des Fischotters, nördlichen Einstandsgebiet. In Niedersachsen der Einstandsgebiete bevorzugte die Otter- welche sich entlang des gesamten Flußlaufes fand TRABOLD (1980) an vom Otter besie- fähe bestimmte Bereiche zur nächtlichen verteilten. Im Frühjahr und Sommer 1994 delten Gewässern ebenfalls einen höheren Jagd; in jedem der beiden Gebiete ließen sich wurde im Einstandsgebiet der telemetrierten Anteil an horizontaler und vertikaler Über- mehrere solcher „Jagdgebiete“ abgrenzen. Otterfähe eine am CIR-Biotoptypenschlüssel deckung durch Gehölze sowie Schilfgürtel des Landes Mecklenburg-Vorpommern ori- und Brachflächen. 3. Tageseinstände entierte Biotoptypen-Kartierung durchge- An 24 bzw. 28 ausgewählten Kontrollpunk- und Aktivitätsphasen führt sowie die Flächennutzung entlang eines ten entlang der Fluß- und Seenufer wurden an das Gebiet anschließenden 30 km langen zudem über einen Zeitraum von 10 Monaten Während der zwei Beobachtungsmonate Warnowabschnittes erfaßt. regelmäßig alle Otternachweise erfaßt, wo- konnten neun Tageseinstände durch Kreuz- Rund ein Viertel der Vegetationsbestände im bei hier neben der arttypischen Losung auch peilung bestimmt werden. Ein Wechsel der Lebensraum der Otterfähe zählen zu den Trittsiegel und die Kombination aus Trittsie- Ruheplätze während des Tages konnte nicht nach § 2 des Mecklenburg-Vorpommerschen gel, Losung und Scharrhügel Eingang fan- festgestellt werden. Die Tageseinstände wur- Landesnaturschutzgesetzes geschützten Bio- den. Es wurde eine jahreszeitliche Dynamik den meist in Zusammenhang mit dem nächt- topen. Den größten Teil hiervon bilden die der Nachweishäufigkeit mit einer Zunahme lichen Wechsel von einem Einstandsgebiet in Seen mit ihren Uferbereichen (31 %) sowie in den Wintermonaten festgestellt. das andere verlegt; ein solcher Wechsel die Niedermoorflächen (27 %). Daneben Die Häufigkeit und Verteilung von anthropo- konnte während des Januars 1993 fast jede kommen Erlen-, Birken- und Erlen-Eschen- genen Störungen am Gewässer wurde eben- Nacht festgestellt werden, während die Fähe Bruchwälder vor (20 %). Grünlandflächen, falls anhand festgelegter Kontrollpunkte und im Februar 1993 relativ ortstreu war. hauptsächlich aufgelassene Feuchtwiesen im Kontrollstrecken über ein ganzes Jahr hinweg 37 % der Beobachtungen im Tageseinstand Bereich des Dannhusener Sees, machen dokumentiert. Hierbei ergaben sich in den beziehen sich auf ein und denselben Ruhe- 11 % der Fläche aus. Zeiten, zu welchen der Otter am ehesten ak- platz: Hier hatte die Fähe im Bereich einer zu- Das Warnowtal im untersuchten Abschnitt tiv ist, nur geringe Störungen durch Men- sammengebrochenen Bootshütte ihr Lager. stellt sich als mäßig intensiv genutzt dar. In- schen (v.a. Angler, PKW, Camper bzw. Ba- Der anfangs in einem Meliorationsgraben an nerhalb eines 2 km breiten Bandes entlang dende). Die Störungen beschränkten sich im der Warnow gefundene Bisambau wurde, des Flusses wird der überwiegende Teil der Winterhalbjahr fast ausschließlich auf die nachdem die telemetrierte Otterfähe das Ge- Flächen als Grünland (28 %), Ackerland Mittagsstunden, während sie im Sommer- biet verlassen hatte, noch von mindestens ei- (21 %) bzw. als Wald genutzt (35 %). Bra- halbjahr auch bis in die Nacht hinein am Ge- nem weiteren Otter genutzt. cheflächen in Flußnähe machen knapp 11 % wässer vorkamen (Nachtbadende, Boote, Die telemetrierte Otterfähe begann ihre aus, während nur etwa 5 % der Fläche von Camper, Nachtangler). Inwieweit der Otter nächtlichen Ativitäten stets nach Sonnenun- Siedlungsflächen eingenommen werden. sich auf diese Störungen einstellen kann, wurde nicht ermittelt. 5. Diskussion Leider konnte trotz intensiver Anstrengun- gen über einen Zeitraum von immerhin 3 1/4 Jahren hinweg außer den beiden erwähnten Tieren kein weiterer Otter gefangen werden. Obwohl die Otter die Lebendkastenfallen im Laufe der Zeit mittels Losung markierten und diese sogar überkletterten, konnten sie im Gegensatz zu den Erfahrungen in Polen (SI- KORA 1995) selbst durch Witterung (Otter- kot, Fisch, weitere Geruchstoffe) nicht zum Betreten der Fallen animiert werden. Bei den im Dezember 1992 und Mai 1993 gefange- Abb. 1 nen Ottern könnte es sich um durchwan- Aktivitätsphasen eines weiblichen Otters pro Nacht im Februar 1993 dernde bzw. „ortsunkundige“ Einzeltiere ge- 100 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

handelt haben, welche die Fallen nicht als Otters entsprechen die hier gemachten Er- to gather facts about the habitat use and Fremdkörper einstuften und sie entspre- gebnisse den Angaben bei ROY (1991), der home-range of otters in an 75 km2 area with chend unvoreingenommen betraten. Im Fal- Aktivitätsbeginn war jedoch zeitlich nicht so small streams, creeks and ditches, which le der Otterfähe waren dem Fang mehrere eng an den Sonnenuntergang gebunden, wie were connected with lakes and ponds (Meck- sehr kalte Frosttage vorausgegangen, so daß dies GREEN et al. (1984) bei freilebenden Ot- lenburg Lake Area). In order to capture free- im weiten Umkreis alle Seen, Bäche und Grä- tern in Schottland und STUBBE, A. et al. ranging otters, six wooden traps and four ben zugefroren waren und nur am Standort (1993) bei Gehegetieren fanden, sondern wire traps as well as two wooden trap-boxes der Falle, unter einer Brücke, noch offene entsprachen eher den Erfahrungen BECKERs and one wire tubular trap were set up at vary- Wasserflächen zu finden waren. Zudem ist (1985), welcher bei Gehegeottern im Bayeri- ing trapsites lokated under bridges near the bekannt, daß Otter bei zugefrorenen Was- schen Wald eine größere Schwankungsbreite river or in small ditsches. The traps weren`t serflächen vermehrt (ab)wandern (ERLINGE der Zeiten des Aktivitätsbeginns feststellte. baited. Two otters were captured at Decem- 1968). Auch von subadulten Otterrüden Störungen durch den teilweise starken Kraft- ber 30, 1992 and at May 8, 1993. Both ot- weiß man, daß sie nach Auflösung des Fami- fahrzeugverkehr an Teilabschnitten der War- ters were fitted with implantation radio trans- lienverbandes große Strecken abwandern now wirkten sich nicht erkenntlich negativ mitters and with neck-fitted transmitters, but können (ERLINGE 1968; JENKINS 1980). auf den Otter aus. Sofern dem Otter ein Un- only from one otter datas could be obtained. Zum Zeitpunkt des Fanges der beiden Otter terqueren von Brückenbauwerken möglich This otter could be monitored nearly contin- war nachweisbar noch mindestens ein weite- ist, kann er diese mühelos kreuzen. Nach uously for a period of two month. The otter rer Otter am jeweiligen Fangort. dem Abriß und Neubau einer relativ häufig used habitat in two disconnected areas, se- Das Gesamtstreifgebiet der Otterfähe be- frequentierten Warnowbrücke im Untersu- parated by a watershed. The time budget stand aus zwei durch eine Wasserscheide ge- chungsgebiet zeigte sich, daß der Otter nach and activity pattern of the otter was monitor- trennte Aufenthaltsgebieten. Zum Wechsel mehreren Wochen dieses Bauwerk auf einge- ed. Further surveys as regard current land von einem ins andere Gebiet nutzte die Fähe brachten Steinschwellen wieder regelmäßig use, human disturbances and a biotope mon- die jeweils kürzeste Überlandstrecke und unterquerte und dort auch wie zuvor mar- itoring were part of the study. querte dabei Acker, Wald und Offenland. kierte. Dem vor allem im Sommerhalbjahr Ähnliches fand ROY (1991) bei einem Ot- stark ansteigenden Bade- und Angelbetrieb Literatur BECKER, R. 1985: Ermittlungen zur Aktivitätsperiodik terrüden. Im Gegensatz zu dieser Autorin, scheint sich der Otter durch zeitliches Ver- des Fischotters Lutra lutra L. -Säugetierkundliche Mit- welche den Aufenthaltsraum des Otters als meidungsverhalten anzupassen (vgl. ROY teilungen 32: 265 - 279 Wegenetz beschreibt, konnte in der vorlie- 1991). ERLINGE, S. 1968: Territoriality of the Otter Lutra lutra L. -Oikos 19: 81- 98 genden Untersuchung gezeigt werden, daß Die Beobachtungen legen nahe, daß beim GREEN, J.; GREEN, R.; JEFFERIES, D.J. 1984: A Radio- die Otterfähe ihr Aufenthaltsgebiet flächig Otter die Toleranz gegenüber Störungen in Tracking Survey of Otters Lutra lutra on an Perthshire nutzt und hierbei verschiedene Jagdgebiete optimalen Habitaten am größten ist. Wo ver- River System. -Lutra 27: 85- 145 hat. Die Bedeutung des „Hinterlandes“ für mehrt menschliche Störungen auftreten, JENKINS, D. 1980: Ecology of Otters in northern Scot- land. I. Otter (Lutra lutra) breeding and dispersion in den Otter zeigt sich auch im Falle der tele- steigt dementsprechend die Bedeutung von mid-Deeside, Aberdeenshire in 1974-1979. -Animal metrierten Otterfähe. Ihr Lebensraum am Rückzugsgebieten mit ausreichenden Ver- Ecology 49: 713-739 Dannhusener See bestand zum Großteil aus stecken für den Otter. KRANZ, A. 1993: Ein Jahr danach... erste Ergebnisse des Fischotter-Forschungsprojekts im Waldviertel. - ungestörten Bereichen wie Wasserflächen, Insgesamt betrachtet, scheint der Otter in ei- Österreichs Weidwerk 1: 18-20 feuchten Uferbereichen mit Schilf, Weiden- ner Landschaft, welche neben nahrungsrei- MÜHLENBERG, M. 1989: Freilandökologie. Heidel- gebüsch und Bruchwäldern sowie Feucht- chen (Fließ-)Gewässern auch eine ausrei- berg. -430 S. REUTHER, C. 1993: Lutra lutra (Linnaeus, 1758) - grünland und Nebengewässern. chend große und gut vernetzte Fläche von Fischotter. In: NIETHAMMER, J.; KRAPP, F. Die Gründe für den Wechsel des Haupt- störungsarmen bzw. -freien Rückzugsräu- Hrsg.1993: Handbuch der Säugetiere Europas. Bd. aufenthaltsgebietes können in der Verfüg- men in Feuchtgebieten, Bruchwäldern etc. 5/II. Wiesbaden: 907- 961 ROY, A. 1991: Untersuchung zur Habitatnutzung barkeit von Nahrung bzw. eisfreien, offenen aufweist, eine gute Überlebens- und Repro- zweier Fischotter (Lutra lutra L.) auf der norwegischen Wasserflächen zu suchen sein (vgl. REUTHER duktionschance zu besitzen, da über den ge- Insel Vega. Diplomarbeit Univ. Osnabrück. 156 S. 1993). Es wäre denkbar, daß die Fähe das ge- samten Untersuchungszeitraum Nachweise ROY, A. 1992: Zur Habitatnutzung des Fischotters Lutra lutra (L.) an der norwegischen Küste. In: Semia- samte Streifgebiet relativ regelmäßig nach von Jungtieren erbracht werden konnten. quatische Säugetiere. Wiss. Beitr. Univ. Halle 1992: Nahrung absucht, wobei sie nach wenigen Gefahren drohen dem Otter vor allem durch 357-363 Tagen das Jagdgebiet bzw. das Einstandsge- Verkleinerung, Zerschneidung und Verinse- SIKORA, N. S. 1995: Lebendfang des Fischotters Lutra biet wechselte. lung seiner ungestörten Lebensräume; die lutra (Linne 1758) in Polen. In: STUBBE, M.; STUBBE, A.; HEIDECKE, D. Hrsg.: Methoden der feldökologi- Zwei Drittel der Tageseinstände der Fähe la- Verluste durch Straßenverkehr und Reusen- schen Säugetierforschung. Wiss. Beitr. Univ. Halle: 173 gen, wie von GREEN et al. (1984) und ROY beifänge nehmen zu. 185 (1991) beschrieben, in unmittelbarer Gewäs- STUBBE, A.; JORGA, W.; SCHIPKE, R. 1993: Activity of the otter Lutra lutra (L., 1758 in captivity and in the sernähe. Alle anderen Einstände befanden 6. Summary field. -Tiere im Konflikt 1: 69- 84 sich in einem Bruchwald, rund 100 bis 150 m TRABOLD, W. 1980: Die Bedeutung des Wald- und vom nächsten Graben entfernt. Die Abstän- From 1992 until 1995 the German Campaign Gehölzbewuchses für den Fischotter (Lutra lutra) an niedersächsischen Fließgewässern und Vorschläge zu de zwischen den einzelnen Tagesruheplätzen for the Protection of Otters, Hankensbüttel, forstlichen Maßnahmen zur Förderung des Otterbe- streuen mit 160 m bis 2300 m weiter als bei realised a research project on freeranging ot- standes. Ingenieurarbeit FH Hildesheim/Holzminden. - REUTHER (1993) beschrieben. Sie wurden ters in Mecklenburg-Western . Göttingen. -59 S. von der Otterfähe weit seltener verlegt, als The study was funded by the Karl-Kaus-Me- dies GREEN et al. (1984), ROY (1991; 1992) morial-Fund, Hamburg on relief of the Mini- Verfasserin und KRANZ (1993) in ihren Untersuchungen stry of Environment of Mecklenburg-West- Carina Vogel festgestellt haben. ern Pomerania and carried out by radio tele- Mühlenkamp In bezug auf die strikte Nachtaktivität des metry. The aims of the research project were D–19348 Berge NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 101

DIETRICH DOLCH, JENS TEUBNER, JANA TEUBNER Haupttodesursachen des Fischotters – Lutra lutra (L.,1758) im Land Brandenburg in der Zeit von 1990 bis 1994 [POSTER]

Schlagworte: Fischotter (Lutra lutra), Gefährdung, Todesursachen, Fischotterschutz Key words: European Otter (Lutra lutra), endangering, causes of death, protection of otters

Der Fischotter kommt in Mitteleuropa heute bergen, da sie über die Naturschutzstation BINNER, U. 1994: Die Verbreitung des Fischotters (Lu- nur noch in Restpopulationen vor, deren Ver- Zippelsförde als die im Land Brandenburg für tra lutra L.) in Mecklenburg-Vorpommern 1993/94. - Hrsg. Umweltministerium des Landes Mecklenburg- bindungen untereinander infolge anthropo- Säugetierschutz verantwortliche Einrichtung Vorpommern. -113 S. gener Landschaftsveränderungen mehr und des Landesumweltamtes gesammelt und in DOLCH, D.; TEUBNER, J. u. TEUBNER, J. 1992: Der mehr abreißen. Zusammenarbeit u. a. mit dem Zoologischen Fischotter im Land Brandenburg. -Habitat 7: 99-102 DOLCH, D.; TEUBNER, J. u. TEUBNER, J. 1993: Der Er gehört daher in Europa zu den am meisten Institut der Martin-Luther-Universität Halle Fischotter im Land Brandenburg. -Naturschutz und gefährdeten Säugetierarten. einer zentralen Totfundauswertung zuge- Landschaftspflege in Brandenburg 2 (1): 33-37 In der Bundesrepublik Deutschland gibt es führt werden, die vor allem auch wichtige HEIDEMANN, G. 1992: Keine Chance für den Otter in Schleswig-Holstein?. -Habitat 7: 65-68 großflächige Vorkommen nur noch in Bran- Daten für weitere Schutzmaßnahmen liefert. KÖRBEL, O. 1993: Vermeidung der durch den denburg (DOLCH et al. 1992) und Mecklen- An dieser Stelle sei den Herren Prof. Dr. M. Straßenverkehr bedingten Verluste von Fischottern burg-Vorpommern (BINNER 1994, LABES Stubbe und Dr. D. Heidecke vom Zoologi- (Lutra lutra). Hrsg. Bundesministerium für Verkehr. - 1992), mit Einschränkung in Sachsen (KU- schen Institut sowie den Präparatoren Herrn Hankensbüttel. -104 S. KUBASCH, H. 1992: Otterschutz in Sachsen. -Habitat BASCH 1992). Restbestände von oft vermut- Altner und Herrn Kümmel für die gute Zu- 7: 109-112 lich nur wenigen Tieren kommen in Sachsen- sammenarbeit bei der Bearbeitung und Aus- LABES, R. 1992: Otterschutz in Mecklenburg-Vor- Anhalt, Niedersachsen (BINNER 1992), Schles- wertung der Totfunde herzlich gedankt. pommern. -Habitat 7: 69-72 MAU. H. 1992: Das Artenhilfsprogramm „Fischotter“ wig-Holstein (HEIDEMANN 1992) und Bayern Dem Land Brandenburg kommt, bedingt des bayerischen Staatsministeriums für Landesent- (MAU 1992) vor. Im übrigen Bundesgebiet ist durch sein fast flächendeckendes Ottervor- wicklung und Umweltfragen und der Regierung von der Otter ausgerottet worden. In erster Linie kommen, eine besondere Bedeutung für das Niederbayern. -Habitat 7: 105-108 REUTHER, C. u. FESTETICS, A. (eds.) 1980: Der durch Veränderung der Umwelt, wie Zersied- Überleben der Art in Mitteleuropa zu! Fischotter in Europa. – Verbreitung, Bedrohung, Erhal- lung und Zerschneidung großer zusammen- Die Entwicklung, gerade auch in den alten tung. Selbstverlag, Oderhaus & Göttingen hängender geeigneter Lebensräume, verbun- Bundesländern, hat gezeigt, daß trotz Schutz RÖCHERT, R. u. REUTHER, C. 1991: Fischreusen – Tödliche Fallen für Fischotter. -Information der AKTI- den mit Schadstoffbelastung. Neben diesen in- die Bildung von isolierten Vorkommen und ON FISCHOTTERSCHUTZ e.V. -Hankensbüttel. -20 S. direkten Gründen spielen aber nach wie vor letztendlich die Ausrottung des Otters unaus- STUBBE, M. u. HEIDECKE, D. 1991: Die Verbreitung auch direkt anthropogen bedingte Verlustursa- weichlich ist, wenn nicht großflächige, unzer- des Fischotters in den östlichen Ländern Deutschlands und Ergebnisse der interdisziplinären Totfundanalytik. chen eine bedeutende Rolle (Abb. 1). Zu den schnittene Lebensräume geschützt werden. In: DOLCH, D. u. TEUBNER, J. 1991 (eds.): Fischotter- wesentlichsten zählen das Verenden in Reusen Deshalb ist es wichtigstes Anliegen des schutz in Brandenburg. Dokumentation der 1. Fachta- und der Tod auf der Straße (u.a. DOLCH et al. Fischotterschutzes in Brandenburg, das noch gung im Land Brandenburg Hrsg.: Landesumweltamt 1993, KÖRBEL 1993, REUTHER u. FESTETICS vorhandene großräumige Verbreitungsnetz Brandenburg. -Potsdam: 4-10 STUBBE, M.; HEIDECKE, D.; DOLCH, D.; TEUBNER, J.; 1980, RÖCHERT u. REUTHER 1991, STUBBE trotz weiterer wirtschaftlicher, touristischer LABES, R.; ANSORGE, H.; MAU, H. u. BLANKE, D. u. HEIDECKE 1991, STUBBE et al. 1993). und damit im Zusammenhang stehender ver- 1993: Monitoring Fischotter 1985-1991. -Tiere im Daneben treten in geringer Anzahl Verluste kehrstechnischer Erschließung zu sichern. Konflikt 1: 11-59 zum einen durch natürliche Ursachen, wie z. Dazu zählt auch der umweltverträgliche Aus- B. Pneumonie oder Kachexie, auf, zum ande- bau der Verkehrswege einschließlich otterge- Verfasser ren gibt es allerdings leider immer wieder rechter, weitlumiger Brücken über alle poten- Dr. Dietrich Dolch Meldungen von erschlagenen, erschossenen, tiellen Ottergewässer. Dipl.-Biol. Jens Teubner „geangelten“, vom Hund gestellten oder in Dipl.-Biol. Jana Teubner Tellereisen verendeten Tieren. Erst die ge- Literatur Landesumweltamt Brandenburg BINNER, U. 1992: Verbreitung des Fischotters in Nie- naue Kenntnis der Todesursachen ermöglicht dersachsen. In: REUTHER, C. (eds.): Otterschutz in Naturschutzstation Zippelsförde eine erfolgversprechende Einflußnahme. Deutschland. -Habitat 7: 81-83 D–16827 Alt Ruppin Infolge des gestiegenen individuellen Ver- kehrsaufkommens und der Umverteilung des Gütertransports von der Schiene auf die Straße auch im Land Brandenburg ist es seit 1990 zu einem dramatischen Anstieg der Verkehrsopfer um 500 % (!) gekommen, der weiterhin anhält. Ein besonders hohes Risiko bilden dabei Straßen, die ein Gewässer kreu- zen, vom Fischotter aber nicht unterquert werden können (z. B. an Rohrdurchlässen und Wehren). Da schon in der Vergangenheit – bei wesentlich weniger Reusen- und Ver- kehrsopfern – der Nachwuchs die Verluste teilweise nicht ausgleichen konnte, ist eine weitere rückläufige Entwicklung der Fischot- tervorkommen zu befürchten. Abb. 1 Totfunde dieser Art sind daher umgehend zu Haupttodesursachen des Fischotters in Brandenburg 102 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

JENS TEUBNER, JANA TEUBNER, DIETRICH DOLCH Vorstellungen zur Entwicklung eines Fisch- reusentyps für den Fischotterschutz [POSTER]

Schlagworte: Fischotter (Lutra lutra), Gefährdung, Fischotterschutz, Fischreusen Key words: European Otter (Lutra lutra), endangering, protection of otters, fish traps

Neben dem Straßenverkehr gehören Fisch- Bedeutung ist. Erfahrungen von dänischen Fi- oben offene Fangkammer wieder herausklet- reusen heute zu den häufigsten Todesursa- schern und erste Untersuchungen von deut- tern. chen beim Fischotter (u. a. DOLCH et al. schen Binnenfischern belegen bei Einsatz der Obwohl der Einsatz einer solchen Reuse ei- 1993, REUTHER u. FESTETICS 1980, Gitter hinsichtlich größerer Fische einen ein- nen gewissen zeitlichen Mehraufwand für RÖCHERT u. REUTHER 1991, STUBBE u. geschränkten Fangertrag (MADSEN 1991). den Fischer zur Folge hat, so besteht doch ein HEIDECKE 1991). Von der Naturschutzstation Zippelsförde des Vorteil neben der Gewährleistung des vollen Während die Netze der Reusen zu früheren Landesumweltamtes Brandenburg wurde Fangertrages auch in der besseren Hälterung Zeiten aus pflanzlichen Garnen, beispielswei- nun gemeinsam mit Fischereiwissenschaft- der großen Fische in der kumartigen Fang- se Hanf, geknüpft waren und ein hineingera- lern und -praktikern eine Reuse zur Vermei- kammer als Voraussetzung für eine qualitativ tener Otter sich meist hindurchbeißen und dung von Reusenopfern bei gleichzeitiger hochwertige kommerzielle Nutzung. Die An- entkommen konnte, gibt es aus den heute Berücksichtigung der Belange der Fischerei wendung dieser „kombinierten Kumreuse verwendeten Kunststoffreusen für die Tiere entwickelt und befindet sich im zweiten Jahr mit eingebautem Otterschutzgitter“ dürfte kein Entrinnen mehr. Deshalb suchten bereits der Erprobung. Grundlage bildet ein schon daher sowohl von Seiten des Naturschutzes Fischer und Naturschützer aus verschiedenen seit längerer Zeit in der Küstenfischerei ein- als auch der Fischerei einen annehmbaren Ländern, u.a. aus Großbritannien, Dänemark gesetzter Großreusentyp, die kombinierte Kompromiß darstellen. und Deutschland, gemeinsam nach einer Lö- Kumreuse. sung zur Verhinderung des Reusentodes von Sie vereinigt das Prinzip zweier verschiedener Ottern (JEFFERIES et al. 1984, MADSEN Reusen – der Kumreuse und der Bügelreuse – Literatur DOLCH, D.; TEUBNER, J. u. TEUBNER, J. 1993: Der 1991, MAERZ u. MEYER 1989, RÖCHERT u. in einem Gerät und gestattet als Fanggerät Fischotter im Land Brandenburg. -Natursch. u. Land- REUTHER 1991, THE VINCENT WILDLIFE für kleinere bis mittlere Seen im Flachwasser- schaftspflege i. Brand. 2 (1): 33-37 TRUST 1988). Verschiedene Typen von Reu- bereich sowohl den Einsatz beim Fang einer JEFFERIES, D. J. 1989: Further records of fyke net and creel deaths in British otters (Lutra lutra) with a discus- sengittern, die in der Einstiegskehle einer bestimmten Fischart (z. B. Aal) als auch die sion on the use of guards. -Otters, The Journal of the Reuse eingenäht werden und so verhindern, Verwendung beim Mischfang, bei dem keine Otter Trust 2: 13-20 daß der Otter durch den ersten Kehldurchlaß Fischart eine dominierende Rolle spielt. Die JEFFERIES, D. J.; GREEN, J. u. GREEN, R. 1984: Com- in die Reuse gelangen kann, wurden ent- kumartige Fangkammer ist mit einem Boden- mercial fish and crustacean traps: a serious cause of ot- ter Lutra lutra (L.) mortality in Britain and Europe. -The wickelt und erprobt. Einige Gittertypen – an- netz versehen, das am Untersim der Kum- Vincent Wildlife Trust. -London gewendet für Reusen mit Schwerpunkt Aal- wand mit dieser fest verbunden ist und zum MADSEN, A. B. 1986: Oddere og Aleruser. -Informa- fang – erwiesen sich als gut geeignet und Zwecke der Entnahme der großen Fische tionsschrift der Organisation „Foreningen til Dyrenes Beskyttelse i Danmark“. -Frederiksberg brachten gleiche oder nur geringfügig kleine- hochgezogen wird. MADSEN, A. B. 1991: Otter (Lutra lutra) mortalities in re Aalerträge als Reusen ohne „Ottersiche- Durch ein in die zweite Kehle eingearbeitetes fish traps and experiences with using stop-grids in rung“ (JEFFERIES 1989, MADSEN 1986, Reusengitter mit Kantenlänge der Durchlässe Denmark. In: REUTHER, C.; RÖCHERT, R. (eds.): Pro- ceedings of the V. International Otter Colloquium. - MADSEN 1991). Problematisch erwiesen sich von 85 mm wird bei Gewährleistung des Aal- Habitat 6: 237-241 die Reusengitter allerdings in den Regionen, fanges ein Eindringen des Otters in die Bü- MAERZ, O. u. MEYER, R. 1989: Fischotterschutz in der in denen neben dem Aal auch der Ertrag an gelreuse verhindert. So kann der Otter zwar Reusenfischerei. In: STUBBE, M. 1989: Populationsö- kologie marderartiger Säugetiere. Bd. 1. Wissenschaft- hochrückigen Edelfischen von wirtschaftlicher in den Kum gelangen, aber durch die nach liche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg, 1989/37 (P 39): 283-287 REUTHER, C. u. FESTETICS, A. (eds.) 1980: Der Fischotter in Europa. – Verbreitung, Bedrohung, Erhal- tung. Selbstverlag, Oderhaus & Göttingen RÖCHERT, R. u. REUTHER, C. 1991: Fischreusen – Steert Tödliche Fallen für Fischotter – Information der AKTI- ON FISCHOTTERSCHUTZ e.V. -Hankensbüttel 85 STUBBE, M. u. HEIDECKE, D. 1991: Die Verbreitung des Fischotters in den östlichen Ländern Deutschlands 85 Kum und Ergebnisse der interdisziplinären Totfundanalytik. (mit Boden) In: DOLCH, D. u. TEUBNER, J. 1991 (eds.): Fischotter- Das Reusengitter vom Typ 5 mit schutz in Brandenburg. Dokumentation der 1. Fachta- Abmessungen gung im Land Brandenburg. -Hrsg.: Landesumweltamt Brandenburg. -Potsdam: 4-10 THE VINCENT WILDLIFE TRUST 1988: The effects of otter guards on the fishing efficiency of eel fyke nets. - The Vincent Wildlife Trust. -London

Rückfang Abb. 1 (Koppel) Darstellung Verfasser des neuen Dipl.-Biol. Jens Teubner Fischreusen- Dipl.-Biol. Jana Teubner Schwanz typs, der das Dr. Dietrich Dolch Prinzip von Wehr Kumreuse und Landesumweltamt Brandenburg, Bügelreuse in Naturschutzstation Zippelsförde sich vereint. D–16827 Alt Ruppin NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 103

OLAF ZINKE Fischotterverluste in der Westlausitz und angrenzenden Gebieten in den Jahren 1985 bis 1995

Schlagworte: Fischotter (Lutra lutra), Totfunde, Verlustursachen, Westlausitz

1. Einleitung Oberlausitzkreis insgesamt 136 Fischotter- chen zum Opfer. Verluste unbekannter Ursa- totfunde in das Museum der Westlausitz Ka- che weisen mit 6,7 % einen geringen Anteil Eine wichtige Voraussetzung für den erfolg- menz eingeliefert. Die Erfassung der Totfun- auf. reichen Schutz bedrohter Tierarten ist die ge- de erfolgte über die Naturschutz- und Jagd- naue Kenntnis von Verlust- und Gefähr- behörden der Kreise, einen festen Stamm eh- Der Straßenverkehr ist die bedeutendste Ver- dungsursachen. Das Museum der Westlau- renamtlicher Mitarbeiter sowie in einigen Fäl- lustursache im gesamten Untersuchungszeit- sitz Kamenz widmet sich in seiner Funktion len über zufällige Informationen aus der Be- raum (siehe Abb. 1). Die stark gestiegene als Sammelstelle für Totfunde vom Ausster- völkerung. Zahl der Fischottertotfunde in den letzten ben bedrohter Wirbeltierarten des Regie- Nach Vorbericht und Kenntnis der genauen Jahren wird von den Straßenverkehrsopfern rungsbezirkes Dresden in besonderem Maße Fundumstände wurde die Todesursache für bestimmt. Der Vergleich der Zeiträume 1985 der wissenschaftlichen Erfassung und Bear- jeden Einzelfall durch makroskopische Sekti- bis 1989 und 1990 bis 1995 (siehe Abb. 2) beitung von Fischottertotfunden. Im Vorder- on ermittelt. In kritischen Fällen und bei Ver- zeigt einen Anstieg um 20 % für diese Ver- grund der Arbeit steht dabei die möglichst dacht auf Erkrankung als Todesursache er- lustgruppe. In der letzten Periode des Unter- exakte Analyse der Verlustursachen als folgte zusätzlich eine veterinärpathologische suchungszeitraumes waren vier von fünf Grundlage langfristiger Vermeidung anthro- Untersuchung. Fischottertotfunden Verluste durch Straßen- pogener Verluste. verkehr. Die Wahrscheinlichkeit im Straßen- 3. Ergebnisse verkehr getötet zu werden, ist für Fischotter 2. Material und Methode in den Monaten September bis Dezember am Für die erfaßten 136 Fischottertotfunde kön- größten (siehe Abb. 3). Im Oktober wird das Im Zeitraum 1985 bis 1995 wurden aus den nen insgesamt 8 Verlustursachen angegeben Maximum an Straßenverkehrsopfern regi- Landkreisen Kamenz, Riesa-Großenhain, werden (s. Tab. 1). Fast 90 % der untersuch- striert. Das Geschlechterverhältnis der Ver- Bautzen sowie dem Niederschlesischen ten Fischotter fielen anthropogenen Ursa- kehrsopfer ist mit 1,15 : 1 (59 Männchen : 51 Weibchen) relativ ausgeglichen. Die Jagd ist mit 4,4 % unter den bekannten Verlustursachen die zweitwichtigste. Verluste durch Jagdausübung sind bis in das letzte Jahr der Untersuchung nachweisbar. Ausge- hend von einer sehr hohen Dunkelziffer durch Verschweigen illegaler Jagdopfer, ist die Jagd nach wie vor eine bedeutende an- thropogene Mortalitätsquelle. Innerhalb die- ser Verlustursache sind drei verschiedene Ar- ten der Jagdausübung bedeutsam. 3 Fischot- ter wurden in Fallen gefangen, 2 mit Schrot geschossen und ein Jungtier von einem stö- bernden Jagdhund getötet. Es wurden nur Männchen als Jagdopfer gefunden. Natürliche Verluste (siehe Tab. 2) sind auf Grund geringer Fundwahrscheinlichkeit un- terrepräsentiert. Es wurden keine epidemio- logisch bedeutsamen Erkrankungen regi- striert. 4. Schlußfolgerungen Abb. 1 Trend der registrierten Anzahl von Verkehrsopfern des Fischotters in der Westlausitz 1985 bis 1995 Aus den Ergebnissen der vorliegenden Tot- fundanalyse ergeben sich drei wichtige Schlußfolgerungen für den Schutz des euro- Tabelle 2: Art der natürlichen Fischotterverluste in der Westlausitz paweit vom Aussterben bedrohten Fischot- ters: sex Alter Verlustursache Befund - langfristige Vermeidung und Verminde- rung der durch Verkehrs-Trassen hervor- weiblich adult Winter unter dem Eis ertrunken gerufenen Zerschneidungseffekte weiblich subadult Erkrankung Leberlappentorsion - kompromißloser Verzicht durch die Jagd- männlich adult Erkrankung Nierensteine männlich adult Erkrankung chronisch-produktive Pneumonie gesetzgebung auf vom Aussterben be- männlich adult Erkrankung Sepsis nach Zahn- und Kieferverletzung drohte Arten, wie den Fischotter männlich juvenil Prädator von Greifvogel gegriffen - eindeutig durch Gesetz geregelte Abga- bepflicht für Totfunde vom Aussterben 104 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

bedrohter Arten als Grundlage einer Literatur ZINKE, O. 1991: Die Todesursachen der im Museum langfristigen Kontrolle der Entwicklung der Westlausitz Kamenz von 1985-1991 eingelieferten anthropogener und natürlicher Verlustur- Fischotter Lutra lutra (L., 1758). -Veröff. Mus. West- sachen. lausitz Kamenz 15: 57-63 ZINKE, O. 1994: Ein aktueller Nachweis illegaler Beja- gung des Fischotters. -Veröff. Mus. Westlausitz Ka- 5. Summary menz 17: 90-92 There are recognized 8 casualities for at least 136 finding of otters in the western part of Upper Lusatia. The main cause of death was Verfasser road traffic with a rising tendency. Hunting as Olaf Zinke one reason for finding otters has not lost its Museum der Westlausitz Kamenz importance. There will be named essential Pulsnitzer Straße 16 conclusions for the protection of the otter. D–01917 Kamenz

Abb. 2 Vergleich der Anteile von Verkehrsopfern an den Gesamtverlusten in zwei Zeitabschnitten

Tabelle 1: Ursachen der Fisch- otterverluste in der Westlausitz

Verlustursache n %

Straßenverkehr 111 81,6 Jagd 6 4,4 Erkrankung 4 3,0 äußere Gewalt 2 1,5 Schienenverkehr 1 0,7 Vergiftung 1 0,7 Winter 1 0,7 Prädator 1 0,7 unbekannt 9 6,7 gesamt 136 100,0 Abb. 3 Saisonalität der Verkehrsverluste in der Westlausitz 1985 bis 1995

INGRID HUCHT-CIORGA Vergleichende Beobachtungen zur Habitat- nutzung von Luchsen (Lynx lynx) im Bayerischen Wald/Deutschland und im Berner Oberland/Schweiz

Schlagwörter: Luchs (Lynx lynx), Habitatnutzung, Streifgebiete, Harnmarken, Beutetiere

1. Einleitung Luchs genutzt werden. In zwei Untersu- Im folgenden werden die Ergebnisse kurz zu- chungsgebieten – im Bayerischen Wald/ sammengefaßt. Die absolute Größe der Streifgebiete frei- Deutschland 1978 bis 1983 und im Berner lebender Luchse wird sehr unterschiedlich Oberland/Schweiz 1988 bis 1992 – wurden 2. Ergebnisse angegeben. In der Literatur findet man Raumbewegungen freilebender Luchse Flächen von 10 km2 bis mehr als 1000 km2. Im durch Ausfährten ermittelt und dabei mehr 2.1 Habitatnutzung im Rahmen der Untersuchungen zur Biologie als 240 km (jeweils etwa 120 km) Luchsfähr- Mittelgebirge: Zwieseler des Luchses durch eine Arbeitsgruppe an der ten protokolliert sowie gerissene Beutetiere, Winkel im Bayerischen Wald/ Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inter- Losungen, Harnmarken und Lagerplätze der Deutschland essierte weniger die maximale Ausdehnung Luchse untersucht (Angaben zur Methodik: Der Zwieseler Winkel an der Grenze zur der Streifgebiete als vielmehr die Frage, wie ZACHARIAE et al. 1987; HUCHT-CIORGA heutigen Tschechischen Republik wird von unterschiedliche Landschaftstypen vom 1988; HUCHT-CIORGA u. MÜLLER 1996). den Bergen Arber (1 456 m), Falkenstein I. HUCHT-CIORGA: VERGLEICHENDE BEOBACHTUNGEN ZUR HABITATNUTZUNG VON LUCHSEN IM BAYERISCHEN WALD UND IM BERNER OBERLAND 105

(1 315 m) und Rachel (1 453 m) und den (Cervus elaphus) und 7,8 % Feldhasen (Le- Simmental-Jaun-Luchskuder, der die Hang- Flüssen Großer und Kleiner Regen gebildet. pus europaeus); Losungsuntersuchungen wälder des Niedersimmentales ebenso nutz- Auf einer Fläche von etwa 200 km2 lebten in zeigten, daß die Luchsnahrung im Sommer te wie die des Jauntales, und die Simmental- den Jahren 1978 bis 1983 drei erwachsene zu 74 % aus Rehen und zu 25 % aus Feldha- Luchsin, die in mehreren Jahren Junge führ- Luchse: Die Nordwest-Luchsin am Süd- und sen bestand, im Winter dagegen zu 53 % aus te. Das gesamte Streifgebiet dieser Individu- Osthang des Arber, der Falkenstein-Luchsku- Rehwild und zu 40 % aus Rotwild (HUCHT- en war mit Sicherheit erheblich größer und der am Falkenstein und die Südost-Luchsin CIORGA 1988). Das Staatliche Forstamt erstreckte sich noch weiter nach Westen bzw. an den Hängen zwischen Falkenstein und Ra- Zwiesel und private Jagdpächter unterhielten nach Osten; vermutlich hatte der Simmental- chel. Sie nutzten ihre Kerngebiete von jeweils Wildfütterungen für Rehe, Rotwild und zeit- Jaun-Luchskuder im Westen Kontakt zu einer etwa 30 km2 weitgehend exklusiv. Es ist aber weise für Schwarzwild (Sus scrofa), und zwar weiteren Luchsin, die wir aber nicht sicher bekannt, daß beide Luchsinnen gelegentlich im Tal und am Unterhang in der Nähe be- nachweisen konnten. HALLER u. BREITEN- auch in Begleitung ihrer Jungen in das Kern- fahrbarer Zugangswege. Wegen der extre- MOSER (1986) überwachten 1984 bis 1986 gebiet des Luchskuders vordrangen und daß men Schneehöhen blieben Reh- und Rotwild im selben Gebiet einen Luchskuder und eine der Falkenstein-Kuder seinerseits regelmäßig im Hochwinter möglichst nahe bei den Fut- Luchsin mit Radiotelemetrie. Das Konvex- Streifzüge nach Nordwesten bzw. Südosten terstellen. Langlaufloipen und Winterwan- Polygon der äußeren Peilpunkte umschloß unternahm (ZACHARIAE et al. 1987). Trotz- derwege in der Nähe der Wildfütterungen eine Fläche von 425 km2 für den Kuder und dem blieben – zumindest im Winter – der zwangen das Schalenwild aber, sich bei Tage 225 km2 für die Luchsin; die Größe der regel- Schwerpunkt ihrer Aktivitäten, d. h. 60 bis in deckungsreiche Einstände der näheren mäßiger begangenen Wohngebiete wurde 70 % der Risse und Tageswege, innerhalb Umgebung zurückzuziehen. Die Hang- und mit 275 km2 bzw. 96 km2 angegeben. Das dieser Kerngebiete. Erst seit ungefähr 1989, Hochlagen waren im Winter praktisch scha- Männchen wurde im April 1987 mit de- nachdem der Grenzzaun zur ehemaligen lenwildfrei. Alle im Winter gerissenen Beute- fektem Gebiß in einer Scheune eingefangen Tschechoslowakei abgebaut wurde, wechsel- tiere (neun Stück Rotwild, davon sieben Käl- und starb wenig später im Zoo (BREITEN- ten Luchse regelmäßig von dort herüber; im ber, ein Schmaltier, ein Alttier, sowie zehn MOSER mdl.). Es mußte also ein neues Landschaftsschutzgebiet Sˇumava, dem heu- Rehe und ein Feldhase), die im engeren Un- Männchen zugewandert sein. tigen Nationalpark Böhmerwald, begann tersuchungsgebiet gefunden wurden, lagen Die Luchse bewegten sich in 940 m bis 1982 ein Projekt zur Ansiedlung des Luchses am Unterhang bis 900 m. 1740 m Höhe im Bereich des schmalen, von (TRPAK 1985). Das engere Untersuchungs- Der Falkenstein-Kuder wechselte bei seinen Bächen, Lawinenschneisen und Geröllfeldern gebiet war das 33 km2 große Kerngebiet des meist nächtlichen Wegen aus den Gebieten durchbrochenen Hangwaldgürtels, der die Falkenstein-Kuders an den Hängen des mit Tagesruheplätzen am Oberhang zum Ja- Täler begleitet. Gebiete oberhalb der Baum- Großen Falkenstein (1 315 m). Der Falken- gen und Fressen in die Schalenwildeinstände grenze und die waldfreien Tallagen wurden stein ist flächendeckend bewaldet, vorwie- der Tallagen. 40 % der protokollierten Luchs- gemieden. Hangflächen mit Steigungen bis gend mit Fichten (Picea abies) und Rotbu- fährten verliefen entlang wiederholt benutz- etwa 60 % werden von den Almbauern als chen (Fagus sylvatica). Wiesen gibt es nur bei ter Weglinien, die über Wanderwege, Forst- Viehweiden genutzt; die verbleibenden be- den Dörfern im Randbereich des Massivs. Die straßen oder Bergrücken führten, weitere waldeten Flächen sind darum besonders steil, Hänge steigen mäßig steil an, maximal 20 bis 5 % verliefen parallel dazu im Abstand von oft beträgt die Hangneigung 80 bis 100 %. 25 %. Nur im oberen Hangbereich zwischen bis zu 100 m. Die restlichen 55 % folgten kei- Bei ihren Fernwegen durch den steilen Hang- 900 m bis 1200 m ist der Hang steiler; hier ner für den Beobachter erkennbaren Leitlinie, waldgürtel bevorzugten die Luchse Weglini- tritt das Grundgebirge als Felsenriegel zu sondern führten quer auch durch dichten en mit geringen Steigungen und gingen auf Tage. Unterhalb der Felsenriegel stehen Baumbestand; der Luchs behielt aber trotz- Wander- und Viehtriftwegen (15,6 %), über große Felsblöcke schräg im Hang. Es sind dem eine Hauptrichtung bei und traf früher Bergrücken (12,8 %), auf befestigten Fahr- Wanderblöcke, die während der Eiszeiten oder später wieder auf eine der bekannten straßen (10,4 %) sowie auf Wildwechseln durch Fließerdebewegungen im Hang ab- Weglinien. Er kannte offensichtlich die und Viehgangeln. Nur 49,9 % der erfaßten wärts wanderten. Raumbeziehungen in seinem Kerngebiet so Wegstrecke führte durch Wald; 10,1 % ver- Der Bayerische Wald ist reich an Niederschlä- gut, daß er sich auch außerhalb des Wech- liefen am Waldrand entlang und 40,0 % über gen. Eine geschlossene Schneedecke ist von selnetzes zurecht fand. Weiden oder durch Geröllfelder. Der Abstand November bis Anfang April vorhanden. Entlang der Fährten und an den wiederholt zum Waldrand oder zu Baumgruppen betrug Schneehöhen um 2 m im Hochwinter sind benutzten Tagesruheplätzen wurden insge- in Gehrichtung oder zur Seite aber höchstens keine Seltenheit. Vor den Wanderblöcken la- samt 119 Luchsharnmarken gefunden. Sie 100 bis 150 m. Bestimmte Routen wurden im gert sich dann ein Schneewall ab, so daß dar- waren zu 40,3 % an morschen Baumstümp- Verlauf mehrerer Jahre immer wieder und unter ein höhlenartig geschlossener Raum fen, zu 14,3 % an den Wurzeltellern gestürz- auch von verschiedenen Individuen benutzt entsteht, in den oft eine dicke Schicht Bu- ter Fichten, 10,1 % an exponiert stehenden (HUCHT-CIORGA u. MÜLLER 1994). chenlaub eingeweht ist. Durch den Spalt zwi- Jungfichten, zu 9,2 % an überhängenden Es bildete sich ein Netz regelmäßig begange- schen Schneewall und Fels kann die Sonne Felsen, die als Luchslagerplätze benutzt wur- ner Luchswechsel, das durch langfristig wirk- hineinscheinen; sie trocknet das Laub und er- den, sowie zu 6,7 % an anderen Felsen, zu same Harnmarken gekennzeichnet wurde. wärmt die Felswand. Solche geschützten 5,9 % an den Stämmen von Altbäumen und Von insgesamt 392 Luchsharnmarken waren Plätze, von denen wir 34 am West- und Süd- der Rest an Holzpfählen, Holzstapeln, fri- 24,2 % an Felsblöcken oder Steinen, 19,6 % hang des Falkenstein gefunden hatten, wur- schen Baumstümpfen und anderen optisch an morschen Baumstümpfen, 14,8 % an ex- den vom Falkenstein-Kuder und auch von auffallenden Objekten. Die Harnmarken poniert stehenden Jungfichten, 9,4 % an den Luchsinnen bei ihren Besuchen gezielt häuften sich im zentralen Bereich des Kern- Holzpfählen, 8,9 % an den Stämmen von aufgesucht und als Tagesruheplätze benutzt. gebietes (HUCHT-CIORGA 1988). Altbäumen, 8,0 % an den Wurzeln gestürz- Wir überwachten zehn Plätze mit Registrier- ter Bäume, 6,4 % an liegenden Stämmen geräten. Die längste zusammenhängende 2.2 Habitatnutzung im Hoch- und der Rest an Holzstapeln, Grasbulten und Ruhezeit an einem solchen Platz betrug 16 h gebirge: Simmental im anderen auffälligen Objekten. 82 % aller und zwar von 6.30 bis 22.30 Uhr. Bei günsti- Berner Oberland/Schweiz Harnmarken wurden entlang der regelmäßig gem Wetter lagerten die Luchse auch auf ex- Das zweite Untersuchungsgebiet war das begangenen Luchswechsel gefunden ponierten Felsen, wo sie die Umgebung be- Simmental in den Schweizer Nordalpen. Im (HUCHT-CIORGA et al. 1995). Die Bindung obachten oder sich auch sonnen konnten. Bei 38 km2 großen Untersuchungsgebiet am an ein Wechselnetz war deutlich enger als im Nacht verließen die Luchse die Gebiete mit Südhang der Gantrisch-Bergkette, die das Bayerischen Wald: Im Wechselnetz verliefen Tagesruheplätzen, um zu jagen. Niedersimmental mit Erhebungen von 64 % aller Fährten. Im Untersuchungsgebiet Unter 103 Beutenachweisen waren 68,9 % 2 000 bis 2 200 m Höhe nach Norden be- waren drei Kernzonen auszumachen, in de- Rehe (Capreolus capreolus), 16,5 % Rotwild grenzt, bewegten sich 1988 bis 1992 der nen sich die Luchse in nennenswertem Um- 106 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

fang auch abseits dieser Wechsel bewegten: Schneewall. Die Luchse blieben oft während days and found shelter from bad weather un- eine größere Kernzone oberhalb der Ort- der gesamten Nutzung in der Nähe des Riß- der low branched spruce. In case of disturb- schaft Oberwil, eine am Anfang des platzes. Bei Störungen durch Wanderer, ances they left prey sites and retreated to in- Schwandtales, einem Seitental des Simmen- Waldarbeiter oder in Siedlungsnähe freilau- accessible rocky areas. tals, und die dritte am Ostende der Gastlo- fende Hunde zogen sie sich in unzugängliche Lynx spatial organisation and habitat use de- senkette. Das Netz der Wechsel verband die- Felsengebiete zurück und wechselten dann pends on landscape and climate. Size and se Kernzonen, die sich wie Perlen an einer aus größerer Entfernung zum Fressen, oder structure of lynx home range is influenced by Kette längs der Talzüge reihten (HUCHT-CI- aber sie gaben den Riß auf. human activities, by different prey behaviour, ORGA 1995). Die meisten Luchsrisse fanden by the dispersion of wood and of undisturbed wir innerhalb der Kernzonen. Es waren neun 3. Summary resting areas and by the presence or absence Gemsen (Rupicapra rupicapra), zehn Rehe, of sexual partners and neighbours. zwei Feldhasen und ein Eichhörnchen (Sciu- Movements and habitat use of re-introduced rus vulgaris). Nach BREITENMOSER u. HAL- lynxes were studied in the low mountains of Literaturverzeichnis BREITENMOSER, U. u. HALLER, H. 1987: Zur Nah- LER (1987) waren von 73 Beutenachweisen the Bayerischer Wald/Germany (1978 to rungsökologie des Luchses Lynx lynx in den schweize- 52,1 % Rehe, 32,9 % Gemsen und 6,8 % 1983) and in the alpine mountains of the Ber- rischen Nordalpen. -Z. Säugetierkunde 52: 168-191 Feldhasen; die Autoren schätzten den Anteil ner Oberland/Switzerland (1988 to 1992). In HALLER, H. u. BREITENMOSER, U. 1986: Zur Raumor- ganisation der in den Schweizer Alpen wiederangesie- von Rehen und Gemsen an der Luchsnah- both study areas 120 km of lynx tracks were delten Population des Luchses (Lynx lynx). -Z. Säuge- rung auf mehr als 95 %. followed in winter. Kills, scats, urine marks, tierkunde 51: 289-311 Die Schneebedeckung änderte sich im Laufe and resting sites were investigated through- HUCHT-CIORGA, I. 1988: Studien zur Biologie des des Winters oft kurzfristig. Starke Schneefäl- out the year. Luchses: Jagdverhalten, Beuteausnutzung, innerartli- che Kommunikation und an den Spuren faßbare Kör- le wechselten sich mit Tauwetterperioden ab. In the Zwieseler Winkel/Bayerischer Wald permerkmale. Schriften des Arbeitskreises Wildbiologie Entlang von Geröllrinnen, Bachläufen und the mountains and valleys are covered with und Jagdwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Lawinenzügen, die den Hang durchschnei- dense forests. Home ranges of three resident Gießen. H.19. Enke-Verlag. -Stuttgart. -177 S. HUCHT-CIORGA, I. 1995: Struktur der Streifgebiete in den, und an Steilhängen rutschte der Schnee lynxes (1 male, 2 females) consisted of a core unterschiedlichen Landschaften beim Luchs (Lynx im Hochwinter ab und legte dann Äsung für area of about 30 km2 each and an extended lynx). -Z. Säugetierkunde 60 (SH Tagung Göttingen): die Wildtiere frei. Die südexponierten Hänge peripheral zone. Core areas were mainly used 30-31 HUCHT-CIORGA, I. u. MÜLLER, H.-C. 1994: Zur unterhalb 1 600 m waren Anfang März wie- exclusively. Urine marks culmulated in central Wegwahl und Orientierung von Luchsen (Lynx lynx) der weitgehend schneefrei. An einigen Stel- parts of the core areas. Each core area in- im Hochgebirge. -Z. Säugetierkunde 59 (SH Tagung len am unteren Waldrand gab es Futterrau- cluded rocky areas with dens providing shel- Wien): 22 HUCHT-CIORGA, I. u. MÜLLER, H.-C. 1996: Erfas- fen, die aber sehr unregelmäßig beschickt ter under various weather conditions. Red sung von Aktivitäten freilebender Luchse durch das wurden, eine Folge des Patentjagdsystems in deer (Cervus elaphus) and roe deer (Capreo- Verfolgen der Fährten im Schnee. In: BOYE, P.; KU- der Schweiz, welches nicht die enge Bindung lus capreolus), the main prey, stayed near GELSCHAFTER, K.; MEINING, H. u. PELZ, H.-J. (Be- arb.): Säugetiere in der Landschaftsplanung. Standard- eines Jagdpächters an sein Revier kennt. Die- feeding stations in the valleys during the long methoden und Mindestanforderungen für säugetier- se Fütterungen schienen vergleichsweise we- and snowy winters. Usually lynxes hunted in kundliche Beiträge zu Umwelt- und Naturschutzpla- nig Einfluß auf die Verteilung von Rehen und the valleys at night, rested at the rocky areas nungen. -Schr.-R. für Landschaftspfl. u. Natursch. Gemsen zu haben. Die Gemsen wechselten at daytime, and returned to prey sites the (BfN) 46: 125-129 HUCHT-CIORGA, I.; MÜLLER, H.-C. u. ZACHARIAE, hinunter bis an die untere Waldgrenze, und next night. G. 1995: Verteilung von Harnmarken bei Luchsen Rehe waren auch im Hochwinter bis zur obe- In the Simmental/Berner Oberland two re- (Lynx lynx) im Hochgebirge. -Z. Säugetierkunde 60 ren Waldgrenze zu beobachten. sident lynxes (1male, 1female) occupied (SH Tagung Göttingen): 31 TRPAK, P. 1985: „Projekt Lynx“ a jeho realizace. Die Luchse ruhten meist in geringer Entfer- overlapping home ranges of about 100 to Památky a priroda 7: 425-434 nung zum Rißplatz an ebenen Stellen im 250 km2. Lynxes migrated through the steep ZACHARIAE, G.; ELSTRODT, W. u. HUCHT-CIORGA, Hang, oft unter tiefbeasteten Fichten. Tiefbe- forested zone that runs parallel to the valleys I. 1987: Aktionsräume und Verteilung erwachsener Luchse, Lynx lynx (L.), im Hinteren Bayerischen Wald. astete Fichten findet man in Bestandslücken, preferring routes along hiking paths, roads, -Z. Säugetierkunde 52: 9-20 am Waldrand und auch einzeln stehend auf and ridges. Several smaller core areas were den Weiden; dort ruhen sich im Sommer connected by a weblike system of long-time auch die Kühe aus. Die unteren Äste bilden used lynx trails which were urine-marked fre- einen höhlenartig geschlossenen Raum, der quently. Lynxes mainly hunted roe deer and Verfasserin vor Wind und Niederschlag geschützt ist. chamois (Rupicapra rupicapra), which inhab- Dr. Ingrid Hucht-Ciorga Wenn im Winter der Schnee vom Baum ab- ited the wooded slopes even in winter. Usual- Kaiserwerther Straße 40 rutscht, entsteht zusätzlich ein schützender ly lynxes stayed near their kills for several D–40668 Meerbusch

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Niedermoore (1993) Einzelpreis: 4,50 DM Greifvögel und Eulen (1993) Einzelpreis: 8,- DM Untere Havel (1994/95) Einzelpreis: 9,- DM Beiträge zur Säugetierfauna des Landes Brandenburg (1995) Einzelpreis: 9,- DM Großtrappe (1996) Einzelpreis: 9,- DM Preis des Paketes: 20,- DM

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HANS-HEINRICH KRÜGER Zum Vorkommen und zur Ausbreitung der Wildkatze (Felis silvestris, Schreber 1777) im Südsolling [POSTER]

Schlagwörter: Wildkatze (Felis silvestris), Vorkommen, Solling Key words: wildcat, Solling (Germany), status

1. Einleitung und ner Wildkatzen muß heute in ganz Südnie- Tabelle 1: Jahr der Erstbeobach- dersachsen gerechnet werden. Da der Solling Methode tung von Wildkatzen im vom Nordosten her wiederbesiedelt wurde, Über das Vorkommen der Wildkatze im Sol- Forstamt Winnefeld ist eine Zuwanderung von Wildkatzen aus ling liegen für die erste Hälfte dieses Jahr- nach Revierförstereien dem Harz wahrscheinlich (KUPPRAT 1985). hunderts keine Nachweise vor (KUPRAT Revierförsterei Jahr der Erst- Die Ursachen der Ausbreitungstendenz sind 1985). Es ist daher davon auszugehen, daß beobachtung unklar. Steigende Populationsdichten in den sie für diesen Zeitraum im Gebiet nicht vor- Amelith 1982 ehemaligen Restvorkommen und geringere kam. In den 60er Jahren dieses Jahrhunderts Wahmbeck 1980 Verluste durch versehentliche Abschüsse und kam es zu wiederholten Nachweisen. Seit ca. Würrigsen 1985 Fänge dürften aber wesentliche Gründe sein. 20 Jahren wird die Wildkatze im östlichen Be- Nienover 1988 Die wenigen bisher im Bereich des Sollings reich des Sollings regelmäßig beobachtet. Im Lauenförde 1983 zur Untersuchung gelangten Wildkatzen er- Südsolling erfolgte die Wiederbesiedlung vor Winnefeld keine Daten wiesen sich anhand der Darmlänge als rein- ca. 10 Jahren. Um hier den Bestandestrend zu blütig. Grundsätzlich besteht aber die Gefahr erfassen und die Wiederbesiedlung zu doku- der Bastardierung mit der Hauskatze, wobei mentieren, wurde im Forstamt Winnefeld beobachtungen in den letzten 5 Jahren lassen sich der Grad der Gefährdung zur Zeit nicht eine schriftliche Befragung der örtlichen Re- auf einen gefestigten Bestand schließen. abschätzen läßt. vierleiter durchgeführt. Insbesondere wurde Ebenso spricht hierfür die Feststellung von nach der ersten Sichtbeobachtung und der mindestens 5 Würfen innerhalb dieses Zeit- Literatur RAIMER, F. 1988: Die Wildkatze in Hessen und Nie- Häufigkeit der Beobachtungen in den letzten raumes. Die Anzahl der Beobachtungen dersachsen. Gesamthochschule Kassel. -Witzenhau- 5 Jahren gefragt. Für die freundliche Mitar- weist einen leicht steigenden Trend auf. sen. Unveröff. Projektarbeit beit sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zwi- KUPRAT, H. 1985: Die Wildkatze im Solling. Fach- schenzeitlich wurde diese Befragung durch hochschule Hildesheim-Holzminden, Fachbereich 3. Diskussion Forstwirtschaft. -Göttingen. Unveröff. Diplomarbeit die Niedersächsische Landesforstverwaltung in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Nachdem das Verbreitungsgebiet der Wild- Ökologie auf den gesamten Solling ausge- katze in Niedersachsen über eine lange Zeit Verfasser dehnt. im wesentlichen auf den Harz beschränkt Hans-Heinrich Krüger war, lassen sich in den letzten Jahrzehnten Institut für Wildbiologie und Jagdkunde der 2. Ergebnis deutliche Ausbreitungstendenzen erkennen. Universität Göttingen So besiedelt die Wildkatze heute den gesam- Büsgenweg 3 Die Fragebogenergebnisse belegen die Wie- ten Solling. Diese Population hat Anschluß an D–37077 Göttingen derbesiedlung der Waldflächen des Forstam- die Vorkommen im Reinhardswald und in tes Winnefeld in den letzten 13 Jahren (vgl. Nordhessen (Kaufunger Wald, Meißner) Tab. 1, Abb. 1). Die relativ beständigen Sicht- (RAIMER 1988). Mit dem Erscheinen einzel- Tagung des Bundesfachausschusses Mammalogie

Die 2. Fachtagung des BFA Mamma- logie wird vom 13.-16.5.1999 in Gießen durchgeführt. Schwerpunkt- thema wird der Schutz von Säuge- tieren in der Agrarlandschaft sein. Es sollen sowohl Interessenten aus dem Arbeitsbereich Säugetierkunde als auch aus den Bereichen Agrarwis- senschaft und Naturschutz ange- sprochen werden.

Sie können das erste Circular an for- dern bei: M. Herrmann, BFA Mammalogie, Ostbahnstraße, 6, 76829 Landau. Abb. 1 Anzahl der Wildkatzenbeobachtungen im Forstamt Winnefeld nach Revierförstereien 108 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

BEATRIX WUNTKE, INGO LUDWIG, MARCUS PRIBBERNOW Regionale und saisonale Unterschiede im Beutetierspektrum brandenburgischer Schleiereulen

Schlagworte: Schleiereule, Beutespektrum, saisonale und regionale Variationen

1. Einleitung und und dem Bruterfolg festgestellt werden (vgl. de Unterschiede im Beutetierspektrum beste- Ergebnisse Tab. 1). hen, wie es bereits DE BRUIJN (1994) be- Da Eulen keinen Kropf zur Vorverdauung der schrieben hat, sondern auch zwischen den Die Schleiereule (Tyto alba Scop.) ist eine Vo- Nahrung besitzen und ihre Beutetiere meist Gewöllen der Brutpaare und ihrer Jungen gelart, die als ausgesprochener Kulturfolger unzerteilt hinabschlingen, werden unverdau- (PRIBBERNOW 1996), analysierten wir diese zu bezeichnen ist. Brutplätze und Tagesein- liche Nahrungsbestandteile in Form von Ge- Aufsammlungen jeweils getrennt. Die Abbil- stände sind ebenso wie ein Großteil der Jagd- wöllen wieder hervorgebracht (MLIKOVSKY gebiete in menschlichen Siedlungen bzw. de- 1980). Insbesondere bei der Schleiereule sind ren unmittelbarer Nähe zu finden (KRÄGE- die Schädel der Beutetiere zumeist sehr gut NOW 1970, GÖRNER et al. 1973, KNORRE erhalten, so daß durch die Gewöllanalyse ein 1974, RYSLAVY 1986, DE BRUIJN 1994). ziemlich genauer Überblick über das jeweili- Nach FLADE (1994) ist die Schleiereule eine ge Beutespektrum erhalten werden kann. Leitart für dörfliche Siedlungen, in denen sie Seit 1994 wurden im Rahmen eines vom brütet, und benötigt für die Nahrungssuche Bundesministerium für Bildung und For- offene und halboffene Agrarlandschaften. schung (BMBF) geförderten Forschungspro- Neben dem Vorhandensein von Brutplätzen jektes in der Uckermark Gewöllanalysen von sind insbesondere potentielle Jagdgebiete in Brutplätzen und Tageseinständen der ausreichender Qualität und Quantität für die Schleiereule angefertigt. Vergleichend unter- Siedlungsdichte und den Bruterfolg der suchten wir auch Gewöllaufsammlungen aus Abb. 1a Schleiereule bestimmend. So konnte für Brut- anderen Regionen des Landes Brandenburg. Beutespektrum in Steinhöfel - Altvögel plätze in der Uckermark eine Korrelation zwi- Da sich zeigte, daß nicht nur zwischen Som- schen dem Grünlandanteil im Bruthabitat mer- und Winteraufsammlungen gravieren-

Tabelle 1: Beziehung zwischen Grünlandanteil in der Umgebung des Brut- platzes (1 km Radius) und Bruterfolg des jeweiligen Paares für 6 Schleiereulenbrutplätze in der Uckermark (WUNTKE, unpubl.)

Brutplatz Grünlandanteil (GL) Bruterfolg über 4 Jahre Korrel. gemittelt (BE) GL/BE

4 13,9 % 4,0 3 14,7 % 4,0 Abb. 1b 2 42,1 % 6,0 0,68 Beutespektrum in Steinhöfel - Jungeulen 1 45,0 % 4,2 5 66,3 % 5,3 6 67,3 5,3

Tabelle 2: Ergebnisse der Gewöllanalysen zusammengefaßt nach Artengruppen, die Probengrößen lagen zwischen 88 und 126 Beutetieren je Aufsammlung

Winter Sommer Ort % Wühlm. % Spitzm. % Echtm. % Wühlm. % Spitzm. % Echtm.

Kummerow/UM 1 59,5 27,0 13,5 75,3 18,8 5,9 Abb. 2a Schmiedeberg/UM 2 56,3 27,0 16,7 95,2 2,8 1,9 Beutespektrum in Teufelsmühle 55 42 3 Steinhöfel/UM 3 52,1 35,7 12,1 84,2 8,4 7,4 40 55 5 Stendell/UM 461,7 27,1 11,2 87,5 8,8 3,7 Jahnberge/HVL 1 58,3 31,0 10,7 - - - Teufelsmühle/HVL 2 60,0 31,8 8,2 - - - Marzahne/PM 1 37,5 58,9 3,6 20,7 67,2 12,1 Schenkenberg/PM 2 56,8 33,0 10,2 - - -

(Wühlm. = Wühlmäuse/Arvicolidae; Spitzm. = Spitzmäuse/Soricidae; Echtm. = Echte Mäuse/Muridae; unterstrichene Zahlen sind die Angaben für die Gewölle der Jungvögel, darunter stehen zum Vergleich die Ergebnisse der zeitgleichen Aufsammlungen in den Ta- geseinständen der Altvögel) Abb. 2b Beutespektrum in Schmiedeberg B. WUNTKE, I. LUDWIG, M. PRIBBERNOW: REGIONALE UND SAISONALE UNTERSCHIEDE IM BEUTETIERSPEKTRUM BRANDENBURGISCHER SCHLEIEREULEN 109

genutzter Flächen von über 70 % aufweisen (WUNTKE u. LUDWIG 1995). Offensichtlich liegt hier der Schwellenwert für eine ausrei- chende Vielfalt des Habitats über den Jahres- verlauf hinweg. Regionale Unterschiede zeigen sich im Auf- treten von Feld- (Crocidura leucodon), Gar- ten- (C. suaveolens) und Wasserspitzmaus (Neomys fodiens). Während das Vorkom- men der Wasserspitzmaus vor allem auf das lokale Vorhandensein geeigneter Lebensräu- me, also Uferbereiche von Gewässern, zurückzuführen ist, spiegeln die Funde von Feld- und Gartenspitzmaus deren Verbrei- tung in Brandenburg wider. Nach ERFURT und STUBBE (1986) lag die Verbreitungs- grenze der Feldspitzmaus im Gebiet der DDR Abb. 3 in etwa südlich einer gedachten Linie von Artenspektrum in Schenkenberg/PM – Winter Wittenberge nach Guben. Für die Garten- spitzmaus existierten nur punktuelle Nach- weise vor allem im Süden des Gebietes. In dungen 1 und 2 zeigen exemplarisch Ergeb- wurden. In den zwei Ausnahmen trat im den letzten Jahren unterlagen offensichtlich nisse der 1994 und 1995 durchgeführten Winter ein erhöhter Anteil von Zwergmäusen beide Arten einer Ausdehnung ihres Verbrei- Analysen. Abb. 3 zeigt exemplarisch die Er- (Micromys minutus) in den Gewöllen auf tungsgebietes. Die von DÜRR et al. (1989) gebnisse für die einzelnen Beutetierarten. (vgl. Tab. 3). Ähnliche Befunde aus dem aufgezeigte Zunahme der Feldspitzmaus in Tab. 2 listet die Ergebnisse für alle Fundorte Raum Garlitz/Potsdam-Mittelmark führen den von ihnen zusammengestellten Gewöll- zusammengefaßt nach Artengruppen auf. LITZBARSKI et al. (1993) auf die Bedeutung analysen im Zeitraum 1979 bis 1986 be- nicht gemähter Brachen als günstiger Ver- stätigt die Annahme der aktiven Ausbreitung 2. Diskussion mehrungsraum für die Zwergmaus zurück. dieser Art. DOLCH et al. (1994) nennen SCHMIDT (1977) sieht die Differenzen im Westbrandenburg als östliche Verbreitungs- 2.1 Regionale Unterschiede Beutespektrum der von ihm untersuchten 5 grenze für die Feldspitzmaus. Das Spektrum der von uns untersuchten Schleiereulen in einem unterschiedliches Le- Für die Gartenspitzmaus nennen DÜRR et al. Schleiereulen ordnet sich in seinen Grundzü- bensraummosaik begründet. Bei einem (1989) Oderberg und Eberswalde als nörd- gen in das für verschiedenste Gebiete Mittel- durchschnittlichen Aktionsradius von 1 bis lichste Fundpunkte. Sie diskutieren auch, ob europas beschriebene Beutespektrum der 1,5 km zur Brutzeit (BRANDT u. SEEBASS das Vorkommen der Feldspitzmaus mit be- Schleiereule ein (u. a. SCHMIDT 1973, 1994; WUNTKE et al. i. Vorb.) finden sich je- grenzend für das Vorkommen der Garten- SCHNURRE u. BETHGE 1973, ARNOLD doch in nahezu allen von Schleiereulen besie- spitzmaus sein kann. Unsere Befunde ordnen 1982, DEHNER et al. 1993, DE BRUIJN delten Habitaten ähnliche bevorzugte Jagd- sich in das aktuelle Verbreitungsgebiet der 1994). gebiete. Wichtig sind für den Ansitzjäger beiden Arten ein: In Potsdam-Mittelmark fin- Die dominierenden Arten der Hauptbeute- Schleiereule ausreichende Ansitzmöglichkei- det sich die Feldspitzmaus und in der Ucker- tiergruppen Wühlmäuse und Spitzmäuse ten (Hecken, Koppelpfähle, Alleebäume u.ä.) mark ausschließlich die Gartenspitzmaus. Für sind übereinstimmend Feldmaus (Microtus und offene Landwirtschaftsflächen mit einer den Kreis Havelland gibt es Nachweise von arvalis) und Waldspitzmaus (Sorex araneus). Bewuchshöhe unter 40 cm (WUNTKE et al. i. DÜRR et al. (1986) und JASCHKE (1995) für Bei den Echten Mäusen dominieren bis auf Vorb.), da sie ansonsten nicht mehr ihre Beu- die Gartenspitzmaus. Da sich anscheinend zwei Ausnahmen im Winter (PM 1 und UM tetiere erreichen kann. Unter diesem Ge- zwischen Brandenburg und Nauen die Ver- 4) die Apodemus-Arten, die aufgrund der sichtspunkt verwundert es nicht, daß bran- breitungsgebiete der beiden Crocidura-Arten schwierigen Bestimmung anhand von Ge- denburgische Schleiereulenbruthabitate fast überschneiden (JASCHKE 1995), sind weite- wöllmaterial nicht weiter aufgeschlüsselt ausnahmslos einen Anteil landwirtschaftlich re Gewöllanalysen aus dieser Region sehr wünschenswert.

Tabelle 3: Artenspektrum in den einzelnen Gewöllaufsammlungen 2.2 Saisonale Unterschiede (Winter-/Sommernachweis; „k“ bedeutet, daß keine Aufsamm- Im Anteil der einzelnen Beutetiergruppen zei- lung für die entsprechende Saison vorliegt), die jeweils gen sich saisonal deutliche Verschiebungen. dominierende Art einer Artengruppe ist unterstrichen Der durchschnittliche Wühlmausanteil in der Nahrung nimmt im Sommer zu, da sich die Wühlmauspopulationen nach dem Zusam- Ort UM 1 UM 2 UM 3 UM 4 PM 1 PM 2 HVL 1 HVL 2 Beutetierart menbruch im Winter bis zum Herbst hin wie- Arvicola terrestris +/- +/- +/+ -/+ +/+ +/k -/k -/k der aufbauen und daher mit fortschreitender Microtus arvalis +/+ +/+ +/+ +/+ +/+ +/k+/k+/k Brutsaison ein immer höheres Angebot an M. agrestis +/+ +/- +/+ +/- +/+ +/k +/k +/k Wühlmäusen zur Verfügung steht. In Ex- M. oeconomus +/+ +/+ +/+ +/+ -/- -/k +/k +/k tremjahren allerdings kann ein harter Winter Clethrionemys glar. +/- +/+ +/+ -/+ +/+ -/k +/k +/k mit plötzlichen Wechseln von Tau- und Sorex araneus +/+ +/+ +/+ +/+ +/+ +/k+/k+/k Frostperioden wie 1995/96 einen so starken S. minutus +/+ +/+ +/+ +/+ +/+ +/k +/k +/k Bestandseinbruch der Wühlmäuse verursa- Crocidura leucodon -/- -/- -/- -/- +/+ +/k -/k -/k chen, daß bis in den Sommer hinein kein C. suaveolens +/- -/- +/- +/- -/- -/k -/k -/k ausreichendes Nahrungsangebot für die Neomys fodiens -/- -/+ +/- -/- -/- +/k +/k -/k Apodemus spec. +/+ +/+ +/+ +/+ +/+ +/k+/k+/k Schleiereulen vorhanden ist, so daß Bruten Micromys minutus +/+ -/+ +/- +/+ +/+ +/k +/k +/k ausfallen bzw. viele Jungeulen noch im Nest Mus musculus +/- -/- -/- +/+ -/- -/k -/k -/k verhungern. In Gradationsjahren der Feld- Artenzahl Wi/So 11/7 8/8 11/8 9/9 9/9 9/k 9/k 8/k maus hingegen kann die Schleiereule durch Erhöhung der durchschnittlichen Eizahl je 110 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Gelege und durch verstärkt auftretende schen Brutplätzen einen deutlich höheren GÖRNER, M.; RITTER, F. u. K. SCHMIDT 1973: Zur Verbreitung der Schleiereule (Tyto alba) in Thüringen. Zweitbruten einen Bruterfolg erreichen, der Wühlmausanteil. Dieser spiegelt offensicht- -Landschaftspfl. Natursch. Thüringen 10: 1: 11-17 das Doppelte des Bruterfolgs in Normaljah- lich die bessere Nahrungsgrundlage in den JASCHKE, W. 1995: Zur Ausbreitung und Etablierung ren beträgt (SCHÖNFELD u. GIRBIG 1975). westpolnischen Agrargebieten wider, wofür von Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) und Garten- Die hier vorgestellten Ergebnisse stammen auch der fast doppelt so hohe Bruterfolg der spitzmaus (Crocidura suaveolens) im westlichen Bran- denburg. -Naturschutz u. Landschaftspflege in Bran- aus dem Sommer 1995 bzw. dem Winter polnischen Schleiereulenpaare (HAFER- denburg 4: 33-35 1994/95 und repräsentieren das Bild des Nah- LAND, mündl.) spricht. KNORRE, E. VON 1974: Jagdgebiet und täglicher Nah- rungsspektrums brandenburgischer Schleier- rungsbedarf der Schleiereule (Tyto alba Scopoli). -Zool. Jb. Syst. 100: 301-320 eulen in Normaljahren. 3. Summary KRÄGENOW, P. 1970: Die Schleiereule in den Nord- An den uckermärkischen Brutplätzen wird bezirken der DDR. -Falke 17, 256 -259 das verringerte Wühlmausangebot im Winter Pellets of Barn Owls (Tyto alba guttata) were LITZBARSKI, H.; JASCHKE, W. u. SCHÖPS, A. 1993: Zur ökologischen Wertigkeit von Ackerbrachen. -Na- durch eine Zunahme des Spitz- und Echt- collected on 8 locations in Brandenburg/Ger- turschutz u. Landschaftspfl. i. Brand. 1: 26-30 mausanteils ausgeglichen (vgl. Tab. 2). Auch many during summer 1995 and winter MLIKOVSKY, J. (1980): Über Gewöllbildung bei Eulen. wenn für das Havelland keine Sommerauf- 1994/95. The analysis of prey items repre- - Falke 8: 280-283 PRIBBERNOW, M. 1996: Nahrungsökologische Unter- sammlungen vorliegen, so sprechen der rela- sents the typical food pattern of Barn Owls in suchungen an Schleiereulen (Tyto alba, Scopoli 1769) tiv hohe Echtmaus- und Spitzmausanteil this region and shows concordiance with lit- in der Uckermark unter dem Aspekt saisonaler und dafür, daß hier ebenso auf beide Gruppen erature data for Middle Europe. brutbiologischer Einflüsse. -Dipl.-Arb. Humboldt-Uni- versität zu Berlin. -130 S. ausgewichen wird. Die beiden untersuchten Microtus arvalis and Sorex araneus are the RYSLAVY, T. 1986: Ergebnisse einer Bestandserfas- Orte im Kreis Potsdam-Mittelmark zeigen ein dominant prey species. sung der Schleiereule (Tyto alba) im Kreis Branden- widersprüchliches Bild. Während sich PM 2 The prey composition of the studied Barn burg. -Mitteil. BAG Artenschutz 2: 28-29 anhand der Winterergebnisse ebenfalls in das Owls shows saisonal as well as regional SCHMIDT, A. 1997: Zur Ernährungsökologie der Schleiereule, Tyto alba Scopoli. -Beitr. Vogelk. 23: 233- für die Uckermark und das Havelland ge- differences. 244 zeichnete Bild einorden läßt, trat in PM 1 ein Furthermore, differences between the food SCHMIDT, E. 1973: Die Nahrung der Schleiereule deutlicher Abfall des Echtmausanteils im of breeding Barn Owls and the food of nest- (Tyto alba) in Europa. -Z. angew. Zool. 60: 43-70 SCHNEIDER, W. 1977: Schleiereulen. -NBB 340. A. Winter auf. Die niedrigen Wühlmauszahlen lings could be found. Ziemsen Verlag Wittenberg Lutherstadt im Sommer sprechen dafür, daß es sich um SCHNURRE, O. u. BETHGE, E. 1973: Ernährungsbiolo- Gewölle vom Tageseinstand eines Brutpaares gische Studien an Schleiereulen (Tyto alba) im Berliner Literatur Raum. -Milu 3, 4: 476-484 handelt. Der Vergleich von Brutplatz- und el- ARNOLD, A. 1982: Zur Beute der Schleiereule. -Falke SCHÖNFELD, M. u. GIRBIG, G. 1975: Beiträge zur terlichem Tageseinstand, der für zwei der 29: 193-196, 209 Brutbiologie der Schleiereule, Tyto alba, unter beson- uckermärkischen Brutplätze gezogen werden BRANDT, T. u. SEEBASS, C. 1994: Die Schleiereule. - derer Berücksichtigung der Abhängigkeit von der Feld- Aula-Verlag Wiesbaden. -152 S. mausdichte. -Hercynia N.F. 12: 237-317 kann (vgl. Tab. 2), belegt, daß die Altvögel BRUIJN, O. DE 1994: Population ecology and conser- WUNTKE, B. u. LUDWIG, I. 1995: Bruthabitate der selektiv die energetisch günstigeren Wühl- vation of the Barn Owl Tyto alba in farmland habitats Schleiereule im Land Brandenburg. -Ornitholog. Beob. mäuse an die Jungen verfüttern und die von in Liemers and Achterhoek (The Netherlands). -Ardea 92: 321-323 82 (1): 1-119 WUNTKE, B.; SCHNEIDER, R. u. FRANKE, K. (in der Biomasse her weniger ergiebigen Spitz- DEHNER , R.; DIETERLEIN, F. u. DORNBERGER, W. Vorb.): Charakterisierung von Bruthabitaten der mäuse verstärkt selbst fressen. Die ausge- 1993: Beitrag zur Ernährung der Schleiereule (Tyto Schleiereule in der Uckermark. prägten Unterschiede im Nahrungspektrum alba). -Faun. u. flor. Mitt. Taubergrund 11: 1-2 DOLCH, D.; LABES, R. u. TEUBNER, J. 1994: Beiträge von Alt- und Jungeulen (PRIBBERNOW zur Säugetierfauna der Prignitz. -Beitr. Tierwelt Mark 1996) zeigen, wie wichtig es bei der Auswer- XII. Veröffentl. Potsdam-Mus. 31: 33-68 tung von Gewöllanalysen und vor allem beim DÜRR, T.; JASCHKE, M. u. THIELE, K. 1989: Neue Er- Vergleich verschiedener Aufsammlungen ist, kenntnisse über die Verbeitung der Feldspitzmaus Verfasser (Crocidura leucodon) und Gartenspitzmaus (Crocidu- auch Angaben über den Status der Vögel zu ra suaveolens) im Bezirk Potsdam. -Beitr. Tierwelt Dr. Beatrix Wuntke haben. Je schlechter die Nahrungssituation Mark XI. Veröffentl. Potsdam-Mus. 30: 104-112 Ingo Ludwig im Bruthabitat ist, um so geringer ist auch der ERFURT, J. u. STUBBE, M. 1986: Die Areale ausge- Kirschenallee 1a wählter Kleinsäugerarten in der DDR. -Hercynia N.F. Anstieg des Wühlmausanteils in der Jungvo- 23: 257-304 D–14778 Schenkenberg gelnahrung (WUNTKE unpubl.). Erste Ergeb- FLADE, M. 1994: Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- nisse von Gewöllanalysen an Brutplätzen in und Norddeutschlands. -IHW-Verlag. -Eching. -879 S. Marcus Pribbernow GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. u. BAUER, K.M. 1980: Westpolen (WUNTKE unpubl.) zeigen im Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 9. -Wiesba- Charlottenburger Str. 2 Vergleich zu den benachbarten uckermärki- den. D–13086 Berlin

Fledermaustagung ringvorhaben sowie Schutzmöglichkeiten bei Das Lehrgangsprogramm umfaßte sowohl Sanierungsmaßnahmen. Darüber hinaus theoretische Inhalte, wie Ziele der Beringung, Am 22. November 1997 fand in Lindow wurden einige technische Hilfsmittel zur Ar- Beringungsprogramme, rechtliche Fragen u. (Land Brandenburg, Krs. Ostprignitz-Ruppin) beit mit Fledermäusen vorgestellt, so wurde a., als auch praktische Übungen im Bestim- eine Tagung des Landesfachausschusses Säu- bspw. der Einsatz der Infrarottechnik für die men, Markieren, Fangen und Pflegen ver- getierkunde zur Fledermaus-Thematik statt. Fledermausbeobachtung demonstriert. letzter Tiere. Alle Lehrgangsteilnehmer, je Die Veranstaltung, die von der Naturschutz- drei aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpom- station Zippelsförde (Landesumweltamt J. Teubner mern sowie vier aus Brandenburg, befassen Brandenburg) in Zusammenarbeit mit dem sich z. T. bereits seit Jahren mit Fledermäusen Naturschutzbund Deutschland durchgeführt und waren Beringungshelfer. Sie teilten selbst wurde und zu der 65 Fledermausschützer aus Acht neue Fledermaus- Ergebnisse von systematischen Beobachtun- mehreren Bundesländern angereist waren, beringer in Ostdeutschland gen mit und umrissen künftige Zielstellun- richtete sich an Mitarbeiter im behördlichen gen. Am Ende des Lehrganges stand der er- Naturschutz ebenso wie an ehrenamtlich Die Beringerzentrale für Fledermäuse in Ost- folgreiche Abschluß für acht Teilnehmer. tätige Fledermauskundler und -interessierte. deutschland am Sächsischen Landesamt für Auf dem Programm standen u.a. Vorträge Umwelt und Geologie und das Landesum- zum Vorkommen verschiedener Fledermaus- weltamt Brandenburg - Naturschutzstation Aus den „Mitteilungen des Landesfachaus- arten, zu Winter- und Sommerquartieren, Zippelsförde - organisierten den ersten Berin- schusses Säugetierkunde Brandenburg-Berlin Zugverhalten und Altersstruktur, Monito- gerlehrgang nach der Wende. 1/1998 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 111

Aufruf zur Mitarbeit

Die auf der Grundlage des „Abkommen(s) lich viele beteiligt sind. Mit Sicherheit ist die- zum Schutz der Fledermäuse in Europa“ er- se Zusammenstellung aber noch nicht voll- arbeiteten bundesweiten Empfehlungen zur ständig, und es wäre sehr hilfreich, wenn die- Bestandsüberwachung ausgewählter Fleder- se Lücken geschlossen werden könnten. mausarten wollen wir zum Anlaß nehmen, Da die Darstellung aus naheliegenden Grün- gemeinsam mit dem Landesfachausschuß für den auf MTB/Q-Basis erfolgte, können im Säugetierkunde ein Monitoring-System für Einzelfall Zweifel aufkommen, ob das eine das Land Brandenburg aufzubauen. Als einen oder andere Quartier schon berücksichtigt ersten Schritt in diese Richtung soll die bisher wurde. In diesem Fall bitte in der Natur- bestehende landesweite Übersicht über be- schutzstation Zippelsförde nähere Angaben kannte Sommer- und Winterquartiere des dazu erfragen. Großen Mausohrs Myotis myotis aktualisiert Die geplante landesweite Bestandsüberwa- und ergänzt werden (siehe Übersichtskarte). chung, die in eine deutschlandweite Erfas- Darüber hinaus sind aber auch Einzelfunde sung einmündet, soll einerseits Trends in der von Interesse. Entwicklung der Bestände als Voraussetzung Das Mausohr ist für ein solches Pilotvorhaben für die Einleitung von Schutzmaßnahmen sicher eine der am besten geeigneten Arten, aufzeigen und andererseits Datengrundlage da von ihr vermutlich ein Großteil der Wo- für faunistische Langzeitbeobachtungen lie- chenstuben bekannt ist und die Anzahl der fern. dortigen Tiere hinreichend genau erfaßt wer- Wir rufen daher alle Quartierbetreuer und In- den kann. Ähnlich günstig ist für diese Art die teressenten zur Mitarbeit auf und bitten – so- Situation in den Winterquartieren zu beurtei- weit möglich – um Beantwortung folgender len. Außerdem liegen vom Mausohr Fragen, wobei Hauptaugenmerk auf die langjährig aussagefähige Beringungsergeb- Quartiermeldung (nicht auf Vollständigkeit) nisse vor, die eine Wertung dieser Zahlen und gelegt werden sollte. eine Beurteilung der Bestandsdynamik er- leichtern. Rücksendung bitte an: Die anliegende Karte zeigt grob den derzeit Jens Teubner, Jana Teubner, an der Naturschutzstation Zippelsförde (Lan- Dr. Dietrich Dolch desumweltamt Brandenburg) vorliegenden Naturschutzstation Zippelsförde Kenntnisstand, an dessen Erarbeitung natür- D-16827 Alt Ruppin

Großes Mausohr Myotis myotis

1. Quartiertyp: [ ] Wochenstubenquartier [ ] Winterquartier [ ] Männcheneinzelquartier [ ] Paarungsquartier [ ] Einzelfund [ ] ...... 2. Kurzbeschreibung des Quartiers:...... 3. Lage: * Kreis:...... * nächstgelegener Ort: ...... 4. Quartier etwa bekannt seit: ...... 5. Quartier betreut durch (Anschrift):...... 6. Anzahl der Tiere: 6.1 Winterquartier * durchschnittlich...... * maximal...... 6.2 Wochenstubenquartier * ad. Weibchen (Mai/Juni) ...... * ad. Weibchen\Jungtiere (Juli/August) ...... \ 7. Datenerhebung seit wann:...... 8. Einschätzungen zum Quartier: 8.1 Baulicher Zustand: ...... 8.2 Eigentumsverhältnisse:...... 8.3 zu erwartende Gefährdungen: ...... 8.4 notwendige Schutzmaßnahmen:...... 9. Sonstige Bemerkungen: ...... 10. Bearbeiter (Anschrift):...... 112 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Teilnehmerliste der Fachtagung „Säugetierforschung als Grundlage für den Artenschutz“ – Schmerwitz 16.5.1996 bis 19.5.1996 Name,Vorname Einrichtung Adresse

Ansorge, Hermann Staatliches Museum für Naturkunde D-02826 Görlitz, Am Museum 1, PF 300 154 Arnold, Dieter D-14943 Gottsdorf, An der Obermühle 10 Baarke, Birgit D-10243 Berlin, Rüdersdorfer Straße 17 Bach, Lothar D-28357 Bremen, Hamfhofsweg 125 b Backbier, L.A.M. NL-6163 XW Geleen, Van Galenstraat 64 Behl, Steffen D-23948 Arpshagen, An der Chaussee 18 Biedermann, Martin D-36448 Schweina, Altensteiner Straße 68 Bierlein, Heike Universität Heidelberg, Zoologisches Institut D-69120 Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 230 Bimüller, Erwin D-04924 Bad Liebenwerda, Dresdner Straße 21 Blanke, Monika Universität Osnabrück, FB Biologische AG Ethologie D-30171 Hannover, Scharnhorststraße 1 Blohm, Torsten D-17291 Prenzlau, Baustraße 76, Jagdhaus Blum, Rainer D-72124 Plietzhausen, Plietzhäuser Straße 19 Bock, Walter D-24619 Renswühren, Jagdhaus Borkenhagen, Peter D-24253 Probsteierhagen, Schrevendorf 42 Borkenhagen, Hille D-24253 Probsteierhagen, Schrevendorf 42 Borstel, Kerstin D-28201 Bremen, Hegelstraße 9 Böttger, Robert Martin-Luther-Universität, Institut für Anatomie/Z. D-06097 Halle Große, Steinstraße 52 Broekhuizen, Sim Rijks Institut vor Naturbeheer NL-6800 HB Arnheim, Postbus 9201, Kempersbergweg 67 Deckert, Gisela D-15806 Kallinchen, Seestraße 121 Deutschmann, Kai D-14776 Brandenburg, Wendgräben 19 Dolch, Maria D-16818 Radensleben, Dorfstraße 2 d Dolch, Dietrich Landesumweltamt Brandenburg (LUA), Naturschutzstation Zippelsförde D-16827 Alt Ruppin, Zippelsförde Dormann, Wolfgang D-28201 Bremen, Hegelstraße 9 Driechciarz, Rene D-39326 Zielitz, Am Mühlenberg 12 Driechciarz, Ellen D-39326 Zielitz, Am Mühlenberg 12 Dudek, Micha Arbeitskreis für Raben und Wölfe D-22337 Hamburg, Odentwiete 13 Dürr, Tobias D-14641 Nauen, Mauerstraße 36 Ebersbach, Holger D-06108 Halle, Pfälzer Straße 9 Eichhorn, Knut Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10252 Berlin, PF 1103 Eschholz, Norbert (LUA) Naturschutzstation Baitz D-14806 Baitz, Im Winkel 13 Faber, Detlef D-35457 Lollar, Weiherstraße 16 Faber, Kerstin D-35457 Lollar, Weiherstraße 16 Feiler, Alfred Staatliches Museum für Tierkunde Dresden D-01067 Dresden, Augustusstraße 2 Festl, Wolfgang D-49176 Hilter, Borgloher Straße 13 Flößer, Reinhard Pfalzmuseum für Naturkunde D-67098 Bad Dürkheim, Hermann-Schäfer-Straße 17 Franke, Kurt D-06785 Oranienbaum, Marienstraße 1 Freytag-Grunert, Heike Universität Osnabrück FB Biologie/Chemie D-49069 Osnabrück, Barbarastraße 11 Friedrich, Ilonka D-10317 Berlin, Wönnichstraße 111 Fritz, Torsten D-14772 Brandenburg, Tulpenweg 17 Frölich, Kai Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10252 Berlin, PF 1103 Geidezis, Liana D-90419 Nürnberg, Adam-Kraft-Straße 20 Gercken, Marian D-15827 Blankenfelde, August-Bebel-Straße 48 Goretzki, Jürgen BFA für Forst- und Holzwirtschaft, Institut für Forstökologie D-16225 Eberswalde, Alfred-Möller-Straße 1 Görner, Martin D-07745 Jena ,Thymianweg 25 Hämker, Stefan D-28211 Bremen, Uhlandstr. 15 Hartleb, Kay-Uwe Verlag Natur und Text D-15834 Rangsdorf, Friedensallee 21 Hauer, Silke Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06108 Halle, Domplatz 4 Heidecke, Dietrich D-06179 Bennstedt, Ahornweg 3 Heiden, Anette D-10407 Berlin, Pastenstraße 5 Heise, Günter D-17291 Prenzlau, Robert-Schulz-Ring 18 Hemmer, Cornelis F. D-31311 Uetze-Hänigsen, Alte Bahnhofstraße 4 Herden, Christoph D-24326 Dersau, Theenrade 2 Herrmann, Mathias ÖKO-LOG D-16247 Parlow, Hof 30 Hertweck, Klaus D-01855 Hinterhermsdorf, Beize 12 Heyne, Peter Biosphärenreservat Oberlausitz, Heide- u. Teichlandschafe D-02906 Mücka, Alte Försterei Heynen, Stefan Universität Bielefeld AG, Säugetiersozialsystem D-33659 Bielefeld, Morgenbreede 45 Hoberg, Oliver D-27628 Hagen, Buchenweg 2 Hofmann, Thomas Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06108 Halle, Domplatz 4 Hogrefe, Hans-H. D-29699 Bomlitz, Am Breekamp 1 Holz, Roland D-15232 Frankfurt (Oder), Leipziger Straße 11 Hucht-Ciorga, Ingrid D-40668 Meerbusch, Kaiserswerther Straße 40 Hundrieser, Alfred D-16761 Hennigsdorf, Karl-Marx-Straße 5 Hundrieser, Stephan D-17291 Sternhagen, Dorfstraße 33 Ibisch, Rudolf D-14532 Kleinmachnow, Jägersteig 17 Jabczynski, Frank D-15757 Hallbe OT: Teuro, Dorfstraße 7 Jaffke, Inge D-20144 Hamburg, Parkallee 4 Jaschke, Maresa D-06886 Wittenberg, Am Tore 16 Jaschke, Wernfried (LUA) Naturschutzstation Buckow D-14715 Buckow Kalz, Beate D-10245 Berlin, Simon-Dach-Straße 9 Kapischke, H.-Jürgen D-01219 Dresden, Hans-Jüchser-Straße 3 Kasprzyk, Manfred Technische Universität, Zoologisches Institut D-38092 Braunschweig, Mendelssohnstraße 4 Kelm, Detlef D-28355 Bremen, Hackensenweg 7 Klawitter, Jürgen D-12203 Berlin, Marschnerstraße 22 Klenner-Fringes, B. Universität Osnabrück, FB Biologische AG Ethologie D-49069 Osnabrück, Barbarastraße 11 Kluth, Gesa D-28357 Bremen, Lilienthaler Heerstraße 107 Knapp, Jutta D-66440 Blieskastel, Kirchgasse 1 Knerr, Ralf D-10245 Berlin, Simon-Dach-Straße 9 Knorre von, Dietrich D-07749 Jena, Ziegenhainer Straße 89 Köhler, Dieter D-12685 Berlin, Hänflingsteig 10 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 113

Teilnehmerliste der Fachtagung „Säugetierforschung als Grundlage für den Artenschutz“

Kohlhase, Gottfried Biberstation Torgau D-04860 Torgau, Laubenweg 1 Königsfeld, Thorsten Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06108 Halle, Domplatz 4 Krüger, Hans-H. Institut für Wildbiologie und Jagdkunde D-37077 Göttingen, Büsgenweg 3 Kugelschafter, Karl Justus-Liebig-Universität, AK Wildbiologie D-35392 Gießen, Heinrich-Buff-Ring 25 Kunze, Thomas D-04916 Knippelsdorf, Siedlung Nr. 8 Kuthe, Christoph D-14532 Kleinmachnow, Steinweg 51 Lachenmaier, Klaus D-70437 Stuttgart, Gundelsheimer Straße 16 Langbein, Jan Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10315 Berlin, Alfred-Kowalke-Straße 17 Langbroek, A.J.M. Stichting Otterstation Nederland NL-9675 Jg Winschoten, Elandhof 131 Langgemach, Torsten LUA-Naturschutzstation Woblitz D-16798 Himmelpfort Lengwinat, Thomas Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10252 Berlin, Postfach 1103 Lentz, Alain L-3706 Clervaux 4 A, Rue de Bastogne Lindner, Rainer D-91052 Erlangen, Weicherstraße Litzbarski, Heinz (LUA) Naturschutzstation Buckow D-14715 Buckow, Weicherstraße 18 Ludwig, Ingo D-10435 Berlin, Griebenowstraße 3 Maetz, Gerhard D-14943 Luckenwalde, Mauerstraße 8 Mammen, Ubbo Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt D-06116 Halle, Heideburger Straße 47-49 Maternowski, H.-W. D-16565 Lehnitz, Havelkorso 184 Mau, Heidi Naturpark Bayrischer Wald D-94227 Zwiesel, Theresienthal 29 Maunz, Joachim D-30419 Hannover, Süntelstraße 2b Meeske, Martina D-31840 Hessisch-Oldend, Auf der Höhe 4 Meierjürgen, Uwe D-14109 Berlin, Dreilindenstraße 45 Meinig, Holger D-33824 Werther, Hallerstraße 52a Melisch, Roland WWF Deutschland D-60591 Frankfurt, Hedderichstraße 110 Mensch, Birgit D-10243 Berlin, Rüdersdorfer Straße 17 Miethe, Heiko D-15848 Beeskow, Kiefernweg 59 Milhahn, Kirstin D-33604 Bielefeld, Stieglitzweg 8a Mix, Henry Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10252 Berlin, PF 1103 Mulder, Japp L. Zentrum für Umweltstudien NL-2300 Ra Leiden Postbus 9518 Neberle, Birgit D-91054 Erlangen, Haakstraße 17 Nelson, Monika Revierförsterei Kappe D-16775 Kappe, Dorfstraße 26c Nettmann, H.-K. Universität Bremen D-28334 Bremen, PF 330440 Niedenführ, Anders D-03099 Kolkwitz, Am Klinikum 21 Nitsche, Karl-A. D-06844 Dessau, Akensche Straße 10 Ober, Günther D-04938 Langennaundorf, Schildaer Straße 40a Olfermann, Ernst Universität Bielefeld AG, Säugetiersozialsystem D-33659 Bielefeld, Morgenbreede 45 Opitz, Helmut Naturschutzbund Deutschland Deutschland (NABU) D-77960 Seelbach, Am Tretenbach 11 Pelz, Gabriel D-15738 Zeuthen, Ahornallee 11 Petzoldt, R. Brandenburgische Technische Universität, Lehrstuhl Allg.Ökol. D-03044 Cottbus, Karl-Marx-Allee 17 Pratje, Peter Kluiser LWG D-18569 Gagern Pribbernow, Marcus D-13086 Berlin, Charlottenburger Straße 2 Pryswitt, K.-Peter D-31637 Rodewald, Hauptstraße 132 Pürckahauer, Claudia Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. D-16818 Ziethenhorst, Dorfstraße 24 Rathke, Detlef D-03099 Kolkwitz, Am Klinikum 21 Recker, Wilhelm D-12439 Berlin, Grimaustraße 58 Reuther, Claus Aktion Fischotterschutz e.V., Otterzentrum D-29386 Hankensbüttel Richter, Ingo D-14943 Holbeck, Dorfstraße 18 Rogoschik, Bärbel Aktion Fischotterschutz e.V., Otterzentrum D-29386 Hankensbüttel Roy, Anja D-49536 Lienen, Breede 4 Ruck, Thomas D-72144 Dußlingen, Eichachstraße 76 Sander, Björn D-13595 Berlin, Betckestraße 19 Schäfers, Günter Umweltbehörde/Fachamt für ökol. Forst/LW D-20539 Hamburg, Billstraße 84 Scharmann, Annette D-14109 Berlin, Dreilindenstraße 45 Scheibe, K.-M. Institut für Zoo- und Wildtierforschung D-10252 Berlin, PF 1103 Schikore, Tasso D-27711 Osterholz-Scha., Garteler Weg 11 Schipke, Reinhard D-02999 Wartha, Teichweg 4 Schlegel, Detlef D-31515 Wunstorf, An der Grotte 4-6 Schmidt, Axel D-15848 Beeskow, Storkower Straße 11 Schmidt, Marianne D-15848 Beeskow, Storkower Straße 11 Schneider, Michael Umea University/Department of Animal Ecology S-90187 Umea Schneider, Eberhard D-37077 Göttingen, Zur Akelei 5 Schreiber, Luc Musee National d`Historie N., Marche-Aux-Poissons, Rue de la Boucherie 7 Schrey, Eckart D-25832 Tönning, Otto-Wiesner-Straße 2 Schröder, Jörg D-27711 Osterholz-Scha., Amselweg 3 Schröder, Hartmut D-16928 Pritzwalk, Meyenburger Tor 69 Schröpfer, Rüdiger Universität Osnabrück, FB Biologie/Chemie D-49069 Osnabrück, Barbarastraße 11 Schröter, Henning D-14715 Wolsier, Hauptstraße 40 Schumacher, Annett NaSt Elbe/Dübener Heide, Forsthaus D-06774 Tornau/Eisenha. Schütze, Beate Forschungszentrum Jülich GmbH, Außenstelle Berlin D-10115 Berlin, Hannoversche Straße 30 Schwarz, Sabine Naturschutzstation Buckow D-14715 Buckow, Dorfstraße 34 Schwarz, Jochen Universität Kiel Dorfstraße 67 Seebass, Christian Universität Osnabrück, FB Biol. AG Ethologie D-49069 Osnabrück, Barbarastraße 11 Seluga, Kerstin Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06099 Halle, Domplatz 4 Sieber, Johanna Konrad-Lorenz-Institut A-1160 Wien, Savoyenstraße 1a Sohler, Silke D-38112 Braunschweig, Ligusterweg 46 Spielmann, Edit Stadtlander, Thomas D-88499 Altheim, Auf dem Bürgle 7 Stahnke, Adelheid Spektrum, Verlagsgesellschaft D-69115 Heidelberg, Vangerowstraße 20 Stiebling, Udo D-10243 Berlin, Franz-Mehring-Platz 3 Stubbe, Michael Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06099 Halle, Domplatz 4 Stubbe, Anne Universität Halle, Institut für Zoologie D-06099 Halle, Domplatz 4 Suchentrunk, Franz Vet. medizinische Universität Wien, Institut für Wildtierk. A-1160 Wien, Savoyenstraße 1 Sutor, Astrid Naturschutzstation Buckow D-14715 Buckow, Dorfstraße 34 Tammen, Ralf Universität Osnabrück, AG Ethologie D-49069 Osnabrück, Barbarastraße 11 114 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998

Teilnehmerliste der Fachtagung „Säugetierforschung als Grundlage für den Artenschutz“

Teubner, Jens (LUA) Naturschutzstation Zippelsförde D-16827 Alt Ruppin Teubner, Jana (LUA) Naturschutzstation Zippelsförde D-16827 Alt Ruppin Thiele, Klaus D-14627 Elstal, Gartenstraß 39 e Thor, Gundula Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg D-88326 Aulendorf, Atzenberger Weg 99 Tippmann, Holger D-09119 Chemnitz, Usti nad Labem 19 Turni, Hendrik D-72070 Tübingen, Schleifmühleweg 14 Utleb, Heiko D-06571 Langenroda, Dorfstraße 29 Van Riesen, Jörg D-06844 Dessau, Marienstraße 5 Vedder, Anette D-14776 Brandenburg, Wendgräben 19 Vierhaus, Henning D-59505 Bad Sassendorf,Teichstraße 13 Vogel, Carina D-19348 Berge, Mühlenkamp Watzke, Henrik HUB/Institut für Biologie, PG Naturschutz D-10115 Berlin, Invalidenstraße 43 Weber, Heike D-30163 Hannover, J.-Liebig Straße 2 Weidling, Anja Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie D-06108 Halle, Domplatz 4 Weile, Carsten Institut für Wildtierforschung, TH Hannover D-30173 Hannover, Bischofshofer Damm 15 Weinhold, Ulrich Zoologisches Institut, Universität Heidelberg D-69120 Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 230 Werner, Kirsten D-78532 Tuttlingen, Lohmehlenring 60 Werner, Bernd D-78532 Tuttlingen, Lohmehlenring 60 Widmann, Peter D-73207 Plochingen, Johanniterstraße 40/3 Wietfeld, Jürgen D-31246 Lahstedt, Große Straße 26 Wölfl, Manfred D-94372 Rattiszell, Hüttenzell 5 Zimen, Erik D-94542 Haarbach, Grillenöd Zinke, Olaf Museum Westlausitz Pulsnitzer Straße 16 Zöphel, Ulrich Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie D-01445 Radebeul, Wasastraße 50 Zscheile, K. UFZ, PB Naturnahe Landschaft D-04318 Leipzig, Permoserstraße 15

Brandenburger Ökologietage II Fachtagung zum ökologischen Hochwasserschutz Bioland Das Landesumweltamt Brandenburg gestaltet seine diesjährige Baumschule am Butzelberg Fachtagung zum Thema Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser – Wege zu einem Wildgehölze für Flur und Garten ökologischen Hochwasserschutz. aus ökologischem Anbau Die Veranstaltung findet am Montag, dem 11. Mai 1998, im Dorint-Hotel Potsdam statt; – der Natur zuliebe – Tagungsbeginn: 10.00 Uhr.

Lassen Sie sich unsere Angebotsliste schicken, wir Interessenten melden bitte Ihre Teilnahme an beraten Sie gern und freuen uns auf Ihren Besuch. Landesumweltamt Brandenburg Referat Öffentlichkeitsarbeit Christine Edert Tel.+Fax: Berliner Straße 21-25 Götzer Str. 45 · 14550 Deetz 033207 - 50703 14467 Potsdam LANDESUMWELTAMT Fax: 0331/292108 BRANDENBURG

Eine Tagungsgebühr wird nicht erhoben.

Abonnement

Name, Vorname Liebe Leserinnen, liebe Leser! Straße, Hausnummer (PF, PSF) Wenn Sie „N und L – Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg“ zum Jahresbezugspreis von 16,- DM (inclusive Postleitzahl, Ort Mehrwertsteuer und Versand) abonnieren ✗ möchten, dann füllen Sie – bitte deutlich schreiben – nachfolgenden Coupon aus Vertrauensgarantie: Ich kann diese Bestellung von „Naturschutz und Landschaftspflege in und schicken ihn an: Brandenburg“ (einschl. Rote Listen) innerhalb 7 Tagen schriftlich widerrufen. Eine einfa- Landesumweltamt Brandenburg che Benachrichtigung genügt (Datum Poststempel) Unterschrift nicht vergessen! N und L Schriftleitung ✗ PF 601061 14410 Potsdam Datum Unterschrift ab Monat/Jahr Stück

Sonderhefte sind nicht Bestandteil des Das Abonnement verlängert sich um jeweils 1 Jahr, wenn es nicht acht Wochen vor Abonnements. Jahresende gekündigt wird. NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG, HEFT 1, 1998 115

Hinweise für Autoren

Nach der Überprüfung der Manuskrip- e) reproduktionsreife Abbildungsvor- Reihenfolge beachten, z.B. (MÜL- te durch den Redaktionsbeirat wird der lagen (s. 7.) LER et al. 1987; SCHULZE 1989 a, Autor über das Ergebnis informiert und b; 1991). ggf. um eine Überarbeitung nach den f) Texte einseitig maschinen- oder Vorschlägen gebeten. Nach erneuter computergeschrieben (wp 5.1 6. Im Literaturverzeichnis sind zu je- Vorlage der überarbeiteten Fassung oder ASCII-FILE, Fließtext), DIN der im Text angegebenen Quelle wird über die endgültige Annahme A4-Format; 1,5facher Zeilenab- aufzuführen: zum Druck entschieden. Der Autor stand, Ränder für Kopf- und Fuß- Name und abgekürzter Vorname wird vom Ergebnis schriftlich unter- zeilen 2,5 cm, Ränder für rechten des Verfassers, Erscheinungsjahr, richtet. Die Entscheidung des Redakti- und linken Rand 3 cm. vollständiger Titel der Arbeit: onsbeirates gilt als verbindlich. Während im Textausdruck für den bei Büchern - Seitenzahl (Gesamt- Redaktionsbeirat eine Gestaltung seitenzahl bzw. die Seitenzahlen (Unterstreichung, Fettdruck u.a. der zitierten Beiträge), Auflage, Die eingereichten Manuskripte müs- Hervorhebungen) erwünscht ist, Verlag, Erscheinungsort, z.B. sen den folgenden Richtlinien entspre- muß im Fließtext darauf verzichtet BRAUNS, A. 1991: Taschenbuch chen: werden. der Waldinsekten. Grundriß einer Die wissenschaftlichen Gattungs- terrestrischen Bestandes- und 1. Veröffentlicht werden Originalar- und Artnamen sind im Ausdruck Standort-Entomologie. 4. neube- beiten, die bislang in keiner ande- kursiv darzustellen bzw. mit einer arb. Aufl. G. Fischer Verl. -Stutt- ren Zeitschrift erschienen oder zur Wellenlinie zu kennzeichnen. Die gart. -860 S. Veröffentlichung geplant ist. Untergliederung des Textes in Ka- HERDAM, V. 1992: Weichtiere pitel (numerische Gliederung) so- (Mollusca, Gastropoda und Bival- 2. Die Beiträge sollten übersichtlich wie fortlaufende Numerierung der via). Rote Liste. Gefährdete Tiere gegliedert sein, eine Zusammen- Seiten sind erforderlich. im Land Brandenburg. Hrsg.: Mini- fassung enthalten und so konzen- sterium für Umwelt, Naturschutz triert wie möglich geschrieben sein. 4. Bei Verwendung einzelner Artnamen und Raumordnung des Landes Zur besseren Nutzbarkeit wird um und pflanzensoziologischer Gesell- Brandenburg. UNZE-Verlag. -Pots- fünf Schlagworte, die sich auf das schaftsbezeichnungen ist bei der er- dam: 39-48 gesamte Manuskript beziehen, ge- sten Nennung im Text der wissen- bei Zeitschriften - abgekürzter beten. schaftliche bzw. deutsche Name zu- Zeitschriftentitel, die Nummer des sätzlich in Klammern anzugeben. Bei Bandes, ggf. Heftnummer und die 3. Die Manuskripte sind in folgender der weiteren Bezeichnung der Taxa Seitenzahl, z.B. BRAASCH, D. u. Form abzuliefern: kann entweder nur der deutsche oder BRESK, B. 1993: Die Alpenplanarie der wissenschaftliche Name genannt Crenobia alpina DANA in Bran- a) Titel der Arbeit, Autor/en mit werden. Die Nomenklatur erfolgt ein- denburg - ein Beispiel für den komplettem Anschriftenver- heitlich nach einer Quelle, die anzuge- Quellenschutz. -Naturschutz und zeichnis am Ende des Manu- ben ist. Landschaftspflege in Brandenburg skriptes (bitte Tel./Fax-Nr. 2(3): 31-33 zwecks schneller Kontaktauf- 5. Quellenangaben sind in folgender Bei der Zitierweise "... et al." sind nahme beilegen) Weise zu zitieren: HUBER 1990 oder im Literaturverzeichnis alle Auto- "...wie HUBER (1990) beschreibt ...". ren aufzuführen. b) Literaturverzeichnis (s. 6.) Werden vom gleichen Autor mehrere Arbeiten aus dem gleichen Jahr zitiert, 7. Abbildungen c) Tabellen mit Tabellenüber- so sind diese durch Kleinbuchstaben Diagramme, Strichzeichnungen schriften (separat als gesonder- hinter der Jahreszahl zu kennzeichnen, und Tabellen - in guter Qualität te Datei) z.B. (HUBER 1990 a,b). (s/w) oder Farbe; Originale einrei- Zwei Autoren sind durch "u." zu ver- chen - keine Kopien (exakte Hand- d) Abbildungsunterschriften (Le- binden, bei mehr als zwei Autoren wird zeichnungen oder Laserausdrucke gendenmanuskript), die Abkürzung "et al." verwendet, z.B. auf weißem Papier, Pergament; (bei Lieferung auf Diskette im (HUBER u. MÜLLER 1991), (HUBER et Dias, Abzüge (Hochglanz, s/w, Anschluß an den Text setzen, al. 1991). Farbe) möglich nicht gesondert abspeichern) Bei Aufzählung bitte chronologische Postvertriebsstück A 10532 Gebühr bezahlt · UNZE Verlagsgesellschaft mbH, Alt Nowawes 83a, 14482 Potsdam